ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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13.07.2015 Aufrufe

Wie bereits dargelegt, geht es in dieser Arbeit hauptsächlich um den Teufelspakt und dessenmoralische Wertung in Deutschland, Finnland und Schweden. Dafür ist es nötig, den Pakt, dieUmstände und Beweggründe, die zum Pakt mit dem Teufel geführt haben, und das darauffolgende Ende des faustischen Lebens zu erläutern. Der Lebenslauf der Faust-Gestalt wird injedem Werk erläutert, allerdings wird auf einzelne Episoden, wie beispielsweise die oftwiederkehrende Geschichte von der Helena aus Griechenland, nicht in dem Maßeeingegangen, wie in der bisherigen Forschung, da das Hauptgewicht dieser Arbeit auf demPakt und den Paktumständen liegt.Eine Ausnahme machen hier die in Deutschland völlig unbekannten Werke aus Finnland undaus Schweden, die in dieser Arbeit etwas genauer erläutert werden, auch und gerade wegenihrer bisherigen Unbekanntheit. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, diese fennoskandinavischenWerke auch dem deutschen Leserpublikum zugänglich zu machen. Diesbegründet die etwas genauere Beschäftigung mit der Materie. In der Analyse der finnischenund schwedischen Werke ist es nötig, überdurchschnittlich viel nachzuerzählen und zuzitieren, um die tatsächliche Handlung und den Inhalt dieser Werke nicht nur zu analysieren,sondern auch verstehen zu können. Da die finnischen und schwedischen Faust-Werke nicht indeutscher Sprache veröffentlicht worden sind, wurden alle zitierten Stellen übersetzt. DieÜbersetzung befindet sich in der Regel in einer Fußnote auf der gleichen Seite. Längere, zumallgemeinen Verständnis beitragende Passagen sind im Anhang abgedruckt und übersetzt.Alle Übersetzungen stammen von mir, wenn nicht ausdrücklich auf einen anderen Übersetzerhingewiesen wurde.Im folgenden Analyseteil wird zunächst ein historischer Überblick über die Teufelsbündlerund die Entstehung der Faust-Sage gegeben. Danach werden alle volkstümlichen Faust-Bearbeitungen, im Anschluss die literarischen Werke aus allen drei Ländern analysiert. ZumBegriff eines „volkstümlichen“ Werkes sei hinzugefügt, dass für die deutschsprachigenWerke hier das Kriterium der Volkstümlichkeit nach der Gattung definiert ist 12 : Als12 Die Bezeichnung „Volksbuch“ für die Historia des D. Johann Fausten beispielsweise hat seinen Ursprungnicht in der Zeit der Entstehung, sondern kommt aus der Zeit der Romantik. Der Begriff der Volkstümlichkeit istin Deutschland sehr umstritten und hat sich im Laufe der Zeit mehreren Umwandlungen unterzogen. Was mit derVolkstümlichkeit im 19. Jahrhundert gemeint war, ist etwas völlig Anderes, als die Definition desVolkstümlichen und Völkischen im Dritten Reich. Mir geht es in dieser Arbeit darum, mit diesem Begriff auf diebreite Bekanntheit des Fauststoffes in Deutschland, Finnland und Schweden hinzuweisen. Dabei ist es wichtig,zu zeigen, dass die Kenntnis über diese Sage auch im „einfachen Volk“ vorhanden war, diesem aber in denverschiedenen Ländern und Epochen vollkommen unterschiedlich übermittelt wurde, wie noch zu beweisen seinwird. Hans Rupprich sagt (Geschichte der deutschen Literatur, Band 4, 2. Teil, S. 184f), dass die „Volksbücherviel eher aus Adels- und Patrizierkreisen in Bürger- und Handwerkerkreise gesunkene ‚Kunstliteratur’ seien.14

„volkstümlich“ gelten Werke, die keinen „hohen“ literarischen Anspruch haben, sondern aufein breites Publikum zielen, in dieser Untersuchung also die Historia, das Faustbuch einesChristlich Meynenden sowie das Puppenspiel. Für die nordischen Werke gilt ebenfalls dasintendierte Publikum als ein Kriterium, zusätzlich haben wir hier (in Finnland) aber auchmündlich überlieferte, also buchstäblich „aus dem Volk“ stammende Erzählungen über Faust,die natürlich genauso zu den volkstümlichen Überlieferungen zu zählen sind, ja in der Tat die„Urform“ aller volkstümlichen Erzählungen sind. Zu den volkstümlichen nordischenBearbeitungen zählen folglich – neben den erwähnten finnischen mündlichen Überlieferungen– die schwedischen Den Beryktade Trollkarlen och Swartkonstnären Dr. Johan FaustsLefwerne, Gerningar och Helfwetesfärd 13 sowie Carl Kastmans Sagan om Doktor HenrikFaust. Berättad för svenska folket, wobei das letztere eine abweichende Auffassung von dem„Volk“ hat. Darauf wird im betreffenden Kapitel näher eingegangen.Am Ende der Untersuchung werden die Entwicklung der Moralauffassungen sowie derenRolle für die jeweiligen Faust-Gestalten zusammenfassend erläutert. Ebenfalls wird einegemeinsame Linie in allen ausgewählten Werken gezeigt und nachgewiesen, sowie ein kurzerAusblick auf weitere Forschungsthemen in diesem Bereich gemacht. Eineschwedischsprachige Zusammenfassung der Arbeit befindet sich im letzten Textkapitel.Nicht das Volk, sondern namentlich bekannte historische Persönlichkeiten waren die Autoren, Übersetzer,Bearbeiter und Sammler dieser Prosa-Epik; und literarisch gebildete und künstlerisch anspruchsvolle Kreiseveranlassten und pflegten zuerst diese Unterhaltungsliteratur, bis sie in den höheren Kreisen einem anderenGeschmack wich. Erst dann wurde sie von den unteren Schichten des Volkes dankbar aufgenommen und oftdurch viele Generationen weitergegeben.“ Für den Teil des Faust-Stoffes nimmt Rupprich jedoch eine andereHaltung ein (S. 190): „Während die meisten romanhafte Prosawerke lange Zeit brauchten, bis sie zuVolksbüchern werden, beginnt sofort als Volksbuch die ‚Historia von D. Johann Fausten’.“ Ebendiese Faust-Geschichte ist also, laut Rupprich, ein auch im wirklichen Sinne Volksbuch, nicht erst in der Rezeption einerspäteren Zeit als solches empfunden. Das Volksbuch in der ersten, 1587 gedruckten Fassung, sowie die späterenZusätze aus Erfurt und Nürnberg und die Wolfenbütteler Handschrift inspirierten später zu nochmaligenBearbeitungen und Erweiterungen der Sage, u.a. durch Widmann (1599) und später Pfitzer (1674). Diese warenebenso deutlich für die Verbreitung im „Volk“ intendiert, denn hier wurde der lehrhafte Charakter der Sage nochstärker betont (durch beispielweise belegende Bibelstellen in Anmerkungen nach jedem Kapitel). Das Faustbuchdes Christlich Meynenden ist eine Bearbeitung, die in einer späteren Zeit entstanden ist und im Ton nicht mehr indem Maße lehrhaft wirkt, wie seine Vorgänger, basiert jedoch auf das Widmannsche Volksbuch und ist im Stilals ein „volkstümliches Werk“ anzusehen, zumal der Autor selbst intendiert (S. 163): „Gegenwärtige Blättersollten billig entweder die Wahrheit der Historie des bekannten Schwarzkünstlers Doktor Johann Faustens mitunverwerflichen Gründen behaupten oder, wo dieses ja nicht möglich, die Falschheit derselben der galantenWelt deutlicher vor Augen legen“. „Billig“ könnte hier mit „dem Volk zugänglich“ gleichgesetzt werden.Das Puppenspiel ist schon von ihrer Darstellungsart und ihrem Sprachgebrauch her ein volkstümliches Werk.13 In Auszügen wird zusätzlich auf die bereits 1788 erschienene Fassung Kort Utdrag utur den på Tyska Språketutgifna Doctor Fausti Historia hinzugezogen, die aufgrund ihrer Kürze nicht die Eigenständigkeit und Tiefeerreicht, die die nachfolgende, näher untersuchte Fassung bietet. Da sie jedoch die erste erhaltene und noch –wenn auch schwer – zugängliche Fassung eines schwedischsprachigen Faustbuchs ist, ist es wichtig, auf sieeinzugehen, um die Entwicklung der Faustsage in Skandinavien zeigen zu können.15

„volkstümlich“ gelten Werke, die k<strong>ein</strong>en „hohen“ literarischen Anspruch haben, sondern auf<strong>ein</strong> breites Publikum zielen, in dieser Untersuchung also die Historia, das Faustbuch <strong>ein</strong>esChristlich Meynenden sowie das Puppenspiel. Für die nordischen Werke gilt ebenfalls dasintendierte Publikum als <strong>ein</strong> Kriterium, zusätzlich haben wir hier (in Finnland) aber auchmündlich überlieferte, also buchstäblich „aus dem Volk“ stammende Erzählungen über Faust,die natürlich genauso zu den volkstümlichen Überlieferungen zu zählen sind, ja in der Tat die„Urform“ aller volkstümlichen Erzählungen sind. Zu den volkstümlichen nordischenBearbeitungen zählen folglich – neben den erwähnten finnischen mündlichen Überlieferungen– die schwedischen Den Beryktade Trollkarlen och Swartkonstnären Dr. Johan FaustsLefwerne, Gerningar och Helfwetesfärd 13 sowie Carl Kastmans Sagan om Doktor HenrikFaust. Berättad för svenska folket, wobei das letztere <strong>ein</strong>e abweichende Auffassung von dem„Volk“ hat. Darauf wird im betreffenden Kapitel näher <strong>ein</strong>gegangen.Am Ende der Untersuchung werden die Entwicklung der Moralauffassungen sowie derenRolle für die jeweiligen Faust-Gestalten zusammenfassend erläutert. Ebenfalls wird <strong>ein</strong>egem<strong>ein</strong>same Linie in allen ausgewählten Werken gezeigt und nachgewiesen, sowie <strong>ein</strong> kurzerAusblick auf weitere Forschungsthemen in diesem Bereich gemacht. Eineschwedischsprachige Zusammenfassung der Arbeit befindet sich im letzten Textkapitel.Nicht das Volk, sondern namentlich bekannte historische Persönlichkeiten waren die Autoren, Übersetzer,Bearbeiter und Sammler dieser Prosa-Epik; und literarisch gebildete und künstlerisch anspruchsvolle Kreiseveranlassten und pflegten zuerst diese Unterhaltungsliteratur, bis sie in den höheren Kreisen <strong>ein</strong>em anderenGeschmack wich. Erst dann wurde sie von den unteren Schichten des Volkes dankbar aufgenommen und oftdurch viele Generationen weitergegeben.“ Für den Teil des Faust-Stoffes nimmt Rupprich jedoch <strong>ein</strong>e andereHaltung <strong>ein</strong> (S. 190): „Während die meisten romanhafte Prosawerke lange Zeit brauchten, bis sie zuVolksbüchern werden, beginnt sofort als Volksbuch die ‚Historia von D. Johann Fausten’.“ Ebendiese Faust-Geschichte ist also, laut Rupprich, <strong>ein</strong> auch im wirklichen Sinne Volksbuch, nicht erst in der Rezeption <strong>ein</strong>erspäteren Zeit als solches empfunden. Das Volksbuch in der ersten, 1587 gedruckten Fassung, sowie die späterenZusätze aus Erfurt und Nürnberg und die Wolfenbütteler Handschrift inspirierten später zu nochmaligenBearbeitungen und Erweiterungen der Sage, u.a. durch Widmann (1599) und später Pfitzer (1674). Diese warenebenso deutlich für die Verbreitung im „Volk“ intendiert, denn hier wurde der lehrhafte Charakter der Sage nochstärker betont (durch beispielweise belegende Bibelstellen in Anmerkungen nach jedem Kapitel). Das Faustbuchdes Christlich Meynenden ist <strong>ein</strong>e Bearbeitung, die in <strong>ein</strong>er späteren Zeit entstanden ist und im Ton nicht mehr indem Maße lehrhaft wirkt, wie s<strong>ein</strong>e Vorgänger, basiert jedoch auf das Widmannsche Volksbuch und ist im Stilals <strong>ein</strong> „volkstümliches Werk“ anzusehen, zumal der Autor selbst intendiert (S. 163): „Gegenwärtige Blättersollten billig entweder die Wahrheit der Historie des bekannten Schwarzkünstlers Doktor Johann Faustens mitunverwerflichen Gründen behaupten oder, wo dieses ja nicht möglich, die Falschheit derselben der galantenWelt deutlicher vor Augen legen“. „Billig“ könnte hier mit „dem Volk zugänglich“ gleichgesetzt werden.Das Puppenspiel ist schon von ihrer Darstellungsart und ihrem Sprachgebrauch her <strong>ein</strong> volkstümliches Werk.13 In Auszügen wird zusätzlich auf die bereits 1788 erschienene Fassung Kort Utdrag utur den på Tyska Språketutgifna Doctor Fausti Historia hinzugezogen, die aufgrund ihrer Kürze nicht die Eigenständigkeit und Tiefeerreicht, die die nachfolgende, näher untersuchte Fassung bietet. Da sie jedoch die erste erhaltene und noch –wenn auch schwer – zugängliche Fassung <strong>ein</strong>es schwedischsprachigen Faustbuchs ist, ist es wichtig, auf sie<strong>ein</strong>zugehen, um die Entwicklung der Faustsage in Skandinavien zeigen zu können.15

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