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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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ebenso, aber im Gegensatz zu Faust, kommt sie immer und überall als Gewinner davon. 835Die “Moral von der Geschicht” ist also eher, dass man mit dem Teufel richtig umzugehenwissen muss, dann kann <strong>ein</strong>em nichts passieren. Wer allerdings nicht klug genug ist, wirdzuletzt in die Hölle geschickt. Die „Klugen” werden also letztlich hier zu den “Dummen” undumgekehrt.Die Puppenspiele überlebten viele literarische Perioden in der gleichen Form, in der sie<strong>ein</strong>geführt wurden; hier ging es nicht um die Behandlung des Faust-Stoffes in <strong>ein</strong>er gewissenEpoche, sondern in <strong>ein</strong>er besonderen Art der Darstellung. Durch die Form des Puppenspielskonnte die Faust-Fabel lebendig erhalten werden, auch während der Zeit der Aufklärung, alsVolksfabeln dieser Art schärfstens kritisiert wurden. 836 Diese volksnahe Form hat die Sagegewissermaßen vor dem Aussterben „gerettet” 837 . Zudem war dies die Form, in der vieleDichter, darunter Lessing und Goethe, die Sage zum ersten Mal hörten, und aus der sie dieanfänglichen Ideen zu ihren Faust-Werken schöpften.835 An diese Deutung knüpfen die volkstümlichen finnischen Erzählungen zum Teil an. Siehe unten in diesemKapitel.836 Exkurs: Johann Christoph Gottsched, der in der Aufklärung das deutsche Theater reformierte, übernahm s<strong>ein</strong>eVorbilder aus der Antike, aus den großen Heldendramen. Er stellte genaue Regeln auf, was <strong>ein</strong> “gutes” Dramasei, und kritisierte alles, was nicht s<strong>ein</strong>em Maßstab entsprach. Sagen, wie die über Faust, in denen die Magie undandere übernatürliche Dinge <strong>ein</strong>e wichtige Rolle spielten, lehnte er strikt ab. S<strong>ein</strong>e Hauptthese war“Naturnachahmung”, man durfte das schreiben, was im Rahmen des Möglichen war. (Unlogischerweise ließ eraber Fabeln zu, in denen Tiere sprechen konnten.) Göttern durfte <strong>ein</strong>ige Macht gegeben werden, aber dieseMacht beschränkte Gottsched ebenso: “Es ist wahr, daß man in allen Religionen den Göttern und Geistern mehrMacht zugestanden hat, als bloßen Menschen; und daß es daher nicht ungereimt ist, in Fällen, wo sich die Müheverlohnet, zu dichten, es wäre <strong>ein</strong> Wunderwerk von Gott geschehen. Wer aber hierinn s<strong>ein</strong> Urtheil nicht zurathezieht, der wird handgreiflich verstoßen. Die göttliche Macht erstreckt sich auf alles Mögliche; aber auf nichtsUnmögliches: daher muß man sich nicht auf sie berufen, s<strong>ein</strong>e ungereimten Einfälle zu rechtfertigen.”(Gottsched: Versuch <strong>ein</strong>er critischen Dichtkunst. S. 181.) Faust und s<strong>ein</strong>e übermenschlichen, übernatürlichenAbenteuer und Zaubereien hatten s<strong>ein</strong>er M<strong>ein</strong>ung nach “lange genug den Pöbel belustiget”. Außerdem habe man“ ziemlicher maßen aufgehört, solche Alfanzereyen gern anzusehen” (S. 186). Ein Dichter der Aufklärung habealso “große Ursache in dergleichen Wunderdingen sparsam zu seyn. Die Welt ist nunmehr viel aufgeklärter, alsvor etlichen Jahrhunderten...” (S. 183). Zu viel Zauberei war also – Gottscheds Ansicht nach – nicht für dasZeitalter der Aufklärung angemessen.Als Gegensatz zu Gottscheds Auffassung sind die Ansichten Gotthold Ephraim Lessings zu betrachten. Erkritisierte in s<strong>ein</strong>em 17. Literaturbrief die Gottschedschen Theaterreformen als “französierend” und m<strong>ein</strong>te, imdeutschen Gemüt gäbe es viel mehr Englisches als Französisches, dass das englische Theater, vor allem dieShakespeareschen Dramen “deutscher” seien als die Dramen Corneilles oder Voltaires: “[Gottsched] hätte ausunsern dramatischen Stücken, welche er vertrieb, hinlänglich abmerken müssen, daß wir mehr in den Geschmackder Engländer, als der Franzosen <strong>ein</strong>schlagen […] Nur das Bekannteste derselben zu nennen; “Doktor Faust” hat<strong>ein</strong>e Menge Szenen, die nur <strong>ein</strong> Shakespearesches Genie zu denken vermögend gewesen.” (17. Literaturbrief, In:Lessings Werke, Band 2. S. 615f). Lessings Liebe zu der Faust-Sage kommt schließlich in s<strong>ein</strong>em Faust-Fragment zum Ausdruck, von dem nur <strong>ein</strong>zelne Szenen oder Teile der Szenen existieren. Dass Lessing sich fürdas Puppenspiel – vor allem für die Straßburger Version des Puppenspiels – interessierte, äußert sich darin, daß<strong>ein</strong>e Szene in s<strong>ein</strong>em Faust-Fragment b<strong>ein</strong>ahe <strong>ein</strong> Plagiat des Straßburger Puppenspiels ist. Diese Szenen hat u.a.Carl Kiesewetter (Faust in der Geschichte und Tradition, 1893) verglichen. Die Rolle der Puppenspiele war alsosehr wichtig in der Entstehung der langen Faust-Tradition, auch wenn sie von Gottsched und s<strong>ein</strong>en Anhängernals “Belustigung des Pöbels” angesehen wurden.837 Siehe hierzu auch Schäfer/ Sörensen: “Da soll vor euren Augen buhlen...” In: Faust. Annäherung an <strong>ein</strong>enMythos. S. 66.280

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