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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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- s<strong>ein</strong>e Freunde sollen den Telefonhörer ablegen und die Türe vor s<strong>ein</strong>en Augen zuschließen,- Flüche sollen ihn treffen, wo auch immer er hinkommen mag und ihn begleiten wenn erabreist,- all s<strong>ein</strong>e Zukunftsprognosen sollen wie die futurologische Summe allen Übels s<strong>ein</strong>,- nicht <strong>ein</strong>mal das Alter soll ihm Ruhe bringen bevor der Text des Hauptpaktes gültig wirdund Mefistofeles s<strong>ein</strong>e unsterbliche Seele holt.Ich nahm das Papier, faltete es und steckte es in m<strong>ein</strong>e Jackentasche. – Wie Sie sagten, HerrGesandter, das ist nur <strong>ein</strong> Konzept für den Zusatzprotokoll des Paktes, und als solches sehrprimitiv. Wie können Sie noch in den 1990ern an der am Anfang des 16. Jahrhundertsgeformten Ausdruck „s<strong>ein</strong>e unsterbliche Seele holen“ festhalten, wenn Sie doch selbst wissen,dass das nie Wirklichkeit geworden ist. Ihren Herrn ist es nie geglückt, die „unsterblicheSeele“ <strong>ein</strong>es <strong>ein</strong>zelnen Fausts zu „holen“, in s<strong>ein</strong>e Obhut zu nehmen, zu erben, auch wenn diegroße Erzählung in den Köpfen der Menschen bald fünfhundert Jahre gelebt hat. Jedes Mal,wenn Mefisto nach Staufen gekommen ist, um die „unsterbliche“ Seele des Paktpartners zunehmen, ist es ihm missglückt. Immer hat sich Faust befreien können aus den Fängen desTeufels. Und jetzt ist die „unsterbliche Seele“ grosnyij 881 , da ist nichts Mitnehmenswertesdarin.- Warum schreiben Sie denn in das Zusatzprotokoll den Vermerk über die„unsterbliche Seele“, wenn Mefisto sie doch nicht will.- Setzen Sie sich in die Lage des allmächtigen Mefisto und s<strong>ein</strong>er Gesandten – uns.Die Lage ist unerträglich. Sie, Faust, haben Ihren Gott aufgegeben, in Ihnen gibt es nicht<strong>ein</strong>mal so viel Gold des Menschs<strong>ein</strong>s oder Liebe mehr, dass es sich für den Teufel lohnenwürde, die Krümel aus Ihrer Seele zu waschen. Wir müssen woanders danach suchen. –Merken Sie: die betreffende Stelle des Zusatzprotokolls ist <strong>ein</strong>e Ermahnung für Sie. Tun SieBuße, damit der Teufel wieder etwas Erstrebenswertes an Ihnen hätte. Erst im AugenblickIhres Todes öffnet sich die leuchtende Wahrheit vor Ihnen wie <strong>ein</strong>e weiße Mauer. Gottschließt s<strong>ein</strong>e Tore und die Hölle braucht Ihresgleichen nicht – alles voll mit Leuten wie Sie.Denken Sie über Ihr Los nach dem Tode nach, nichts, ewiges Vergessen. Nicht <strong>ein</strong>mal der amWeitesten entfernte Stern am nächtlichen Himmel, k<strong>ein</strong> Grashalm am Frühlingsrasen erinnertsich an Ihren Namen.- Wenn Sie so hartnäckig verlangen, dass Mefisto den Dialog im großen Schauspielmit Ihnen auch im dritten Jahrtausend fortsetzt, müssen Sie bei Ihrer Rolle bleiben. Währenddes vergangenen Jahrhunderts haben Sie all<strong>ein</strong> die Bühne beherrscht wie <strong>ein</strong>e Boulevard-Diva. Sie haben vergessen wer der wirkliche Herr ist und wer der sterbliche Partner. Siehaben <strong>ein</strong>en Narren aus Satan gemacht. Das wird er nicht dulden. Darum haben wir es fürsinnvoll gehalten, Sie in dem geheimen Protokoll darauf hinzuweisen: Sie sind nur <strong>ein</strong>Mensch mit <strong>ein</strong>er so genannten „Seele“; und diese Seele haben Sie in diesem Jahrhundertschon wieder so widerlich verhäßlicht, dass auch dem Teufel davon übel wird. – UnsereAufgabe ist es, Ihr Ich zu erheben, wie man heutzutage sagt, Sie geistig auf das Niveau zuheben, wo Sie vor Goethe waren; er hat Sie auf den Weg der sinnlosen Ausschweifungen unddes Mordens geführt, auch wenn Mefisto alles ihm Mögliche tat, um Fausts Lust aufMargarethe zu dämmen. – Faust, der s<strong>ein</strong>en symbolischen Faustwert verliert, ist weder fürTeufel noch Gott gut genug. – Aber wir machen noch <strong>ein</strong>en guten Faust aus Ihnen, <strong>ein</strong>en,neben den Mefisto sich nicht schämen muss.881 Grosnyij = Russisch für ‚schrecklich’.386

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