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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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Von allen finnischen Faust-Werken 575 ist dieser dritte Teil von Rintalas Trilogie jedochderjenige, der am engsten mit der deutschsprachigen, älteren Faust-Tradition verbunden ist.Rintalas detailgenaue Kenntnisse der Geschichte sowie der literarischen Bearbeitungen desFaust-Stoffes sch<strong>ein</strong>en durch s<strong>ein</strong>en eigenen Text hindurch, entweder als Zitate oder aber alsAndeutungen, die nur <strong>ein</strong> versierter Leser als solche verstehen kann. Der Roman – wie diegesamte Trilogie – baut auf verschiedene Formen der Intertextualität 576 auf: EineQuellenverzeichnis gibt es nicht, da es sich hier um <strong>ein</strong>en Roman, um Fiktion also, handelt,aber die Co-Existenz der früheren Faust-Werke wird deutlich, weil Rintala s<strong>ein</strong>en Faust mitdem anderer Autoren inhaltlich verknüpft, sich auf die früheren Bearbeitungen des Themasbezieht und diese gewissermaßen auch interpretiert und vergleicht. 577 Vor allem ist der Bezugzu dem historischen Georgius Sabellicus Faustus, zum Volksbuch (Historia) und auch zuGoethes Faust deutlich zu spüren, u.a. in der Form von direkten Zitaten. 578 Diese Tatsacheerschwert wiederum die Analyse von Rintalas Roman, denn teilweise liest sich dieser nahezuwie <strong>ein</strong>e kritische Untersuchung der gesamten bisherigen Faust-Literatur. Rintala analysiertund kritisiert die Entstehungsgeschichte der gesamten Sage, indem er die historische Gestalt575 Siehe Kap. IV.I. 4. sowie IV.II. B.2. und B.3.576 Ich definiere den Begriff Intertextualität enger als beispielsweise Bachtin und Kristeva. Die m<strong>ein</strong>enUntersuchungen zugrunde liegende Definition formuliert Jörg Dieter in s<strong>ein</strong>em Aufsatz „Schlagt dieGermanistik tot – färbt die blaue Blume rot. Gedanken zur Intertextualität“ wie folgt: „Intertextualität liegt dannvor, wenn sich Gründe anführen lassen, aus denen hervorgeht, warum <strong>ein</strong> Rezipient erkennen kann, daß <strong>ein</strong>Autor <strong>ein</strong>e Formulierung verwendet hat, in der sich <strong>ein</strong> Bezug auf <strong>ein</strong>en anderen Text erkennen läßt.“ Dieterbetont also die Möglichkeit zur Erkennung weiterer Texte im aktuell zu lesenden Text, geht aber nichtautomatisch davon aus, dass <strong>ein</strong> jeder Leser die Intertexte erkennen kann oder gar muss. Dieter nennt 13Möglichkeiten der Markierung von Intertextualitäten, und in Rintalas Text gibt es Beispielfälle für die meistendieser Kategorien. (Die Liste der Markierungsmöglichkeiten wird im Anhang 4 zitiert. Die in Rintalas Romanenvorkommenden Intertextualität-Markierungen sind von mir durch Unterstreichung hervorgehoben.)Broich und Pfister (Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien. S. 31.) definieren den BegriffIntertextualität ähnlich, nur etwas enger: „Intertextualität [liegt] dann vor, wenn <strong>ein</strong> Autor bei der Abfassungs<strong>ein</strong>es Textes sich nicht nur der Verwendung anderer Texte bewußt ist, sondern auch vom Rezipienten erwartet,daß er diese Beziehung zwischen s<strong>ein</strong>em Text und anderen Texten als vom Autor intendiert und als wichtig fürdas Verständnis s<strong>ein</strong>es Textes erkennt. Intertextualität in diesem engeren Sinn setzt also das Gelingen <strong>ein</strong>esKommunikationsprozesses voraus, bei dem nicht nur Autor und Leser sich der Intertextualität <strong>ein</strong>es Textesbewußt sind, sondern bei der jeder Partner des Kommunikationsvorganges darüber hinaus auch dasIntertextualitätsbewußts<strong>ein</strong> s<strong>ein</strong>es Partners mit <strong>ein</strong>kalkuliert.“ Broich und Pfister gehen also davon aus, dass derLeser die Intertextualität erkennen muss. In Rintalas Fall ist nicht davon auszugehen, dass er von s<strong>ein</strong>enfinnischen Lesern erwartet, dass sie all die zahlreichen Intertexthinweise als solche erkennen und verstehen.577 Rintalas Faustroman hat in diesem Sinne viel mit dem Thomas Manns gem<strong>ein</strong>. Auch dieser hat bereitsexistierendes Material über die Faust-Tradition (und in s<strong>ein</strong>em Falle auch über die Zwölftontechnik und über denKrankheitsverlauf der Syphilis, vor allem bei Friedrich Nietzsche) frei und ohne Quellenangaben für s<strong>ein</strong>e Faust-Gestalt Adrian Leverkühn im Roman Doktor Faustus verwendet und diese Methode der „Materialienausleihe“auch schon in Buddenbrooks und in der Joseph-Tetralogie verwendet. Mann ist dafür sehr kritisiert worden, vorallem von dem „Erfinder“ der Zwölftontechnik, Arnold Schönberg.578 Es wird unter anderem der Anfang des Faust-Monologs von Goethe zitiert (S. 101, entspricht V. 354 –365 beiGoethe), <strong>ein</strong>e Stelle aus der Walpurgisnacht (S. 266, entspricht V. 4128 - 4143), sowie <strong>ein</strong>zelne Geschichten ausdem Volksbuch. Ebenso werden Aufenthaltsorte oder Personen aus dem Leben des historischen Faust ofterwähnt. So werden z. B. der Bischof Georg Schenk von Limpurg, Philip Begard und Daniel Stibar erwähnt,ebenso kann man lesen, dass Faust in Heidelberg studiert hat. Auch die oben genannte Anspielung auf denFamulus Wagner gehört zu diesen „Andeutungen“.173

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