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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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Das Ende von Goethes Faust unterscheidet sich von dem der bisher behandelten Werke. Faustwird in diesem Drama gerettet. 422 Die Rechtfertigung für Fausts Rettung am Ende des Dramaslautet: „Wer immer strebend sich bemüht / Den können wir erlösen.” (V. 11936f) 423 . „DasUrteil lautet <strong>ein</strong>deutig: Fausts Streben als Hauptmoment s<strong>ein</strong>er Individualität ist gut. […] DerHerr bezeichnet den tätigen Menschen als den guten Menschen.” 424Nach traditionell christlichen Kriterien wäre Fausts Rettung gar nicht möglich gewesen, denndie Ewigkeit, das „Drüben”, interessierte ihn von Anfang an nicht:Das Drüben kann mich wenig kümmern;Schlägst du erst diese Welt zu Trümmern,Die andre mag darnach entstehn. (V. 1660-1662)Außerdem war Faust nicht „unschuldig”; er hatte bereits die Vernichtung (destruktivesStreben) Gretchens, ihrer Mutter, ihres Bruders und ihres Kindes, sowie die Philemons,Baucis’ und ihres Gastes, des Wanderers, auf s<strong>ein</strong>em Gewissen. „S<strong>ein</strong>e menschliche Schuldist irdisch unsühnbar; er bleibt, religiös gesprochen, der Erlösung bedürftig.” 425Reuevoll unddemütig tritt Faust am Ende des Dramas aber nicht auf; von Gottes barmherziger Gnade demreuigen Sünder gegenüber kann hier also nicht die Rede s<strong>ein</strong>:Der Erdenkreis ist mir genug bekannt.Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt:Tor! wer dorthin s<strong>ein</strong>e Augen blinzelnd richtet,Sich über Wolken s<strong>ein</strong>es gleichen dichtet;Er stehe fest und sehe hier sich um;Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm,Was braucht er in die Ewigkeit zu schweifen,Was er erkennt läßt sich ergreifen (V. 11441-11447)422 Die Rettung Fausts war aber ursprünglich k<strong>ein</strong>e Erfindung Goethes; erstmalig hatte Lessing die Absichtgehabt, Faust zu retten. (Hierbei sind die skandinavischen Faust-Gestalten nicht berücksichtigt, die aus derTradition heraus <strong>ein</strong> anderes Ende für Faust für möglich oder zumindest zulässig hielten, und in denen das Endeoft offen gelassen war.) Lessing gelang es jedoch nicht, s<strong>ein</strong>en Faust zu beenden, so daß nur noch Fragmentes<strong>ein</strong>er Pläne bekannt sind. Die Begründung für Fausts Rettung in Lessings Fragment erläutert Blankenburg in<strong>ein</strong>em Brief vom 14.05.1784: „... die höllischen Heerscharen glauben ihre Arbeit vollbracht zu haben; siestimmen im fünften Akte Triumphlieder an - wie <strong>ein</strong>e Ersch<strong>ein</strong>ung aus der Oberwelt sie auf die unerwartetsteund doch natürlichste und doch für jeden beruhigendste Art unterbricht: ‚Triumphiert nicht’, ruft ihnen der Engelzu, ‚ihr habt nicht über Menschheit und Wissenschaft gesiegt; die Gottheit hat dem Menschen den edelsten derTriebe nicht gegeben, um ihn ewig unglücklich zu machen; was ihr sahet, und jetzt zu besitzen glaubt, war nichtsals <strong>ein</strong> Phantom’.” (Lessings Werke, Band I. S. 256.) Der „richtige” Faust habe die ganze Zeit geschlafen unddanke nun „der Vorsehung für die Warnung, die sie durch <strong>ein</strong>en so lehrreichen Traum ihm hat geben wollen. - Erist jetzt fester in Wahrheit und Tugend als jemals.” (Ebd., S. 260; aus <strong>ein</strong>em Brief von J. J. Engel) Das Motivoder die Begründung für die Rettung ist bei Lessing also vollkommen unterschiedlich zu der GoetheschenLösung gewesen. Nach Lessings Fragment versuchte sich auch Paul Weidmann mit <strong>ein</strong>em Faust-Werk („JohannFaust”; 1775), in dem Faust ebenso gerettet wurde. Jenes Werk ist das erste vollständige, zur Rettung Faustsführende Werk, aber wie Smeed (1975) sagt: „Weidmann’s Faust is an ineffectual figure; it remained for theStürmer und Dränger to turn Faust into something resembling a hero.”(S. 7.)423 Es wird hier nicht gesagt, wozu der Mensch sich bemühen soll, Hauptsache ist, daß er sich in ständigemStreben, in ständiger Bewegung befindet.424 Scholz: Die beschädigte Seele... S. 10.425 Keller: Größe und Elend, Schuld und Gnade. In: Das Wagnis der Moderne. S. 120.118

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