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INSA Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850 ... - DigiBern

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379 Bern<br />

nehmer war <strong>der</strong> Tessiner Strassenbauer Carlo<br />

Colombara, <strong>der</strong> 1813-1815 den monumentalen<br />

Ponte della Torretta bei Bellinzona errichtet<br />

hatte 55 . Der Bau war von einem Gerüsteinsturz<br />

überschattet (Abb. 44). In <strong>der</strong> Stadt wurde das<br />

Unglück als Strafe für das gottlose Freischarenregime<br />

empfunden, aber technisch gesehen stellte<br />

nicht die konventionelle Dreibogenkonstruktion<br />

Gatschets, son<strong>der</strong>n die Nydeggbrücke eine<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung dar. Der Ruhm, den sie <strong>der</strong><br />

Stadt mit ihren 46 Metern Spannweite sicherte,<br />

Wieb bis ins späte 19. Jahrhun<strong>der</strong>t unangefochten<br />

- nicht zuletzt deshalb, weil diese Art von<br />

steinerner Monumentalität schon zur Erbauungszeit<br />

nicht mehr zeitgemäss war. Finanziell<br />

zahlte sich das Unternehmen nicht aus. Nach <strong>der</strong><br />

Aufhebung des Brückenzolls durch den Bund<br />

wurde die Brücke 1853 vom Kanton übernommen.<br />

Als Innerschweizer hatte <strong>der</strong> Bauunternehmer<br />

Müller für die Nydeggbrücke hauptsächlich Granit<br />

verwendet. Der Gegensatz zwischen dem harten<br />

Findlingsmaterial und dem ortsüblichen weichen<br />

Sandstein charakterisiert die Beziehung des<br />

Brückenwerks zum Nydeggquartier, dessen Aufwertung<br />

es hätte dienen sollen: Das Burgstädtehen<br />

mit den dörfchenartig um die Nydeggkirc<br />

he geschalten Häusern wurde gleichsam versenkt<br />

und zur Alt-Stadt abgestempelt, die man<br />

jetzt vom hohen Brückenpodest aus betrachten<br />

konnte wie die Bären in ihrem Graben.<br />

D ie Bären selbst, spätestens seit dem 16. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

im Graben vor dem Käfigturm gehalten,<br />

waren den Stadtvätern in den Jahrzehnten vor<br />

dem Untergang des alten Bern lästig geworden 56 .<br />

1764 wurden die Tiere in einen weniger zentral<br />

gelegenen Graben vor dem inneren Aarbergertor<br />

Ver legt, nachdem man sich beinahe für ihre Abschaffung<br />

entschieden hatte. Das Problem erhielt<br />

eine unerwartete Lösung, als 1798 die französischen<br />

Besetzer die Bären im Triumph nach<br />

p aris entführten. Mit einem melancholischen<br />

Denkmal bezeugten die Berner, dass ihnen <strong>der</strong><br />

symbolische Wert ihres Wappentieres wie<strong>der</strong><br />

deutlicher geworden war: sie Hessen ein totgeborenes<br />

Bärlein, das die Invasoren im Graben zurückgelassen<br />

hatten, ausstopfen und machten<br />

a us ihm einen mit Schwert und Schild bewaffneten<br />

Totenwächter des untergegangenen Bern 57 .<br />

Zum Dank für seine Einbürgerung schenkte ein<br />

Waadtlän<strong>der</strong> Hauptmann <strong>der</strong> Stadt 1810 wie<strong>der</strong><br />

zwei lebende Bären. Ein weiterer Umzug bot die<br />

Gelegenheit, sie in ein architektonisches Ganzes<br />

e mzubeziehen. In dem 1825-1826 von J. Daniel<br />

Osterrieth neu gestalteten äusseren Aarberger<br />

T°r bildete <strong>der</strong> Schacht mit seinen tierischen<br />

Abb. 45 Bern. Bärengraben am östlichen Nydeggbrückenkopf.<br />

Angelegt 1856-1857 als Ersatz für den durch die Eisenbahnanlagen<br />

am Bollwerk verdrängten Graben in <strong>der</strong> westlichen<br />

Altstadt. Lithographie von Asselieau nach Zeichnung von<br />

Deroy, verlegt von Charnaux (Geneve), um 1860. Zentralbibliothek<br />

Zürich, Graph. Sammlung.<br />

:<br />

Abb. 46 Bern. Turnplatz im Graben <strong>der</strong> Kleinen Schanze,<br />

eingerichtet 1820 unter Anleitung von Phokion Heinrich Clias.<br />

Aquarell von Franz Nikiaus König, um 1820. Privatbesitz.<br />

Wächtern das Gegenstück zu den Torhauskuben<br />

mit ihren dorischen Tempelfronten 58 . Gleichzeitig<br />

erhielt <strong>der</strong> Bildhauer Franz Abart den Auftrag,<br />

für die Torpfosten des fünfzehn Jahre älteren<br />

Murtentores zwei Granitbären zu schaffen.<br />

Beim Abbruch dieser Barriere wurden sie 1881<br />

ans Aarbergertor versetzt, um schliesslich 1894<br />

vor dem Historischen Museum ihren endgültigen<br />

Standort zu finden 59 .<br />

Die lebenden Bären hatten ihr klassizistisches<br />

Heim schon früher verlassen, da dieses dem geplanten<br />

Bahnhof im Wege stand. 1856-1857 erbaute<br />

Werkmeister Friedrich Tschiffeli einen<br />

neuen, tonnenförmigen Graben am Ostufer <strong>der</strong><br />

Aare, auf dem Gelände des einstigen Klösterlifriedhofes<br />

bei <strong>der</strong> Nydeggbrücke - dort, wo nach<br />

<strong>der</strong> Überlieferung die Bärenjagd des Stadtgrün<strong>der</strong>s<br />

stattgefunden hatte (Abb. 45).<br />

Wie die zwei Schalen einer Waage verbinden

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