ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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13.07.2015 Aufrufe

IV. Der Teufelspakt und seine BegründungIV.I Der Teufelspakt in volkstümlichen Faust-Werken1. Das „Volksbuch“ – Historia von D. Johann FaustenAls vorherrschender Probleminhalt der Faust-Tradition gilt, daß ein Streben nachErkenntnis wie nach Sinnen- und Tatengenuß mittels übernatürlicher Macht alsCharakteristikum eines bestimmten Menschentyps dargestellt wird, der verzweifelt,kühn oder leichtfertig genug ist, einen Pakt mit dem Teufel zu schließen. 68Warum will Faust ein Bündnis mit dem Teufel schließen? Was treibt ihn dazu, den Teufel umHilfe zu bitten und sich ihm ewig zu verschreiben? Das sind Fragen, die seit der Entstehungder Legende gestellt worden sind. Ist es sein Wissensdurst, der ihn dazu bewegt, seineUnzufriedenheit mit den Wissenschaften, ist es Enttäuschung in der Liebe, ist es Geldmangel,ist es die Gesellschaft, in der zu strenge Regeln gelten, oder ist es einfach das Gefühl, dass dieMöglichkeiten, sich zu verwirklichen, zu begrenzt sind, dass Faust sich nicht zufrieden gebenkann mit dem, was er hat, was er sieht, fühlt und sagt? In diesem Kapitel werden FaustsBeweggründe für den Teufelspakt in den verschiedenen Werken untersucht, um Antwortenauf diese Fragen zu finden.Das Volksbuch, die Historia von D. Johann Fausten (1587) 69 , ist das erste zusammengefasste„literarische” Werk über das Leben, die Abenteuer und das Ende Fausts. Sie ist 1587 inFrankfurt a.M. im Verlag von J. Spieß erschienen. Der Autor des Buches blieb unbekannt.„Aus vielen Quellen gespeist, gestaltet ein Unbekannter zum ersten Male den Faust-Stoff inliterarischer Form” 70 . In der Historia hat der Verfasser die Legenden und Schwänke, die über68 Kreuzer: Fragmentarische Bemerkungen zum Experiment des ‚faustischen Ich’. In: Fülleborn/Engel (Hrsg.):Das neuzeitliche Ich. S. 131.69 Vollständiger Titel der Originalausgabe aus dem Jahr 1587 lautet: Historia Von D. Johann Fausten / demweitbeschreyten Zauberer vnnd Schwartzkünstler / Wie er sich gegen dem Teuffel auff eine benandte zeitverschrieben / Was er hierzwischen für seltzame Abentheuwer gesehen / selbst angerichtet vnd getrieben / biß erendtlich seinen wol verdieneten Lohn empfangen. Mehrertheils auß seinen eygenen hinderlassenen Schrifften /allen hochtragenden / fürwitzigen vnd Gottlosen Menschen zum schrecklichen Beyspiel / abscheuwlichenExempel / vnd treuwhertziger Warnung zusammen gezogen / vnd in den Druck verfertiget. Iacobi IIII. Seyt Gottunderthänig / widerstehet dem Teuffel / so fleuhet er von euch. Cvm Gratia et Privilegio. Gedruckt zu Franckfurtam Mayn / durch Johann Spies. M. D. LXXXVII.70 Henning: Das Faust-Buch von 1587. In: Faust-Variationen. S. 65.32

Faust 71 erzählt wurden, gesammelt und in eine seines Erachtens chronologische Reihenfolgegebracht, sodass aus den Einzelteilen ein Lebenslauf entsteht. Das Buch besteht jedoch auseinzelnen Episoden; Fausts Reiseabenteuer, Schwänke und „Disputationen” werden alsvoneinander unabhängige Geschichten dargestellt.Formal kann das Faust-Buch weder als Roman noch als Erzählung gelten. DieHandlung schreitet nicht stetig von Kapitel zu Kapitel fort. Einzelne Geschichten,oftmals anekdotisch pointiert, werden erzählt. Wir haben es also mit einer Frühformder romanhaften Gestaltung zu tun. 72Trotzdem ist die Historia als eine Einheit zu betrachten. Die Einzelgeschichten werdennämlich durch den Teufelspakt und das Ende Fausts verbunden; die Verbindung mit demTeufel bildet den „roten Faden”, der die Einzelgeschichten zusammenhält. In diesem Werkhat der Pakt also auch formal eine zentrale Funktion. „Die epochale Erfindung des Autorsbesteht darin, diese Geschichten nach einem inneren Gesetz geordnet zu haben, dasentscheidend durch den Teufelspakt bestimmt war.” 73Die Historia besteht aus drei Hauptteilen mit insgesamt 68 Kapiteln. Im ersten Teil werden„deß weitbeschreyten Zauberers / Geburt und Studijs” 74 behandelt - darin sind auch dieBeschwörung und das Bündnis beschrieben -, der zweite Teil handelt von „FaustiAbenthewren vnd andern Fragen” 75 , wo also einige Reiseberichte und wissbegierige FragenFausts an den Teufel präsentiert werden. Der dritte und letzte Teil verrät dem Leser, wasFaust „mit seiner Nigromantia an Potentaten Höfen 76 gethan und gewircket. Letzlich auch vonseinem jämmerlichen erschrecklichen End vnnd Abschiedt.” 77 Darin befinden sich alsoweitere Abenteuer, die Liebschaft mit der „Helena auß Griechenland” 78 und die Beschreibungüber den Ablauf des 24. Jahres der Verschreibung, Fausts Weheklagen und sein brutalesEnde.71 Reske (1971) betont, dass der Autor „nicht nur die Faustquellen für sein Buch benutzte, sondern daß er esverstanden hat, bei den verschiedenen Teufelsbündlersagen und sonstigen Legenden von Paktierern und Magierndes Mittelalters soviel Anleihe aufzunehmen, daß man das Volksbuch als die beste Zusammentragung einesbisher noch unverarbeiteten Stoffes bezeichnen kann, wie es nur je eine gegeben hat” (S. 21.). Der Autor hat alsoGeschichten von anderen Teufelsbündlern Faust zugeschrieben, um seinen Text interessanter zu gestalten.72 Henning: Das Faust-Buch von 1587. In: Faust-Variationen. S. 54.73 Kreutzer: Über die Wißbegierde in der Literatur der Neuzeit. In: Fülleborn/Engel (Hrsg.): Das neuzeitlicheIch. S. 68.74 Historia von D. Johann Fausten, S. 13. (Von nun an Historia genannt.)75 Historia, S. 44.76 Im ursprünglichen Text werden Umlaute mit einem kleinen ‚e’ über dem Vokal gekennzeichnet; austechnischen Gründen wird in dieser Arbeit stattdessen ‚ü’, „ä’ und „ö’ benutzt.77 Historia, S. 77.78 Historia, S. 110.33

Faust 71 erzählt wurden, gesammelt und in <strong>ein</strong>e s<strong>ein</strong>es Erachtens chronologische Reihenfolgegebracht, sodass aus den Einzelteilen <strong>ein</strong> Lebenslauf entsteht. Das Buch besteht jedoch aus<strong>ein</strong>zelnen Episoden; Fausts Reiseabenteuer, Schwänke und „Disputationen” werden alsvon<strong>ein</strong>ander unabhängige Geschichten dargestellt.Formal kann das Faust-Buch weder als Roman noch als Erzählung gelten. DieHandlung schreitet nicht stetig von Kapitel zu Kapitel fort. Einzelne Geschichten,oftmals anekdotisch pointiert, werden erzählt. Wir haben es also mit <strong>ein</strong>er Frühformder romanhaften Gestaltung zu tun. 72Trotzdem ist die Historia als <strong>ein</strong>e Einheit zu betrachten. Die Einzelgeschichten werdennämlich durch den Teufelspakt und das Ende Fausts verbunden; die Verbindung mit demTeufel bildet den „roten Faden”, der die Einzelgeschichten zusammenhält. In diesem Werkhat der Pakt also auch formal <strong>ein</strong>e zentrale Funktion. „Die epochale Erfindung des Autorsbesteht darin, diese Geschichten nach <strong>ein</strong>em inneren Gesetz geordnet zu haben, dasentscheidend durch den Teufelspakt bestimmt war.” 73Die Historia besteht aus drei Hauptteilen mit insgesamt 68 Kapiteln. Im ersten Teil werden„deß weitbeschreyten Zauberers / Geburt und Studijs” 74 behandelt - darin sind auch dieBeschwörung und das Bündnis beschrieben -, der zweite Teil handelt von „FaustiAbenthewren vnd andern Fragen” 75 , wo also <strong>ein</strong>ige Reiseberichte und wissbegierige FragenFausts an den Teufel präsentiert werden. Der dritte und letzte Teil verrät dem Leser, wasFaust „mit s<strong>ein</strong>er Nigromantia an Potentaten Höfen 76 gethan und gewircket. Letzlich auch vons<strong>ein</strong>em jämmerlichen erschrecklichen End vnnd Abschiedt.” 77 Darin befinden sich alsoweitere Abenteuer, die Liebschaft mit der „Helena auß Griechenland” 78 und die Beschreibungüber den Ablauf des 24. Jahres der Verschreibung, Fausts Weheklagen und s<strong>ein</strong> brutalesEnde.71 Reske (1971) betont, dass der Autor „nicht nur die Faustquellen für s<strong>ein</strong> Buch benutzte, sondern daß er esverstanden hat, bei den verschiedenen Teufelsbündlersagen und sonstigen Legenden von Paktierern und Magierndes Mittelalters soviel Anleihe aufzunehmen, daß man das Volksbuch als die beste Zusammentragung <strong>ein</strong>esbisher noch unverarbeiteten Stoffes bezeichnen kann, wie es nur je <strong>ein</strong>e gegeben hat” (S. 21.). Der Autor hat alsoGeschichten von anderen Teufelsbündlern Faust zugeschrieben, um s<strong>ein</strong>en Text interessanter zu gestalten.72 Henning: Das Faust-Buch von 1587. In: Faust-Variationen. S. 54.73 Kreutzer: Über die Wißbegierde in der Literatur der Neuzeit. In: Fülleborn/Engel (Hrsg.): Das neuzeitlicheIch. S. 68.74 Historia von D. Johann Fausten, S. 13. (Von nun an Historia genannt.)75 Historia, S. 44.76 Im ursprünglichen Text werden Umlaute mit <strong>ein</strong>em kl<strong>ein</strong>en ‚e’ über dem Vokal gekennzeichnet; austechnischen Gründen wird in dieser Arbeit stattdessen ‚ü’, „ä’ und „ö’ benutzt.77 Historia, S. 77.78 Historia, S. 110.33

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