ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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13.07.2015 Aufrufe

volkstümlicheren Werke in beiden Ländern hier eine gemeinsame Grundlage bilden sollen,danach die schwedischen und dann die finnischen literarischen Bearbeitungen folgen werden.Als absolute Höhepunkte der jeweiligen Länder sind Carl-August Bolanders und PaavoRintalas Faust-Bearbeitungen zu sehen, die jeweils eine entschieden moderne und gedanklichneue Interpretation des Themas präsentieren. Beide sind in ihren Herkunftsländern nicht aufbesonders viel Interesse – soweit dies zumindest aus der publizistischen undwissenschaftlichen Beschäftigung mit den Werken zu erkennen ist – gestoßen, und es bleibtzu hoffen, dass sie durch diesen internationalen Bezug den Weg auch in ihre Heimatländerwieder finden.In der finnischen volkstümlichen Faust-Tradition spielt die christliche Moral von Anfang aneine geringe Rolle. Von den 23 volkstümlichen Geschichten endet nur eine einzige mit einerHöllenfahrt Fausts (Geschichte 11), in allen anderen kommt er unbeschadet davon. Warum istein solcher Schluss in Finnland möglich? Faust ist auch hier eng mit der Reformation und derneuen Kirchenlehre verbunden. Davon zeugen u.a. die Geschichten, in denen Faust als BruderLuthers dargestellt wird. In diesen Geschichten rettet Faust oft seinen Bruder aus einermisslichen Lage (19) oder nimmt ihn mit auf seine Reisen (17, 18, 20-23). Luther sorgt sichzuweilen auch um das Seelenheil seines Bruders (21). Kurzum: beide werden als normaleMenschen mit etwas mehr „zauberischen“ Kräften – der eine durch Gebet an Gott, der anderedurch den Teufel – dargestellt.In Finnland hat der Teufel keinen besonders Furcht erregenden Ruf. Er scheint eher etwaseinfältig zu sein – er ermöglicht seinem Partner zwar Dinge, die der Mensch allein nichtvermag (z.B. Seekarten verfertigen), aber es ist recht leicht, aus dem Bündnis mit ihm herauszu kommen. Man braucht nur etwas zu verlangen, worüber der Teufel keine Macht besitzt,beispielsweise den Sohn Gottes oder „Kurilan kurkku“ zu sehen. Es verhält sich hier oft mitFaust so, wie in den deutschen Puppenspielen mit der lustigen Figur, Hanswurst oderKasperle: Den Nutzen von teuflischen Kunststücken haben sie, vor der Strafe können sie sichmit List und Tücke retten. In der einzigen Geschichte, in der Faust vom Teufel mitgenommenwird, ist auch Laiska Jaakko – als Pendant zum Kasperle – dabei, und in diesem Fall kommtdieser ungeschoren davon. Eigenartig ist auch, dass ein Pakt zwar in den Erzählungenerwähnt wird, dass man aber über die Umstände, die zum Paktschluss geführt haben, nichtserfährt, auch nicht über die Form des Paktes.Der Teufelspakt ist in Finnland also von Anbeginn an kein an die Ewigkeit gebundenerVertrag, sondern dient zu einem bestimmten Zweck, und man kann sich mit Geschick wieder290

aus dem Vertrag herausretten. Insofern ist der Pakt auch nicht als „unmoralisch“ zu bewerten.Ebenfalls wird niemals eine totale Abwendung von Gott und dem Guten erwähnt. Der Teufelscheint hauptsächlich ein Mittel zu sein, mit dem man etwas erreichen kann, aber wie auchdie Brüderschaft mit Luther zeigt, ist nichts Furchterregendes, „wirklich Teuflisches“ dabei –und Luther lässt sich sogar in diesen Geschichten auf dem Zaubermantel oder derZauberplatte mitnehmen.In der ältesten hier untersuchten schwedischen Faust-Bearbeitung Den Beryktade TrollkarlenDr Fausts Lefwerne, Gerningar och Helfwetesfärd scheint der christliche Hintergrund nochsehr präsent, aber nicht streng verurteilend. Faust ist ein gebildeter Mann, ein Theologe, derInteresse an Zauberkünsten hat, diese bei den wandernden Zigeunern lernt und daraufhin dasInteresse an der Gotteslehre verliert und Medizin zu studieren beginnt, „in der“ sich „in derZeit der Aberglaube sein Hochquartier aufgeschlagen hatte“ 859 . Dieses Interesse an derZauberei und Heilkunst ist jedoch nicht der Grund für Fausts Pakt, sondern Geldgier –nachdem sein Erbe aufgebraucht ist, braucht Faust teuflische Hilfe, um ihm all dieHerrlichkeiten herbeizuschaffen, an die er sich gewöhnt hat. Die Begründung für den Pakt hatalso nichts mit mehr wissen wollen zu tun, sondern der Paktschluss erfolgt aus Eitelkeit undHabgier.Interessanterweise gesteht der Teufel hier bereits im Zusammenhang der ersten Wünsche, dieFaust an ihn richtet, dass er und die gesamten teuflischen Kräfte nichts materiell Neuesschaffen können, sondern nur Bestehendes herbeischaffen 860 , was natürlich FaustsÜberzeugung und Glauben an die wirkliche teuflische Hilfe schon am Anfang derPaktbeziehung erschüttert. In dieser Weise verletzt, versucht Faust, aus seinem Pakt nunmehrdas Bestmögliche herauszuholen, beschuldigt aber im Laufe des Werkes den Teufel oft desBetruges.Die Erkenntnis, dass der Teufel nicht in dem Maße allmächtig ist wie erhofft, führt dazu, dassFaust offener ist für Anreize aus seiner Umgebung, die ihn aus den Fängen des Teufelsherausretten wollen. So erscheint hier ein Geistlicher mehrfach und versucht, Faust zu tröstenund ihm von der Gnade Gottes zu überzeugen. Faust lässt sich gern und oft von ihm trösten,aber es gelingt dem Teufel immer wieder, Faust erneut auf seine Seite zu locken. So bleibtFaust eigentlich kein „echter, überzeugter“ Teufelsbündler, sondern ein Zweifler zwischen859 S. 4, Originaltext: „i denna hade, på den tiden, widskepelsen rigtigt slagit upp sitt högqwarter”.860 Vgl. auch die oben bereits zitierte Stelle in Thomas Manns Doktor Faustus, S. 318: „Wir schaffen nichtsNeues – das ist andrer Leute Sache. Wir entbinden nur und setzen frei.“ – Hier zielt diese Freisetzung der Kräftejedoch auf geistig-schöpferische Fähigkeiten.291

aus dem Vertrag herausretten. Insofern ist der Pakt auch nicht als „unmoralisch“ zu bewerten.Ebenfalls wird niemals <strong>ein</strong>e totale Abwendung von Gott und dem Guten erwähnt. Der Teufelsch<strong>ein</strong>t hauptsächlich <strong>ein</strong> Mittel zu s<strong>ein</strong>, mit dem man etwas erreichen kann, aber wie auchdie Brüderschaft mit Luther zeigt, ist nichts Furchterregendes, „wirklich Teuflisches“ dabei –und Luther lässt sich sogar in diesen Geschichten auf dem Zaubermantel oder derZauberplatte mitnehmen.In der ältesten hier untersuchten schwedischen Faust-Bearbeitung Den Beryktade TrollkarlenDr Fausts Lefwerne, Gerningar och Helfwetesfärd sch<strong>ein</strong>t der christliche Hintergrund nochsehr präsent, aber nicht streng verurteilend. Faust ist <strong>ein</strong> gebildeter Mann, <strong>ein</strong> Theologe, derInteresse an Zauberkünsten hat, diese bei den wandernden Zigeunern lernt und daraufhin dasInteresse an der Gotteslehre verliert und Medizin zu studieren beginnt, „in der“ sich „in derZeit der Aberglaube s<strong>ein</strong> Hochquartier aufgeschlagen hatte“ 859 . Dieses Interesse an derZauberei und Heilkunst ist jedoch nicht der Grund für Fausts Pakt, sondern Geldgier –nachdem s<strong>ein</strong> Erbe aufgebraucht ist, braucht Faust teuflische Hilfe, um ihm all dieHerrlichkeiten herbeizuschaffen, an die er sich gewöhnt hat. Die Begründung für den Pakt hatalso nichts mit mehr wissen wollen zu tun, sondern der Paktschluss erfolgt aus Eitelkeit undHabgier.Interessanterweise gesteht der Teufel hier bereits im Zusammenhang der ersten Wünsche, dieFaust an ihn richtet, dass er und die gesamten teuflischen Kräfte nichts materiell Neuesschaffen können, sondern nur Bestehendes herbeischaffen 860 , was natürlich FaustsÜberzeugung und Glauben an die wirkliche teuflische Hilfe schon am Anfang derPaktbeziehung erschüttert. In dieser Weise verletzt, versucht Faust, aus s<strong>ein</strong>em Pakt nunmehrdas Bestmögliche herauszuholen, beschuldigt aber im Laufe des Werkes den Teufel oft desBetruges.Die Erkenntnis, dass der Teufel nicht in dem Maße allmächtig ist wie erhofft, führt dazu, dassFaust offener ist für Anreize aus s<strong>ein</strong>er Umgebung, die ihn aus den Fängen des Teufelsherausretten wollen. So ersch<strong>ein</strong>t hier <strong>ein</strong> Geistlicher mehrfach und versucht, Faust zu tröstenund ihm von der Gnade Gottes zu überzeugen. Faust lässt sich gern und oft von ihm trösten,aber es gelingt dem Teufel immer wieder, Faust erneut auf s<strong>ein</strong>e Seite zu locken. So bleibtFaust eigentlich k<strong>ein</strong> „echter, überzeugter“ Teufelsbündler, sondern <strong>ein</strong> Zweifler zwischen859 S. 4, Originaltext: „i denna hade, på den tiden, widskepelsen rigtigt slagit upp sitt högqwarter”.860 Vgl. auch die oben bereits zitierte Stelle in Thomas Manns Doktor Faustus, S. 318: „Wir schaffen nichtsNeues – das ist andrer Leute Sache. Wir entbinden nur und setzen frei.“ – Hier zielt diese Freisetzung der Kräftejedoch auf geistig-schöpferische Fähigkeiten.291

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