13.07.2015 Aufrufe

ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

- Gesamtheit der akzeptierten und durch Tradierung stabilisierten Verhaltensnormen<strong>ein</strong>er Gesellschaft- von allen Mitgliedern <strong>ein</strong>er kohärenten Gruppe geteilte[r] Konsens[...], deraufgrund von Tradition <strong>ein</strong> festes Verhaltensmuster ausbildet. 854Grabbe schildert in s<strong>ein</strong>em Don Juan und Faust das Leben zweier Menschen, die solcheNormen und Werte, die die Gesellschaft setzt, nicht akzeptieren können. Mit den religiösfundierten Werten verhält es sich genauso. Sowohl Don Juan als auch Faust werden dafürbestraft, beide enden in der Hölle. Trotzdem kann Grabbes Faust nicht als <strong>ein</strong>e Moralpredigtim christlichen Sinne interpretiert werden. Die Absicht Grabbes war nicht, Don Juan undFaust als unmoralische, „böse” Menschen darzustellen, sondern zu zeigen, dass Menschen,die sich mit den Regeln und Sitten der herrschenden Gesellschaft nicht abfinden, aus dem<strong>ein</strong>fachen Grunde verurteilt werden, dass sie sich nicht anpassen wollen.Dabei ist zu beachten, dass dieses Finale k<strong>ein</strong>eswegs <strong>ein</strong>e moralische Wertungim naivreligiösen Sinne b<strong>ein</strong>haltet - die Guten kommen in den Himmel, dieBösewichte in die Hölle -, auch ist es für die beiden, die in die Hölle gehen,nicht als Katastrophe zu werten. Im Gegenteil, der Weg in die Hölle ist der<strong>ein</strong>zige, der ihnen bleibt, wenn sie ihre Lebendigkeit noch erhalten wollen. 855Die Moral ist bei Grabbe also – wie schon bei Klinger – <strong>ein</strong> gesellschaftlicher Begriff. Sie hatnur insofern mit der Religion zu tun, als dass die Gesellschaft, gegen die Faust und auch DonJuan in Grabbes Drama kämpfen, von religiösen Moralauffassungen regiert wird. 856Bei Lenau werden zwar Themen angedeutet, die nach christlicher Beurteilung „unmoralisch”sind (Teufelspakt, uneheliche Liebschaften, Mord), aber die Moral bzw. „Unmoral” spielenauch in Lenaus Werk k<strong>ein</strong>e wesentliche Rolle. Gott und die Bibel mit ihren festen Regeln undVorschriften werden hier zwar häufig erwähnt, aber im ganzen Werk tritt k<strong>ein</strong> “guter Geist”auf. Der <strong>ein</strong>zige Vertreter des Christentums ist <strong>ein</strong> Mönch, der Faust vor der Schließung desPakts davor warnt. Das Fehlen der guten Geister hat zur Folge, dass Mephistopheles die Rollebeider übernehmen muss. Der „Richter” Fausts ist also hier nicht Gott, sondernMephistopheles. Folglich kann es sich hier nicht um <strong>ein</strong> traditionelles christlich-moralischesUrteil handeln.854 „Historisches Wörterbuch der Philosophie”, Stichwort „Moral, moralisch, Moralphilosophie”. Bedeutung I. 3.855 Cortesi: Die Logik von Zerstörung und Größenphantasie in den Dramen Christian Dietrich Grabbes. S. 217.856 Siehe hierzu auch Kopp: Geschichte und Gesellschaft in den Dramen Christian Dietrich Grabbes. S. 80:„[Don Juans], wie auch der spätere Immoralismus Fausts sind von Grabbe intentional gegen <strong>ein</strong>e bürgerlicheOrdnung gewirkt, als deren typische Vertreter der Biedermann Octavio, der devot-opportunistischePolizeidirektor Rubio und der Bourgeois Negro im Drama vorgeführt werden. Diese zeittypischen Philistersollen in DON JUAN UND FAUST die moralistische und quietistische Atmosphäre illustrieren, die in derrepressiven Restaurationsgesellschaft herrscht.”286

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!