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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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Die „Weisheit”, die man durch Leichenschau gewinnen kann, gibt für Faust k<strong>ein</strong>e Antwortüber die Geheimnisse der Menschheit: „Doch ist die ganze Weisheit nicht genug, / Auch nurden kl<strong>ein</strong>sten Zweifel satt zu speisen” (V. 103f).Lenaus Faust sehnt sich nach Erkenntnis, nach Wissen über Menschheit, Gott(heit) und dasLeben an sich. Kurz, er will das Absolute, das Objektive erkennen. 483 Durch dieWissenschaften kann er aber solches Wissen nicht bekommen.Warum muss doch in m<strong>ein</strong>er Seele brennenDie unlöschbare Sehnsucht nach Erkennen!Nichts ist die Wissenschaft, doch wo ist RettungAus m<strong>ein</strong>er Zweifel p<strong>ein</strong>licher Verkettung? (V. 187f)„Forschen und Streben führt nicht zur Sicherheit im Wissen, sondern zur Unwissenheitgegenüber dem Gefundenen, also zum Zweifel.“ 484 Die Wissenschaft hat in diesem Punktfolglich versagt. Auch im Gottesglauben kann Faust k<strong>ein</strong>en Trost finden, denn er ist nichtfähig, zu glauben, er muss begründen können. Aus dieser aussichtslos sch<strong>ein</strong>enden Lageentstehen Zweifel, die Faust tief ergreifen. „Im ‚Faust’ wird der Widerspruch zwischenWissen und Glauben bestimmend in <strong>ein</strong>em Maße, daß sich von <strong>ein</strong>em Werk des Zweifelssprechen läßt. Ausgangspunkt ist die Auffassung, alle Gründe des menschlichen Das<strong>ein</strong>sseien schwankend geworden.” 485In derselben Szene ersch<strong>ein</strong>t Mephistopheles, der <strong>ein</strong>e Lösung zu all Fausts plagendemZweifel zu wissen sch<strong>ein</strong>t:Den Menschen gab der ewige DespotFür ihr Geschick <strong>ein</strong> rätselhaft Gebot;Nur dem Verbrecher, der es überschritten,Wird’s klar und lesbar in das Herz geschnitten.Hast du den Mut, um diesen Preis zu wetten,So kann dich dies m<strong>ein</strong> Wort vom Zweifel retten. (V. 213-218)Das „rätselhaft Gebot“ (V. 214) weist auf die Schöpfung der Welt und dem <strong>ein</strong>zigen Gebothin, den Gott s<strong>ein</strong>en Geschöpfen Adam und Eva gab: Sie sollen nicht vom Baum derErkenntnis essen. Aber wie bereits im Alten Testament, so sind die Menschen, stellvertretend483 Lubkoll (1986) und Hucke (1989) stellen Fausts Suche nach dem Absoluten als <strong>ein</strong>e Suche nach demverlorenen Paradies dar. Faust „will […] noch <strong>ein</strong>mal wie Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis essen, damitihm die Augen geöffnet würden” (Hucke, S.19). In dem Lenauschen Text finden sich Stellen, die auf <strong>ein</strong>e Suchenach diesem Baum hindeuten: „Hier seh ich deutlich den Erkenntnisbaum, / Von dem die Bibel spricht im altenBunde; […] Ich will, so rief ich, diese Frucht genießen, / Und wenn die Götter ewig mich verstießen!” (V. 118f;129f).484 Henning: Lenaus „Faust“. In: Faust-Variationen. S. 328.485 Henning: Lenaus „Faust”. S. 327.136

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