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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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Auffassung galt noch im frühen Protestantismus, allerdings dort ohne die Bindung an dieJungfrau Maria. Dies wäre für Leverkühn ebenfalls <strong>ein</strong>e Möglichkeit, in dem Fall, dass ers<strong>ein</strong>en Glauben immer noch auf eher „altertümlichen“ Grundsätzen begründete. DieserTheorie entspräche die folgende Deutung des Schlusses: nach Leverkühns geistigem Rückfall,nach der Paralyse, bleibt s<strong>ein</strong> „Werk der Klage“ am Leben – Leverkühn, als „Leib“, alsMensch, wird „verdammt“, aber s<strong>ein</strong>e Seele, die Musik, wird als Ausdruck der Klageweiterleben. 539 Diese Begründung <strong>ein</strong>er möglichen Rettung äußert auch Zeitblom in der„Nachschrift“, als es um <strong>ein</strong>en Selbstmordversuch Leverkühns geht:...<strong>ein</strong>e mystische Rettungsidee, die der älteren Theologie, namentlich dem frühenProtestantismus wohlvertraut war: die Annahme nämlich, daß Teufelsbeschwörerallenfalls ihre Seele zu retten vermöchten, indem sie „den Leib drangäben“.Wahrsch<strong>ein</strong>lich handelte Adrian unter anderem nach diesem Gedanken, und ob manrecht tat, ihn nicht zu Ende handeln zu lassen, weiß Gott all<strong>ein</strong>. (DF, 669)Viertens macht Schmidt-Schütz darauf aufmerksam, dass die Akkorde, die Leverkühn imBordell nach der Berührung der Esmeralda am Klavier anschlägt, aus der Stelle desFreischütz stammen, wo „die Gnade für den Helden aufsch<strong>ein</strong>t“ 540 . „Sehr subtil wird alsoschon an dieser Stelle, als sich Leverkühn dem dämonischen Einflußbereich annähert, abersich noch nicht völlig verschreibt, die Möglichkeit s<strong>ein</strong>er Errettung angedeutet“ 541 . DieDeutung also, dass Thomas Mann s<strong>ein</strong>em Helden von Anfang an die Möglichkeit zur Rettunggeben wollte, findet hier s<strong>ein</strong>e Bestätigung.Ebenfalls auf <strong>ein</strong>e letztendliche Rettung deuten die Notizen Thomas Manns über den Schlussdes Werkes hin. In „Die Entstehung des Doktor Faustus“ schreibt Mann:Als ich nämlich, nach vierzehntägiger Arbeit daran, mit dem Abschnitt fertig war, oderdamit fertig zu s<strong>ein</strong> glaubte, gab ich ihn Adorno <strong>ein</strong>es Abends bei mir im Zimmer zuhören. Er fand im Musikalischen nichts zu erinnern, zeigte sich aber grämlich des539 Hier könnte man unter Umständen auch <strong>ein</strong>e Parallele zwischen dem Schicksal Deutschlands und demLeverkühns sehen: Deutschland als Staat geht mit den kriegerischen „Sünden“ zu Grunde, es bleibt aber dieSeele, der <strong>ein</strong>zelne Mensch, am Leben, als Symbol für <strong>ein</strong>e neue Epoche. (Mit dieser „Seele“ könnte u.a. daszum großen Teil im Exil lebende „geistige Deutschland“ gem<strong>ein</strong>t s<strong>ein</strong>, das nun nach dem Krieg wiederzurückkehrt und hilft, das Land aufzubauen.) Dies wird letztendlich als Wunsch Zeitbloms in den letzten Zeilendes Romans zum Ausdruck gebracht: „Deutschland […] taumelte dazumal auf der Höhe wüster Triumphe, imBegriffe, die Welt zu gewinnen kraft des <strong>ein</strong>en Vertrages, den es zu halten gesonnen war, und den es mit s<strong>ein</strong>emBlute gezeichnet hatte. Heute stürzt es, von Dämonen umschlungen, über <strong>ein</strong>em Auge die Hand und mit demandern ins Grauen starrend, hinab von Verzweiflung zu Verzweiflung. Wann wird es des Schlundes Grunderreichen? Wann wird aus letzter Hoffnungslosigkeit, <strong>ein</strong> Wunder, das über den Glauben geht, das Licht derHoffnung tragen?“ (DF, 672)540 Schmidt-Schütz, S. 260.Wortlaut der entsprechenden Stelle im Freischütz:Alle (Chor): „Ja! Laßt uns zum Himmel die Blicke erheben und fest auf die Lenkung des Ewigen baun.“Solisten: „Der r<strong>ein</strong> ist von Herzen und schuldlos von Leben, darf kindlich der Milde des Vaters vertraun.“(C. M. von Weber: Freischütz, Schlusschor)541 Schmidt-Schütz, S. 260.160

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