PDF (6,00 MB) - Krebs und Kiefer, Beratende Ingenieure für das ...
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1. Allgemeines<br />
Zahlreiche sportliche Großveranstaltungen im In- <strong>und</strong> Ausland haben in den<br />
letzten Jahren zu einer wahren Renaissance bei der Planung <strong>und</strong> beim Bau<br />
von Sportstadien geführt. Dabei sind die zeitgemäßen Anforderungen von<br />
Sportverbänden, Nutzern, Betreibern <strong>und</strong> Medien sowie <strong>das</strong> vorhandene Um-<br />
feld wesentliche Einflussparameter <strong>für</strong> die Planung dieser Sportstätten. Als<br />
wichtigste Elemente aktueller Stadionkonstruktionen treten die Tribünen- <strong>und</strong><br />
Dachkonstruktionen hervor, die durch ihre Geometrie <strong>und</strong> Konstruktion häufig<br />
eine identitätsprägende Wirkung <strong>für</strong> <strong>das</strong> jeweilige Stadion besitzen.<br />
Diese beiden genannten Hauptkonstruktionselemente sind in aller Regel nicht<br />
unabhängig voneinander. Form <strong>und</strong> Tragsystem des Daches stellen an die<br />
Tribünenkonstruktion statische <strong>und</strong> geometrische Anforderungen, die bei Ent-<br />
wurf <strong>und</strong> Konstruktion der Tribünen berücksichtigt werden müssen. Umgekehrt<br />
werden durch vorhandene – evtl. unter Denkmalschutz stehende – Tribünen-<br />
konstruktionen Randbedingungen <strong>für</strong> die Tribünenüberdachung festgelegt, die<br />
ganz wesentlichen Einfluss auf die Wahl der Dachkonstruktion <strong>und</strong> den damit<br />
einhergehenden Dachlastabtrag besitzen.<br />
Nachfolgend werden aktuelle Tribünen- <strong>und</strong> Dachkonstruktionen anhand von<br />
mehreren Projekten, die in unserem Büro geplant wurden, beispielhaft darge-<br />
stellt.<br />
2. Tribünenkonstruktionen<br />
Entwurf, statische Berechnung <strong>und</strong> konstruktive Durchbildung von Tribünen-<br />
konstruktionen beinhalten zahlreiche Besonderheiten, die nutzungs- <strong>und</strong> bau-<br />
werksbedingt von allgemein üblichen Konstruktionen des Hoch- <strong>und</strong> Ingeni-<br />
eurbaues abweichen. Auf alle diese Punkte einzugehen, würde zweifellos den<br />
Rahmen des vorliegenden Vortrages sprengen.<br />
Daher werden im folgenden drei Schwerpunktthemen behandelt, die erhebli-<br />
chen Einfluss auf die konstruktive Gestaltung von Tribünenbauwerken haben.<br />
R:\vortrag-leipzig_1.doc Stand: 19.11.03 / Seite 1/21
Diese sind:<br />
1. - Tribünenaussteifungen<br />
2. - Fugenführung <strong>und</strong> Zwang<br />
3. - Dachlastabtrag<br />
Diese Themen werden anhand von Stadionprojekten im In- <strong>und</strong> Ausland er-<br />
läutert, die von <strong>Krebs</strong> <strong>und</strong> <strong>Kiefer</strong> bearbeitet wurden bzw. werden:<br />
1. Olympiastadion Berlin (Abbildung 1a)<br />
2. Waldstadion Frankfurt am Main (Abbildung 1b)<br />
3. Al-Sadd Sports Club Doha, Qatar (Abbildung 2d)<br />
2.1 Tribünenaussteifungen<br />
Beim Entwurf von Tribünenaussteifungssystemen ist zu beachten, <strong>das</strong>s neben<br />
den Horizontallasten aus Wind, Stabilisierung <strong>und</strong> ggf. Erddruck weitere nut-<br />
zungsbedingte horizontale Verkehrslasten (p/20) in Höhe des Tribünenfußbo-<br />
dens anzusetzen sind. Je nach Tribünengröße, Höhe der Gesamtkonstruktion<br />
sowie Geländeverlauf sind folgende Konstruktionen in Stahlbetonbauweise<br />
üblich:<br />
2.1.1 Eingespannte Stützensysteme<br />
Die Stützen sind als Kragsysteme im F<strong>und</strong>ament eingespannt <strong>und</strong> tragen die<br />
anteiligen Vertikal- <strong>und</strong> Horizontallasten der darüber liegenden Tribünenkon-<br />
struktion (Zahnbalken, Winkelstufen) ab. Diese Konstruktionen eignen sich<br />
z. B. bei geneigtem Geländeverlauf in Anlehnung an die Tribünenneigung,<br />
sofern sich keine allzu großen Stützenhöhen ergeben. Sie werden als relativ<br />
weiche Systeme häufig im Bereich von niedrigen, nicht unterbauten Tribünen<br />
vorgesehen <strong>und</strong> als Fertigteile ausgeführt (Unterring in Berlin).<br />
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2.1.2 Rahmenkonstruktionen<br />
Radiale Rahmensysteme werden i. d. R. umlaufend in gleichen tangentialen<br />
Abständen angeordnet. Sie werden aus Stützen, waagerechten<br />
(Decken-)Balken sowie den schrägen Zahnbalken zusammengesetzt. In<br />
Tangentialrichtung werden sie meistens durch Deckenscheiben zusammen-<br />
gefasst <strong>und</strong> durch Längsriegel zwischen den Stützen stabilisiert. Durch<br />
Radialfugen entstehen ca. 20 bis 40 m breite Fugenabschnitte, die als Aus-<br />
steifungsabschnitte jeweils einzeln betrachtet werden müssen. Im Gegensatz<br />
zu den vorgenannten eingespannten Stützensystemen eignen sich Rahmen-<br />
konstruktionen auch zum Abtrag horizontaler <strong>und</strong> vertikaler Dachlasten. Hin-<br />
sichtlich der Nutzung der Zwischendecken unterhalb der Tribüne bieten diese<br />
Konstruktionen eine hohe Flexibilität.<br />
Diese meist hoch beanspruchten Stabwerkskonstruktionen werden infolge der<br />
meist hohen Eckbewehrungen als Ortbetonbauwerke ausgeführt (Winkelstu-<br />
fen als Fertigteile).<br />
Das Olympiastadion in Berlin (Oberring) sowie <strong>das</strong> Al-Sadd Stadion Qatar<br />
weisen derartige Rahmenkonstruktionen als Haupttragelemente der Tribünen<br />
auf. (Abbildung 1f)<br />
2.1.3 Scheibenartige Aussteifungssysteme<br />
Bei mehrgeschossigen Tribünenkonstruktionen mit rechteckigen oder<br />
schwach gekrümmten Gr<strong>und</strong>rissabschnitten lassen sich zwischen den Haupt-<br />
fugen (meistens in den vier Gr<strong>und</strong>rissecken) mit Hilfe monolithischer, fugenlo-<br />
ser Deckenscheiben <strong>und</strong> vertikaler Wandscheiben <strong>und</strong> Kerne sehr großflächi-<br />
ge <strong>und</strong> leistungsfähige Aussteifungsabschnitte herstellen. Diese Konstruktio-<br />
nen eignen sich auch sehr gut zur Abtragung von Dachlasten <strong>und</strong> bieten eine<br />
hohe Flexibilität hinsichtlich der Gr<strong>und</strong>rissnutzung. Die gesamte darüber lie-<br />
gende Tribünenebene (Zahnbalken, Winkelstufen) kann kostengünstig in Fer-<br />
tigteilen ausgeführt werden.<br />
R:\vortrag-leipzig_1.doc Stand: 19.11.03 / Seite 3/21
Die hier geschilderten Aussteifungssysteme stellen sehr robuste Konstruktio-<br />
nen dar, die auch bei Erdbebenbelastungen gut geeignet sind. Beim Waldsta-<br />
dion in Frankfurt kommt diese Konstruktionsweise zum Einsatz.<br />
Weitere Aussteifungssysteme, insbesondere bei einer Ausführung der Tribü-<br />
nen in Stahlbauweise, sind bei zahlreichen Stadien anzutreffen. Sie richten<br />
sich dann meistens nach den besonderen geometrischen <strong>und</strong> architektoni-<br />
schen Randbedingungen im jeweiligen Einzelfall.<br />
2.2 Fugenanordnung, Zwang<br />
Tribünenkonstruktionen sind großflächige Bauteile, bei denen in Abhängigkeit<br />
von der gr<strong>und</strong>sätzlichen Konstruktionsweise (siehe Abschnitt 2.1) <strong>und</strong> der<br />
Gr<strong>und</strong>rissgeometrie zur Vermeidung übermäßiger Zwangsbeanspruchungen<br />
Fugen angeordnet werden.<br />
Ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Festlegung des Fugenverlaufes innerhalb<br />
von Tribünen ist auch die Kompatibilität mit der Dachkonstruktion <strong>und</strong> den aus<br />
dem Dach abzuleitenden Vertikal- <strong>und</strong> Horizontallasten.<br />
Jede Fuge ist bekanntlich eine Schwachstelle hinsichtlich Dauerhaftigkeit <strong>und</strong><br />
Unterhaltungsaufwand. Die Anzahl <strong>und</strong> Länge der Fugen ist daher gr<strong>und</strong>sätz-<br />
lich zu minimieren, ohne <strong>das</strong>s dadurch jedoch unbeherrschbare Zwangskräfte<br />
in der Konstruktion entstehen.<br />
Bei einer reinen Fertigteilausführung gemäß Abschnitt 2.1.1 sind keine<br />
Fugenausbildungen erforderlich, da die Winkelstufen i. d. R. auf einer elasti-<br />
schen Unterlage aufliegen <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> ihrer geringen Abmessungen ausrei-<br />
chende Bewegungsfreiheit vorhanden ist. Zwangskräfte können sich nicht<br />
aufbauen.<br />
Die Rahmenbauweise nach Abschnitt 2.1.2 weist – insbesondere bei älteren<br />
Tribünenkonstruktionen – eine Vielzahl von Fugen auf, wie <strong>das</strong> beim Berliner<br />
Olympiastadion sowie dem Stadion in Qatar der Fall ist (Abbildung 1c).<br />
Schadhafte Fugendichtungen verursachen durch eindringendes Wasser im<br />
Laufe der Zeit große Schäden an der Betonkonstruktion. Bei Konsolausbil-<br />
R:\vortrag-leipzig_1.doc Stand: 19.11.03 / Seite 4/21
dungen im Fugenbereich stellt eine unzureichende Bewegungsmöglichkeit<br />
zwischen den Dehnungsabschnitten (z. B. Verzahnungen in der Auflagerflä-<br />
che) ebenfalls ein hohes Schädigungspotential dar. Beide genannten Ursa-<br />
chen haben in den zahlreichen Fugenbereichen des Olympiastadions Berlin<br />
zu gravierenden Schäden geführt, die nur mit sehr hohem Aufwand zu behe-<br />
ben waren (Abbildung 1d)<br />
Bei den Aussteifungssystemen nach 2.1.3 werden die Dehnungsfugen<br />
meistens sehr weit auseinander liegen, bei annähernd rechteckigem Stadion-<br />
gr<strong>und</strong>riss werden diese in den vier Eckbereichen angeordnet (Waldstadion<br />
Frankfurt). Für die dadurch entstehenden sehr großen Aussteifungseinheiten<br />
müssen die auftretenden Zwangsbeanspruchungen in den Deckenscheiben<br />
sowie ggf. in den Wänden <strong>und</strong> Kernen nach den heute üblichen <strong>und</strong> bewähr-<br />
ten Regeln <strong>für</strong> die Zwangbemessung von Stahlbetonbauteilen mit ent-<br />
sprechender rissverteilender Mindestbewehrung ausgelegt werden. Dieses ist<br />
heute auch mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand machbar; die Zahl der<br />
Fugen – <strong>und</strong> somit auch der Erhaltungsaufwand – wird hierdurch minimiert.<br />
Bei r<strong>und</strong>en Gr<strong>und</strong>rissformen der Tribünen ergeben sich bei einer entspre-<br />
chenden Anordnung der Aussteifungselemente günstige Voraussetzungen <strong>für</strong><br />
zwangsarme Verformungen der Gesamtkonstruktion aufgr<strong>und</strong> von Tempera-<br />
turbeanspruchungen. Eine fugenlose Ausführung der kreisringförmigen<br />
Deckenebenen bietet gute Möglichkeiten <strong>für</strong> den wirtschaftlichen Lastabtrag<br />
bzw. Kurzschluss der Vorspannkräfte einer rotationssymmetrischen Seilkon-<br />
struktion des Daches.<br />
2.3 Lastabtrag der Dachlasten<br />
Sofern die anfallenden Lasten der Dachkonstruktion innerhalb des Tribünen-<br />
bauwerkes bis zum Baugr<strong>und</strong> weiter zu leiten sind, stellt dieses besondere<br />
Anforderungen an <strong>das</strong> Tribünentragwerk. Durch die äußeren Windlasten so-<br />
wie auch durch Temperatur- <strong>und</strong> Vorspannkräfte im Dach fallen erhebliche<br />
Horizontalkräfte an, die durch entsprechende Aussteifungskonstruktionen<br />
aufzunehmen sind.<br />
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Falls Dach <strong>und</strong> Tribünen verhältnismäßig geringe Abmessungen aufweisen,<br />
ist eine Lastaufnahme <strong>und</strong> –weiterleitung durch Stahlbetonrahmensysteme<br />
unterhalb der Dachauflager möglich <strong>und</strong> wirtschaftlich. Dieses Konstruktions-<br />
prinzip wurde beim Stadion in Qatar angewandt.<br />
Scheibenartige Aussteifungssysteme nach 2.1.3 können die Dachlasten<br />
leichter Seilkonstruktionen problemlos aufnehmen <strong>und</strong> weiterleiten. Der Kraft-<br />
fluss von den Verankerungspunkten des Daches zu den Aussteifungsele-<br />
menten der Tribünen muss gewährleistet <strong>und</strong> konstruktiv sorgfältig ausgebil-<br />
det werden. Dieser Lastabtrag wurde <strong>für</strong> <strong>das</strong> Frankfurter Waldstadion gewählt<br />
<strong>und</strong> umgesetzt.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der denkmalgeschützten vorhandenen Oberringkonstruktion sowie<br />
architektonischer Vorgaben <strong>für</strong> die Dachkonstruktion gestaltet sich der Dach-<br />
lastabtrag innerhalb der bestehenden Oberringkonstruktion beim Berliner<br />
Olympiastadion erheblich komplizierter. Hinzu kommt eine kleinteilige Fugen-<br />
einteilung des Bestandes sowie sehr hohe Punktlasten durch große Dachab-<br />
messungen.<br />
Eine Lastaufnahme <strong>und</strong> –ableitung durch die vorhandenen Stahlbetonrahmen<br />
des Oberringes schied aufgr<strong>und</strong> unzureichender Tragreserven – auch mit Er-<br />
tüchtigungsmaßnahmen – des Bestandes aus. Es wurde daher eine neue un-<br />
abhängige Lastableitungskonstruktion in Stahlbeton- bzw. Stahlbauweise in<br />
den Oberring integriert. Aufgr<strong>und</strong> der verhältnismäßig hohen Horizontal- <strong>und</strong><br />
Vertikallasten (max v = ca. 12 MN unter den Baumstützen in Achse D) sowie<br />
eines erforderlichen Transfers der Horizontallasten von den Außenstützen auf<br />
der Attika in den Innenbereich des Oberringes wurde eine komplexe räumliche<br />
Tragstruktur als Kombination von Balken-, Scheiben- <strong>und</strong> Rahmensystemen<br />
ausgeführt, die eine ausreichende Steifigkeit aufwies, um mit dem Verfor-<br />
mungsverhalten des Bestandes verträglich zu sein. (Abbildung 1e)<br />
R:\vortrag-leipzig_1.doc Stand: 19.11.03 / Seite 6/21
Diese Konstruktion wurde auch deswegen ausgewählt <strong>und</strong> von der Denkmal-<br />
schutzbehörde genehmigt, weil sie eine bestmögliche Anpassung an die Ge-<br />
ometrie des Bestandes erlaubt <strong>und</strong> einen sichtbaren Eingriff in die denkmal-<br />
geschützte Bausubstanz des Oberringes minimiert.<br />
Somit konnte ein außergewöhnlich großes <strong>und</strong> elegantes neues Tribünendach<br />
(ca. 42.<strong>00</strong>0 m² Gesamtfläche) denkmalverträglich in den neu gestalteten mo-<br />
dernisierten Oberring des Olympiastadions integriert werden.<br />
2.4 Weitere Konstruktionselemente<br />
Neben den hier erläuterten drei Schwerpunktthemen gibt es noch zahlreiche<br />
weitere Sonderkonstruktionen bei Tribünen, z. B.<br />
- Vertikalabfangungen großer Tribünenbereiche (z. B. bei ausfahrbarem<br />
Spielfeld)<br />
- Fertigteil-Systeme <strong>für</strong> Zahnbalken <strong>und</strong> Winkelstufen<br />
- Personeninduzierte Schwingungen von Tribünenbauteilen<br />
- Dauerhaftigkeit u. ä.<br />
auf die jeweils in gesonderten Vorträgen eingegangen werden müsste.<br />
Es zeigt sich, <strong>das</strong>s bei Entwurf <strong>und</strong> Planung moderner Tribünenbauwerke<br />
zahlreiche Sonderkonstruktionen auftreten, die auf der Gr<strong>und</strong>lage eigenen<br />
Know-Hows <strong>und</strong> vorhandener Erfahrung immer wieder mit kreativem Ingeni-<br />
eurwissen an neue Aufgabenstellungen angepasst werden müssen.<br />
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Abb. 1a: Olympiastadion Berlin, Querschnitt Ehrentribüne<br />
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Abb. 1b: Waldstadion Frankfurt, Tribünenquerschnitt<br />
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Abb. 1c: Olympiastadion Berlin, Fugeneinteilung<br />
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Abb.1d: Olympiastadion Berlin, Bauwerksfuge mit schadhafter Konsole<br />
R:\vortrag-leipzig_1.doc Stand: 19.11.03 / Seite 11/21
Abb.1e: Olympiastadion Berlin, Sonderkonstruktion <strong>für</strong> den Dachlastabtrag<br />
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Abb.1f: Olympiastadion Berlin, Rahmenkonstruktion des Oberrings<br />
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3. Dachtragwerke<br />
3.1 Einführung<br />
Der Entwurf einer Stadionüberdachung ist durch unterschiedliche gestalteri-<br />
sche <strong>und</strong> funktionale Anforderungen geprägt. Die Größe des Stadions, die<br />
Gr<strong>und</strong>rissform <strong>und</strong> der Umfang zu überdachender Tribünen- <strong>und</strong> Innenberei-<br />
che liefern wesentliche Rahmenbedingungen <strong>für</strong> die Planung. Darüber hinaus<br />
sind Breite, Höhe <strong>und</strong> Neigung der Tribünen weitere Randbedingungen <strong>für</strong> die<br />
Wahl der Dachgeometrie. Aus der Forderung nach weitest gehender Stützen-<br />
freiheit im Innenraum des Stadions resultieren im allgemeinen große Spann-<br />
weiten <strong>für</strong> die Tragkonstruktion.<br />
Häufig werden Dachtragwerke nachträglich bei bestehenden Stadien unter<br />
laufendem Spielbetrieb errichtet. Die Bedingungen <strong>für</strong> den Bauablauf sowie<br />
die geeignete Einbeziehung des vorhandenen Unterbaus bei der Planung der<br />
Lastabtragskonstruktionen sind dabei von besonderer Bedeutung. Wesentli-<br />
che Entwurfskriterien <strong>für</strong> die Wahl der Tragkonstruktion sind u. a.:<br />
• Ein ausreichender Witterungsschutz <strong>und</strong> damit ein genügender Dachüber-<br />
stand, sofern nicht die gesamte Dachfläche geschlossen wird.<br />
• Freie Sichtbeziehungen zum Spielfeld <strong>und</strong> den übrigen Tribünenplätzen<br />
<strong>und</strong> damit Minimierung der Sichtbehinderung durch Elemente der Tragkon-<br />
struktion.<br />
• Gute Lichtverhältnisse auf den Tribünen <strong>und</strong> im Stadioninneren.<br />
Diese sind bestimmend <strong>für</strong> die Wahl von transparenten, transluzenten oder<br />
opaken Dacheindeckungen. Die Art der Eindeckung wirkt sich wiederum auf<br />
die Eigengewichtslasten <strong>und</strong> die Gestaltung der Unterkonstruktionen aus.<br />
• Bedingungen <strong>für</strong> die Dachmontage, wie z. B. der Zugang zum Stadionin-<br />
nenraum mit schwerem Hebezeug, verfügbare Montagezeiträume, vorhan-<br />
dene Vorleistungen <strong>und</strong> <strong>das</strong> Zusammenspiel unterschiedlicher Gewerke.<br />
Als Tragwerksformen kommen neben unterschiedlichen Varianten von Spei-<br />
chenrädern mit Stahlseilen auch verschiedene Formen von Stahltragwerken<br />
R:\vortrag-leipzig_1.doc Stand: 19.11.03 / Seite 14/21
mit Fachwerk- oder Vollwandkonstruktionen, ggf. ergänzt durch Tragelemente<br />
aus Seilen, zur Ausführung. Im folgenden wird hierzu über zwei aktuelle Pro-<br />
jekte der Ingenieurgesellschaft <strong>Krebs</strong> <strong>und</strong> <strong>Kiefer</strong> berichtet, die sich derzeit in<br />
der Herstellungsphase befinden.<br />
3.2 Olympiastadion Berlin<br />
Zur Zeit wird <strong>das</strong> Berliner Olympiastadion unter strengen Auflagen des Denk-<br />
malschutzes umfassend modernisiert <strong>und</strong> instandgesetzt. Dabei ist der Neu-<br />
bau der Tribünenüberdachung ein Teil der umfangreichen Baumaßnahmen,<br />
die planmäßig im Dezember 2<strong>00</strong>4 abzuschließen sind.<br />
Eine wesentliche Anforderung an den Entwurf war die Vollüberdachung aller<br />
Tribünenplätze. Das Dach sollte jedoch nicht über die Außenkante des Stadi-<br />
ons hinausragen <strong>und</strong> von außen möglichst wenig in Erscheinung treten. Um<br />
den laufenden Spielbetrieb nicht zu beeinträchtigen, sollte <strong>das</strong> Dach ab-<br />
schnittsweise errichtet werden können. Darüber hinaus war die freie Sicht<br />
durch <strong>das</strong> historische Marathontor zum Glockenturm zu gewährleisten.<br />
Zur Erfüllung dieser Anforderungen wurde ein umlaufendes, in seiner Gestal-<br />
tung gleichbleibendes Tribünendach entworfen, <strong>das</strong> im Bereich des Mara-<br />
thontores unterbrochen ist. Diese Unterbrechung sowie die Möglichkeit einer<br />
abschnittsweisen Herstellung waren ausschlaggebend <strong>für</strong> den Entwurf des<br />
Dachtragwerkes als leichte Kragarmkonstruktion in Stahlbauweise. Die Ge-<br />
samtlänge der Stahlkonstruktion, welche die Tiefe des ovalen Daches be-<br />
stimmt, beträgt umlaufend ca. 68 m (Abb. 2a).<br />
Seine optische <strong>und</strong> materielle Leichtigkeit erhält <strong>das</strong> Dach in erster Linie durch<br />
die Verwendung einer leichten Membrankonstruktion als obere <strong>und</strong> untere<br />
Dachhaut, die zugleich <strong>für</strong> gute Lichtverhältnisse auf den Tribünenplätzen<br />
sorgt. Die dazwischenliegende Stahlrohrfachwerkkonstruktion bleibt als<br />
Haupttragstruktur aufgr<strong>und</strong> der Transluzenz der Membran erkennbar. Im inne-<br />
ren Dachrandbereich wird der sich verjüngende Kragarm mit einer Glaseinde-<br />
ckung versehen, so <strong>das</strong>s die Stahlkonstruktion der Kragarmspitze sichtbar<br />
R:\vortrag-leipzig_1.doc Stand: 19.11.03 / Seite 15/21
leibt. Am äußeren Rand erhält <strong>das</strong> Dach über dem Attikabereich einen um-<br />
laufenden Stahlbetonring, der mit einer Metallverkleidung versehen wird.<br />
Abb. 2a: Modell vom Olympiastadion, Perspektive aus Westen<br />
Außenstützen<br />
Dreigurtbinder<br />
Randunterzug<br />
Radialbinder<br />
Zweigurtbinder<br />
Baumstütze<br />
Tangentialsystem<br />
Abb. 2b: Haupttragglieder der Tribünenüberdachung (Ausschnitt aus dem Stukturmodell)<br />
R:\vortrag-leipzig_1.doc Stand: 19.11.03 / Seite 16/21
Die Tragkonstruktion besteht im wesentlichen aus 76 radial zum Stadion-<br />
gr<strong>und</strong>riss ausgerichteten Fachwerkbindern, die durch tangential verlaufende<br />
Unterstützungsträger <strong>für</strong> die Membranstruktur <strong>und</strong> Glaseindeckung, einen<br />
tangential über den Baumstützen verlaufenden Dreigurtbinder sowie einen im<br />
Bereich des Dachinnenrandes liegenden Zweigurtbinder verb<strong>und</strong>en sind. Die<br />
Stabilisierung der Dachebene erfolgt durch vier radial ausgerichtete, alternie-<br />
rend zwischen der Ober- <strong>und</strong> Untergurtebene verlaufende Aussteifungsver-<br />
bände. Getragen wird <strong>das</strong> Dach durch 20 Baumstützen mit einem Achsab-<br />
stand von 32 – 40 m sowie 132 Außenstützen, die jeweils in den Achsen der<br />
äußeren Muschelkalkpfeiler der Tribünen angeordnet sind (Abb. 2b).<br />
Innerhalb des zwischen oberer <strong>und</strong> unterer Membran liegenden Dachraumes<br />
sind umfangreiche technische Ausstattungen <strong>für</strong> Beleuchtung, Beschallung,<br />
Anzeigentechnik etc. untergebracht, die aufgr<strong>und</strong> der Transluzenz der Dach-<br />
haut nur schemenhaft wahrgenommen wird.<br />
Abb. 2c: Montage des Stahltragwerks − Oben: Vor- <strong>und</strong> Hubmontage der Dachsegmente. Unten:<br />
Herstellung der Montageverbindungen.<br />
R:\vortrag-leipzig_1.doc Stand: 19.11.03 / Seite 17/21
Die Montage des Stahltragwerks wurde im Juni 2<strong>00</strong>2 an der Nordseite des<br />
Stadions begonnen <strong>und</strong> wird zur Zeit umlaufend bis hin zum Marathontor fort-<br />
gesetzt. Auf Vormontageplätzen werden die Radialbinder, in Längsrichtung in<br />
zwei Abschnitte unterteilt, paarweise inklusive des dazwischenliegenden <strong>und</strong><br />
z. T. auch des angrenzenden Tangentialsystems vormontiert. Die Hubmonta-<br />
ge erfolgt mit mobilen Raupenkränen von der Außenseite des Stadions. Die<br />
Segmente werden mit dem Randunterzug verschraubt <strong>und</strong> durch Montage-<br />
schweißnähte <strong>und</strong> Schraubenanschlüsse miteinander verb<strong>und</strong>en (Abb. 2c).<br />
Für die Herstellung der Tribünenüberdachung werden ca. 3.5<strong>00</strong> t Profil-,<br />
Schmiede- <strong>und</strong> Gussstahl, 55.<strong>00</strong>0 m² PTFE-beschichtete Glasfasermembra-<br />
ne, 6.<strong>00</strong>0 m² punktgelagerte Überkopfverglasung <strong>und</strong> 6.<strong>00</strong>0 m³ Beton benö-<br />
tigt. Die Dachfläche über den 76.<strong>00</strong>0 Sitzplätzen des Stadions beträgt ca.<br />
42.<strong>00</strong>0 m². Die Fertigstellung des Daches ist <strong>für</strong> <strong>das</strong> Frühjahr 2<strong>00</strong>4 vorgese-<br />
hen.<br />
3.3 Main Stadium des Al-Sadd Sports Club Doha / Qatar<br />
Im Jahr 2<strong>00</strong>6 wird <strong>das</strong> am Persischen Golf gelegene Emirat Qatar Austra-<br />
gungsort der 15. Asiatischen Spiele sein. Im Zuge der Vorbereitungen <strong>für</strong> die-<br />
ses sportliche Großereignis werden zur Zeit in der Hauptstadt Doha umfang-<br />
reiche Neubau-, Umbau- <strong>und</strong> Sanierungsmaßnahmen an den Sportstätten des<br />
Al-Sadd Sports Club vorgenommen. Der Umbau des vorhandenen Fußballfel-<br />
des zu einem Fußballstadion beinhaltet u. a. folgende Baumaßnahmen:<br />
- Abriss der vorhandenen Tribünenkonstruktionen<br />
- Neubau der Zuschauertribünen sowie der Stadionüberdachung<br />
- Anlegen des Spielfeldes<br />
- Neubau der ebenerdigen Nebengebäude <strong>und</strong> Versorgungseinrichtungen<br />
- Modernisierung <strong>und</strong> Nachrüstung vorhandener Anlagen <strong>und</strong> Einrichtungen<br />
Das Dach des Stadions ist als Stahlkonstruktion geplant, welche den gesam-<br />
ten Bereich der Zuschauertribünen überdeckt. Die vorgesehene Dachkon-<br />
struktion hat eine rechteckige, den Umrissen des Fußballfeldes folgende <strong>und</strong><br />
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nur in den Eckbereichen abgeschrägte Form. Sie verläuft rings um <strong>das</strong> ge-<br />
samte Spielfeld mit Ausnahme des Bereiches der an einer Stadionlängsseite<br />
vorhandenen Ehrentribüne, die in ihrer bestehenden Form erhalten bleibt. Die<br />
Haupttragelemente der Dachkonstruktion sind gekrümmte Stahlträger, die an<br />
ihren Auflagerpunkten auf Stützen ruhen <strong>und</strong> zur Stadionmitte hin ca. 29 m<br />
auskragen. Im vorderen Bereich werden die Kragarme an Seilen abgehängt.<br />
Diese verlaufen zwischen vier Pylonen mit 45,50 m Höhe, welche in den E-<br />
cken des Stadions angeordnet sind (Abb. 2d, 2e, 2f).<br />
Zusätzlich zu den Haupttraggliedern werden sowohl am eigentlichen Dach-<br />
tragwerk als auch in den Pylonen Erschließungskonstruktionen zur Bedienung<br />
<strong>und</strong> Wartung der technischen Einrichtungen sowie Anschlusspunkte <strong>und</strong> Hilfs-<br />
konstruktionen zur Befestigung <strong>und</strong> Lagerung von Elementen des Techni-<br />
schen Ausbaus (z. B. Beleuchtung, Beschallung, Videoanzeigetafeln, Strom-<br />
versorgung etc.) angeordnet.<br />
Die gesamte Stahlkonstruktion des Dachtragwerkes wird mit einer Dacheinde-<br />
ckung aus Aluminiumpaneelen versehen, die über Trapezblechen an Pfetten<br />
befestigt sind. Die Tragelemente der Dachkonstruktion sowie der Pylone <strong>und</strong><br />
die Außenflächen der Tribünenkonstruktionen werden ebenfalls verkleidet.<br />
Abb. 2d: Perspektive des Stadions aus Südosten (Animation).<br />
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Abb. 2e: Blick auf die Osttribüne (Animation).<br />
Mit dem Abriss der vorhandenen Tribünenkonstruktionen wurde im Juli diesen Jah-<br />
res begonnen. Die Herstellung der neuen Tribünenbauwerke sowie die Planung <strong>und</strong><br />
Fertigung der Dach- <strong>und</strong> Fassadenkonstruktionen läuft z. Zt. unter großem Termin-<br />
druck. Das Stadion ist bis zum Mai 2<strong>00</strong>4 fertig zu stellen.<br />
Abb. 2f: Stadionquerschnitt mit Ansicht von Pylon <strong>und</strong> Seilabspannung.<br />
R:\vortrag-leipzig_1.doc Stand: 19.11.03 / Seite 20/21
Literatur<br />
[1] Hanek, D.: Tragwerksplanung <strong>für</strong> <strong>das</strong> neue alte Olympiastadion Berlin. Beraten-<br />
de <strong>Ingenieure</strong>, Springer-VDI-Verlag, Oktober 2<strong>00</strong>1, S. 22 – 25.<br />
[2] Stroetmann, R. <strong>und</strong> Schneider, R.: Olympiastadion Berlin – Die neue Tribünen-<br />
überdachung. Stahlbau 72 (2<strong>00</strong>3), Heft 4, Seite 214 - 227.<br />
Abbildungen, Fotos <strong>und</strong> Modell<br />
<strong>Krebs</strong> <strong>und</strong> <strong>Kiefer</strong>, <strong>Beratende</strong> <strong>Ingenieure</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> Bauwesen GmbH, Darmstadt<br />
gmp Architekten von Gerkan, Marg <strong>und</strong> Partner, Berlin<br />
H. Leiska, Hamburg<br />
SZ – Modellbau, Berlin (Modell 1:5<strong>00</strong>)<br />
DCB – Design & Consult Bureau, Doha - Qatar<br />
Autoren des Beitrags<br />
Dr.-Ing. Richard Stroetmann <strong>und</strong> Dipl.-Ing. Dieter Hanek, beide Geschäftsführende<br />
Gesellschafter bei <strong>Krebs</strong> <strong>und</strong> <strong>Kiefer</strong> <strong>Beratende</strong> <strong>Ingenieure</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> Bauwesen GmbH,<br />
Hilpertstraße 20, 64295 Darmstadt, www.kuk.de.<br />
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