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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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Aus dieser auch allgem<strong>ein</strong> in der Gesellschaft geltenden Auffassung, dass es das Teuflischenur als Prinzip des Bösen gibt, nicht aber als Person, folgt die Unglaubwürdigkeit, ja dieUnmöglichkeit <strong>ein</strong>es Blutpaktes mit dem Teufel im 20. Jahrhundert. 512 Thomas Mann greifthier zu <strong>ein</strong>er anderen Lösung. In dem Teufelspakt Adrian Leverkühns handelt es sich immernoch um <strong>ein</strong>en sog. Blutpakt, aber unterschrieben wird nichts. Der Komponist verbündet sichmit dem Teufel durch den Geschlechtsakt mit der Hure Esmeralda, die Träger der Syphilis ist.Leverkühn erkrankt, was nach dem Teufelsgespräch im Kapitel XXV als Besiegelung desBündnisses gilt. Die Folgen der Syphilis, auch die „Selbstentfremdung“, wie Zeitblombeschreibt, können wiederum auch Ersch<strong>ein</strong>ungen wie das Teufelsgespräch in Italienverursachen, es gehört alles zum Krankheitsbild und somit zum Teufelspakt dazu. WennAdrian die Folgen s<strong>ein</strong>er teuflischen Verbindung auf diese Art „im eigenen Leibe“ spürt,warum soll er nicht an <strong>ein</strong>en leibhaftigen Teufel glauben? Dieser Art der Ansteckung, derVerbindung, entspricht der biblische Sündenfall des Adam und Eva: Indem Adam und Evavon der von Eva angebotenen Frucht der Erkenntnis kosten, entdecken beide ihreGeschlechtlichkeit, und werden demzufolge aus dem Paradies vertrieben.Syphilis war noch am Anfang des vorigen Jahrhunderts <strong>ein</strong>e Krankheit mit wenig Aussichtauf komplette Heilung. Sie konnte jahrelang unsichtbar und unfühlbar keimen, endete dannaber oft in der progressiven Paralyse, in <strong>ein</strong>er Gehirnlähmung. Da diese Krankheit früher als„teuflisch“ galt – schließlich holte man sich die Infektion zumeist in <strong>ein</strong>er außerehelichensexuellen Beziehung – eignete sich gerade Syphilis gut als Form des Teufelspaktes fürThomas Mann. Eine Unterschrift war für <strong>ein</strong>e Verbindung dieser Art nicht mehr nötig, <strong>ein</strong>ensichtbaren, konkreten Teufel brauchte man insofern nicht, die Übertragung erfolgte aber durch<strong>ein</strong>e „sündhafte“ Begegnung und wurde in <strong>ein</strong>em „Blutpakt“ besiegelt. Zudem deutete dieInkubationszeit der Krankheit, die bis zu 24 Jahre betragen konnte, auf die Dauer der„klassischen“ Teufelsverbindung hin. 513Syphilis diente Thomas Mann auch auf <strong>ein</strong>er anderen Ebene dazu, Adrian Leverkühn zucharakterisieren. Mann entnahm viele Eigenschaften und biographische Details für s<strong>ein</strong>enProtagonisten direkt aus dem Lebenslauf Friedrich Nietzsches:Da ist die Verflechtung der Tragödie Leverkühns mit derjenigen Nietzsches, dessenName wohlweislich in dem ganzen Buch nicht ersch<strong>ein</strong>t, eben weil der euphorischeMusiker an s<strong>ein</strong>e Stelle gesetzt ist, so daß es ihn nun nicht mehr geben darf; die512 Ausgenommen werden müssen hier eventuelle Blutschwüre der sog. Satanisten.513 Siehe Historia, Kap. 6, S. 23: „Dagegen aber ich mich hinwider gegen jhme verspriche vnd verlobe / daß so24. Jahr / von Dato diß Brieffs an / herumb vnd fürvber gelauffen / er mit mir nach s<strong>ein</strong>er Art vnd weiß […] gutmacht haben solle...“150

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