ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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13.07.2015 Aufrufe

die Freundschaft mit dem Tod des anderen. Diese Tendenz ist der gedanklichen Linie ThomasManns 711 wieder bemerkenswert ähnlich: auch seine Faust-Gestalt Adrian Leverkühn verliertdie Menschen, die er lieb gewonnen hat. 712 Eine dauerhafte und tiefe Freundschaft bleibt ihmverwehrt. Man kann folglich die Frage stellen, ob hier ein teuflischer Einfluss auf das LebenGörans sichtbar wird: Das Liebesverbot ist außer in Manns Roman auch in vielen anderenFaust-Werken ein bekanntes Zeichen bzw. eine logische Folge eines Paktes mit demTeufel. 713 Auf die Frage der Existenz eines Teufelspaktes in Bolanders Roman wird später indiesem Kapitel noch detaillierter eingegangen.Das Medizinstudium kann Göran auch nicht das bieten, was er sucht – im dritten Semesterwechselt er wieder das Studienfach: jetzt studiert er Psychologie. Diese relativ „neue“Disziplin ist auch für die Faust-Werke neu. Wir erinnern uns an Goethes Faust, der trotzseines Vielfach-Studiums („Philosophie, / Juristerei und Medizin, / Und leider auchTheologie!“) immer noch „so klug als wie zuvor“ ist, und dass er immer noch nicht weiß,„was die Welt / Im Innersten zusammenhält“. Philosophie und Medizin hat nun auch Göranhinter sich, Theologie wird in einer späteren Lebensphase folgen, nun aber wendet er sich zurPsychologie. Warum?Die Psychologie als Disziplin der Verhaltensforschung könnte auch und gerade für einenfaustisch veranlagten Menschen Aufschluss darüber geben, wie der Mensch sich imAllgemeinen – und im Einzelnen – in verschiedenen Situationen verhält, wie dieunterschiedlichen Vorkommnisse, Umgebung und Erziehung unser Leben und unserVerhalten beeinflussen. Also auch, warum einige das Leben so nehmen, wie es kommt,andere sich damit aber nicht zufrieden geben, sondern immer mehr und Genaueres erfahrenwollen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts (1879) war an der Universität Leipzig das erstepsychologische Institut gegründet worden und die Psychologie somit als allgemeinesUniversitätsfach anerkannt und jedem Interessenten zugänglich geworden. 714 Seither711 Erneut muss betont werden, dass Bolander und Mann nichts voneinander haben wissen können.712 Unter anderem Marie Godeau, die er an seinen Freund Rudi Schwerdtfeger verliert, Rudi Schwerdtfegerselbst, der von Ines Institoris erschossen wird, sowie Nepomuk Schneidewein, sein über alles geliebter Neffe, deram Ende des Romans an den Spätfolgen von Masern stirbt.713 Um nur einige Beispiele zu nennen: Bereits im Volksbuch hatte Mephistopheles Faust verboten, sich zuverehelichen, in Goethes Tragödie verliebte sich Gretchen in Faust, wobei er sie am Ende auch verlor, inGrabbes Drama tötet Faust selbst Donna Anna, in Lenaus Gedicht tötet Faust den Verlobten Marias, der Frau,die er liebt.714 „Im Jahre 1879 gründete Wilhelm Wundt an der Universität Leipzig das weltweit erste psychologischeInstitut. Wissenschaftler aus aller Welt pilgerten zu dieser Ur-Wiege der Psychologie, sodass Leipzig zu jenerZeit eine Hochburg psychologischer Forschung war. Viele Wundt-Schüler gründeten eigene psychologischeInstitute, so etwa Oswald Külpe und Karl Marbe 1896 in Würzburg. Die nach ihrem Wirkungsort benannte undweltweit berühmte "Würzburger Schule" befasste sich vorwiegend mit Denk-, Urteils- und Willensprozessen -ein bis dahin völlig neuer Forschungsgegenstand der Psychologie.“ Quellen: www.br-online.de/wissen-226

verbreitete sich diese neue Forschungsrichtung weltweit schnell und war Anfang derzwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts, also zur Zeit der Entstehung des Romans, auch inUppsala angekommen. 715 Nun wünscht sich Göran, über die Verhaltensforschung den Weg zuseiner Wahrheit zu finden.Auf Görans Erfahrungen in diesem Fach wird im Roman allerdings nicht genauereingegangen. Er macht sein erstes Examen nach drei Semestern Studium und fährtanschließend nach Italien, inspiriert durch einen Artikel über „Monte Veritá“ 716 , den „Bergder Wahrheit“, den er in einer Zeitschrift seines Mitbewohners Jonasson gelesen hat. Ermöchte diesen Berg, der dem Namen nach die Wahrheit in sich birgt, suchen.Die ersehnte Wahrheit hat bis zu dieser Phase von Görans Leben allerdings eine Wandlungerlebt. Von den anfänglichen Ansprüchen der „absoluten Wahrheit“ ist tatsächlich nicht mehrviel zu spüren, beziehungsweise hat die Wahrheit für ihn eine andere Gestalt angenommen. Erglaubt nun, die ersten Ansätze der Wahrheit erkennen zu können:Sanningen är en biologisk funktion, har inte samma person olika sanningar vid olikaåldrar? Buddismen är sann, Nietzsche är sann, så sann som en fysiologisk funktion är.[…] Sanningen är i livets tjänst, låt den då inte dräpa livet. […] Monte Veritá,sanningen är, att vi leva för att leva. 717Das Leben an sich ist also nun für Göran das Ziel. Die Wahrheit ist in diesem unseren Lebenzu finden, sie ist von einer Lebensphase zur anderen unterschiedlich, es gibt darin nichtsbildung/thema/psychologie/01_einfuehrung_1.xml (Homepage des Bayrischen Rundfunks, Telekolleg) sowiehttp://gutenberg.spiegel.de/autoren/wundt.htm (Projekt Gutenberg)715 Zu dieser Zeit war in ganz Schweden allerdings noch kein eigenständiges psychologisches Institut gegründetworden. „Även om det första svenska psykologilaboratoriet inrättades vid Uppsala universitet av Sidney Alrutzår 1902, var det inte kombinerat med professur eller psykologiinstitution förrän efter flera decennier. Alrutzstartade sitt arbete på en fysiologisk institution inom medicinska fakulteten. Psykologi sammanfördes sedermeramed ämnet pedagogik, och Alrutz gav kurser i experimentell psykologi inom ramen för detta ämne, men han fickaldrig en ordinarie tjänst. En självständig institution för psykologi inrättades inte i Sverige förrän 1948 närUppsala fick en professur i psykologi, nästan sju decennier efter det att Wundt grundade världens förstapsykologilaboratorium i Leibzig.” Übers.: ”Auch wenn das erste schwedische Psychologielabor im Jahr 1902 ander Universität Uppsala durch Sidney Alrutz eingerichtet wurde, wurde es erst nach mehreren Jahrzehnten miteiner Professur oder einem Institut für Psychologie verbunden. Alrutz fing seine Arbeit an einemphysiologischen Institut innerhalb der medizinischen Fakultät an. Später wurde die Psychologie mit derPädagogik zusammengeführt, und Alrutz gab Kurse in experimenteller Psychologie innerhalb dieses Fachs, aberer bekam nie eine feste Stelle. Ein selbstständiges Institut für Psychologie wurde in Schweden erst 1948eingerichtet, als Uppsala eine Professur in Psychologie erhielt, beinahe sieben Jahrzehnte nachdem Wundt dasweltweit erste Psychologielabor in Leipzig gegründet hatte.“ Quelle:http://www.psyk.uu.se/information/hist.html (Homepage des psychologischen Institutes der Universität Uppsala)716 S. 145ff717 S. 147, Übers.: „Die Wahrheit ist eine biologische Funktion, hat nicht eine und dieselbe Person verschiedeneWahrheiten in verschiedenen Altersstufen? Der Buddhismus ist wahr, Nietzsche ist wahr, so wahr wie einephysiologische Funktion wahr ist. […] Die Wahrheit ist im Dienste des Lebens, lassen wir sie also nicht dasLeben totschlagen. […] Monte Veritá, die Wahrheit ist, dass wir leben um zu leben.“227

die Freundschaft mit dem Tod des anderen. Diese Tendenz ist der gedanklichen Linie ThomasManns 711 wieder bemerkenswert ähnlich: auch s<strong>ein</strong>e Faust-Gestalt Adrian Leverkühn verliertdie Menschen, die er lieb gewonnen hat. 712 Eine dauerhafte und tiefe Freundschaft bleibt ihmverwehrt. Man kann folglich die Frage stellen, ob hier <strong>ein</strong> teuflischer Einfluss auf das LebenGörans sichtbar wird: Das Liebesverbot ist außer in Manns Roman auch in vielen anderenFaust-Werken <strong>ein</strong> bekanntes Zeichen bzw. <strong>ein</strong>e logische Folge <strong>ein</strong>es Paktes mit demTeufel. 713 Auf die Frage der Existenz <strong>ein</strong>es Teufelspaktes in Bolanders Roman wird später indiesem Kapitel noch detaillierter <strong>ein</strong>gegangen.Das Medizinstudium kann Göran auch nicht das bieten, was er sucht – im dritten Semesterwechselt er wieder das Studienfach: jetzt studiert er Psychologie. Diese relativ „neue“Disziplin ist auch für die Faust-Werke neu. Wir erinnern uns an Goethes Faust, der trotzs<strong>ein</strong>es Vielfach-Studiums („Philosophie, / Juristerei und Medizin, / Und leider auchTheologie!“) immer noch „so klug als wie zuvor“ ist, und dass er immer noch nicht weiß,„was die Welt / Im Innersten zusammenhält“. Philosophie und Medizin hat nun auch Göranhinter sich, Theologie wird in <strong>ein</strong>er späteren Lebensphase folgen, nun aber wendet er sich zurPsychologie. Warum?Die Psychologie als Disziplin der Verhaltensforschung könnte auch und gerade für <strong>ein</strong>enfaustisch veranlagten Menschen Aufschluss darüber geben, wie der Mensch sich imAllgem<strong>ein</strong>en – und im Einzelnen – in verschiedenen Situationen verhält, wie dieunterschiedlichen Vorkommnisse, Umgebung und Erziehung unser Leben und unserVerhalten be<strong>ein</strong>flussen. Also auch, warum <strong>ein</strong>ige das Leben so nehmen, wie es kommt,andere sich damit aber nicht zufrieden geben, sondern immer mehr und Genaueres erfahrenwollen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts (1879) war an der Universität Leipzig das erstepsychologische Institut gegründet worden und die Psychologie somit als allgem<strong>ein</strong>esUniversitätsfach anerkannt und jedem Interessenten zugänglich geworden. 714 Seither711 Erneut muss betont werden, dass Bolander und Mann nichts von<strong>ein</strong>ander haben wissen können.712 Unter anderem Marie Godeau, die er an s<strong>ein</strong>en Freund Rudi Schwerdtfeger verliert, Rudi Schwerdtfegerselbst, der von Ines Institoris erschossen wird, sowie Nepomuk Schneidew<strong>ein</strong>, s<strong>ein</strong> über alles geliebter Neffe, deram Ende des Romans an den Spätfolgen von Masern stirbt.713 Um nur <strong>ein</strong>ige Beispiele zu nennen: Bereits im Volksbuch hatte Mephistopheles Faust verboten, sich zuverehelichen, in Goethes Tragödie verliebte sich Gretchen in Faust, wobei er sie am Ende auch verlor, inGrabbes Drama tötet Faust selbst Donna Anna, in Lenaus Gedicht tötet Faust den Verlobten Marias, der Frau,die er liebt.714 „Im Jahre 1879 gründete Wilhelm Wundt an der Universität Leipzig das weltweit erste psychologischeInstitut. Wissenschaftler aus aller Welt pilgerten zu dieser Ur-Wiege der Psychologie, sodass Leipzig zu jenerZeit <strong>ein</strong>e Hochburg psychologischer Forschung war. Viele Wundt-Schüler gründeten eigene psychologischeInstitute, so etwa Oswald Külpe und Karl Marbe 1896 in Würzburg. Die nach ihrem Wirkungsort benannte undweltweit berühmte "Würzburger Schule" befasste sich vorwiegend mit Denk-, Urteils- und Willensprozessen -<strong>ein</strong> bis dahin völlig neuer Forschungsgegenstand der Psychologie.“ Quellen: www.br-online.de/wissen-226

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