INSA Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850 ... - DigiBern
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373 Bern<br />
Abb. 34 Bern. «Gesamtansicht mit den mo<strong>der</strong>nen Vorstädten», «Fliegerbild» von Osten aus 3000 Meter Höhe von Walter Mittelholzer<br />
(Zürich), vor 1920. Aus: Joseph Gantner, Die <strong>Schweizer</strong> Stadt, München 1925, S. 88.<br />
neues und glänzen<strong>der</strong>es Leben. Der Übergang<br />
vom Holz zum dauerhafteren Stein konnte sich<br />
ebenfalls verhältnismässig schmerzlos vollziehen:<br />
ist die Eiche schon beinahe so hart wie<br />
St ein, so ist <strong>der</strong> Sandstein noch annähernd so<br />
weich wie Holz. Dieser Materialwechsel entspricht<br />
dem Übergang vom Mittelalter zum Bar<br />
°ck; die malerischen Motive, die jenes aus <strong>der</strong><br />
Natur gewonnen hat, werden im 17. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
zur bewussten künstlerischen Form 17 . Hans Wilhelm<br />
Auer stellte 1896 in einem Aufsatz über Die<br />
Gassen <strong>der</strong> Stadt Bern fest, dass in Bern die «Reflexe<br />
des mittelalterlichen Kulturlebens» - Ringmauern,<br />
Türme, enge Strassen, hochgiebelige<br />
Häuser und Erker - bis auf wenige Reste verschwunden<br />
seien 18 .<br />
«Und doch zeichnen sich unsere Strassen und Gebäude durch<br />
gewisse aus dem Mittelalter stammende Bauformen aus, die<br />
auch in den Neubauten immer wie<strong>der</strong> Aufnahme gefunden hae<br />
n und so prononciert hervortreten, dass sie dem Interieur<br />
er Stadt ein wirklich einzig dastehendes Gepräge geben".»<br />
Di e Form <strong>der</strong> Berner Altstadtgassen ist oft bewun<strong>der</strong>t<br />
worden. Für Gantner ist in ihnen die<br />
Bindung <strong>der</strong> Aare «gleichsam wie in Stein ...<br />
angefangen, mehr noch, in Musik gesetzt» 20 ;<br />
und Alfred Lichtwark, Direktor <strong>der</strong> Hamburger<br />
K unsthalle, schrieb 1907:<br />
«Die typische Berner Strasse lässt sich mit nichts vergleichen,<br />
das ich kenne. Sie ist unabsehbar lang, aber eine weiche, lang<br />
ausholende Biegung o<strong>der</strong> einer <strong>der</strong> alten Tortürme ... schliessen<br />
immer den Ausblick 21 .»<br />
Die gekrümmte Strasse gilt als Kennzeichen <strong>der</strong><br />
mittelalterlichen Stadt, aber die Breite und Länge<br />
<strong>der</strong> Berner Gassen ist von barocker Urbanität<br />
(Abb. 36). Eigentlich entzieht sich ihre flussähnliche<br />
Gestalt stilistischer Unterordnung, weil sie<br />
«naturunmittelbar» ist. Sie ist deshalb auch Urbild<br />
<strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Strasse mit ihrem Verkehrsfluss.<br />
So wie dieser die Strasse in eine Wildnis<br />
zurückverwandelt, kann die Berner Gasse plötzlich<br />
Züge eines ausserhalb <strong>der</strong> Stadt liegenden<br />
Naturraums annehmen, in dem sich nur Betrunkene,<br />
Studenten und Kin<strong>der</strong> herumtreiben 22 . Die<br />
eigentlichen Strassen sind die den Gassenfluss<br />
säumenden Lauben, gleichsam in den Fels gehauene<br />
Höhlengänge:<br />
«Mit ihren waagrecht vorstehenden Dächern und ihrem vortretenden<br />
Fuss erinnern die Häuser an Ritter im Harnisch, zugleich<br />
aber haben sie etwas bäuerlich Behäbiges... (Für Bern)<br />
ist die Vereinigung des Ritterlichen und Bäuerlichen... charakteristisch<br />
23 .»<br />
Mit <strong>der</strong> Bildregie stellt Gantner in seinem Buch<br />
Die <strong>Schweizer</strong> Stadt seine Annäherung an Bern<br />
als die eines Fliegers dar, <strong>der</strong> die Kramgasse als<br />
Landepiste benutzt, um nach <strong>der</strong> Erkundung aus