ein unmoralisches Angebot? - Ã bo Akademi
ein unmoralisches Angebot? - Ã bo Akademi ein unmoralisches Angebot? - Ã bo Akademi
lassen. Dem Leser ist selbst die Entscheidung überlassen, ob er dem – letztendlich nicht vielwissenden – Mephistopheles Recht geben und Faust verdammen möchte, oder ob er Faust dieMöglichkeit zu einer – wie auch immer gearteten – Rettung geben möchte.Es lässt sich feststellen, dass Fausts Verhalten in dem Werk Lenaus sicherlich nicht moralischkorrekt war, wenn man die traditionellen, christlich motivierten Werte und Normen alsGrundlage verwendet. Auch im gesellschaftlichen Bereich ist Fausts Handeln nicht moralischrichtig, immerhin begeht er mehrfach Mord und lädt somit nicht nur christlich gesehen Schuldauf sich. Die Entscheidung, ob Faust jedoch trotz seines Verhaltens gerettet werden kann,überlässt Lenau durch die gewählte, mehrdeutige Ausdrucksweise des Mephistopheles demLeser, der somit über die moralische Wertung des Paktes entscheiden soll.Thomas Manns Doktor Faustus ist ein viel modernerer Roman, in dem jedoch auch recht altereligiöse Moralvorstellungen einen sehr starken Einfluss haben. Der fiktive Heimatort AdrianLeverkühns, Kaisersaschern, repräsentiert Lutherisches und „Altdeutsches“, und dieseAtmosphäre prägt Leverkühn stark. Ebenfalls wird auf sein anfängliches Theologiestudiumviel Wert gelegt – immerhin ist in der theologischen Fakultät der den Teufel repräsentierendeDozent Schleppfuß als Lehrkraft tätig, dessen Ansichten, die Leverkühn sich teils zu eigenmacht, im großen Maße das weitere Geschehen im Roman bestimmen. Das moralische„Konstrukt“, wenn man so will, ist streng lutherisch geprägt. Adrian Leverkühn fühlt sichjedoch – anderen Faust-Gestalten ungleich – in diesem moralischen Rahmen wohl, er stellt fürsich auch selbst strenge Regeln auf.Der „Sündenfall“ dieses Doktor Fausts geschieht zunächst einmal durch den Hautkontakt zuEsmeralda – an diesem Punkt ist die Verführung geschehen, das „Gift“ wirkt. Es kommtspäter zum Geschlechtsakt, was die teuflische Bindung besiegelt, wie der Leser imNachhinein erfährt.Durch seine „altdeutsche“ Prägung ist folgerichtig Adrians eigene Auffassung über seinenTeufelspakt auch altdeutsch-protestantisch. Im Teufel sieht er den – leibhaftigen – GegnerGottes und verhält sich dementsprechend: Er kann nicht mehr an seine eigene Rettungglauben, ähnlich dem Faust der Historia. Eine direkte Verbindung zu der Historia, dieZugehörigkeit Adrians zu der dort propagierten kirchlichen Lehre sowie die Ähnlichkeit mitdem Teufelsbündler Faust in diesem Werk wird betont, indem Leverkühn die Historia als288
Grundlage für seine letzte Komposition, Doktor Fausti Weheklag, benutzt. Er schöpft ausaltem Material mit neuen Methoden etwas Neues und will dadurch das Alte umkehren – ernennt sein Werk der Klage „die Zurücknahme“ der Neunten Sinfonie Beethovens mitSchillers „Ode an die Freude“ im Schlusssatz. Sein Werk ist denn, auch im musikalischenSinne, eine Zurücknahme der Freude, es ist eine zum Ausdruck gebrachte Klage, die in einemeinsamen Ton endet. Selbst wenn Adrian Leverkühn danach in die Paralyse fällt, bleibt seinWerk der Klage am Leben. Es ist Adrian gelungen, etwas Lebendiges zu schaffen, ein Werkder Klage, das noch lange nach seinem Tod klingen kann, lebendig bleibt. Wenn auch seineigener „altmodischer“ Glaube ihn nicht auf die Gnade und Rettung hoffen lässt, so kann esdieses Werk, das etwas Echtes und Neues ist, vielleicht doch beweisen: der Teufel kann nichtsNeues schaffen 858 , aber Adrian hat etwas Neues geschaffen – er könnte sich also durch diesessein letztes Werk selbst erlöst haben.Adrian Leverkühn ist, auch wenn er sich einmal mit einer Hure einlässt, kein unmoralischerHeld. Er hat nach seiner Ansteckung, wenn möglich, noch strengere Grenzen für sichgeschaffen als bislang, er will in keine Sphären greifen, er will nur komponieren. Für einenKomponisten ist jedoch eben das, „Neues schaffen“, das Göttliche, was es einzufangen undfestzuhalten gilt: der geniale Komponist kann, in diesem Sinne Gott gleich, Neues schaffen,neue Klangwelten hervorrufen. Thomas Mann lässt in seinen Roman, der zunächst traurig undnegativ zu enden scheint, sehr viel Licht der Hoffnung hinein leuchten und lässt auch eineRettung am Ende zu.Diesen Roman hat man oft mit Deutschland in der Zeit des Zweiten Weltkriegs verglichen:der Untergang Deutschlands und der Untergang Adrian Leverkühns als parallele Ereignisse.Es ist jedoch aus dem Untergang Deutschlands etwas Neues entstanden, etwas in vielerHinsicht Besseres. Somit kann sich das Ende Leverkühns schließlich auch zum Gutenwenden. Er muss zwar seinen „Leib drangeben“, kann seine Seele jedoch retten.In Finnland und Schweden hat ein Pakt mit dem Teufel von Anfang an einen anderenStellenwert und eine andere moralische Wertung. Den mächtigen Teufel gibt es zwar hierauch, aber ein Bündnis mit ihm muss nicht immer mit einer Verdammnis enden. Ich werdedie moralischen Aspekte in den fenno-skandinavischen Werken nicht in der chronologischenReihenfolge untersuchen, wie im eigentlichen Analyseteil. Vielmehr werde ich versuchen, dieEntwicklung im Verständnis eines Teufelspaktes pointierter darzustellen, indem die858 Dies gibt der Teufel auch selbst zu, siehe Mann: Doktor Faustus, S. 318: „Wir schaffen nichts Neues – das istandrer Leute Sache. Wir entbinden nur und setzen frei.“289
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Grundlage für s<strong>ein</strong>e letzte Komposition, Doktor Fausti Weheklag, benutzt. Er schöpft ausaltem Material mit neuen Methoden etwas Neues und will dadurch das Alte umkehren – ernennt s<strong>ein</strong> Werk der Klage „die Zurücknahme“ der Neunten Sinfonie Beethovens mitSchillers „Ode an die Freude“ im Schlusssatz. S<strong>ein</strong> Werk ist denn, auch im musikalischenSinne, <strong>ein</strong>e Zurücknahme der Freude, es ist <strong>ein</strong>e zum Ausdruck gebrachte Klage, die in <strong>ein</strong>em<strong>ein</strong>samen Ton endet. Selbst wenn Adrian Leverkühn danach in die Paralyse fällt, bleibt s<strong>ein</strong>Werk der Klage am Leben. Es ist Adrian gelungen, etwas Lebendiges zu schaffen, <strong>ein</strong> Werkder Klage, das noch lange nach s<strong>ein</strong>em Tod klingen kann, lebendig bleibt. Wenn auch s<strong>ein</strong>eigener „altmodischer“ Glaube ihn nicht auf die Gnade und Rettung hoffen lässt, so kann esdieses Werk, das etwas Echtes und Neues ist, vielleicht doch beweisen: der Teufel kann nichtsNeues schaffen 858 , aber Adrian hat etwas Neues geschaffen – er könnte sich also durch diesess<strong>ein</strong> letztes Werk selbst erlöst haben.Adrian Leverkühn ist, auch wenn er sich <strong>ein</strong>mal mit <strong>ein</strong>er Hure <strong>ein</strong>lässt, k<strong>ein</strong> unmoralischerHeld. Er hat nach s<strong>ein</strong>er Ansteckung, wenn möglich, noch strengere Grenzen für sichgeschaffen als bislang, er will in k<strong>ein</strong>e Sphären greifen, er will nur komponieren. Für <strong>ein</strong>enKomponisten ist jedoch eben das, „Neues schaffen“, das Göttliche, was es <strong>ein</strong>zufangen undfestzuhalten gilt: der geniale Komponist kann, in diesem Sinne Gott gleich, Neues schaffen,neue Klangwelten hervorrufen. Thomas Mann lässt in s<strong>ein</strong>en Roman, der zunächst traurig undnegativ zu enden sch<strong>ein</strong>t, sehr viel Licht der Hoffnung hin<strong>ein</strong> leuchten und lässt auch <strong>ein</strong>eRettung am Ende zu.Diesen Roman hat man oft mit Deutschland in der Zeit des Zweiten Weltkriegs verglichen:der Untergang Deutschlands und der Untergang Adrian Leverkühns als parallele Ereignisse.Es ist jedoch aus dem Untergang Deutschlands etwas Neues entstanden, etwas in vielerHinsicht Besseres. Somit kann sich das Ende Leverkühns schließlich auch zum Gutenwenden. Er muss zwar s<strong>ein</strong>en „Leib drangeben“, kann s<strong>ein</strong>e Seele jedoch retten.In Finnland und Schweden hat <strong>ein</strong> Pakt mit dem Teufel von Anfang an <strong>ein</strong>en anderenStellenwert und <strong>ein</strong>e andere moralische Wertung. Den mächtigen Teufel gibt es zwar hierauch, aber <strong>ein</strong> Bündnis mit ihm muss nicht immer mit <strong>ein</strong>er Verdammnis enden. Ich werdedie moralischen Aspekte in den fenno-skandinavischen Werken nicht in der chronologischenReihenfolge untersuchen, wie im eigentlichen Analyseteil. Vielmehr werde ich versuchen, dieEntwicklung im Verständnis <strong>ein</strong>es Teufelspaktes pointierter darzustellen, indem die858 Dies gibt der Teufel auch selbst zu, siehe Mann: Doktor Faustus, S. 318: „Wir schaffen nichts Neues – das istandrer Leute Sache. Wir entbinden nur und setzen frei.“289