03.12.2012 Aufrufe

INSA Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850 ... - DigiBern

INSA Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850 ... - DigiBern

INSA Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850 ... - DigiBern

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Bern 404<br />

Gotik fern zu halten; in solchem Streben kam er dann <strong>der</strong><br />

frei empfundenen Bodenständigkeit des Bauwerks auf die<br />

Spur 168 .»<br />

1906 stellte In<strong>der</strong>mühle in <strong>der</strong> Zeitschrift Heimatschutz<br />

den Musterentwurf für ein Hotel vor.<br />

Der gotische Collegestil des Armenhauses in Pugins<br />

«Contrasts» war in bernische Mundart<br />

übertragen, gekennzeichnet durch Lauben,<br />

«wyssbschtochni Muure» und behäbige Dächer<br />

169 . Der Entwurf wirkte wie eine Vorstufe zu<br />

In<strong>der</strong>mühles bekanntestem Werk, dem «Dörfli»<br />

an <strong>der</strong> Berner Landesausstellung von 1914.<br />

Um den Standort einer <strong>Schweizer</strong>ischen Landesausstellung<br />

hatte sich Bern schon beworben, als<br />

diejenige von Genf von 1896 - nach Zürich die<br />

zweite - noch nicht einmal ihre Tore geschlossen<br />

hatte: die Ausstellung sollte die Gelegenheit zur<br />

Verwirklichung eines Nationaldenkmals bieten,<br />

die Bern mit <strong>der</strong> Wahl Zürichs als Standort des<br />

Landesmuseums entgangen war. Die Domäne<br />

<strong>der</strong> Ausstellung wurde als «Kriegsschauplatz <strong>der</strong><br />

Zukunft» betrachtet, auf dem die Kampfkraft<br />

Abb. 78 Plakat für die <strong>Schweizer</strong>ische Landesausstellung<br />

1914 in Bern von Emil Cardinaux. Hervorgegangen aus einem<br />

erstprämiierten Wettbewerbsentwurf mit dem Motto «Reiter».<br />

Wegen heftiger Kritik wurde das Plakat in <strong>der</strong> Westschweiz<br />

durch eines von Plinio Colombi mit Schneebergen ersetzt. Museum<br />

für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung.<br />

<strong>der</strong> <strong>Schweizer</strong>ischen Volkswirtschaft unter Beweis<br />

gestellt werden konnte 170 :<br />

«Alle Berufsstände, alle Gebiete <strong>der</strong> Industrien und Gewerbe,<br />

<strong>der</strong> Urproduktion, <strong>der</strong> Künste und Wissenschaften, <strong>der</strong> Staatswirtschaft<br />

und Volkswohlfahrt sind an diesem nationalen<br />

Werk beteiligt und hoffen von ihm Anregung und Belehrung,<br />

materielle und ideelle För<strong>der</strong>ung 171 .»<br />

Während die Genfer Exposition nationale mit<br />

<strong>der</strong> Pariser Weltausstellung von 1889 in Wettstreit<br />

getreten war und damit ihre internationalistische<br />

Gesinnung verraten hatte, sollte in Bern<br />

<strong>der</strong> «nationale Charakter» des «vaterländischen<br />

Werks» dadurch gewahrt werden, dass nur einheimische<br />

Fabrikate zugelassen und Frivolitäten<br />

wie Vergnügungspark, kleiner Eiffelturm, Negerdörfchen<br />

und Niagarafälle vermieden wurden m .<br />

Ein Reiterdenkmal war in Bern dem Bau des ersten<br />

Bundeshauses vorausgegangen, ein Reiter<br />

sollte jetzt auch Herold dieses nationalen «Festes<br />

<strong>der</strong> Arbeit» sein. Erneut diente eine Reiterfigur<br />

<strong>der</strong> Renaissance als Vorbild, nämlich Paolo<br />

Uccellos Monument für den Condottiere Sir<br />

John Hawkwood - «Giovanni Acuto» - im Dom<br />

von Florenz. Es handelte sich allerdings nur um<br />

ein illusionistisches Fresko. Zweidimensional<br />

war aber auch das davon inspirierte Plakat von<br />

Emil Cardinaux, mit dem nach dem Willen eines<br />

Preisgerichts die Landesausstellung angekündigt<br />

werden sollte. Den Harnischmann Uccellos verwandelte<br />

Cardinaux zwar in einen fahnentragenden<br />

Bauernburschen, aber die grüne Farbe des<br />

gemalten Bronzerosses behielt er bei (Abb. 78).<br />

Die Schweiz kam so zu einer volkstheaterhaften<br />

Ausgabe jener Kunstskandale, die um die «unrichtigen»<br />

Darstellungen <strong>der</strong> künstlerischen Avantgarde<br />

entfacht wurden, die Landesausstellung<br />

aber zu einer wirkungsvollen Propaganda 173 .<br />

Die Idee eines Denkmals, das nur in <strong>der</strong> vergänglichen<br />

Form eines Plakats existiert und sich<br />

dennoch durch seine rasche und weite Verbreitung<br />

nachhaltiger einprägt als ein reales Monument,<br />

passte zur Vorstellung, die sich die Veranstalter<br />

<strong>der</strong> Landesausstellung von einem zeitgemässen<br />

Nationaldenkmal machten. Wie <strong>der</strong><br />

Film, sollte es sich grossen Massen einprägen.<br />

Da die Besuchermasse die Dinge in <strong>der</strong> Bewegung<br />

und auf zerstreute Weise wahrnimmt,<br />

musste an die Stelle eines Mittelpunktes eine<br />

Reihe von Teilzentren treten, die sich erst beim<br />

Durchgehen zu einem Ganzen fügten. Für eine<br />

solche Massenregie brauchte es «Raumkünstler»<br />

174 , nicht Schöpfer von künstlerischen Monumenten.<br />

Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet<br />

<strong>der</strong> Pavillon <strong>der</strong> «bildenden Künste» ein «eiserner<br />

Schopf» war, <strong>der</strong> sich wie «ein Stiefkind <strong>der</strong><br />

heimischen Baukunst» ausnahm. Die Ausstel-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!