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INSA Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850 ... - DigiBern

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Bern 394<br />

Abb. 65 Bern. Eidgenössisches Parlamentsgebäude, Ansicht<br />

<strong>der</strong> talseitigen Front von Südwesten. Photographie aus <strong>der</strong><br />

Einweihungsfestschrift (wie Abb. 64), S. 13.<br />

dieser Aussenwelt den Rücken kehren; dafür<br />

sieht er jetzt die gemalte Landschaft von Schwyz<br />

mit den Felszwillingen <strong>der</strong> Mythen vor sich -<br />

und er erkennt, dass er sich auf dem diesseits des<br />

Sees gelegenen Rütli, in <strong>der</strong> Wiege <strong>der</strong> schweizerischen<br />

Eidgenossenschaft, befindet 107 (Abb. 64).<br />

Der Redner auf <strong>der</strong> Tribüne aktualisiert den<br />

Schwur jener drei Ureidgenossen, die auf <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Seite <strong>der</strong> Chorwand in Stein gehauen<br />

stehen.<br />

Diese Dramaturgie hat Auer in langwieriger Planungsarbeit<br />

so zu klären gewusst, dass sie die<br />

pompöse «Bundeshausoper» vor dem Zerfliessen<br />

zu bewahren vermochte 108 . Die Probe darauf<br />

war, dass die Eigenmächtigkeit einzelner Künstler<br />

das Konzept nicht zu zerstören vermochte 109<br />

und dass es gelang, auch «schwierige», aber unerlässliche<br />

Gestalten einzufügen. Die wegen ihrer<br />

zentralistischen Bedeutung oft als Zumutung<br />

empfundene Helvetia 110 bekrönte in einem Zwischenentwurf<br />

einen Brunnen auf dem Bundesplatz,<br />

ging dann aber in <strong>der</strong> allegorischen Gestalt<br />

<strong>der</strong> «politischen Unabhängigkeit» auf, die auf<br />

den Giebel <strong>der</strong> Stadtfassade zu stehen kam. Der<br />

aufrührerische Teil, den man in Lausanne vor<br />

den Palast des Bundesgerichts gestellt hatte, sitzt<br />

im Bundeshaus in einer Nische des Nationalratssaales,<br />

eingeschüchtert vom Prunk, den seine<br />

Söhne entfalten.<br />

Tatsächlich steht das Auersche Gesamtkunstwerk<br />

in scharfem Gegensatz zum bil<strong>der</strong>feindlichen<br />

Bau <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>tmitte. Damals war<br />

sogar gemalter Marmor als ungehöriger Luxus<br />

empfunden worden, jetzt nahm man darauf Bedacht,<br />

sämtliche Steinvorkommen <strong>der</strong> Schweiz<br />

vorzuzeigen. Der 1902 eingeweihte Palast übertraf<br />

die Nationaldenkmalutopien Johann Georg<br />

Müllers von 1844 bei weitem. Man rechtfertigte<br />

sich damit, dass auch «die Altvor<strong>der</strong>n... nicht<br />

lang auf dem Rütli o<strong>der</strong> unter dem Ahornbaum<br />

von Truns» getagt und die Stände sich ihre Rathäuser<br />

erbaut hätten, «die sie mit Pracht und<br />

Schmuck versahen» 111 . Den Kritikern hielt man<br />

entgegen:<br />

«Ist das ein Luxus, wenn <strong>der</strong> Staat so viele seiner Angehörigen<br />

direkt beschäftigt, um ein Bauwerk zu erstellen, dessen frühere<br />

o<strong>der</strong> spätere Notwendigkeit von Allen anerkannt ... wird? Ist<br />

das ein Luxus, wenn die Mutter einer wohlgeordneten Haushaltung<br />

aus ihren Ersparnissen zahlreichen Kin<strong>der</strong>n kleine<br />

Beiträge für geleistete Arbeiten - nicht Bargeschenke - ausfolgt,<br />

für Arbeiten, die dem eigenen Haushalt, dem Komfort<br />

ihrer tüchtigsten Kin<strong>der</strong>, die zuweilen zu ernster Beratung bei<br />

ihr zusammentreten, wie<strong>der</strong> zu gute kommen" 2 ?»<br />

Kurz nach <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>twende stand <strong>der</strong> Aufrichtebaum<br />

auf <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> Laterne, und in<br />

<strong>der</strong> folgenden Silvesternacht sah die auf den<br />

Strassen feiernde Bevölkerung Berns, wie aus<br />

den zweiundzwanzig Fenstern <strong>der</strong> Bundeshauskuppel,<br />

anstelle eines Hochwachtfeuers, «das<br />

weisse Licht (von) Bogenlampen ... ins weite<br />

dunkle Land strahlte, sichtbar vom Jura bis zu<br />

den Alpen» 113 .<br />

Das gewaltige Bauwerk drohte die kantonalen<br />

und städtischen Monumente Berns in den Schatten<br />

zu stellen. 1900-1903 Hess <strong>der</strong> Kanton nach<br />

Plänen von Albert Hodler und Eduard Joos ein<br />

neues Universitätsgebäude (Hochschulstrasse<br />

Nr. 4) errichten. Mit dem überkuppelten Mittelrisalit<br />

und den leicht abgewinkelten Flügeln<br />

nimmt es auf die Gestalt <strong>der</strong> Bundeshausanlage<br />

Bezug und zeigt damit an, dass es als Gegengewicht<br />

zu ihm gedacht war. Flankiert vom<br />

schlossartigen Verwaltungsgebäude <strong>der</strong> Berner<br />

Jura-Bahn (nachmals Jura-Simplon-Bahn, Hochschulstrasse<br />

Nr. 6) und vom Observatorium, beide<br />

1876-1877 erbaut, beherrscht es die Terrasse<br />

<strong>der</strong> Grossen Schanze oberhalb des Schienenflusses<br />

<strong>der</strong> Eisenbahn. In einer Attika-Aedikula -<br />

«dort, wo bei <strong>der</strong> Schwarzwäl<strong>der</strong>uhr <strong>der</strong> schwarze<br />

Kuckuck herausspringt» m - thront eine weisse<br />

Frauenfigur von Alfred Lanz, eine Allegorie<br />

<strong>der</strong> Wissenschaft; und in <strong>der</strong> Grünanlage vor<br />

dem Bau wurde 1908 ein von Hugo Siegwart geschaffenes<br />

Denkmal des grossen Gelehrten des<br />

alten Bern, Albrecht von Haller, aufgestellt<br />

(Abb. 12).

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