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INSA Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850 ... - DigiBern

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Bern 382<br />

Zähringer 1847 auf <strong>der</strong> Münsterplattform, mit<br />

dem Rücken zur Seitenfassade <strong>der</strong> Kirche, Aufstellung<br />

nehmen (Abb. 48) 67 . Der Patrizier von<br />

Tscharner gab in seiner Plastik den Herzog unkriegerisch-bürgerlich,<br />

mit einem Le<strong>der</strong>wams<br />

über dem Kettenpanzer und barhäuptig; <strong>der</strong><br />

Kesselhelm ist einem kleinen Bären in die Tatzen<br />

geraten. Der Liberale Volmar dagegen wählte<br />

für die Darstellung des Ritters von Erlach die<br />

triumphalste Form des Herrscherbildes, das Reitermonument.<br />

Das Rüstzeug für das kühne Unterfangen<br />

hatte Volmar während seiner Ausbildung<br />

in Paris, im Kontakt mit Theodore Gericault<br />

und Horace Vernet, erworben.<br />

«Wie Horace Vernet den Ruhm Napoleons und seiner Armeen<br />

durch seine gewaltigen Gemälde verherrlichte und den Nationalstolz<br />

<strong>der</strong> Franzosen hob und kräftigte, so gedachte unser<br />

Landsmann die Grossthaten des <strong>Schweizer</strong>volkes in entsprechenden,<br />

allgemein verständlichen Bil<strong>der</strong>n seinen Mitbürgern<br />

zur Erbauung und zur Stärkung ihrer Vaterlandsliebe vor Augen<br />

zu führen 68 .»<br />

Die konservativ Gesinnten spürten sogleich das<br />

Grossstädtisch-Unbodenständige einer solchen<br />

«monumentalen, nationalen Kunst» und argwöhnten,<br />

<strong>der</strong> «Radikalinski Volmar» wolle mit<br />

dem Standbild heimlich den Zentralismus för<strong>der</strong>n<br />

69 . Nur dank <strong>der</strong> Unterstützung des liberal<br />

gesinnten Patriziers Theodor von Hallwyl konnte<br />

das Monument verwirklicht und 1849 auf dem<br />

Münsterplatz aufgestellt werden (Abb. 49).<br />

Der Reiter nahm damit einen Raum in Beschlag,<br />

den die Schöpfer des Mosesbrunnens als Zuschauertribüne<br />

für das sakrale Schauspiel <strong>der</strong> Figuren<br />

am Münsterportal respektiert hatten 70 . Für<br />

Volmars Krieger wurde dieses zum Triumphbogen<br />

eines Festumzugs.<br />

Die Schweiz erhielt mit <strong>der</strong> Bronzefigur das erste<br />

profane Reiterdenkmal seit demjenigen am romanischen<br />

Grossmünster in Zürich und das erste<br />

freistehende Reiterdenkmal überhaupt 71 . Dieser<br />

Ehrentitel und das Aufstellungsdatum machten<br />

den Reiter zum geeigneten Herold, um <strong>der</strong> mittelalterlichen<br />

Himmelsburg die Botschaft zu<br />

überbringen, dass Bern die Mitte eines mo<strong>der</strong>nen<br />

Staatsgebildes geworden sei. Für das so herausgefor<strong>der</strong>te<br />

Gotteshaus stiftete <strong>der</strong> Schöpfer<br />

des Zähringerdenkmals, Karl Emanuel von<br />

Tscharner, eine Pietä aus weissem Marmor. 1871<br />

wurde sie vor dem Grabepitaph des letzten<br />

Schultheissen des alten Bern, Nikiaus Friedrich<br />

von Steiger, aufgestellt. Als Gegengewicht zum<br />

Platz mit seinem triumphierenden Reiter entstand<br />

so eine Wallfahrtsgrotte zum Gedenken an<br />

das alte Bern, ohne dessen Passion die Metamorphose<br />

von <strong>der</strong> alten zur neuen Eidgenossenschaft<br />

nicht möglich gewesen wäre.<br />

Als 1888 mit <strong>der</strong> Errichtung eines Monumentes<br />

bekräftigt werden sollte, dass Bern <strong>der</strong> geeignete<br />

Sitz für ein Landesmuseum sei, erinnerte man<br />

sich an den bislang leer ausgegangenen Adrian<br />

von Bubenberg. Mit einer barhäuptigen Standfigur<br />

knüpfte <strong>der</strong> Wettbewerbssieger Max Leu<br />

an von Tscharners Zähringerdenkmal an (Abb.<br />

24). Eine theatralische Pose, ein hoher Denkmalsockel<br />

und ein Viollet-le-Ducs Le mobilier frangais<br />

au moyen-äge entnommener Mailän<strong>der</strong><br />

Prachtsharnisch kamen dem Prunkbedürfnis <strong>der</strong><br />

Zeit entgegen 72 . Einer Opposition war dies zu<br />

wenig; sie rief nach einem Reiterstandbild.<br />

Alfred Lanz, Schöpfer des Genfer Reitermals für<br />

General Dufour und des Berner Denkmals für<br />

den radikalen Politiker Jakob Stämpfli, lehnte<br />

sich in seinem Modell eng an Andrea Verocchios<br />

Colleonidenkmal in Venedig an und machte so<br />

den Berner Ritter zum herrischen Renaissance-<br />

Condottiere.<br />

Keinen Preis erhielt <strong>der</strong> Entwurf des Berner Malers<br />

Karl Stauffer (Abb. 50) 73 . Die im Harnisch<br />

verpuppte Gestalt dieser Skulptur schlägt den<br />

Bogen zurück zur emblemhaften Form des behelmten<br />

Bären auf dem Zähringerbrunnen und<br />

kündigt damit die Überwindung des historistischen<br />

Illusionismus an, den Volmar in Bern eingeführt<br />

hatte. Bei seinen bildhauerischen Versuchen<br />

wurde Stauffer von Adolf von Hildebrand<br />

unterstützt, dem Wie<strong>der</strong>entdecker tektonischreliefhafter<br />

Werte in <strong>der</strong> Skulptur. Sein Gespür<br />

für die Grundwerte <strong>der</strong> Form führte Hildebrand<br />

- ebenso wie Ferdinand Hodler - auf die Eindrücke<br />

zurück, die er während seiner Berner<br />

Kindheit von den kompakten Formen <strong>der</strong> Altstadt<br />

empfangen hatte 74 .<br />

2.4 Bern als Hauptstadt <strong>der</strong> Schweiz:<br />

Bundesrathaus und<br />

Stadterweiterung<br />

Joseph Simon Volmar betrachtete seine Erlachstatue<br />

als Teil einer geplanten Skulpturengalerie<br />

grosser <strong>Schweizer</strong>. Die Idee gehört in den Vorstellungskreis<br />

einer vaterländischen Ruhmeshalle.<br />

1841 konnte König Ludwig I. von Bayern<br />

nach elfjähriger Bauzeit die «Walhalla» einweihen,<br />

ein Nationaldenkmal in <strong>der</strong> Form eines<br />

griechischen Tempels. Architekt war Leo von<br />

Klenze, den germanischen Namen hatte schon<br />

1808 <strong>der</strong> Schaffhauser Historiker Johannes von<br />

Müller vorgedacht. 1843 schrieb <strong>der</strong> <strong>Schweizer</strong>ische<br />

Ingenieur- und Architektenverein auf Veranlassung<br />

des Winterthurer Geographen Jakob<br />

Melchior Ziegler einen Wettbewerb für ein<br />

«<strong>Schweizer</strong>isches Nationalmonument» aus. Des-

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