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INSA Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850 ... - DigiBern

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405 Bern<br />

Abb. 79 Bern. <strong>Schweizer</strong>ische Landesausstellung 1914. Das<br />

v on Karl In<strong>der</strong>mühle entworfene «Dörfli» aus <strong>der</strong> Vogelschau.<br />

Links vorn das Heimatschutz-Wirtshaus «Zum Röseligarte»,<br />

gegenüber Bauten <strong>der</strong> kirchlichen Kunst, rechts Musterbauernhof-<br />

Aus: Heimatschutz % (1913), S. 55.<br />

lung wirkte trotzdem als Einheit, ungeachtet<br />

auch des wenig heimischen Neuklassizismus,<br />

d en die Westschweizer Architekten M. Polak<br />

u nd G. Piollenc bei den ihnen anvertrauten Pavillons<br />

anwandten (Abb. 13), und trotz <strong>der</strong> Tatsache<br />

auch, dass rund 1200 Personen an <strong>der</strong> Vorbereitung<br />

<strong>der</strong> Schau beteiligt waren 175 .<br />

D as geistige Zentrum bildete Karl In<strong>der</strong>mühles<br />

«Dörfli» (Abb. 79), obwohl es viel kleiner als das<br />

«Village suisse» <strong>der</strong> Genfer Ausstellung war und<br />

auf einer Anhöhe am äussersten Zipfel des Ausstellungsgeländes<br />

lag. Erst allmählich tauchte es<br />

v °r dem sich nähernden Besucher auf. Nur<br />

scheinbar stellte es den Gegenpol zum Pavillon<br />

d es Städtebaus am an<strong>der</strong>en Ende <strong>der</strong> Ausstellung<br />

dar. Der Gegensatz zwischen Stadt und<br />

Land, welcher <strong>der</strong> Zweiteilung <strong>der</strong> gesamten Anlage<br />

zugrunde lag, wurde in dem Mass relativiert,<br />

als - zwecks Steigerung <strong>der</strong> Produktivität -<br />

die landwirtschaftliche Arbeit «technischer», die<br />

mdustrielle «menschenfreundlicher» wurde.<br />

St adt und Land bildeten deshalb in <strong>der</strong> Berner<br />

Landesausstellung die zwei Seiten ein und <strong>der</strong>selben<br />

Sache - <strong>der</strong> zwillingshaften Einheit von<br />

Produktion und Konsum. Sie wurde in <strong>der</strong> Ausstellung<br />

als das Grundgesetz für das Leben <strong>der</strong><br />

Nation dargestellt. Das Essen wurde zum Symbol<br />

dafür, dass die Produktion auf den Verbrauch<br />

angewiesen ist: Das Fest <strong>der</strong> Arbeit war<br />

auch ein Fest des Konsums. Stolz wurde vermerkt,<br />

dass in <strong>der</strong> Ausstellung gleichzeitig 7000<br />

Personen verpflegt werden konnten. Der auffallendste<br />

Bau <strong>der</strong> Anlage war das Restaurant «Stu<strong>der</strong>stein»,<br />

ein expressionistischer Tempel des<br />

Konsums, dessen mächtige Kuppelhalle an das<br />

Parlamentsgebäude von Hans Auer erinnerte<br />

(Abb. 80). Ihm gegenüber stand die neuklassizistische<br />

«Nahrungs- und Genussmittelhalle».<br />

Auch Bauen und Wohnen wurde als Einheit von<br />

Produktion und Konsum aufgefasst. Das Wohnen<br />

war in Bern zu einem Problem geworden, als<br />

nach <strong>der</strong> Eröffnung <strong>der</strong> Eisenbahn die Bevölkerung<br />

innerhalb von dreissig Jahren auf beinahe<br />

das Doppelte anwuchs 176 . 1889 mussten die Behörden<br />

Notunterkünfte für obdachlose Familien<br />

besorgen; in <strong>der</strong> Folge entstanden auf dem Wylerfeld<br />

die ersten gemeinnützigen Wohnbauten<br />

<strong>der</strong> Gemeinde Bern. Nach dem Vorbild Basels<br />

wurde 1896 eine Wohnungs-Enquete durchgeführt,<br />

die zum überraschenden Ergebnis führte,<br />

dass ausgerechnet die Wohnstadt Bern im gesamtschweizerischen<br />

Vergleich die grösste Bewohnerzahl<br />

pro Zimmer und die kleinste Zahl<br />

leerstehen<strong>der</strong> Wohnungen sowie vergleichsweise<br />

hohe Mietpreise aufwies. Die Arbeiterwohnhäuschen<br />

<strong>der</strong> 1864 eröffneten Spinnerei Felsenau,<br />

idyllisches Gegenbild zu den Mietkasernen<br />

<strong>der</strong> Rodtschen Satire von 1880, fielen unter<br />

dem statistischen Blick zu einem Beispiel ungenügen<strong>der</strong><br />

Wohnqualität ab (s. Felsenaustrasse).<br />

We<strong>der</strong> <strong>der</strong> gute Wille fürsorglicher Fabrikherren<br />

noch Bevormundung durch gesetzliche Vorschriften<br />

vermochten nach Ansicht <strong>der</strong> Statistiker<br />

zu verhin<strong>der</strong>n, dass jene Bevölkerungsschichten,<br />

die ökonomisch schwächer waren, auch<br />

noch unter ungünstigen Wohnbedingungen zu<br />

leiden hatten - denn in <strong>der</strong> Wohnungsfrage «haben<br />

wir es ... mit einer allein von wirtschaftlichen<br />

Gesetzen bedingten Massenerscheinung zu<br />

thun». Man muss die Wohnung als Ware betrachten,<br />

um zu sehen, wo <strong>der</strong> Staat in die «biologischen»<br />

Gesetze <strong>der</strong> Stadt eingreifen kann: er<br />

muss Wohnungen auf den Markt werfen, um<br />

über den Konkurrenzdruck eine Senkung <strong>der</strong><br />

Mietpreise zu bewirken 177 .<br />

Abb. 80 Bern. <strong>Schweizer</strong>ische Landesausstellung 1914. Restaurant<br />

Stu<strong>der</strong>stein, erbaut von Eduard Joos (Bern). Kuppelhalle<br />

mit Leuchtern <strong>der</strong> Fabrik Ritter & Uhlmann (Basel). Aus<br />

dem Illustrierten Ausstellungsalbum <strong>der</strong> <strong>Schweizer</strong>ischen Landesausstellung<br />

Bern, S. 287.

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