INTERVIEWProfessor Klaus Peter Rippe zur Ethik <strong>im</strong> <strong>Detailhandel</strong>Warum Detaillisten sich mitWirtschaftsethik befassen solltenKonsumenten orientieren sich in ihrer Lebensführung zunehmend an Werten wie Nachhaltigkeit, Ökologie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong>achten bei der Wahl ihrer Einkaufsorte auf eine möglichst umweltorientierte Geschäftsführung. Darauf reagieren <strong>im</strong>mer mehrDetailhändler mit «guten Taten» <strong>und</strong> suchen ihr Profil zu schärfen <strong>und</strong> entsprechend zu kommunizieren.UP: Der Detailhändler bewegt sich ineinem oft ziemlich unz<strong>im</strong>perlichen wirtschaftlichenUmfeld. Warum sollte er sichneben Umsatz- <strong>und</strong> Margensorgen auchnoch mit Wirtschaftsethik befassen.KLAUS PETER RIPPE: Es gibt zwei guteGründe. Gerade Detailhändler sollten aufihren persönlichen Ruf achten, denn dieserhat direkte Auswirkungen auf die K<strong>und</strong>en,Zulieferer aber auch auf die Art, wie mansich in der allgemeinen Öffentlichkeitbewegt. Zudem geht es stets darum, sichselbst <strong>und</strong> den eigenen Kindern ins Augesehen zu können. Wenn ich an meinenVater denke, ein ganz, ganz kleiner Fisch<strong>im</strong> Teich des Handels, so muss ich feststellen,dass ihn die Umsatzsorgen sicherlichum den Schlaf gebracht haben. Aber aufrechtgehalten hat ihn <strong>im</strong>mer das Gefühl,korrekt <strong>und</strong> integer zu handeln. Er hätte essicherlich nicht anders gewollt, denn dannhätte er noch schlechter geschlafen, <strong>und</strong> erhätte nicht einmal darüber reden können.«Es ist die langfristigklügere Strategie,ehrlich zu sein.»Der Ehrliche sei oft der Dumme,behauptet der Volksm<strong>und</strong> r<strong>und</strong> heraus.Ist Ethik für den wirtschaftlichen Erfolgalso eher hemmend?Das Sprichwort sagt nur, dass der Ehrlicheoft der Dumme ist. Diese Einschränkungdrückt gerade die Weisheit dieses Sprichwortsaus. Meistens ist der Ehrliche ebennicht der Dumme, sondern der Kluge.Alles andere wäre auch verw<strong>und</strong>erlich,denn es ist die langfristig klügere Strategie,ehrlich zu sein.Wenn wirtschaftliche Fehlleistungenoder Verfehlungen in der öffentlichenDiskussion stehen, folgt meistens postwendendder Ruf nach mehr Ethik <strong>und</strong>Moral. Dabei werden diese Begriffe oftrecht willkürlich gewählt. Wo liegen dieUnterschiede?In der Fachdiskussion bezeichnet Moraldasjenige, was wir unreflektiert für dasRichtige <strong>und</strong> das Falsche halten. Ethik istdie wissenschaftliche Auseinandersetzungmit dem, was wirklich das Richtige <strong>und</strong>was das Falsche ist. Demnach gibt es nurunmoralisches Tun, jedoch kein unethisches.«Unethisch» gibt es genauso wenigwie «unphysikalisch».Neben der rechtlichen gibt es auch einemoralische <strong>Verantwortung</strong>. Wie definiertder Ethiker Rippe die <strong>Verantwortung</strong>des Detailhändlers?<strong>Verantwortung</strong> heisst generell für deneinem selbst anvertrauten Bereich in einerWeise Sorge zu tragen, dass man sich vorjedermann rechtfertigen kann. Insbesonderegeht es darum, rechtzeitig Missständezu erkennen <strong>und</strong> zu beheben – betriebswirtschaftlichewie genuin moralische.Missstände liegen dann vor, wenn die spezifischenVerpflichtungen gegenüber deneinzelnen Stakeholdern nicht eingehaltenwerden.«Bisher ist mir noch kein Detailhändler begegnet, der kein ethisches Bewusstsein hätte», sagtEthikprofessor Klaus Peter Rippe (rechts) <strong>im</strong> Gespräch mit SIU-Redaktor Thomas <strong>Tobler</strong>.Darf der Detaillist sich dabei auchGrenzen abstecken?Er kann sich sicherlich nicht aussuchen,welche Verpflichtungen er einhält oder4 UP 01/2008
«Je mehr jemand von Ethik <strong>und</strong> Moral spricht, desto vorsichtiger sind wir in der Regel», sagt Klaus Peter Rippe <strong>im</strong> UP-Gespräch.Er leuchtet kritisch hinter Begriffe <strong>und</strong> Schutzbehauptungen <strong>und</strong> erklärt, was integre Kaufleute auszeichnet.nicht. Alle sind einzuhalten. Wenn es aberdarum geht, Gutes zu tun, ergeben sich wievon selbst Grenzen. Denn Verpflichtungen«Wenn es darum geht,Gutes zu tun, ergebensich wie von selbstGrenzen.»gegenüber den Eigentümern schränkenein, wie weit man Gutes für K<strong>und</strong>en t<strong>und</strong>arf, <strong>und</strong> ungekehrt begrenzen Verpflichtungengegenüber K<strong>und</strong>en die Pflicht, dieGewinne der Eigentümer zu mehren.Diese Grenzen einzuhalten ist letztlich das,was den integren Kaufmann <strong>und</strong> dieintegre Kauffrau auszeichnet.Der K<strong>und</strong>e schenkt jenem Geschäft<strong>Vertrauen</strong>, das ihm langfristig glaubwürdigerscheint. Wann ist ein Detailhändlerin Ihren Augen glaubwürdig?Glaubwürdigkeit messen wir nicht nachWorten <strong>und</strong> Versprechen, sondern nachTaten. Je mehr jemand von Ethik <strong>und</strong>Moral spricht, desto vorsichtiger sind wirin der Regel. Und auch bei den Taten gehtes nicht einfach darum, Gutes zu tun <strong>und</strong>davon zu sprechen. Das Ziel muss sein,dass andere darüber sprechen.Kaum ein Firmenleitbild mag auf einmehr oder minder gut geratenes Ethik-Postulat verzichten. Taugt Ethik alsMarketing-Instrument?Es gibt eine Marktnische des ethischenKonsumierens. Diese kann man durchEthik-Marketing besetzen. Die grosse Zahlder K<strong>und</strong>en bindet man langfristig abernur, wenn man Moral <strong>und</strong> Marketingstrikt trennt. Taten sollen sprechen, nichtdie Marketing-Experten……wie kann sich der Detailhändler denneine ethische Bewusstheit zu Eigenmachen?Bisher ist mir noch kein Detailhändlerbegegnet, der kein ethisches Bewusstseinhätte. Allerdings haben nicht alleDetailhändler auch wirklich den Mut, dazuzu stehen. Je mehr sich dazu bekennen,desto schwerer werden es jene haben, dienicht auf ihr ethisches Bewusstsein hörenwollen.www.ethikdiskurs.chKurzporträtPD Dr. Klaus Peter Rippe ist Privatdozentfür praktische Philosophie an derUniversität Zürich <strong>und</strong> hat unter anderempermanente Lehraufträge an derFachhochschule Nordwestschweiz (Wirtschaftsethik)<strong>und</strong> den veterinärmedizinischenFakultäten Bern <strong>und</strong> Zürich (Tierethik).2006 hat er die Schulleitung des«Instituts für Philosophie <strong>und</strong> Ethik –Fritz Allemann Stiftung» übernommen<strong>und</strong> n<strong>im</strong>mt derzeit eine Vertretungsprofessuran der Pädagogischen HochschuleKarlsruhe wahr. Rippe ist Präsident derEidgenössischen Ethikkommission fürBiotechnologie <strong>im</strong> ausserhumanen Bereich(EKAH) <strong>und</strong> Geschäftsführer des privatenEthik-Instituts «Ethik <strong>im</strong> Diskurs» inZürich.UP 01/2008 5