ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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13.07.2015 Aufrufe

ewegt, dass alles zu dem gleichen Zweck dient. Aus dieser Auffassung heraus ist schließlichauch Fausts Rettung möglich: Wenn das Böse zum Guten gehört, oder dem Guten dient,besteht von vornherein keine Möglichkeit, dass Faust „verdammt” werden könnte, sonderndie Einwirkung des Bösen ist als Teil des (göttlichen) Plans akzeptiert.Warum hat gerade Goethe – abgesehen von der Absicht der Rettung, die Lessing in seinenFaust-Fragmenten andeutete – Faust gerettet? War der Geist der Zeit gerade in Goethes Zeitreif für eine „rettende” Version der Sage? Bereits bei Chamisso haben wir gesehen, dass eineRettung – zumindest subjektiv für den Protagonisten – grundsätzlich möglich war. ChamissosFaust hatte jedoch keinen Pakt mit einem „äußeren“ Teufel geschlossen, sondern mit seinemeigenen bösen Geist. Die Voraussetzungen in beiden Werken sind also unterschiedlich.Faust war Goethes Lebenswerk, es hat ihn beinahe 60 Jahre seines Lebens beschäftigt. DerGrund, warum Goethe seinen Faust gerettet wissen will, ist also nicht epochenabhängig. DerGrund für die Rettung liegt in Goethes Denkweise, die oben bereits erläutert wurde. „Gut”und „böse” sind nur zwei Seiten einer Sache; die „Gegenkräfte” ergänzen sich gegenseitig. 847Es gibt für Goethe also keine Möglichkeit, Faust zu verdammen. Trotzdem fällt es ihm nichtleicht, die Rettung Fausts in seinem Werk auf eine glaubwürdige Art zu realisieren: „Übrigenswerden Sie zugeben, daß der Schluß, wo es mit der geretteten Seele nach oben geht, sehrschwer zu machen war, und daß ich bei so übersinnlichen, kaum zu ahnenden Dingen michsehr leicht im Vagen hätte verlieren können, wenn ich nicht meinen poetischen Intentionendurch die scharf umrissenen christlich-kirchlichen Figuren und Vorstellungen eine wohltätigbeschränkende Form und Festigkeit gegeben hätte.” 848Nach Goethes gerettetem Faust und vor dem Hintergrund dieses Werkes schrieben Grabbeund Lenau ihre Versionen, in denen sie sich dem Ursprung der Sage wieder näherten - inbeiden wurde Faust wieder gerichtet. 849 Grabbes Faust gibt sich bereits am Anfang desWerkes verloren, er weiß, dass es für ihn keine Rettung mehr geben kann, weil er sich mit derHölle verbündet hat, aber er will trotzdem wissen, wie er sein Glück hätte finden können.847 Diese Auffassung äußert sich in Faust. Eine Tragödie bereits im Prolog im Himmel, in dem Mephistopheles,der Repräsentant des “Bösen”, Gott um Erlaubnis bittet (oder bitten muss), Faust seine “Straße sacht zu führen”.(Goethe: Faust I. V. 314.)848 Trunz (Hrsg.): Goethe: Faust. Sonderausgabe. S. 464, aus einem Gespräch mit Eckermann.849 Dass Grabbe und Lenau wieder näher an den Ursprung der Legende traten, war ihnen wichtig, denn siewollten nicht mit Goethe und seiner Faust-Version verglichen werden, sondern ihre eigenen Deutungen der Sageschaffen. Es gibt allerdings in Lenaus Faust noch eine zu einer Rettung führende Deutungsmöglichkeit, wie obenim Kapitel IV. II. A. 5. dargelegt wurde.284

Lenaus Faust dagegen bringt sich selbst um, in der Vorstellung, dass alles, was ihm aufseinem teufelsbündlerischen Weg widerfahren ist, nur ein Traum gewesen sei.In Grabbes Don Juan und Faust sowie in Lenaus Faust. Ein Gedicht können vielezeittypische Tendenzen festgestellt werden. Bei beiden ist ein Weltschmerz zu erkennen, wieer für die romantische Literatur kennzeichnend ist. 850 Bei Lenau kennzeichnet dieserWeltschmerz das ganze Werk. Seine Faust-Dichtung kann daher der Romantik zugeordnetwerden. Problematisch ist diese Zuordnung nur, wenn man betrachtet, dass die Zeit derRomantik eigentlich bereits vorüber war, als Lenaus Werk erschien, und dass dieJungdeutschen und die Repräsentanten des Vormärz allmählich die literarische Szenebeherrschten. Lenau war jedoch “antagonistic toward Heinrich Heine and the liberal YoungGermans, the group of politically active writers who battled everything that smacked ofRomanticism, provincialism, and clericalism” 851 .Bei Grabbe dagegen macht sich außer dem Weltschmerz eine „ganz jungdeutsch anmutendeFeindschaft gegen alle Systeme” 852 bemerkbar. Die Kritik an der biedermeierlichbürgerlichenGesellschaft äußert sich vor allem in den Aussagen Don Juans über diemoralischen Regeln der Gesellschaft und über die Vertreter dieser Gesellschaft: [Über DonOctavio:] „Der / Armselge! Geld, Heirat und Auskommen / Die Pole seines Lebens!” (S.451). Insofern gehört Grabbes Don Juan und Faust in eine „Mischkategorie” der Literatur;ein jungdeutsch anmutendes Werk mit vielen romantischen Zügen. 853Wie wird nun in diesen beiden Werken der Teufelspakt bewertet? Gehen wir zurück zu derDefinition des Wortes „Moral”:850 Siehe u.a. Löb: Christian Dietrich Grabbe. S. 50, sowie Schneider: Das tragische Faustproblem... S. 540.851 Schmidt: Nikolaus Lenau. S. 111.852 Schneider: Das tragische Faustproblem... S. 541.853 In der Sekundärliteratur wird Grabbes Don Juan und Faust im Hinblick auf die Zugehörigkeit in eineliterarische Periode sehr kontrovers behandelt. Schneider (1930) sagt, dass die gesellschaftkritischen Aspekte„ganz jungdeutsch” (S. 541) anmuten, aber später stellt er fest: „...daß den Helden am Ende diese ungeheureTragik tatsächlich auch trifft, läßt deutlich erkennen, wie Grabbe von vornherein das ganze Faustproblem imGeiste einer Zeit gestaltete, die eben im Schmerz das intensivste und zugleich erhebendste menschlicheErlebnis feierte, die den Schmerz, man möchte sagen, zum Weltprinzip erhob.” (S. 544), eine Aussage, diedeutlich auf die Romantik hindeutet („Weltschmerz”). Steffens (1966) dagegen sagt zwar: „Don Juan und Faustsind bei Grabbe gewiß noch von den Vorbildern geprägt. Klassisches Pathos und romantische Entwertung - dassind die in diesem Zusammenhang gängigen Begriffe:” (S. 53), aber stellt später fest: „Der höllische Untergang,dem Faust wie Don Juan verfallen, hat aus Grabbescher Weltsicht nicht so sehr die Tönung metaphysischenSchreckens, als vielmehr die Großartigkeit einer revoltierenden Geste. Sie ist nochmalige Absage an Romantikund Idealismus wie an das Bürgerliche überhaupt.” (S. 54). Sehr bezeichnend ist hier auch Hegeles (1970)Feststellung: „Das Werk enthält eine Vielzahl zum Teil einander entgegengesetzter Elemente: Tragische undkomisch-burleske, realistische und bizarr-phantastische, Pathos des klassischen deutschen Dramas und die Ironieder Romantik.”(S. 35). Es dürfte deutlich geworden sein, dass eine eindeutige Einteilung hier nicht möglich zusein scheint, es werden hier Züge von Klassik bis zum Jungdeutschtum gefunden.285

Lenaus Faust dagegen bringt sich selbst um, in der Vorstellung, dass alles, was ihm aufs<strong>ein</strong>em teufelsbündlerischen Weg widerfahren ist, nur <strong>ein</strong> Traum gewesen sei.In Grabbes Don Juan und Faust sowie in Lenaus Faust. Ein Gedicht können vielezeittypische Tendenzen festgestellt werden. Bei beiden ist <strong>ein</strong> Weltschmerz zu erkennen, wieer für die romantische Literatur kennzeichnend ist. 850 Bei Lenau kennzeichnet dieserWeltschmerz das ganze Werk. S<strong>ein</strong>e Faust-Dichtung kann daher der Romantik zugeordnetwerden. Problematisch ist diese Zuordnung nur, wenn man betrachtet, dass die Zeit derRomantik eigentlich bereits vorüber war, als Lenaus Werk erschien, und dass dieJungdeutschen und die Repräsentanten des Vormärz allmählich die literarische Szenebeherrschten. Lenau war jedoch “antagonistic toward H<strong>ein</strong>rich H<strong>ein</strong>e and the liberal YoungGermans, the group of politically active writers who battled everything that smacked ofRomanticism, provincialism, and clericalism” 851 .Bei Grabbe dagegen macht sich außer dem Weltschmerz <strong>ein</strong>e „ganz jungdeutsch anmutendeF<strong>ein</strong>dschaft gegen alle Systeme” 852 bemerkbar. Die Kritik an der biedermeierlichbürgerlichenGesellschaft äußert sich vor allem in den Aussagen Don Juans über diemoralischen Regeln der Gesellschaft und über die Vertreter dieser Gesellschaft: [Über DonOctavio:] „Der / Armselge! Geld, Heirat und Auskommen / Die Pole s<strong>ein</strong>es Lebens!” (S.451). Insofern gehört Grabbes Don Juan und Faust in <strong>ein</strong>e „Mischkategorie” der Literatur;<strong>ein</strong> jungdeutsch anmutendes Werk mit vielen romantischen Zügen. 853Wie wird nun in diesen beiden Werken der Teufelspakt bewertet? Gehen wir zurück zu derDefinition des Wortes „Moral”:850 Siehe u.a. Löb: Christian Dietrich Grabbe. S. 50, sowie Schneider: Das tragische Faustproblem... S. 540.851 Schmidt: Nikolaus Lenau. S. 111.852 Schneider: Das tragische Faustproblem... S. 541.853 In der Sekundärliteratur wird Grabbes Don Juan und Faust im Hinblick auf die Zugehörigkeit in <strong>ein</strong>eliterarische Periode sehr kontrovers behandelt. Schneider (1930) sagt, dass die gesellschaftkritischen Aspekte„ganz jungdeutsch” (S. 541) anmuten, aber später stellt er fest: „...daß den Helden am Ende diese ungeheureTragik tatsächlich auch trifft, läßt deutlich erkennen, wie Grabbe von vornher<strong>ein</strong> das ganze Faustproblem imGeiste <strong>ein</strong>er Zeit gestaltete, die eben im Schmerz das intensivste und zugleich erhebendste menschlicheErlebnis feierte, die den Schmerz, man möchte sagen, zum Weltprinzip erhob.” (S. 544), <strong>ein</strong>e Aussage, diedeutlich auf die Romantik hindeutet („Weltschmerz”). Steffens (1966) dagegen sagt zwar: „Don Juan und Faustsind bei Grabbe gewiß noch von den Vorbildern geprägt. Klassisches Pathos und romantische Entwertung - dassind die in diesem Zusammenhang gängigen Begriffe:” (S. 53), aber stellt später fest: „Der höllische Untergang,dem Faust wie Don Juan verfallen, hat aus Grabbescher Weltsicht nicht so sehr die Tönung metaphysischenSchreckens, als vielmehr die Großartigkeit <strong>ein</strong>er revoltierenden Geste. Sie ist nochmalige Absage an Romantikund Idealismus wie an das Bürgerliche überhaupt.” (S. 54). Sehr bezeichnend ist hier auch Hegeles (1970)Feststellung: „Das Werk enthält <strong>ein</strong>e Vielzahl zum Teil <strong>ein</strong>ander entgegengesetzter Elemente: Tragische undkomisch-burleske, realistische und bizarr-phantastische, Pathos des klassischen deutschen Dramas und die Ironieder Romantik.”(S. 35). Es dürfte deutlich geworden s<strong>ein</strong>, dass <strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>deutige Einteilung hier nicht möglich zus<strong>ein</strong> sch<strong>ein</strong>t, es werden hier Züge von Klassik bis zum Jungdeutschtum gefunden.285

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