ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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13.07.2015 Aufrufe

Das übermenschliche Wissen, was uns Menschen immer von neuem interessiert hat, stellt sichals bloßes Trugbild heraus – wie auch beispielsweise in Chamissos Faust. Ein Versuch. BeiChamisso verspricht der böse Geist Faust, „was der Mensch vermag, sollst du erkennen“ –und lässt Faust dann nur den Zweifel und die Grenzen, die das menschliche Wissen umgeben,erkennen. Wuoris Protagonisten – die ganze Menschheit – sind geblendet von den neuenErrungenschaften der Wissenschaft, nehmen ihren Nutzen von den Neuheiten, merken abernicht, dass sie sich damit quasi das eigene Grab graben; die Rede ist oft von dem Riss imOzonloch oder um den erhöhten Gebrauch und die steigende Abhängigkeit von Atomstrom,ohne dass man sich darüber Gedanken macht, wo der unabbaubare Atommüll langfristiggelagert werden soll.Wuoris Faust-Bearbeitung, wenn man so will, möchte den Menschen wach rütteln, möchteihn aus dem faustischen Traum wecken, bevor es zu spät ist. Wuori will die gesellschaftlicheMoral erhöhen, er möchte wieder weiche Werte betonen, nicht den modernenKonkurrenzkampf unterstützen. Faust ist eine Art „warnendes Exempel“, wie schon imVolksbuch – allerdings unter stark modernisierten Vorzeichen: Faust wird nicht auf ewigverdammt, es geht hier nicht um ihn als Einzelperson oder Einzelschicksal. Vielmehr willWuori sagen, dass unser aller ökologisch und ökonomisch unmoralisches Verhalten die ganzeWelt in den Ruin treiben wird – eine Art Kollektivschuld für die faustisch gewordeneMenschheit.Arto Wiklas Dr. Faust IT-maassa, eli eFaust (Dr. Faust im IT-Land, oder eFaust) ist einganz anderes Beispiel einer modernen Faust-Bearbeitung. Es ist ein kleines Schauspiel,bestehend aus 101 Versen in sechs kleinen „Akten“, das ursprünglich im Jahre 2000 für eineWeihnachtsfeier des „Tietojenkäsittelytieteen laitos“ („Institut der Informatik“) an derUniversität Helsinki geschrieben und konzipiert wurde. Es wurde bislang noch nicht als Buchveröffentlich, der Text befindet sich im Internet 671 .In diesem Stück lernt Faust, ein junger und wissensdurstiger Student, die „Wissenschaft“kennen: „saapuu luo Tieteen suloisen, neidon villin, ruusuisen.“ 672 Beide verlieben sich und671 Verfügbar unter der Internetadresse: http://www.cs.helsinki.fi/u/wikla/FaustIT/672 Wikla: eFaust, Vers 3, Übers.: „kommt zur süßen ‚Wissenschaft’, der wilden, rosigen Jungfrau“. Ichverwende das Wort „Wissenschaft“ zur Verdeutlichung immer dann in Anführungsstrichen, wenn die Persondamit gemeint ist.214

erwarten auch schon bald Nachwuchs. Derweil erscheint ein – salopp gesagt – aufgemotzterMefisto 673 , der Faust von den Vorzügen der „Firma“ zu überzeugen versucht:Hoi oppinut sä Faustus, viisauden taidat olla varsin ilmestys!Sä meille tule, kaikki taitos, tietos tuo!Mä vallan, voiman, viisauden sulle suon.Ja varsinkin rahaa saat sä suuren, suuren vuon! 674Auch wenn Faust und seine Freundin „Wissenschaft“ skeptisch sind, akzeptiert Faustschließlich Mefistos Angebot und geht in die „Firma”, stellt also sein Wissen und Können derFirma zur Verfügung. Aber das reicht Mefisto noch nicht – er will auch das Kind von Faustund „Wissenschaft“.Teill’ oli kuulemm’ joku juttu sulo-Tieteen kanssa?Se varmaan tuotti onnen, josta Firmamme voi saada ponnen? 675Faust, in seiner Blindheit, verkauft auch das Kind in der Hoffnung, Großes zu erreichen.„Wissenschaft“ willigt ein, da sie glaubt, Faust will dem Kind nur das Beste bieten. Aber, wieso oft, ist das Glück in der Firma nicht von Dauer, und so kommt die Rezession, FaustsAktien verlieren ihren Wert und zu allem Überfluss wird ihm gekündigt. Nun kehrt erdemütig zu „Wissenschaft“ zurück, die zwar bereits seit dem Verlust des Kindes nur einSchatten ihres ehemaligen, „rosigen“ Selbst ist, ihn aber wieder mit offenen Armen zu sichnimmt.Nun jedoch erscheint der Rektor, „Tieteen valvoja“ 676 , der herausgefunden hat, dass„Wissenschaft“ ihr Kind zum Verkauf frei gegeben hat. Er macht „Wissenschaft“ dafürschuldig: für den Verkauf ihres Kindes bekommt sie eine harte Strafe:Sinä Kauhistuksen Kanahäkki, sinä Tiede arvoton!Lapses’ myit sä Firmaan, miten saatoit, kelvoton!Sä suurimman nyt rangaistuksen kärsiäkses saat:Firmaan joudut itsekin sä Mefistoa palvelemaan! 677673 Beschrieben wird Mefisto folgendermaßen (Vers 22-25): „Vaan onpa Firmass’ viisas, rikas ketku, / joll’mielessä on aina pelkkä metku: / Nimeltään on Mefisto, vieras on hälle kortisto. / Asultaan on ihan loisto – vaanlopulta lie pelkkä roisto...” Übers.: ”Aber in der Firma gibt’s einen schlauen, reichen Gauner, / der immer was imSchilde führt: / Mit dem Namen heißt er Mefisto, fremd ist für ihn das Arbeitsamt. / Der Bekleidung nachscheint er toll – aber im Endeffekt ein Gauner wohl...“674 Wikla, Vers 26-29, Übers.: „Ha, du gelehrter Faustus, du scheinst die Erscheinung der Weisheit selbst zusein! / Du, komm zu uns, bring all dein Können und Wissen! / Ich schenke dir Macht, Kraft und Weisheit. / Undvor allem Geld bekommst du, in großem Überfluss!“675 Wikla, Vers 48-49, Übers.: „Sie hatten, wie ich hör’, etwas mit der ‚Wissenschaft’ süß? / Da ergab sich sicherein Glück, woraus auch unsre Firma profitieren könnt’?“676 Wikla, Personenverzeichnis, Übers.: „Beaufsichtiger der Wissenschaft“, also doppeldeutig zu verstehen: Alsdas Mädchen namens Wissenschaft oder als Wissenschaft im Allgemeinen.677 Wikla, Vers 88-91, Übers.: „Oh du Entsetzliche [buchstäblich: „Du Hühnerkäfig des Grauens“], du wertlose‚Wissenschaft’! / Dein Kind hast du der Firma verkauft, wie konntest du, Untaugliche! / Du bekommst selbst diehöchste aller Strafen: / In die Firma musst du auch, Mefisto dort zu dienen!“215

erwarten auch schon bald Nachwuchs. Derweil ersch<strong>ein</strong>t <strong>ein</strong> – salopp gesagt – aufgemotzterMefisto 673 , der Faust von den Vorzügen der „Firma“ zu überzeugen versucht:Hoi oppinut sä Faustus, viisauden taidat olla varsin ilmestys!Sä meille tule, kaikki taitos, tietos tuo!Mä vallan, voiman, viisauden sulle suon.Ja varsinkin rahaa saat sä suuren, suuren vuon! 674Auch wenn Faust und s<strong>ein</strong>e Freundin „Wissenschaft“ skeptisch sind, akzeptiert Faustschließlich Mefistos <strong>Angebot</strong> und geht in die „Firma”, stellt also s<strong>ein</strong> Wissen und Können derFirma zur Verfügung. Aber das reicht Mefisto noch nicht – er will auch das Kind von Faustund „Wissenschaft“.Teill’ oli kuulemm’ joku juttu sulo-Tieteen kanssa?Se varmaan tuotti onnen, josta Firmamme voi saada ponnen? 675Faust, in s<strong>ein</strong>er Blindheit, verkauft auch das Kind in der Hoffnung, Großes zu erreichen.„Wissenschaft“ willigt <strong>ein</strong>, da sie glaubt, Faust will dem Kind nur das Beste bieten. Aber, wieso oft, ist das Glück in der Firma nicht von Dauer, und so kommt die Rezession, FaustsAktien verlieren ihren Wert und zu allem Überfluss wird ihm gekündigt. Nun kehrt erdemütig zu „Wissenschaft“ zurück, die zwar bereits seit dem Verlust des Kindes nur <strong>ein</strong>Schatten ihres ehemaligen, „rosigen“ Selbst ist, ihn aber wieder mit offenen Armen zu sichnimmt.Nun jedoch ersch<strong>ein</strong>t der Rektor, „Tieteen valvoja“ 676 , der herausgefunden hat, dass„Wissenschaft“ ihr Kind zum Verkauf frei gegeben hat. Er macht „Wissenschaft“ dafürschuldig: für den Verkauf ihres Kindes bekommt sie <strong>ein</strong>e harte Strafe:Sinä Kauhistuksen Kanahäkki, sinä Tiede arvoton!Lapses’ myit sä Firmaan, miten saatoit, kelvoton!Sä suurimman nyt rangaistuksen kärsiäkses saat:Firmaan joudut itsekin sä Mefistoa palvelemaan! 677673 Beschrieben wird Mefisto folgendermaßen (Vers 22-25): „Vaan onpa Firmass’ viisas, rikas ketku, / joll’mielessä on aina pelkkä metku: / Nimeltään on Mefisto, vieras on hälle kortisto. / Asultaan on ihan loisto – vaanlopulta lie pelkkä roisto...” Übers.: ”Aber in der Firma gibt’s <strong>ein</strong>en schlauen, reichen Gauner, / der immer was imSchilde führt: / Mit dem Namen heißt er Mefisto, fremd ist für ihn das Arbeitsamt. / Der Bekleidung nachsch<strong>ein</strong>t er toll – aber im Endeffekt <strong>ein</strong> Gauner wohl...“674 Wikla, Vers 26-29, Übers.: „Ha, du gelehrter Faustus, du sch<strong>ein</strong>st die Ersch<strong>ein</strong>ung der Weisheit selbst zus<strong>ein</strong>! / Du, komm zu uns, bring all d<strong>ein</strong> Können und Wissen! / Ich schenke dir Macht, Kraft und Weisheit. / Undvor allem Geld bekommst du, in großem Überfluss!“675 Wikla, Vers 48-49, Übers.: „Sie hatten, wie ich hör’, etwas mit der ‚Wissenschaft’ süß? / Da ergab sich sicher<strong>ein</strong> Glück, woraus auch unsre Firma profitieren könnt’?“676 Wikla, Personenverzeichnis, Übers.: „Beaufsichtiger der Wissenschaft“, also doppeldeutig zu verstehen: Alsdas Mädchen namens Wissenschaft oder als Wissenschaft im Allgem<strong>ein</strong>en.677 Wikla, Vers 88-91, Übers.: „Oh du Entsetzliche [buchstäblich: „Du Hühnerkäfig des Grauens“], du wertlose‚Wissenschaft’! / D<strong>ein</strong> Kind hast du der Firma verkauft, wie konntest du, Untaugliche! / Du bekommst selbst diehöchste aller Strafen: / In die Firma musst du auch, Mefisto dort zu dienen!“215

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