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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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nämlich: „Nur d<strong>ein</strong>e Flucht ist Traum“, aber „d<strong>ein</strong>e Flucht“ könnte auch „d<strong>ein</strong>e Rettung“s<strong>ein</strong>. Wenn also nicht Flucht und Rettung bloß Traum sind, sondern die Flucht <strong>ein</strong> Traum,aber zugleich die Rettung Fausts ist. Faust könnte also das ganze Geschehen tatsächlichgeträumt haben, in welchem Falle dieser Traum und die Flucht da hin<strong>ein</strong> in der Tat s<strong>ein</strong>eRettung wäre. „Nicht Du und Ich und unsere Verkettung“ – dies ist k<strong>ein</strong> Traum, sondern echt,aber die Flucht in <strong>ein</strong>en Traum könnte für Faust <strong>ein</strong>e Rettung s<strong>ein</strong>, wenn man diese Zeilen aufdiese Art und Weise interpretiert.Wollte Lenau s<strong>ein</strong>en Faust retten? Oder ist diese zweite Interpretationsmöglichkeit <strong>ein</strong>e r<strong>ein</strong>eSpekulation und Haarspalterei? Lenau hat <strong>ein</strong>en weltschmerzlichen Faust geschildert, wie erin die Welt der Romantik passt. Die unglücklichen, weltschmerzgeplagten romantischenHelden begehen häufig Selbstmord, um aus ihrer hoffnungslosen Lage erlöst zu werden. DasEnde an sich ist also für die Zeit typisch, nicht explizit für <strong>ein</strong>e romantische Faust-Gestalt.Tatsächlich stellen in Lenaus Faust die christlich-moralischen Werte <strong>ein</strong>e Richtlinie für dieGesellschaft dar, also bedeutet Fausts Trennung von Gott auch <strong>ein</strong>e Trennung von derGesellschaft. Es tritt jedoch k<strong>ein</strong> guter Geist auf, um sich für diese Werte <strong>ein</strong>zusetzen, sie zuverteidigen. Faust kommt – wie so oft – mit diesen Werten der Gesellschaft nicht klar,verstärkt natürlich nachdem er sich nach den herrschenden Vorstellungen in mehrererHinsicht schuldig gemacht hat. Um den von Mephisto vorgeschlagenen Weg zu gehen, mussFaust Schuld auf sich laden. Nachdem die Gesellschaft ihn von sich stößt und er sogar mit derNatur und mit sich selbst „bricht“, ist er am Ende völlig all<strong>ein</strong> auf sich gestellt. In diesemZustand bringt ihn Mephisto zu der endgültigen Verzweiflung, die ihn am Ende zumSelbstmord treibt. Ob ihn aber <strong>ein</strong>e Rettung erwarten kann, bleibt, wie dargelegt, offen.Das Ende von Lenaus Faust hat <strong>ein</strong>e verblüffende Ähnlichkeit mit Chamissos Faust. Nichtnur, dass das Ende beider Helden letztendlich mehrdeutig ist – da bei Lenau zwei Deutungenmöglich sind und bei Chamisso die von ihm erwünschte Lösung am Ende auf jeden Fallzutrifft, die Geschichte also für Faust selbst positiv ausgeht, wenn auch die Umstände etwasunklar bleiben – es geht um zwei andere bemerkenswerte Aspekte. Erstens ist das Ergebnisder Wahrheitssuche bei beiden dasselbe: absolutes Wissen ist nicht möglich, „Zweifel istmenschlichen Wissens Grenze” (Chamisso: Faust, S. 413) trifft zu sowohl für denLenauschen als auch für den Chamissoschen Helden. Zweitens begehen beide Selbstmord145

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