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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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Wie verhält es sich am Ende mit dem Pakt und mit der Wette zwischen Faust undMephistopheles? Sind sie von vornher<strong>ein</strong> <strong>ein</strong>e Lüge, <strong>ein</strong> Betrug? Der Pakt - darüber streitetsich die Faust-Forschung - hat für Faust <strong>ein</strong>e konditionale Bedeutung: Das Wenn im Vers1658 („Wenn wir uns drüben wieder finden...”) deutet auf die Möglichkeit desWiederfindens hin, nicht auf die Tatsache, dass es <strong>ein</strong>mal passieren wird. Dieser Ausdruckwar von Mephistopheles jedoch temporal gem<strong>ein</strong>t; er ging davon aus, dass sie sich auf jedenFall „drüben” wieder finden. 430Ebenso ist es mit der Wette. Faust verspricht Mephisto, dass, wenn er sich „auf <strong>ein</strong> Faulbettlegen” sollte, s<strong>ein</strong>e Zeit sofort zu Ende sei, und dass Mephisto ihn dann als Diener in dieHölle mitnehmen könnte. Die weiteren Bestimmungen der Wette – „Werd’ ich zumAugenblicke sagen: / Verweile doch! du bist so schön!”(V. 1699f), „Die Uhr mag stehn, derZeiger fallen” (V. 1705) - sch<strong>ein</strong>en am Ende des Dramas dem Buchstaben nach zuzutreffen:„Zum Augenblicke dürft’ ich sagen: / Verweile doch, Du bist so schön!” (V. 11581f); “DieUhr steht still – [...] Der Zeiger fällt” (V. 11593f). Die Uhr steht tatsächlich still, denn FaustsLeben endet, aber das Verweilen des Augenblicks hat sich Faust in s<strong>ein</strong>er Todesstunde nurgewünscht; er hat den höchsten Augenblick nicht erlebt. Davon zeugen auch s<strong>ein</strong>e letztenWorte: „Im Vorgefühl von solchem hohen Glück / Genieß ich jetzt den höchstenAugenblick.” (V. 11585f; Hervorhebung M.S-S.). Mephisto hat also auch hier nur dem Wortnach - schließlich hat Faust die entscheidenden Worte “Verweile doch, Du bist so schön”,wenn auch nur im Konditionalis, ausgesprochen - <strong>ein</strong>en Anspruch auf Faust nach s<strong>ein</strong>emTod.In der Forschung hat sich hierfür die Formulierung <strong>ein</strong>gebürgert, daß der Teufel zwardem Buchstaben nach die Wette mit Faust gewonnen hat, indem die erweitertePaktformel gefallen ist, dem Geiste nach jedoch gerade nicht vermocht hat, Faust dazuzu bewegen, sich auf das “Faulbett” zu legen. Denn noch die Schlußvision antizipiertapostrophierte ‚gute Mensch’, ‚des rechten Weges wohl bewußt’, noch wird s<strong>ein</strong>e Verworrenheit im irdischenBereich von der vorausgesagten ‚Klarheit’ abgelöst.” Ob und wie gerechtfertigt also Fausts Rettung gewesen ist,kann bestritten werden. Einige Forscher, wie u.a. Henkel (The „Salvation” of Faust , S. 93) vertreten die Ansicht,dass es Goethe um die Theorie der „apokatastasis panton”, „Wiederbringung aller Dinge” ging. Nach dieserTheorie des Origines (3. Jh.) “everything will return to where it started - to God”. Wenn alles zu Gottzurückkehrt, egal was im irdischen Das<strong>ein</strong> passiert, dann wird auch Faust automatisch gerettet. „Diesewundersame Toleranz gesteht nicht nur den Guten, sondern auch den Bösen die schließliche Rückkehr zu Gottzu. Selbst der Teufel, der nichts als den gottgenehmigten Auftrag ausübt, ist von der Barmherzigkeit nichtausgeschlossen” (Keller: Größe und Elend, Schuld und Gnade , S. 125). Ob Goethe diese Theorie tatsächlich alsGrundlage zu der Rettung Fausts angewendet hat, bleibt unklar. Ich vertrete die Ansicht, dass dies nicht dieGrundlage zu Fausts Rettung war, sondern die oben genannte Integration des Bösen in das Gute, wobei Faustalso k<strong>ein</strong>e Möglichkeit hat, zu „verlieren”.430 Siehe auch Hohlfeld: Pakt und Wette in Goethes ‚Faust’. S. 395f.120

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