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INSA Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850 ... - DigiBern

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395 Bern<br />

Die Selbstverherrlichung <strong>der</strong> Bundesbehörden<br />

im Bild einer füllhornausschüttenden Landesmutter<br />

115 rief in Bern das barocke Kornhaus in<br />

Erinnerung, Symbol für den Reichtum und die<br />

landesväterliche Weitsicht des altbernischen<br />

Staates. In den Jahren 1897-1898 wurde <strong>der</strong> populäre<br />

Kornhauskeller (Abb. 66, Kornhausplatz<br />

N r. 18) zu einem Berner Untergrundheiligtum<br />

ausstaffiert: Auf den grosssprecherischen Bundespalast<br />

reagierte man mit «Verinnerlichung»,<br />

ähnlich wie damals, als dem Reiterdenkmal auf<br />

dem Münsterplatz die Steigergrotte im Münstermnern<br />

entgegengesetzt worden war. An die Steife<br />

<strong>der</strong> renaissancistischen Allegorik des Bundeshauses<br />

trat eine Welt <strong>der</strong> Sage und des Märchens<br />

in <strong>der</strong> Nachfolge Ludwig Richters: Jean Auguste<br />

Dominique Ingres' Quellnymphe wird in den<br />

Kornhauskellerfresken zum Guggisberger Trachtemeitschi<br />

116 .<br />

Durch den Einbau einer Balkongalerie zwischen<br />

den Pfeilern entstanden hochgelegene Lauben-<br />

Sänge, von denen aus man die mächtige Trep-<br />

Penrampe und die Prozession <strong>der</strong> Tische betrachten<br />

kann. Anstelle des Altars steht hier<br />

nicht die Rütligruppe, son<strong>der</strong>n das berühmte<br />

grosse Fass. Die Monstranz ist eine Uhr, <strong>der</strong> be-<br />

Ifiq<br />

Bern > Kornhauskeller nach <strong>der</strong> Umgestaltung von<br />

»'-1898. Dekorationsmalereien von Rudolf Münger mit<br />

^'kstümlichen Motiven. Zeichnung von Philipp Ritter im<br />

Kor<br />

"hauslceller-Büchlein, Bern 1899, S. 10.<br />

krönende Baldachin eine Tribüne für die Kapelle.<br />

Wie die Musikanten kostümiert sein sollten,<br />

zeigen die gemalten Figuren in den Gewölbekappen:<br />

sie sind in «die deutsche Männertracht aus<br />

Nikiaus Manuels Zeit» gekleidet 117 . Sie tragen<br />

die Gesichtszüge zeitgenössischer Berner Künstler;<br />

im Dudelsackbläser hat sich <strong>der</strong> Schöpfer<br />

<strong>der</strong> Fresken selbst porträtiert: Rudolf Münger,<br />

Zeichnungslehrer, Dekorationsmaler und Illustrator<br />

<strong>der</strong> Volksliedsammlung Im Röseligarte<br />

ns . Die Bierkeller-Spätromantik mit <strong>der</strong><br />

Kunstgewerbebewegung verknüpfend, leitete er<br />

zur Heimatstilbewegung über, so wie <strong>der</strong> Neubarock<br />

des Jahrhun<strong>der</strong>tendes die Wie<strong>der</strong>entdekkung<br />

des regionalen Berner Barocks vorbereitete.<br />

Mit ihm traten die Berner Architekten den<br />

Kampf an gegen die Diktatur <strong>der</strong> «Bundesrenaissance».<br />

In <strong>der</strong> Stadt, wo <strong>der</strong> Barock verwandelte Gotik<br />

ist, verwun<strong>der</strong>t es nicht, dass das Laboratorium<br />

für diese Stilmetamorphose die wie<strong>der</strong>erweckte<br />

Münsterbauhütte war. Sie sah ihre Aufgabe in<br />

<strong>der</strong> Vollendung des Münsterturms. Wenn die Figurendenkmäler<br />

<strong>der</strong> 1840er Jahre die Übernahme<br />

<strong>der</strong> Zentrumsfunktion vorbereiteten, so sollte<br />

jetzt mit diesem architektonischen Denkmal bezeugt<br />

werden, dass die Stadt Bern nicht in <strong>der</strong><br />

Bundesstadt aufgegangen war. Und wie damals<br />

entsprachen <strong>der</strong> betonteren Auszeichnung des<br />

Zentrums Anstrengungen, die Stadt mit Brückenbauten<br />

weiter zu öffnen.<br />

2.6 Zurück zum alten Bern:<br />

Brückenbau und Münsterturm<br />

1841 veröffentlichte <strong>der</strong> englische Architekt Augustus<br />

Welby Pugin sein Werk Gegensätze; o<strong>der</strong><br />

ein Vergleich zwischen den edlen Bauwerken des<br />

14. und 15. Jahrhun<strong>der</strong>ts und ähnlichen Gebäuden<br />

von Heutzutage 1 . Die Gegenüberstellung sollte<br />

den von <strong>der</strong> industriellen Revolution verursachten<br />

«gegenwärtigen Zerfall des Geschmacks» anprangern<br />

und als Vorbild die heile Welt <strong>der</strong> spätmittelalterlichen<br />

Gemeinschaft empfehlen, in<br />

<strong>der</strong> Kunst und Technik noch nicht getrennt waren.<br />

1880 stellte <strong>der</strong> Berner Architekt Eduard von<br />

Rodt auf dem Titelblatt einer Sammelmappe<br />

Das alte Bern 120 (Abb. 67) einen ähnlichen<br />

«Contrast» dar. An einem aus Hellebarden gebildeten,<br />

mit den Bildstöcken des Läufer- und<br />

des Ryfflibrunnens bestückten Triumphbogen<br />

hängt eine Tafel mit <strong>der</strong> Stadtvedute Wilhelm<br />

Stettiers von 1682; von ihr nur mangelhaft verdeckt,<br />

wird im Hintergrund ein Teil einer ande-

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