200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg

200 Jahre
Gemeindeorganisation
in Vorarlberg
Almanach zum
Vorarlberger Gemeindejahr 2008

200 Jahre
Gemeindeorganisation

ISBN 978-3-902622-10-5
© Vorarlberger Landesarchiv, Bregenz 2009
Grafische Gestaltung: Martin Caldonazzi I Atelier für Grafik Design, www.caldonazzi.at
Druck: VVA Vorarlberger Verlagsanstalt, Dornbirn
Vorarlberger Landesarchiv
Kirchstraße 28, 6900 Bregenz, Österreich
www.landesarchiv.at

200 Jahre
Gemeindeorganisation
Almanach zum Vorarlberger Gemeindejahr 2008
herausgegeben von
Ulrich Nachbaur und Alois Niederstätter
im Auftrag der Vorarlberger Landesregierung
Bregenz 2009

Vorwort
Herbert Sausgruber und Wilfried Berchtold 7
Der Projektverbund „200 Jahre
Gemeindeorganisation“
Ulrich Nachbaur und Alois Niederstätter 9
Festveranstaltungen des Landes Vorarlberg
und des Vorarlberger Gemeindeverbandes
200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg
1808 bis 2008
Festakt des Landes Vorarlberg und des Vorarlberger
Gemeindeverbandes am 6. Juni 2008 in Götzis 15
- Wilfried Berchtold, 60 Jahre Vorarlberger Gemeindeverband
– 200 Jahre Gemeindeorganisation 17
- Ulrich Nachbaur, Von den Ständen zu den Gemeinden 19
- Georg Fahrenschon, Bayern und Vorarlberg –
Freundschaft mit Tradition 25
- Herbert Sausgruber, Gemeinden mit Zukunft 29
Der Vorarlberger Landtag und die Gemeinden
Symposium des Vorarlberger Landtages
am 22. Oktober 2008 in Bregenz 33
- Gabriele Nußbaumer, In bewährter Partnerschaft 35
- Wilfried Berchtold, Gemeinden sind bürgernah 37
- Peter Bußjäger, Der Vorarlberger Landtag und die
Gemeinden im Spiegel der Landtagsdebatten 39
- Karl Weber, Die verfassungsrechtliche Position der
Gemeinden in Vorarlberg – Bestandsaufnahme
und Ausblick 49
- Elmar Häusler, Bemerkungen zur Entwicklung des Gemeindewahlrechts
in Vorarlberg von 1864 bis 2008 57
Seite 4
Inhalt
Ein selbständiges Land mit autonomen Gemeinden
Festveranstaltung der Landesregierung und des
Landtages am 90. Jahrestag der Selbständigkeitserklärung
des Landes Vorarlberg am
3. November 2008 in Bregenz 73
- Gabriele Nußbaumer, „Das Land gliedert sich in
Gemeinden“ 75
- Ulrich Nachbaur, Am 3. November 1918 – Zur
Selbständigkeitserklärung des Landes Vorarlberg 77
- Jürgen Weiss, Das Land als verlässlicher Partner 87
- Gerold Amann, Anregungen zur politischen
Teilhabe in Vorarlberg seit 1945 – Ein Projekt im
Rahmen des Wahlpflichtfaches „Geschichte und
Politische Bildung“ am Gymnasium Bregenz
Blumenstraße 91
- Kompositionsauftrag des Landes Vorarlberg an
Thomas Thurnher 95
Vorträge und Beiträge
- Peter Bußjäger, Was ist der Stand Montafon? –
Wissenswertes zur Vergangenheit und Zukunft
eines eigentümlichen Gebildes 97
- Thomas Gamon, 200 Jahre Gemeindeorganisation
in Nenzing – Wie funktioniert unser Gemeinwesen? 111
- Alois Niederstätter, „Die bayerische Knechtschaft“ –
Vorarlberg in den Jahren 1805 bis 1814 113
- Christoph Volaucnik, Feldkirch zur Bayernzeit 123
- Alois Niederstätter, Von Dorfvögten und
Bannwarten – Die Entwicklung kommunaler
Strukturen in Vorarlberg seit dem Mittelalter 157
- Jürgen Weiss, Regionale Zusammenarbeit der
Vorarlberger Gemeinden 165

- Gerald Mathis, Interkommunale Zusammenarbeit.
Neue Ansätze und Herausforderungen 169
- Bertram Meusburger, Sozialkapital und
Nachhaltigkeit 183
- Alois Niederstätter, Die kirchliche
Matrikenführung bis 1939 185
- Josef Seidl, Der österreichische Standesbeamte
– gestern und heute 193
- Ulrich Nachbaur, 96 Gemeindewappen
– Einführung in die Ausstellung „96 Gemeindewappen
– Hoheitszeichen und Bürgerstolz“ 197
- Wappen der Vorarlberger Gemeinden 205
- Christoph Volaucnik, Feldkirch 1925 –
Der lange Weg zur Vereinigung von Feldkirch
mit Altenstadt, Tosters und Tisis 219
- Ulrich Nachbaur, „Marktgemeinde Rankweil“ –
Zum Werden und Wesen von „Marktgemeinden“
in Vorarlberg 259
- Michael Kasper, Die Herren im Tal – Die Montafoner
Oberschicht zwischen 1780 und 1830 271
- Manfred Tschaikner, Herrschaft, Gericht, Steuergenossenschaft,
Kirchspiel und Gemeinde.
Zur Verwaltungsgeschichte des Großraums
Bludenz in der Frühen Neuzeit 281
- Ulrich Nachbaur, Zur Entstehung der Montafoner
Gemeindewappen 1927 bis 1967 301
- Andreas Rudigier, Die „Heimatkunst“
Konrad Honolds in Bezug auf die Montafoner
Gemeindewappen 313
- Thomas Klagian, Das Gebiet der Stadt Bregenz
im Wandel der Zeiten – Von den Marken
des städtischen Gerichts zu den Grenzen der
Gemeinde 321
- Hans Matschek, Das Sippenbuch von Schröcken 333
- Mathias Moosbrugger, Jenseits von Bauernrepublik
und Bezegg – Neue Perspektiven auf die
Geschichte der Gerichtsgemeinde im Hinteren
Bregenzerwald 339
- Petra Walser, HeimatGemeinde 357
- Birgit Ortner, Gemeinde Lech – Ein Querschnitt
aus 200 Jahren Gemeindegeschichte 359
- Alois Niederstätter, Die Bayernzeit in der
Vorarlberger Historiografie 361
- Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Gemeinden
1849 bis 2008 – Eine Bestandsaufnahme 367
- Ulrich Nachbaur, Auswirkungen der bayerischen
Reformen von 1806 bis 1814 auf die Vorarlberger
Verwaltungsstrukturen 371
Fotonachweis 446
Orts- und Personenregister 447
Seite 5

Seite 6

2008 feierte Bayern sein 200-jähriges Verfassungsjubiläum.
Vorarlberg gehörte zwar nur acht Jahre lang zum Königreich
Bayern, die Reformen wirken aber bis ind die Gegenwart
nach.
Mit der neuen Verwaltung erhielt Vorarlberg seine heutige
Struktur. Die Bezirks- und Gemeindegrenzen wurden neu
gezogen. Ein Großteil unserer Gemeinden geht auf die bayerische
Gemeindereform von 1808 zurück. In einem lockeren
Projektverbund fanden sich 23 Partner zusammen, um das
Thema „200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg
1808 bis 2008“ mit Ausstellungen, Vorträgen, Tagungen,
Filmen, Lesungen, Schülerprojekten und Festveranstal-
Landeshauptmann
Dr. Herbert Sausgruber
Demokratisches Fundament
unseres Landes
tungen aus verschiedenen Perspektiven auszuleuchten.
Das Vorarlberger Landesarchiv hat es übernommen, die
Veranstaltungen und Ergebnisse dieses „Gemeindejahres“
in einem Almanach zu dokumentieren. Wir sind zuversichtlich,
dass diese Publikation Anklang finden und Interesse
wecken wird.
Allen Projektpartnern und allen Autorinnen und Autoren sagen
wir ein herzliches Dankeschön!
Für König Max Joseph waren die Gemeinden 1808 die unterste
Ebene einer Staatsverwaltung. Für uns sind sie das
demokratische Fundament unseres Landes.
Bürgermeister Mag. Wilfried Berchtold,
Präsident des Vorarlberger Gemeindeverbandes
Seite 7

Seite 8

1808 gab König Maximilian I. im Rahmen einer großen
Staatsreform den Auftrag zur flächendeckenden Bildung
politischer Ortsgemeinden im gesamten Königreich Bayern,
zu dem Vorarlberg damals gehörte. Dieses Edikt war der
Ausgangspunkt für eine Gemeindeorganisation, die Vorarlberg
in seinen Grundstrukturen bis heute prägt.
2007 schlug der Vorarlberger Gemeindeverband vor, das
200-Jahr-Jubiläum für einen Rückblick und Ausblick zu nützen.
Das Vorarlberger Landesarchiv übernahm die Koordination
einer historischen Veranstaltungsreihe und redigierte
einen Veranstaltungskalender sowie eine Website. Für
den „Ausblick“ war der Gemeindeverband zuständig. Das
Veranstaltungsmanagement der Landesregierung und die
Landtagsdirektion organisierten die „offiziellen“ Veranstaltungen.
Es gelang, insgesamt 23 Partner in einem Projektverbund
„200 Jahre Gemeindeorganisation“ zu bündeln, die das
Thema „Gemeinde“ 2008 mit über 40 Veranstaltungen und
Projekten in verschiedenster Art behandelten. Allen, die
zum Erfolg beitrugen, sei herzlich gedankt!
Dieser Dank gilt speziell auch den Autorinnen und Autoren,
die bereit waren, ihre Vorträge und Beiträge zur Verfügung
stellten, um die Ergebnisse dieses Vorarlberger Gemeindejahres
in einem Almanach zu dokumentieren. Aus Sicht der
Geschichtswissenschaft können wir jedenfalls das Resümee
ziehen, dass wir der Auseinandersetzung mit diesem
Thema zahlreiche neue Erkenntnisse verdanken, die zum
Teil freilich nicht minder spannende neue Fragen aufwerfen.
Projektorganisation
Der Projektverbund
„200 Jahre Gemeindeorganisation“
Ulrich Nachbaur und Alois Niederstätter
Koordinationsteam:
Dr. Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Landesarchiv
Kuno Bachstein, Amt der Vorarlberger Landesregierung,
Abt. Regierungsdienste (PrsR), Veranstaltungsmanagement
Dr. Otmar Müller, Vorarlberger Gemeindeverband
Website www.vorarlberg.at/2008
Dr. Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Landesarchiv
Veranstaltungskalender
200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg 1808-2008.
Veranstaltungskalender, red. von Ulrich Nachbaur. Bregenz:
Vorarlberger Landesarchiv, 2008, 60 Seiten
Veranstaltungen
Was ist der Stand Montafon? –
Wissenswertes zur Vergangenheit und Zukunft eines
eigentümlichen Gebildes
Vortrag von Univ.-Doz. Dr. Peter Bußjäger; Montafoner Museen;
8. Mai 2008, 19:30 Uhr, Vandans, Gemeindeamt.
200 Jahre Gemeindeverwaltung –
Interessantes aus dem Gemeindearchiv
Ausstellungseröffnung mit Filmpräsentation „Der Mensch
im Mittelpunkt des Netzwerks Gemeinde“ von Primus Huber,
Michael Mäser und Thomas Gamon; Marktgemeinde
Nenzing; Nenzing, Ramschwagsaal, 8. Mai 2008.
200 Jahre Gemeindeverwaltung –
Interessantes aus dem Gemeindearchiv
Ausstellung; Kulturreferat und Archiv der Marktgemeinde
Nenzing; Kurator: Gemeindearchivar Thomas Gamon; mit
Dokumentarfilmen von Thomas Gamon und Primus Huber;
Nenzing, Wolfhaus, 8. Mai bis 15. Juni 2008.
„Die bayerische Knechtschaft“ –
Vorarlberg in den Jahren 1805 bis 1814
Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Alois Niederstätter, Vorarlberger
Landesarchiv; Kulturreferat und Archiv der Marktgemeinde
Nenzing; Nenzing, Wolfhaus, 14. Mai 2008.
Königlich bayerische Stadt Feldkirch
Vortrag von Stadtarchivar Mag. Christoph Volaucnik; Stadtarchiv
Feldkirch; Feldkirch, Palais Liechtenstein, 16. Mai
2008.
Seite 9

Kindergarten früher – heute –
50 Jahre Kindergarten Nenzing
Erzählabend mit „Tante Lore“ (Eleonore Bunschi) und der
Kindergarteninspektorin Margot Thoma, Moderation Gemeindearchivar
Thomas Gamon; Kulturreferat und Archiv
der Marktgemeinde Nenzing; Nenzing, Wolfhaus, 18. Mai
2008.
„Das Nenzinger Dorfbuch“
Film von Volksschullehrer Josef Köppl 1941; Einleitung von
Gemeindearchivar Thomas Gamon; Kulturreferat und Archiv
der Marktgemeinde Nenzing; Nenzing, Wolfhaus, 24. Mai
2008.
Von Dorfvögten und Bannwarten –
Die Entwicklung kommunaler Strukturen in Vorarlberg
seit dem Mittelalter
Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Alois Niederstätter, Vorarlberger
Landesarchiv; Marktgemeinde Rankweil; Rankweil, Rathaus,
26. Mai 2008.
7. Rheintalkonferenz –
Land und Gemeinden an einem Tisch
Vision Rheintal; Höchst, Pfarrsaal, 27. Mai 2008.
„Die bayerische Knechtschaft“ –
Vorarlberg in den Jahren 1805 bis 1814
Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Alois Niederstätter, Vorarlberger
Landesarchiv; Montafoner Museen; Schruns, Montafoner
Heimatmuseum, 28. Mai 2008.
„Kinder in die Mitte“ – Studienreise nach Berlin
Amt der Vorarlberger Landesregierung, Abt. Gesellschaft
und Soziales (IVa), „Kinder in die Mitte – Miteinander der
Generationen“; Berlin, 29. bis 31. Mai 2008.
25 Jahre „Stadt Hohenems“ – Fest am Schlossplatz
Volksfest; Stadt Hohenems; Hohenems, Schlossplatz, 30.
Mai bis 1. Juni 2008.
Seite 10
Tag der offenen Tür der Marktgemeinde Nenzing –
Wie funktioniert unser Gemeinwesen?
Marktgemeinde Nenzing; Nenzing, in allen Gemeindeeinrichtungen,
31. Mai 2008.
„Kinder in die Mitte“ –
Gemeindevernetzungstreffen
Amt der Vorarlberger Landesregierung, Abt. Gesellschaft
und Soziales (IVa), „Kinder in die Mitte – Miteinander der
Generationen“; Frastanz, 2. Juni 2008.
Nebeneinander oder Miteinander? –
Die „Parallelgesellschaft“ der politischen Christen- und
Judengemeinde in Hohenems
Vortrag von Dr. Harald Walser; Jüdisches Museum Hohenems;
Hohenems, Jüdisches Museum, 5. Juni 2008.
200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg
1808 bis 2008
Festakt; Vorarlberger Landesregierung und Vorarlberger
Gemeindeverband mit Begrüßung durch Gemeindeverbandspräsident
Mag. Wilfried Berchtold und Vorträgen
von Dr. Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Landesarchiv: Von
den Ständen zu den Gemeinden, Staatssekretär Diplom-
Ökonom Georg Fahrenschon: Bayern und Vorarlberg –
Freundschaft mit Tradition, Landeshauptmann Dr. Herbert
Sausgruber: Gemeinden mit Zukunft; Götzis, Kulturbühne
AMBACH, 6. Juni 2008.
Die Zukunft der Regionalplanungsgemeinschaften –
Chancen, Perspektiven und Herausforderungen
Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen; Verwaltungsakademie
Vorarlberg, Schloss Hofen mit Referaten Bundesratsvizepräsident
Bundesminister a. D. Jürgen Weiss:
Regionale Zusammenarbeit der Vorarlberger Gemeinden,
DI Dr. Gerald Mathis, Institut für Standort-, Regional- und
Kommunalentwicklung, Dornbirn: Interkommunale Zusammenarbeit
– Neue Ansätze und Herausforderungen, Mag.
Bertram Meusburger, Amt der Vorarlberger Landesregie-

ung, Büro für Zukunftsfragen: Bürgeschaftliches Engagement,
Sozialkapital und Nachhaltigkeit – Erfahrungsberichte
aus Sicht des Landes Vorarlberg; offene Diskussion
mit Bürgermeister Erwin Mohr, Vizepräsident des Vorarlberger
Gemeindeverbandes und den Referenten; Moderation
Dr. Otmar Müller, Vorarlberger Gemeindeverband; Lochau,
Schloss Hofen, 11. Juni 2008.
Von der Wiege bis zur Bahre –
Personenstandsführung in alter und neuer Zeit
18. Vorarlberger Archivtag und Fachtagung für Standesbeamte;
Vorarlberger Landesarchiv und Fachverband der
österreichischen Standesbeamten, Landesgruppe Vorarlberg
mit Vorträgen von Univ.-Prof. Dr. Alois Niederstätter:
Die kirchliche Matrikenführung bis 1939, Josef Seidl: Der
österreichische Standesbeamte – gestern und heute; Bregenz,
Landesarchiv, 16. Juni 2008.
96 Gemeindewappen –
Hoheitszeichen und Bürgerstolz
Ausstellungseröffnung durch Landeshauptmann Dr. Herbert
Sausgruber mit Einführungsvortrag von Dr. Ulrich
Nachbaur, Vorarlberger Landesarchiv; Bregenz, Landhaus
(Montfortsaal), 16. Juni bis 4. Juli 2008.
96 Gemeindewappen –
Hoheitszeichen und Bürgerstolz
Ausstellung; Vorarlberger Landesarchiv; Kurator: Dr. Ulrich
Nachbaur; Bregenz, Landhaus (Eingangshalle), 16. Juni bis
4. Juli 2008.
Starke Bürgergemeinschaft rettet das Dorf!
Exkursion des Landesnetzwerks „Bürgerschaftliches Engagement“
nach Rettenbach am Auerberg (Ostallgäu); Amt
der Vorarlberger Landesregierung, Büro für Zukunftsfragen;
Rettenbach, 17. Juni 2008.
Feldkirch 1925 –
Die Entstehung von Großfeldkirch
Vortrag von Stadtarchivar Mag. Christoph Volaucnik; Stadtarchiv
Feldkirch; Feldkirch, Palais Liechtenstein, 20. Juni
2008.
„Marktgemeinde Rankweil“ – Zum Werden und Wesen von
„Marktgemeinden“ in Vorarlberg
Vortrag von Dr. Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Landesarchiv;
Marktgemeinde Rankweil; Rankweil, Rathaus, 23. Juni
2008.
Die Herren im Tal – Montafoner Eliten um 1800
Ausstellungseröffnung mit Einführungsvortrag von Mag. Michael
Kasper; Gaschurn, Tourismusmuseum, 24. Juni 2008.
Die Herren im Tal – Montafoner Eliten um 1800
Ausstellung; Montafoner Museen; Kurator: Mag. Michael
Kasper; Gaschurn, Tourismusmuseum, 24. Juni bis 26. Oktober
2008.
Orts- und Stadtmarketing – Neue Instrumente einer gezielten
und nachhaltigen Gemeinde- und Stadtentwicklung
Vortrag von Mag. (FH) Oskar Januschke, Stadtmarketing
Lienz; Verwaltungsakademie Vorarlberg, Schloss Hofen;
Lochau, Schloss Hofen, 10. September 2008.
Vom Reichshof zum Patrimonialgericht – Lustenau unter
bayerischer Herrschaft
Vortrag von Gemeindearchivar Dr. Wolfgang Scheffknecht;
Historisches Archiv der Marktgemeinde Lustenau; Lustenau,
Kleiner Reichshofsaal, 24. September 2008.
Frühneuzeitliche Gemeindestrukturen im Raum Bludenz
Vortrag von Univ.-Doz. Dr. Manfred Tschaikner, Vorarlberger
Landesarchiv; Montafoner Museen und Geschichtsverein
Region Bludenz; Stallehr, Davennasaal, 30. September
2008.
Seite 11

Hintergründiges aus Gemeindestuben – Der Amtsschimmel
wiehert nicht nur, er zieht auch den Karren
Humoristisch-unterhaltsamer Abend; Fachverband der leitenden
Gemeindeangestellten Österreich, Landesgruppe
Vorarlberg mit Beiträgen von Altgemeindesekretär Adolf
Vallaster, Mäder, Bürger und Stickermeister Otto Hofer,
Lustenau, Altbürgermeister Harald Ludescher, Frastanz;
Feldkirch, Schattenburg, 10. Oktober 2008.
„Kinder in die Mitte“ – Gemeindevernetzungstreffen
Amt der Vorarlberger Landesregierung, Abt. Gesellschaft
und Soziales (IVa), „Kinder in die Mitte – Miteinander der
Generationen“; Bludenz, 13. Oktober 2008.
Jeder Gemeinde ein Wappen – Konrad Honold und die
Montafoner Gemeindewappen
Vorträge von Dr. Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Landesarchiv:
„Soll diese Symbolhäufung Montafoner Gepflogenheit
werden? Zur Entstehung der Montafoner Gemeindewappen,
und MMag. Dr. Andreas Rudigier, Montafoner Museen: Die
„Heimatkunst“ Konrad Honolds in Bezug auf die Montafoner
Gemeindewappen; Montafoner Museen; Tschagguns,
Altes Gemeindeamt (Wintersportsammlung), 14. Oktober
2008.
Das Gebiet der Stadt Bregenz im Wandel der Zeiten – Von
den Marken des städtischen Gerichts zu den Grenzen der
Gemeinde
Ausstellung; Archiv der Landeshauptstadt Bregenz; Kurator:
Stadtarchivar Mag. Thomas Klagian; Bregenz, Magazin
4, 16. Oktober bis 7. November 2008.
Ein Sippenbuch für Schröcken
Werkstattbericht und Buchpräsentation von Mag. Hans
Matschek; Vorarlberger Landesarchiv; Bregenz, Landesarchiv,
17. Oktober 2008.
Seite 12
Gemeinden bewegen –
3. Vorarlberger BewegungsFestSpiele
Danke-Veranstaltung für alle Gemeindevertreterinnen und
–vertreter; Amt der Vorarlberger Landesregierung, Abt. Regierungsdienste
(PrsR), Veranstaltungsmanagement; Bregenz,
Festspielhaus, 19. Oktober 2008.
25 Jahre Stadt Hohenems in Bildern
Ausstellungseröffnung mit Kurzvortrag von PD Dr. Wolfgang
Weber, Vorarlberger Landesarchiv; Stadt Hohenems; Hohenems,
at&co regionales zentrum ems, 11. September
2008.
25 Jahre Stadt Hohenems in Bildern
Fotoausstellung; Stadt Hohenems; Hohenems, at&co regionales
zentrum ems, 11. bis 29. September 2008.
Der Vorarlberger Landtag und die Gemeinden
Symposium; Vorarlberger Landtag; mit Vorträgen von
Landtagsdirektor Univ.-Doz. Dr. Peter Bußjäger: Der Landtag
und die Gemeinden im Spiegel der Landtagsdebatten,
Univ.-Prof. Dr. Karl Weber, Universität Innsbruck: Die verfassungsrechtliche
Position der Gemeinden in Vorarlberg.
Bestandsaufnahme und Ausblick, und Dr. Elmar Häusler,
Bemerkungen zur Entwicklung des Gemeindewahlrechts in
Vorarlberg; Bregenz, Landhaus, 22. Oktober 2008.
Ein selbständiges Land mit autonomen Gemeinden
Festveranstaltung am 90. Jahrestag der Selbständigkeitserklärung
des Landes Vorarlberg; Vorarlberger Landtag und
Vorarlberger Landesregierung; mit Vorträgen von Dr. Ulrich
Nachbaur, Vorarlberger Landesarchiv: Am 3. November
1918, Bundesratspräsident Bundesminister a. D. Jürgen
Weiss: Das Land als verlässlicher Partner, und Präsentation
des Projektes „Anregungen zur politischen Teilhabe in
Vorarlberg seit 1945“, Bundesgymnasium Bregenz-Blumenstraße,
durch Serpil Polat, Simon Dörler und Max Feuerstein;
Bregenz, Landhaus, 3. November 2008.

Der Hintere Bregenzerwald als Gerichtsgemeinde und
Stand – Politische Organisation in vormoderner Zeit
Vortrag von Mag. Mathias Moosbrugger; Volkshochschule
Bregenzerwald-Egg; Egg, Gymnasium, 7. November 2008.
7. Landesfachtagung des FLGÖ Vorarlberg
Fachtagung des Fachverbandes der leitenden Gemeindeangestellten
Österreich, Landesgruppe Vorarlberg; mit
Beiträgen von Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber:
Zusammenarbeit zwischen Land und Gemeinden, Bürgermeister
Mag. Wilfried Berchtold, Präsident des Vorarlberger
Gmeindeverbandes: Wissenswertes aus dem Vorarlberger
Gemeindeverband, DGKS Rosemarie Wilfling, connexia
– Pflege und Gesundheits GmbH: Entwicklungen in der
stationären Langzeitpflege – Aktuelles zum Thema Pflege,
DKfm. Robert Kroha, Rinke Unternehmensberatungs
GmbH: Konzeption des Feuerwehrwesens – Am Beispiel
des Projekts „Feuerwehr 2020“ der Stadt Feldkirch, Ferdinand
Gabriel, Gemeindeinformatik GmbH: Dokumentenmanagementsystem
(DMS) – Ein Projekt der Gemeindeinformatik
– aktueller Stand, Mag. Wolfgang Figl, Bank
Austria: Aktuelle Finanzmarktsituation – Auswirkungen auf
die Gemeinden; Schwarzach, Hofsteigersaal, 13. November
2008
Gemeinde Lech 1808 bis 2008
Ausstellungseröffnung; Gemeinde Lech; Lech, Museum
Huberhus, 28. November 2008, mit Vortrag von Dr. Petra
Walser.
Gemeinde Lech 1808 bis 2008
Sonderausstellung; Gemeinde Lech; Kuratorinnen: Dr. Petra
Walser und Mag. Birgit Ortner; Lech, Museum Huberhus,
28. November 2008 bis 26. April 2009
Projekt
Anregungen zur politischen Teilhabe in
Vorarlberg seit 1945
Projekt im Rahmen des Wahlpflichtfaches „Geschichte und
Politische Bildung“; Bundesgymnasium Bregenz-Blumenstraße;
Projektverantwortlicher: Prof. Dr. Gerold Amann;
Projektgruppe: Simon Dörler, Max Feuerstein, Kristina Ganner,
Laura Häusler, Stefan Jungblut, Peter Kiraly, Julia Moritsch,
Stefan Niederer, Serpil Polat, Arnold Trojer, Leandros
Tsohataridis, David Uecker; in Kooperation mit der Volkshochschule
Bregenz und der Gesellschaft für Politische Bildung
Seite 13

Seite 14

200 Jahre Gemeindeorganisation in
Vorarlberg 1808 bis 2008
Festakt des Landes Vorarlberg und des
Vorarlberger Gemeindeverbandes
Götzis, Kulturbühne AMBACH, 6. Juni 2008
„Jetzt geht’s los!“
Franz Lehár (1870 bis 1948), Marsch
Jugendsinfonieorchester Mittleres Rheintal
(Leitung: Mag. Markus Pferscher)
60 Jahre Vorarlberger Gemeindeverband –
200 Jahre Gemeindeorganisation
Bürgermeister Mag. Wilfried Berchtold,
Präsident des Vorarlberger Gemeindeverbandes
Von den Ständen zu den Gemeinden
Dr. Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Landesarchiv
„Herrreinspaziert!“
Carl Michael Ziehrer (1843 bis 1922), Walzer aus der Operette
„Der Schätzmeister“ 1904, op. 518
Jugendsinfonieorchester Mittleres Rheintal
(Leitung: Mag. Markus Pferscher)
Bayern und Vorarlberg – Freundschaft mit Tradition
Staatssekretär Dipl.-Ökonom Georg Fahrenschon,
Bayerisches Staatsministerium der Finanzen
Gemeinden mit Zukunft
Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber
Überreichung des „Jugend-Bravo“ an
das Jugendsinfonieorchester Mittleres Rheintal
„’s Ländle meine Heimat“
Landeshymne (1949),
Text und Musik: Anton Schmutzer 1905/07
Empfang
Seite 15

Seite 16

60 Jahre Vorarlberger Gemeindeverband –
200 Jahre Gemeindeorganisation
Wilfried Berchtold
Vor 200 Jahren wurde eine neue Gemeindeordnung erlassen,
die heute – im Zusammenhang mit einer ganzen
Reihe von weiteren Veranstaltungen – der Anlass zu dieser
Ausstellung ist. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt
jedoch nicht bei dieser Gemeindeordnung, sondern bei
den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen dieses Ereignisses.
„Jetzt geht‘s los“. Mit diesem Marsch von Franz Lehár hat
das Jugendsinfonieorchester Mittleres Rheintal auch eine
stimmige Einbegleitung in unseren heutigen Festakt gegeben
und ich darf diesem Orchester, diesem jungen Klangkörper,
dazu herzlich danken und gratulieren.
Zu Beginn des Vorarlberger Gemeindetages durfte ich schon
darauf hinweisen, dass der heutige Tag einen Rückblick in
die Geschichte unserer Gemeinden und des Gemeindeverbandes
bietet, aber auch Anlass ist, den Blick in die Zukunft
zu richten.
Vor 60 Jahren haben die Vorarlberger Gemeinden beschlossen,
eine überparteiliche Interessensvertretung zu
gründen, zur Stärkung nach innen und gegenüber externen
Partnern wie Land und Bund nach außen.
Dieses Jubiläum feiern wir in einer Broschüre, in der wir einen
kurzen Rückblick auf die vergangenen sechs Jahrzehnte
und einen Ausblick in die Zukunft machen, und ich darf ihnen
empfehlen, im Anschluss an diese Veranstaltung diese
Broschüre mitzunehmen und sich Zeit zu nehmen, sich über
uns und die Arbeit des Vorarlberger Gemeindeverbandes zu
informieren.
Auf das Jubiläum „200 Jahre Gemeindeorganisation in
Vorarlberg“ aufmerksam gemacht hat uns Dr. Ulrich Nachbaur
vom Vorarlberger Landesarchiv.
Denn Geschichtsinteressierten bekannt ist die Eingliederung
Vorarlbergs in das Königreich Bayern im Jahre 1805,
Festakt „200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg 1808 bis 2008“
Götzis, Kulturbühne AMBACH, 6. Juni 2008
Wilfried Berchtold (geb. 1954 in Feldkirch), Mag. rer. soc. oec., seit 1991 Bürgermeister der Stadt Feldkirch und
seit 1995 Präsident des Vorarlberger Gemeindeverbandes (Österreichische Volkspartei)
bzw. der Verbleib bis zum Jahre 1814. In diesem Jahr kam
Vorarlberg mit Ausnahme einiger Gemeinden des Westallgäus
zurück zum Hause Habsburg. Geblieben aus dieser Zeit
ist aber, was weniger bekannt ist, die bayerische Gemeindeorganisation.
Auch wenn wir die Gemeindeorganisation,
wie wir sie aus der österreichischen Bundesverfassung kennen,
nur mehr wenig mit der damaligen Organisation gemeinsam
hat, so hatte doch die territoriale Abgrenzung für
unsere Gemeindeorganisation nachhaltige Wirkung.
In dem 200-jährigen Zeitraum haben sich die Grenzen der
Gemeinden wenig verändert, was auf den ersten Blick nur
für Historiker interessant erscheint, ist aber die Erkenntnis,
dass sich die Bedeutung der Gemeinden seither und vor
allem auch seit dem rasanten Globalisierungsprozess sogar
noch verstärkt hat. Wenn eine Gebietskörperschaft nicht in
Frage gestellt wird, dann ist es die Gemeinde.
Die Gemeinde steht nicht nur sprichwörtlich dem Bürger am
nächsten, sie ist für die Bürger begreifbar. Die Bürgerinnen
und Bürger können mitreden, Entscheidungen nachvollziehen
und fühlen sich auch in ihren Anliegen vertreten.
Denn 200 Jahren Gemeindeorganisation in Vorarlberg in
einem Festakt zu gedenken, heißt, auch die Bedeutung der
Gemeinden für die Zukunft herauszustreichen. Nicht ohne
Stolz dürfen die Gemeinden auf die Entwicklung, die sie
seit ihrer Gründung gemacht haben, zurückblicken.
Von der Wiege bis zur Bahre ist die Gemeinde Ansprechpartner,
Servicestelle und Dienstleister für unsere Bürger.
Es gibt kaum Bereiche, in welche die Gemeinde nicht eingebunden
ist, sei dies die Kinderbetreuung, die Schule, die
Daseinsvorsorge, die Sicherheit, die Altenpflege, die Freizeitgestaltung
und vieles mehr.
Als Präsident des Vorarlberger Gemeindeverbandes ist mir
das Selbstbestimmungsrecht der Gemeinde als Kern der
Gemeindeautonomie ein besonderes Anliegen. Nicht die
Gemeindezusammenlegung, schon gar nicht die von oben
Seite 17

verordnete, trägt den Interessen der Bürger Rechnung, sondern
vielmehr eine verstärkte Kooperation ist das Gebot der
Stunde. Die Gemeindezusammenarbeit hat in Vorarlberg,
hält man sich die vielen verschiedenen Kooperationsformen
vor Augen, immerhin sind es über 300, eine lange Tradition.
Trotzdem gibt es je nach Situation in der Gemeinde bzw. in
der Region immer noch zahlreiche Aufgaben, die sich hierfür
besonders eignen würden. Leider ist oft erst die sprichwörtliche
Not Motor für die Zusammenarbeit. Nutzen wir
aber schon jetzt die Chancen und Möglichkeiten, die eine
Kooperation bietet. Gemeinsam mit dem Land Vorarlberg
ist der Vorarlberger Gemeindeverband ständig bemüht, die
Rahmenbedingungen, sei es im organisatorischen, sei es
im finanziellen Bereich zu verbessern.
Die heutige Jubiläumsfeier, geschätzte Festgäste, war natürlich
auch Anlass, hochrangige Vertreter des heutigen
Bayern einzuladen. Da Staatsminister Erwin Huber leider
kurzfristig absagen musste, darf ich in seiner Vertretung
sehr herzlich Herrn Staatssekretär Georg Fahrenschon vom
Staatsministerium für Finanzen begrüßen und ihm für das
Kommen danken. Weiters darf ich Vertreter jener westallgäuischen
Gemeinden begrüßen, die gemeinsam mit uns
an das Königreich Bayern angegliedert worden sind, leider
aber nicht mehr ins Habsburgreich zurückkehrten, auch ihnen
ein herzliches Willkommen. Diese gute Zusammenarbeit
über die Grenzen manifestiert sich unter anderem auch
im laufenden Interreg-Programm und stellvertretend darf
ich Landrat Dr. Elmar Stegmann vom Landratsamt Lindau
und den Landratstellvertreter vom Landratsamt Oberallgäu
bei uns hier in Vorarlberg herzlich willkommen heißen.
Ich freue mich und das unterstreicht die Bedeutung dieses
Festaktes, insbesondere aber auch die Interessensvertretung
der Gemeinden, die Gemeindeorganisation im Allgemeinen,
dass eine so große Anzahl von Ehrengästen aus
unserem Lande unserer Einladung gefolgt sind. Und ich
darf an der Spitze sehr herzlich unseren Landeshauptmann
Dr. Herbert Sausgruber begrüßen.
Seite 18
Ich begrüße als Vertreter der Diözese Feldkirch Herrn Generalvikar
Dr. Benno Elbs. Für alle Mitglieder der Vorarlberger
Landesregierung und die Mitglieder des Vorarlberger
Landtages, der gesetzgebenden Körperschaft, begrüße ich
stellvertretend den Landtagspräsidenten Gebhard Halder,
herzlichen Dank. Ich heiße den höchsten Repräsentanten
aller 2.358 österreichischen Gemeinden, den Präsidenten
und Bürgermeister Helmut Mödlhammer, herzlich willkommen.
Ich heiße alle Abgeordneten zum Bundesrat, die
Bürgermeister, die ehemaligen politischen Funktionäre,
und sie sind in großer Zahl hier, auf Bundes-, Landes-, und
Gemeindeebene willkommen und darf dafür stellvertretend
unsere beiden ehemaligen Landeshauptleute Dr. Herbert
Keßler und Dr. Martin Purtscher begrüßen. Ich freue mich,
dass ihr diesem Festakt beiwohnt, über viele Jahrzehnte
habt ihr mit Wohlwollen die Geschicke der Vorarlberger Gemeinden
begleitet, herzlichen Dank. Ich heiße willkommen
alle Repräsentanten öffentlicher Institutionen, Bediensteten
des Landes und der Gemeinden.
Ein herzlicher Gruß und ein großes Dankeschön gilt nochmals
dem Jugendsinfonieorchester der Musikschule Mittleres
Rheintal, das mit seinen Beiträgen der Veranstaltung
zusätzlich noch einen besonderen Charakter verleiht.
Zurückkommend auf das Ausgangsjahr 1808, das Anlass
des heutigen Festaktes ist, darf ich auch noch auf das Veranstaltungsprogramm
hinweisen, über den Jahresablauf,
und in diesem Zusammenhang vor allem einem Mann ein
herzliches Dankeschön für seinen unermüdlichen Einsatz
aussprechen, Dr. Ulrich Nachbaur. „Von den Ständen zu
den Gemeinden“ lautet der Titel des Referates, das Ulrich
Nachbaur, ein Historiker, der seine Arbeit neben den historischen
Aspekten immer auch als Verpflichtung zum Blick
in die Zukunft sieht. „Von den Ständen zu den Gemeinden“
– ich darf den Referenten, darf Ulrich Nachbauer nun zu
diesem Festvortrag ans Rednerpult bitten. Herzlichen Dank
und herzlich Willkommen!

Stellen Sie sich ein ideales Land vor. Kein Land in dem
Milch und Honig fließen. Nein, es ist ein armes Land, aber
ein frommes Land freier Männer, ein gottbegnadetes Land
stolzer Bürger und Bauern, die sich ihr Recht selbst geben,
die selbst zu Gericht sitzen, ihr Land selbst verteidigen. Ein
selbständiges Land, dessen Schicksal die Landstände weitgehend
selbst bestimmen, die den Kaiser in Wien einen guten
Mann sein lassen und seinen Vögten erbitterten Widerstand
leisten, die dem Absolutismus und der Aufklärung
trotzen, die mannhaft eine ideale Demokratie behaupten
– bis ruchlose Invasoren das gelobte Land besetzen, bis
der wortbrüchige bayerische Tyrann das freiheitstrunkene
Volk versklavt, bis es seine gottlose Münchner Bürokraten
unterjochen.
Es mag weh tun, aber von diesem Idyll dürfen wir uns getrost
ein gutes Stück weit verabschieden. Die Entstehungsgeschichte
unseres Landes ist originell und spannend genug.
Ein kurzes, heftiges und nachhaltiges Kapitel schrieb die
bayerische Regierung von 1805 bis 1814.
Sie merken es: Ich will den Anwalt des Teufels mimen und
eine Lanze für die Bayern brechen, die Vorarlberg endgültig
in die Moderne führten.
Es war eine stürmische Zeit der politischen und geistigen
Neuordnung Europas, die Napoleon mit seinen Revolutionsheeren
erzwang und hervorrief. Für Gebietsverluste entschädigten
sich die weltlichen Reichsfürsten mit geistlichen
Fürstentümern und Reichstädten. Es begann ein großes
Tauschen und Feilschen. So gelangten 1804 endlich auch
die Vorarlberger Enklaven Blumenegg und St. Gerold an
das Haus Österreich. Weitere Erwerbungen eröffneten eine
neue vorderösterreichische Perspektive. Doch dazu kam es
nicht mehr.
Österreich verlor einen weiteren Koalitionskrieg gegen
Frankreich. Im Frieden von Pressburg musste es am 26.
Dezember 1805 unter anderem Tirol und „die sieben Herr-
Festakt „200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg 1808 bis 2008“
Götzis, Kulturbühne AMBACH, 6. Juni 2008
Ulrich Nachbaur (geb. 1962 in Feldkirch), Dr. iur., M.A., seit 1997 Mitarbeiter im Vorarlberger Landesarchiv
Von den Ständen zu den Gemeinden
Ulrich Nachbaur
schaften im Vorarlbergischen mit ihren Inklavierungen, die
Grafschaft Hohenems, die Grafschaft Königsegg-Rothenfels,
die Herrschaften Tettnang und Argen und die Stadt Lindau
nebst ihrem Gebiete“ an Bayern abtreten, 1 das sich für
seine Verluste bereits zuvor mit Erweiterungen in Schwaben
und Franken schadlos gehalten hatte.
Das Herzogtum Bayern wurde seit 1799 von Maximilian IV.
Joseph regiert, den seine „Landeskinder“ später den „guten
Vater Max“ nennen werden. Der Wittelsbacher musste
darauf bedacht sein, dass sein Herzogtum nicht zwischen
Frankreich und Österreich aufgerieben wird. 1805 wechselte
Bayern auch formell auf Napoleons Seite. Dafür wurden
ihm in Pressburg nicht nur Gebiete zugesprochen, sondern
mit 1. Jänner 1806 auch eine Rangerhöhung zum „Königreich“.
– Die Tage des Heiligen Römischen Reichs deutscher
Nation waren endgültig gezählt.
Das „Königreich Bayern“ reichte nun vom Main bis an den
Gardasee, vom Bodensee bis Passau an der Donau. Und König
Maximilian I., oder mehr noch sein dynamischer Minister
Maximilian Joseph Freiherr von Montgelas, setzten ihre
Bemühungen fort, das bunt zusammengewürfelte Königreich
zu einem bürokratischen Musterstaat des aufgeklärten
Absolutismus zu formen. Die Reformen galten ganz
Bayern und wurden in München nicht zur gezielten „Knechtung“
der Vorarlberger ersonnen.
Vielleicht bot gerade Vorarlberg gute Voraussetzungen, hatte
sich doch bereits die österreichische Regierung seit 50
Jahren um eine Modernisierung bemüht, um eine Professionalisierung
der Verwaltung, um die Förderung der Wirtschaft,
der Schulbildung, des Gesundheitswesens – freilich
nicht ohne Widerstand in der Bevölkerung; zumal jener, die
etwas zu verlieren hatten, wie das bei Reformen so ist.
Am 19. Jänner 1806 empfing König Maximilian in München
eine Delegation der Vorarlberger Stände zur Huldigung. Am
13. März wurde im Gasthaus „Löwen“ in Bregenz die Übernahme
des Landes zelebriert.
Seite 19

In welcher Verfassung traf es der königliche Kommissär an?
Von einem „Land Vorarlberg“, wie wir es heute kennen,
konnte noch nicht die Rede sein, auch wenn sich die
kaiserliche Verwaltung ab 1750 verstärkt bemüht hatte,
die Herrschaften vor dem Arlberg unter der Bezeichnung
„Vorarlberg“ zusammenzubinden, von oben ein einheitliches
Territorium zu formen. Wenn sich die Stände seit etwa
1780 als „Stände des Landes Vorarlberg“ bezeichneten, bezog
sich das nur auf den historischen Kernbestand, den die
Grafschaften Feldkirch, Bludenz, Sonnenberg und Bregenz
bildeten. Die Reichgrafschaft Hohenems und der Reichshof
Lustenau unterstanden zwar ebenfalls dem Kreisamt
für Vorarlberg, waren aber im Schwäbischen Reichskreis
verblieben. Ähnliches galt für die kurz zuvor erworbenen
Reichsherrschaften Blumenegg und St. Gerold.
Erst die Bayern hoben formell die „Staatsgrenzen“ innerhalb
Vorarlbergs auf, integrierten die Herrschaften in einen
modernen Territorialstaat, 2 beseitigten damit allerdings
auch die Landesstrukturen. Die Herrschaften wurden provisorisch
in die Provinz Schwaben eingegliedert 3 und 1808
mit der neuen Kreiseinteilung dem Illerkreis zugeschlagen. 4
Bereits mit Verordnung vom 16. November 1806 hatte der König
die Vereinheitlichung der staatlichen Behördenorganisation
nach bayerischem Muster angeordnet: Die Gerichts-
und Verwaltungsfunktion wurden auf Ebene der
Unterbehörden sieben Landgerichten übertragen, einschließlich
des Landgerichts Weiler im Allgäu, das 1814
bei Bayern bleiben wird. – Auf diese Landgerichte gehen
die 1849/50 errichteten Bezirkshauptmannschaften und
Bezirksgerichte zurück. – Für die Finanzverwaltung wurden
Rentämter in Bregenz und Feldkirch errichtet. Sämtliche
Dienstposten wurden mit heimischen Beamten besetzt, die
bisher dem Kaiser oder den Ständen gedient hatten. 5
Mitunter steht zu lesen, in einem seien bereits 1806 die
Stände abgeschafft und an ihrer Stelle Gemeinden ein-
Seite 20
gerichtet worden. Beides stimmt nicht. – Aber in welcher
Verfassung präsentierten sich die vielbesungenen „Landstände“?
In Vorarlberg hatten die Prälaten und der Adel keine Landstandschaft.
Die österreichische „Landschaft“ vor dem
Arlberg, die ab dem 15. Jahrhundert allmählich Gestalt
annahm, bildeten ausschließlich die drei Städte und 21
bäuerliche Gemeinwesen. Diese protodemokratische Landesvertretung
war im heutigen Österreich eine Ausnahme,
in Vorderösterreich und Schwaben eher die Regel.
Es war attraktiv, habsburgisch zu werden. In Österreich war
der Himmel hoch und der Kaiser weit. Deshalb setzten die
Stände alles daran, auch österreichisch zu bleiben. Nicht
von ungefähr gaben die Dornbirner 1655 die Losung aus:
„Lieber schweizerisch, lieber schwedisch, lieber tot als
emsisch!“. Die Stände vor dem Arlberg formten das Land
von unten.
Doch die Zeiten, in denen sie uns als „Länderbund“ entgegentreten,
waren längst vorbei. Wie überall im Reich
hatten die Stände ihren Zenit schon vor fünf, sechs Generationen
überschritten. Sie waren ein spätmittelalterliches
Auslaufmodell.
Eine Mitwirkung an der Rechtsetzung kam den Landständen
nie zu. Ihre historische Kernaufgabe war die Organisation
einer Landesverteidigung und die Bewilligung von Hilfstruppen
und außerordentlichen Steuern. Folglich war ihnen
die Verumlagung und Vereinnahmung der landesfürstlichen
Steuern übertragen, die sie zum Teil gegen Fixbeträge abgelöst
hatten, sie die Mehrerträge also selbst verwenden
konnten. Bei diesem Finanzausgleich vermochten die
dominierenden Städte Feldkirch und Bregenz die anderen
Stände über Jahrhunderte zu übervorteilen.
Auch in Altbayern kontrollierte die vom Adel dominierte
Landschaft das Steuerwesen, was für einen modernen

Verwaltungsstaat unannehmbar war. Im Juni 1807 ordnete
König Maximilian die Aufhebung aller landschaftlichen Kassen
an; 6 gleichzeitig eine Steuerreform. Zu diesem Zweck
wurden Steuerdistrikte gebildet, 7 an denen 1857 unsere Katastralgemeinden
anknüpfen werden. Das bayerische Steuerprovisorium
von 1811 8 sollte in Vorarlberg allerdings noch
bis 1881 in Geltung bleiben.
Im österreichischen Vorarlberg waren der Adel und die
Geistlichkeit schon seit Jahrzehnten besteuert worden,
hatte sich bereits die kaiserliche Verwaltung um mehr
Gerechtigkeit und Einnahmen bemüht. Hier traf die
Vermögenssteuerreform wohl mehr das städtische und
dörfliche Patriziat, das seine ärmeren Steuergenossen, so
gut es ging, bei der Verumlagung benachteiligte. Nicht nur
auf den Hinterwald traf zu, dass nur Männer mit dickem
Bauch und großem Misthaufen Ammann werden können,
gegen deren Herrschaft der „gemeine Mann“ schon vor
hundert Jahren revoltiert hatte.
Mit dem Entzug der Steuerverwaltung wurden die Stände
endgültig entmachtet. Am 1. Mai 1808 erließ Maximilian
eine „Konstitution für das Königreich Baiern“, 9 mit der
alle Sonderverfassungen, Privilegien und landschaftlichen
Korporationen aufgehoben wurden. 10 Für 16. Mai berief der
Kreiskommissär die Standesrepräsentanten ins Feldkircher
Rathaus ein und teilte ihnen in aller Ruhe die Auflösung der
Landschaft mit.
Die in Eile ausgearbeitete Konstitution war nur eine Rumpfverfassung,
die durch „Organische Edikte“ ergänzt werden
sollte. Späteren Ansprüchen an eine moderne Verfassung
vermag sie nicht standzuhalten. Aber sie erging immerhin
vierzig Jahre vor einer österreichischen Konstitution. Sie
ebnete den Weg von einer Untertanengesellschaft in eine
Bürgergesellschaft. Sie war das Grundgesetz einer „Revolution
von oben“, die in Österreich bereits Joseph II. (1780 bis
1790) geprobt hatte. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit
– vor allem die Gleichheit – wurden von oben verordnet und
streng kontrolliert.
Das Reformtempo Montgelas war enorm, etliches unausgegoren,
der Münchner Verwaltungszentralismus extrem
und nur beschränkt effektiv. Bis in den letzten Winkel griff
der absolutistische Staat ordnend ein. Dagegen regte sich
überall Widerstand. Ermutigt von Anfangserfolgen der österreichischen
Armee gipfelte er in Tirol und Vorarlberg
1809 in der so genannten „Volkserhebung“.
Die Mobilisierung der alten, kriegserprobten Landesmiliz
gegen eine völker- wie staatsrechtlich legitime Herrschaft
war Hochverrat. Doch während Wien vierzig Jahre später national-bürgerliche
Revolutionäre mit kurzsichtiger Brutalität
bestrafen wird, ließ München kluge Milde walten und
schaltete auch in seinem Reformeifer einen Gang zurück.
Dieser kostspielige Aufstand – entschuldigte sich der Bezauer
Landrichter – habe auch die Bemühungen um die
Gemeindebildung zurückgeworfen. Er stützte sich noch auf
die Gerichtsgemeinden Bregenzerwald, Lingenau und Mittelberg.
Was ist unter „Gerichtsgemeinden“ zu verstehen?
Von den Ständen als landschaftliche Korporation sind begrifflich
die einzelnen Stände zu unterscheiden, die gewissermaßen
„Mitglied“ der Landschaft waren. Ihre Verfassung
und Rechtsstellung war sehr unterschiedlich. Weil
einige Anteil an der landesfürstlichen Gerichtsbarkeit hatten,
wurden sie auch als „Gerichte“ bezeichnet. Doch seit
dem ausgehenden 17. Jahrhundert waren sie weit gehend
auf staatlich kontrollierte Verwaltungsgenossenschaften
zurückgestutzt worden, die auch landesfürstliche Aufgaben
zu besorgen hatten. Spätestens mit der modernen Straf-
und Zivilrechtskodifikation – mit der Österreich Bayern
weit voraus war – erodierten die gewohnheitsrechtlichen
„Landsbräuche“. Gericht und Ammannschaft wurden getrennt,
die Rechtssprechung – endlich – professionalisiert.
– Nicht von ungefähr hatte zum Beispiel die Hexenverfolgung
im „ständisch-demokratischen“ Vorarlberg über die
Maßen gewütet, bis ihr die landesfürstliche Verwaltung
Einhalt gebieten konnte.
Seite 21

Nach dieser josefinischen Regulierung verfügten 1790 von
den 24 „Gerichten“ noch 14 über eine niedere Zivilgerichtsbarkeit
und noch vier zudem über eine beschränkte Strafgerichtsbarkeit.
Zumal kleinere Stände, wie das Gericht Jagdberg, gaben
den Behörden zu verstehen, dass sie auch mit anderen
übertragenen Staatsaufgaben intellektuell und finanziell
überfordert seien. Das Gericht Jagdberg löste sich de facto
bereits vor der Bayernzeit in seine Gemeinden auf, die bereits
Jahrhunderte zurückreichten.
Und weshalb, fragen Sie zu Recht, feiern wir dann heute
„200 Jahre Gemeindeorganisation“, wenn es doch schon
weit davor Gemeinden gab?
Nun, zum einen bestanden nicht in ganz Vorarlberg neben
den Gerichten auch dörfliche Gemeindestrukturen; und wo
es sie gab, entsprachen sie nicht unseren heutigen Vorstellungen
von Gemeindeorganisation.
Neben den drei Städten gab es auch Landgemeinden, die
ab dem 14. Jahrhundert ein Stück weit eine demokratische
Selbstverwaltung erlangten, die über Zwing und Bann, also
über ein Satzungsrecht und Polizeibefugnisse verfügten,
vor allem über den Flurzwang. Diese frühen Gemeinden
entstanden im ehemals rätoromanischen Oberland. Diese
Dorfgemeinden bestanden neben den Gerichten. Hier
kam die Gerichtsgemeinde fast einem Gemeindeverband
gleich. Im übrigen Vorarlberg nahm die Gerichtsgemeinde
sämtliche Gemeindefunktionen wahr, bildeten sich kaum
zusätzliche Gemeindestrukturen aus; sehen wir von den
Pfarrgemeinden ab.
Beim Aufbau einer professionellen Staatsverwaltung
spannten bereits die Österreicher zunehmend die Pfarrer
ein. Denken wir nur an das 1784 „verstaatlichte“ Matrikenwesen,
das, wie die Einführung der Hausnummerierung,
auch der Rekrutierung für das stehende Heer diente. – Um
Seite 22
diese Zeit setzte sich zunächst im Kirchenbereich allmählich
das Wohnsitzprinzip und damit die Territorialgemeinde
durch.
Denn bis in diese Zeit und noch darüber hinaus war nicht
so sehr entscheidend, wo man wohnte, sondern welcher
Gemeinde man angehörte. Gemeinden waren noch vorrangig
Personengemeinschaften. Dabei konnten sich Gerichtsgemeinden,
Dorfgemeinden, Kirchspielgemeinden, Wirtschaftsgenossenschaften,
Steuergenossenschaften usw.
über lagern; im Übrigen auch mit Genossenschaften von
Leibeigenen, in die nicht zuletzt unsere „freien“ Wälder und
Walser zahlreich steuern mussten.
Solange die Gemeinden Träger der Sozialfürsorge bleiben,
und das war bis 1938 der Fall, bleibt der Aspekt des
Personenverbandes elementar: Bis dahin konnten Gemeinden
Mitglieder ohne Heimatrecht ausweisen, wenn diese
oder ein Angehöriger einen „bescholteten Lebenswandel
führen, oder der öffentlichen Mildtätigkeit zur Last fallen“; 11
und nur Heimatberechtigte, die zudem das Bürgerrecht besaßen,
waren an den Gemeindenutzungen beteiligt. Deshalb
kandidierten „Nichtbürgerparteien“ gegen „Bürgerparteien“.
– Diese Zweiklassenbürgerschaft lebt bis heute
in Form subventionierter Agrargemeinschaften fort.
Worin lag das Entscheidende der bayerischen Gemeindereform
von 1808?
Mit dieser Gemeindereform sollten zwei Grundprinzipien
verwirklicht werden, die uns heute selbstverständlich sind:
die Ortsgemeinde und die Einheitsgemeinde – und das in
einem vernünftigen Zuschnitt.
Am 28. Juli 1808 erließ Max Joseph ein „Organisches Edikt
über die Bildung der Gemeinden“. 12 Die Gemeindegrenzen
hatten sich grundsätzlich an den gleichzeitig abzuteilenden
Steuerdistrikten zu orientieren. Die Vermarkung der Ortsgemeinden
sollte innerhalb eines Jahres abgeschlossen
werden.

Die Gemeindeverfassungen sollten vereinheitlicht werden,
und es sollte nur noch eine einzige Gemeinde geben, die
für alle Verwaltungsangelegenheiten – also zugleich für die
politischen, ökonomischen, finanziellen, kirchlichen, schulischen
und sonstige Zwecke – zuständig ist. In diesem
Sinn ließ der König am 24. September 1808 ein „Edikt über
das Gemeinde-Wesen“ folgen, 13 eine detaillierte und für
ganz Bayern einheitliche Gemeindeordnung.
Sie sah Gemeinden als öffentliche Körperschaften mit eingeschränkter
Rechtsfähigkeit vor, allerdings ohne nennenswerte
Selbstverwaltung. Die Reform zielte nur auf staatliche
Verwaltungssprengel auf unterster Ebene ab. Die Städte,
Märkte und Landgemeinden wurden unter die strenge „Kuratel“
der übergeordneten Behörden gestellt, die sich um
Kompetenzen stritten. Besonders verheerend wirkte sich
die Entziehung der Vermögensverwaltung aus. Diese Gemeindeverfassung
erwies sich als undurchführbar und wird
in Bayern zehn Jahre später reformiert werden.
Grundsätzlich dürfte das ehemalige Vorarlberg gute Voraussetzungen
für die Gemeindebildung geboten haben, zumal
es keine Grundherrschaft gab. Wo bereits Stadt- und Dorfgemeinden
bestanden hatten, ging sie relativ leicht vonstatten.
Andernorts wurden Gerichtsgemeinden zum Teil
einfach auf eine Dorfgemeinde reduziert. Das war zum Beispiel
beim großen Dornbirn der Fall, während sich das kleine
Gericht Höchst in drei Dorfgemeinden aufspaltete.
Die Landgerichte Montafon, Sonnenberg (mit Ausnahme
des Gerichts Tannberg), Feldkirch und Dornbirn wiesen bereits
in der Gemeindefinanzstatistik für 1809/10 die neue
Gemeindeeinteilung aus. Für 1811/12 war auch das Landgericht
Bregenz soweit, während das Landgericht Innerbregenzerwald
immer noch mit den ehemaligen Gerichtsgemeinden
operierte.
Eine Ausnahme vom Territorialprinzip bildete eine politische
„Judengemeinde“ Hohenems als Personalgemeinde,
die 1878 vor dem Verwaltungsgerichtshof die Integration
in die territoriale „Christengemeinde“ Hohenems erringen
wird.
Etliche Stände blieben als Vermögensgemeinschaften der
Nachfolgegemeinden noch einige Jahre oder Jahrzehnte bestehen,
die Stände Montafon und Bregenzerwald bis heute.
Zudem dauerten Lastenverbände verschiedener Gemeinden
fort oder wurden neu begründet, wie Straßen-, Brücken-,
Wuhr- oder Schulkonkurrenzen.
Die Gemeindereform von 1808 bedeutete den Übergang
zu territorial abgegrenzten Ortsgemeinden – zu Gebietskörperschaften
– mit staatlichen Aufgaben und einer staatlich
beaufsichtigten Selbstverwaltung aufgrund einer einheitlichen
Gemeindeverfassung, wie wir sie heute kennen.
Wenn auch der Weg zu einer demokratischen Selbstverwaltung
noch weit war, markiert für Vorarlberg bereits
das Jahr 1808 den Ausgangspunkt einer modernen Gemeindeorganisation
und nicht erst das Revolutionsjahr 1848/49.
1813, nach dem traumatischen Russlandabenteuer Napoleons,
wechselte Bayern wieder an Habsburgs Seite. Im
Juli 1814 kehrte Vorarlberg, bis auf das Westallgäu, zu Österreich
zurück; als modernisiertes und erstmals ins sich
geschlossenes Land.
Die alten Eliten erhofften sich eine Wiederherstellung ehemaliger
Zustände. Doch die österreichische Regierung war
weitsichtig genug, die bayerischen Reformen weitgehend
beizubehalten. Sie wahrte Vorarlberg damit einen Vorsprung
auf dem Weg in das Industriezeitalter.
Die Landstände wurden 1816 nur auf dem Papier wiedererrichtet.
Der Landtag von 1848 wird mit seinem ungemein
fortschrittlichen Verfassungsentwurf klar mit der landständischen
Tradition brechen.
Seite 23

Eine Gemeinderegulierung für Tirol und Vorarlberg knüpfte
1819 an die bayerischen Reformen an; weiterhin unter den
Vorzeichen eines zentralistischen Absolutismus, den 1848
bürgerliche Revolutionen ins Wanken brachten.
Das Provisorische Gemeindegesetz von 1849 gab schließlich
für ganz Österreich den Anstoß zur Bildung von Ortsgemeinden
mit einem „natürlichen“ und einem vom Staat „übertragenen“
Wirkungskreis. Es dauerte aber noch geraume Zeit,
bis der vielbemühte Artikel I – „Die Grundfeste des freien
Staates ist die freie Gemeinde“ – Gestalt annehmen konnte.
Dieses Gesetz wurde nach drei Jahren wieder aufgehoben.
Der 1861 errichtete konstitutionelle Vorarlberger Landtag
nahm sofort Beratungen über eine neue Gemeindeordnung
auf, die Kaiser Franz Joseph 1864 schließlich genehmigte.
1817 zählte Vorarlberg knapp 100 Gemeinden, 14 1917 waren
es 104, 1937 99 und 1945 90 Gemeinden. Die Zusammenlegungen
in nationalsozialistischer Zeit wurden jedoch
großteils wieder rückgängig gemacht. Während die Zahl
der österreichischen Gemeinden inzwischen halbiert wurde,
blieb es in Vorarlberg seit 1947 unverändert bei 96 Gemeinden,
mit dem höchsten Anteil an Klein- und Kleinstgemeinden.
– Und wehe, es möchte schon wieder einer über
Strukturreformen nachdenken; kaum, dass wir die bayerischen
halbwegs verdaut haben.
Vorarlberg ist kein ideales Land. Aber es ist ein gutes Land.
Es ist unser Heimatland.
Seite 24
1 Friedenstraktat zwischen Sr. Majestät dem Kaiser der Franzosen, König
von Italien und Sr. Majestät dem Kaiser von Österreich vom 26.12.1805,
Königlich-Baierisches Regierungsblatt [fortan: RBl.], S. 50, Pkt. VIII.
2 Ausdrücklich im Rahmen der Verordnung vom 16.11.1806, die
Organisation von Vorarlberg betreffend, RBl. 1806 S. 433.
3 Verordnung vom 26.04.1806, die Vereinigung der vorarlbergischen
Herrschaften mit der schwäbischen Provinz betreffend, RBl. 1806, S.
199.
4 Allerhöchste Verordnung vom 21.06.1808, die Territorial-Eintheilung des
Königreichs Baiern betreffend, RBl. 1808, S. 1481.
5 Wie Anm. 3.
6 Verordnung vom 08.06.1807, die Gleichheit der Abgaben, Steuer-
Rektifikation und Aufhebung der besonderen landschaftlichen Steuer-
Kassen betreffend, RBl. 1807, Sp. 969.
7 Verordnung vom 13.05.1808 die Provinz Bayern betreffend, RBl. 1808,
Sp. 1089; abgewandelt für die Provinz Schwaben, RBl. 1808, Sp. 1275.
8 Edikt vom 30.09.1811 über die Reklamationen wider das allgemeine
Steuer-Provisorium, RBl. 1811, Sp. 1521; Verordnung vom 22.11.1811, das
allgemeine Steuer-Mandat für das Etatsjahr 1811/12 betreffend, RBl.
1811, Sp. 1745.
9 RBl. 1808, Sp. 985.
10 Zudem Verordnung vom 01.05.1808, die Aufhebung der dermaligen
landschaftlichen Korporationen betreffend, RBl. 1808, Sp. 961.
11 Gemeindeordnung 1935, LGBl. Nr. 25/1935, § 22 Ausweisung.
12 RBl. 1808, Sp. 2789.
13 RBl. 1808, Sp. 2405.
14 Ausweis über die gemischten Gerichte in Tyrol und Vorarlberg, wie
solche vom 1. Mai 1817 an, in Gemäßheit des allerhöchsten Patents
vom 14. März 1817 zu bestehen haben, und über die ihren Bezirken
zugewiesenen Gemeinden und Ortschaften (Vorarlberger Landesarchiv:
Kreisamt I, Publikum 1817).

Nach diesem exzellenten Vortrag des Advokaten, der einen
bayerischen Jubiläumsmarsch verdient hätte, haben Sie,
meine Damen und Herren, mit diesem wunderbaren Walzerstück
alles wieder ins rechte Licht gerückt. Man möchte
sagen, „tu felix Austria“, du gehst die Dinge einfach beschwingt,
lebensfroh und am Ende ausgesprochen erfolgreich
an.
Zunächst möchte ich mich natürlich recht herzlich bedanken
für Ihre Einladung zum Vorarlberger Gemeindetag. Es
freut mich sehr, heute bei ihnen hier im schönen Rheintal,
in Götzis zu sein.
I. Einleitung
Zugegeben, einen kurzen Moment war ich als ihr bayerischer
Gast verwundert, ausgerechnet nach Götzis eingeladen
zu sein. Denn, lieber Herr Bürgermeister, weisen Sie
Götzis als einen „der Hauptorte des Widerstandes gegen
die bayerische Regierung in Vorarlberg in Jahre 1809“ aus.
Der Götzner Adlerwirt und Landesschützenmajor Johann Ellensohn
wird im gleichen Atemzug als „maßgeblich an der
Volkserhebung dieses Jahres beteiligt“ genannt.
Ich hab mich dann noch ein bisschen schlau gemacht und
hab dann an der Stelle im Grunde gesagt, Götzis ist keine
schlechte Wahl, denn für den Staatssekretär im Finanzministerium
wäre Dornbirn doch schwieriger geworden. Im
Zusammenhang mit der Einführung der Garnsteuer wurde
in Dornbirn einmal ein Steuereintreiber von aufgebrachten
Frauen überfallen, und am Ende soll es auch Fälle gegeben
haben, wo die Steuerleute bis nach Lindau gejagt wurden,
deshalb habe ich den Landrat mitgebracht, Herrn Stegmann;
also wenn‘s eng wird, sind Sie hier mit von Nöten.
Ich darf die besten Grüße vom bayerischen Ministerpräsidenten
und auch vom bayerischen Finanzminister
Erwin Huber überbringen. Beide haben heute die traurige
Pflicht, die langjährige Staatsministerin und stellvertretende
Ministerpräsidentin Mathilde Berghofer-Weich-
Festakt „200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg 1808 bis 2008“
Götzis, Kulturbühne AMBACH, 6. Juni 2008
Georg Fahrenschon (geb. 1968 in München), Diplom-Ökonom, 2007 bis 2008 Staatssekretär
im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, seit 30. Oktober 2008 Bayerischer Finanzminister
(Christlich-Soziale Union)
Bayern und Vorarlberg –
Freundschaft mit Tradition
Georg Fahrenschon
ner auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Ich glaube, es trifft
auf Ihr Verständnis, dass ich deshalb eingesprungen bin,
sehr gerne, selbstverständlich. Ich kann ihnen versichern,
vom Widerstand habe ich heute nichts gespürt, im Gegenteil.
So eine Vorgabe kommt selten vor, dass dem Staatssekretär
mit einem Walzer aufgespielt wird.
II. Historische Gemeinsamkeiten von Vorarlberg
und Bayern
Die Ereignisse des Jahres 1809 kennzeichnen dennoch den
Grund, warum gerade ich heute vor Ihnen stehe: Vorarlberg
gehörte 9 Jahre lang von 1805 bis 1814 zum Königreich Bayern.
Diese kurze Phase hatte als „bayerische Knechtschaft“ in
Erinnerung an die Volkserhebung des Jahres 1809 lange
Zeit in Ihrer Landesgeschichtsschreibung einen denkbar
schlechten Ruf.
Als Mitglied der Bayerischen Staatsregierung und freiheitsliebender
Altbayer freut es mich daher natürlich, wenn ich
beobachte, wie die jüngere Generation der Landeshistoriker
um ein deutlich ausgewogeneres Bild der bemüht ist.
Heute wird betont, dass das Land in diesen Jahren einen
enormen Modernisierungsschub erlebte. Es wurden entscheidende
Weichen für die weitere wirtschaftliche, politische
und kulturelle Entwicklung des Vorarlbergs gestellt.
Ein wesentlicher Eckstein war dabei das bayerische
Gemeindeedikt von 1808. Mit ihm war der endgültige
Übergang vom mittelalterlichen Personenverband zu Ortsgemeinden
und zu einer staatlich beaufsichtigten Selbstverwaltung
verbunden.
Mit der neuen Verwaltung erhielt Vorarlberg seine heutige
Struktur. Ein Großteil der Gemeinden in Vorarlberg geht auf
diese Gemeindereform von 1808 zurück.
Seite 25

Zwar lag sicherlich für „unseren“ König Max Joseph und
seinen großen Reformminister Graf Montgelas 1808 der
Schwerpunkt auf den Gemeinden als der untersten Ebene
einer zentralisierten Staatsverwaltung. Dennoch bildet die
Begründung von Subsidiarität und Selbstverwaltung aber
aus heutiger Sicht in Vorarlberg wie in Bayern ein entscheidendes
Fundament der Demokratie.
Damals stellte sich den bayerischen Reformern eine Grundfrage:
Wie kann man ein Gemeinwesen am zweckmäßigsten
organisieren?
Herr Präsident Wilfried Berchtold hätte es in seinem Grußwort
zum Jubiläumsjahr 2008 nicht treffender auf den
Punkt bringen können: Auch wenn die Frage nach zweckmäßiger
Organisation nüchtern und bürokratisch klingt, sie
ist immer brandaktuell:
Sie entscheidet auch gegenwärtig stets von neuem über Lebensqualität
und Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaften
und unserer beider Staaten.
III. Kommunale Aufgabenstellungen heute
Wie lauten die Herausforderungen, die auf die Kommunen
heute in Vorarlberg wie in Bayern warten? Ich werde versuchen,
vier zentrale Fragestellungen zu umreißen:
�� ��������� ���� ��� ���� ����������� ���������� ���� ���schen
zu denken. Die Arbeitsplatzwahl bestimmt heute
vielerorts die Ortswahl, nicht mehr umgekehrt. Hieraus
resultiert eine große Fluktuation der Bevölkerung. Die
Kommunen haben hierauf zu reagieren. Die offene Gesellschaft
fordert, Gemeinschaft gerade vor Ort zu stabilisieren,
Neubürger einzubinden und somit immer wieder
Integrationsarbeit zu leisten.
�� ��������������������������������������������������������ger.
Viel stärker als je zuvor beschäftigt die Kommunen
heute der stetige Wettbewerb um neue Investoren und
Seite 26
Arbeitsplätze. Die Kommunalpolitik steht hier unter
einem ständigen Druck.
Gerade in einer Grenzregion wie in Vorarlberg und erst
recht hier im Rheintal muss man es betonen: Die Konkurrentensituationen
sind in der grenzüberschreitenden
globalisierten Wirtschaft immer vielfältiger geworden.
Die Gemeinden und Städte stehen nicht mehr nur mit
ihren örtlichen Nachbarn im Wettbewerb, sondern auch
mit ausländischen und in bestimmten Branchen mit
Standorten weltweit.
�� ��������������������������������������������������������
Die Ansprüche der Bürger an eine bedarfsgerechte Daseinsvorsorge
und Infrastruktur steigen stetig. Bei dem
Werben um die Menschen geht es aber zusätzlich auch
um das Angebot möglichst zeitgemäßer und attraktiver
sozialer, kultureller und sportlicher Angebote.
�� ������������������������������������������������������ken,
denen sich die Kommunen in immer anspruchsvolleren
Maß zu stellen haben. Hier steigen nicht nur
die Fallzahlen, sondern auch die Anforderungen an die
Aufgabenerfüllung. Quantität und Qualität der Hilfe werden
gerade vor dem Hintergrund des demographischen
Wandels zu einer wesentlichen Herausforderung für die
Kommunen.
IV. Gemeinsame Antworten
Was sind die Antworten moderner Kommunalpolitik auf
diese Aufgabenstellungen?
Lassen Sie mich eines gleich vorweg betonen: Viele aufgezählten
Herausforderungen lassen sich nicht durch
kommunale Alleingänge in den Griff bekommen. Nicht im
Alleingang einer einzelnen Kommune, nicht im Alleingang
ihrer Gesamtheit - aber vor allem:
Auch nicht im nationalen Alleingang!

Ich möchte dies nur anhand von drei Beispielen aufzeigen,
bei denen wir um Antworten auf ganz ähnliche Weise in
Vorarlberg wie in Bayern ringen:
1. Konnexitätsprinzip
Als bayerischer Finanzstaatssekretär, Kreisrat und langjähriger
Gemeinderat liegen mir natürlich zuallererst die kommunalen
Finanzen am Herzen.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie der kommunalen
Familie in Österreich im Jahre 1996 mit der Einigung
über den Konsultationsmechanismus ein großer Erfolg
geglückt ist. Mit diesem Instrument wird verhindert, dass
den Kommunen ohne deren Zustimmung finanzielle Belastungen
durch Bund oder Land aufgebürdet werden. Dieser
Erfolg hat seinerzeit den Forderungen der Kommunen in
Deutschland nach Einführung eines vergleichbaren Schutzmechanismus
großen Auftrieb gegeben.
Seit 2004 haben auch wir in Bayern eine ähnliche Regelung:
das Prinzip der Gesetzeskonnexität: Wer bestellt, bezahlt.
Es dient dem Schutz der Kommunen vor finanzieller Überforderung
durch neue Aufgaben. Überträgt der Staat den
Kommunen Aufgaben, hat er gleichzeitig Bestimmungen
über die Deckung der Kosten zu treffen. Verbleibende Mehrbelastungen
sind auszugleichen.
Die Vorschrift bedeutet einen sehr nachhaltigen Schutz für
die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen. Zum einen
wirkt sie vorbeugend, indem sie Staat und Kommunen
die finanziellen Folgen des Handelns möglichst frühzeitig
vor Augen führt. Zum anderen ist sie gerade deshalb effektiv,
weil sie auf das Miteinander setzt: Wenn der Staat den
Kommunen Aufgaben im Sinne des Konnexitätsprinzips
überträgt, setzt er sich mit den kommunalen Spitzenverbänden
an einen Tisch und der nötige Ausgleich wird –
nach Möglichkeit -einvernehmlich festgelegt.
Bayern hat hier intensiv die Vorarbeiten in Österreich
beobachtet und ich möchte sagen: Bayern hat dabei von
Österreich gelernt!
2. Ländlicher Raum
Ich kenne die stetigen Bemühungen des Österreichischen
Gemeindebundes, bei den Finanzausgleichsverhandlungen
über den Bevölkerungsschlüssel Verbesserung für die
kleinen Gemeinden im ländlichen Raum zu erreichen.Auch
für die bayerische Kommunalpolitik ist die Förderung des
ländlichen Raumes ein zentrales Thema:
Bayern verfolgt hier einen ganzheitlichen Ansatz: Stadt und
Land werden nicht als Gegenspieler gesehen, sie ergänzen
sich vielmehr gegenseitig.
Dabei setzt Bayern auf eine bewusste staatliche Lenkung
und Förderung. Die Landesplanung gibt das Leitziel „wertgleicher
Lebensbedingungen“ – nicht inhaltlich gleicher –
im ganzen Land vor. Hieran halten wir fest, so dass sich alle
staatlichen Ebenen zu ihrer Verantwortung für den ländlichen
Raum bekennen.
Im Zuständigkeitsbereich des Finanzministeriums haben
wir reagiert, indem wir in den kommunalen Finanzausgleich
neben seiner allgemein hohen Ausgleichswirkung
mehrere Instrumente eingebaut haben, die besonders dem
ländlichen Raum zugute kommen: zum Beispiel
�� ��������� �������������������� ������ ������� ����������
nicht ewig für ein Projekt ansparen müssen,
��� ������������������������������������������������������
progressiv sind, je mehr km pro 1000 Einwohner zu bedienen
sind,
��� �����������������������������������������������������
und manches andere mehr...
Seite 27

��� ����� ���� ����������� ���� ������ ���������������������
leiden, wurde ab 2006 gezielt ein Demographiefaktor
eingeführt. Die betroffenen Gemeinden werden in Bezug
auf ihren Finanzbedarf vorübergehend noch so behandelt,
als hätten sie noch mehr Einwohner. Sie haben so
etwas mehr Zeit, um notwendige Anpassungen vornehmen
zu können.
Vielleicht ist hierunter auch die eine oder andere Anregung
für Sie.
3. Europäische Herausforderungen
Lassen Sie mich zuletzt noch kurz auf Herausforderungen
eingehen, vor die wir gemeinsam von europäischer Ebene
gestellt sind:
Der Vertrag von Lissabon von Ende 2007 bringt erstmals die
ausdrückliche Achtung der kommunalen Selbstverwaltung
durch die EU. Man möchte fast den Vergleich zur Zentrale
der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft führen;
vor deren Hauptquartier in Brüssel steht ein großes Monument
und das ist überschrieben mit dem Spruch: „Wachsamkeit
ist der Preis der Freiheit“. Allein der Vertrag ist eine
gute Grundlage, aber es gilt genauestens zu verfolgen, welche
Überlegungen die Europäische Kommission in Brüssel
anstellt. Vorgaben der EU engen die Kommunen erheblich
ein und bringen oft hohen bürokratischen Aufwand.
Ich denke hier zum Beispiel an die Vorstellungen der EU zur
Liberalisierung der Daseinsvorsorge, ich denke an europaweite
Ausschreibungspflichten. Bayern wendet sich hier
mit allem Nachdruck gegen EU-Pläne, die die Kommunale
Selbstverwaltung bedrohen!
Die EU darf die Kommunen nicht aus den Bereichen Wasser-
und Energieversorgung verdrängen - weder durch ordnungspolitische
Maßnahmen, noch durch zu hohe bürokratische
Hemmnisse.
Seite 28
Wir sind uns einig: Wir haben das Subsidiaritätsprinzip in
Europa nicht durchgesetzt, damit Brüssel dieses zentrale
Erfolgsprinzip auf bürokratischen Weg wieder aushebelt!
IV. Schluss
Bei allen Sachfragen ist für mich ein Gedanke von entscheidender
Bedeutung: Ich bin überzeugt, dass wir in unserem
Gemeinwesen nur gemeinsam und nur von unten nach
oben unseren Aufgaben gerecht werden können. Den Dreiklang
von Subsidiarität, Solidarität und Personalität, den
die katholische Soziallehre im letzten Jahrhundert prägte,
halte ich für zeitlos gültig.
Der Kerngedanke ist aber noch älter: Er hat bereits vor 200
Jahren die bayerischen Verwaltungsreformen getragen und
er ist heute aktueller denn je.
Das Miteinander von Staat und Kommunen muss aus dieser
Tradition heraus Maxime unseres Handelns bleiben!
Gleichzeitig stellt sich keine der angesprochenen Fragen
nur im Inland oder ist mit nationalen Alleingängen in den
Griff zu bekommen.
Wir haben voneinander zu lernen und müssen Lösungen
gemeinsam angehen.
Deshalb schließe ich meinen Beitrag zu Ihrer Eindrucksvollen
Veranstaltung mit dem Appell: Lassen Sie uns gerade
zwischen Vorarlberg und Bayern unsere gemeinsame
Kommunale Herkunft zum fruchtbringenden Dialog nutzen.
Gott schütze unsere beiden Länder in Freundschaft mit Tradition!
Herzlichen Dank für ihre Aufmerksamkeit.

Ein Jubiläum, 200 Jahre einer neuen Gemeindeverfassung.
Der Rückblick fordert auch einen Ausblick und diese neue
Sicht des Historikers über das Geschehen vor 200 Jahren
und die positiven Seiten der Modernisierung zeigt auch,
welchen Charme ein scharfer Intellekt hat, vor allem, wenn
man so direkt an das Thema herangeht wie Dr. Nachbaur.
Wenn ich mir vorstelle … Landammann. Die Funktion ist
zwar nicht ganz parallel mit meiner vergleichbar, aber doch
ähnlich. Misthaufen und Bauch, wenigstens eines hätte
mir gefehlt, ich danke also schon aus diesem Grund den
bayrischen Nachbarn für die Modernisierung vor 200 Jahren.
Der Wert der Gemeinde steht insgesamt und abstrakt nicht
in Diskussion, wohl aber der Wert der einzelnen Gemeinde
und auch von bestimmten Gemeindetypen. Das wird diskutiert
und wurde auch im vergangenen Jahr in unserem Land
recht intensiv diskutiert. Der Zugang ist immer derselbe. Es
ist ein möglicher Zugang, der schon Sinn macht, aber nur
einen Teil der Wirklichkeit abbildet. Es ist ein verwaltungstechnischer
Zugang, der die Kosten der Verwaltungsstruktur
beurteilt und unterstellt, dass bei größeren Gemeindeeinheiten
die Kosten geringer seien. Das ist im Übrigen eine
Überlegung, die bei anderen Reformansätzen – ob Schule
oder Gesundheit – sehr stark im Vordergrund steht. Dieser
Gesichtspunkt hat eine gewisse Bedeutung, aber seine
Schlichtheit und Einseitigkeit sollte man schon etwas intensiver
diskutieren und einige andere Gesichtspunkte zu
mindestens auch betrachten.
Das fällt manchen Menschen schwer. Wenn man sie nach
dem „Warum“ fragt, stellt man häufiger fest, dass es sich
um Menschen handelt, die nicht so sehr mit anderen Menschen
direkt Kontakt haben, häufig nicht so sehr mit der
praktischen Umsetzung von solchen organisatorischen Fragen
befasst sind und daher die Dinge etwas abstrakter beurteilen.
Einer der Vorteile dessen, was sich in den Gemeinden
abspielt, ist sicher eine „Kultur des sich Kümmerns“
um Entwicklungen im menschlichen Leben. Herausforderungen
werden in Angriff genommen, unabhängig davon,
Festakt „200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg 1808 bis 2008“
Götzis, Kulturbühne AMBACH, 6. Juni 2008
Herbert Sausgruber (geb. 1946 in Bregenz), Dr. iur., seit 1989 Mitglied der Vorarlberger Landesregierung,
seit 1997 Landeshauptmann von Vorarlberg (Österreichische Volkspartei)
Gemeinden mit Zukunft
Herbert Sausgruber
ob eine juristische Zuständigkeit besteht oder nicht. Das
sollten wir in der Bedeutung nicht unterschätzen! Ich habe
in den Jahrzehnten meiner Tätigkeit wirklich häufig erlebt,
dass irgendwelche Problemstellungen auftauchten. Ich war
dann heilfroh, dass ich an dem Ort einen Bürgermeister, Gemeindevorstände
oder Gemeindevertreter gefunden habe,
die sich um die Angelegenheit kümmerten und versuchten,
selbst eine Lösung zu organisieren. Sie haben dabei nicht
danach gefragt, ob sie juristisch zuständig sind – in der Regel
waren sie es nicht.
So etwas ist doch für gut zu erachten. Ebenso ist es gut,
dass die Gemeinden emotionelle Identifikation, Heimatbewusstsein
und Heimatgefühl vermitteln – wie immer
man das dann werten mag. Das ist ein Wert – vor allem in
einer Zeit, wo sehr viel großräumig geregelt wird, sehr viel
Fremdbestimmung auf die Menschen zukommt und sie das
auch so empfinden – und sie sind dankbar für Bereiche,
die Heimatgefühl und Identität vermitteln. Funktionell –
und das sollten wir sehr hoch schätzen – knüpft sich sehr
viel an ehrenamtliches Engagement. Ehrenamtliches Engagement
ist sehr prägend für viele Qualitäten in unserem Leben.
Sehr viel ehrenamtliches Engagement hängt an diesen
Gemeinderealitäten an. Wenn man die Gemeinderealität
reduziert, kann es passieren, dass auch die Motivation, ehrenamtlich
tätig zu ein, reduziert wird und damit nachlässt.
Was wäre mit unseren Qualitäten im Bereich der Sicherheit,
im Bereich des kulturellen Geschehens, im Bereich des sozialen
Lebens, im Bereich des Sportes – um jetzt nur einige
nicht unwesentliche Lebensbereiche zu nennen – wenn
die ehrenamtlichen Strukturen vor allem in den dörflichen
Gemeinden, die in der Regel gemeindeweise organisiert
sind, in der Form plötzlich nicht mehr lebendig wären? Das
sind Gesichtspunkte, die Bürokraten weniger interessieren,
weil sie es auf Grund ihrer Entfernung in ihrer Lebenswelt
auch nicht mehr so wahrnehmen. Wir sollten sehen, dass
wir – wenn wir die Qualitäten in diesen Bereichen aufrecht
erhalten wollen – die Motivation zum Ehrenamt und die
Vernetzung von Familienleistungen und ehrenamtlichen
Seite 29

Leistungen mit professionellen Diensten auf hohem Niveau
halten, denn es gibt keine Volkswirtschaft der Welt – auch
unsere nicht –, die in der Lage wäre, flächendeckend für all
diese Qualitäten zu bezahlen. Das heißt: wenn die Motivation
sinkt, sinkt auch die Qualität der Leistung – und das
großflächig.
Im kommunalen Bereich engagieren sich bei uns etwa
2.000 Vorarlbergerinnen und Vorarlberger ehrenamtlich in
Gemeindevertretungen und Ausschüssen. Auch diese Form
des ehrenamtlichen Engagements hängt an der Gemeinde
und ihrer Existenz. Ein zweiter Gesichtspunkt, der zur Wertschätzung
auch für kleinere Gemeinden beiträgt, ist unser
wichtiges Ziel, vergleichbare, gleichwertige Lebensverhältnisse
in Stadt und Land zu haben. Das ist zunächst eine
wirtschaftliche Herausforderung, die hier nicht zur Debatte
steht, aber natürlich erwähnt werden soll. Arbeitsplätze in
den auch entlegenen Regionen zu haben – die Funktion des
Tourismus für diese Aufgabe, wo Industrie und Gewerbe
das nicht so gut können. Im Weiteren zählt dazu aber auch
die Vorsorge für eine ordentliche Qualität von Einrichtungen
und Diensten, die eine Familie heute erwarten kann.
Der Maßstab für die Qualität und Attraktivität lässt sich wie
überall auf der Welt an den Indikatoren Besiedelung und
Absiedelung ablesen. Wenn die Jungen gehen, kann man
sich darauf verlassen, dass etwas nicht optimal funktioniert.
Wenn die Jungen bleiben, dann weiß man – auch
wenn die Opposition etwas anderes behaupten würde –,
dass es funktioniert. Wir liegen in diesem Bereich nicht
schlecht. Wir sind nicht perfekt, denn es gelingt uns nicht
ganz, die Entwicklung zu stoppen. Aber wir erreichen doch
recht gut, dass auch junge Familien in entlegenen Gebieten
bleiben. Zu den nötigen Voraussetzungen gehört beispielsweise
das Vorhandensein einer ordentlichen Wasserversorgung
in der Gemeinde. Es ist auch ein Vorteil, wenn es eine
Schule im Ort gibt. Haben wir aber eine Bundeskompetenz,
meine Damen und Herren, weiß ich nicht, ob – wenn das
Geld knapp ist und es ist knapp – irgendjemand nicht auf
die Idee kommt, die Schlüssel zu verändern, das heißt viel-
Seite 30
leicht eine Schule in Warth oder Schröcken für überflüssig
und nicht mehr bezahlbar erklärt.
Dann sinkt aber die Qualität der Struktur und der Versorgung
und es verstärken sich die Elemente für Absiedlung.
Diese Zusammenhänge sollte man durchaus sehen und
daher viel Energie und auch Geld – wenn man es hat – dafür
einsetzen, dass auch kleine Gemeinde in entlegenen
Gebieten in die Lage versetzt werden, zu investieren in eine
Grundstruktur dessen, was Menschen heute erwarten –
was vor allem junge Leute erwarten –, damit sie bleiben.
Dazu zählt die Ausstattung im Bereich Bildung, die kulturellen
und sportlichen Zugänge, entsprechende Wohnmöglichkeiten,
auch Möglichkeiten im Bereich der Kommunikation
und die Pflege. Das heißt: Gemeindeförderung für
Investitionen, Ausgleich für vergleichbare Lebensverhältnisse.
Aus den genannten Gründen unterstützen wir beispielsweise
Kleingemeinden bei der Kanalisationsgebühr,
damit die Gebühren vergleichbar sind. Sonst kannst du in
Raggal als Durchschnittsverdiener nicht ohne weiteres wohnen.
Das sollte man aber können. Die Gesetzgeber, die die
Standards entwickeln und ständig weiter hochschrauben
mit guten Begründungen, sollten sehr darauf achten – das
ist auch eine Mahnung an uns –, dass man die Standards
nicht so weit hinaufschraubt, dass in wichtigen Diensten,
Ehrenamtliche nicht mehr mitkommen. Solche Tendenzen
gibt es und darunter würden insbesondere die kleinen Gemeinden
leiden.
Bei der aktuellen Diskussion um die Pflege habe ich schon
die Sorge, dass es passieren könnte, dass man die Standards
medizinischer Notwendigkeiten so hoch schraubt,
das kleine Heime in kleinen Gemeinden, die aber sehr
beliebt sind bei den Leuten, wirtschaftlich keine Überlebenschancen
haben. Dort müssen wir schauen, dass wir
ein Maß finden, das noch umsetzbar ist und wir nicht vor
lauter gutem Willen und Lobbyismus das gute Maß verlieren.
Und es gilt natürlich, bei dieser Analyse auch eines
anzusprechen, das heute schon mehrfach betont wurde.
Der Vorteil der Kleinräumigkeit, der Überblickbarkeit des

„Dazuschauen Könnens“ hat den Nachteil, dass – in einer
Welt, in der die Mobilität enorm zugenommen hat und in
vielen Bereichen natürlich die Gemeindegrenzen, und weit
mehr als nur die Gemeindegrenzen, überschritten werden –
teilweise auch großräumigere Lösungen notwendig werden.
Um diesem modernen Bedürfnis der Menschen entgegenzukommen
und zu entsprechen, gilt es, Kooperationen
zu entwickeln. Gefordert sind unsere Intelligenz und die
Selbstverwaltungsfähigkeit der Gemeinden, die unbedingt
erhalten bleiben muss. Wir sagen klar: Kooperation und
nicht Fusion oder gar Zwangsfusion. Aber die Kooperation
muss funktionieren, noch besser funktionieren, als es vor
der Kooperation der Fall war. Ich bin sehr dankbar, dass dies
der Gemeindeverband aktiv betreibt und ich bin froh, dass
die Partnerschaft zwischen dem Land und dem Gemeindeverband
so gut funktioniert. Ich würde mir wünschen,
dass die Partnerschaft zwischen Bund und Ländern so gut
funktionieren würde. Dort gibt es Verbesserungspotential,
vor allem, was die Praxisbezogenheit und den Tiefgang der
Diskussion betrifft. Etwas weniger Überschriften und etwas
mehr Bezug zur praktischen Realität würde dort ganz enorm
helfen – auch in der Diskussion um eine Staatsreform, wo
nämlich das Ländermodell, was die Kompetenzen angeht,
der Versuch eines Kooperationsmodells ist, das sich ein
Stück weit davon verabschiedet, dass man in einer modernen
Welt in der Lage sei – wie vor 150 Jahren, wo man
das noch konnte – Lebensbereiche wirklich eindeutig und
guten Gewissens einer Ebene zuzuordnen. Das geht heute
nicht mehr, auch wenn man sich wünschen könnte, dass
es so wäre.
Es gibt heute keinen Bereich mehr, wo ich – auch als überzeugter
Föderalist – sagen würde, die Europäische Union
habe dort überhaupt nichts verloren. Praktisch überall
braucht man bei unserer Lage bestimmte Grundstandards,
großräumige Grundsätze, die nicht nur nationale, sondern
– eben weil Lindau näher ist als Eisenstadt – europäische
Standards sein sollten. Aber eben nicht im Detail und nicht
parzellenscharf bei jedem „Kleinschmarren“, sondern
wirklich Grundsätze, die Spielräume lassen. Ordentliche
Mechanismen, die sicherstellen, dass da nicht irgendeine
bürokratische Institution ins Detail hinein regelt. Die Kunst
ist heute nicht mehr die Frage, wie ordnen wir Sachbereiche
eindeutig zu? Das ist eine weitverbreitende Illusion, aber
sie wird dadurch nicht besser, dass sie jetzt von der Bundesregierung
wieder aufgenommen wird. Die Kunst besteht
heute darin, großräumig eben nur Grundsätze und Standards
zu fixieren, partnerschaftlich und gemeinsam, recht
beweglich, nach Sachbereichen auch recht unterschiedlich.
Das kann sich im Laufe der Zeit auch ändern. So kommen
wir der Realität am nächsten. Spielräume für die Regionen
innerhalb von Grundsätzen. Das wäre eine zukunftsorientierte,
partnerschaftliche und grundlegende Reform und es
ist sehr, sehr bedauerlich – ich sage das jetzt noch einmal
–, dass die Bundesregierung und auch die Sozialpartner
– vor allem die Wirtschaft auf Bundesebene – wieder in
den alten Trott der Notwendigkeit der absoluten Trennung
der Kompetenzen verfällt. Das bringt uns nicht wesentlich
weiter.
Damit darf ich nun schließen und mich entsprechend unserer
Tradition einer beispielhaften Jugendinitiative widmen.
Das hier anwesende Jungendsymphonieorchester
macht nicht nur wunderschöne Musik, sondern engagiert
sich in vielfältiger Weise auch sozial. Mehrere Jahre hindurch
hat es Konzerte und die Erlöse von Konzerten sozialen
Zwecken gewidmet. Die Aktion „Jugend vor den Vorhang“
dient – das wissen Sie – dem Ziel, der Öffentlichkeit
bekannt zu machen, dass Jugendliche in unserem Land
sehr viel mehr tun – und zwar Positives mehr tun –, als
sie tun müssten. Das in der Öffentlichkeit transportierte
Klischee, dass Jugendliche eher mit negativen Aktivitäten
verbunden werden, entspricht nicht der Realität. Dieses
Orchester ist ein Beispiel dafür und ich darf ihnen nun als
Dank den Jugend-Bravo überreichen und eine Einladung zur
Oper „Tosca“ für die Bregenzer Festspiele übergeben. Ich
hoffe sie haben Freude damit.
Seite 31

Seite 32
Einladung
zum Symposium
"Der Vorarlberger Landtag
und die Gemeinden"

Der Vorarlberger Landtag
und seine Gemeinden
Symposium des Vorarlberg Landtages
Bregenz, Landhaus, 22. Oktober 2008
In bewährter Partnerschaft
Landtagsvizepräsidentin Dr. Gabriele Nußbaumer
Gemeinden sind bürgernah
Bürgermeister Mag. Wilfried Berchtold,
Präsident des Vorarlberger Gemeindeverbandes
Der Landtag und die Gemeinden im
Spiegel der Landtagsdebatten
Landtagsdirektor Univ.-Doz. Dr. Peter Bußjäger
Die verfassungsrechtliche Position der Gemeinden
in Vorarlberg – Bestandsaufnahme und Ausblick
Univ.-Prof. Dr. Karl Weber
Bemerkungen zur Entwicklung des
Gemeindewahlrechts in Vorarlberg
Dr. Elmar Häusler
Diskussion
Empfang
Seite 33

Seite 34

Es freut mich sehr, Sie alle im Gedenkjahr „200 Jahre Gemeindeorganisation
in Vorarlberg“ zu unserer heutigen
Fachtagung „Der Vorarlberger Landtag und die Gemeinden“
hier im Montfortsaal begrüßen zu können.
Ich darf Ihnen auch die Grüße unseres Landtagspräsidenten
Gebhard Halder übermitteln, der wegen einer Erkrankung
diesen Termin kurzfristig absagen musste.
Einen herzlichen Willkommensgruß darf ich dem Präsidenten
des Vorarlberger Gemeindeverbandes, dem Feldkircher
Bürgermeister, Herrn Mag. Wilfried Berchtold, entbieten.
Ich begrüße auch sehr herzlich die Referenten des heutigen
Abends:
Herrn Landtagsdirektor und Leiter des Föderalismusinstituts,
Dozent Dr. Peter Bußjäger, der uns über den Landtag
und die Gemeinden im Spiegel der Landtagsdebatten informieren
wird. Ein - wie ich meine - schier unerschöpfliches
Thema, da die Gemeinden immer wieder Gegenstand von
Diskussionen im Landesparlament sind.
Herrn Professor Dr. Karl Weber von der Universität Innsbruck.
Er wird die verfassungsrechtliche Position der Gemeinden
beleuchten, eine Bestandsaufnahme vornehmen
und uns einen Ausblick dazu geben.
Herrn Hofrat Dr. Elmar Häusler, der als langjähriger Leiter
der für das Gemeinderecht zuständigen Abteilung im Hause
als Experte und Kenner einen Blick auf die Entwicklung des
Gemeindewahlrechts in unserem Land wirft.
Festveranstaltung „Ein selbständiges Land mit autonomen Gemeinden“
Bregenz, Landhaus, 3. November 2008
Gabriele Nußbaumer (geb. 1956 in), Dr. iur., seit 1999 Mitglied des Vorarlberger Landtages, seit 2004
Landtagsvizepräsidentin
In bewährter Partnerschaft
Gabriele Nußbaumer
Ihnen allen ein herzliches Dankeschön für Ihre Bereitschaft,
als Experten diesen Abend mit Ihren profunden Ausführungen
und Meinungen zu bereichern und uns so Stoff
für die anschließende Diskussion zu liefern.
Die Gemeinden sind auf vielfältige Weise mit dem Landesparlament
verbunden, was sich etwa darin zeigt, dass das
Gemeindegesetz und das Gemeindewahlrecht im Landtag
beschlossen werden. Auch die finanziellen Beziehungen
zwischen dem Land und den Gemeinden beruhen auf
Beschlüssen des Landtages. Darüber hinaus spielen die
Gemeinden in der Verfassungsstruktur des Landes eine
wichtige Rolle und wirken an der Landesgesetzgebung auf
verschiedene Weise mit.
Eines der wichtigsten Ziele unserer Landespolitik ist es, die
guten Lebensverhältnisse in unserem Lande zu sichern.
Den Gemeinden kommt dabei eine ganz entscheidende Bedeutung
zu.
Dank einer guten Gemeindeförderung und des vielfältigen
Engagements der Gemeinden verfügen wir über eine ausgezeichnete
kommunale Infrastruktur. Auch die Zusammenarbeit
zwischen Land und Gemeinden kann als sehr
gut bezeichnet werden. Das Land hat bereits in der Vergangenheit
die Entwicklung der Gemeinden in bewährter Partnerschaft
gefördert und das Zusammenspiel, die Kooperation
zwischen Land und Gemeinden, darf in unserem Land
als sehr gut beschrieben werden. Im Zeichen geänderter
Aufgabenstellungen, denen vor allem auch die Gemeinden
unterworfen sind, muss sie aber auch angepasst, teils neu
ausgerichtet werden. Und diese Bereitschaft gilt es, immer
wieder auf beiden Seiten einzufordern.
Seite 35

Die Gemeinden sind auch erste Ansprechpartner, wenn es
um die Anliegen und Belange der Bürgerinnen und Bürger
geht. Laut einer vom Landtag und vom Institut für sozialwissenschaftliche
Regionalforschung in Auftrag gegebenen
Meinungsumfrage sind 82 Prozent der Bevölkerung die Gemeindevertretungen
wichtig bis sehr wichtig.
Nicht verschweigen will ich, dass hier an zweiter Stelle mit
72 Prozent bereits der Landtag folgt. Wesentlich weniger
bedeutsam sind mit 38 Prozent der Nationalrat und mit 34
Prozent das Europäische Parlament. Dies zeigt eindrücklich
ein Bekenntnis zu den bestehenden Strukturen.
Die Menschen fühlen sich eben ihrem unmittelbaren Lebensumfeld
- den Gemeinden, ihrer Region - mehr verbunden.
Und noch eines förderte die Untersuchung zu Tage: Die
Vorarlbergerinnen und Vorarlberger sehen ihre Interessen
nicht nur durch die Gemeindevertretungen und den Landtag
besser wahrgenommen, sie sprechen sich in hohem
Maße auch für mehr Kompetenzen auf regionaler Ebene
aus.
Wir wollen mit diesem Symposium im Gedenkjahr „200 Jahre
Gemeindeorganisation in Vorarlberg“ einen Blick auf das
Beziehungsgeflecht von Land und Gemeinden werfen und
anhand dessen die Entwicklung näher beleuchten.
Ich wünsche Ihnen einen interessanten Abend und darf Sie
jetzt schon im Anschluss zu einem kleinen Empfang einladen.
Seite 36

Vorab ein herzliches Dankeschön an Landtagspräsident
Gebhard Halder und Landtagsdirektor Dr. Peter Bußjäger
für das Zustandekommen der heutigen Veranstaltung, die
dazu dienen soll, das Verhältnis zwischen Gemeinden und
Landtag näher zu beleuchten.
Ein Dankeschön aber auch an den Ideengeber der Veranstaltungsreihe
„200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg“,
an Dr. Ulrich Nachbaur, der den Anstoß für ein hoch
interessantes und vielfältiges Programm gegeben hat, das
bis Jahresende insgesamt 42 (!) verschiedene Veranstaltungen
umfassen wird und dem diesjährigen Jubiläum der
Gemeinden auf hervorragende Weise gerecht wird. Gratulation!
Bedeutung des Landtags für Gemeinden
Anlässlich des Vorarlberger Gemeindetages am 6. Juni
dieses Jahres in Götzis haben wir in einem eigenen Festakt
der Geburtsstunde der Gemeindeorganisation in Vorarlberg
gedacht. Die bayerische Gemeindereform von 1808 war es,
die den Grundstein für eine demokratische Selbstverwaltung
der Gemeinden in Vorarlberg gelegt hat. Es hat viele
Jahrzehnte gedauert, bis die moderne Gemeindeorganisation
die heutige Form angenommen hat. Eine entscheidende
Rolle hat dabei stets der Vorarlberger Landtag gespielt,
denn im Rahmen der bundesstaatlichen Verfassung ist er
es, der die Aufgaben der Gemeinden und ihre Organisation
festlegt.
Es freut mich daher sehr, dass im Rahmen der Veranstaltungsreihe
zu „200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg“
auch der Vorarlberger Landtag in einem eigenem
Symposion die Beziehungen zwischen der gesetzgebenden
Körperschaft des Landes und der Gemeinden beleuchtet –
rück- aber auch vorausblickend.
Symposium „Der Vorarlberger Landtag und die Gemeinden“
Bregenz, Landhaus, 22. Oktober 2008
Wilfried Berchtold (geb. 1954 in Feldkirch), Mag. rer. soc. oec., seit 1991 Bürgermeister der Stadt Feldkirch und seit 1995
Präsident des Vorarlberger Gemeindeverbandes (Österreichische Volkspartei)
Gemeinden sind bürgernah
Wilfried Berchtold
Gemeinden sind bürgernah
Vorarlberg ist jenes Bundesland, das den Föderalismus am
vehementesten einfordert. Was auf staatlicher Ebene gilt,
nämlich nur jene Aufgaben an die größere Einheit zu delegieren,
die sie nicht selber wahrnehmen kann, gilt im Sinne
der Subsidiarität zwischen Land und Gemeinden.
Die Gemeinden sind dabei jene staatlichen Einrichtungen,
die den Bürgerinnen und Bürgern am nächsten stehen und
im Zeitalter der Globalisierung kommt ihnen eine zunehmend
bedeutendere Rolle zu.
Von der „Wiege bis zur Bahre“ sind die Gemeinde Ansprechpartnerin,
Servicestelle und Dienstleisterin für unsere Bürgerinnen
und Bürger. Es gibt kaum Bereiche, in welche
die Gemeinde nicht eingebunden ist: Kinderbetreuung,
Schule, Daseinsvorsorge, Sicherheit, Altenpflege, Freizeitgestaltung
und vieles mehr.
Gemeinden in Gesetzgebung eingebunden
Um all diese Aufgaben im Sinne der Bürger wahrnehmen zu
können, braucht es entsprechender Rahmenbedingungen:
Ich spreche dabei nicht nur von entsprechender finanzieller
Ausstattung, sondern ebenso von der Mitwirkung der Gemeinden
an der Gesetzgebung von Land und Bund.
Der Vorarlberger Landtag hat mit der Gemeindeverfassungsnovelle
im Jahre 1969 Neuland betreten, als es darum ging,
die Gemeinden stärker in den Gesetzgebungsprozess einzubinden:
Damals wurde die bis heute bestehende Möglichkeit geschaffen,
dass zehn Gemeinden eine Volksabstimmung initiieren
und damit auf einen Landtagsbeschluss einwirken
Seite 37

können. Dass dieses Instrumentarium bislang noch nicht
eingesetzt werden musste, zeigt deutlich, wie groß das
gegenseitige Bemühen auf Landes-, aber auch auf Gemeindeseite
nach sachgerechten Lösungen ist.
Gemeindevertreter bringen Bürgernähe in den
Landtag
Traditionell sind viele Gemeindevertreter auch Mitglied des
Landtags. (Im Jahre 1984 wurden sogar acht Bürgermeister
in den Landtag gewählt.) Und wenn auch immer wieder
Stimmen laut werden, die sich dagegen aussprechen, dass
Bürgermeister ein Landtagsmandat bekleiden, so möchte
ich gerade bei dieser Gelegenheit betonen, wie wichtig auch
die Bürgernähe für den Landtag ist. Und diese Bürgernähe
ist nicht zuletzt durch die Bürgermeister, Vizebürgermeister
und Gemeinderäte in diesen Gremien in besonderer Weise
sichergestellt.
Seite 38
Elmar Häusler, Karl Weber, Peter Bußjäger,
Gabriele Nußbaumer, Wilfried Berchthold
Danke für gute Zusammenarbeit mit
dem Gemeindeverband
Dem Land Vorarlberg war es stets wichtig, einen Ansprechpartner
zu haben, der die Anliegen der Vorarlberger Gemeinden
koordiniert und vertritt. Der Vorarlberger Gemeindeverband
nimmt diese Rolle wahr und ich bin stolz,
dass wir in den letzten Jahrzehnten eine Vertretung aufbauen
konnten, die seitens des Landes als Ansprechpartner
ernst genommen und entsprechend eingebunden wird.
Diese Stärke des Gemeindeverbandes gründet nicht zuletzt
darin, dass der Vorarlberger Gemeindeverband als einziger
Gemeindeverband in Österreich alle Gemeinden vertritt.
Als Präsident des Gemeindeverbandes möchte ich die heutige
Veranstaltung dazu nutzen, unseren Partnern in der
Landesregierung zu danken für die gute Zusammenarbeit
in den letzten Jahren. Ich verbinden damit den Wunsch,
dies auch in Zukunft in ähnlicher Weise fortführen zu können
– im gemeinsamen Interesse, vor allem aber zum Wohl
der 367.300 BürgerInnen und Bürger in den 96 Vorarlberger
Gemeinden.

1. Einleitung: Das Land und die Gemeinden –
eine Einführung
Staatsrechtlich betrachtet bilden die Gemeinden – noch
immer – eine Untergliederung des Landes, auch wenn sie
sich rechtlich und faktisch bereits so stark von den Ländern
emanzipiert haben, dass man in Österreich von einem sogenannten
Drei-Ebenen-Föderalismus spricht, also Bund,
Länder und Gemeinden. umfassend.
Unter Einbeziehung der europäischen Ebene ergibt dies ein
so genanntes Mehrebenensystem mit einer vierfach gestuften
öffentlichen Aufgabenbesorgung, die trotz aller Unterschiede
in der staatsrechtlichen Ausformung heute schon
fast in ganz Europa den Regelfall bildet.
Das Land unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt
von den Gemeinden: es ist Träger von Gesetzgebungshoheit
und gemäß Art. 115 Abs. 2 der Bundesverfassung zuständig,
innerhalb der mitunter recht eng gezogenen Schranken der
Bundesverfassung die Gemeindeorganisation und die Gemeindeaufsicht
zu regeln.
Wenn man das Verhältnis zwischen Landtag und Gemeinden
näher beleuchten will, stellen sich verschiedene Fragen:
�� �������� � �������������� ������������� ���� ���������
recht?
�� ��������������������������������������������������
tag geführt und welche Haltungen zu den Gemeinden
wurden typischerweise eingenommen?
�� �����������������������������������������������������
dem Landuntergeordnete Körperschaft behandelt?
�� ����������������������������������������������
Anhand einiger Beispiele aus der Landtagsgeschichte soll
nunmehr versucht werden, diese Fragen zu beantworten,
ohne dabei den Rahmen zu sprengen.
Symposium „Der Vorarlberger Landtag und die Gemeinden“
Bregenz, Landhaus, 22. Oktober 2008
Peter Bußjäger (geb. 1963 in Bludenz), Univ.-Doz. Dr. iur., seit 2003 Direktor des Vorarlberger Landtages und seit
2001 Direktor des Instituts für Föderalismus in Innsbruck.
Der Vorarlberger Landtag und die Gemeinden im
Spiegel der Landtagsdebatten 1861 bis 2008
Peter Bußjäger
2. Der Landtag und das Gemeindegesetz –
eine Kernaufgabe des Landtages
a) Meilensteine
Es ist für das Verhältnis von Landtag und Gemeinden bezeichnend,
dass zu den ersten vom Vorarlberger Landtag
beschlossenen Gesetzen (nachdem der Landtag mit dem
Februarpatent 1861 eingerichtet worden war) die erste
Vorarlberger Gemeindeordnung gehörte, die im Land selbst
kreiert wurde. Seit 1861 lassen sich in der Entwicklung des
Vorarlberger Gemeinderechts fünf bzw. sechs Meilensteine
erblicken, je nachdem, ob man die 1998 verankerte Direktwahl
des Bürgermeisters als solchen betrachten will oder
nicht.
Letztere wird hier ausgeblendet, weil die Entwicklung
des Gemeindewahlrechtes Gegenstand des Beitrags von
Elmar Häusler „Bemerkungen zur Entwicklung des Gemeindewahlrechts
von 1864 bis 2008“ ist.
Demnach sind die großen Meilensteine neben der Gemeindeordnung
1864 die Gemeindeordnungen 1904 und
1935, das Gemeindegesetz 1965 und die Novelle zum Gemeindegesetz
1985.
Die großen Zeitspannen zwischen diesen Meilensteinen,
innerhalb deren freilich auch immer wieder kleinere Novellierungen
erfolgten, veranschaulichen, dass Kontinuität ein
wesentliches Merkmal der Entwicklung des Vorarlberger
Gemeinderechts darstellt. Man kann zahlreiche Institutionen
des heutigen Gemeinderechts bis zur Gemeindeordnung
1864 zurückverfolgen und wohl noch in die Zeit davor,
wenngleich unter anderen Bezeichnungen.
Dies ist aber - wie noch zu zeigen sein wird - lediglich der
äußere Eindruck. Tatsächlich war die Entwicklung differenzierter,
vielfältiger und keineswegs geradlinig, sondern von
zahlreichen Verwerfungen geprägt, die Ausdruck der jeweiligen
Zeithaltung waren.
Seite 39

) Zäsuren
Wie war es überhaupt zur ersten Gemeindeordnung Vorarlbergs
gekommen? Das 1815 auch für Vorarlberg eingeführte
Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch aus dem Jahre
1811 hatte noch in den §§ 21 und 27 vorgesehen, dass die
Gemeinden, da sie wie „Rasende, Wahnsinnige oder Blödsinnige
unfähig sind, ihre Verhältnisse selbst gehörig zu
besorgen, unter einer besonderen Vorsorge der öffentlichen
Verwaltung stehen“. Diese Bestimmung, die mit der Zeit inhaltlich
obsolet geworden war, wurde jedoch erst mit dem
neuen Gemeindegesetz des Jahres 1965 formell aufgehoben.
1
1849 hat das provisorische Gemeindegesetz des Kaisers
für die gesamte Monarchie den legendären Leitsatz aufgestellt,
der praktisch jedem Juristen bekannt ist: „Die
Grundfeste des Staates ist die freie Gemeinde“. Deutlicher
kann der Unterschied zwischen dem Metternichschen Polizeistaat
und der revolutionären Ordnung nicht beschrieben
werden, wenngleich „nur“ knapp mehr als 30 Jahre dazwischen
lagen.
Sehr rasch wurde diese am Grundsatz der Subsidiarität
orientierte Gesetzgebung wieder aufgegeben. 1851 wurde
als eine der ersten Maßnahmen des erstarkten Neoabsolutismus
das provisorische Gemeindegesetz durch
kaiserliches Patent wieder aufgehoben. Die Tage des Neoabsolutismus
waren allerdings gezählt.
1862 wurde nach einigen Schwierigkeiten vom damaligen
Reichsrat ein neues Reichsgemeindegesetz in Kraft gesetzt,
2 das jedoch nur ein so genanntes Rahmengesetz
war. Die entsprechenden Ausführungsgesetze hatten die
1861 neu eingerichteten Landtage zu erlassen. Von daher
ergab sich, dass eine der dringlichsten Aufgaben des neuen
Vorarlberger Landtages darin bestehen sollte, ein neues
Gemeinderecht zu schaffen.
Seite 40
1863 widmete der Landtag der Gemeindeordnung nicht weniger
als acht volle Sitzungen. Der stenographische Bericht
umfasste 250 Seiten, was heutzutage seinesgleichen sucht.
Dieses Gesetz erhielt allerdings vorerst nicht die erforderliche
kaiserliche Sanktion. Erst nachdem der Landtag
ein Jahr später allen von der Regierung gewünschten Abänderungen
Rechnung trug, konnte das Gesetz als Gemeindeordnung
1864 in Kraft treten. Dennoch war das Gesetz ein
Meilenstein, es war die erste moderne Gemeindeordnung
Vorarlbergs.
Auf die näheren Institutionen der alten Gemeindeordnung
einzugehen, wird bewusst verzichtet. Es würde den Rahmen
sprengen. Es sei lediglich angemerkt, dass wesentliche
Institutionen des heutigen Gemeinderechts bereits
in der Gemeindeordnung von 1864 enthalten waren: Die
Gemeindevertretung, der Gemeindevorstand, der Gemeindevorsteher
(Bürgermeister), die Unterscheidung zwischen
dem eigenen und übertragenen Wirkungskreis.
1867 wurde die Rahmengesetzgebung des Reiches bereits
wieder abgeschafft. Die Länder, die damals noch keine
Gliedstaaten eines Bundesstaates waren, sondern vielmehr
wie die Gemeinden nur eine Art Selbstverwaltungskörper
bildeten, erhielten nunmehr die umfassende Kompetenz
zur Regelung des Gemeindewesens.
Die Gemeindeordnung 1904 brachte von der Struktur
her wenig Änderungen. Aus heutiger Sicht, nämlich vor
dem Hintergrund eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes,
3 sind lediglich präzisere Regelungen über die
Nutzung des sogenannten Gemeindegutes bemerkenswert.
Weiters wurde eine Klärung des Verhältnisses von Heimatrecht
und Bürgerrecht vorgenommen. Das sogenannte Heimatrecht
war für frühere Gemeinderechte noch von großer
Relevanz, bildete es doch den Vorläufer der heutigen sozialrechtlichen
Ansprüche. 4

Die nächste Zäsur stellte die Gemeindeordnung 1935 dar,
von welcher Restbestände, wie die wohlbekannten Hand-
und Zugdienste oder die wichtige Verpflichtung des Bürgermeisters,
nach Beendigung seiner Funktion Akten und
andere Dokumente zu übergeben, auch heute noch in Kraft
sind. Sie werden gelegentlich als Relikte feudalistischer
Traditionen fehl interpretiert. Die Gemeindeordnung von
1935 war im Übrigen - wie man so schön sagt - ein Kind ihrer
autoritären Zeit. Die Notwendigkeit zur Erlassung eines
neuen Gemeinderechts hatte sich aus der autoritären Verfassung
des Ständestaates ergeben. Diese hatte zwar die
Gemeindeselbstverwaltung beibehaltet, aber die demokratischen
Strukturen in den Gemeindevertretungen, wie auf
der Bundesebene und im Landtag, zugunsten einer berufsständischen
Zusammensetzung beseitigt. Wesentlichster
Inhalt war die Stärkung des von den Gemeindetagen gewählten
Bürgermeisters. Den von zwei Juristen privat verfassten
erläuternden Bemerkungen in der kommentierten
Gesetzesausgabe zufolge sollte „tiefer Sinn seiner Stellung
die unlösbare Verankerung mit alemannisch-demokratischer
Führungsart“ sein. Weiters heißt es: „In unserem
Lande dürfen wir darauf vertrauen, dass der wirtschaftlich
und politisch gesunde Sinn unseres Volkes in der Wahl der
Bürgermeister den rechten Weg finden wird.“ 5
Die erläuternden Bemerkungen des Kommentars verwiesen
unter anderem auf die „unter gewissenhaften, von großem
Ernste getragenen Beratungen durch den Landtag“. Die Beratungen
im Plenum jedenfalls waren freilich nur äußerst
kurz gewesen. Außer dem Berichterstatter meldete sich
kein Abgeordneter zu Wort. 6 Die Ausführungen des Berichterstatters
verweisen allerdings auf die erfolgten Ausschussberatungen
und ein Gutachten des Landtages zu einem vorangegangenen
Regierungsentwurf, was darauf schließen
lässt, dass die Beratungen doch intensiver waren, als es
den Anschein haben mag.
Immerhin erweiterte die Gemeindeordnung 1935 die Möglichkeit
der Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden
durch die Schaffung von Verwaltungsgemeinschaften und
Ortsgemeindeverbänden. In weiterer Folge traf sie präzisere
Regelungen über das Gemeindegut, die im Grunde die
Vorlage für das Gesetz über das Gemeindegut im Jahre 1998
bildeten.
Die Gemeindeordnung 1935 galt nach 1945 mit einigen Anpassungen,
die sich aus der Wiedererrichtung eines demokratischen
Staates ergaben, weiter. Als mit der Novelle zum
Bundesverfassungsgesetz 1962ein größerer Änderungsbedarf
geschaffen wurde, 7 wurde der Landesgesetzgeber neuerlich
aktiv. Die Gemeindeverfassungsnovelle des Jahres
1962 hatte nämlich eine – im Vergleich zu anderen Bundesstaaten
– durchaus untypische Emanzipation der Gemeinden
mit sich gebracht. Diesen Beitrag behandelt jedoch
Karl Weber in seinem Referat.
Das Gemeindegesetz 1965 trug nicht nur den Anforderungen
des Bundesverfassungsgesetzes Rechnung, sondern stellte
eine grundlegende Modernisierung des Gemeinderechtes
dar.
Man geht wohl nicht fehl, das Gemeindegesetz 1965 als die
größte gesetzgeberische Leistung des Landes im Zeitraum
zwischen 1945 bis 1970 zu bezeichnen. Erst in den frühen
70er Jahren wurden Gesetze mit vergleichbarer Qualität
und Bedeutung geschaffen, wie etwa das Sozialhilfegesetz
1971, das Baugesetz 1972, das Raumplanungsgesetz 1973
und das erste Landesbedienstetengesetz 1972.
Ein besonderes Merkmal des Gemeindegesetzes 1965 war
die intensive Beteiligung des Landtages. Nicht nur, dass die
Beratung im Plenum intensiv und das Niveau hochstehend
war. Wie 1863, also knapp über 100 Jahre zuvor, erfolgten
äußerst eingehende Beratungen.
Die Regierungsvorlage wurde im Rechtsausschuss nochmals
überarbeitet, wobei freilich fast nur legistisch - technische
und sprachliche Änderungen erfolgten. Wie den
Landtagsprotokollen entnommen werden kann, wurde das
Gesetz, das ja von vielen einfachen Gemeindevertretern
Seite 41

verstanden werden sollte, „einer sprachlichen Überprüfung
durch Sachverständige auf dem Gebiet der Legistik“ unterzogen.
8 Diese Übung wurde später nur noch einmal, nämlich
im Zuge der Erarbeitung des Jugendgesetzes im Jahre
1998 wiederholt. 9
Eine umfassende Novelle des Vorarlberger Gemeindegesetzes
erfolgte im Jahr 1985, also genau 20 Jahre später. 10
Die direkte Demokratie in den Gemeinden wurde erleichtert,
die Informationsrechte der Gemeindevertreter erweitert,
die Bildung von Berufungskommissionen ermöglicht. Die
Möglichkeit eines Misstrauensvotums gegenüber dem Bürgermeister
wurde eingeführt. Diese Novelle markiert im Wesentlichen
den gegenwärtigen Stand des Gemeinderechts.
c) Bewertung
Betrachtet man die Rechtsentwicklung rückblickend, so fällt
auf, dass von einem wesentlichen Aspekt, nämlich dem Gemeindewahlrecht,
abgesehen, die Impulse für Änderungen
des Vorarlberger Gemeinderechts in den meisten Fällen von
außen kamen: Grundlage der Gemeindeordnung von 1864
war das Reichsgemeinderahmengesetz von 1862, das überhaupt
erst eine Kompetenz des Landes zur Regelung des
Gemeinderechts schuf. Die autoritäre Bundesverfassung
1934 führte zur Gemeindeordnung 1935, die Gemeindeverfassungsnovelle
1962 zum Gemeindegesetz 1965.
Keines Impulses von außen bedurfte hingegen die Novelle
1985, die jedoch stark von der Novelle zur Landesverfassung
1984 beeinflusst war.
Kennzeichnend für einen sehr weitreichenden Grundkonsens
über die Bedeutung der Gemeinde als Trägerin der
Verwaltung war die Tatsache, dass das Vorarlberger Gemeindegesetz
1965 einstimmig verabschiedet worden war.
Hinsichtlich der Vorläuferregelungen war dies zwar auch
der Fall, auf Grund der anderen Zusammensetzung des
Landtages, sei es, weil es in der Zeit zwischen 1861 und
1918 keine Parteienlandschaft wie heute gab, sei es, weil
Seite 42
1935 der Landtag berufsständisch zusammengesetzt war,
ist ein Vergleich allerdings nicht zulässig.
Die Novelle 1988 erhielt nur die Unterstützung der ÖVP und
der FPÖ. Die Sozialdemokraten und die Grünen, die gerade
ein halbes Jahr zuvor erstmals in der Geschichte des Vorarlberger
Landtages in das Landesparlament eingezogen waren,
verweigerten die Zustimmung. Die Sozialdemokraten
bemängelten, dass die unmittelbare Demokratie nicht weit
genug reiche und erachteten das Gemeindegesetz als ein
zu enges „Korsett“ für die Gemeinden. Ein wesentlicher
Punkt war weiters, dass der Gemeindevorstand nicht mindestens
ein Viertel der Zahl der Gemeindevertreter betrug,
wie dies die Sozialdemokraten gefordert hatten. 11 Die grünalternativen
Abgeordneten hielten das Gemeindegesetz für
zu wenig direktdemokratisch und umweltfreundlich. 12
Die Entwicklung des Vorarlberger Gemeinderechtes entsprach
der zunehmenden Emanzipation der Gemeinden.
Während die Gemeindeordnungen vor dem Ersten Weltkrieg
die Gemeinden tatsächlich zumindest teilweise wie
Unmündige behandelten und die Gemeindeordnung 1935
vor allem den autoritären Bürgermeister im Fokus hatte, ist
das Gemeindegesetz 1965 von einer deutlichen Betonung
der Selbständigkeit der Gemeinde geprägt, die auch darin
zum Ausdruck kam, dass erstmals die 96 Gemeinden im
Gesetz ausdrücklich angeführt wurden, dadurch als eine
besondere Garantie ihrer Eigenständigkeit erhielten. Der
Abgeordnete Robert Bösch von der FPÖ hatte recht, wenn er
sagte: „Durch das Gemeindegesetz 1965 wird die Gemeindeautonomie
auf einen Stand aufgewertet, wie wir ihn aus
der Geschichte kaum kennen.“ 13
Auch was die innere Organisation der Gemeinden betrifft
ging die Tendenz – abgesehen von der rückschrittlichen Gemeindeordnung
1935 – stetig in Richtung Demokratisierung,
Aufwertung der Rechte der Gemeindevertreter, Transparenz
gemeindlicher Entscheidungen und verbesserter und effizienterer
Rechtskontrolle. Auf der anderen Seite wurde die
rechtliche Dichte der Gemeindeaufsicht reduziert.

Den einen mag diese Entwicklung zu langsam, den anderen
zu schnell vor sich gegangen sein – Faktum ist, dass diese
Entwicklung unleugbar vorhanden ist.
3. Zwischen Landesumlage und Gemeindestrukturen:
Ein altes und ein neues Thema im Landtag
Unter den vielen sonstigen Themen, die im Verhältnis zwischen
Landtag und Gemeinden anzuführen wären, möchte
ich zwei herausgreifen. Das erste zieht sich wie ein roter Faden
durch die Landtagsdebatten vieler Legislaturperioden,
nämlich die Landesumlage.
Sie ist heute recht umstritten. Von der ÖVP und der FPÖ
wird sie als ein Instrument einer Art Finanzausgleich unter
den Gemeinden verteidigt, von Sozialdemokraten und
Grünen mehr oder weniger stark bekämpft und als Instrument
der Refinanzierung des Landes durch die Gemeinden
betrachtet.
Ein Gesetz über die Einhebung einer Landesumlage wurde
erstmals 1948 beschlossen, bis 1952 jährlich, jeweils für
ein Jahr, befristet. Die Höhe der Landesumlage wurde vom
Landtag selbst festgesetzt. Dies wurde 1952 zu umständlich
und das Gesetz über die Einhebung einer Landesumlage
beschlossen 14 die die Höhe der Landesumlage der
Verordnungsgebung der Landesregierung überließ. 15 Alle
diese Gesetze wurden einstimmig beschlossen. Das Gesetz
fungierte in den ersten Jahren tatsächlich als eine Art
Finanzierungsinstrument zugunsten des Landes, das nicht
auf eigene Finanzierungsquellen zurückgreifen konnte. Die
Landesumlage war ursprünglich in der astronomischen
Höhe von 20 Prozent der ungekürzten Ertragsanteile der
Gemeinden an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben
angesiedelt und wurde schließlich mit Verordnung auf 15
Prozent eingeschränkt. Eine Verbesserung für die finanzschwachen
Gemeinden ergab sich allerdings erst, als 1959
die Berücksichtigung der Finanzkraft der Gemeinde bei der
Bemessung der Landesumlage eingeführt wurde.
Bereits in den Folgejahren wurde die Landesumlage massiv
gesenkt und gleichzeitig die Gemeindeförderung intensiviert.
Diese Anpassungen wurden vom Landtag jeweils einstimmig,
anlässlich der erforderlichen Anpassungen an die
bundesrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere
der Finanzausgleichsgesetze, beschlossen.
Kritik an der Landesumlage seitens der Sozialdemokraten
konzentrierte sich in den 1959 16 und 1967 17 anlässlich fälliger
Novellierungen des Gesetzes darauf, dass die Landesumlage
durch Verordnung der Landesregierung und nicht durch
den Landtag selbst festgesetzt werde. Dieser Kritik konnte
sich 1967 auch die FPÖ anschließen. 18
Im Grundsatz blieb die Landesumlage und ihre Funktion unbestritten.
Die Novelle 1986 wurde praktisch diskussionslos
angenommen. 19 Die nächste Novellierung 1994 erfolgte
ebenfalls einstimmig, wenngleich von ÖVP, SPÖ und FPÖ
beteuert wurde, dass die Landesumlage abzuschaffen wäre,
wenn man sie nicht mehr brauchen würde. 20 Einstimmig erfolgte
auch die Änderung 1996, wenngleich ein Antrag der
Sozialdemokraten, das Höchstausmaß der Landesumlage
auf 6,3 Prozent herabzusetzen, abgelehnt worden war. 21
Erst in der laufenden Legislaturperiode des Landtags und
zwar 2006 und 2008 wurden Forderungen von SPÖ und
Grünen artikuliert, die Landesumlage gänzlich abzu schaffen.
Hier wird also ein gewisses Aufbrechen eines einstmals
bestehenden Konsenses deutlich.
Es gibt aber auch neue Themen, was die Gemeinden und
den Landtag betrifft, nämlich die in den letzten Jahren erstmals
zur Sprache gekommenen überkommenen Gemeindestrukturen.
Auch wenn die Zahl der Gemeinden und ihr
Territorium in der Geschichte des Landes immer wieder Veränderungen
unterworfen waren, so bildeten diese Fragen
doch selten Gegenstand der Diskussionen im Landtag.
Seite 43

Nach 1945 und nach dem Trauma zwangsweiser Gemeindefusionen
in der Zeit des Nationalsozialismus wurde die
Existenz der 96 Gemeinden des Landes Vorarlberg durch
Jahrzehnte hindurch als praktisch unumstößliches Faktum
gehandelt. Dies zeigt sich auch in der einstimmig getragenen
Vorgangsweise des Landtages 1945, die in der
nationalsozialistischen Zeit erfolgten Gemeindefusionen
rückgängig zu machen, bzw. darüber Volksabstimmungen
abzuhalten, sofern diese dem Volkswillen entsprachen. 22
Keine Fraktion wollte die freie Entscheidungsmacht der Gemeinde
darüber anzweifeln ob sie ihre Existenz als eigenständige
Körperschaft aufgeben sollte oder ob sie Kooperationen
eingehen wollte, anzweifeln. Hier brachten erst die
letzten Jahre einen gewissen Wandel, indem erstmals die
Sozialdemokraten die Sinnhaftigkeit möglicher Gemeindefusionen
prüfen lassen wollten. 23 Einher mit – wenngleich
in der Minderheit verbleibenden – Zweifeln über die Effizienz
der bestehenden Gemeindestrukturen geht die von
allen Fraktionen einhellig getragene Forderung nach einer
Verstärkung der Gemeindekooperationen. 24 Solche wurden
erstmals 2002 mit einem einstimmig angenommenen
selbständigen Antrag, mit dem gefordert wurde, den Vorarlberger
Gemeindeverband bei der Entwicklung von Pilotprojekten
zu unterstützen, zum Thema gemacht. 25
Während man einen noch recht vagen Allparteien-Konsens
über die Sinnhaftigkeit von Gemeindekooperationen feststellen
kann 26 , lassen sich für die Zukunft bereits erste Auseinandersetzungen
darüber prognostizieren, was die Frage
der demokratischen Kontrolle der Gemeindekooperationen
betrifft. Die wohl noch nicht ganz zu Ende geführten Diskussionen
rund um den Stand Montafon dürften die Vorboten
einer neuen Entwicklung sein.
Seite 44
4. „Wenn es dem Land gut geht, dann geht es auch
den Gemeinden gut.“ – Positionen der Fraktionen
zu den Gemeinden
Die Entwicklung des Gemeinderechts, die veränderte Position
der Gemeinden im Laufe der Zeit ist eine Sache. Eine andere
ist die Frage, welche generelle Haltung des Landtags
gegenüber den Gemeinden auszumachen ist.
Der Landtag freilich ist keine monolithische Einheit, sondern
besteht aus den verschiedenen Fraktionen, die, wie es
der Natur des politischen Diskurses entspricht, auch völlig
unterschiedliche Positionen einnehmen können.
Vorweg sei eines klargestellt: Der Landtag bekannte sich
stets nicht nur zur Institution der Gemeinde als solcher,
sondern – und das ist das entscheidende – auch zur Gemeindeselbstverwaltung.
Nicht nur das. Es fand und findet im Grunde noch heute
– zumindest verbal! - ein Wettbewerb um die gemeindefreundlichste
Fraktion statt. Dabei spielte der Begriff des
Föderalismus bei allen Fraktionen immer wieder eine Rolle.
Ein gängiger Leitsatz war die Formel „Föderalismus auch
nach unten“, womit gemeint war, dass das Land nicht nur
gegenüber dem Bund auf Föderalismus pochen sollte, sondern
sich vorbildlich föderal auch gegenüber den Gemeinden
verhalten sollte.
Sämtliche Fraktionen verwendeten diesen Ausspruch, so
auch der Abgeordnete Winder im Jahre 1979: „Wir Sozialisten
verlangen aber Föderalismus, nicht nur gegenüber
dem Bund, sondern auch nach unten gegenüber den Gemeinden.“
27 Diese Aussage war überhaupt der gängige Argumentationstopos
der Sozialdemokraten nach 1945.
Die zitierte Aussage hätte 1979 wohl auch nicht jenes Ausmaß
an Resonanz gefunden, hätte der Abgeordnete nicht
auch noch angefügt, dass Vorarlberg die schlechteste
Gemeindeautonomie in Österreich habe und am zentral-

istischsten von allen Bundesländern verwaltet werde. Diese
Aussage führte dem Landtagsprotokoll zufolge auch zu heftigsten
Unmutsäußerungen seitens der Mehrheitsfraktion.
Im Jahre 1991 wurde – diesmal von einer Vertreterin der
Grünen – folgende Aussage getätigt: „Föderalismus kann
nicht nur dahingehend interpretiert werden: Mehr Kompetenzen
für die Länder, weg vom zentralistischen Bund, sondern
wahre Föderalisten sind für uns jene, die ihren Föderalismus
auch im eigenen Land praktizieren, das heißt mehr
Kompetenzen der Gemeinden, mehr Kompetenzen in kleine
Einheiten.“ 28
Besonders bezeichnend ist in diesem Zusammenhang
eine Äußerung des Abgeordneten Dr. Kopf (WdU) aus dem
Jahre 1952, der den Gemeinden geradezu Staatscharakter
zubilligte: „Wenn wir beim Bunde sagen: Lass uns die
uns verfassungsmäßig zustehende Autonomie und Selbstverwaltung,
dann müssen wir auch den Gemeinden das
gleiche zugestehen […] auch die Gemeinden verlieren mehr
und mehr von dem gesunden Urprinzip, das man Gemeindeautonomie
heißt und die Gemeinden sinken immer mehr
herunter zu kleinsten Verwaltungsorganismen, anstatt dass
die Gemeinden kleine Staaten im Staate wären, so wie die
Entwicklung aus Jahrhunderten heraus sie eigentlich geschaffen
hat.“ 29 An anderer Stelle tätigte Dr. Kopf 1953 folgende
Aussage: „Ich habe die Auffassung, die Gemeinde
kann niemals eine Verwaltungsbehörde sein. Die Gemeinde
ist eine autonome Körperschaft und eine autonome Körperschaft
kann nie als Verwaltungsbehörde bezeichnet werden,
weil sie für sich selber ein Staat im Staate ist….. 30
Sowohl die ÖVP, als auch die FPÖ, die sich verständlicherweise
gegen den Vorwurf des Zentralismus gegenüber den
Gemeinden stets verwahrten, wendeten immer wieder ein,
dass das Land Vorarlberg „mit Abstand die höchste Gemeindeförderung
habe“, 31 oder manifestierten, dass sich
Land und die Gemeinden nicht auseinanderdividieren ließen
und es keine „Front zwischen Land und Gemeinden“
gebe. 32 Landesrat Dr. Guntram Lins wurde folgender Leitspruch
zugeschrieben: „Wenn es dem Land gut geht, geht
es auch den Gemeinden gut.“ 33
Die Dichotomie Zentralismus und Föderalismus spiegelte
sich auch in der Haltung gegenüber der Aufsicht über die
Gemeinden wieder. Im Prinzip war man sich bei der Beschlussfassung
des Gemeindegesetzes 1965 hinsichtlich
der Gemeindeaufsicht einig, dass diese weniger im Sinne
einer Kontrolle, als vielmehr unterstützend und beratend
ausgeübt werden sollte. 34 Die Sozialisten teilten diese Auffassung
zwar im Grundsatz, waren jedoch der Meinung,
dass der Katalog der Aufsichtsrechte über die Gemeinde
zu weit ging. Aus diesem Grunde wurde das Recht der Aufsichtsbehörde,
Vertreter zu Gemeindevertretungssitzungen
zu entsenden, abgelehnt. 35
Der Landtag der vergangenen Jahrzehnte war, so glaube ich
festzustellen zu können, insgesamt von einer merklichen
Zurückhaltung geprägt, was Eingriffe in die Organisation
der Gemeinden betraf oder auch die Behandlung interner
Angelegenheiten der Gemeinde betraf. Diese Zurückhaltung
fand auch darin ihren Ausdruck, dass während Jahrzehnten
Rechnungshofberichte, die die Gemeinden betrafen,
im Landtag nicht behandelt wurden.
Es deutet sich vielleicht auch hier ein gewisser Paradigmenwechsel
an, wenn in der laufenden Gesetzgebungsperiode
von diesem Grundsatz Abstand genommen wird. Auch der
immer wieder zu hörende Ruf nach einer Kontrolle aller Gemeinden
durch den Landes-Rechnungshof gehört zu einem
solchen Paradigmenwechsel, der zwar, wie es scheint, nicht
die Landtagsmehrheit auf seiner Seite hat, aber andeutet,
dass das Verhältnis zwischen Landtag und Gemeinden in
der Zukunft möglicherweise doch spannungsgeladener werden
könnte. Auffallend sind auch die immer zahlreicheren
Anträge, die zur Änderung des Gemeindegesetzes eingebracht
werden. Auch diese haben noch nicht die Landtagsmehrheit
hinter sich.
Seite 45

Vergleichsweise umstritten war im Jahre 1965 eine Bestimmung
des Gemeindegesetzes, die es heute überhaupt
nicht mehr ist. § 67 des Gemeindegesetzes (heute § 71)
beschränkte nämlich die Führung wirtschaftlicher Unternehmungen
durch die Gemeinde auf die Befriedigung
eines Bedarfs der Bevölkerung und auf den Umstand,
dass der Bedarf durch einen Privaten nicht genauso befriedigt
wird. Die Art und der Umfang des Betriebes müssen
in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit
der Gemeinde stehen. Die ÖVP begründete diese Regelung
im Grunde mit wirtschaftsliberalen Erwägungen, die dem
Subsidiaritätsprinzip verpflichtet waren: Der Staat sollte
nur tätig werden, wenn eine Leistung durch die Privaten
in unzureichender Weise erbracht wurde. 36 Die Sozialisten
lehnten eine solche Einschränkung der Wirtschaftstätigkeit
der Gemeinde ab, 37 hingegen lag von der FPÖ eine konkrete
Äußerung zu diesem Punkt nicht vor. Es lässt sich allerdings
vermuten, dass diese Bestimmung unterstützt wurde.
Die Einschränkung der freien wirtschaftlichen Betätigung
der Gemeinde auf Zwecke der Daseinsvorsorge und die
Subsidiarität gegenüber der privaten Leistungserbringung
steht durchaus in einem gewissen Spannungsverhältnis
mit der bundesverfassungsrechtlich garantierten freien
wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinde, 38 was seither
rechtlich nie problematisiert wurde.
5. Die Vertretung der Gemeinden im Landtag
Eine Darstellung des Verhältnisses des Landtages zu den
Gemeinden kann nicht darauf verzichten, sich mit der Vertretung
der Gemeinden im Landtag auseinander zu setzen.
Tatsächlich haben Bürgermeister im Landtag – es herrscht
in Österreich allgemein keine Unvereinbarkeit dieser beiden
Funktionen – stets eine maßgebliche Rolle, und zwar in
(fast) allen politischen Kräften gespielt. Auf Grund der Tatsache,
dass die weitaus überwiegende Zahl der Vorarlberger
Gemeinden von Bürgermeistern geführt werden, die der
ÖVP angehören oder ihr nahe stehen, verwundert es nicht,
Seite 46
dass sich unter den ÖVP-Abgeordneten, die, nebenbei gesagt,
auch die deutliche Mehrheit unter den Abgeordneten
stellen, besonders viele Bürgermeister befinden. Es sind
dies seit 1945 nicht weniger als 24. Auch Abgeordnete der
FPÖ waren Bürgermeister, insgesamt vier. Und schließlich
die SPÖ: Sie hat nicht nur mit dem legendären Bregenzer
Bürgermeister Fritz Mayer eine Bürgermeister gestellt, sondern
noch fünf weitere. Lediglich die Grünen haben in den
24 Jahren, die sie nun unter wechselnden Bezeichnungen
dem Landtag angehören, noch keinen Bürgermeister im
Landtag gestellt.
Zwei Bürgermeister, Karl Tizian und Siegfried Gasser erklommen
sogar das höchste Amt im Landtag und damit das
zweithöchste im Land: Sie wurden Landtagspräsidenten.
Noch zahlreicher als die Bürgermeister waren und sind weitere
Gemeindefunktionäre, von den Vizebürgermeisterinnen
und Vizebürgermeistern abwärts, über Gemeinderäte bis
hin zu den Gemeindevertretern im Landtag vertreten. Ihre
Zahl ist so groß, dass sie gar nicht zu ermitteln ist. Deutlich
mehr als die Hälfte der gegenwärtigen Mitglieder des Vorarlberger
Landtages übt noch ein Amt in einer Gemeinde aus.
Dies unterstreicht die meines Erachtens durchaus positive
Verschränkung zwischen Gemeinden und Landtag auch in
politischer Hinsicht.
6. Zusammenfassung und Ausblick
Die Gemeinden waren und sind, wie der vorangegangene
Abschnitt gezeigt hat, nicht nur gut im Landtag vertreten,
das Bekenntnis zu den Gemeinden gehört gleichsam seit
jeher zum Allparteienkonsens im Vorarlberger Landtag. Der
Landtag hat sich bemüht, für möglichst große Kontinuität
im Gemeinderecht zu sorgen.
Gewisse Paradigmenwechsel sind nichtsdestoweniger festzustellen:
In der Haltung der Fraktionen gegenüber der Lan-

desumlage etwa oder in der Einstellung gegenüber den Instrumenten
der Gemeindeaufsicht: Während bis in die 60er
Jahre ÖVP und FPÖ für eine relativ strenge Gemeindeaufsicht
eintraten, waren die Sozialdemokraten großzügiger.
Heute scheint sich diese Einstellung in gewisser Hinsicht
umzukehren.
Ein anderes Thema ist erst seit wenigen Jahren Gegenstand
der Landtagsdebatten: Das Infragestellen bestehender
Gemeindestrukturen kannte bislang keine Präzedenzfälle.
Der Grundkonsens über die notwendige Verstärkung von
Gemeindekooperationen weist darauf hin, dass die geänderten
wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse von
den Gemeinden ein neues Reagieren erfordern.
Dennoch ist anzunehmen, dass Landtag und Gemeinden
auch in Zukunft eng und mehr oder weniger harmonisch
miteinander verbunden sein werden und zwar aus einem
Grund, den Finanzlandesrat Adolf Vögel im Jahre 1955 anführte:
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Landtag,
dessen Abgeordnete ja alle aus der Gemeinde kommen, zum
Schaden der Gemeinde eine […]Gesetzgebung beschließen
würde, die vollständig gegen die Gemeinden geht.“ 39
1 § 92 Gemeindegesetz, LGBl. Nr. 45/1965.
2 RGBl. Nr. 18/1862.
3 Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11.06.2008, B 464/07.
4 Stenographische Sitzungsberichte [fortan: StenSib] 9. Vorarlberger
Landtag [fortan: LT] 1. Session 1903, Beilage 40.
5 Alfons Troll/Fritz Schneider, Gemeindeordnung für das Land Vorarlberg,
Bregenz 1935, S. 81.
6 StenSib 15. LT 1935, 7. Sitzung 24.07.1935, S. 72.
7 BGBl. Nr. 205/1962.
8 StenSib 20. LT 1965, 9. Sitzung 28./29.10.1965, S. 163.
9 Siehe auch StenSib 26. LT 1998, Beilage 74, und StenSib 27. LT 1999, 1.
Sitzung 27.01.1999, S. 2.
10 StenSib 24. LT 1985, Beilage 7.
11 Siehe StenSib 24. LT 1985, 5. Sitzung 22.05.1985, S. 132 ff., die
Wortmeldung des Abgeordneten Günter Keckeis (SPÖ), StenSib 24. LT
1985, 5. Sitzung 22.05.1985, S. 132 ff.
12 Siehe ebenda, S. 137 ff., die Wortmeldung des Abgeordneten Manfred
Rünzler (AL/VGÖ).
13 StenSib 20. LT 1965, 9. Sitzung 28./29.10.1965, S. 171.
14 StenSib 17. LT 1951, Beilage 19.
15 StenSib 17. LT 1952, 2. Sitzung 14.01.1952, S. 14.
16 Wortmeldung von Landtagsvizepräsident Pius Moosbrugger (SPÖ),
StenSib 19. LT 1959, 4. Sitzung 21./22.12.1959, S. 66ff.
17 StenSib 20. LT 1967, 2. Sitzung 01.03.1967, S. 14 ff, Wortmeldung des
Abgeordneten Dr. Walter Peter (SPÖ).
18 Ebenda, S. 19, Wortmeldung des Abgeordneten Alfred Eß (FPÖ, dagegen
noch der Abgeordnete Werner Melter, FPÖ, StenSib 19. LT 1959, 4.
Sitzung 21./22.12.1959, S. 67 f).
19 StenSib 24. LT 1986, 3. Sitzung 09.04.1986.
20 StenSib 25. LT 1994, 1. Sitzung 02.02.1994.
21 StenSib 26. LT 1996, 4. Sitzung 08.05.1996.
22 Gesetz über die Außerkraftsetzung der in den Jahren 1938 bis 1945
erfolgten Vereinigungen von Gemeinden, StenSib 16. LT, Beilage
13/1946; vgl. die Diskussion StenSib 16. LT, 3. Sitzung 21.03.1946, S. 3 f.
23 Der Selbständige Antrag „Finanzielle Auswirkungen möglicher
Gemeindefusionen“ wurde in 2007 gegen die Stimmen der SPÖ
abgelehnt (StenSib 28. LT 2007, Beilage 26 und 4. Sitzung 08.05.1997).
24 Siehe etwa StenSib 28. LT, Beilage 103/2006, und die darüber
abgehaltene Diskussion in StenSib 28. LT 2007, 1. Sitzung 31.01.2007.
25 StenSib 27. LT 2002, 4. Sitzung 08.05.2002, zur Beilage 17/2002.
Seite 47

26 Dieser Allparteien-Konsens äußert sich beispielsweise in der
einstimmig angenommenen Ausschussvorlage „Infrastrukturerhebung
und Gemeindekooperation“, StenSib 28. LT 2007, Beilage 43. Siehe
auch die Äußerung des Klubobmannes der ÖVP, Rainer Gögele, StenSib
28. LT, 1. Sitzung 31.01.2007: „Einigkeit besteht darin, dass inhaltlich
etwas weitergehen muss, dass Gemeindekooperationen etwas Gutes
sind.“
27 StenSib 23. LT 1979, 2. Sitzung 21.03.1979, S. 40.
28 So die Abgeordnete Jutta Kräutler-Berger (Grüne Alternative),
Sitzungsberichte XXV. Vorarlberger Landtag, 1. Sitzung 1991, S. 41.
29 StenSib 17. LT 1952, 10. Sitzung 29.12.1952, S. 151.
30 StenSib 17. LT 1953, 1. Sitzung 30.03.1953, S. 7.
31 StenSib 25. LT 1990, 10. Sitzung 12.-14.12.1990, S. 716, Landesrat Dr.
Guntram Lins (ÖVP),
32 Ebenda, S. 787, Abgeordneter Günter Lampert (ÖVP), StenSib 25. LT
1990.
33 So die Abgeordnete Christine Werber (ÖVP), StenSib 25. LT, 6. Sitzung
04.-6.07.1990, S. 326.
34 Vgl. StenSib 20. LT 1965, 9. Sitzung 28./29.10.1965, S. 225, die
Wortmeldung der Abgeordneten Elfriede Blaickner (ÖVPI,
35 Vgl. ebenda, S. 226, die Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Walter
Peter (SPÖ).
36 Vgl. ebenda, S. 172 ff., die Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Martin
Purtscher (ÖVP).
37 Vgl. ebenda, S. 168 f., die Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Walter
Peter (SPÖ).
38 Art 116 Abs 2 Bundes-Verfassungsgesetz.
39 StenSib 18. LT 1955, 9. Sitzung 19.12.1955, S. 74.
Seite 48

I. Die verfassungsrechtliche Positionierung der
Vorarlberger Gemeinden
Das Thema des Symposions „Der Vorarlberger Landtag
und die Gemeinden“ deutet zunächst auf die landes ver -
fassungsrechtliche Positionierung der Vorarl berger Gemeinden
hin. Tatsächlich bleibt dem Landesverfassungsgesetzgeber
nur wenig Spielraum für eine eigenständige
landesverfassungsrechtliche Positionierung der Gemeinden
im Lande. Die Gemeinden sind vielmehr durch die
Bundesverfassung formell und materiell stark determiniert.
Gleichwohl sind die Beziehungen der Gemeinden
zum Landtag sehr intensiv. Allerdings ist die rechtliche
Beziehung zwischen Gemeinden und Landtag stärker auf
einfachgesetzlicher Ebene angesiedelt als im Bereich des
Landesverfassungsrechts. Wesentliche Kernaufgaben der
Gemeinden werden landesgesetzlich geregelt. Das gesamte
Gemeindeorganisationsrecht als Ausführungsrecht
bundesverfassungsgesetzlicher Vorgaben, das Dienstrecht,
Baurecht, Raumordnungsrecht, der große Bereich der Sozial-
und Kulturverwaltung, das kommunale Umweltrecht
und viele andere kommunale Aufgaben werden vom Landesgesetzgeber,
also vom Landtag geregelt. Dabei kommen
Landtag und Gemeinden vor allem im Vorfeld der Gesetzeswerdung
immer wieder zusammen. Es wäre ein reizvolles
Thema eines eigenes Referats, die Wechselbeziehungen
zwischen Landtag und Kommunen und ihre gegenseitige
Beeinflussung darzustellen. Das mir gestellte Thema befasst
sich aber mit verfassungsrechtlichen Fragen, wobei
hier der Bundesverfassung verstärktes Augenmerk zu
schenken ist.
II. Die Gemeinden in der Bundesverfassung
und in der Landesverfassung
Mit der Gemeindeverfassungsnovelle 1962 wurden jene
bundesverfassungsrechtlichen Grundlagen der Gemeindeorganisation
und der Gemeindeaufgaben geschaffen, die
bis heute gültig sind. Bis zu dieser Verfassungsnovelle 1962
Symposium „Der Vorarlberger Landtag und die Gemeinden“
Bregenz, Landhaus, 22. Oktober 2008
Karl Weber (geb. 1953 in Hall/Tirol), o. Univ.-Prof., Dr. iur., seit 1991 ordentlicher Universitätsprofessor für
Öffentliches Recht, Finanzrecht und Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck.
Die verfassungsrechtliche Position der
Gemeinden in Vorarlberg
Bestandsaufnahme und Ausblick
Karl Weber
galt ein verfassungsrechtliches Provisorium, das die Grundsätze
des monarchischen Gemeinderechts in die Bundesverfassung
inkorporierte und bis weit hinauf in die Zweite
Republik prolongierte.
Die Organisation und die Aufgaben der Gemeinden sind
in Österreich bundesverfassungsrechtlich detailliert geregelt.
Dies stellt an sich eine bundesstaatliche Anomalie
dar, die nur historisch erklärbar ist. Ein Blick in die Verfassungen
unserer bundesstaatlichen Nachbarn zeigt, dass
das Gemeinderecht in weitem Umfang dem gliedstaatlichen
Gesetzgeber übertragen ist. Daher findet sich in den
bundesstaatlichen Verfassungen unserer Nachbarstaaten
im Wesentlichen lediglich die kommunale Bestandsgarantie,
die Bundesverfassungen enthalten sich jedoch detaillierter
Aussagen über Funktion und Organisation der
Gemeinden. Aus den Materialien zur B-VG-Novelle 1962
ergibt sich deutlich, dass die österreichischen Gemeinden
diesen bundesstaatstypischen Weg nicht gehen wollten.
Der Österreichische Gemeindebund und der Österreichische
Städtebund, die die Gemeindeverfassungsnovelle
1962 inhaltlich weitgehend vorbereitet hatten, wollten die
Gemeinden in der Bundesverfassung und nicht in den Landesverfassungen
verankert wissen, da sie nicht allein den
Ländern „ausgeliefert“ sein wollten. Eine bundesverfassungsrechtliche
Regelung des Gemeinderechts sollte zum
einen erhöhten Bestandsschutz der Gemeinden bewirken,
zugleich aber auch eine bundesweite Homogenität des Gemeinderechts
sicherstellen. Daher findet sich in den Art. 115
ff Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) auch eine beinahe kasuistische
Determinierung des Organisations- und Funktionenrechts
der Gemeinden. Dies hat freilich zur Folge, dass
die Landesverfassungen im Bereich des Gemeinderechts
de facto den Charakter von Ausführungsgesetzen zum Bundesverfassungsrecht
haben, weil ihnen diesbezüglich nur
wenig Spielraum im Rahmen der Verfassungsautonomie
der Länder bleibt. Wenn also im Folgenden von der verfassungsrechtlichen
Stellung der Gemeinden in Vorarlberg die
Rede ist, so bezieht sich dies in erster Linie auf die Bundesverfassung.
Das Vorarlberger Landesverfassungsrecht
Seite 49

unterscheidet sich hinsichtlich der Gemeinden nur wenig
von den übrigen landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen
in Österreich. Diese landesverfassungsrechtlichen
Bestimmungen haben weitgehend nur rezitativen Charakter
und geben in großem Umfange narrativ den Bestand des
Bundesverfassungsrechts wieder.
Zumindest aus gesamtösterreichischer Sicht lässt sich
konstatieren, dass sich das Gemeinderecht, wie es durch
die Gemeindeverfassungsnovelle 1962 und einige spätere
Verfassungsreformen verwirklicht wurde, im Großen und
Ganzen bewährt hat. Dieses Verfassungswerk bietet auch
heute noch die Grundlage für ein demokratisches und effizientes
Rechtsleben in den österreichischen Gemeinden.
Gleichwohl haben die rasanten ökonomischen, sozialen,
kulturellen und ökologischen Entwicklungen der letzten
Jahre auch vor den Gemeindestuben nicht Halt gemacht.
Die Europäisierung und Internationalisierung des Rechts
stellt auch die Gemeinden vor große Herausforderungen.
Viele Entwicklungen, die vom historischen Gemeindeverfassungsgesetzgeber
nicht einmal erahnt werden konnten,
durchdringen heute das kommunale Rechtsleben
nachhaltig. Viele dieser strukturellen Änderungen im
Gemeindeleben haben schon in der Vergangenheit rechtliche
Adaptierungen erfordert. Dabei wurde das Meiste auf
unterverfassungsrechtlicher Ebene realisiert. Dies erfolgte
zum Teil auf einfachgesetzlicher Ebene, vieles ist auch im
Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung realisiert worden.
E-Government, New Public Management, Public Private
Partnership und andere moderne Schlagworte sind inzwischen
aus dem kommunalen Leben nicht mehr wegzudenken.
Auch die Weiterentwicklung der Gemeindeaufgaben,
insbesondere auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge wurde
zum Teil einfachgesetzlich aber viel häufiger im Rahmen
der Privatwirtschaftsverwaltung gemäß Art. 116 Abs. 1 B-VG
weiter entwickelt.
Obwohl sich das Gemeinderecht der Österreichischen
Bundesverfassung im Großen und Ganzen bewährt hat,
hat es im Laufe der Jahrzehnte doch eine gewisse Patina
Seite 50
angelegt. So entstanden im Laufe der Jahre doch einige
Forderungen an den Bundesverfassungsgesetzgeber,
die, unter Beibehaltung der rechtlich verankerten Strukturen,
moderne Entwicklungen ins Gemeinderecht einbeziehen
sollten. Hier zeigt sich freilich eine Schattenseite
der bundesverfassungsrechtlichen, also zentralistischen
Struk tur des österreichischen Gemeinderechts. Die Länder
können für ihre Gemeinden entsprechende Reformen nur
marginal vornehmen, sie müssen sich vielmehr auf gesamtösterreichischer
Ebene einigen, um Forderungen nach einer
Änderung der Bundesverfassung wirkungsvoll zu artikulieren.
Änderungen des Gemeinderechts auf Bundesebene
sind umso schwieriger zu realisieren, je knapper die Parlamentsmehrheit
für eine bestimmte Regierungskonstellation
ist. Hat eine Regierung nur mehr eine einfachgesetzliche
Mehrheit, erweisen sich Verfassungsreformen – um solche
handelt es sich bei Gemeinderechtsreformen – äußerst
schwierig zu realisieren. Gleichwohl gelang es den österreichischen
Gemeinden durch ihre inzwischen bundesverfassungsrechtlich
verankerten Interessensvertretungen, sich
im Österreich-Konvent gut zu positionieren. Wenn auch
der Österreich-Konvent ohne konkretes Ergebnis blieb, so
zeigte sich bei dessen Beratungen, dass die Anliegen der
Gemeinden durchaus auf offene Ohren stießen. Im Entwurf
der „Expertengruppe Staats- und Verwaltungsreform“ im
Bundeskanzleramt vom 11. März 2008 finden sich auch
eine Reihe der Forderungen des österreichischen Gemeinde-
und Städtebundes legistisch aufbereitet. Darauf soll im
Folgenden noch eingegangen werden.
III. Die Gemeinden im System des österreichischen
Bundesstaates und des europäischen Mehrebenenstaates
Die Diskussion um den österreichischen Föderalismus
war jahrzehntelang vom traditionellen staatsrechtlichen
Verständnis des Verhältnisses von Bund und Ländern
einerseits und von regionalistischen Phänomenen, die
staatsrechtlich nur schwer erfassbar waren, anderer

seits geprägt. Während die Gemeinden in der Regionalismusdebatte
des europäischen Integrationsprozesses
eine eher diffuse als klar definierte Rolle einnahmen,
kamen sie in der Diskussion um den staatsrechtlichen
Föderalismus in Österreich so gut wie nicht vor. Denn die
staatsrechtliche Diskussion um den österreichischen Föderalismus
war jahrzehntelang traditionell vom staatsrechtlichen
Verständnis des Verhältnisses von Bund und
Ländern geprägt. Die unterschiedlichen Spielarten, des
Bund – Länder-Verhältnisses (Dezentralisationstheorie,
Staatenstaatstheorie, Drei-Kreise-Theorie) reflektierten
ausschließlich das verfassungsrechtliche Verhältnis von
Bund und Länder. Dabei stand die Souveränitätsfrage im
Zentrum der Diskussion. Diese Föderalismusdebatte wurde
insbesondere zwischen der „Wiener Schule“ und und Vertretern
der „komplexen Bundesstaatstheorien“ geprägt.
Felix Ermacora, Peter Pernthaler, Fried Esterbauer, Peter
Bußjäger und andere prägten diese Debatte. Das Erkenntnisinteresse
dieser Föderalismusdebatte bestand insbesondere
in der Bekämpfung der von Hans Kelsen, aber auch
von Zaccaria Giacometti geprägten Auffassung, dass dem
Bund die alleinige Souveränität zukomme, während die
Länder – analog zu den Gemeinden – lediglich dezentralisierte
Selbstverwaltungskörper seien. Ob man diese nun,
wie es Giacometti formulierte, als „potentielle Selbstverwaltungskörper“
bezeichnete oder nicht, die „komplexe
Staatstheorie“ kämpfte jahrzehntelang gegen die Gleichsetzung
von Ländern und Gemeinden an. Dabei stand – wie
schon erwähnt – vor allem die Souveränitätsfrage im Zentrum
dieser Überlegungen.
Spätestens mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen
Union wurde klar, dass die Souveränitätsfrage in einem
europäischen Mehrebenensystem obsolet, wenn nicht
anachronistisch geworden ist. In der europäischen Gemeinschaftspolitik
steht nicht sosehr die Frage der Effizienz
der innerstaatlich gegliederten Gebietskörperschaften
im Vordergrund, sondern ausschließlich die Effizienz der
Aufgabenerfüllung – durch welche Gebietskörperschaft
auch immer. Stellt man aber die Optimierung der Aufga-
benerfüllung in einem Mehrebenensystem ins Zentrum der
staatsrechtlichen Diskussion, so wird man zweifelsfrei an
den Gemeinden als Träger basaler und bürgernaher Verantwortung
nicht vorbeikommen. In einem modernen gemeinwohlverwirklichenden
Bundesstaat stellen die Gemeinden
unverzichtbare rechtliche und politische Ebenen im Sinne
des Subsidiaritätsprinzips dar.
In diesem Sinne ist es naheliegend, bei einer Neuschaffung
der Österreichischen Bundesverfassung auch die Gemeinden
in die Programmnorm des Art. 2 B-VG in irgendeiner
Weise einzubinden. Staatstheoretisch würde eine solche
Einbindung der Gemeinden in die Programmnorm des Art.
2 B-VG auf eine Umdeutung des derzeitigen Bundesstaatsverständnisses
eines zweigliedrigen Bundesstaates hin
zu einem dreigliedrigen führen. Eine solche revolutionäre
Konzeption, wie sie der Österreichische Gemeindebund
in den Beratungen des Österreich-Konvents einzubringen
versuchte, findet heute freilich noch keinen fruchtbaren
Boden. So wurde in den Diskussionen des Österreich-
Konvents diese Idee einer Neuformulierung des Art. 2 B-VG
nicht weiter verfolgt. Die Föderalismusdiskussion im Österreich-Konvent
hatte ohnehin genug sprengstoffgeladene
Fragen zu klären.
IV. Unverzichtbare gemeindeverfassungsrechtliche
Elemente in der Österreichischen Bundesverfassung
Das Prinzip der Einheitsgemeinde stellt heute eines der tragenden
verfassungsrechtlichen Grundsätze des Kommunalrechts
dar. Dieses ökonomisch nicht unumstrittene Prinzip
läuft auf eine gewisse Nivellierung der kommunalen Strukturen
hinaus. Nach dem Prinzip der Einheitsgemeinde sind
die Gesetzgeber verpflichtet, bei der Zuweisung von öffentlichen
Aufgaben an staatliche oder autonome Behörden
das Subsidiaritätsprinzip zur Anwendung zu bringen. Nur
dann, wenn eine Staatsaufgabe von allen Ortsgemeinden
auf Grund ihrer Finanz- und Verwaltungskraft bewältigt wer-
Seite 51

den kann, darf der Gesetzgeber eine öffentliche Aufgabe
dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden zuordnen.
Dieses Prinzip wurde insbesondere von Ökonomen radikal
kritisiert, es hat sich jedoch im Großen und Ganzen
bewährt. Der Österreichische Gemeindebund drängte bei
allen Reformschritten auf eine Erhaltung dieses Prinzips
der Einheitsgemeinde. Rechtspositivistisch lässt sich dazu
nicht viel sagen, aus einer verfassungspolitischen Sicht
würde jedoch die Aufgabe des Prinzips der Einheitsgemeinde
die Aufwertung von Ballungsgebieten und die Abwertung
des so oft gepriesenen „ländlichen Raums“ bedeuten. Eine
nach Gemeindegrößen und Verwaltungskraft differenzierte
Aufgabenzuweisung an verschiedene Gemeindetypen würde
mit Sicherheit wieder zu jenen unseligen Diskussionen
der Gemeindegebietsreformen der 1970-er Jahre zurückführen,
deren Ergebnisse zweifellos nicht zufriedenstellend
waren.
Ein weiteres zentrales Element des Gemeindeverfassungsrechts
ist die Autonomie der kommunalen Rechtsetzung
und Vollziehung. Im eigenen Wirkungsbereich sind die Gemeinden
autonom, das heißt frei von Weisungen. Sie unterliegen
zwar einer Staatsaufsicht, die zum überwiegenden
Teil von den Ländern, zum Teil aber auch vom Bund wahrgenommen
wird, diese stellen jedoch eine reine Rechtmäßigkeitskontrolle
dar, die gewährleisten soll, dass die Gemeinden
ihren Wirkungsbereich nicht überschreiten und sich an
Bundes- und Landesgesetze halten. Die Gemeindeaufsicht
in einem wohlverstandenen Sinn dient sohin der Wahrung
der Gemeindeautonomie ebenso wie der Wahrung der subjektiven
Rechtsphäre der Gemeindebürger.
Rechtsstrukturell vorgegeben ist die Beschränkung der
kommunalen Gestaltungsmacht auf das Gemeindegebiet.
Auch interkommunale Kooperationen können dieses Prinzip
nicht aushebeln. Die interkommunale Kooperation
kann daher niemals über die Bezirks- bzw. Landesgrenzen
hinausgehen, da die Gemeinden zwar Geschöpfe der Bundesverfassung,
organisationsrechtlich aber solche des Landesrechts
sind.
Seite 52
Ein besonderes Merkmal des Gemeinderechts ist die
Einbindung der kommunalen Strukturen in das bundesstaatliche
Finanzverfassungsrecht. Der Bund dominiert das
Finanzverfassungs- und Finanzausgleichsrecht nachhaltig.
Die Gemeinden sind ebenso wie die Länder im Finanzverfassungsrecht
weitgehend machtlos gegen den dominierenden
Bundeseinfluss. Zwar hat der Verfassungsgerichtshof
(VfGH) in seiner Judikatur zum „Finanzausgleichspaktum“
die Rolle der kooperativen Finanzausgleichsentwicklung
besonders hervorgehoben, die Gemeinden sind auf Grund
des Finanz-Verfassungsgesetzes (F-VG) jedoch nach wie vor
an zahlreiche beinahe obrigkeitliche Bevormundungen, Detailvorgaben
für die Haushaltsplanung und den Budgetvollzug
sowie an eine Reihe von anderen sehr formalistischen
Kriterien gebunden.
Die einzelne Gemeinde hat nach Österreichischen Bundesverfassung
und auch nach den Landesverfassungen keinen
Bestandschutz. Zwar ist die Gemeinde als Institution
bundesverfassungsrechtlich vor der Abschaffung – an
die ohnehin niemand denkt – geschützt, der Bestand der
einzelnen Gemeinde ist jedoch maßgeblich vom Willen
des einfachen Gesetzgebers abhängig. Zwangsweise Gemeindeauflösungen
und Gemeindefusionierungen sind
nach dem geltenden Verfassungsrecht ohne weiteres möglich.
V. Reformbedarf auf Verfassungsebene
1. Allgemeines
Analysiert man den Reformbedarf an Hand der Notwendigkeiten
der täglichen kommunalen Arbeit, so kristallisieren
sich einige Fragen heraus, die ebenso naheliegend
wie staatstheoretisch schwer zu realisieren sind. Neben der
Einbeziehung der Gemeinden als gleichwertige bundesstaatliche
Partner ist hier insbesondere die Stellung der
Gemeinden im Finanzverfassungsrecht zu nennen. Daneben
bringt die kommunale Praxis eine Reihe von Problemen

zum Vorschein, die bei gutem Willen verfassungsrechtlich
durchaus lösbar sind, die aber, da das Gemeinderecht bundesverfassungsrechtlich
sehr intensiv determiniert ist, nur
durch den Bundesverfassungsgesetzgeber einer Lösung zugeführt
werden können.
In diesem Zusammenhang taucht immer wieder die Frage
auf, inwieweit es noch sinnvoll ist, das Gemeinderecht
so detailliert in der Bundesverfassung zu verankern. Eine
Überlassung der Gemeindeorganisation und der Gemeindeaufgaben
an den Landesgesetzgeber, so könnte man meinen,
würde viele Probleme einfacher lösen lassen. Diesem
Einwand sei freilich entgegnet, dass die Probleme nicht nur
einzelne Gemeinden eines Bundeslandes betreffen, sondern
dass es eine Reihe von Problemen gibt, welche die
Gemeinden gesamtstaatlich erfassen. Außerdem enthalten
diese Probleme nur geringen parteipolitischen Zündstoff.
Eine Verwirklichung der kommunalen Forderung könnte
daher durchaus in einer „kleinen“ Gemeindeverfassungsnovelle“
verwirklicht werden.
2. Die Einbeziehung der Gemeinden in die bundesstaatlichen
Verträge des Art. 15 a B-VG
Bund-Länder-Verträge und Länderverträge nach Art. 15 a
B-VG enthalten vielfach Regelungsgegenstände, zu deren
Vollziehung die Gemeinden berufen sind. Ein formales Mitwirkungsrecht
auf Vertragsabschluss kommt den Gemeinden
derzeit nicht zu. Daher ist es verständlich, dass auch
die Kommunen beim Abschluss von 15 a-B-VG-Verträgen ein
Mitwirkungsrecht verlangen.
Der tiefere Hintergrund dieser Forderung ist jedoch der
Wunsch der Gemeinden nach einer gleichwertigen Mitwirkung
beim paktierten Finanzausgleich. Zwar anerkennt
der VfGH schon derzeit den Finanzausgleich als föderalistisches
Paktum, das sogar Gleichheitsbedenken gegen
eine finanzausgleichsrechtliche Norm verdrängen kann,
gleichwohl ist die Situation der Gemeinden im System der
österreichischen Finanzverfassung insgesamt ähnlich unbefriedigend
wie die der Länder. Im Zuge einer Aufwertung
der Länder und Gemeinden in der Finanzverfassung sollte
daher nach der – vielleicht utopischen – Vorstellung der österreichischen
Gemeinden der Finanzausgleich als Paktum,
also als staatsrechtliche Vereinbarung zwischen Bund, Ländern
und Gemeinden erlassen werden können.
Dass ein solches Vorhaben verfassungsrechtlich grundsätzlich
möglich ist, hat der Bundesverfassungsgesetz -
geber mit dem Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen
des Österreichischen Gemeindebundes und des
Österreichischen Städtebundes erstmals aufgezeigt. Zwar
sind damit eine Reihe von verfassungsstrukturellen Problemen
verbunden, diese sind jedoch durchaus lösbar.
3. Neuordnung der interkommunalen Zusammenarbeit
Der 1984 eingeführte Art. 116 a B-VG ermöglicht die Schaffung
von Gemeindeverbänden. Gemeindeverbände sind
damit die einzige öffentlichrechtliche Verbindung von Gemeinden
mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit. Gemeindeverbände
sind aus dem heutigen kommunalen Leben
nicht mehr wegzudenken. Ohne sie müssen wohl zahlreiche
kommunale Aufgaben auf die staatlichen Ebenen gehoben
werden, was im Sinne des Subsidiaritätsprinzips sicher
nicht erstrebenswert ist. Obwohl sich die Gemeindeverbände
im Großen und Ganzen bewährt haben, zeigt sich in
der sich rasch wandelnden Welt doch ein Strukturproblem:
Art. 116 a B-VG beschränkt die Einrichtung von Gemeindeverbänden
auf die Landes-, zum Teil auch nur auf die Bezirksgrenzen.
Diese Beschränkung wird oftmals als Hemmnis
für eine effiziente interkommunale Aufgabenbesorgung
gesehen. Interkommunale Zusammenarbeit soll nach den
Vorstellungen des Österreichischen Gemeindebundes nicht
an den Landesgrenzen Halt machen, sondern soll auch auf
länderübergreifende regionale und kommunale Zusammenarbeit
ausgedehnt werden. Wenn etwa Gemeinden
mit ähnlichen Interessen spezifische öffentlichrechtliche
Kooperationsformen entwickeln wollen, so soll ihnen dies
Seite 53

nicht deshalb verwehrt werden, weil sie im Grenzbereich
von zwei oder mehreren Bundesländern liegen.
Dass länderübergreifende Gemeindeverbände Probleme
aufwerfen können, sei nicht verkannt. Vor allem die Fragen
der Finanzierung, mehr jedoch die Fragen der unverzichtbaren
Staatsaufsicht stellen Probleme dar. Allerdings zeigt
der Entwurf der Expertengruppe, dass hier durchaus konstruktive
Lösungen angedacht werden können.
4. Neuformulierung der Gemeindeaufgaben
Derzeit sind die Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches
der Gemeinde in einer Kombination aus dem allgemeinen
Subsidiaritätsprinzip (Art. 118 Abs. 2 B-VG) und einer demonstrativen
Enumerierung von Einzelkompetenzen (Art.
118 Abs. 3 B-VG) formuliert. Vergleicht man die demonstrativ
aufgezählten Gemeindekompetenzen des Art. 118 Abs. 3
mit den Gemeindeaufgaben des Reichsgemeindegesetzes
1862 so fällt eine weitgehende Übereinstimmung – nicht
nur in terminologischer Hinsicht – auf. Angesichts des hohen
Alters der in Art. 118 Abs. 3 B-VG formulierten Aufgaben
stellt sich doch die Frage nach der Zeitgemäßheit eines solchen
Aufgabenkataloges.
Eine genauere Durchleuchtung der Gemeindeaufgaben im
eigenen Wirkungsbereich gibt ein überraschendes Bild: Zunächst
hat der VfGH in seiner Judikatur das Subsidiaritätsprinzip
des Art. 118 Abs. 2 mit Augenmaß und nach durchaus
vernünftigen Kriterien interpretiert. Der VfGH hat dem
Subsidiaritätsprinzip einen dynamischen und flexiblen
Charakter verliehen, der die Rechtswahrung der Gemeinden
durchaus fördert. Das Subsidiaritätsprinzip ist aber
nicht starr, sondern ermöglicht es auch durchaus – wie es
etwa das Beispiel der Abfallwirtschaft zeigt – dass zunehmende
Komplexität der Aufgabenbesorgung nicht zwangsläufig
zu einer generellen Zentralisierung führen muss,
sondern dass auch in diesem sehr heiklen Problembereich
noch durchaus Gestaltungsspielraum für die Gemeinden
gegeben sein kann.
Seite 54
Obwohl sich der Aufgabenkatalog des Art. 118 Abs. 3 B-VG
durchaus bewährt hat, sind heute zweifelsfrei einige Gemeindeaufgaben
nicht mehr zeitgemäß. Als Beispiel seien
hier etwa die Gemeindevermittlungsämter, die freiwillige
Feilbietung beweglicher Sachen, aber auch das örtliche Gesundheitswesen
genannt. Alle drei Bereiche haben in der
modernen Gesellschaft nicht mehr die gleiche Bedeutung,
die sie noch vor hundert Jahren hatten. Hier haben Flexibilität,
soziale Mobilität und die Entstehung neuer Konfliktregelungsmechanismen
zu einer weitgehenden Funktionslosigkeit
dieser kommunalen Aufgaben geführt. Dafür steht
aber heute die Daseinsvorsorge im Zentrum kommunaler
Aufgabenerfüllung. Eine Aufnahme der Daseinsvorsorge
in den Aufgabenkatalog der Gemeinden wird von diesen
nicht zuletzt deshalb gefordert, da eine Anerkennung dieser
Aufgaben zwangsläufig auch eine Berücksichtigung im
Finanzausgleich finden muss. War die Daseinsvorsorge im
„Fiedler-Entwurf“ in der Liste der enumerierten Aufgaben
der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich enthalten, so
siedelt sie der Entwurf der Expertenkommission im Art. 116
B-VG an. Dem kann durchaus zugestimmt werden, werden
doch die meisten Aufgaben der Daseinsvorsorge heute von
den Gemeinden in den Rechtsformen der Privatwirtschaftsverwaltung
geführt.
5. Reform der Stellung der Gemeinden in der Finanzverfassung
und im Finanzausgleich
Das System der österreichischen Finanzverfassung ist durch
ein hohes Maß an Zentralismus und Unitarismus gekennzeichnet.
Dieter Bös hat dafür den Ausdruck des „Principal
Agent“-Systems geprägt. Nicht nur die Länder, auch die
Gemeinden sind im System des Finanzausgleichs formal
und inhaltlich nachgeordnete Gebietskörperschaften, deren
prozedurale Stellung im Bundesstaatsvergleich äußerst
schwach ist. Zwar wurde durch den Konsultationsmechanismus
die Stellung der Gemeinden im bundesstaatlichen
Finanzsystem erheblich verbessert. Nunmehr können sich
die Gemeinden gegenüber Belastungen durch Bundes- und

Landesgesetzgeber zur Wehr setzen. Die schwammige „Finanzausgleichsgerechtigkeit“
des § 4 F-VG bot bis dahin
einen weit geringeren Schutz. Gleichwohl enthält die österreichische
Finanzverfassung neben der grundsätzlichen
Schlechterstellung der Gemeinden und Länder gegenüber
dem Bund auch eine Reihe von zentralistischen Bevormundungen,
die die Gemeinden bei den Versuchen, eine
moderne und effiziente Budgetpolitik zu schaffen, immer
wieder hindert. Die Gemeinden fordern daher zunächst
eine Aufwertung dahingehend, dass die finanzausgleichsrechtliche
Verhandlungspflicht nunmehr verfassungsrechtlich
festgeschrieben werden soll. Wie schon erwähnt, ist es
ein langfristiges Ziel der Gemeinden, den Finanzausgleich
zu einem echten Paktum hin zu entwickeln, der zwischen
gleichberechtigten bundesstaatlichen Partnern abgeschlossen
wird. Auch die Ausdehnung des Konsultationsmechanismus
auf Steuergeschenke des Bundes zu Lasten
der anderen Gebietskörperschaften ist im Forderungskatalog
der Gemeinden enthalten. Schließlich soll noch eine
Reihe von inzwischen überholten Vorgaben für die Budgetführung,
das Haushaltsrecht und anderes mehr beseitigt
werden.
6. Reform des ortspolizeilichen Verordnungsrechts
Neben dem Notverordnungsrecht des Bundespräsidenten
ist das ortspolizeiliche Verordnungsrecht das einzige verfassungsunmittelbare
Rechtsetzungsinstrument außerhalb
der Gesetzgebung. Im Falle eines bereits bestehenden oder
unmittelbar drohenden Missstandes kann die Gemeinde
auch ohne einfachgesetzliche Vorgaben durch Verordnungen
Maßnahmen setzen, um den Missständen Herr zu
werden.
In der Praxis hat sich immer wieder ein Strukturproblem
gezeigt: Die Gemeinden können nur tätig werden, wenn ein
Missstand bereits eingetreten ist oder unmittelbar auszubrechen
droht. Erst dann ist den Gemeinden ein Handeln
möglich. Für die Gemeindebürger bedeutet dies freilich,
dass „etwas passiert sein muss, damit etwas passiert“, um
es auf gut österreichisch auszudrücken. Daher fordern die
Gemeinden die Ausdehnung des ortspolizeilichen Verordnungsrechts
über Missstände hinaus zu einem Instrument
der Gefahrenabwehr.
Im Entwurf der Expertenkommission wurde diesem Anliegen
nicht nur Rechnung getragen, der Entwurf geht darüber
noch hinaus. Zukünftig soll nach den Vorstellungen der Entwurfsverfasser
ein umfassendes gesetzesergänzendes und
gesetzesvertretendes Verordnungsrecht der Gemeinden im
eigenen Wirkungsbereich eingeführt werden. In diesem
Bereich soll sohin das strenge Legalitätsprinzip des Art.
18 Abs. 2 B-VG weitgehend dispensiert werden. Für die Gemeinden
würde dies einen beträchtlichen Gewinn an Flexibilität
bedeuten und sie in die Lage versetzen, ein umfangreiches
kommunales Gefahrenmanagement zu installieren.
7. Bestandsgarantie der Einzelgemeinde
Nach geltendem Verfassungsrecht ist zwar die Institution
„Gemeinde“ als solche bundesverfassungsrechtlich abgesichert,
die einzelne Gemeinde hat jedoch keine Bestandsgarantie
und damit auch keinen Schutz vor einer zwangsweisen
Auflösung bzw. Fusionierung mit einer anderen
Gemeinde. Nach wie vor sehen alle Gemeindeordnungen
eine Gemeindeauflösung bzw. Gemeindefusionierung auch
gegen den Willen der Gemeinde nach bestimmten rechtlichen
Verfahren vor.
Die Diskussion um die „optimale“ Gemeindegröße beschäftigt
die Ökonomie und Verwaltungswissenschaft
schon seit Jahrzehnten. Dabei ist freilich zu beachten, dass
es sich dabei nicht um ausschließlich ökonomische Fragen
handelt, sondern dass hier auch demokratische Kosten mit
zu veranschlagen sind. Während sich Gemeindezusammenschlüsse,
die auf freiwilliger Basis erfolgten, durchaus
bewährt haben, haben die zwangsweisen Fusionierungen
in den 1970-er Jahren des letzten Jahrhunderts durchaus
problematische Ergebnisse gebracht. Seit dieser Zeit geht
man mit Zwangsreformen auch entsprechend vorsichtig
Seite 55

um. Freilich ist die Frage nach der idealen Gemeindegröße
immer wechselnden Moden unterworfen. Um auch für die
einzelne Gemeinde einen Bestandsschutz zu erreichen,
sieht der Entwurf der Expertenkommission nunmehr vor,
dass Gemeindezusammenschlüsse, Gemeindeauflösungen
oder Ähnliches nur mit Zustimmung aller betroffenen Gemeinden
erfolgen dürfen.
8. Ausblick
Die vorherigen Ausführungen haben gezeigt, dass sich
das Gemeinderecht zwar im Großen und Ganzen bewährt
hat, dass aber doch Anpassungen an eine sich ändernde
Welt notwendig und entsprechend dem österreichischen
Konzept der Gemeindeverfassung vom Bundesverfassungsgesetzgeber
zu realisieren sind. Der Entwurf der Expertenkommission
ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es muss
allen ein Anliegen sein, starke und leistungsfähige Kommunen
auch in Zukunft als Basisorganisationen des Staates
zu haben. Eine „Gemeindeverfassungsnovelle 2009/10“
könnte bei gutem Willen aller Beteiligten kein utopisches
Vorhaben sein. Denn die Forderungen der Gemeinden
orientieren sich an parteipolitisch neutralen sachlichen
Notwendigkeiten. Es bleibt zu hoffen, dass das derzeitig
harmonische Klima innerhalb der Regierung auch den Gemeinden
insoweit zugute kommt, als diese möglichst rasch
ihre Forderungen eingelöst erhalten.
Seite 56

Vorbemerkung
„Bemerkungen zur Entwicklung des Gemeindewahlrechts.“
Warum dieses Thema?
Die Rechtfertigung mag das Generalthema „Der Vorarlberger
Landtag und die Gemeinden“ bieten. Immerhin hat
der Landtag mit dem Wahlrecht einen nicht unerheblichen
Aspekt des kommunalen Lebens bestimmt. Mehr an objektiver
Rechtfertigung ist nicht zu finden. Schließlich ist es
eine subjektive Entscheidung, für die ich mir die Verantwortung
mit dem Herrn Landtagsdirektor teile.
So möchte ich Sie denn in das Jahr 1864 – damit in die Anfangsjahre
des heutigen Landtages - zurückführen und von
dort ausgehend einige Bemerkungen zu einer knapp 150
Jahre dauernden Entwicklung anbringen.
Warum Bemerkungen?
Weil nicht mehr möglich ist, wenn eineinhalb Jahrhunderte
in 30 Minuten – oder einige mehr – gepackt werden sollen.
Ich beschränkte mich dabei auf die Wahl der Gemeindevertretung.
Besonderes Augenmerk möchte ich auf die
Entwicklung der Wahlberechtigung, des Wahlsystems und
der Stimmabgabe, als den für den Außenstehenden sinnenfälligsten
Vorgang, legen.
Vorerst aber noch ein Wort zur Terminologie: Bis 1919 heißt
das Organ, das wir heute Gemeindevertretung nennen,
„Gemeindeausschuss“. Gemeindevertretung hingegen war
der Oberbegriff für den Gemeindeausschuss und den Gemeindevorstand
mit dem Gemeindevorsteher.
Symposium „Der Vorarlberger Landtag und die Gemeinden“
Bregenz, Landhaus, 22. Oktober 2008
Elmar Häusler (geb. 1939 in Bludenz), Dr. iur., war von 1975 bis 2002 Vorstand der Abteilung
Innere Angelegenheiten im Amt der Vorarlberger Landesregierung.
Bemerkungen zur Entwicklung des Gemeindewahlrechts
in Vorarlberg von 1864 bis 2008 1
Elmar Häusler
I. Die Zeit der Monarchie
1. Gemeinde-Wahlordnung 1864
Der Vorarlberger Landtag hat im Jahre 1864 gemeinsam
mit der Gemeinde-Ordnung eine Gemeinde-Wahlordnung
beschlossen. 2
Die Erlassung dieser Gesetze war von einigen Geburtswehen
begleitet, wobei die Schwierigkeiten vor allem in der
Gemeinde-Ordnung lagen. Diese Gesetze sind nicht im
Schoße des Landtages herangereift, sie basieren auf einer
Regierungsvorlage, das heißt einer Vorlage der Regierung in
Wien.
Für die Erlassung der Gemeinde-Ordnung und der Gemeinde-Wahlordnung
hatte das Reichsgemeindegesetz aus
1862, 3 das war ein Rahmengesetz (etwa dem heutigen
Grundsatzgesetz vergleichbar), bestimmte Vorgaben gemacht.
Die wohl inhaltsschwerste Bedingung für die Gemeinde-Wahlordnung
besagte, dass das Landesgesetz „die
Bildung der Gemeindevertretung durch eine Wahlordnung
mit gebührender Rücksichtnahme auf die Sicherung der Interessen
der höher Besteuerten“ zu regeln hat. 4
Zu dem von der Regierung dem Landtag vorgelegten
Entwurf einer Gemeinde-Ordnung und einer Gemeinde-
Wahlordnung hat der Landtag zahlreiche, vor allem die
Gemeinde-Ordnung betreffende Änderungen beschlossen.
Diese konnten nicht die kaiserliche Sanktion erlangen. Den
Bemängelungen hat der Landtag schließlich vollständig
entsprochen. Am 22. April 1864 haben die beiden Gesetze
die Sanktion des Kaisers erhalten.
Seite 57

a) Wahlberechtigung
Aktives Wahlrecht
Wahlberechtigt waren (vereinfacht dargestellt):
I. Gemeindemitglieder, insofern sie österreichische
Staatsbürger waren, nämlich
1. Gemeindebürger mit Steuerleistung und
Ehrenbürger;
2. (nur) Heimatberechtigte (die nicht auch zugleich
Gemeindebürger waren), und zwar
a) Ortsseelsorger der Christen und Rabbiner,
b) Beamte,
c) Offiziere i. R.,
d) Militärparteien ohne Truppenzugehörigkeit,
e) Doktoren, welche ihren akademischen Grad
an einer inländischen Universität erhalten hatten,
f) Vorsteher und Oberlehrer an Volksschulen,
Direktoren und Lehrer an höheren Schulen,
g) Besteuerte;
3. bei einer Steuerleistung von mind. 2 Gulden: Haus-
oder Grundbesitzer und selbständig Erwerbstätige
(auch wenn sie nicht in der Gemeinde wohnten);
II. Inländische juristische Personen mit einer Steuerleistung
von mind. 2 Gulden.
Die unter I. 2. a bis f genannten Personen wurden im allgemeinen
Sprachgebrauch als so genannte Intelligenzwähler
bezeichnet.
Das aktive Wahlrecht war also überraschender Weise durch
kein Wahlalter beschränkt. Ebenso überraschend: Frauen
waren vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen.
Das Wahlrecht war in der Regel persönlich auszuüben. Hievon
bestanden Ausnahmen. Damit ist die Überraschung
auch schon zu Ende. Die wohl bedeutendste Ausnahme
Seite 58
besagte, dass nicht eigenberechtigte Personen das Wahlrecht
durch ihre Vertreter, die in ehelicher Gemeinschaft
lebende Gattin durch ihren Ehegatten, andere eigenberechtigte
Frauenspersonen durch einen Bevollmächtigten
auszuüben haben. Der Staat, das Land und die öffentlichen
Fonde wurden als Grund- und Hausbesitzer oder
Inhaber einer Gewerbeunternehmung durch eine bevollmächtigte
Person vertreten. Analoges galt auch für Korporationen,
Vereine und Gesellschaften.
Passives Wahlrecht
Wählbar als Ausschuss- oder Ersatzmänner waren nur diejenigen
Gemeindemitglieder männlichen Geschlechtes,
welche wahlberechtigt waren, das 24. Lebensjahr zurückgelegt
hatten und sich im Vollgenusse der bürgerlichen
Rechte befanden.
Zum aktiven und passiven Wahlrecht gab es einige Ausnahmen
und Ausschlussgründe.
b) Bildung der Wahlkörper
Das aktive Wahlrecht war sehr wesentlich von einer Steuerleistung
abhängig. Das Gemeindewahlrecht war daher ein
Zensuswahlrecht. Um der Vorgabe des Reichsgemeindegesetzes
zu entsprechen, das heißt, um die Interessen der
höher Besteuerten gebührend zu berücksichtigen, waren
die Wahlberechtigten in Wahlkörper zu gliedern.
Zum Zwecke der Wahl des Gemeindeausschusses war vom
Gemeindevorsteher zunächst ein Verzeichnis aller wahlberechtigten
Gemeindemitglieder anzufertigen.
Das Verzeichnis hatte zu enthalten:
– die Ehrenbürger,
– die Gruppe der heimatberechtigten Gemeindemitglieder
unter Angabe der allfälligen Jahresschuldigkeit an direkten
Steuern,

– die übrigen Wahlberechtigten in der Reihenfolge der
Höhe der Jahresschuldigkeit an direkten Steuern sowie
die nur in die Vermögenssteuer einbezogenen unter Angabe
der Steuerbeträge,
– Summe aller Steuer-Jahresschuldigkeiten.
In der Regel waren drei Wahlkörper zu bilden. Die Gesamtsteuersumme
der Steuer- Jahresschuldigkeiten wurde in
drei gleiche Teile geteilt.
In den ersten Wahlkörper gehörten:
– die Wahlberechtigten, die nach den fortlaufenden Zahlen
des Verzeichnisses das erste Drittel der Gesamtsteuersumme
zu entrichten hatten,
– die Ehrenbürger, Ortsseelsorger, Behördenchefs, wahlberechtigten
Stabsoffiziere.
In den zweiten Wahlkörper gehörten:
– die Wahlberechtigten, die nach den fortlaufenden Zahlen
das zweite Drittel der Gesamtsteuersumme zu entrichten
hatten,
– die sonstigen Beamten, sonstigen Offiziere i. R, die Militärparteien
ohne Truppenzugehörigkeit, die Doktoren,
die Vorsteher und Oberlehrer an Volksschulen, die Direktoren
und Lehrer an höheren Schulen.
In den dritten Wahlkörper gehörten:
– die übrigen Wahlberechtigten.
Je nach Anzahl der Gemeindemitglieder waren zwischen
9 und 30 Ausschuss- und Ersatzmänner zu wählen. Sie
waren auf die einzelnen Wahlkörper zu gleichen Teilen zu
verteilen.
Die Wahlperiode dauerte nur drei Jahre. Es gab keinen
landeseinheitlichen Wahltermin. Nach einem Vierteljahrhundert
Erfahrung damit hieß es, jedes Käferjahr ist
auch ein Wahljahr. 5
c) Wahlvorgang
Zur Durchführung der Wahl hatten sich die Wahlkörper abgesondert
zu versammeln. Zuerst wählte der dritte, hierauf
der zweite, zuletzt der erste Wahlkörper. Jeder Wahlberechtigte
konnte aus allen wählbaren Gemeindemitgliedern
ohne Unterschied des Wahlkörpers wählen.
Es bestand keine Wahlpflicht.
Der Wahlakt war öffentlich. Die Wähler wurden in der Reihenfolge,
wie ihre Namen in der Wählerliste eingetragen
waren, zur Abstimmung aufgerufen.
Jeder zur Abstimmung aufgerufene Wähler hatte nach seinem
Wunsche so viele Personen zu nennen, als der Wahlkörper,
dem er angehörte, Ausschuss- und Ersatzmänner
zusammen zu wählen hatte. Die Stimmabgabe fand also
öffentlich und mündlich, d. h. ohne Stimmzettel, statt.
Jede Abstimmung war sogleich in Gegenwart des Wählers
in die hiezu vorbereiteten Rubriken der Stimmliste neben
dem Namen des Wählers einzutragen. Damit wurde beurkundet,
wer wen gewählt hatte.
In jedem Wahlkörper waren in der nötigen Anzahl jene mit
den meisten Stimmen zu Ausschussmännern und Ersatzmännern
gewählt. Das Wahlresultat des dritten Wahlkörpers
war bekannt zu geben, bevor der zweite Wahlkörper
wählte, und jenes des zweiten Wahlkörpers, bevor der erste
zur Wahl schritt. Der Wähler des höheren Wahlkörpers bzw.
die politischen Gruppierungen kannten somit das Ergebnis
im niedrigeren Wahlkörper und konnten nun das Stimmverhalten
bzw. die letzten Werbeaktivitäten darauf abstellen.
Es bestand Pflicht zur Annahme der Wahl. Wer eine Wahl
ohne gerechtfertigten Entschuldigungsgrund nicht annahm,
war strafbar.
Seite 59

Die Gemeinde-Wahlordnung 1864 legte ein Mehrheitswahlverfahren
fest, wie wir es im Prinzip (freilich ohne Gliederung
in Wahlkörper) heute auch noch kennen. Mit dem
Mehrheitswahlverfahren verbindet man die Vorstellung von
einem Verfahren, das abseits von Parteien stattfindet. Das
mag heute, wo das Mehrheitswahlverfahren lediglich als
Ersatzverfahren dient und nur mehr in kleineren Gemeinden
stattfindet, vielleicht zutreffen. Nach dem Eindruck,
den die Landtagsmaterialien und die damalige Presse für
die Zeit der alleinigen Herrschaft dieses auch bei den Landtagswahlen
in Geltung gestandenen Verfahrens vermitteln,
ist dies zumindest für die größeren Gemeinden zu relativieren.
Die gewählten Mandatare waren dort eindeutig den
politischen Parteien zuzuordnen.
Der Begriff „Mehrheitswahl“ taucht erstmals in der Gemeindewahlordnung
1909 auf. Mit der Gemeindewahlordnung
1959 wurde er, weil er eigentlich ein anderes Verfahren bezeichnet,
beseitigt und durch den Begriff „Wahlverfahren
in Ermangelung von Wahlvorschlägen“ ersetzt. In Vorarlberg
lebt der Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch freilich
nach wie vor weiter. Er wird auch hier im Sinne dieses
Sprachgebrauches verwendet.
2. Die Novellen bis 1909
Die Gemeinde-Wahlordnung 1864 war in ihren Grundzügen
politisch umstritten. Sie war auch nicht ausgereift. Bis zum
Jahre 1909 wurde sie dreizehnmal novelliert.
a) Novellen LGBl. Nr. 13/1867 und LGBl. Nr. 16/1903
Abstimmung mit Stimmzetteln
Eine frühe Korrektur betraf die Abstimmung. Die Novelle
LGBl. Nr. 13/1867 führte die Abstimmung mit Stimmzetteln
ein. Die Meinung hiezu war nicht einhellig. 6 Die Frage der
geheimen oder öffentlichen Abstimmung war ein vieldiskutiertes
Thema.
Seite 60
Die Befürworter verwiesen darauf, dass
– auch in England, der politisch fortschrittlichsten Nation,
die geheime Abstimmung angestrebt werde,
– die Wähler abhängig seien und sich nicht getrauten, ihrer
wahren Absicht entsprechend zu stimmen,
– bei offener Abstimmung die Wahlbeteiligung gering bleibe,
– die Mehrheit des Volkes für die geheime Abstimmung
sei.
Die Gegner machten geltend, dass
– in der vorbildlichen Schweiz die offene Abstimmung üblich
sei,
– die geheime Abstimmung den offenen und geraden Charakter
des Volkes verderbe, Geheimnistuerei und falschen
Schein fördere,
– die Abstimmung mit Stimmzetteln nirgendwo in Österreich
eingeführt und die Zustimmung der Regierung ungewiss
sei,
– die geheime Abstimmung Wahlumtriebe begünstige.
Zustellung von Stimmkuverts
1903 wurde mit der Novelle LGBl. Nr. 16/1903 ein erster
Schritt zur Absicherung der geheimen Abstimmung getan.
Es wurde die bisher schon verschiedentlich geübte Zustellung
von Stimmkuverts zur Pflicht. Zugleich wurden Anforderungen
an die Stimmkuverts definiert. Der Referent bemängelte
damals – technisch auf der Höhe der Zeit – „dass
[…] man auch ohne Zuhilfenahme von Röntgenstrahlen, sobald
man nur ein Kuvert gegen das Licht hielt, nicht nur die
Farbe des Stimmzettels, sondern auch die einzelnen darauf
verzeichneten Namen ersehen konnte.“ 7 Die Kuverts mussten
nunmehr nicht nur aus undurchsichtigem, sondern
auch aus starkem Papier sein.

) Novelle 13/1885
Das Zensuswahlrecht in Verbindung mit dem Wahlkörpersystem
war nicht nach dem Sinn des Landtages, genauer
gesagt, nicht im Sinne der seit 1870 im Landtag bestehenden
Mehrheit. Die bestehende Regelung hatte dazu geführt,
dass das Verhältnis der Zahlen der Wahlberechtigten der
Wahlkörper vor allem in größeren Gemeinden zunehmend
auseinanderklaffte und daher als ungerecht empfunden
wurde. So wird von Dornbirn – allerdings als einem Extremfall
– berichtet, wo sich die Zahl der Wahlberechtigten des
I. Wahlkörpers zur Zahl der Wahlberechtigten des III. Wahlkörpers
wie 1:48 verhielt. 45 Wählern im I. Wahlkörper standen
264 im II. und über 2200 im III. Wahlkörper gegenüber. 8
Der Landtag hatte wiederholt eine Änderung des Zustandes
versucht, war aber an der Regierung gescheitert. Diese
hatte in den vorgeschlagenen Regelungen eine nicht ausreichende
Sicherung der Interessen der höher Besteuerten
gesehen.
Einen gewissen Erfolg konnte der Landtag mit der Novelle
LGBl. Nr. 13/1885 erzielen. Nach dieser Novelle mussten
der erste und der zweite Wahlkörper (abhängig von der
Zahl der wahlberechtigten Gemeindemitglieder) drei- bis
sechsmal so viele Wahlberechtigte haben, als Ausschuss-
und Ersatzmänner zu wählen waren. Andernfalls waren die
Wahlkörper durch Wahlberechtigte aus dem nachfolgenden
Wahlkörper zu ergänzen. Die Reform sollte wenigstens die
größten Härten der bisherigen Bestimmungen mildern. 9
3. Gemeindewahlordnung 1909
Eine umfangreichere Änderung brachte erst die Gemeindewahlordnung
1909. 10 Die Bemühungen zu einer Neuregelung
reichten in das Jahr 1903 zurück. Im Oktober 1904
hatte der Landtag Grundzüge für eine neue Gemeindewahlordnung
beschlossen. Im Bericht des Landesausschusses
heißt es hiezu rückblickend:
„Die Behandlung dieser ‚Grundzüge’ im Plenum des
Hauses förderte eine Unmasse von Wahlschwindeleien und
raffinierten Praktiken zutage, sodass dem ganzen Hause
eine Reform der Gemeindewahlordnung als unabweisbar
erschien und die Grundzüge einstimmige Annahme fanden.“
11
Die angesprochenen Unzukömmlichkeiten vermitteln ein
bedenkliches Bild: 12
– Es wurden überhöhte – zum Teil unmittelbar vor der
Wahl erstellte – Steuerbekenntnisse abgegeben, wodurch
dann ein Wahlrecht oder ein Wahlrecht in einem
höheren Wahlkörper erlangt wurde. Den Mehrbetrag an
Steuern deckten Interessierte ab.
– Zur Begründung einer Wahlberechtigung war auch das
steuerliche Einbekenntnis einer nicht bestehenden Zimmervermietung
besonders verbreitet.
– In Familien wurde Vermögen auf Ehegattin und Kinder
so verteilt, dass die Ehegattin und die Kinder wahlberechtigt
wurden. Das Wahlrecht wurde dann durch den
Ehemann und Vater ausgeübt.
– Bei der Erstellung der Listen wurde unterschiedlich vorgegangen,
insbesondere wurde die Vermögenssteuer
unterschiedlich berücksichtigt.
– Bei Liegenschaftsverkäufen erfolgte die Steuerzuschreibung
an den neuen Eigentümer – je nachdem wie
es besser passte – sofort oder verzögert.
– Stimmzettel bzw. Kuverts wurden mit Zeichen versehen,
damit kontrolliert werden konnte, wie jemand abgestimmt
hatte. Ähnliches wurde mit Farben von Stimmzetteln
oder pappendeckelartigen Stimmzetteln versucht.
– Wähler wurden kurz vor der Abstimmung genötigt, ihren
Stimmzettel gegen einen anderen auszuwechseln.
– Ein k. k. Beamter soll damit geprahlt haben, einem Wähler
den Stimmzettel aus dem Sack gestohlen und dafür
einen anderen Stimmzettel hineingesteckt zu haben.
Die beklagten Vorfälle stammen aus der Zeit vor dem Inkrafttreten
des Gesetzes betreffend Bestimmungen zum Schutze
der Wahl- und Versammlungsfreiheit, RGBl. Nr. 18/1907.
Seite 61

Die für die Erneuerung der Gemeindewahlordnung notwendigen
Verhandlungen mit der Regierung zogen sich in die
Länge. Die Regierung lehnte die angestrebte Abschaffung
des Wahlkörpersystems in den größeren Gemeinden und
den Ersatz dieses Systems durch die Verhältniswahl ab,
weil das gegen Artikel XI des Reichsgemeindegesetzes verstoße,
hatte jedoch keine Einwendungen gegen die Einführung
des Proportionalwahlrechtes innerhalb der Wahlkörper
in Gemeinden mit mehr als 2000 Einwohnern und die
Bildung eines IV. Wahlkörpers in Gemeinden mit mehr als
4000 Einwohnern.
Die neue Gemeindewahlordnung ist verhältnismäßig detailliert
und enthält bereits viele Regelungen, wie man sie
heute noch kennt. Wesentliche Neuerungen waren:
– die Erweiterung bzw. Neugestaltung des Wahlrechtes,
– die Neugliederung der Wahlkörper,
– die Einführung des Verhältniswahlrechtes für größere
Gemeinden.
a) Erweiterung bzw. Neugestaltung des Wahlrechtes
Die wesentlichsten Änderungen im Wahlrecht bestanden
nach dem Bericht des Wahlreformausschusses darin, dass
die in ehelicher Gemeinschaft lebenden Eheleute gemeinsam
nur eine Stimme hatten und dass unter Vormundschaft
oder Kuratel stehende Personen kein Wahlrecht
mehr besaßen. 13
Das aktive Wahlrecht war erstmals auch vom Erreichen
eines bestimmten Wahlalters – dem 24. Lebensjahr – abhängig.
In Gemeinden mit einem vierten Wahlkörper waren
auch Personen männlichen Geschlechts wahlberechtigt,
wenn sie einen dreijährigen ordentlichen Wohnsitz besaßen.
In diesen Gemeinden gab es somit ein allgemeines
Männerwahlrecht.
Seite 62
Das Wahlrecht war in der Regel persönlich auszuüben.
Eine in ehelicher Gemeinschaft lebende Ehegattin hatte ihr
Wahlrecht durch ihren Ehemann auszuüben. Wenn der Ehemann
selbst wahlberechtigt war, hatte er für beide nur eine
Stimme. Juristische Personen übten das Wahlrecht durch
die zur Vertretung nach außen berufenen Personen aus.
Wählbar als Ausschuss- oder Ersatzmänner waren diejenigen
Personen männlichen Geschlechts, welche wahlberechtigt
waren, das 24. Lebensjahr zurückgelegt hatten
und im Vollgenusse der bürgerlichen Rechte standen.
b) Neugliederung der Wahlkörper
Die Wahl erfolgte in Wahlkörpern. Abhängig von der Größe
der Gemeinde war in vier, drei oder einem Wahlkörper zu
wählen. Während in den Wahlkörpern I bis III jeweils gleich
viele Mandate zu wählen waren, entfielen auf den IV. Wahlkörper
nur rund halb so viele Mandate wie in einem der anderen
Wahlkörper.
Die Wahlberechtigten waren in Abhängigkeit von
– Ehrenbürgerschaft,
– Zugehörigkeit zur Schicht der Intelligenzwählerschaft,
– Höhe der Steuerleistung und
– Dauer ihres ordentlichen Wohnsitzes
in die Listen der einzelnen Wahlkörper aufzunehmen.
c) Einführung des Verhältniswahlrechtes
Für Gemeinden mit mindestens 2000 Einwohnern wurde für
die Wahl der Gemeindeausschüsse und Ersatzmänner die
Verhältniswahl eingeführt.
Es ergab sich folgendes Zusammenspiel von Einwohnerzahl,
Zahl der Wahlberechtigten, Zahl der Wahlkörper und
Wahlverfahren:

Gemeinde Wahlkörper Wahlverfahren
4000 und mehr Einwohner 4 Wahlkörper Verhältniswahl
2000 – 3999 Einwohner und mindestens 60 Wahlberechtigte 3 Wahlkörper Verhältniswahl
Weniger als 2000 Einwohner und mindestens 60 Wahlberechtigte 3 Wahlkörper Mehrheitswahl
Weniger als 60 Wahlberechtigte 1 Wahlkörper Mehrheitswahl
Auch in Verhältniswahlgemeinden wurde in Wahlkörpern
gewählt. Dem Verhältniswahlsystem entsprechend wurden
hier nicht Einzelpersonen, sondern Listen, und zwar
gebundene Listen (ohne die Möglichkeit des Reihens oder
Streichens), gewählt. Die Wahlvorschläge mussten von 20
Wahlberechtigten unterfertigt sein.
Als Verhältniswahlverfahren war das Hagenbach-Bischoff-
Verfahren anzuwenden, 14 wobei das erste bei diesem Verfahren
anfallende Restmandat der im betreffenden Wahlkörper
stimmenstärksten Partei, ein allenfalls zweites
Restmandat der im betreffenden Wahlkörper zweitstärksten
Partei zuzuweisen war. Die Mandate wurden den Kandidaten
in der Reihenfolge des Wahlvorschlages zugewiesen.
d) Sonstiges
Durch die im selben Jahr erfolgte Novellierung der Gemeindeordnung
wurde die Funktionsperiode von drei auf fünf
Jahre verlängert. 15
Die Vorschriften zur geheimen Abstimmung wurden weiter
verfeinert:
Die Stimmzettel müssen nun aus weißem, nicht steifem
Papier sein und dürfen keine äußeren Kennzeichen tragen.
Bei der Verhältniswahl ist der Stimmzettel in einer Wahlzelle
in das Kuvert einzulegen.
Nach den bisherigen Regelungen hatte der Wahlberechtigte
seinen Stimmzettel bzw. sein Kuvert dem Vorsitzenden zu
übergeben, der es dann in die Wahlurne zu legen hatte.
Die Vorlage des Landesausschusses wollte davon abgehen
und das Einlegen des Kuverts dem Wähler überlassen.
Wenn dabei – was nicht auszuschließen war – schlussendlich
zu viele Wahlkuverte in der Urne waren, sollte vor der
Auswertung durch Los die überzählige Anzahl von Kuverts
entfernt werden. Auf Grund von Bedenken der Staatsregierung
wurde – wohl zu Recht – eine Regelung im Sinne des
Bisherigen getroffen. Das Kuvert war also weiterhin dem
Vorsitzenden zu übergeben. Das gilt auch heute noch. (Die
vor laufender Kamera abstimmende politische Prominenz
entzieht sich allerdings beharrlich dieser letzten Kontrolle
des Abstimmungsvorganges.)
4. Wahlpflichtgesetz
Gleichzeitig mit der neuen Gemeindewahlordnung 1909
wurde in einem eigenen Gesetz 16 die Wahlpflicht eingeführt.
Im Bericht des Wahlreformausschusses wird dies
damit begründet,
– dass Rechte und Pflichten im Allgemeinen und so auch
Wahlrecht und Wahlpflicht korrelativ seien,
– dass die Wahlpflicht die Wahlagitation mäßige und –
recht bemerkenswert –,
– dass sie dem einzelnen Wähler erst die volle Freiheit in
der Ausübung des Wahlrechtes gebe. 17
Die Erfahrungen mit der Wahlpflicht bei den Reichsratswahlen
seien, so im Bericht weiter, von allen Parteien als
äußerst wohltuend erklärt worden. Zur Frage Verhältniswahl
und Wahlpflicht führt der Bericht aus: Wenn die Wahlpflicht
für alle Fälle wünschenswert erscheine, so sei sie für die Verhältniswahlgemeinden
geradezu eine Notwendigkeit. Pro-
Seite 63

porz und Wahlpflicht bedingten sich gegenseitig. Nur dann,
wenn Wahlpflicht bestehe, werde die Gemeindevertretung
einer Verhältniswahlgemeinde so zusammengesetzt sein,
dass alle Parteien und Interessengruppen der betreffenden
Gemeinde ihrer wirklichen Stärke entsprechend vertreten
sind. Eigenartigerweise spricht der Bericht des Wahlreformausschusses
die oft geringe Wahlbeteiligung nicht an. So
lag beispielsweise die Wahlbeteiligung im Wahljahr 1891 in
Egg bei 16,1 Prozent (502:81), in Lingenau bei 12,4 Prozent
(233:29) und in Altach bei 4,6 Prozent (279:13). 18
Den Materialien zufolge war die Wahlpflicht nicht umstritten.
Im Jahre 1919, als es darum ging, das aus der Monarchie
stammende Landesgesetz über die Wahlpflicht bei
Reichsratswahlen auf die Wahlen zur konstituierenden
Nationalversammlung umzustellen, traten die Gegensätze
hervor. Auf dem Hintergrund des inzwischen (1919) eingeführten
Frauenwahlrechtes wurde von der Opposition
darauf hingewiesen, dass ein großer Teil der Frauen in Verlegenheit
sei, was sie mit dem Geschenk des Wahlrechtes
anfangen sollten. 19 Eine Frau, die trotz aller Wahlagitation
nicht wählen will und zur Wahl gezwungen wird, werde eine
Partei wählen, die nicht die Demokratie auf ihre Fahne geschrieben
hat. Mit der Wahlpflicht – so der Sprecher der
Opposition weiter - wolle man in erster Linie jene erfassen,
die sich um die politische Entwicklung am allerwenigsten
gekümmert haben. Die Arbeiterschaft, die um dieses Recht
gekämpft habe, habe die sehr begründete Furcht, dass damit
ihr Einfluss eingeschränkt und unrechtmäßig zurückgedrängt
wird.
Seite 64
II. Die Zeit der 1. Republik
1. Gemeindewahlordnung 1919
a) Allgemeines
Nach dem Untergang der Monarchie ging der Landtag daran,
eine neue Gemeindewahlordnung zu schaffen. Die
neue Regelung, die Gemeindewahlordnung 1919, 20 war den
Grundsätzen des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen
Wahlrechtes verpflichtet. Damit ist die Abkehr vom
Zensuswahlrecht vollzogen. Juristische Personen sind
nicht mehr wahlberechtigt.
In Gemeinden mit mehr als 1600 Einwohnern sowie in den
Industriegemeinden Bürs, Dalaas, Kennelbach, Lochau,
Nüziders und in den Gemeinden, die vom Landesrat (er entspricht
etwa der heutigen Landesregierung) als Industriegemeinden
anerkannt wurden, wurde nach dem Verhältniswahlverfahren
gewählt.
In den übrigen Gemeinden galt das Verfahren der relativen
Stimmenmehrheit. In größeren Mehrheitswahl-Gemeinden
(Gemeinden mit mehr als 200 Einwohnern) wurden
die Wahlberechtigten in zwei Wahlkörper geschieden, wobei
im ersten die Steuerträger und ihre Ehegattinnen und
Kinder, sofern sie im gemeinsamen Haushalt lebten und
wahlberechtigt waren, und im zweiten die übrigen Wahlberechtigten
zusammengefasst wurden. Die zu wählenden
Mandate waren auf die Wahlkörper nach dem Verhältnis
der ihnen angehörenden Wahlberechtigten aufzuteilen,
sodass die Gleichheit des Wahlrechtes gewahrt war. In kleinen
Gemeinden wurde in einem Wahlkörper gewählt.
b) Wahlberechtigung
Aktiv wahlberechtigt war jeder in der Gemeinde heimatberechtigte
deutschösterreichische Staatsbürger ohne Unterschied
des Geschlechtes, der das 20. Lebensjahr vollendet

und in der Gemeinde seinen ordentlichen Wohnsitz hatte.
Zum aktiven Wahlrecht gab es einige Ausschlussgründe. Es
bestand Wahlpflicht.
Passiv wahlberechtigt waren alle Wahlberechtigten, die
das 24. Lebensjahr zurückgelegt hatten und nicht ausgeschlossen
oder ausgenommen waren.
Wer eine Wahl ohne gerechtfertigten Entschuldigungsgrund
nicht annahm, war nach wie vor strafbar.
c) Verfahren
Die Wahl ist nun einheitlich für das gesamte Land auf einen
Sonntag auszuschreiben. Die bei der Verhältniswahl
erforderlichen Wahlvorschläge bedurften der Unterschrift
von 25 Wahlberechtigten. Die Mandate waren nach dem
d’hondtschen Verfahren aufzuteilen. Nicht gewählte Bewerber
wurden Ersatzmänner.
2. Gemeindewahlordnung 1924
Am 20. Oktober 1920 wurde die Bundes-Verfassung beschlossen.
Die Vorgaben der Verfassung machten eine
Anpassung des Gemeindewahlrechtes erforderlich, was
mit der Gemeindewahlordnung 1924 geschah. 21 Dies betraf
– neben einer Ausweitung des Wahlrechtes auf nicht heimatberechtigte
Bundesbürger – vor allem das Mehrheitswahlrecht
und die Wahlkörper.
Das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) kannte für Gemeinden
nur das Verhältniswahlverfahren. 22 Es wurde daher das
Mehrheitswahlverfahren, wie der Berichterstatter im Landtag
ausführte, „…[als] ein Notbehelf für den Fall [belassen],
dass in einer Gemeinde nach dem Verhältniswahlverfahren
die Gemeindevertretung [mangels Wahlvorschlägen] gar
nicht gewählt werden kann.“ 23
Nach der verfassungsrechtlichen Vorgabe darf die Wählerschaft
in Wahlkreise aufgeteilt werden, eine Aufgliederung
in herkömmliche Wahlkörper ist hingegen nicht mehr gestattet.
Das bedeutete, dass die beim Mehrheitswahlverfahren
in größeren Gemeinden vorgesehene Aufteilung in
Wahlkörper nicht mehr möglich war.
3. Novelle LGBl. Nr. 45/1928
Die Novelle LGBl. Nr. 45/1928 hat vor allem das Verfahren
bei der Einbringung der Wahlvorschläge geändert. Nach
bisherigem Recht war, wenn kein Wahlvorschlag eingebracht
wurde, das Mehrheitswahlverfahren anzuwenden.
Die Regelung konnte dazu führen, dass Wählergruppen im
Vertrauen darauf, dass eine Mehrheitswahl stattfinden werde,
keine Wahlvorschläge einbrachten und durch das unter
Umständen kurzfristige Einbringen eines Wahlvorschlages
überrascht wurden.
Um dies zu verhindern, wurde mit der Novelle ein Anmeldeverfahren
eingeführt. Erst mit der Erstattung einer
Anmeldung wurde für alle Wählergruppen eine Frist zur
Einbringung von Wahlvorschlägen eröffnet. Dieses Anmeldeverfahren
wurde von der Opposition als Erschwerung
gewertet, weil sowohl für die Anmeldung als auch für den
Wahlvorschlag Unterschriften beizubringen waren. 24 1950
und 1998 sollte es hiezu Erleichterungen geben. So wurde
in der Gemeindewahlordnung 1950 bestimmt, dass ein
während der Anmeldefrist eingebrachter Wahlvorschlag
gleichzeitig als Anmeldung gilt. Damit konnte das doppelte
Beibringen der Unterschriften vermieden werden. Ab der
Novelle LGBl. Nr. 63/1998 genügen dann bei Wahlvorschlägen,
die von Parteifraktionen eingebracht werden, die bereits
in der Gemeindevertretung vertreten sind, die Unterschriften
der Mehrheit der Fraktion.
Seite 65

4. Novelle LGBl. Nr. 1/1929
Wenige Wochen nach einer zwischenzeitlich erfolgten Wiederverlautbarung
wurde die Gemeindewahlordnung durch
LGBl. Nr. 1/1929 erneut novelliert. Weil wegen der unterschiedlichen
Größe der von den Parteien ausgegebenen
Stimmzettel aus der Dicke des Wahlkuverts auf die Wahlentscheidung
des Wählers geschlossen werden konnte,
wurde bestimmt:
„Der Stimmzettel muss aus weichem, weißlichem Papier
sein und darf in den Verhältniswahlgemeinden das Ausmaß
von 14 Zentimeter in der Länge und von 11 Zentimeter
in der Breite nicht überschreiten.“
Damit hatte der nicht amtliche Stimmzettel seine höchste
Sicherheitsstufe erreicht.
III. Die Zeit von 1934 bis 1945
1. Verfassung 1934
Die Verfassung 1934 brachte eine Abkehr von der bisherigen
Art der Bestellung der Gemeindevertretung. 25 Der
Gemeindetag (so hieß nun die Gemeindevertretung) sollte
aus Vertretern von gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften,
des Schul-, Erziehungs- und Volksbildungswesens,
der Wissenschaft und der Kunst sowie aus
Vertretern der Berufsstände bestehen. 26 Die Regelung oblag
dem Landesgesetzgeber. Der Vorarlberger Landtag hat eine
solche Regelung nicht erlassen.
2. Deutsche Gemeindeordnung
Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich
wurde in Österreich die Deutsche Gemeindeordnung eingeführt.
27 Sie installierte das „Führerprinzip“ mit der vollen
und ausschließlichen Verantwortung des Bürgermeisters.
Seite 66
Die eingeführte Deutsche Gemeindeordnung kannte keine
Gemeindevertretung mit Entscheidungskompetenzen. Die
noch am ehesten vergleichbaren Gemeinderäte hatten die
Aufgabe, den Kontakt zur Bevölkerung zu pflegen und den
Bürgermeister zu beraten. Die Gemeinderäte waren vom
Bürgermeister im Einvernehmen mit der NSDAP zu berufen.
IV. Die Zeit der 2. Republik
1. Vorläufiges Gemeindegesetz 1945
Nach dem Wiedererstehen Österreichs im Jahre 1945 waren
die Verhältnisse neu zu ordnen. Zunächst wurde eine vorläufige
Regelung getroffen. Nach dem Vorläufigen Gemeindegesetzes
1945 28 trat an die Stelle der Gemeindevertretung,
solange sie noch nicht auf Grund des allgemeinen, gleichen,
unmittelbaren und geheimen Verhältniswahlrechtes
gewählt werden konnte, der Provisorische Gemeindeausschuss.
29 Die Mitglieder des Provisorischen Gemeindeausschusses
waren vom Provisorischen Landesausschuss auf
Grund von Vorschlägen der Verbände der drei anerkannten
politischen Parteien in der Gemeinde zu ernennen.
2. Gemeindewahlordnung 1950
Eine definitive Regelung brachte die Gemeindewahlordnung
1950. 30 Sie knüpfte an das Gemeindewahlrecht vor der
Verfassung 1934 an. Die neue Gemeindewahlordnung bildete
die Grundlage für demokratische Wahlen nach einer
Pause von 21 Jahren. Die letzte Gemeindevertretungswahl
hatte im Jahre 1929 stattgefunden.
a) Wahlrecht
Wahlalter war das 20. Lebensjahr. Vom Wahlrecht in die
Gemeindevertretung war unter anderem ausgeschlossen,
wer sich am Tage vor der Wahlausschreibung noch nicht
ein Jahr in der Gemeinde aufgehalten hatte, wenn der
Aufenthalt offensichtlich nur vorübergehend war. Diese

Ausnahme basierte auf einer verfassungsgesetzlichen Ermächtigung
aus dem Jahre 1929, die heute noch gilt. 31 Die
Aufnahme einer dementsprechenden Bestimmung in die
Gemeindewahlordnung stieß auf Widerstand. Streitpunkt
waren damals die Saisonarbeiter auf Baustellen. 32
Für die Wählbarkeit war die Zurücklegung des 24. Lebensjahres
erforderlich.
Das Wahlalter wurde bis zum Jahre 1950 verhältnismäßig
wenige Male geändert. Ab dem Jahr 1950 setzte hier etwas
mehr Bewegung ein. Die folgende Tabelle mag dies verdeutlichen:
Fundstelle Aktives Passives
im LGBl. Nr. Wahlrecht Wahlrecht
22/1864 - - 24
16/1909 24 24
35/1919 20 24
10/1950 20 24
23/1969 19 23
3/1975 19 21
17/1979 19 19
16/2004 18 18
23/2008 16 18
Es bestand – nach wie vor – die grundsätzliche Pflicht zur
Annahme der Wahl.
b) Abstimmung
Der Wähler konnte erstmals bei einer Gemeindevertretungswahl
– einen freien Wahlwerber anfügen,
– Kandidaten streichen und
– Kandidaten reihen.
Diese Neuerungen wurden von der Nationalrats- bzw.
Landtagswahl übernommen. Sie wurden nicht allseits gut
geheißen. Keine Partei, die als Partei überhaupt zur Geltung
kommen will – so hieß es von den Gegnern –, wird
sich das Recht nehmen lassen, darüber zu bestimmen, wer
als Kandidat auf die Liste gesetzt wird. Es ist unmöglich,
dass man sich von indifferenten Leuten, von solchen, die
sich das ganze Jahr nicht um die Partei kümmern, von politisch
Ungeschulten die Kandidatenlisten aufstellen lässt
und dazu aufruft. 33
c) Ermittlung des Wahlergebnisses
Die Verteilung der Mandate auf die Parteien erfolgte nach
dem d’hondtschen Verfahren. Die Verteilung der Mandate
auf die Wahlwerber erfolgte mit Hilfe von Wahlpunkten,
entsprechend der Reihung auf dem Stimmzettel. Gestrichene
oder auf dem Stimmzettel nicht aufscheinende Wahlwerber
erhielten keine Wahlpunkte. Vom Streichen von
Kandidaten waren in erster Linie die bekannten Persönlichkeiten
der Partei betroffen.
Dieses System ist daher bei den Parteien – sofern sie es
nicht ohnehin abgelehnt hatten – zunehmend unbeliebter
geworden. Ein prominenter Politiker konnte ihm trotzdem
eine positive Seite abgewinnen, wenn er meinte, wer an
einem Kandidaten seine Wut auslassen und ihn streichen
will, muss jedenfalls für seine Partei stimmen. 34
Seite 67

3. Novelle LGBl. Nr. 23/1969
Mit der Novelle LGBl. Nr. 23/1969 wurde die Pflicht zur Annahme
der Wahl beseitigt.
4. Novelle LGBl. Nr. 17/1979
Um möglichen Manipulationen auf den von einer Wählergruppe
ausgegebenen Stimmzetteln vorzubeugen, wurden
mit der Wahlnovelle LGBl. Nr. 17/1979 Vorkehrungen getroffen:
– Das Reihen und Streichen von Kandidaten durfte nur
durch Handschrift oder auf andere nicht vervielfältigte
Art vorgenommen werden.
– Änderungen durch Druck oder sonstige Vervielfältigung
durften nicht vorgenommen werden.
Derartige Änderungen galten – sollten sie dennoch vorgenommen
worden sein – als nicht beigesetzt.
5. Mehrheitswahlerkenntnis des
Verfassungsgerichtshofes
1984 hat der Verfassungsgerichtshof den 8. Abschnitt des
Gemeindewahlgesetzes über das Mehrheitswahlverfahren
aufgehoben. 35 Der Gerichtshof befand, dass dieses
Verfahren zu dem von der Verfassung gebotenen Verhältniswahlverfahren
im Widerspruch stehe. Der Gerichtshof
meinte, dass die Regelung des 8. Abschnitt des Gemeindewahlgesetzes
(GWG) nicht bloß Vorkehrungen für eine
Übergangsperiode treffe, sie ermögliche vielmehr die Wahl
des Gemeinderates für eine normale Funktionsperiode. Das
aber widerspreche dem verfassungsgesetzlich festgelegten
Grundsatz der Verhältniswahl, weil damit neben dem Verhältniswahlrecht
gleichrangig und alternativ noch ein
weiteres Wahlsystem etabliert werde.
Seite 68
Die folgenden Gemeindevertretungswahlen waren nun
ohne Mehrheitswahlverfahren durchzuführen. Dies führte
dazu, dass in einer Reihe von Gemeinden lediglich ein
einziger – durch Vorwahlen oder Absprache zwischen den
politischen Gruppierungen erstellter – Wahlvorschlag eingebracht
wurde.
Bereits kurze Zeit nach der Kundmachung des Erkenntnisses
bemühte sich der Landtag mit einer Entschließung
36 um die Möglichkeit, das Mehrheitswahlverfahren
wiederum ersatzweise einführen zu können. Das Anliegen
fand keine allseitige Zustimmung. 37 Für das ersatzweise
anzuwendende Mehrheitswahlverfahren wurde von seinen
Befürwortern stets ins Treffen geführt, dass es – dem
verbreiteten Wunsch der Bevölkerung kleinerer Gemeinden
entsprechend – eine Wahl ermögliche, die parteipolitische
Auseinandersetzungen vermeidet. Auf der anderen Seite
wurde argumentiert, dass beim Mehrheitswahlrecht Minderheiten
nicht entsprechend ihrer Stärke vertreten sind.
Die Mehrheitswahl sei ein Kastensystem. Es finde keine offene
Auseinandersetzung statt. Probleme würden vielfach
unter den Tisch gekehrt. 38 Interessanterweise wurde im Jahre
1919 von der Mehrheitsfraktion, die ein Mehrheitswahlverfahren
in kleineren Gemeinden befürwortete, bei Einführung
der Verhältniswahl in solchen Gemeinden Ähnliches,
nämlich „Familien- und Vetternwirtschaft“, befürchtet. 39
6. Novelle LGBl. Nr. 67/1997
1997 wurde mit der Novelle LGBl. Nr. 67/1997 die so genannte
Kommunalwahl-Richtlinie umgesetzt und ausländischen
Unionsbürgern, die einen Hauptwohnsitz in der
Gemeinde haben, das aktive und passive Wahlrecht bei
Gemeindevertretungswahlen eingeräumt. 40

7. Novelle LGBl. Nr. 63/1998
Das Jahr 1998 brachte mit der Novelle LGBl. Nr. 63/1998 –
abgesehen von der hier nicht behandelten Bürgermeisterdirektwahl
– drei wesentliche Neuerungen: 41
a) Wiedereinführung des Mehrheitswahlverfahrens
Die Novelle setzte das im Jahre 1984 vom Verfassungsgerichtshof
aufgehobene Mehrheitswahlverfahren wieder in
Kraft. Dies geschah auf Grund einer entsprechenden bundesverfassungsgesetzlichen
Ermächtigung, wonach für
den Fall, dass keine Wahlvorschläge eingebracht werden,
in der Wahlordnung bestimmt werden kann, dass Personen
als gewählt gelten, deren Namen auf den Stimmzetteln am
häufigsten genannt werden. 42
Das Mehrheitswahlverfahren wurde – wie dargestellt –
unterschiedlich beurteilt. Wie dem auch sei, jede Wählergruppe,
die befürchtet, durch organisierte Wahlwerbung
anderer Gruppen (Parteien, Interessengruppen, Verwandtschaften)
ausgebootet zu werden, kann die Mehrheitswahl
durch Einbringung eines Wahlvorschlages ausschließen.
Bei den Gemeindewahlen im Jahr 2000 haben 14 Gemeinden
nach dem Mehrheitswahlverfahren gewählt. In 26 Gemeinden
stand nur eine einzige Parteiliste zur Wahl. Im Jahr
2005 war die Wahl in 12 Gemeinden nach dem Mehrheitswahlverfahren
durchzuführen. In 26 Gemeinden gab es nur
eine Parteiliste. Bei der Gemeindevertretungswahl 1980,
der letzten Wahl vor der Aufhebung des Verfahrens durch
den Verfassungsgerichtshof, wurde in einem Drittel der Gemeinden
nach dem Mehrheitswahlverfahren gewählt.
b) Amtlicher Stimmzettel
Mit der Novelle wurde als wesentliche Neuerung auch der
amtliche Stimmzettel eingeführt. Der amtliche Stimmzettel
wurde vor allem von den kleineren Parteien vehement
gefordert. Bis zu seiner Einführung mussten sie, auch wenn
sie nur einen geringeren Stimmenanteil zu erwarten hatten,
Stimmzettel für die gesamte Wählerschaft bereitstellen und
dies mit in der Regel geringeren personellen und finanziellen
Ressourcen.
Der amtliche Stimmzettel ist nach Hause zuzustellen, damit
– so die Befürworter – der Wähler sich in Ruhe die
Vergabe der Vorzugsstimmen überlegen kann. Die Opposition
meinte, es bedürfe keiner besonderen Vorstellungskraft,
um zu erkennen, dass viele Stimmzettel in Gruppenarbeit
ausgefüllt und damit die Prinzipien der geheimen
und persönlichen Wahl ad absurdum geführt werden. 43
Nach § 40 Abs. 1 GWG kann das Ausfüllen des Stimmzettels
in der Wahlzelle oder außerhalb des Wahllokales geschehen.
In der Wahlzelle muss ein ausreichender Vorrat
an amtlichen Stimmzetteln aufliegen (§ 28 Abs. 4 GWG),
aus dem sich der Wähler bedienen kann, etwa wenn er
den zugestellten Stimmzettel nicht bei sich hat, sich beim
Ausfüllen geirrt hat oder eine Wahl treffen will, die vom
außerhalb des Wahllokales ausgefüllten Stimmzettel abweicht.
c) Vorzugsstimmen
Die dritte bedeutsame Änderung betraf die Einflussnahme
des Wählers auf die Wahlwerber. Nach der bisherigen
Rechtslage konnte der Wähler Kandidaten reihen oder
streichen. Das hat da und dort zu innerparteilichen Negativwahlkämpfen
mit organisierten Streichungen oder
Parteistimmzetteln mit ausgewählten Kandidaten geführt.
Das Reihen und Streichen wurde nun durch ein System zur
Vergabe von Vorzugsstimmen ersetzt, das von den letzten
Wahlen sicherlich noch geläufig ist. Der Negativwahlkampf
sollte – wenn schon innerparteilicher Kampf – zu einem Positivwahlkampf
werden.
Dem herkömmlichen System des Reihens und Streichens
und dem Vorzugsstimmen-System ist bei aller Verschiedenheit
eines gemeinsam: Sie wirken sich vor allem in den vorderen
Listenrängen aus.
Seite 69

8. Novelle LGBl. Nr. 16/2004
Mit der Novelle LGBl. Nr. 16/2004 wurde – dem Mainstream
vom „mündigen Bürger“ nachgebend – die Wahlpflicht
aufgehoben.
9. Novelle LGBl. Nr. 23/2008
Im Jahre 1985 hat der Verfassungsgerichtshof die rechtswissenschaftlich
und politisch umstrittene Frage der Zulässigkeit
der Briefwahl entschieden. 44 Der Gerichtshof meinte,
dass die Briefwahl gegen die Verfassungsprinzipien der
„geheimen“ und „persönlichen“ Wahl verstoße.
Vier Jahre später hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen,
dass der Ausschluss der Auslandsösterreicher
durch den einfachen Gesetzgeber in Widerspruch zur
Bundes-Verfassung stehe. 45 Die Nationalratswahlordnung
und das Bundespräsidentenwahlgesetz machten nämlich
das Wahlrecht entgegen Art. 26 Abs. 1 erster Satz B-VG und
Art. 60 Abs. 1 B-VG vom ordentlichen Wohnsitz im Inland
abhängig.
Für den Bundesgesetzgeber bestand nun Handlungsbedarf.
Die Lösung, Auslandsösterreichern das Wahlrecht
einfach dadurch zu ermöglichen, dass sie zur persönlichen
Stimmabgabe vor inländischen Wahlbehörden zugelassen
werden, wurde – soweit ich sehe – nicht diskutiert. Eine
solche Lösung wäre wohl einer Verhöhnung gleichgekommen.
So wurde nun zunächst im Wege besonderer Verfassungsbestimmungen
und später durch eine in das B-VG
aufgenommene Ermächtigung Auslandsösterreichern und
Österreichern, die sich auch nur vorübergehend im Ausland
befanden, die Stimmabgabe im Ausland ermöglicht.
Die Kompliziertheit des Vorganges führte dazu, dass ca. 20
bis 25 Prozent der an die Wahlbehörden gelangten Stimmkuverts
nicht ausgewertet werden durften.
Seite 70
Für die Wahlen zu den Landtagen und zu den Gemeindevertretungen
ergab sich aus den beiden zitierten Erkenntnissen
des Verfassungsgerichtshofes keine unmittelbare
Notwendigkeit zu gesetzgeberischem Handeln. Die Wahlberechtigung
in diese Vertretungskörper war ja nach der Verfassung
an den ordentlichen Wohnsitz bzw. Hauptwohnsitz
gebunden.
Im Jahre 2007 hat der Bundesverfassungsgesetzgeber in
einem politischen Paket (nicht etwa nur als Ermächtigung
an den Gesetzgeber, sondern verpflichtend auch für die
Wahlen in die Landtage und Gemeindevertretungen)
– die Briefwahl (nunmehr ohne Beschränkung auf einen
Auslandsaufenthalt) eingeführt und
– das Alter für das aktive Wahlrecht mit der Vollendung
des 16. Lebensjahres und für das passive Wahlrecht mit
der Vollendung des 18. Lebensjahres festgesetzt. 46
Diese Regelungen über das Wahlalter und die Briefwahl waren
das Thema der kürzlich in Kraft getretenen, (vorläufig)
letzten Novelle zum Gemeindewahlrecht.
Schlussbemerkung
Ich darf zum Ende kommen. Ich hoffe, dass die Bemerkungen
wenigstens da und dort auch bemerkenswert waren
und zumindest drei mir wesentlich erscheinende Entwicklungslinien
unseres Gemeindewahlrechtes nachzuzeichnen
vermochten, nämlich
– vom Zensuswahlrecht des Jahres 1864 zum allgemeinen
Wahlrecht der Männer und Frauen im Jahre 1919 bis
zu seiner heutigen Ausgestaltung,
– von der mündlichen Abstimmung im Jahre 1864 zur
geheimen Abstimmung mit Stimmzetteln bis hin zum
amtlichen Stimmzettel im Jahre 1998,
– vom alleinigen Mehrheitswahlverfahren der Jahre 1864
bis 1909 zu dem unterschiedlich gestalteten Nebeneinander
von Mehrheitswahl und Verhältniswahl in den
Jahren 1909 bis heute.

Bei einer Wahlordnung für die Gemeindevertretung geht es
wie bei jeder Wahlordnung um Verteilung von Macht. Was
dabei der einen Gruppierung vielleicht von Nutzen ist, gereicht
einer anderen möglicherweise zum Nachteil. Erinnert
sei beispielsweise an die Frage der offenen oder geheimen
Abstimmung, die Schritte von Zensus und Wahlkörper zum
allgemeinen Wahlrecht, an die Themen Wahlpflicht, Wahlalter
oder Briefwahl. In den parlamentarischen Materialien
finden sich nicht allzu viele Aussagen, in denen eigener
Vorteil oder fremder Schaden als motivierend einbekannt
worden wäre.
Bei diesem Befund könnte man meinen, dass beim „Ja“
oder „Nein“ zu wahlrechtlichen Regelungen nur die ins Treffen
geführten, honorigen Argumente entscheidend waren
und kaum ein Auge auf eigenen oder fremden Nutzen oder
Schaden geworfen wurde. Ob dem – nach den Erfahrungen,
die wir tagtäglich auch mit uns selbst machen – tatsächlich
so sein konnte, darf ich Ihrer Vermutung anheim stellen.
1 Um den Anmerkungsapparat ergänztes Manuskript des Vortrages,
der am 22. Oktober 2008 auf dem Symposium „Der Vorarlberger
Landtag und die Gemeinden“ im Rahmen der von der Vorarlberger
Landesregierung und dem Vorarlberger Gemeindeverband
ausgerichteten Veranstaltungsreihe „200 Jahre Gemeindeorganisation in
Vorarlberg 1808 – 2008“ mit geringfügigen Kürzungen gehalten wurde.
2 LGBl. Nr. 22/1864.
3 RGBl. Nr. 18/1862.
4 Artikel XI des Reichsgemeindegesetzes 1862.
5 Benedikt Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs, Bd. 4: Zwischen Absolutismus
und halber Autonomie, Wien/Köln/Graz 1982, S. 401.
6 Siehe die Wortmeldungen in der Debatte der Landtagssitzung vom 29.
Dezember 1866 (Stenographische Sitzungsberichte [fortan: StenSib] des
1. Vorarlberger Landtages [fortan: LT] 5. Session 1866, 12. Sitzung S. 182
ff.).
7 Abgeordneter [fortan: Abg.] Jodok Fink in der Landtagssitzung vom 29.
Dezember 1902 (StenSib 9. LT 1903, 5. Sitzung, S. 42) .
8 Abg. Adolf Rhomberg in der Landtagsitzung vom 2. September 1984
(StenSib 6. LT 1. Session 1884, 9. Sitzung, S. 62).
9 Bericht des landtäglichen Ausschusses vom 29. August 1884 (10. der
Beilagen zu StenSib 6. LT 1. Session 1884).
10 LGBl. Nr. 16/1909.
11 Bericht des Landesausschusses vom 4. September 1908 (15. der
Beilagen zu StenSib 9. LT 5. Session 1908).
12 Siehe hiezu die Wortmeldungen in der Landtagssitzung vom 31. Oktober
1904 (StenSib 9. LT 2. Session 1904, 14. Sitzung).
13 Bericht des Wahlreformausschusses vom 1. Oktober 1908 (48. der
Beilagen zu StenSib 9. LT 5. Session 1908).
14 Dieses Verfahren gilt heute für das erste Ermittlungsverfahren bei der
Landtagswahl, wobei Restmandate nach dem d’hondtschen Verfahren
aufzuteilen sind.
15 LGBl. Nr. 15/1909.
16 LGBl. Nr. 18/1909.
17 Bericht des Wahlreformausschusses vom 1. Oktober 1908 (50. der
Beilagen zu StenSib 9. LT 5. Session 1908).
18 Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs 4 (wie Anm. 5), S. 411.
19 Landeshauptmannstellvertreter Fritz Preiß in der Sitzung der
provisorischen Vorarlberger Landesversammlung vom 21. Jänner 1919
(StenSib Provisorische Landesversammlung 1918/19, 8. Sitzung, S. 7 f.).
20 LGBl. Nr. 35/1919.
Seite 71

21 LGBl. Nr. 1/1924.
22 Art. 119 B-VG.
23 Berichterstatter Dr. Ferdinand Redler in der Landtagssitzung vom 11.
Jänner 1924 (StenSib 12. LT 1924, 3. Sitzung, S. 3).
24 Siehe hiezu die Wortmeldungen des Abg. Linder in der Landtagssitzung
vom 14. November 1928 (SteSib 13. LT 1928, 10. Sitzung, S. 17, 21 ff.).
25 BGBl. II Nr. 1/1934.
26 Art. 127 der Verfassung 1934.
27 Art. I der Verordnung über die Einführung der Deutschen
Gemeindeordnung im Lande Österreich, Gesetzblatt für das Land
Österreich Nr. 408/1938.
28 StGBl. Nr. 66/1945.
29 Art. 7 VGemG.
30 LGBl. Nr. 10/1950.
31 Art. 119 Abs. 2 B-VG, in Kraft getreten am 11. Dezember 1929.
32 Landesrat Jakob Bertsch in der Landtagssitzung vom 26. Jänner 1950
(StenSib 17. LT 1950, 1. Sitzung, S. 3 f.).
33 So sinngemäß Landesrat Bertsch (ebenda, S. 7).
34 So sinngemäß Landesstatthalter Dr. Gerold Ratz zum Verfasser in einem
heute nicht mehr datierbaren Gespräch.
35 Erkenntnis vom 20. Jänner 1984, Sammlungsnummer 9.912.
36 Entschließung vom 25. April 1984 betreffend das Wahlverfahren bei
Gemeindevertretungswahlen in Ermangelung von Wahlvorschlägen
(Beschlussfassung: StenSib 23. LT 1984, 3. Sitzung, S. 118). Die
Entschließung geht auf den selbständigen Antrag der Abg. Dr.
Anton Sutterlüty und Genossen betreffend das Wahlverfahren bei
Gemeindevertretungswahlen in Ermangelung von Wahlvorschlägen
zurück (10. zu StenSib 23. LT 1984).
Eine weitere gleichartige Entschließung stammt vom 11. März 1992.
Ihr liegt ein selbständiger Antrag der Abg. Dipl. Ing. Batlogg und
Kollegen zugrunde (62. Beilage zu StenSib 25. LT 1991). Debatte und
Beschlussfassung: StenSib 25. LT 1992, 2. Sitzung, S. 106 ff.
37 Siehe die Debatte in der Landtagssitzung vom 25. April 1984 zu TOP 5
(StenSib 23. LT 1984, 3. SitzungS. 110 ff.).
38 Abg. Dr. Arnulf Häfele in der Landtagssitzung vom 25. April 1984 (StenSib
23. LT 1984, 3. Sitzung, S. 114).
Seite 72
39 Dr. Josef Mittelberger und Dr. Ferdinand Redler in der Sitzung der
Landesversammlung vom 24. April 1919 (StenSib Provisorische
Landesversammlung 1918/19, 15. Sitzung, S. 3 u. 9).
40 Novelle LGBl. Nr. 67/1997.
41 Novelle LGBl. Nr. 63/1998.
42 BGBl. Nr. 504/1994.
43 Abg. Dr. Günter Keckeis in der Landtagssitzung vom 10. Juni 1998
(StenSib 26. LT, 5. Sitzung, S. 317).
44 Erkenntnis vom 16. März 1985, Sammlungsnummer 10.412.
45 Erkenntnis vom 16. März 1989, Sammlungsnummer 12.023.
46 BGBl. I Nr. 27/2007.

Ein selbständiges Land mit
autonomen Gemeinden
Festveranstaltung der Landesregierung und des
Landtages am 90. Jahrestag der Selbständigkeitserklärung
des Landes Vorarlberg
Bregenz, Landhaus, 3. November 2008
„Liedle, Liedle“
Komposition: Wilhelm Fritz (1918 bis 1995)
Text: Fritz Thevenet (1894 bis 1936)
Schulchor des Sacré Coeur Riedenburg, Bregenz
(Leitung: Mag. Hubert Herburger)
Das Land gliedert sich in Gemeinden
Landtagsvizepräsidentin Dr. Gabriele Nußbaumer
„Vu Afang a“
Komposition: Thomas Thurnher (geb. 1966)
Text: Elisabeth Marx (geb. 1946)
Schulchor des Sacré Coeur Riedenburg, Bregenz
(Leitung: Mag. Hubert Herburger)
Am 3. November 1918
Dr. Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Landesarchiv
„Wirf deiner Sehnsucht Anker“ – „Nimm den Tag“
Komposition: Thomas Thurnher (geb. 1966)
Text: Elisabeth Marx (geb. 1946)
Schulchor des Sacré Coeur Riedenburg, Bregenz
(Leitung: Mag. Hubert Herburger)
Das Land als verlässlicher Partner
Bundesratspräsident Bundesminister a. D. Jürgen Weiss
Anregungen zur politischen Teilhabe in Vorarlberg
seit 1945
Serpil Polat, Simon Dörler, Max Feuerstein
Vorstellung eines Projekts des Gymnasiums Bregenz
Blumenstraße im Rahmen des Wahlpflichtfaches
„Geschichte und Politische Bildung“
(Leitung: Prof. Dr. Gerold Amann)
Überreichung des „Jugend-Bravo“ an die Projektgruppe
’s Ländle meine Heimat
Landeshymne (1949),
Text und Musik: Anton Schmutzer 1905/07
Empfang
Seite 73

Seite 74
Ein selbständiges Land
mit autonomen Gemeinden
EINLADUNG

Ich darf Sie recht herzlich zur Festveranstaltung am 90.
Jahrestag der Selbständigerklärung des Landes Vorarlberg
begrüßen. Sie steht unter dem Titel „Ein selbständiges
Land mit autonomen Gemeinden“ und ist in die Veranstaltungsreihe
„200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg
1808 – 2008“ eingewoben.
Stellvertretend für alle Gemeindemandatare haben der
Landtag und die Landesregierung zum offiziellen Abschluss
des „Gemeindejahres“ die aktiven und ehemaligen Mitglieder
der Gemeindevorstände zu dieser Veranstaltung
eingeladen. Ich möchte auch Sie an dieser Stelle ausdrücklich
herzlich begrüßen.
Das Land Vorarlberg bringt mit dieser Veranstaltung seine
Verbundenheit mit den Gemeinden zum Ausdruck. „Das
Land gliedert sich in Gemeinden“, so steht in Art. 72 unserer
Landesverfassung in trockener rechtlicher Formulierung
verankert. Umgekehrt setzt sich aber auch das Land
aus den Gemeinden zusammen. Es ist nicht von oben nach
unten, sondern von unten nach oben aufgebaut.
Der 30-köpfigen provisorischen Landesversammlung, die
sich am 3. November 1918 konstituierte, gehörten 19 Vertreter
der Christlichsozialen, 6 Deutschfreisinnige und
5 Sozialdemokraten an. Unter dem damaligen Landespräsidenten
Dr. Otto Ender wurde die bis dahin gemeinsam
bestehende Verwaltung des Landes mit Tirol von der
Landesversammlung für aufgehoben erklärt. Gleichzeitig
deklarierte die Landesversammlung Vorarlberg als eigenes,
selbständiges Land und den Beitritt zu Deutsch-Österreich.
Den Mitgliedern der provisorischen Landesversammlung
war an diesem Tag wohl nicht zum Feiern zumute. Es
herrschte kriegsbedingt unvorstellbare Not. Die Menschen
in Vorarlberg – aber nicht nur hier - hungerten. Die alte
Weltordnung war hinweg gefegt worden. Die österreichungarische
Monarchie war zusammen gebrochen und ihre
Völker strebten auseinander.
Festveranstaltung „Ein selbständiges Land mit autonomen Gemeinden“
Bregenz, Landhaus, 3. November 2008
Gabriele Nußbaumer (geb. 1956), Dr. iur., seit 1999 Mitglied des Vorarlberger Landtages,
seit 2004 Landtagsvizepräsidentin
„Das Land gliedert sich in
Gemeinden“
Gabriele Nußbaumer
Die Männer, die am 3. November 1918 zusammengetreten
waren – noch handelte es sich im Landtag ausschließlich
um Männer – hätten es sich gewiss nicht träumen lassen
würden, welch florierendes Land 90 Jahre später dieses
Ereignisses gedenken würde. Auch wenn wir heute gerade
angesichts der gegenwärtigen Finanzkrise und eines sich
anbahnenden Konjunktureinbruchs alle etwas besorgt
sind: Wir können doch zuversichtlich sein, dass wir uns in
der Krise behaupten werden und unseren Wohlstand wahren
können. Vielleicht sollten wir uns am Mut und der Entschlossenheit
der provisorischen Landesversammlung von
damals ein Beispiel nehmen.
Wie die im Vorarlberger Landesmuseum gerade laufende
Ausstellung über den „Kanton Übrig“ zeigt, waren freilich
viele Menschen in unserem Land auch damals von der Zukunft
des selbständigen Landes Vorarlberg in Österreich
keineswegs überzeugt. Sie alle machten während der Ersten
Republik eine schwierige Zeit durch. Umso wohltuender
hebt sich davon die Entwicklung seit 1945 ab.
Wir sind seither einen dem Gedanken der Eigenständigkeit
und Bewahrung von Gestaltungsfähigkeit verpflichteten
Weg gegangen. Auf diesem Weg in Österreich und in Europa
waren die Gemeinden ein wichtiger Partner des Landes.
Land und Gemeinden sollten sich auch in Zukunft nicht auseinander
dividieren lassen.
Lassen Sie mich noch einige Worte zur musikalischen Umrahmung
der heutigen Veranstaltung sagen, die sehr gut
zum Anlass passt:
Das Land Vorarlberg vergibt zu besonderen Anlässen Kompositionsaufträge
an Vorarlberger Musikschaffende. Auf
Vorschlag der Kunstkommission Musik erging der Auftrag
an Thomas Thurnher aus Dornbirn, für diese Festveranstaltung
zwei Musikstücke zu komponieren. Die Texte stammen
von Elisabeth Marx aus Götzis. Ihr Großvater Dr. Johann
Josef Mittelberger, der spätere Finanzlandesrat und Fi-
Seite 75

nanzminister, war genau der Mann, der 1918 an der Vorarlberger
Selbständigkeitserklärung mitgearbeitet und diese
schließlich im Landtag verlesen hat. Nun, nach neunzig
Jahren, werden Texte seiner Enkeltochter im Rahmen der
Festveranstaltung zu hören sein.
Es freut mich sehr, dass ich heute Abend sowohl den Komponisten
Thomas Thurnher als auch die Autorin Elisabeth
Marx in unserer Mitte begrüßen darf und heiße sie beide
herzlich willkommen.
Und nun dürfen wir uns auf die Uraufführung „Vu Afang a“
freuen. Dargeboten wird das Lied vom Schulchor des Sacré
Coeur Riedenburg, dem beim Bundesjugendsingen 2007 in
Bregenz das Prädikat „ausgezeichnet“ verliehen wurde.
Mehr zum 3. November 1918 werden wir im Anschluss von
Dr. Ulrich Nachbaur vom Vorarlberger Landesarchiv hören,
der uns sicherlich wieder ein Kostprobe seines enormen
Wissens um die historischen Zusammenhänge in unserem
Land und seines großen Talents, diese auch zu vermitteln,
liefern wird.
Seite 76

Am 3. November 1918
Zur Selbständigkeitserklärung des Landes Vorarlberg
Ulrich Nachbaur
Am 3. November 1918 wurde der Waffenstillstand mit Italien
unterzeichnet. Doch die österreichischen Truppen erfuhren
nicht oder wollten nicht mehr wissen, dass die Kampfhandlungen
erst am 4. November eingestellt werden sollten. Sie
legten ihre Waffen nieder und wurden von den Italienern
überrannt, die in diesem einen Tag 350.000 Gefangene
machten, darunter viele Vorarlberger.
So grub sich der 3. November 1918 als Tag der Demütigung
und des Zorns in die Erinnerung einer Generation ein, wobei
sich der Zorn bei nicht wenigen auch gegen das Kaiserhaus
richtete, die, wie mein Großvater, ihre Niederlage der
„Katzelmacherin“ Zita zuschrieben, die sie verraten habe.
1916 war der junge Karl dem greisen Franz Joseph auf den
Thron gefolgt. Im Frühjahr 1917 hatte er über seinen Schwager
Sixtus von Bourbon-Parma mit der Entente Geheimverhandlungen
über einen Sonderfrieden angeknüpft; und
dies geleugnet, als die „Sixtusaffäre“ im April 1918 aufflog,
die den Kern der Dolchstoßlegende bildete. Gerne wurde
später Jodok Fink zitiert, der einmal gesagt haben soll: „Der
Kaiser meint es recht, er meint es sicher recht. Aber man
sollte Tag und Nacht bei ihm sein, Tag und Nacht.“ 1
Österreich-Ungarn war völlig erschöpft, die Lage trostlos,
auch in Vorarlberg. Es herrschten Hunger und Not. Das Land
und seine Menschen waren ausgezehrt und müde. Zu allem
Überfluss grassierte noch die „Spanische Grippe“; eine
Pandemie, die weltweit Millionen Menschen das Leben
kostete.
Am 3. November 1918 war der Zerfall Österreich-Ungarns
nicht mehr aufzuhalten.
Am 16. Oktober hatte Kaiser Karl einen Rettungsversuch
unternommen und die Umwandlung der erstarrten Doppelmonarchie
in einen „Bund freier Völker“ angekündigt, auf
deren „Selbstbestimmung“ das neue Reich sich gründen
Festveranstaltung „Ein selbständiges Land mit autonomen Gemeinden“
Bregenz, Landhaus, 3. November 2008
Ulrich Nachbaur (geb. 1962 in Feldkirch), Dr. iur., M.A., seit 1997 Mitarbeiter
im Vorarlberger Landesarchiv
werde. Karl rief seine Völker auf, an dem großen Werk durch
„Nationalräte“ mitzuwirken, die aus den Reichsratsabgeordneten
jeder Nation gebildet werden sollten. 2
In diesem Manifest klingt das 14-Punkte-Friedensprogramm
des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson
vom Jänner 1918 mit. Es baute auf das nationale Selbstbestimmungsrecht
und stellte den Völkern Österreich-Ungarns
freieste Gelegenheit zu autonomer Entwicklung in Aussicht.
Das Kernproblem Ungarn hatte Karl ausgenommen. Doch
alle seine Völker bildeten Nationalräte, und wollten nichts
mehr voneinander wissen.
Am 21. Oktober 1918 traten im Niederösterreichischen
Landhaus in Wien die Abgeordneten der deutschen Reichsratswahlkreise
als provisorische Nationalversammlung des
neuen Staates Deutschösterreich zusammen. Am 25. Oktober
wurde in Prag ein tschechoslowakischer Staat ausgerufen.
Am selben Tag bildete sich in Budapest ein Nationalrat,
der die Realunion mit Österreich aufkündigte und die ungarischen
Truppen heimrief. Nach Jahrhunderten zerfiel das
Reich unter Habsburgs Kronen binnen weniger Tage.
Eine der Schlüsselfiguren in Wien war der 65jährige Bregenzerwälder
Bauer Jodok Fink (1853 bis 1929), der zu
den einflussreichsten Abgeordneten des österreichischen
Reichsrats zählte und nun endgültig in die Rolle eines
Staatsmanns schlüpfte. 3
Die Christlichsozialen hatten kein klares Konzept. Wie sollte
sich eine staatstragende Partei verhalten, als das Vielvölkerreich
auseinander driftete?
Klubobmann Landeshauptmann Prälat Johann Nepomuk
Hauser (1866 bis 1927) lag mit Grippe im Bett. 4 So übernahm
sein Stellvertreter Fink in den ersten Tagen die Führung. Als
entschiedener Demokrat fand er sich rasch zurecht und
verhandelte mit den anderen Parteien die Gründung des
neuen Staates.
Seite 77

Die Nationalversammlung wählte Fink bei der Konstituierung
am 21. Oktober für die Christlichsozialen in ihr
dreiköpfiges Präsidium und damit auch in den Vollzugsauschuss,
wo Fink die Leitung der Gruppe Volkswirtschaft
und Ernährung übernahm und eine Delegation nach Berlin
führte. Sobald Klubobmann Hauser halbwegs genesen war,
erklärte Fink telegrafisch seinen Rücktritt vom Präsidentenamt.
5
Am 30. Oktober schuf die Nationalversammlung die grundlegenden
Einrichtungen der Staatsgewalt. Die Frage der
Staatsform ließ sie offen, denn noch traten die Christlichsozialen
offiziell für eine demokratische Monarchie ein.
Hauser wurde ins Präsidium gewählt, Fink als einfaches
Mitglied in den Staatsrat. Jetzt galt es Vorarlberg.
Wie alle Kronländer verfügte Vorarlberg ab 1861 über einen
Landtag, der zur Führung der autonomen Landesverwaltung
einen Landesausschuss wählte. Der Landeshauptmann
wurde allerdings vom Kaiser aus dem Kreis der Abgeordneten
ernannt und war allein dem Kaiser verantwortlich. Ohne
kaiserliche Sanktion konnte kein Landesgesetz in Kraft treten
und nur der Kaiser konnte den Landtag einberufen, was
letztmals 1913 der Fall gewesen war – ein Scheinparlamentarismus.
Neben der bescheidenen autonomen Landesverwaltung
des Landtages bestand für alle Länder eine mächtige staatliche
Landesverwaltung, die von kaiserlichen Beamten geführt
wurde. Eine Besonderheit bestand nun darin, dass
diese staatliche Landesverwaltung für Tirol und Vorarlberg
gemeinsam von einer k. k. Statthalterei in Innsbruck geführt
wurde, der auch die k. k. Bezirkshauptmannschaften
Bregenz, Feldkirch und Bludenz unterstanden. Wenn der
Vorarlberger Landtag 1907 und 1913 vehement eine eigene
„Landesregierung“ für Vorarlberg forderte, zielte er auf die
Errichtung einer eigenen kleinen Statthalterei in Bregenz
ab.
Seite 78
Die „Los von Tirol!“-Parole hatte seit 1849 wesentlich zur
Ausformung eines Vorarlberg-Bewusstseins beigetragen;
zu einer Landesidentität, die stark föderalistisch geprägt
wurde, ein Stück weit sogar sezessionistisch.
Seit 1870 dominierten die „Schwarzen“ den Landtag. Die
Deutschnationalen hatten zuletzt gerade noch zwei von 25
Mandaten behauptet. 6 Die Sozialdemokraten waren chancenlos,
da Franz Joseph eine Demokratisierung des Wahlrechts
verweigert hatte.
Wie aber würde die künftige Verfassung Deutschösterreichs
aussehen? Welche Rolle sollten die Länder künftig spielen?
Sollten sie überhaupt noch eine Rolle spielen? – Es galt zu
handeln.
Am 22. Oktober stimmten sich Ländervertreter in Wien ab.
Vorarlberg vertrat vermutlich Jodok Fink, der seit 1890 dem
Landesausschuss angehörte. Sie versicherten die Nationalversammlung
der Unterstützung der autonomen Landesverwaltungen
und ließen durchklingen, dass ohne Länder
kein Staat zu machen sein wird, zumal mit der Auflösung
des zentralen Verwaltungsapparates zu rechnen sei. Die im
Volk verankerten, demokratisch auszubauenden Landesausschüsse
seien berufen, „nicht nur bei der Liquidierung
des bisherigen, sondern auch beim Neuaufbau des neuen
Staatswesens mitzuwirken“. 7
Der Vollzugsausschuss reagierte drei Tage später mit einer
Vorlage an die Nationalversammlung, die beschließen
wolle: „Bis zur endgültigen Festsetzung der deutschösterreichischen
Verwaltungsorganisationen werden zur
Vertretung der Länder provisorische Landesversammlungen
und Landesausschüsse berufen. Die deutschen politischen
Parteien jedes Landes haben zu vereinbaren, in welcher
Weise die provisorischen Landesversammlung zusammengesetzt
werden soll, wie in jenen Ländern, wo Landesausschüsse
noch nicht bestehen, solche zu bilden, und in jenen
Ländern, wo nicht alle Parteien im Landesausschusse

vertreten sind, Berufungen in die Landesausschüsse erfolgen
sollen. Von der Konstituierung der provisorischen Landesversammlungen
und Landesausschüsse ist der Vollzugsausschuss
zu verständigen.“ 8
Doch die Ländereliten warteten einen Beschluss der Nationalversammlung
nicht ab. In den Landeshauptstädten wurden
Fakten geschaffen, schon um das drohende Chaos in
den Griff zu bekommen.
Nun, da die alten Strukturen zerfielen, galt es, die Gunst
der Stunde für eine demokratische Machtverschiebung in
Richtung Bregenz zu nützen. Leider sind wir über die Vorgänge
nicht gut unterrichtet.
Abstrus ist die Cincinatus-Legende, die ratlose Landesversammlung
habe Jodok Fink vom Pflug weg nach Bregenz
gerufen. 9
Fink war in Ernährungsfragen in Deutschland unterwegs, 10
als das christlichsoziale „Vorarlberger Volksblatt“ am 26.
Oktober „von verläßlicher Seite“ zu berichten wusste, dass
auch für Vorarlberg die Schaffung eines „deutschen Volksrates“
im Zuge sei. 11 Das Vorbild bot wohl Tirol.
Später nahmen die Deutschfreisinnigen die Initiative für
sich in Anspruch. 12 Folgen wir der Erinnerung Adolf Rhombergs
(1851 bis 1921), fand am 30. Oktober eine Parteisitzung
der Christlichsozialen statt. 13 Seit 28 Jahren diente der
kränkelnde Dornbirner Fabrikant seinem Land und seinem
Kaiser als Landeshauptmann. Nun erhielt Rhomberg den
Auftrag zu Verhandlungen, die er mit dem deutschnationalen
Bregenzer Bürgermeister Dr. Ferdinand Kinz (1872
bis 1935) und dem sozialdemokratischen Eisenbahner Fritz
Preiß (1877 bis 1940) führte.
Am 1. November meldete die sozialdemokratische „Vorarlberger
Wacht“, die Bildung eines „Volksrates“ sei beschlossen
worden. Je 1.000 Stimmen, die eine Partei bei der
Reichsratswahl 1911 erzielt habe, stehe ihr ein Mandat zu. 14
In weiteren Verhandlungen wurde die Mandatszahl von 20
auf 30 erweitert, um allen Parteien eine regionale und berufliche
Repräsentation zu ermöglichen. 15
Diese Verhandlungen dürfte Jodok Fink geführt haben, der
am 1. November, an Allerheiligen, in Bregenz eintraf und
Dr. Otto Ender (1875 bis 1960) aufsuchte, der mit Grippe im
Bett lag. 16 Fink hatte sich auf Ender festgelegt. Der 43jährige
Rechtsanwalt und Oberdirektor der Hypothekenbank sollte
Vorarlberg in die neue Zeit führen.
Ender hatte eine Wohnung in der Hypothekenbank in der
Kirchstraße (heute Landesarchiv), wo sich am Nachmittag
die christlichsozialen Vertrauensmänner trafen. Während
sich Ender am Allerseelentag einer Rosskur unterzog, wurde
mit den Deutschfreisinnigen und den Sozialdemokraten
weiterverhandelt und die Regie für die Konstituierung festgelegt.
Sie sollte im ehemaligen Hotel „Österreichischer
Hof“ über die Bühne gehen, das der Landesausschuss 1916
als Landhaus angekauft hatte.
Es war höchste Zeit. Die Hiobsbotschaften aus Tirol überschlugen
sich. Wilder Rückzug, marodierende Truppen,
Auflösung auch in Vorarlberg. Selbst der Bregenzer Bezirkshauptmann
Josef Graf Walderdorff (1862 bis 1933) drängte
zu schnellem, selbständigem Handeln. 17
„Seine Exzellenz“ Adolf Rhomberg, der letzte vom Kaiser
ernannte Landeshauptmann, berief die Provisorische
Landesversammlung ein. 18 Am 3. November 1918, ein
Sonntagvormittag, begrüßte er im Landhaus am See 19
Christlichsoziale (darunter die Mitglieder des bisherigen
Landesausschusses), sechs Deutschfreisinnige und fünf
Sozialdemokraten. Rhomberg schloss mit der Mahnung:
„Arbeiten Sie vereint und lassen Sie sich in dieser ernsten
Zeit allein von dem Grundsatz leiten: wenig Worte und vor
allem Taten!“ 19
Seite 79

Nachdem Rhomberg aus gesundheitlichen Gründen
verzichtet habe, 20 schlug Fink Otto Ender als „Landespräsidenten“
vor, den deutschfreisinnigen Lehrer Franz
Natter als ersten Stellvertreter, den Sozialdemokraten Fritz
Preiß als zweiten. Ender erklärte, dass gewiss Staatsrat Fink
der Berufenste gewesen wäre, aber in Wien unentbehrlich
sei. 21 Der spätere christlichsoziale Landesrat und Finanzminister
Dr. Josef Mittelberger (1879 bis 1963) verlas folgenden
Entschließungsantrag, auf den sich die drei Parteien geeinigt
hatten:
„Die Vorarlberger Landesversammlung erklärt sich als die
gesetzgebende Körperschaft für das Land Vorarlberg. Ihre
Mitglieder wurden von den politischen Parteien entsendet
und vertreten das Land an Stelle des früheren Landtages,
bis eine aus Neuwahlen hervorgegangene Vertretung bestellt
ist.
Die Vorarlberger Landesversammlung führt durch einen
aus ihrer Mitte gewählten Landesrat die Verwaltung des
Landes. Wie in anderen Kronländern wurde die Führung der
politischen und autonomen Verwaltung in einer Hand vereinigt;
damit hat sich das Land Vorarlberg jene Selbständigkeit
gegeben, die es schon lange einmütig erstrebte.
Vorarlberg bildet von nun an nicht mehr ein gemeinsames
Verwaltungsgebiet mit Tirol, sondern erklärt sich auf Grund
des Selbstbestimmungsrechtes als eigenes selbständiges
Land im Rahmen des deutsch-österreichischen Staates. Der
Landesrat tritt daher an die Stelle des bisherigen Landesausschusses
und übernimmt überdies die Führung der bis
jetzt der k. k. Statthalterei zugewiesenen Geschäfte.
Die Vorarlberger Landesversammlung stellt sich als dringendste
Aufgabe, das Volk Vorarlbergs in dieser Zeit
schwerster wirtschaftlicher Not und raschester politischer
Entwicklung in Ordnung und Ruhe in eine bessere Zeit des
Friedens hinüberzuleiten. Sie will insbesonders alle Kräfte
zusammenfassen, um die Ernährung unseres Volkes zu sichern.“
22
Seite 80
Auf Antrag Natters bestellte die Landesversammlung im
Proporz einen „Landesrat“ mit neun Mitgliedern und Ersatzmitgliedern.
Auf Antrag Preiß räumte sie dem Landesrat
Handlungsvollmachten ein und beauftragte den
Landespräsidenten, den Staatsrat und die Statthalterei in
Kenntnis zu setzen. Alle Beschlüsse wurden ohne Debatte
einstimmig gefasst.
Dieser Vorgang wirkt im Rückblick unspektakulär: Keine
Brandreden, kein Volk auf den Straßen, keine Blumen, kein
Blut, und doch war es eine Revolution – eine revolutionäre
Staatsgründung.
Eine Landesversammlung nahm für Vorarlberg ein nicht
weiter begründetes Selbstbestimmungsrecht in Anspruch
und brach mit der konstitutionellen Landesordnung. – Später
wird Ender damit argumentieren, der Kaiser habe die
Völker entbunden und die einzelnen Länder seien mit dem
Wegfall der Pragmatischen Sanktion und der Reichsverfassung
von 1867 wieder selbständig dagestanden. 23 Dabei
konnte sich Ender rückblickend allenfalls auf das Manifest
vom 16. Oktober berufen, denn noch hatte Karl keine Verzichtserklärung
abgegeben.
Die Landesversammlung gründete zunächst ein selbständiges
Land Vorarlberg und erklärte dann dessen Beitritt
zu Deutschösterreich.
Sie ging über die demokratische Erweiterung des Landesausschusses
hinaus und bestellte einen „Landesrat“, dem
sie auch die bisher staatliche Landesverwaltung unterordnete.
Die Selbständigkeitserklärung war im Kern also weit mehr
als nur eine „Unabhängigkeitserklärung von Tirol“, als die
Kündigung der staatlichen Verwaltungsgemeinschaft, auch
wenn diese im Vordergrund stand, um die drängenden Probleme
in den Griff zu bekommen.

Freilich entbehrte die Landesversammlung einer demokratischen
Legitimation. In deutschfreisinnigen Kreisen
hätte man sich von sofortigen Wahlen eine stärkere Vertretung
erwartet. Doch die Zeit habe gedrängt, begründete
der „Vorarlberger Volksfreund“ die Vorgansweise; zudem
wären Neuwahlen erst dann gerechtfertigt, „wenn unsere
Wähler von den Fronten alle wieder zurückgekehrt sein werden“.
24 – Eine Rechnung ohne die Wirtin, ohne das Frauenwahlrecht.
Die Landtagswahl im April 1919 werden die
Frauen dominieren. Sie werden mit großer Mehrheit christlichsoziale
Männer wählen; die ersten Frauen erst 40 Jahre
später in den Landtag einziehen.
Von einer Hochstimmung konnte am 3. November 1918 keine
Rede sein. „Der formelle Teil der Versammlung war in
knapp einer Stunde erledigt und glaubte man allenthalben,
eine etwas gedrückte Stimmung wahrzunehmen,“ berichtete
die „Vorarlberger Wacht“. 25
Selbst aus der Schweiz mehrten sich Nachrichten über Unruhen.
Sofort nahm der Landesrat den Aufbau einer Volkswehr
in Angriff. Telegrafisch teilte er dem Staatsrat in Wien
sowie der Statthalterei, dem Militärkommando und dem
Tiroler Nationalrat in Innsbruck die Selbständigkeitserklärung
mit, ebenso den Bezirkshauptmannschaften. Den
Staatsrat ersuchte der Landesrat, die Statthalterei und die
Bezirkshauptmannschaften anzuweisen, sich dem Landesrat
unterzuordnen. 26 Dem Militär und der Exekutive machte
der Landesrat klar, dass er „die gesamte Zivil- und Militärgewalt
als Vollzugsorgan des deutsch-österreichischen
Volkes übernommen [habe].“ 27
Der Bezirkshauptmann von Bregenz, der als Regierungskommissär
im Landtag den Kaiser vertreten hatte, sollte
nun Weisungen von einem Landesrat entgegennehmen?
Leicht fiel das den stolzen Staatsbeamten gewiss nicht,
zumal alle ihrem Kaiser heilige Eide geschworen hatten,
der zu einer Randfigur verblasste. – Sollte Karl Staatsoberhaupt
des neuen Deutschösterreich werden?
Aus dem Westen wehte ein republikanischer Wind. Während
der barocke „Landesbischof“ Sigmund Waitz (1864
bis 1941) in einem Kanzelbrief noch für die Beibehaltung
der monarchischen Staatsform in einem nur mehr fiktiven
Österreich-Ungarn warb, 28 trug der nüchterne Staatsrat Fink
in Wien das Seine dazu bei, den Weg in die Republik zu ebnen.
Als der christlichsoziale Klub am 11. November zusammentrat,
wusste er bereits, dass der Kaiser noch am selben
Tag „auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften“ verzichten
werde. 29 „Jodok Fink verdolmetschte in kühler, emotionsloser
Darlegung, wie ein Notar bei einer Todfallsaufnahme,
die Situation und die Folgerungen: Republik. Die große
Mehrheit folgte ihm in ihrem Beschluß.“ 30
Am 12. November 1918 rief die Nationalversammlung in
Wien die Republik aus – begleitet von Tumulten vor dem
Parlament. „Rote Garden“ hatten aus der neuen, rot-weißroten
Staatsflagge den weißen Mittelstreifen herausgerissen.
Am Tag darauf stellte sich in Bregenz die christlichsoziale
Landespartei ausdrücklich „auf den gegeben Boden der
Republik.“ 31 – Am 24. März 1919 wird Karl von Habsburg-
Lothringen auf dem Weg ins Schweizer Exil mit einem „Feldkircher
Manifest“ seinen Verzicht widerrufen und das Parlament
mit dem fragwürdigen Habsburgergesetz antworten.
Am 14. November 1918 trug die Nationalversammlung mit
einem Gesetz betreffend die Übernahme der Staatsgewalt
in den Ländern der bundesstaatlichen Realität Rechnung. 32
In der Debatte trat Jodok Fink entschieden für eine Überwindung
der Doppelverwaltung und gegen den überkommenen
bürokratischen Zentralismus, gegen die Beamtenherrschaft,
ein. Einen demokratischen Staat müsse man „von
unten zu bauen anfangen“, beim Fundament und nicht
beim Dach. 33 Selbst Staatskanzler Dr. Karl Renner (1870 bis
1950), ein Verfechter des demokratischen Zentralismus,
musste diese Linie vertreten. Vor die Frage gestellt, entweder
ganz zu „bureaukratiseren“ oder ganz zu „autonomisieren“
habe man sich dem Geist der Zeit entsprechend für das
Seite 81

letztere entscheiden müssen, „nämlich dort die Volksregierung
einzuführen,“ selbst auf die Gefahr hin, dass dadurch
die Gesetzlichkeit schwinden könnte. 34
An die Stelle der ehemaligen Landesausschüsse traten
„Landesräte“ zur Führung der autonomen Landesverwaltung.
Parallel dazu wurden die staatlichen Behörden
„Landesregierungen“ unterstellt, die ebenfalls von den
Landesversammlungen zu wählen waren. In beiden Kollegialorganen
führte der Landeshauptmann den Vorsitz. Vorarlberg
stand vor der besonderen Herausforderung, neben
dem Amt des Landesrates ein neues Amt der Landesregierung
aufzubauen, das bis 1921 schrittweise die Geschäfte
der ehemaligen Statthalterei in Innsbruck übernehmen
wird, die nun als Amt der Tiroler Landesregierung firmierte.
Die Überwindung des Verwaltungsdualismus wird erst 1925
gelingen.
Wurde mit diesem Verfassungsprovisorium bereits ein
demokratischer Bundesstaat selbständiger Länder vorgezeichnet?
Am 12. November 1918 hatte die Nationalversammlung
nicht nur die Staats- und Regierungsform festgelegt, sondern
auch die „feierliche Beitrittserklärung der Länder,
Kreise und Gaue des Staatsgebietes“ zur Kenntnis genommen
und diese Gebiete „unter den Schutz der ganzen Nation
gestellt“. 35 „Die Grundlage unserer staatlichen Tätigkeit
sind die Länder und Kreise, die im freien Entschluß ihren
Beitritt zu dem Staate Deutschösterreich vollzogen haben,“
erklärte Staatskanzler Renner, der zweifellos nicht im Verdacht
stand, ein Föderalist zu sein. 36 Aber Renner stammte
aus Mähren und die Nationalversammlung erhob Anspruch
auf die Sudetenländer, auf Westungarn, die Südsteiermark
und Südkärnten und nicht zuletzt auf Südtirol, soweit die
deutsche Zunge klang. Zudem versuchte Renner, die Länder
an die Kandare zu nehmen. Sie hätten sich mit ihren
Beitrittserklärungen „den Beschlüssen der provisorischen
Nationalversammlung unterworfen und erklärt, daß sie den
Seite 82
Behörden und den behördlichen Verfügungen des Staates
Deutschösterreich sich unterwerfen.“ 37 – Doch von so einem
Kotau konnte in Bregenz wie in Innsbruck keine Rede sein.
In Innsbruck ging es vorrangig um die Tiroler Landeseinheit,
in Bregenz um eine Vorarlberger Alternative zu einer
Zukunft im Deutschen Reich.
Denn die Nationalversammlung in Wien proklamierte
am 12. November nicht nur die „demokratische Republik
Deutschösterreich“, sondern erklärte sie zugleich „zum Bestandteil
der Deutschen Republik“. 38 Und das war mehr als
eine Absichtserklärung, das war ein Verhandlungsauftrag.
Nicht von ungefähr wird die Weimarer Verfassung des Deutschen
Reiches den Vertretern Deutschösterreichs bis zum
Beitritt bereits beratende Stimme in der Länderkammer
(Reichsrat) zugestehen. 39
Es lag auf der Hand, dass Deutschösterreich nur als Land
und nicht als Bundesstaat dem Deutschen Reich beitreten
könnte, dass ein Anschluss an Deutschland das Ende der
selbständigen Länder bedeuten musste.
Die Vorarlberger Industrie orientierte sich politisch sofort in
Richtung Norden um, bedeute für sie das Deutsche Reich
doch einen Ersatz für den verlorenen österreichisch-ungarischen
Binnenmarkt. Die Mehrheit der Bevölkerung trat
aber entschieden für eine andere Option ein, für den Beitritt
zur erprobt demokratischen und kleinräumig föderalen
Schweiz, die vom Krieg weitgehend verschont geblieben
war.
Karl Renner wird 1938 in seiner anbiedernden Anschlussbegeisterung
behaupten, es seien „alle Länder, mit Ausnahme
Steiermarks, selbst Vorarlberg, trotz der landesverräterischen
Umtriebe Enders, […] vom ersten bis zum
letzten Tage überwiegend Freunde des Anschlusses“ an
Deutschland gewesen. 40 – Das Gegenteil war der Fall:
Eine massive Bürgerbewegung machte Druck in Richtung
Schweiz.

Als am 12. März 1919 die Konstituierende Nationalversammlung
mit einem Gesetz über die Staatsform den Anschlussartikel
feierlich bekräftigte, 41 stimmten die Vorarlberger
Abgeordneten dagegen und erklärten, dass die
Beitrittserklärung der Landesversammlung vom 3. November
1918 nur provisorischen Charakter habe: „Unser Volk
will durch einen selbstgewählten Landtag oder durch eine
allgemeine Volksabstimmung über den endgültigen Anschluß
entscheiden und lehnt eine bindende Entscheidung
durch die Nationalversammlung mit Übergehung der Länder
ab.“ 42
Das bekräftigte zwei Tage später die Landesversammlung
in Bregenz und verabschiedete eine ungemein fortschrittliche
Landesverfassung. Vorarlberg „soll ein Freistaat im
wahrsten Sinne werden“, erklärte Berichterstatter Mittelberger,
ein Freistaat, „in dem das Volk selbst regiert, selbst
verwaltet, selbst seine Verhältnisse ordnet, selbst aber
auch die Verantwortung trägt.“ 43 Diese Verfassung orientierte
sich an der Schweiz, war eindeutig auf einen „Kanton
Vorarlberg“ zugeschnitten. 44
Am 11. Mai 1919 erhielt der Landesrat in einer Volksabstimmung
den klaren Auftrag, mit Bern Verhandlungen über einen
Eintritt Vorarlbergs in die Schweizer Eidgenossenschaft
aufzunehmen.
Hätten unsere Eltern, Groß- und Urgroßeltern 1919 mit 80
Prozent für einen Anschluss an Deutschland gestimmt, würden
wir Vorarlberger nach wie vor als tadellose Patrioten
gelten und nicht als unsichere Kantonisten.
In den Friedensverträgen diktierten die Sieger vier Monate
später das Anschlussverbot, schrieben sie die Grenzen
Deutschlands und Österreichs fest, vorbehaltlich einer anderen
Entscheidung des Völkerbundes. Darauf baute Vorarlberg
und trat 1920 mit einer Denkschrift an den Völkerbund
heran.
Vergeblich – wie 1922 auch eine Geheiminitiative der Gemeinde
Mittelberg, die ebenfalls ein „Freistaat“ werden
wollte, 45 als Österreich finanziell und politisch vor dem
Zusammenbruch stand und Landeshauptmann Ender die
Schweiz um Waffenhilfe gegen einen zu befürchtenden Einmarsch
der Italiener ersuchte. Mit Hilfe des Völkerbundes
gelang jedoch die Sanierung der Staatsfinanzen, wofür sich
Österreich zur Aufrechterhaltung seiner Unabhängigkeit
verpflichtete. Die Schweiz blieb den Vorarlberger vorenthalten
oder erspart, das Deutsche Reich vorerst auch.
1923 verabschiedete der Landtag letztlich eine neue Landesverfassung
im Korsett des Bundes-Verfassungsgesetzes von
1920, als „selbständiges Bundesland der demokratischen
Republik Österreich“, das als „selbständiger Staat“ alle
Hoheitsrechte ausübt, die nicht ausdrücklich dem Bunde
übertragen sind oder werden. 46 – Und um die „Eigenstaatlichkeit
des Landes“ stärker zu betonen, führte der Landtag
nach Schweizer Mustern den Titel „Landesstatthalter“ ein. 47
Am 3. November 1918 konnte die Landesversammlung die
Zukunft nicht voraussehen. Aber in einem war sie sich sicher:
Dass die Gestaltung der Zukunft wie des täglichen Lebens
soweit möglich in Vorarlberg selbst bestimmt werden
soll, bürgernah und demokratisch.
Seite 83

1 Hermann Deuring, Jodok Fink. Wien 1932, S. 190.
2 Kaiserliches Manifest 16.10.1918, zitiert nach: Vorarlberger Volksblatt
[fortan: VVB] 19.10.1918, S. 1.
3 Vgl. z.B. Friedrich Funder, Vom Gestern ins Heute. Aus dem Kaiserreich
in die Republik. Wien/München 1952, S. 182-183 u. 463.
4 Vgl. Reichspost [fortan: RP] 22.10.1918 Morgenblatt [fortan: M], S. 3, und
RP 24.10.1918 M, S. 2.
5 Stenographisches Protokoll [fortan: StenProt] Provisorische
Nationalversammlung [fortan: PNV], 2. Sitzung 30.10.1918, S. 15
(Telegrammtext ohne Datum). Vgl. RP 31.10.1918 M, S. 2.
6 Eines der 25 Mandate stand dem Generalvikar für Vorarlberg als
Virilstimme zu.
7 StenProt PNV, 2. Sitzung 30.10.1918, S. 17. Vgl. VVB 25.10.1918, S. 2; RP
23.10.1918 M, S. 2.
8 Wiener Zeitung [fortan: WZ] 26.10.1918, S. 4-5, RP 26.10.1918 M, S. 2. Vgl.
VVB 31.10.1918, S. 2; Vorarlberger Volksfreund [fortan: VVF] 31.10.1918,
S. 2.
9 Deuring, Fink (wie Anm. 1), S. 114.
10 Aus Zeitungsberichten lässt sich, mit Vorbehalt, Folgendes schließen:
Am 23. Oktober leitete Fink noch eine Klubsitzung in Wien (RP
24.10.1918 M, S. 2). Am 24. Oktober traf die Delegation abends in
Berlin ein (VVB 27.10.1918, S. 2), am 25. Oktober wohnte sie dort einer
Reichstagssitzung bei (WZ 26.10.1918, S. 9), am 26. Oktober nahm
Fink in Berlin an einem offiziellen Abendessen teil (VVB 30.10.1918,
S. 2), am 27. Oktober waren nur noch zwei andere Delegierte in Berlin
(WZ 28.10.1918, S. 2). Am 1. November berichtet das Vorarlberger
Volksblatt, die Reichsratsabgeordneten Fink und Dr. Franz Stumpf
(Tirol) seien in den letzten Tagen in Dresden und in München wegen
Lebensmittelaushilfe vorstellig geworden (VVB 01.11.1918, S. 2). Laut
Hans Huebmer, Dr. Otto Ender. Dornbirn 1957, S. 26, traf Fink am 1.
November in Bregenz ein.
11 VVB 26.10.1918, S. 3.
12 VVF 08.11.1918, S. 1.
13 Karin Schneider, „So suchte er zu nützen eben, auch viel im öffentlichen
Leben“. Die Memoiren des Vorarlberger Landeshauptmanns Adolf
Rhomberg. Edition und Kommentar (Quellen zur Geschichte Vorarlbergs
5). Regensburg 2002, S. 150.
14 Vorarlberger Wacht [fortan: VW] 01.11.1918, S. 2.
Seite 84
15 VVF 08.11.1918, S. 1. – Die VW 01.11.1918, S. 2, bezifferte die
Stimmenverteilung 1911 mit Christlichsoziale Partei 15.865 (= 65,47 %),
Deutschfreisinnige Partei 4.933 (20,36 %), Sozialdemokratische Partei
(14,17 %). Die erste Mandatsvereinbarung sah vor: CSP 16 (= 64 %), DFP
5 (20 %), SDP 4 (16 %). Die endgültige Mandatsverteilung: CSP 19 (=
63,33 %), DFP 6 (20 %), SDP 5 (16,67 %).
16 Zum Folgenden: Huebmer, Ender (wie Anm. 10), S. 26-27.
17 Schneider, Rhomberg (wie Anm. 13), S. 151.
18 Die Sitzung wurde nicht stenographisch, sondern nur dem Verkauf
nach protokolliert: Stenographische Sitzungsberichte [fortan: StenSib]
Provisorische Vorarlberger Landesversammlung [fortan: PLV], 1. Sitzung
03.11.1918. Weiteren Aufschluss bieten die Parteizeitungen: VVB
05.11.1918, S. 4; VVF 05.11.1918, S. 1-2; VW 08.11.1918, S. 1. – Zum Teil
interessant sind auch die Rückblicke 1928: VW 03.11.1923, S. 1-2; VVF
03.11.1928, S. 1-2; VVB 03.11.1928, S. 1-2, und 05.11.1928, S. 1-2; StenSib
13. Vorarlberger Landtag [fortan: LT], 9. Sitzung 03.11.1928.
19 VVB 05.11.1918, S. 4.
20 Ebenda: „Der Redner erklärte weiter, die Absicht, den vieljährigen,
verdienten Landeshauptmann Exzellenz A. Rhomberg als
Landespräsidenten in Vorschlag zu bringen, sei gescheitert am
Gesundheitszustand des Herrn Landeshauptmannes; jener sei zwar
wesentlich besser als vor einem halben Jahre und würde es ihm
ermöglichen, die Leitung der gewöhnlichen Landesausschußgeschäfte
wieder zu übernehmen. Herr Rhomberg getraue sich jedoch nicht,
die Leitung der Landesverwaltung zu übernehmen, umso weniger als
sein Arzt ihm dringend davon abgeraten habe. Der Redner bedauerte,
von dem Vorschlag Abstand nehmen zu müssen: ‚Wir alle sind dem
Herrn Landeshauptmann großen Dank schuldig für die selbstlose und
unparteiliche Geschäftsführung im Laufe der langen Zeit.“
21 Ebenda wird Ender wörtlich zitiert: „Wir müssen die Gründe Seiner
Exzellenz gelten lassen. Wir waren nicht in der Lage, Herrn Fink an diese
Stelle zu setzen, da unsere Landesinteressen und seine Mitgliedschaft
im Staatsrat dessen Anwesenheit in Wien erfordern. […].“
22 StenSib PLV, 1. Sitzung 03.11.1918, S. 6; LGBl.Nr. 1/1918.
23 StenSib 11. LT 1. Session 1919, 6. Sitzung 08.07.1919, S. 74.
24 VVF 08.11.1918, S. 1.
25 VW 08.11.1918, S. 1.

26 Vorarlberger Landesarchiv: Amt des Vorarlberger Landesrates
7000/1918, fol. 115-140. – Das „Gesetz- und Verordnungsblatt für die
gefürstete Grafschaft Tirol und das Land Vorarlberg“ erschien zwar noch
bis 12.12.1918, allerdings enthielt es nur noch Kundmachungen und
Anordnungen für Tirol, ab 06.12.1918 der Tiroler Landesregierung. Ein
„Vorarlberger Landesgesetzblatt“ für 1918 wurde erst am 13.03.1919
herausgegeben und versendet; als Kundmachungsorgan diente
zunächst die „Vorarlberger Landeszeitung“ (LGBl.Nr. 9/1918).
27 Vorarlberger Landesarchiv: Amt des Vorarlberger Landesrates
7000/1918, fol. 249.
28 VVB 10.11.1918, S. 3 u. 5.
29 Kundmachung vom 1.11.1918, Vorarlberger Volksblatt 12.11.1918, S. 3.
30 Funder, Vom Gestern ins Heute (wie Anm. 3), S. 592-593.
31 Beschluss der Parteileitung, VVB 14.11.1918, S. 1.
32 StGBl.Nr. 24/1918.
33 StenProt PNV, 4. Sitzung 14.11.1918, S. 113.
34 Ebenda, S. 112.
35 StenProt PNV, 3. Sitzung 12.11.1918, S. 80 (Beschluss).
36 Ebenda, S. 77.
37 StenProt PNV, 3. Sitzung 12.11.1918, S. 77.
38 Gesetz über die Staats- und Regierungsform, StGBl.Nr. 24/1918, Art 1
und 2.
39 Verfassung des Deutschen Reiches vom 14.08.1919, RGBl. 1919, S. 1383,
Art. 61.
40 Die Gründung der Republik Deutschösterreich, der Anschluß und
die Sudetendeutschen. Dokumente eines Kampfes ums Recht, hg.,
eingeleitet und erläutert von Karl Renner (Wien 1938 [Nachdruck]); mit
einer Einführung von Eduard Rabofsky. Wien 21991, S. 40.
41 StGBl.Nr. 174/1919.
42 StenProt Konstituierende Nationalversammlung, 3. Sitzung 12.03.1919,
S. 47 (irrtümlich protokolliert „Erklärung der Provisorischen
Nationalversammlung vom 3. November 1918“, statt „Provisorischen
Landesversammlung“).
43 StenSib PLV, 13. Sitzung 14.03.1918, S. 2.
44 LGBl.Nr. 22/1919.
45 Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Territorialfragen 1945 bis 1948. Ein Beitrag
zur Geschichte der Vorarlberger Landesgrenzen seit 1805 (Forschungen
zur Geschichte Vorarlbergs 8). Konstanz 2007, S. 34-36.
46 Gesetz vom 30.07.1923 über die Verfassung des Landes Vorarlberg, LGBl.
Nr. 47/1919, Art. 1.
47 Antrag Dr. Josef Mittelberger, StenSib 11. LT 4. Tagung 1923, 12. Sitzung
30.07.1923, S. 10.
Seite 85

Seite 86

Ulrich Nachbaur ist es mit seinem Referat wie schon so
oft gelungen, historische Ereignisse in einer Interesse weckenden
Weise ins Licht zu rücken. Dafür sage ich herzlichen
Dank.
Selbständigkeit auch Gründungsdokument der
Republik
Die Vorarlberger Selbständigkeitserklärung vom 3. November
1918 ist auch ein nicht unwesentliches Gründungsdokument
der Republik Österreich. Vorarlberg war
damit nämlich das erste Land, das – wenngleich mit dem
Vorbehalt der Selbstbestimmung -seinen Beitritt zu der am
20. Oktober in Aussicht genommenen Republik erklärte.
Im Rahmen der Bürgerinitiative Pro Vorarlberg sollte später
einmal die Frage eine Rolle spielen, ob dieser Vorbehalt
eigentlich jemals zurückgenommen worden oder noch aufrecht
sei.
Anschlussbemühungen an die Schweiz
Festveranstaltung „Ein selbständiges Land mit autonomen Gemeinden“
Bregenz, Landhaus, 3. November 2008
Jürgen Weiss (geb. 1947 in Hard), 1991 bis 1994 Bundesminister für Föderalismus und Verwaltungsreform, seit 1979
Mitglied des Bundesrates, seit 1997 ständiger Vizepräsident, im zweiten Halbjahr 2008 Präsident des Bundesrates.
Das Land als verlässlicher Partner
Jürgen Weiss
Die späteren Bemühungen um einen Anschluss an die
Schweiz tun dem keinen Abbruch und müssen vor dem Hintergrund
gesehen werden, dass wenige Tage später am 12.
November 1918 in Wien ein Staat proklamiert wurde, der als
„Bestandteil der Deutschen Republik“ in gewissem Sinne
seine Selbstaufgabe bereits festgeschrieben hatte. Die
Vorarlberger konnten damals dem Deutschen Reich mit seiner
zwischenzeitigen Räterepublik wenig abgewinnen. Die
Schweiz hingegen versprach nicht nur ein Ende des Hungers,
sondern auch jene demokratischen und föderalistischen
Strukturen, für die man so lange gekämpft hatte. Dementsprechend
deutlich fiel das Votum bei der Abstimmung vom
11. Mai 1919 über die Aufnahme von Verhandlungen mit der
Schweiz aus. Verhandelt wurde dann allerdings nie, denn
die Siegermächte unterbanden zur Vermeidungen von Beispielsfolgen
jegliche Anschlussbestrebungen. Diese Zeit
ist übrigens derzeit in einer sehenswerten Ausstellung im
Landesmuseum gut dokumentiert. Dass seit damals vor
allem in Wien unsere Treue zum gemeinsamen Vaterland
spöttisch in Zweifel gezogen wird, ertragen wir im leider wenig
verbreiteten Wissen darum, dass sich wenige Monate
später auch in Salzburg und Tirol Volksabstimmungen für
eine Loslösung von Österreich ausgesprochen hatten, allerdings
mit jeweils 98 % für einen Anschluss an Deutschland.
Das Misstrauen hängt wohl auch stark damit zusammen,
dass wir Vorarlberger seit jeher entschieden für Eigenständigkeit
eintreten und Föderalismus in Österreich noch
immer häufig als Partikularismus oder gar als Separatismus
missverstanden wird.
Gründungsgeschichte maßgeblich mitgeprägt
Vorarlberg baute am neuen Staat tatkräftig mit, wenngleich
mit einem etwas anderen Zugang zu den Begriffen Föderalismus
und Eigenständigkeit. Erinnern sollten wir uns in
dieser Stunde vor allem an Vizekanzler Jodok Fink, den wir
als einen der Gründerväter unserer Republik bezeichnen
dürfen. Er setzte sich bereits in der Endzeit der Monarchie
entschieden und erfolgreich für die republikanische Staatsform
ein. Vier Mandate mehr für seine Partei und der erste
frei gewählte Kanzler der Republik hätte nicht Karl Renner,
sondern wohl Jodok Fink geheißen. Beide müssen in einem
Atemzug genannt werden, wenn es um die Gründungsgeschichte
der Republik geht. Der Bauer aus Andelsbuch war
bis zu seinem Tod eine der prägenden und tragenden Persönlichkeiten
der jungen österreichischen Demokratie.
Nach 1945: Aufstieg Vorarlbergs
Ohne die Länder war 1918 ebenso wenig ein Staat zu machen
wie 1945 nach der Befreiung von der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft. Nicht die Republik Österreich
hat das Land Vorarlberg geschaffen, es hat vielmehr zweimal
die Republik mitbegründet. Sie schöpfte ihre Kraft
sowohl 1918 als auch 1945 aus den Ländern, die sich ihrer
tragenden Rolle durchaus bewusst waren. In den Wieder-
Seite 87

aufbaujahren nach 1945 war die bundesstaatliche Struktur
ein wesentlicher Bestandteil der österreichischen Erfolgsgeschichte.
Starke Länder waren und sind eine notwendige
Voraussetzung für ein starkes Österreich. Diese Stärke hat
mit den Gemeinden ein tragfähiges Fundament, ohne das
ein Gemeinwesen keine Stabilität hätte. Gerade im Gemeindejahr
2008 soll daran nicht vorübergegangen werden.
Stolz auf die Vergangenheit, optimistisch in die
Zukunft
Das heutige 90-Jahr-Jubiläum bietet die Gelegenheit, innezuhalten,
um des Erreichten dankbar zu gedenken und
mit Zuversicht in die Zukunft zu gehen. Selbstbestimmung,
Eigenständigkeit und Freiheit galten in der jüngeren Vergangenheit
bisweilen etwas verstaubt, sie haben aber angesichts
einer unaufhaltsamen Globalisierung einen ganz
neuen Stellenwert bekommen. Unsere Vorfahren haben
1918 die Chance für einen Neubeginn mutig ergriffen, die
Ungunst der Zeit hat allerdings die Kräfte verzehrt. 1945 bot
sich eine neue Chance, diesmal unter günstigeren Vorzeichen.
1995 wurde mit dem Beitritt zur Europäischen Union
die Möglichkeit genutzt, an einer inzwischen unverzichtbaren
Friedens- und Wohlstandsgemeinschaft mitzubauen.
Föderalismus in Vorarlberg hat Tradition
Der 3. November 1918 ist auch ein Anlass, um über die Zukunft
des Föderalismus nachzudenken. Die Vorarlberger mischen
sich, um ein Bonmot des Schweizer Dramatikers Max
Frisch aufzugreifen, gerne in ihre eigenen Angelegenheiten
ein. Sie wissen sehr gut, was Verantwortung für Eigenständigkeit
bedeutet und sind gegenüber Bevormundung sensibel.
Erinnert sei hier abgesehen von der revolutionären
Schiffstaufe in Fußach an den Juni 1980, als die Bevölkerung
Vorarlbergs ihrer politischen Vertretung in einer Volksabstimmung
den Auftrag erteilte, mit dem Bund über mehr
Eigenständigkeit der Länder und eine stärkere Stellung
der Gemeinden zu verhandeln. Es war keine Los-von-Wien-
Seite 88
Bewegung, sondern wie zuvor das Rundfunkvolksbegehren
für einen unabhängigen Rundfunk eine Protestbewegung
gegen die zentralistische Erstarrung der damaligen großen
Koalition. Die Initiative hat auch tatsächlich einiges in
Bewegung gebracht: So kamen die auf Eis gelegten Verhandlungen
über das Forderungsprogramm 1976 der Bundesländer
wieder in Gang, es kam zur Verfassungsnovelle
1984 und nicht zuletzt beruhte der Forderungskatalog 1985
der Länder unter anderem auf den Inhalten der Vorarlberger
Föderalismus-Volksabstimmung von 1980.
Föderalismus und EU
Auch in der Europäischen Union spielt der föderale Gedanke
eine immer wichtiger werdende Rolle. Damit Europa bei den
Menschen Zustimmung findet, ist es ganz wesentlich, dass
Aufgaben, die besser vor Ort erfüllt werden können, auch
dort gelöst werden. Es geht um ein vernünftiges Gleichgewicht
von einheitlichen Standards und notwendigen Freiräumen
für die regionalen und kommunalen Ebenen. Sie
sind näher an den Bürgerinnen und Bürgern und wissen
daher in der Regel besser Bescheid, welche Maßnahmen
Not tun und den größten Erfolg bringen. Zudem bietet Nähe
der Entscheidungsträger auch unvergleichlich größere Möglichkeiten
der Einflussnahme der Bürgerinnen und Bürger
auf das politische Geschehen. Diese Unmittelbarkeit und
Überschaubarkeit kann durch noch so ausgefeilte Beteiligungsmöglichkeiten
weder in den Nationalstaaten noch in
der Europäischen Union ersetzt werden.
Länder tragen konstruktives Element in sich
Ebenso wie 1918 und 1945 sind die Länder und Gemeinden
auch heute keine auseinanderstrebenden Teile eines größeren
gemeinsamen Ganzen, sondern sein Fundament. Gerade
weil wir selbstbewusste Vorarlbergerinnen und Vorarlberger
sind, sind wir auch gute Österreicher und Europäer.

Ausblick
Wir feiern heute den 90. Jahrestag der Selbständigkeit unseres
Landes. Es hat sich seither beachtlich entwickelt und
wir können zu Recht stolz sein auf das, wofür unsere Vorfahren
das Fundament gelegt und in schwerer Zeit hart gearbeitet
haben. Im Rückblick darauf und in der Verantwortung
vor den nachfolgenden Generationen sind wir gefordert,
diesen Weg fortzusetzen. Vorarlberg soll auch in Zukunft
ein geachtetes, wirtschaftlich starkes sowie sozial und ökologisch
verantwortungsbewusstes Land sein. Das gilt umso
mehr, als wir dafür heute günstigere Voraussetzungen als
1918 haben.
Dank
Ich schließe mit einem Dank an Herrn Dr. Ulrich Nachbaur,
der mit viel Einfallsreichtum und Mühe das Gemeindejahr
2008 konzipiert und den umfassenden Veranstaltungskalender
zum Jubiläumsjahr erstellt hat. Ein herzlicher Dank
gebührt auch dem Schulchor des Sacré Coeur Riedenburg
unter der Leitung von Mag. Hubert Herburger für die festliche
Umrahmung dieser Veranstaltung.
Seite 89

Seite 90

Im Rahmen der Veranstaltungsvorbereitungen zum Jubiläumsjahr
2008 („200 Jahre Gemeindeorganisation in
Vorarlberg“) regte Dr. Ulrich Nachbaur vom Vorarlberger
Landesarchiv auch Schülerprojekte zu kommunal- und
landespolitischen Themen an und lud interessierte Gruppen
zu einem Vorgespräch ins Landesarchiv ein. Die Wahlpflichtfachgruppe
„Geschichte und Politische Bildung“ vom
Gymnasium Bregenz-Blumenstraße griff diese Anregung
auf. Nach dem Orientierungsgespräch im Archiv und einem
längeren Diskussionsprozess an der Schule einigte sich die
Gruppe auf das Thema „Anregungen zur politischen Teilhabe
in Vorarlberg seit 1945“. Konkret erarbeitet wurde dann
ein historischer Rückblick („Anregungen zur politischen
Teilhabe in Vorarlberger Jungbürgerbüchern der Fünfziger-
und Sechzigerjahre“), gefolgt von einem Blick in die Gegenwart
(„Gegenwärtige Bemühungen zur politischen Teilhabe
im Rahmen von Jungbürgerfeiern“) und einer Erhebung der
politisch Beheimatung und des politischen Interesses von
Gymnasiasten mittels eines Fragebogens. Das Ergebnis dieser
Arbeit durfte die „Junghistorikergruppe“ im Rahmen der
Festveranstaltung am 90. Jahrestag der Selbständigkeitserklärung
des Landes Vorarlberg am 3. November 2008 im
Foyer des Landhauses präsentieren.
1) Ein Blick in Vorarlberger Jungbürgerbüchern der
Fünfziger- und frühen Sechzigerjahre
Auffallend ist die große Diskrepanz der politischen Sprache
zwischen damals und heute insbesondere beim Einsatz der
rhetorischen Mittel.
Festveranstaltung „Ein selbständiges Land mit autonomen Gemeinden“
Bregenz, Landhaus, 3. November 2008
Gerold Amann (geb. 1956 in Hohenems), Dr. phil., seit 1979 Lehrer am Bundesgymnasium
Bregenz-Blumenstraße
Anregungen zur politischen Teilhabe
in Vorarlberg seit 1945
Ein Projekt im Rahmen des Wahlpflichtfaches „Geschichte und Politische Bildung“
am Gymnasium Bregenz Blumenstraße
Gerold Amann
Konkrete Besonderheiten:
�� Anrede in der Du-Form („Du bist Jungbürger“)
�� Keine geschlechtergerechte Sprache, nur männliche
Anrede („Du bist Jungbürger“, „Das Land wird von Männern
geführt“).
�� Vorarlberg-Zentriertheit. Diese zeigt sich in der Vereinnahmung
im Namen der Landsmannschaft („Wir jungen
Vorarlberger sind…“), in der Verherrlichung des eigenen
Landes und der Landschaft, im Volkspatriotismus und in
übertriebener Heimatliebe („…wo alles Denken und Handeln
des einzelnen in eine tiefe Liebe zur Heimat, ihrer
Landschaft und ihren Menschen gebettet ist…“).
�� Befürwortung des ständestaatlichen Modells auf Landesebene
(„Daß wirkliches Glück für Heimat und Volk nur
sein kann, wo der einzelne … an dem ihm zugewiesenen
Platze für das Geschick der Gemeinschaft sorgt.“).
�� Vermittlung eines „Wir“-Gefühls („Wir Vorarlberger
sind Föderalisten“).
�� Hinweise auf eine stammesmäßige Eigenart, die schon
fast an die NS-Rassenlehre erinnert („…und die alemannische
Wesensart gewann schließlich die Oberhand…“;
„…blutsmäßige Vermischung verschiedener Stämme…“).
�� Betonung von alemannischen Charaktereigenschaften.
Der Alemanne wird als „klarer, nüchterner Denker“, als
„Demokrat“ und als „freiheitsliebend“ tituliert.
�� Sonderstellung Vorarlbergs innerhalb des Bundesstaates
mit grundsätzlicher Abgrenzung von den anderen
Bundesländern.
�� Einwanderer bleiben unerwähnt, obwohl es schon damals
viele gab (z.B. Italiener, Kärntner, Steirer). 1
Seite 91

2) Politische Anregungen in gegenwärtigen Jungbürgerfeiern
Es wurden Recherchen in ganz Vorarlberg angestellt. Dabei
stelle sich heraus, dass die Gemeinden ganz unterschiedliche
Zugänge zu ihren Jugendlichen suchen (Beobachtungsjahr
2007). Drei Schwerpunktbildungen können
als typisch gelten:
�� Schwerpunkt Unterhaltung (Beispiel Bregenz): Die
Landeshauptstadt gibt alle zwei Jahre einen Empfang
für die Bregenzerinnen und Bregenzer, die das Wahlalter
erreicht haben. Sie erhalten eine persönliche Einladung.
Neben einer Ansprache durch den Bürgermeister
und den Jugendstadtrat gibt es ein unterhaltsames Programm,
das in Kooperation mit einigen Jungbürger/innen
vorbereitet wird.Die Feier wird organisiert durch den
Jugendservice.
�� Schwerpunkt Information (Beispiel Dornbirn): Die Stadt
Dornbirn hatte eine ganz neue Idee: Sie zeigte den Jungbürger/innen
im Rahmen der Feier die städtischen Einrichtungen
wie zum Beispiel Polizei, INATURA, Stadtbücherei…
�� Schwerpunkt Tradition (Beispiel Egg): Nach einem gemeinsamen
Gottesdienst ging man in den „Löwen“, wo
man den Tag mit Blasmusik ausklingen ließ.
Noch traditionellere Feiern sind in kleineren Gemeinden
des Nachbarlandes Tirol zu beobachten. Zum Beispiel beginnt
die Feier in Sellrain mit einer Heiligen Messe in der
Kirche St. Quirin, anschließend marschieren die Jugendlichen
unter den Klängen der örtlichen Musikkapelle zum
Gasthof Neuwirt, wo dann die eigentliche Feier abgehalten
wird.
Seite 92
3) Schülerbefragung
Befragt wurden alle Schülerinnen und Schüler der 6., 7. und
8. Klassen am Bundesgymnasium Bregenz-Blumenstraße.
Die Antworten in der Tendenz:
�� Würdest du von deinem Wahlrecht Gebrauch machen?
Eine überwältigende Mehrheit (83 %) möchte wählen
gehen..
�� Wen würdest du wählen?
Bei den Gymnasiasten liegen die Grünen klar voran
(34%), gefolgt von der ÖVP (19%) und der SPÖ (14,5 %).
Es ist allerdings zu bedenken, dass Gymnasiasten anders
wählen als andere Oberstufenschüler. Mündliche
Parallelbefragungen an HAK und HTL haben ergeben,
dass dort die FPÖ jene Position einnimmt, welche die
Grünen am Gymnasium haben.
�� ���������������������������
Eine klare Mehrheit (60%) steht der EU positiv gegenüber.
�� �������������������������������������������������������ker
mitbestimmen?
Das überraschende Ergebnis: Gymnasiasten sind Föderalisten
(69% Ja-Antworten)
�� ������������������������������������������������������de?
Es zeigt sich ein hoher Zufriedenheitsgrad mit den Heimatgemeinden
(54%).
�� ��������������������������������������������������������
Gemeinde vorstellen?
Nur 27% können sich eine eventuelle Aktivität in bzw. für
die Gemeinde vorstellen.
�� ���� �������� ��� ����������� ����� ��� ���������� ���scheiden
könntest?
Die häufigsten Antworten: Mehr tun für Integration / Gebrannter
Alkohol ab 16 erlauben / Mehr direkte Demokratie
/ Wahlalter wieder auf 18 hinaufsetzen, da Jugendliche
leicht manipulierbar bzw. sich nicht interessieren /
Mehr Jugendarbeit.

�� ����������������������������������������
Nur knapp die Hälfte der Befragten kann sich etwas darunter
vorstellen.
�� ����������������������������������������������������men?
Von jenen, die über Jungbürgerfeiern Bescheid wissen,
ziehen nur 47% eine Teilnahme in Erwägung.
�� �������������������������������������������������litik
anregen?
Die häufigsten Antworten: Jüngere Politiker / Wahlpartys
/ Werbung für Politik / Bessere politische Bildung an den
Schulen.
�� ��������������������������������
Die häufigsten Antworten: Diskussionen / Interessen
öffentlich vertreten / Organisation des Staates / Lügen,
Geldgier, Macht / Wenn sich Leute fertigmachen / Viel
reden, nichts dahinter.
�� ����������������������������������������������������
Politiker?
Fast zwei Drittel der Befragten haben ein negatives Bild
von Politikern.
�� ������u für einen Einwanderungsstopp und warum bzw.
warum nicht?
Das erstaunliche Ergebnis (angesichts des hohen Grünwähleranteils):
Über 40% sprechen sich für einen Einwanderungsstopp
aus (Begründungen: Schon zu viele
Ausländer da / Sie passen sich nicht an / Zunehmende
Aggressivität); 43,5 % sind dagegen (Begründungen:
Überalterung verhindern / Kulturelle Vielfalt / Mobilität
als Menschenrecht / Arbeitskräftebedarf).
Projektgruppe: Simon Dörler, Max Feuerstein, Kristina Ganner,
Laura Häusler, Stefan Jungblut, Peter Kiraly, Julia Moritsch,
Stefan Niederer, Serpil Polat, Arnold Trojer. Leandros
Tsohataridis, David Uecker, Dr. Gerold Amann (Projektleiter)
1 Zitate aus den Vorworten zu den Vorarlberger Jungbürgerbüchern von
1953 und 1962.
Seite 93

Seite 94

Das Land Vorarlberg vergibt zu besonderen Anlässen Kompositionsaufträge
an Vorarlberger Musikschaffende. Auf
Vorschlag der Kunstkommission Musik erging der Auftrag
an Thomas Thurnher, für die Festveranstaltung „Ein selbständiges
Land mit autonomen Gemeinden“ am 3. November
2008 zwei Musikstücke zu komponieren.
Komponist Thomas Thurnher
Thomas Thurnher wurde 1966 in Dornbirn geboren. Er
gründete bereits während der Schulzeit ein kleines Vokal-
Ensemble. Für dieses Ensemble entstanden seine ersten
Arrangements.
1981 bis 2006 Organist in Dornbirn – St. Leopold.
1985 bis 1993 Studium (Musikpädagogik) an der Wiener
Musikhochschule.
1996 bis 2004 Kompositionsstudium am Vorarlberger Landeskonservatorium
bei Herbert Willi. Studienabschluss mit
Auszeichnung.
Ab 1993 Lehrtätigkeit als Musikerzieher am Bundesrealgymnasium
in Dornbirn-Schoren.
Im selben Jahr gründete er die Vokalgemeinschaft „Ensemble
Kontrapunkt“, die er bis 2004 leitete.
1994 bis 2007 Leiter des Kirchenchores St. Leopold in Dornbirn-Hatlerdorf.
Derzeit Organist in Dornbirn – St. Martin und in Lustenau-
Rheindorf und Kirchdorf.
Seit 1998 Musikerzieher am neuerrichteten Gymnasium in
Lustenau.
1999 Mit der Aufführung seiner Werke beim Festival „texte
und töne“ im ORF-Funkhaus in Dornbirn stellte er sich und
sein Schaffen erstmals einer größeren Öffentlichkeit vor.
Aufführungen seiner Werke in Vorarlberg, in den anderen
Bundesländern, in Liechtenstein und in Deutschland
folgten.
2004 Förderpreis des Chorverbandes Vorarlberg.
Festveranstaltung „Ein selbständiges Land mit autonomen Gemeinden“
Bregenz, Landhaus, 3. November 2008
Kompositionsauftrag des Landes
Vorarlberg an Thomas Thurnher
Gedanken von Thomas Thurnher
Die Texte stammen von Elisabeth Marx aus Götzis. Ihr Großvater
Dr. Johann Josef Mittelberger, der spätere Finanzlandesrat
und Finanzminister, war genau der Mann, der 1918
an der Vorarlberger Selbständigkeitserklärung mitgearbeitet
und diese schließlich im Landtag verlesen hat. Nun,
nach neunzig Jahren, werden Texte seiner Enkeltochter im
Rahmen der Festveranstaltung zu hören sein.
Ich fand beide Texte sehr passend für die Feierlichkeiten.
Es steckt die Thematik „Heimat, Ursprungsland“ drinnen,
aber die Texte sind gleichzeitig so offen, dass, so glaube
ich, viele Menschen, die sich über den Begriff „Heimat“ Gedanken
machen, einen Zugang zu den Liedern finden können,
ganz gleich, wie sie zum Herkunftsland stehen. Es ist
auch weniger die Rückschau auf ein verklärtes „Hoamatle“
gemeint, als vielmehr die Vision eines Landes der Zukunft.
Berührend erscheint mir besonders der Gedanke, dass die
Mädchen von der Riedenburg, die ja meist „auf gutem Boden“
wurzeln konnten und denen ja die Zukunft noch offen
steht, die Lieder vortragen. Das stellt die Texte doch in einen
noch intensiveren Zusammenhang.
Autorin Elisabeth Marx
Geboren 1946, lebt mit ihrer Familie in Götzis. Von Beruf Diplomierte
Krankenschwester. Von 1965 bis 1975 in diesem
Beruf tätig, davon drei Jahre als Entwicklungshelferin in
Tansania. Seit 1996 in Pension.
Schreibt seit 1997 Lyrik in Mundart und Hochdeutsch. Im
November 2000 erscheint “wachgerüttelt“ als erste Publikation
in Buchform. Seither diverse Veröffentlichungen in
Zeitschriften, Lesungen und Rundfunksendungen. Ihre Auseinandersetzung
mit der Sinnhaftigkeit des Lebens findet
auch in Bildern und Zeichnungen ihren Ausdruck.
Seite 95

vu Afang a
guata Boda finda
zum Wurzla
und Wachsa
macht stark
fürs Leaba
abr stark wöra
kamma o uf stoanigam Grund
wemma ahiwurzlat
wia a Weattrtanna
wirf deiner Sehnsucht Anker
ins Herzland von morgen
trinke aus dem Brunnen der Träume
Zukunftsquelle
Hoffnung nährt dein Wollen
nimm den Tag
die Schale den Krug
voll Schweiß und Wut
dem Weh dass dich
knochentief quält
nimm den Weg ans Herz
pflücke das Wort das trägt
traue dem Schimmer Licht
folge dem Pflug wegwundweit
der sich gräbt wider die Zeit
in die bergende Scholl
Seite 96
Schulchor des Sacré Coeur Riedenburg
Der Schulchor setzt sich derzeit aus 57 Schülerinnen im
Alter von 11 bis 19 Jahren zusammen, die am Sacré Coeur
Riedenburg das Gymnasium oder die Höhere Lehranstalt
für wirtschaftliche Berufe besuchen. Seit 24 Jahren wird der
Schulchor von Mag. Hubert Herburger geleitet.
Die Höhepunkte der Aktivitäten des Schulchores während
dieser Zeit bildeten die CD-Produktion der „Adventmusik“
von Anton Heiller, die Teilnahme beim Österreichischen
Bundesjugendsingen (1995, 1998, 2004, 2007 in Bregenz),
die Mitwirkung bei einem Arpeggione-Konzert in Hohenems
mit Pergolesis „Stabat mater“ sowie die Chorreisen nach
Niederösterreich, Ungarn, Tschechien, Polen, Deutschland,
Belgien, Frankreich, Spanien, Italien und in die USA.

1. Kurzer Rückblick auf die Verwaltungsgeschichte
des Montafons
Der Stand Montafon ist eine Institution der Gemeindeverwaltung
des Montafons mit langer Tradition. Dessen ungeachtet
ist seine rechtliche Qualifikation alles andere als
einfach. Der Stand Montafon war bis zur Gemeindeordnung
von 1864 als eines der vormals 24 Gerichte (auch als „Stände“
bezeichnet) ein Relikt der landständischen Verfassung.
Der Stand hatte zwar keinerlei rechtliche Grundlagen, war
jedoch für die Gemeinden zur gemeinsamen Regelung bestimmter
Angelegenheiten, wie Forstsachen, Straßen- und
Brückenbauten, Weg- und Wuhrbauten zuständig.
Von besonderer Bedeutung war der im Jahre 1832 erfolgte
Erwerb der Wälder des Montafons durch die Standesgemeinden,
die bis dahin im Eigentum des Aerars standen.
Die acht Gemeinden, Bartholomäberg, Gaschurn, Schruns,
Silbertal, St. Anton, St. Gallenkirch, Tschagguns und Vandans
erwarben ca 8.000 ha Waldungen vom Staat, die in ihr
ungeteiltes Miteigentum übergingen. 1
Die Verwaltung dieses großen Waldbesitzes stellte die Gemeinden
vor neue Aufgaben. Zu beachten ist, dass an dem
Waldkauf lediglich acht der zehn „Standesgemeinden“ teilnahmen,
nicht jedoch die Gemeinden Lorüns und Stallehr,
die eine gemeinsame Waldnutzung mit Bludenz hatten und
daher ihren Holzbedarf gedeckt fanden. 2
Die Spitze des Standes Montafon bekleidete seit 1832 der
so genannte Standesrepräsentant, ein von den Vorstehern
der im Stand Montafon vereinigten Gemeinden gewählter
Funktionär. Ihm zur Seite stand der Ausschuss, welcher von
den Gemeindevorstehern des Montafons gebildet wurde.
Vortragsreihe der Montafoner Museen; Vandans, Gemeindeamt, 8. Mai 2008
Peter Bußjäger (geb. 1963 in Bludenz), Univ.-Doz. Dr. iur., seit 2003 Direktor des Vorarlberger
Landtages und seit 2001 Direktor des Instituts für Föderalismus in Innsbruck.
Was ist der Stand Montafon?
Wissenswertes zur Vergangenheit und Zukunft eines eigentümlichen Gebildes
Peter Bußjäger
2. Grundlagen des „Politischen“ Standes
und des Forstfonds
2.1. Das Standesstatut 1865
Man setzt seit 1832 dem „politischen Stand“ (mit Lorüns
und Stallehr) die im „Forstfonds“ vereinigten Gemeinden
gegenüber. Die beiden Gebilde sind rechtlich klar zu trennen,
auch wenn die Praxis, wie noch zu zeigen sein wird,
gelegentlich zu einer Vermengung neigte.
Als mit der Gemeindeordnung von 1864 erstmals ein Gemeinderecht
für Vorarlberg zur Verfügung stand, wurde
auch der Stand Montafon einer formellen Regelung unterworfen.
Auf der Grundlage von Beschlüssen der Gemeindevertretungen
der zehn Gemeinden des Montafons wurde
am 7. März 1865 ein Standesstatut erlassen, das vom Vorarlberger
Landesausschuss gemäß den §§ 86 und 88 der Gemeindeordnung
am 20. März 1865 genehmigt wurde und
somit in Kraft treten konnte.
§ 1 des Statuts sah die Bestellung eines Standesausschusses
für das Montafon in Angelegenheiten vor, 3 „welche
die gemeinsamen Interessen aller oder mehrerer Gemeinden
des Bezirkes Montafon, sowohl innerhalb ihres
selbständigen wie des übertragenen Wirkungskreises
berühren; dergleichen sind: Die Verwaltung des Standesvermögens
und der Montafonischen Feuerassekuranz, 4 die
Administrierung der Standeswaldungen, gemeinschaftliche
Maßnahmen bei Epidemien und Viehseuchen, 5 die Straßenkonkurrenz,
6 Marschkonkurrenz, 7 die Vertretung des Standes
vor Gericht, Abgabe gemeinschaftlicher Gutachten auf
Aufforderung der politischen Behörden oder des Landesausschusses
etc.“.
Der Standesausschuss sollte sich gemäß § 2 aus den jeweiligen
Bürgermeistern der 10 Gemeinden des Montafons
zusammensetzen, die aus ihrer Mitte den Standesrepräsentanten
wählen. Die Verwaltung des Forstfonds
sollte jedoch nur den Bürgermeistern der im Forstfonds zusammengeschlossenen
acht Gemeinden zustehen. 8
Seite 97

Der Standesrepräsentant sollte den Stand Montafon nach
außen vertreten (§ 4) und wurde auf die Dauer von drei
Jahren gewählt. Der Standesausschuss sollte nach Bedarf,
aber mindestens einmal jährlich „zur Prüfung des Präliminars“
(des Haushaltsvoranschlages) „und der Jahresrechnung“
zusammen treten (§ 7). Die Einberufung war durch
den Standesrepräsentanten möglich, wenn sie von vier
Ausschussmitgliedern, dem Landesausschuss (die damalige
„Landesregierung“) oder der „politischen Bezirksbehörde“
(der Bezirkshauptmannschaft) verlangt wurde.
Eine Beschlussfassung war mit Stimmenmehrheit möglich,
bei Stimmengleichheit galt der Antrag als abgelehnt, für die
Beschlussfähigkeit sollte die Anwesenheit von mindestens
sieben Mitgliedern erforderlich sein (§ 8).
Die Beratungen sollten öffentlich sein, über die gefassten
Beschlüsse war ein Protokoll zu führen (§ 9).
Rechtlich nicht ganz einfach ist zu klären, welche Aufteilung
– das heute noch gültige – Standesstatut der Zuständigkeiten
zwischen dem Standesrepräsentanten und dem
Standesausschuss vornimmt. Das Statut berief den Standesrepräsentanten
als zur Vertretung nach außen befugt,
was diesen in der politischen Realität zu einem allgemeinen
Vertretungsorgan des Montafons machte und ihm auch
landespolitische Bedeutung verlieh. Das Schweigen des
Standesstatuts über weitere Kompetenzen des Standesrepräsentanten
lässt grundsätzlich rechtlich keinen anderen
Schluss zu, als dass sämtliche Entscheidungsbefugnisse
beim Standesausschuss ruhen und der Standesrepräsentant
lediglich die Beschlüsse des Ausschusses zu vollziehen
hat.
Gemäß dem schon erwähnten § 86 der Gemeindeordnung
1864 hatte „die Besorgung der aus dem bisherigen Gerichtsverbande
herrührenden gemeinschaftlichen Angelegenheiten
mehrer Gemeinden und die Verwaltung dieses
Seite 98
gemeinschaftlichen Vermögens [...] durch einen von den
betheiligten Gemeinden zu bestellenden Ausschuß zu geschehen.“
Das rechtliche Verhältnis zwischen den beiden Zweigen
des Standes Montafon war nur insoweit klar, als im „Forstfonds“
eben die im gemeinsamen Eigentum stehenden
Standeswaldungen zu verwalten waren und dort alle Fragen
behandelt wurden, die die Verfügung über diese Wälder in
irgendeiner Weise beeinflussten. Es war auch klar, dass an
den Entscheidungen in diesen Angelegenheiten die Vertreter
der Gemeinden Lorüns und Stallehr nicht mitwirkten.
Der politische Stand blieb in seiner Bedeutung lange Zeit
hinter dem dominierenden Forstfonds zurück. In dieses
Bild fügt sich, dass sehr lange, über 1945 hinaus, die Vertreter
der Gemeinden Lorüns und Stallehr nur sehr spärlich
an den Sitzungen des Standesausschusses teilnahmen.
Erst sehr spät, nämlich seit 1965, wurde die Trennung zwischen
den beiden Zweigen auch in der Verwaltungspraxis
sichtbar: Über die Sitzungen von politischem Stand und
Forstfonds wurden erst jetzt getrennte Tagesordnungen und
Protokolle erstellt!
2.2. Die Finanzierung des Standes Montafon
Die Finanzierung des politischen Standes sowie des
Forstfonds erfolgt im Grundsatz aus eigenen Finanzierungsquellen.
Dies sind im Falle des Forstfonds in erster
Linie Einkünfte aus der Waldbewirtschaftung, aber auch
aus Jagdverpachtung.
Die Abgänge des politischen Standes werden durch eine
so genannte Standesumlage abgedeckt, die auf die Gemeinden
nach Maßgabe ihres Bevölkerungsanteils umgelegt
wird. Beim Forstfonds wurde bisher auf die Einhebung
einer förmlichen Standesumlage verzichtet. 9 Dies konnte
verständlicherweise nur solange erfolgen, als die Erträge

aus der Waldbewirtschaftung positiv waren. Diese gingen
jedoch in den letzten Jahren zurück. Auf der Grundlage
eines Bewirtschaftungskonzeptes werden daher seit 1987
auch von den Forstfondsgemeinden Beiträge für die Waldbewirtschaftung
eingehoben. 10 Auf freiwilliger Basis leisten
auch die Seilbahngesellschaften im Montafon sowie die
Vorarlberger Illwerke AG Beiträge zur Waldbewirtschaftung.
Schließlich wird der Forstfonds wesentlich über den Fonds
zur Rettung des Waldes mitfinanziert. So betrugen zwischen
1994 und 2003 die Förderungen von Bund und Land
28,73 Prozent der Gesamteinnahmen des Forstfonds, während
die Bewirtschaftungsbeiträge der Forstfondsgemeinden
sowie die Beiträge der Vorarlberger Illwerke AG und der
Seilbahnen 13,27 Prozent der Gesamteinnahmen betrugen.
Dies bedeutet, dass gegenwärtig etwa 42 Prozent der Einkünfte
nicht unmittelbar aus dem Betrieb des Forstfonds
erfließen.
Die Gebarung des politischen Standes und des Forstfonds
waren erst ab den frühen 60er Jahren streng getrennt. In
der Vergangenheit wurde verschiedentlich wurde auch
beim politischen Stand auf die Einhebung der Standesumlage
verzichtet, was letztlich aus dem Budget des Forstfonds
bezahlt wurde.
3. Von der Verwaltungsgemeinschaft zum Regionalverband
- Entwicklungslinien des Standes Montafon
von 1865 bis in die Gegenwart
3.1. Aufbau und Konsolidierung: 1865 bis 1918
Die Bandbreite der Themen, auf die sich die getroffenen
Entscheidungen bezogen, war schon von Beginn an groß:
Es wird auch deutlich, dass die vom Stand Montafon wahrgenommenen
Aufgaben über die im Standesstatut aufgelisteten
hinausgingen, was vor allem für das Veterinärwesen
gilt. 11 Der Stand stellte aber auch im Frühjahr regelmäßig
einen „Wegmacher“ für sechs Monate an, dessen Aufgabe
es ist, die Straßen in einigermaßen tauglichem Zustand zu
erhalten. 12 Der Stand Montafon fördert aber etwa auch die
Feuerwehren 13 und hat einen Arzt angestellt. 14 Am 16. Juni
1883 wird sogar noch ein zweiter „Standesarzt“ angestellt,
der die Aufgabe hatte, die Armen zu behandeln. 15
Als die Entscheidung ansteht, ob die Fischerei im Montafon
gemeindeweise oder für das gesamte Tal geregelt werden
soll, entscheidet sich der Standesausschuss für eine gesamthafte
Lösung. Die Erträge sollen in die Standeskasse
fließen. 16 Bemerkenswert ist, dass der Stand kurzfristig
sogar eine „Zeichenschule“ während der Wintermonate finanziert.
17
Seit Beginn der 1890er Jahre stand ein für das gesamte
Montafon bedeutsames Vorhaben im Mittelpunkt der Sitzungen
des Ausschusses, nämlich die Errichtung einer
Bahn von Bludenz nach Schruns. Die Angelegenheit zog
sich über ein Jahrzehnt hinweg. Erst am 18. Dezember 1905
konnte der Betrieb aufgenommen werden.
3.2. Umbruchszeit: 1918 bis 1938
In den nach 1918 in ungemein dichter Folge abgehaltenen
Sitzungen des Standesausschusses standen Fragen der
Waldbewirtschaftung und die Behandlung von Nutzungsansprüchen
und –wünschen im Mittelpunkt. Dies ist auch ein
Indiz für eine ausgesprochene Mangelsituation, wie sie in
dieser Zeit angesichts einer allgemeinen Brennstoffknappheit
auch tatsächlich bestand. Die schon vor dem Ersten
Weltkrieg bestehende Holz knappheit wurde noch dramatischer,
die Konflikte mit der Forstbehörde häuften sich. Die
Nutzungen mussten eingeschränkt werden, Weiterverkäufe
von Holzbezügen sollten unterbunden werden. 18 Insbesondere
wurde die Vergabe von Holz an Nicht-Standesbürger
eingeschränkt, indem diese einen deutlich erhöhten Betrag
zu bezahlen hatten. 19
Seite 99

Allerdings setzte sich der Standesausschuss bereits sehr
früh mit anderen Themen auseinander und beschließt 1919
eine weiteren Ausbau des Litzkraftwerks. 20
3.3. Nationalsozialistische Herrschaft: 1938 bis 1945
Der erste Zusammentritt unter dem nationalsozialistischen
Regime fand am 24. Juni 1938 statt. Der neue Vorsitzende,
Heinrich Dajeng, „teilt mit, dass er von der Kreisleitung
Bludenz-Feldkirch der NSDAP als kommissarischer Leiter
des Standes Montafon, in der Eigenschaft als Standesrepräsentant,
bestellt worden sei. Eine Wahl im Sinne des
Standesstatutes habe somit vorläufig zu entfallen.“
Die neue Zeit brachte auch eine Gefährdung der bisherigen
Strukturen des Standes Montafon: Am 30. Dezember 1941
votierte der Standesausschuss energisch gegen Pläne des
Landrates von Bludenz den „politischen“ Stand Montafon
zu einem so genannten Zweckverband von acht Gemeinden
zu reduzieren und die bisherige Verwaltungsgemeinschaft
der zehn Talgemeinden aufzugeben. Im Hintergrund
des Protests dürfte aber auch gestanden sein, dass der
Standesrepräsentant entsprechend dem damals herrschenden
Führerprinzip massiv aufgewertet und die demokratischen
Entscheidungsstrukturen im Standesausschuss
beseitigt worden wären.
1944 nannte sich der Stand Montafon im Protokoll allerdings
bereits „Zweckverband Stand Montafon“. 21 Die Zahl
der Gemeinden wurde zwar nicht verändert, die Struktur
des Standes jedoch ganz entscheidend: Die demokratische
Organisation war beseitigt.
Die Bezeichnung als Zweckverband wurde allerdings
verschiedentlich nach 1945 vom Stand Montafon selbst
verwendet, 22 obwohl sie in den wieder in Kraft gesetzten
Rechtsgrundlagen (Gemeindeordnung 1935) nicht mehr vorgesehen
war.
Seite 100
3.4. Die Zeit seit 1945
Der Übergang zu friedlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen
Verhältnissen nach 1945 verläuft in den Protokollen
der Standessitzungen ohne erkennbare Zäsur.
Mit Beginn des 80er Jahrs des 20. Jahrhunderts dominierte
das rechtliche Schicksal des Forstfons die Beratungen in
der Forstfondsvertretung. Es ging dabei um die Frage, ob
der Forstfonds eine Agrargemeinschaft war und demgemäß
nach den Bestimmungen des Flurverfassungsgesetzes zu
regulieren wäre.
Dazu kam, dass sich in der Zwischenzeit auch der Waldzustand
massiv verschlechterte. Offenbar war dies Resultat
der Übernutzung der gut zugänglichen Waldgebiete in den
vergangenen Jahren und der schlechten Erschließung der
abgelegeneren Wälder.
In den Beratungsgegenständen des Standesausschusses
manifestiert sich dagegen ein massiver Wandel: Die Aufgaben
des Standes Montafon in der Gewährleistung eines
gemeindeübergreifenden Netzes von Dienstleistungen
werden immer größer, Kinderbetreuung und mobile Hilfsdienste
zählen zu den wichtigsten Angeboten.
4. Binnenstrukturen
4.1. Sitzungen des Standesausschusses und der Forstfondsvertretung
Sämtliche Sitzungen des Standesausschusses fanden seit
jeher in Schruns statt. Damit wurde auch der Rang von
Schruns als administrativer Mittelpunkt des Tales, wo ja
auch das Gericht verankert war, gestärkt.
Der Standesausschuss trat in den ersten Jahren nach 1865
in unregelmäßigen Abfolgen zusammen: Es gab Jahre, in denen
überhaupt keine Tagung stattfand, 23 in einem anderen

Jahr gab es gleich fünf Sitzungen. 24 Die Sitzungen wurden
nach Bedarf einberufen und in den Anfangsjahren, bedenkt
man die im Vergleich zu heute schwierigen Kommunikationsverhältnisse,
erstaunlich kurzfristig. Sie dienten zuweilen
auch nur einem einzigen, gerade aktuellen Thema. 25
Mit der neuen Legislaturperiode im Jahr 1965 wurde eine bis
heute bestehende Neuerung eingeführt: Die 20 Sitzungen
des Standesausschusses und die 46 Sitzungen des Forstfonds
werden getrennt abgewickelt, wofür durchaus gute
Gründe sprechen, wenn man den unterschiedlichen Kreis
der beteiligten Gemeinden bedenkt. Ausschlaggebend
dürfte gewesen sein, dass seit kurzer Zeit der Obmann der
Agrargemeinschaft St. Gallenkirch die Gemeinde St. Gallenkirch
im Forstfonds vertrat – nicht jedoch im politischen
Stand. Dies musste in Sitzungen, bei denen sowohl Angelegenheiten
des Forstfonds als auch des politischen Standes
beraten wurden, auf die Dauer zu kompliziert werden. Was
die Intensität der Sitzungen betraf, wurde damit ein Höchststand
erreicht.
An den Sitzungen der Forstfondsvertretung nahm seit 1975
nun auch für Vandans statt dem Bürgermeister der Obmann
der Agrargemeinschaft Vandans teil. 26
Bemerkenswert ist, dass mit Beginn des Jahres 1985 die
Wahrnehmung des Stimmrechtes der Gemeinde St. Gallenkirch
durch die Agrargemeinschaft nicht mehr zugelassen
wurde. Diese statutenwidrige Praxis wurde nunmehr nicht
mehr länger toleriert. Schon einige Zeit zuvor, war es üblich
geworden, den Bürgermeister wieder neben der Agrargemeinschaft
einzuladen. 27
In dem während der 80er Jahre über die Standeswaldungen
geführten Rechtsstreit rückte auch die Frage der Öffentlichkeit
der Sitzungen des Standesausschusses ans Licht. Tatsächlich
ist diese im Standesstatut (§ 9) bereits verankert,
seitens der Standesbürger waren bis zu diesem Zeitpunkt
aber niemals entsprechende Ersuchen vorgebracht worden.
28
4.2. Die Rolle des Standesrepräsentanten: Oberbürgermeister
des Montafons?
Der Standesrepräsentant erfüllt durch seine Funktion zweifellos
eine besondere Rolle. Er wird durch die überörtlichen
Aktivitäten des Standes gleichsam zum Oberbürgermeister
des Tales, das er in dieser Funktion auch gegenüber außen
vertritt. Diese Rolle wird zudem durch lange Amtsperioden
gestützt:
1832, offenbar am Tag des Übergangs der Wälder in das Eigentum
des Standes, war Mathias Drexel aus Tschagguns
zum ersten Standesrepräsentanten gewählt wurden. Er leitete
den Stand bis 1847, als Jakob Jochum, Gemeindevorsteher
von Schruns, das Amt übernahm. Jochum blieb bis 1867
in dieser Funktion. 29
Franz Josef Stemer eröffnete die erste protokollierte Sitzung
des Standesausschusses am 3. Mai 1867. Stemer war zu
diesem Zeitpunkt bereits gewählter Standesrepräsentant
und übte diese Funktion bis 1889 aus. Sein Nachfolger und
Sohn, Jakob Stemer, war von 1889 bis zum 17. April 1919
Standesrepräsentant. 30 Bei dieser Sitzung des Standesausschusses,
der ersten nach dem Ende des Ersten Weltkrieges,
treten zwei Kandidaten an: Der altgediente Jakob
Stemer, seit 30 Jahren (!) in dieser Funktion und Josef Georg
Jochum, Gemeindevorsteher aus Tschagguns. Auf beide
Kandidaten entfielen fünf Stimmen, sodass es, das erste
und einzige Mal im Untersuchungszeitraum, zu einer Entscheidung
durch Los kommen musste. Das unter Aufsicht
von Gemeindevorsteher Gebhard Martin aus Stallehr gezogene
Los entschied zu Gunsten von Jochum, der jedoch,
was bemerkenswert ist, nicht einmal zwei Monate in dieser
Funktion verbleibt: Bei der am 6. Juni 1919 durchgeführten
Wahl zum Standesrepräsentanten unterliegt er mit zwei
Stimmen klar dem aus den Gemeindewahlen vom 18. Mai
1919 gegen Stemer als Sieger hervorgegangenen Gemeindevorsteher
von Schruns, Franz Wachter. Die Hintergründe
dieser Wahlvorgänge liegen im Unklaren. Eine Zeitungsnotiz
vermeldet, Jochum sei für die restliche Dauer bis zu den
Seite 101

Gemeindewahlen (also für nur kurze Zeit) zum Standesrepräsentanten
gewählt worden. 31 Man wird daher von einer
Abwahl von Stemer auf Grund beträchtlicher Unzufriedenheit
im Standesausschuss auszugehen haben. 32
Am 10. April 1929 findet abermals eine Wahl des Standesrepräsentanten
statt, die Franz Wachter aus Schruns wiederum
für sich entscheidet, obwohl in der Zwischenzeit am
10. Februar 1924 Gemeindewahlen stattgefunden hatten.
Auf Wachter entfallen acht Stimmen, Franz Josef Bitschnau
aus Vandans erhält eine Stimme. In der Folge verzeichnen
die Protokolle erstmals wieder 1949 die Wahl eines Standesrepräsentanten:
Von 1938 bis 1945 war Heinrich Dajeng von den Nationalsozialisten
eingesetzter Standesrepräsentant. Nach 1945
ist Bürgermeister Jakob Hueber aus Schruns ebenfalls ein
eingesetzter und nicht gewählter Funktionsträger. Er war
seit 1945 Bürgermeister von Schruns, wurde dann aber im
Jahre 1947 von der Gemeindevertretung abgewählt. Dennoch
behielt er – entgegen dem Standesstatut – bis zum
13. Mai 1949, als erstmals seit langer Zeit wieder eine Wahl
eines Standesrepräsentanten stattfand, diese Funktion. 33
Ein Revisionsbericht der Landesregierung vom 7. März 1949
stellte der Geschäftsführung durch Hueber ein katastrophales
Zeugnis aus und sprach von einer „etwas zu ‚autoritären’
Geschäftsführung“, die dazu geführt hatte, dass „in
den letzten Jahren der Standesausschuss von der Führung
der Standesgeschäfte weitgehend ausgeschaltet war“. 34
Gewählt wurde am 13. Mai 1949 mit acht gegen eine Stimme
(nicht anwesend war der Bürgermeister von Stallehr)
der Landtagsabgeordnete Bürgermeister Josef Kessler aus
Bartholomäberg. 35
Eine neuerliche Wahl am 31. Mai 1950 bestätigt Josef Kessler
mit sieben gegen eine Stimme in seinem Amt. Nunmehr
wurde es offenbar üblich, die Wahlen zum Standesrepräsentanten
in Abstimmung mit den Gemeindewahlen
durchzuführen. In der Sitzung vom 7. Mai 1955 wurde Josef
Seite 102
Kessler neuerlich zum Standesrepräsentanten (mit sieben
Stimmen, je eine entfielen auf Bürgermeister Peter Wachter
36 aus Gaschurn und Bürgermeister Franz Marent aus
Schruns) gewählt.
In der Folgezeit glichen sich die „Legislaturperioden“
des Standesausschusses eindeutig an die Gemeindewahlperioden
an, wie etwa aus dem Protokoll vom 7. März
1960 zum Ausdruck gelangt: „Damit schließt der Vorsitzende
die letzte Sitzung des Standesausschusses in dieser Legislaturperiode.“
Am 16. Mai 1960 wird neuerlich Josef Kessler mit neun gegen
eine Stimme zum Standesrepräsentanten gewählt. Der
mittlerweile 80-jährige Kessler zog sich vor den Gemeindewahlen
1965 aus der Politik zurück. Bei der Wahl zum Standesrepräsentant
am 3. Mai 1965 entschied Bürgermeister
Peter Wachter aus Gaschurn erst im 2. Wahlgang, nachdem
im ersten keiner der Kandidaten die absolute Stimmenmehrheit
erlangt hatte, das Rennen für sich.
Die folgende Legislaturperiode brachte wiederum einen
Wechsel in der Funktion des Standesrepräsentanten. Landtagsabgeordneter
Bürgermeister Ignaz Battlogg aus St.
Anton 37 wurde am 11. Juni 1970 in diese Funktion berufen.
Die Entscheidung fiel denkbar knapp aus: In einer Kampfabstimmung
siegte Battlogg über den Amtsinhaber Peter
Wachter, was auf eine gewisse Unzufriedenheit im Ausschuss
mit dem Standesrepräsentanten schließen lässt.
Gleichsam zum Trost wurde Wachter dann mit 9 Stimmen
ohne Gegenstimme zum Stellvertreter gewählt, Wachter
lehnte jedoch zunächst ab. Erst als ein erneuter Wahlgang
eine Pattsituation zwischen Bürgermeister Erwin Vallaster
aus Bartholomäberg und Bürgermeister Raimund Wachter 38
aus St. Gallenkirch ergab, nahm Wachter die Wahl an. 39
Damit war wiederum eine landespolitisch bedeutsame Person
gewählt, denn Battlogg war bereits seit dem 18. Oktober
1959 Landtagsabgeordneter und behielt diese Funktion
bis zu seinem Tod am 22. August 1981. Ignaz Battlogg

wurde nach den Gemeindewahlen 1975 in der Sitzung vom
17. Juni 1975 nochmals ohne Gegenstimme in diesem Amt
bestätigt. Bei der Wahl des Stellvertreters entfielen sieben
Stimmen auf Raimund Wachter aus St. Gallenkirch und drei
Stimmen auf Ernst Pfeifer 40 aus Gaschurn.
Battlogg legte jedoch, was in der Geschichte des Standes
bis dahin ungewöhnlich war, während einer laufenden
Legislaturperiode, nämlich im Dezember 1976, diese Funktion
zurück. 41 Ausschlaggebend war zweifellos die Arbeitsüberlastung,
die sich aus seiner Funktion als Standesrepräsentant,
Bürgermeister, Landtagsabgeordneter und
Landwirtschaftskammerpräsident ergab, gewesen.
Sein Nachfolger wurde Bürgermeister Erwin Vallaster aus
Bartholomäberg 42 , der dieses Amt auch in der neuen Legislaturperiode
vom 10. Jänner 1977 bis 1985 innehatte.
Vallaster war ohne Gegenstimme gewählt worden. Am 3.
Juni 1980 wurde Erwin Vallaster ein weiteres Mal zum Standesrepräsentanten
gewählt, wenngleich nicht einstimmig:
Zwei Stimmen entfielen auf Eduard Bitschnau 43 aus Tschagguns.
Stellvertreter wurde, entsprechend der Praxis, einem
Außerfrattner Standesrepräsentanten einen Innerfrattner
Stellvertreter (und gegebenenfalls umgekehrt) beizustellen,
Bürgermeister Wachter aus St. Gallenkirch gegen eine
Stimme zugunsten von Bürgermeister Heinrich Sandrell 44
aus Gaschurn.
1985 übernahm Bürgermeister Siegmund Stemer aus St.
Anton 45 ohne Gegenstimme die Funktion des Standesrepräsentanten,
wiederum eine Persönlichkeit, die alsbald
auch politisch weiter aufsteigen sollte. Stemer, seit dem
7. November 1989 auch Landtagsabgeordneter und bald
darauf zum Klubobmann aufgestiegen, wurde am 30. Mai
1990 neuerlich mit sieben gegen zwei Stimmen (zugunsten
von Bürgermeister Fritz Rudigier 46 bzw. Burkhard Wachter 47 )
gewählt. Sein Stellvertreter wurde abermals Bürgermeister
Heinrich Sandrell aus Gaschurn.
Am 9. Mai 1995 erfolgte die Wiederwahl ohne Gegenstimme.
Stemer gab dieses Amt am 12. März 1996 an den Bürgermeister
von Schruns, Erwin Bahl, 48 ab, der ohne Gegenstimme
zum neuen Standesrepräsentanten gewählt wurde.
Bahl wurde in dieser Funktion am 9. Mai 2000, wiederum
ohne Gegenstimme, bestätigt.
Rückblickend zeigt sich, dass mit Ausnahme der Vorgänge
1918 (Stemer gegen Jochum) und 1970 (Wachter gegen Battlogg)
kein einziges Mal ein amtierender Standesrepräsentant
wieder abgewählt wurde.
Zum Standesrepräsentanten wurden verständlicherweise
regelmäßig Personen gewählt, denen nicht nur intern
besondere Durchsetzungsfähigkeit zugetraut wurde, sondern
die auch als geeignet erschienen, die Talschaft nach
außen zu vertreten. Oftmals bekleideten die Standesrepräsentanten
neben ihren Aufgaben als Bürgermeister
noch weitere politische Spitzenpositionen: Ignaz Battlogg
und Siegmund Stemer sind in diesem Zusammenhang
bereits genannt worden. Josef Kessler (Standesrepräsentant
von 1949 bis 1965) war vom 11. Dezember 1945 bis 24.
Oktober 1949 Landtagsabgeordneter. Während der Ersten
Republik war Franz Wachter, Standesrepräsentant von 1919
bis 1938 für den Unabhängigen Bauernbund Landtagsabgeordneter
von 1919 bis 1923. 49
4.3. Standesverwaltung
Bereits in den ersten Sitzungsprotokollen taucht neben
dem Standesrepräsentanten und dem Standesausschuss
ein weiteres, im Standesstatut nicht genanntes Organ auf,
der Standeskassier. 50
Eine Standesverwaltung im heutigen Sinne gab es allerdings
noch nicht. Am 2. Oktober 1920 wird entschieden,
dass der Stand Montafon zur Bestreitung der Standesverwaltungskosten
für die Angestellten jeweilig die Höhe
des Gehaltes des Gemeinde- und Standeskassiers Josef
Ganahl trägt. Bis 1938 war die Standesverwaltung von der
Gemeindeverwaltung von Schruns „miterledigt“ worden. 51
Seite 103

Mit der Herausbildung einer Standesverwaltung steht in
Zusammenhang, dass die Standesverwaltung auch ein eigenes
Amtsgebäude erhielt. Das erste eigene Verwaltungsgebäude
wurde jedoch erst 1954 errichtet.
Die Einsetzung des ersten forstlichen Betriebsleiters Dipl.-
Ing. Quido Scheier kam relativ spät, berichtete er doch am
31. Juli 1984 der Forstfondsvertretung, dass jene Bestände,
die gut erschlossen sind und wo die Nutzung relativ
problemlos ist, in der Vergangenheit „regelrecht geplündert“
worden seien. 52 Er wies auf die Notwendigkeit der
Erschließung der bisher noch im Urzustand befindlichen
Wälder hin sowie vor allem auch auf die Notwendigkeit
der Reduktion des Wildbestandes, die oberstes Gebot sei.
Allerdings verblieb auch Dipl. Ing. Scheier nur kurze Zeit.
Die Funktion wurde mit Beginn 1986 durch Dipl. Ing. Hubert
Malin besetzt. Seit Mitte der 80er Jahre wurde der forstliche
Betriebsdienst professionalisiert und modernisiert. Dies
führte auch zu Überlegungen, für die Standesverwaltung
und den forstlichen Betriebsdienst eine neue Unterkunft zu
schaffen.
Zu Beginn der 90er Jahre wurden die Bemühungen, für die
Standesverwaltung ein neues Gebäude zu errichten, konkreter.
Am 11. November 1995 wurde das neue Standesgebäude
offiziell in Verwendung genommen.
5. Recht
5.1. Die rechtliche Behandlung des Standes Montafon im
Gemeinderecht Vorarlbergs
Es ist angesichts der wirtschaftlichen und politischen Bedeutung
des Standes Montafon bemerkenswert, dass seine
juristischen Grundlagen äußerst unklar sind. Woraus ergibt
sich diese kritische Beurteilung?
Seite 104
Zu rekapitulieren ist, dass sich die Besorgung der Verwaltung
der Standeswaldungen und der anderen im Standesstatut
von 1865 angeführten Angelegenheiten auf § 86 der
Gemeindeordnung von 1864 gründete. Die Gemeindeordnung
von 1904 regelte in ihrem § 86 inhaltlich dasselbe.
Demzufolge judizierte der Verwaltungsgerichtshof in einer
Entscheidung aus dem Jahre 1932: „Es ist unbestritten,
dass der Stand Montafon eine öffentlich-rechtliche Körperschaft
ist und dass die Verwaltung des Standesvermögens
gemäß den Bestimmungen der Gemeindeordnung vor sich
zu gehen hat.“ Diese Verwaltung erfolgte damals nach wie
vor auf der Basis der Gemeindeordnung von 1904. Dementsprechend
erklärte der Verwaltungsgerichtshof: „Die ganze
Vermögens verwaltung des Standes Montafon stellt sich
als eine Verwaltung des mehreren Gemeinden gehörenden
gemeinschaftlichen Vermögens dar, wie sie § 86 GemO.
regelt.“ Der Verwaltungsgerichtshof nahm also im Jahr
1932 die Existenz einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft
als gegeben an, die allerdings von der Gemeindeordnung
selbst gar nicht konstituiert wurde, sondern nur die Verwaltung
durch den Standesausschuss legitimierte!
Die Unsicherheit in der rechtlichen Qualifikation des Standes
Montafon, die sich auch in der Art und Weise widerspiegelt,
in der sich der Verwaltungsgerichtshof 1932 an der
entscheidenden Frage vorbeischlich, wie diese öffentlichrechtliche
Körperschaft denn zustande gekommen wäre,
zeigt sich auch im sonstigen rechtlichen Umgang mit dem
Stand Montafon, der im Grundbuch als „Interessentschaft“
eingetragen wurde. 53 Bemerkenswert ist dabei, dass ein und
derselbe Begriff unterschiedliche Körperschaften, nämlich
im einen Fall den 10-gliedrigen „politischen“ Stand, im anderen
Fall den achtgliedrigen „Forstfonds“ kennzeichnete. 54
Bei der Bezeichnung „Interessentschaft“ handelte es sich
um keinen Rechtsbegriff des damaligen Gemeinderechts,
vielmehr wurden umgangssprachlich Agrargemeinschaften,
Alpgenossenschaften und ähnliche gemeinschaftliche
Körperschaften mit diesem Ausdruck bedacht.

In der Verwaltungspraxis wurde der Stand Montafon mit
dem Inkrafttreten der Gemeindeordnung 1935 als Verwaltungsgemeinschaft,
der politische Stand ab dem Inkrafttreten
des Gemeindegesetzes im Jahre 1965 als Gemeindeverband
betrachtet. 55 Der Forstfonds dagegen wurde ab dem
Jahre 1953 als Agrargemeinschaft im Sinne des Flurverfassungsgesetzes
qualifiziert.
Festzuhalten ist, dass sich beide Rechtsauffassungen,
nämlich die Qualifikation des „politischen“ Standes als
Gemeindeverband und jene des Forstfonds als Agrargemeinschaft
auf ziemlich schwankendem Boden bewegen.
Dabei soll hier zunächst auf den politischen Stand eingegangen
werden:
Wie oben erwähnt regelte noch § 86 der Gemeindeordnung
von 1904 den Stand Montafon wie die seinerzeitige Rechtsgrundlage,
§ 86 der Gemeindeordnung von 1864. Eine
Neuerung trat dagegen mit der Gemeindeordnung von 1935
ein: Eine dem bisherigen § 86 Gemeindeordnung von 1904
entsprechende Bestimmung gab es nicht mehr, wohl aber
die Möglichkeit der „Vereinigung von Gemeinden zur gemeinschaftlichen
Geschaftsführung“ in § 11 (Verwaltungsgemeinschaft).
Die Verwaltungsgemeinschaft konnte im
Rechtsverkehr – wie dies beim Stand Montafon gängige
Praxis war – als eigene juristische Person auftreten. Hoheitliche
Befugnisse hatte sie nicht.
Die Verwaltungsgemeinschaft konnte jedoch nur auf Grundlage
einer „auf Gemeindetagsbeschlüssen beruhenden
schriftlichen Vereinbarung der beteiligten Gemeinden“ zustande
kommen. Die Vereinbarung war in einer Satzung
niederzulegen und bedurfte der Genehmigung der Landesregierung
(Abs 3). Schließlich war noch eine Kundmachung
im Landesgesetzblatt durch die Landesregierung erforderlich
(Abs 4).
Diesen Erfordernissen entsprach der Stand Montafon
in seiner Gesamtheit nicht. In den Folgejahren bis zum
Anschluss und der Einführung reichsdeutschen Rechts
wurden der Landesregierung keine Satzungen vorgelegt,
geschweige denn, dass es zu einer ausdrücklichen Genehmigung
einer Verwaltungsgemeinschaft gekommen wäre,
obwohl inhaltlich das Standesstatut durchaus als eine diesen
Vorschriften entsprechende Satzung qualifiziert hätte
werden können.
Eine neue Rechtslage ergab sich mit dem Inkrafttreten
des Gemeindegesetzes von 1965. Das neue Gemeindegesetz
kannte Gemeindeverbände, nicht aber Verwaltungsgemeinschaften.
Für das Zustandekommen eines Gemeindeverbandes
wäre die Erlassung einer Verordnung
der Landesregierung erforderlich gewesen, was im Fall des
Standes Montafon nachweislich nie geschah (§ 89).
Nach der Übergangsvorschrift des § 91 Abs 6 des
Gemeindegesetzes des Jahres 1965, das in seinen wesentlichen
Strukturen heute noch in Kraft ist, bestehen Verwaltungsgemeinschaften
im Sinne des § 11 der Gemeindeordnung
1935 fort, sofern sie den Bestimmungen des § 89
entsprechen.
Von den Aufgaben her betrachtet entspricht der Politische
Stand Montafon völlig solchen Gemeindeverbänden, ebenso
was die Organisation betrifft. Der Stand Montafon bildete
aber, wie dargelegt, keine Verwaltungsgemeinschaft.
Ist daraus zu schließen, dass der Gesetzgeber des Jahres
1965, dem die Existenz des Standes Montafon ja gewiss
nicht unbekannt war, ausgerechnet im 100. Jahr seines
Bestehens diese traditionsreiche Körperschaft auflösen
wollte? Wohl nicht! Er hat vielmehr den Stand Montafon vorgefunden
und weiterleben lassen, allerdings mit einer sehr
unklaren Rechtsfolge.
Seite 105

Ein weiteres Jahr ist von Bedeutung: 1985, also 20 Jahre
später, erfolgte eine neuerliche Novelle des Gemeindegesetzes,
in welcher verankert wurde, dass sich Gemeinden
zur Besorgung einzelner Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches
durch Vereinbarung zu Gemeindeverbänden
zusammenschließen können. Eine solche Vereinbarung
ist mit Verordnung der Landesregierung zu genehmigen.
Weiters wurden nunmehr neben den Gemeindeverbänden
auch Verwaltungsgemeinschaften als zulässig erklärt.
In der Übergangsbestimmung des Art III Abs 4 der genannten
Novelle wurde bestimmt, dass Verwaltungsgemeinschaften,
die auf Grund der Gemeindeordnung 1864,
1904 und 1935 gegründet wurden und ihre Aufgaben noch
erfüllen, bis längstens 31. Dezember 1988 als Gemeindeverbände
neu zu bilden waren. Immerhin kann man der Bestimmung
entnehmen, dass Verwaltungsgemeinschaften
auf der Grundlage der Gemeindeordnung 1864, als solche
konnte man den Stand nämlich betrachten, als bestehende
Institutionen anerkannt wurden.
Freilich: Die Zeit, einen solchen Gemeindeverband zu gründen,
wurde nicht genutzt, vielleicht wusste man im Montafon
auch gar nichts von der neuen Rechtslage, zumindest
kann den Protokollen der Standessitzungen nicht der geringste
Hinweis entnommen werden, dass den Bürgermeistern
die Notwendigkeit des Handelns überhaupt bewusst
war. Vielleicht war man auch der Meinung gar keine Verwaltungsgemeinschaft,
sondern eben ein Gemeindeverband
„sui generis“ bereits zu sein und deshalb keine Aktivitäten
setzen zu müssen. Genaueres wissen wir leider nicht.
Der Landtag war sich der Problematik dagegen klarer bewusst:
Berichterstatter Landtagsabgeordneter Ernst Fritz
führte aus, dass mit der Übergangsbestimmung unter
anderem auch der Stand Montafon gemeint war. Mit der
vorgeschlagenen Übergangsregelung sollten nun die von
der Praxis als existent behandelten Gemeindeverbände
in ihrem Bestand deshalb anerkannt werden, um Rechts-
Seite 106
nachfolgeprobleme bei der Anpassung an die neuen Bestimmungen
auszuschließen. 56 Daraus kann nun nichts
anderes entnommen werden, als dass der Vorarlberger
Landesgesetzgeber von der Existenz des Standes Montafon
ausgegangen ist und diesen wohl auch materiell als
einen Gemeindeverband betrachtet hat und ihn auch nicht
auflösen wollte, selbst dann, wenn es die Montafoner verabsäumen
sollten, den Stand endlich auf eine rechtliche
Grundlage zu stellen. Eine solche klare Rechtsgrundlage für
den politischen Stand liegt indessen noch immer nicht vor.
5.2. Der Forstfonds eine Agrargemeinschaft?
Die rechtliche Auseinandersetzung um die Standeswälder
wurde von mir schon an anderer Stelle dargestellt. 57 Hier
soll nur angeführt werden, dass der Stand Montafon Forstfonds
nach 1945 irrigerweise als sogenannte unregulierte 58
Agrargemeinschaft behandelt wurde. 59
Am 23. April 1980 stellte ein „Proponentenkommittee“,
das auch ungefähr 1.000 Unterschriften von nutzungsberechtigten
Standesbürgern gesammelt hatte, 60 einen
Antrag auf Regulierung der rechtlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse der im Eigentum des Forstfonds befindlichen
Liegenschaften.
Das Proponentenkommittee legte auch den Entwurf eines
neuen Statuts vor, das den Forstfonds in eine regulierte
Agrargemeinschaft umwandeln sollte, was auf den Widerspruch
der Gemeinden stieß. Nach einem schier endlosen
Rechtsstreit entschied der Verwaltungsgerichtshof am 28.
März 1996 endgültig, dass es sich beim Stand Montafon
Forstfonds um keine Agrargemeinschaft handelte.
5.3. Die Änderungen durch das Gesetz über das
Gemeindegut
Das Gesetz über das Gemeindegut aus dem Jahre 1998,
in dem klargestellt wurde, dass an jenen Grundstücken,

die, wie der Stand Montafon, noch immer Gemeindegut
bildeten, die Nutzungsberechtigten nur solche Ansprüche
hatten, soweit ihr Haus- und Gutsbedarf reichte, machte in
seinem § 15 den Forstfonds auch formell zu einem Gemeindeverband,
der er im Grunde die vergangenen Jahrzehnte
immer gewesen war. Freilich, als entsprechend den Vorgaben
des § 20 Abs 7 des Gesetzes die Forstfondsgemeinden
spätestens im Jahre 2003 eine Vereinbarung hätten treffen
sollen, in der neue Satzungen (also ein besonderes Statut
für den Forstfonds) zu erlassen gewesen wären, kam es auf
Grund Widerstands der Gemeinden Gaschurn und Vandans
nicht dazu. Dies führte dazu, dass die Landesregierung auf
der Grundlage der zitierten Gesetzesbestimmungen ersatzweise
an Stelle der freien Vereinbarung der Gemeinden Satzungen
erlassen musste, die mit der Forstfondsverordnung
LGBl. Nr. 1/2005 schließlich ergingen.
Die Gemeinde Gaschurn bekämpfte sowohl die tragenden
Bestimmungen des Gesetzes über das Gemeindegut betreffend
den Forstfonds als auch die Forstfondsverordnung
beim Verfassungsgerichtshof – eine überraschende Maßnahme,
nachdem es zumindest einige Jahre lang den Anschein
hatte, als gehörten die Rechtsstreitigkeiten um den
Forstfonds endgültig der Vergangenheit an. Bemerkenswerterweise
fühlte sich die Gemeinde Gaschurn durch die gesetzliche
Regelung, die an der nunmehr 175-jährigen Praxis
gerade nichts änderte, in ihrem verfassungsgesetzlichen
Recht auf Selbstverwaltung beschränkt. Die Forstfondsverordnung
wurde wegen der Regelungen über die Finanzierung
des Forstfonds, die ebenfalls nur die langjährige Praxis
rechtlich fixierten bekämpft.
In seiner Entscheidung vom 11. Oktober 2005, G 42/05, V
38/05, wies der Verfassungsgerichtshof sämtliche Anträge
der Gemeinde Gaschurn ab. Das Gesetz über das Gemeindegut
war demnach konform mit der verfassungsrechtlichen
Kompetenzverteilung und mit dem Selbstverwaltungsrecht
der Gemeinde. Gegenüber der Forstfondverordnung äußerte
der Verfassungsgerichtshof ebenfalls keine Bedenken.
Nach dieser Entscheidung kann davon ausgegangen werden,
dass die rechtliche Verankerung des Forstfonds durch
das Gesetz über das Gemeindegut und die ausführenden
Bestimmungen in der Forstfondsverordnung keinen weiteren
Anlass zu juristischen Streitigkeiten geben sollten.
6. Schlussbetrachtung
Der Stand Montafon erweist sich im Rückblick des 19. und
20. Jahrhunderts als eine bemerkenswerte Einrichtung, die
gerade heute besonders zukunftsfähig erscheint. Dies darf
nicht darüber hinwegtäuschen, dass er in der Vergangenheit
auch schwere Krisen erlebt hat und auch nicht völlig
unbestritten war.
Beachtlich ist vor allem die Wandlungsfähigkeit des „Politischen
Standes“, der sich immer wieder aktuellen, sozialen
und wirtschaftlichen Bedürfnissen des Montafons anpassen
konnte. Es ist eigenartig, wie gerade dieses Relikt
der landständischen Verfassung auch heute noch so viele
öffentliche Aufgaben zu erledigen vermag. Das will nicht
heißen, dass es nicht auch Anpassungsbedarf geben mag:
Die rechtlichen Grundlagen sind veraltet und die Ansprüche
gegenüber einer transparenten und effizienten öffentlichen
Verwaltung steigen. Ihnen wird auch der Stand Montafon in
der Zukunft entsprechen müssen.
1 Dieser Vorgang des Waldkaufes ist dargestellt bei Erwin Bahl, Der Stand
Montafon. Diplomarbeit Universität Innsbruck 1990, S. 15; Peter Bahl,
Der Stand Montafon. Diplomarbeit Universität Innsbruck 1964, S. 17;
Josef Henrich, Der Standeswald im Montafon, in: Feierabend 14 (1932)
18, S. 275 und 283 ff.; Siegfried Marent, Die Agrargemeinschaft Stand
Montafon – Forstfonds. Diplomarbeit Universität Innsbruck 1972, S. 53;
Wolfgang Pfefferkorn, Der Stand Montafon, in: Montafoner Heimatbuch.
Schruns 1980, S. 343ff.
2 Pfefferkorn, Stand Montafon (wie Anm. 1), S. 343.
3 Der Standesausschuss wird in der Praxis auch als Standesvertretung
bezeichnet. Im vorliegenden Beitrag wird die ursprüngliche Bezeichnung
Seite 107

eibehalten. Dagegen wird das entsprechende Organ im Forstfonds als
Forstfondsvertretung bezeichnet.
4 Die Angelegenheiten dieser auf das Montafon begrenzten
Feuerversicherung beschäftigten den Standesausschuss in den
Folgejahren bis in die Erste Republik immer wieder. Sie war offenbar
bereits 1822 gegründet worden und entfaltete ihre Tätigkeit bis
1938 (siehe Protokoll des Standesausschusses vom 30. Dezember
1941). Soweit im Folgenden auf die Protokolle des Standes Montafon
verwiesen wird, sind damit die im Standesarchiv zugänglichen
digitalisierten Protokolle des Standesausschusses bzw. der
Forstfondsvertretung gemeint.
5 Diese Aufgabe ist heute durch die entsprechenden Rechtsvorschriften
auf dem Gebiet des Gesundheits- und Veterinärwesens weitgehend
staatlichen Behörden zugewiesen. In den Folgejahren hat sich der
Standesausschuss immer wieder mit der Anstellung und Entlohnung
von Tierärzten und mit der Tierseuchenbekämpfung befasst.
6 Gemeint war damit die Erhaltung und Verwaltung von Straßen.
Auch diese Aufgabe nimmt der Stand heute nicht mehr wahr, da
die entsprechenden Rechtsvorschriften (Bundesstraßengesetz,
Landesstraßengesetz) ausdrücklich andere Behörden zum Vollzug
bestimmen.
7 In diesen Angelegenheiten sind bemerkenswerterweise kaum
Aktivitäten des Standesausschusses festzustellen.
8 Erst viel später, nämlich 1959, erfolgte der Zusatz, dass der
Bürgermeister auch Standesbürger sein musste.
9 Information von Herrn Standessekretär Mag. Johann Vallaster.
10 Information durch Herrn Standessekretär Mag. Johann Vallaster.
11 Aus dem Protokoll vom 2. Jänner 1871 geht beispielsweise hervor, dass
der Stand Montafon dem „Kristian Juen Wasenmeister oder Abdecker
von Montafon“ ein jährliches Gehalt zahlt, dessen Erhöhung Juen nun
begehrt. Juen erreicht zwei Jahre später, am 11. August 1873 eine weitere
Erhöhung von 200 Gulden auf 300.
12 Siehe etwa die Beschlüsse vom 1. April 1871 und 2. April 1872 sowie vom
25. März 1873. 1919 wird dann beschlossen, dass die Gemeinden sich
von nun an selbst um diese Aufgabe bemühen sollen (siehe Protokoll
vom 17. Juni 1919).
13 So etwa die von Schruns am 28. Juli 1874 mit 200 Gulden. Weiters
leistet der Stand immer wieder eine Unterstützung für den Ankauf von
Löschfahrzeugen oder Feuerspritzen.
Seite 108
14 Dem „Standesarzt“ Dr. Josef Huber wird am 6. März 1875 das Entgelt auf
170 Gulden erhöht.
15 Er erhält dafür 400 Gulden Entschädigung (siehe Protokolle vom 21.
März 1883 und 16. Juni 1883).
16 Protokoll vom 31. Oktober 1882.
17 Am 2. Juli 1885 wird entschieden, dass die Zeichenschule wieder (!) von
Dezember bis Februar abgehalten werden soll, wozu 300 Gulden aus
der Standeskasse zur Verfügung gestellt werden. Jedes besuchende
Mitglied soll 5 Gulden bezahlen müssen. Am 20. November 1886
wird jedoch die neuerliche Einrichtung dieser Zeichenschule mit der
Begründung abgelehnt, weil diese nur sehr nachlässig besucht worden
sei.
18 Siehe Protokoll vom 10. März 1921.
19 Protokoll vom 30. August 1921.
20 Siehe Protokoll vom 15. Oktober 1919.
21 Siehe Protokoll vom 11. Juli 1944.
22 Siehe Protokoll vom 14. März 1962.
23 1868, 1888, 1897, 1916 und 1917.
24 1911.
25 So etwa am 16. Jänner 1873 der Bekämpfung der Maul- und
Klauenseuche in den Gemeinden Bartholomäberg und Silbertal.
26 Siehe Protokoll der Forstfondsvertretung vom 16. Juli 1976.
27 Protokoll der Forstfondsvertretung vom 18. Juni 1985.
28 Siehe Protokoll der Forstfondsvertretung vom 19. April 1988.
29 Siehe dazu das Protokoll über die Festsitzung des Standesausschusses
vom 12. April 1832.
30 Zur „Familie Stemer“ siehe auch Ulrich Nachbaur, Über das Werden und
Wesen von „Marktgemeinden“ in Vorarlberg. Die Markterhebung von
Schruns 1927, in: Ulrich Nachbaur/Peter Strasser, Die Markterhebung
von Schruns. Marktgemeinden in Vorarlberg (Montafoner Schriftenreihe
13). Schruns 2004, S. 48-52, hier S. 49 f.
31 Ebenda, S. 53.
32 Siehe ebenda, S. 53.
33 Maßgebend für die Neuwahl dürfte die Kritik durch das
Landesrevisionsamt der Landesregierung gewesen sein, das
in seinem Schreiben vom 27. April 1949, Zl IIIa-98/2, diese
Unzulänglichkeit aufgegriffen hatte. Die Sachlage war deshalb
prekär, weil die Landesregierung die „Beschlüsse des satzungswidrig
zusammengesetzten Standesausschusses“ nicht als rechtswirksam
anerkannte.

34 Siehe ebenda.
35 Bürgermeister von Bartholomäberg von 1927 bis 1938 und von 1945 bis
1965.
36 Bürgermeister von Gaschurn von 1945 bis 1972.
37 Bürgermeister von St. Anton von 1947 bis 1981.
38 Bürgermeister von St. Gallenkirch von 1970 bis 1984.
39 Siehe dazu auch die Darstellung bei Erwin Vallaster, Mein Leben im
Bergtal Montafon. Für Familie und Politik. Hard 2000, S. 322.
40 Bürgermeister von Gaschurn von 1972 bis 1980.
41 Siehe Sitzung der Forstfondsvertretung vom 14. Dezember 1976.
42 Bürgermeister von Bartholomäberg von 1965 bis 1990.
43 Bürgermeister von Tschagguns von 1975 bis 1990.
44 Bürgermeister von Gaschurn von 1980 bis 2000.
45 Bürgermeister von St. Anton von 1981 bis 1997.
46 Bürgermeister von St. Gallenkirch seit 1985.
47 Bürgermeister von Vandans seit 1985.
48 Bürgermeister von Schruns seit 1995.
49 Nachbaur, Marktgemeinden (wie Anm. 30), S. 54.
50 Siehe Protokoll vom 26. November 1867, in dem die Standesrechnung
des Standeskassiers Peter Maklott von Schruns genehmigt wurde. Am
24. Mai1879 wird als bisheriger Standeskassier Theodor Durig genannt,
der entsprechend dem Beschluss des Standesausschusses vom selben
Tag von Franz Josef Maklott aus Schruns abgelöst werden sollte. Am
23. Oktober 1879 wird jedoch in der Sitzung des Standesausschusses
mitgeteilt, dass Maklott sein Amt nicht angetreten habe. An seiner Stelle
wird Johann Josef Bitschnau aus Schruns gewählt.
51 Dies ist dem Bericht des Landesrevisionsamtes der Landesregierung
vom 7. April 1949, Zl IIIa-98/2, zu entnehmen.
52 Vgl. die instruktive Darstellung bei Vallaster, Mein Leben (wie Anm. 39),
S. 345.
53 Die Grundbuchseintragung lautet: „Interessentschaft Stand Montafon
bestehend aus den Gemeinden a) St. Anton, b) Bartholomäberg, c)
Silbertal, d) Schruns, e) St. Gallenkirch, f) Gaschurn, g) Tschagguns, h)
Vandans, i) Lorüns, j) Stallehr.“
„Interessentschaft Stand Montafon bestehend aus den Gemeinden a) St.
Anton, b) Bartholomäberg, c) Silbertal, d) Schruns, e) St. Gallenkirch, f)
Gaschurn, g) Tschagguns, h) Vandans.“
54 Anlässlich der Grundbuchsanlegung im Jahre 1933 wurde unter
Grundbuchsanlegungsprotokoll Nr. 408 folgende Eintragung gemacht:
„Die Verwaltung und Gebarung der Interessentschaft Stand Montafon
schlechthin und der Interessentschaft Stand Montafon („Forstfonds“)
obliegt zwei gesonderten Ausschüssen, die durch die Entsendung je
eines Vertreters der beteiligten Gemeinden gebildet wird. Den Vorsitz bei
beiden Ausschüssen führt der so genannte Standesrepräsentant, der
von den gewählten Vertretern aller Gemeinden des Tales gewählt wird.
Dieser Standesrepräsentant ist auch zur Vertretung der beiden
Interessentschaften nach außen befugt. Beide Interessentschaften
werden durch den gegenwärtigen Standesrepräsentanten Franz
Wachter, Bürgermeister von Schruns, HNr. 479, vertreten.“
(Aktenvermerk des Amtes der Vorarlberger Landesregierung vom 25.
Juni1 968, IIIa-98/3 im Besitz des Verfassers).
55 Siehe etwa Protokoll vom 19. Juli 1962. 1949 wurde der Stand Montafon
im Bericht des Revisionsamtes der Landesregierung vom 7. März 1949
ausdrücklich noch als Verwaltungsgemeinschaft qualifiziert.
56 Stenographische Sitzungsberichte 24. Vorarlberger Landtag, 5. Sitzung
am 22. Mai 1985, S. 150.
57 Siehe dazu Peter Bußjäger, „….zu Luxusbauten wird kein Holz
verabfolgt!“ – Die Geschichte des Forstfonds des Standes Montafon, in:
Der Montafoner Standeswald. Beiträge zur Geschichte und Gegenwart
eines kommunalen Forstbetriebes, hg. von Hubert Malin/Bernhard
Maier/Monika Dönz Breuß (Montafoner Schriftenreihe 18) Schruns 2007,
S. 9-14.
58 Das Wort „unreguliert“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass noch
keine „Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse“ im
Sinne des Flurverfassungsgesetzes durch die Behörde erfolgt war.
59 Der Aktenvermerk des Amtes der Vorarlberger Landesregierung vom
25. Juni 1968, IIIa-98/3 (wie Anm. 54), verweist dementsprechend
ausdrücklich darauf, dass der Forstfonds des Standes Montafon seit
1951 als Agrargemeinschaft behandelt worden sei.
60 Vallaster, Mein Leben (wie Anm. 39), S. 350, spricht von 650.
Seite 109

„Unsere Gemeinde“ – Aktionstag in Nenzing
Seite 110

Das Archiv und Kulturreferat der Marktgemeinde Nenzing
haben gemeinsam mit dem Landesarchiv die Einführung
der Gemeindeorganisation in Vorarlberg vor 200 Jahren
zum Anlass genommen, ein Programm mit zahlreichen Aktivitäten
zu erstellen.
Ausstellung
Ein wichtiger Teil davon war die Ausstellung „200 Jahre
Gemeindeverwaltung Nenzing“ mit dem Motto: Wie funktionierte
früher unser Gemeinwesen? Sie beinhaltete eine
punktuelle Darstellung von früheren Gemeindeaufgaben
und bot einen Einblick in das politische und wirtschaftliche
Geschehen aus jener Zeit. Für die Gestaltung wurden bewusst
nur Akten und Dokumente, die sich auch im Archiv
der Marktgemeinde Nenzing befinden, verwendet. Auch
wurde versucht, spezielle historische Eigenheiten von Nenzing
in die Ausstellung einzubinden.
Dazu kamen einige kleinere „Jubiläen“, die in der Ausstellung
thematisiert wurden. So feierte der Kindergarten
Nenzing seinen 50. Geburtstag und vor 50 Jahren wurde
das heutige Rathaus an anderer Stelle neu erbaut. Einen
Rückblick gab es auch anlässlich der Erhebung zur Marktgemeinde
gemeinsam mit Frastanz vor 15 Jahren.
Film
Als Kontrapunkt zur Ausstellung wurde ein Dokumentarfilm
über die Marktgemeinde Nenzing, wie sie sich im Jahr 2008
präsentiert, von Primus Huber, Michael Mäser und Thomas
Gamon mit dem Titel „Die Marktgemeinde Nenzing stellt
sich vor“ gedreht. Das Motto hier lautete: Wie funktioniert
unser Gemeinwesen?
In dieser Momentaufnahme unserer Gemeinde stellten
die Mitarbeiter ihre Aufgabe im Rathaus vor ebenso wie
der Bauhof und das Wasserwerk. Die fünf verschiedenen
Veranstaltungsreihe „200 Jahre Gemeindeorganisation in Nenzing“, Nenzing, 8. Mai bis 15. Juni 2008
Thomas Gamon (geb. 1957 in Schruns), Sonderschullehrer und Gemeindearchivar der Marktgemeinde Nenzing
200 Jahre Gemeindeorganisation in Nenzing
Wie funktioniert unser Gemeinwesen?
Thomas Gamon
Kindergärten und unser Seniorenheim präsentierten ihre
Arbeit, Einblicke in die Arbeit des Gemeindevorstands und
der Gemeindevertretung sowie der Feuerwehr ergänzen den
Film.
Aktionstag
Was passiert im Rathaus? Welche Aufgaben übernimmt
eine moderne Gemeindeverwaltung? Was stellt die Marktgemeinde
Nenzing der Bevölkerung zur Verfügung?
Diese Fragen wurden im Rahmen eines Aktionstages aller
Gemeindeeinrichtungen beantwortet. Im Ramschwagsaal
präsentierten die Gemeindevertretung, alle Unterausschüsse
sowie die Arbeitsgruppe „Familiengerechte
Gemeinde“ und das Nenzinger e-5 Team ihre Arbeit in Form
einer kleinen Ausstellung und standen der Bevölkerung
für Fragen zur Verfügung. Im Kindergarten Bahnhofstraße
wurde eine Sonderschau gezeigt, das Seniorenheim hatte
seine Türen geöffnet und der Bauhof und das Wasserwerk
zeigten ihre Gerätschaften und ihre Einrichtungen.
Den Abschluss des Tages bildete unter dem Motto „Jazz am
Rathausplatz“ ein Konzert mit dem Big Band Club Dornbirn.
Rahmenprogramm
Zur Ausstellung im Wolfhaus kamen verschiedene Veranstaltungen
wie der Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Alois Niederstätter
vom Vorarlberger Landesarchiv zum Thema: „Die
bayerische Knechtschaft“ – Vorarlberg in den Jahren 1805
– 1814. Erstmals wurde auch ein ganz besonderer Film aus
dem Jahr 1941 der Bevölkerung gezeigt. Dieser Film, der
mit „Das Nenzinger Dorfbuch“ betitelt ist, blieb dank Josef
Grass und Primus Huber bis heute erhalten und zeigt äußerst
seltene Einblicke zu einem Dorfgeschehen vor fast 70
Jahren. Der Film wurde wie der aktuelle Dokumentarfilm zur
Marktgemeinde Nenzing jeweils am Ende der Ausstellungszeiten
gezeigt.
Seite 111

Der Erzählabend mit der ersten Kindergartentante „Tante
Lore“ und der Kindergarteninspektorin Margot Thoma
zum Thema Kindergarten früher - heute mit der Moderation
durch Thomas Gamon fand im restlos vollen Wolfhaus-
Dachboden statt.
Zu allen Aktivitäten und Programmpunkten konnten wir ca.
1500 Besucher begrüßen.
Seite 112
Programmübersicht:
Ausstellung:
Dauer: 8. Mai bis 15. Juni 2008
Öffnungszeiten: Sonntag, 18 – 20 Uhr, Mittwoch 19 – 21 Uhr,
Donnerstag 14 – 17 Uhr und nach Vereinbarung
Donnerstag, 8. Mai, 20 Uhr
Filmpräsentation „Die Marktgemeinde Nenzing
stellt sich vor“ im Ramschwagsaal
anschließend: Ausstellungseröffnung im Wolfhaus –
Dachboden
„Die bayerische Knechtschaft“ -
Vorarlberg in den Jahren 1804 – 1814
Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Alois Niederstätter,
Vorarlberger Landesarchiv
Mittwoch, 14. Mai, 20 Uhr, Wolfhaus – Dachboden,
Eintritt frei
„Kindergarten früher – heute“
50 Jahre Kindergarten Nenzing
Erzählabend mit der ersten Kindergartentante „Tante Lore“
(Eleonore Bunschi) und der Kindergarteninspektorin
Margot Thomas
Sonntag, 18. Mai, 20 Uhr, Wolfhaus Dachboden, Eintritt frei
„Das Nenzinger Dorfbuch“ – ein Film aus dem Jahr 1941
Sonntag, 24. Mai, 20 Uhr, Wolfhaus –
Dachboden, Eintritt frei
„Unsere Gemeinde“ -
Ein Tag bei allen Gemeindeeinrichtungen
Samstag, 31. Mai, 11 – 17 Uhr, Nenzing,
Gemeindeeinrichtungen, Eintritt frei

Mit dem Ausbruch der Französischen Revolution im Jahr
1789 sollte Europa in eine Phase tiefgreifender macht- und
gesellschaftspolitischer Veränderungen treten, deren Nachwirkungen
auch die Strukturen des liberal-demokratischen
Verfassungsstaats bis heute prägen.
Beträchtliche Neuerungen hatte es in Österreich schon zuvor
gegeben, freilich nicht vom Volk ertrotzt, erzwungen,
sondern von Kaiser Joseph II. als Landesfürst der habsburgischen
Erblande verordnet. Sein ungeduldig in Angriff genommenes
Reformwerk war, weil vor allem dem Begriff der
öffentlichen Wohlfahrt verpflichtet, „modern“. Besonderes
Augenmerk galt der bäuerlichen Bevölkerung. Mit der 1781
erfolgten Aufhebung der Leibeigenschaft in Böhmen ging
Joseph als „Bauernbefreier“ in die Geschichte ein.
Die Verwaltung wurde reformiert, neue Zentralbehörden
entstanden. Spektakulärer waren aber die Veränderungen
auf dem Gebiet der Rechtswesens: 1781 erfolgte die Aufhebung
der Sondergerichte, insbesondere des Adels, sowie
die Einschränkung der grundherrlichen Strafgewalt. 1787
schaffte eine Reform des Strafrechts, das nunmehr auch für
Adel und Klerus gelten sollte, die Todesstrafe ab, an deren
Stelle lebenslange Zwangsarbeit trat. Neuerungen gab es
auch im Zivilrecht, das die Ehe zu einem Vertrag machte,
die berufliche Benachteiligung unehelich Geborener beseitigte
und die erbrechtliche Stellung der Frauen verbesserte.
Mit der Vorstellung, dass die von der Aufklärung propagierte
Eigenständigkeit des vernünftigen und deswegen auch
loyalen Individuums im Mittelpunkt staatlicher Obsorge
stehen müsse, änderte sich das Verhältnis zwischen Staat
und – katholischer – Religion grundlegend. Das religiöse
Bekenntnis des Einzelnen wurde, sofern es bestimmte
Pfade nicht verließ, Privatsache; die konfessionelle Einheit
verlor ihren staatstragenden Charakter; der Anspruch, notfalls
mit Gewalt für das Seelenheil der Untertanen Sorge
tragen zu müssen, verschwand zugunsten der religiösen
Vortragsreihe der Marktgemeinde Nenzing; Nenzing, Wolfhaus, 14. Mai 2008
Vortragsreihe der Montafoner Museen; Schruns, Montafoner Heimatmuseum, 28. Mai 2008
Alois Niederstätter (geb. 1955 in Bregenz), Dr. phil., a. o. Univ.-Prof., leitet seit 2001 das Vorarlberger
Landesarchiv
„Die bayerische Knechtschaft“
Vorarlberg in den Jahren 1805 bis 1814
Alois Niederstätter
Freizügigkeit aus dem Katalog der Staatsziele. Josephs Toleranzpatente
galten für die evangelischen und orthodoxen
Christen sowie für die Juden.
Die aufgeklärte Weltsicht sollte in allen Lebensbereichen
Einzug halten, jegliche Form des Aberglaubens, aber auch
barocker Prachtentfaltung bekämpft werden. Verboten wurde
insbesondere religiöses Brauchtum, wie das Wetterläuten,
die am Karfreitag in den Kirchen aufgestellten heiligen
Gräber, das Ausräuchern der Häuser an bestimmten Festtagen,
das Anbringen von Votivgaben und -bildern, ebenso
auch Wallfahrten, die länger als einen Tag dauerten,
und viele Prozessionen. Mit der Abschaffung zahlreicher
Feiertage wollte Joseph II. die Produktivität erhöhen. Die
Begräbnisordnung schrieb nun die Verwendung von Säcken
anstelle von Särgen vor. Eine neue Gottesdienstordnung
reglementierte die Gebete und Gesänge, die Art der
Predigten, die, statt dogmatische Fragen zu erörtern, die
Bauern im Anbau der Kartoffel unterrichten sollten, und
sogar die Anzahl der zu verwendenden Kerzen. Die vielfach
konservative, Neuerungen gegenüber misstrauische
Bevölkerung reagierte auf die obrigkeitlichen Eingriffe in
ihre Alltagskultur allerdings äußerst empfindlich. Viele dieser
Anordnungen musste der Kaiser daher, nachdem es zu
teilweise gewalttätigen Protesten gekommen war, noch zu
Lebzeiten zurücknehmen. Auch sein Bruder und Nachfolger
Leopold hatte noch einiges zu entschärfen, ohne aber die
Grundzüge des Josephinismus zu beseitigen, der „weit ins
19. Jahrhundert hinein die Ideologie der Eliten“ (Karl Vocelka)
bleiben sollte.
Innenpolitisch wirkte sich die Französische Revolution in
den habsburgischen Ländern nicht aus, sehr wohl aber in
der Außenpolitik und ihrer Fortsetzung mit militärischen
Mitteln. 1792 schlossen Österreich und Preußen ein Bündnis.
Frankreich, das sich davon bedroht fühlte und wohl
auch das vorhandene Gewaltpotential nach außen kanalisieren
wollte, erklärte den Krieg. Die militärischen Ope-
Seite 113

ationen dieses Ersten Koalitionskriegs konzentrierten
sich zunächst auf das Rheingebiet, verlagerten sich dann
in den fränkischen Raum bzw. nach Italien, wo Napoleon
Bonapartes Truppen von Sieg zu Sieg eilten und in Südtirol,
Kärnten und der Steiermark auf unmittelbar österreichisches
Gebiet vordrangen. Schließlich musste die
wirtschaftlich völlig zerrüttete, nur mehr durch englische
Kredite vor dem Staatsbankrott bewahrte Habsburgermonarchie
1797 in den Frieden von Campo Formio einwilligen,
die österreichischen Niederlande und die Lombardei abtreten.
Noch im selben Jahr brach der Zweite Koalitionskrieg
aus, der – nach anfänglichen österreichischen Erfolgen –
unter anderem in der Schlacht bei Feldkirch – wiederum die
Franzosen als Sieger sah.
Die kurzen Friedensjahre nach dem Frieden von Lunéville
1801 ermöglichten keine nachhaltige Konsolidierung der
Verhältnisse in den Ländern der Habsburgermonarchie, sodass
auch der Dritte Koalitionskrieg, der der französischen
Kriegserklärung vom 23. September 1805 folgte, höchst unglücklich
verlief. Nach der „Dreikaiserschlacht“ bei Austerlitz
musste Kaiser Franz in einen sofortigen Waffenstillstand
einwilligen. Die Bedingungen des am 26./27. Dezember
geschlossenen Friedens von Pressburg waren hart: Die
Habsburgermonarchie verlor die ehemals venezianischen
Gebiete samt Istrien und Dalmatien an das Königreich Italien,
an Württemberg und Baden einen erheblichen Teil der
vorderösterreichischen Besitzungen sowie an Bayern Tirol
mit den Hochstiften Trient und Brixen, die Markgrafschaft
Burgau, die Grafschaft Königsegg-Rothenfels im Allgäu, die
Herrschaft Tettnang-Argen, die ehemalige Reichsstadt Lindau
mit ihrem Gebiet und vor allem unserem Zusammenhang
die „sieben Herrschaften im Vorarlbergischen mit ihren
Inklavierungen“ samt der Grafschaft Hohenems – kurz
gesagt: etwa das Gebiet des heutigen Landes Vorarlberg.
Seite 114
König Maximilian I. Joseph 1806
Bayern hatte sich im August 1805 auf die Seite Frankreichs
gestellt. Kurfürst Maximilian I. Joseph, der in Frankreich
aufgewachsen war und als Oberst im Corps d‘Alsace der
französischen Armee gedient hatte, wurde dafür von Napoleon
mit der Königswürde und bedeutenden Gebietszuwächsen
belohnt. Die Leitlinien der bayerischen Politik gab
Maximilian Josef Baron (später Graf) Montgelas vor, Sohn
eines in bayerischen Militärdiensten stehende Savoyarden.
Das Konzept seiner vom Rationalismus und dem Geist der
Aufklärung geprägten Reformpolitik hatte er bereits 1796 im
so genannten „Ansbacher Mémoire“ niedergelegt.
Bei den nunmehr bayerischen Gebieten Vorarlbergs handelte
sich um kleine, ehedem reichsfreie Herrschaften, die seit
dem Spätmittelalter nach und nach in habsburgische Hand
gekommen waren: Neuburg, Feldkirch, Bludenz, Bregenz
samt Hohenegg, Sonnenberg, Hohenems und Blumenegg.
Diese Sprengel waren einzig durch die Person des gemeinsamen
Landesfürsten verbunden, in Bregenz, Feldkirch
und Bludenz entstanden einander gleichgeordnete Vogteiämter.
Eine Zentralbehörde für die österreichischen Gebiete
auf Vorarlberger Boden wurde erst im 18. Jahrhundert eingerichtet.
Dadurch sowie als Folge der Zusammenfassung
der Untertanen zu einer eigenen, von den anderen vorderösterreichischen
Ständen getrennten Körperschaft entstand
das Land Vorarlberg, dessen heutiger Name gleichfalls im
18. Jahrhundert gebräuchlich wurde.
Noch zu Weihnachten 1805 rückte eine kleine bayerische
Truppe als Vorbote des Herrschaftswechsels in Bregenz ein,
am 19. Januar 1806 empfing König Maximilian I. eine Delegation
der Vorarlberger Stände zur Huldigung, die formelle
Übergabe des Landes erfolgte schließlich am 13. März 1806.
Die Trennung vom Haus Österreich, einer verhältnismäßig
fernen und daher milden Herrschaft, schmerzte, zumal sich
die Vorarlberger Stände bisher gegen gelegentlich geplante
Änderungen der Herrschaftsverhältnisse erfolgreich zur
Wehr gesetzt hatten.

In das arrondierte, souverän gewordene Königreich Bayern
integriert, wurde Vorarlberg von einem ungestümen
Modernisierungsschub erfasst, der keinen Stein auf dem
anderen beließ. Es war eine „Revolution von oben“, die Minister
Montgelas, der Schöpfer des modernen bayerischen
Staates, den Vorarlbergern verordnete: Zunächst erfolgte
die Eingliederung des Landes in die Provinz Schwaben,
dann traten an die Stelle der bisherigen 24 Gerichtsprengel
mit ihren völlig unterschiedlichen Strukturen und Kompetenzen
sieben gleichartige Landgerichte mit beamtetem
Personal für Jurisdiktion, Verwaltung und öffentliche Wohlfahrt.
Mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht verloren
die Landstände ihre Zuständigkeiten auf dem Gebiet
der Landesverteidigung, wenig später auch das Recht der
Steuereinhebung. Schließlich hatte die Aufhebung aller
Sonderverfassungen im Königreich Bayern gemäß der Verfassung
vom 1. Mai 1808 die Auflösung der Vorarlberger
Stände zur Folge. Zuletzt verschwand Vorarlberg, das eben
erst zu einem Land geworden war und ein Landesbewusstsein
entwickelt hatte, mit der Zuweisung der sieben Landgerichte
zum Illerkreis und seinem Generalkommissär in
Kempten gänzlich von der Karte.
Das hohe Reformtempo, die traditionsfeindliche Politik
der bayerischen Regierung, insbesondere die religiösen
Neuerungen – zu denen auch die Aufhebung des Klosters
Mehrerau zählte – sowie das rasche Wachstum bislang unbekannter
bürokratischer Strukturen und die damit verbundenen
finanziellen Belastungen verursachten bei der Bevölkerung
großen Unmut. Dabei spielte es keine Rolle, dass
die Neuordnung des Verwaltungs- und Gerichtswesens, vor
allem aber die Fortschritte im sozialen Bereich so bahnbrechend
waren, dass ein Gutteil der von den Grundsätzen der
Freiheiten, Gleichheit und Brüderlichkeit getragenen Reformen
nach der Rückkehr an Österreich beibehalten wurde.
Die fortschrittliche bayerische Verfassung des Jahres
1808 gewährte die Gleichheit vor dem Gesetz, garantierte
allen Staatsbürgern Sicherheit der Person, des Eigentums,
die Gewissens- und Religionsfreiheit sowie Pressefreiheit,
beschränkte den Adel auf Titel und Grundeigentum, hob die
Besitzergreifungspatent 30. Jänner 1806
letzten Reste der Leibeigenschaft auf. Diese immateriellen
Werte spielten jedoch nur für eine relativ schmale, ohnehin
seit josephinischer Zeit den Grundsätzen der Aufklärung
verbundenen intellektuellen Schicht tatsächlich eine Rolle,
dem Gros der bäuerlichen Bevölkerung erschienen sie eher
bedenklich.
Auch im sozialen Bereich waren die bayerischen Reformen
wegweisend, etwa durch die Einführung von Sanitätsprengeln
mit jeweils 3.000 Einwohnern, für die Landärzte
und Hebammen bestellt wurden. Dazu kamen der Ausbau
des Schulwesens, die staatliche Besoldung der Lehrerschaft
und deren grundsätzliche Befreiung vom Kriegsdienst, die
Einrichtung einer Industrieschule in Lustenau, die Einführung
der Feuerversicherung, die Abschaffung der Strafen
für uneheliche Geburten, die Beseitigung der Diskriminierungen
der jüdischen Bevölkerung, die Einführung der
staatlichen Obsorge für entlassene Häftlinge. Bemerkenswert
ist auch die Haltung, die das Königreich Bayern in der
Sache des Strafrechts eingenommen hat. Beim Übergang
1806 galt in Vorarlberg das österreichische Strafgesetz von
1803, das fortschrittlicher als das bayerische war. Es wurde
daher in Kraft belassen und erst nachdem Bayern 1813
ein neues Strafgesetzbuch erlassen hatte, wurde dieses in
Vorarlberg eingeführt.
All das wog wenig gegenüber dem Gefühl, in einem unüberschaubaren
Strudel von Veränderungen nur Objekt zu sein,
die herkömmlichen, weitgehend informell funktionierenden
Ordnungssysteme von moderner Bürokratie verdrängt, sich
staatlicher Kontrolle unterworfen zu sehen. Musterbeispiel
dafür ist die Anlage des „Bayerischen Kataster“, der ersten
flächendeckenden, ins Detail gehenden Verzeichnung des
Grundbesitzes als Basis für die Besteuerung.
Im so genannten „Weiberaufstand“ von Krumbach, der sich
1807 gegen die Verzeichnung der Wehrpflichtigen richtete,
fand die sich hier und dort artikulierende Unzufriedenheit
erstmals ein Ventil. Der Aufstand begann Ende Juni 1807,
als Christina Heidegger anlässlich einer Musterung den
Seite 115

amtshandelnden Aktuar mit frechen Reden provozierte.
Andere Frauen stürmten das Lokal und zerrissen die Musterrollen.
Der Aktuar wurde zunächst nach Langenegg,
dann nach Bregenz vertrieben. Eine zweite Anführerin,
Magdalena Schoch, wiegelte die Frauen in Hittisau und Lingenau
auf. Die Frauen bewachten die Häuser der Vorsteher
und der Geistlichen, um deren Kontakt mit der Außenwelt
zu unterbinden. Schließlich zog eine größere Schar bewaffneter
Frauen nach Bezau, um das Gerichtsgebäude zu stürmen,
das sie allerdings verlassen vorfanden. Der Aufstand
brach bald zusammen, die beteiligten Gemeinden wurden
bestraft, die Anführerinnen erhielten eine sechsmonatige
Gefängnisstrafe, wurden aber in weiterer Folge begnadigt.
Nachdem Napoleon den aufständischen Spaniern unterlegen
war, wagten England und Österreich im Frühjahr 1809
einen neuerlichen Waffengang. Da der Fünfte Koalitionskrieg,
in dem die Österreicher als Landmacht allein gegen
Frankreich standen, vornehmlich in Süddeutschland und
Oberitalien ausgetragen werden sollte, gewannen Tirol und
Vorarlberg große strategische Bedeutung. Zunächst erhoben
sich die Tiroler unter Andreas Hofer mit Waffengewalt.
Als in weiterer Folge österreichisches Militär unter Hauptmann
Johann Camichel von Tirol über den Arlberg vorrückte,
wuchs auch in Vorarlberg die Bereitschaft zum Aufstand,
insbesondere im Süden des Landes sowie in den bäuerlichen
Gebieten, weniger in den Städten. Da keine bayerischen
Truppen in Vorarlberg stationiert waren, konnte
Camichels durch heimische Freiwillige verstärktes Detachement
am 25. April ungehindert in Bregenz einziehen. Es
folgten Vorstöße nach Lindau sowie dem nördlichen Bodenseeufer
entlang bis nach Konstanz. Im Gegenschlag drangen
Bayern, Württemberger und Franzosen ins Vorarlberger
Alpenrheintal vor, wurden dort aber von den Landesverteidigern
geschlagen und über die Grenze zurückgeworfen.
Als Kommandanten der regionalen Aufgebote bewährten
sich vor allem die Schützenmajore Josef Sigmund Nachbauer
(Lehrer in Rankweil, 1759 bis 1813), Bernhard Riedmiller
(1757 bis 1832) und Josef Christian Müller (1775 bis 1851),
beide Gastwirte in Bludenz.
Seite 116
Weiberaufstand 1807
Am 19. Mai 1809 wählten die reaktivierten Landstände den
Advokaten Dr. Anton Schneider (1777 bis 1820) zum Landeskommissär,
am 9. Juni erfolgte seine Ernennung zum Generalkommissär.
Er amtierte damit als Landeschef in zivilen
wie militärischen Angelegenheiten. Schneider, der aus dem
seinerzeit vorarlbergischen Weiler im Allgäu (heute im bayerischen
Landkreis Lindau) stammte, hatte in Innsbruck
Philosophie und Rechtswissenschaften studiert, bereits
1799 an den Abwehrkämpfen gegen die Franzosen teilgenommen
und später als Anwalt in Bregenz und St. Gallen
(Schweiz) gewirkt.
Ein neuerlicher Angriff von Württembergern und Franzosen
konnte gleichfalls abgewehrt werden, die Zusicherung des
Kaisers im Wolkersdorfer Handbillet, er werde niemals in
einen Frieden einwilligen, der die Abtretung Tirols und
Vorarlbergs zur Folge habe, stärkte zunächst noch die
Kampfbereitschaft. Nachdem aber Napoleon am 5./6. Juli
bei Wagram gesiegt hatte, schloss Erzherzog Karl wenige
Tage später den Waffenstillstand von Znaim, der die österreichischen
Truppen zur sofortigen Räumung Tirols und
Vorarlbergs verpflichtete. Auch Kaiser Franz willigte nach
anfänglichem Zögern ein. Die Nachrichten darüber lösten in
Vorarlberg heftige Kontroversen zwischen Friedenswilligen
und den Befürwortern einer Fortsetzung des Krieges aus.
Angesichts eines drohenden französischen Angriffs von
Osten her beschloss der Landtag zunächst die Entlassung
der Landesverteidiger und die Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen,
dann aber – als bekannt wurde,
dass Erzherzog Johann dem Militär verbot, Tirol und Vorarlberg
zu räumen – weiteren Widerstand.
Angesichts der militärischen Lage brach der Aufstand Anfang
August vollends zusammen, starke württembergische
und französische Verbände – insgesamt etwa 10.000 Mann
– besetzten Vorarlberg. 177 Geiseln aus allen Landesteilen
wurden ausgehoben und über Ulm nach Belgien gebracht.
Dr. Anton Schneider stellte sich den Württembergern, da sie
ihn aber nicht an die Franzosen auslieferten, blieb ihm das
Schicksal Andreas Hofers erspart. Der dritten Erhebung der

Bernhard Riedmiller
Tiroler vermochte sich Vorarlberg nicht mehr anzuschließen,
nur in entlegenen Seitentälern hielten sich kleinere
Gruppen von Insurgenten bis in den späten Herbst. Im
Frieden von Schönbrunn am 13. Oktober 1809 musste Österreich
erneut auf Tirol und Vorarlberg zugunsten Bayerns
verzichten.
Von nun an betrieben beide Seiten eine Art Entspannungspolitik.
So wurden etwa bei den Landgerichten vom Volk
gewählte Deputierte als Vertrauensleute in beratender
Funktion installiert. Umgekehrt machten die Vorarlberger
das ehemalige Kloster Mehrerau der bayerischen Königin
Karoline zum Geschenk, Rieden wurde ihr zu Ehren in Karolinenau
umbenannt.
Bitter für die Vorarlberger war, dass sich Bayern am Russlandfeldzug
Napoleons teilnahm, hunderte Wehrpflichtige
aus dem ganzen Land mussten ihm folgen, viele kehrten
nicht wieder.
Im Frühjahr 1813 wendete sich das Blatt, die Freiheitskriege
begannen. Einen neuerlichen Aufstand, wie ihn Erzherzog
Johann anstrebte, wollte der Kaiser nicht riskieren. So kam
es, dass Dr. Anton Schneider, der nach seiner Freilassung
aus württembergischer Haft 1810 eine Stelle als Appellationsgerichtsrat
in Wien angetreten hatte, von der Regierung
Metternich der Mitarbeit im „Alpenbund“ Erzherzog
Johanns verdächtigt und deswegen 1813 bis 1814 auf der
berüchtigten Festung Spielberg in Brünn eingekerkert wurde.
Durch die Haft gesundheitlich ruiniert, starb er bereits
1820.
Nachdem Österreich am 12. August 1813 den Krieg erklärt
hatte, verpflichtete sich Bayern zunächst zur Neutralität
und schloss sich in weiterer Folge nach längerem Zögern,
aber noch zeitgerecht der Allianz gegen Napoleon an. Die
am 3. Juni 1814 unterzeichnete Pariser Konvention zwischen
Bayern und Österreich legte schließlich fest, dass Bayern
das Inn- und Hausruckviertel, Salzburg, Tirol und Vorarl-
berg – allerdings ohne das Landgericht Weiler – abzutreten
habe. Am 24. Juli fanden schließlich die Feierlichkeiten anlässlich
der Rückkehr Vorarlbergs an Österreich statt.
Heinrich Heine, der gnadenlose Spötter, glaubte, die Ursache
für den Aufstand der Tiroler unter Andreas Hofer in
diesem denkwürdigen Jahr 1809 zu kennen: „Von der Politik
wissen sie nichts, als daß sie einen Kaiser haben, der
einen weißen Rock und rote Hosen trägt; das hat ihnen der
alte Ohm erzählt, der es selbst in Innsbruck gehört von dem
schwarzen Sepperl, der in Wien gewesen. Als nun die Patrioten
zu ihnen hinaufkletterten und ihnen beredsam vorstellten,
daß sie jetzt einen Fürsten bekommen, der einen
blauen Rock und weiße Hosen trage, da griffen sie zu ihren
Büchsen und küßten Weib und Kind und stiegen von den
Bergen hinab und ließen sich totschlagen für den weißen
Rock und die lieben alten roten Hosen.“
Dass Andreas Hofer und die Seinen damals nicht allein geblieben
waren, dass auch die Vorarlberger sich gegen die
weißen Hosen und den blauen Rock erhoben hatten, war für
Heine offenkundig ohne Belang.
Während der Aufstand der Tiroler schon bald als Freiheitskampf
Berühmtheit erlangt hatte und zu einer Ikone der
deutschen Nationalbewegung geworden war, musste auf
jenen der Vorarlberger erst hingewiesen werden. Den Anfang
machte im Jahr 1820 der Bregenzer Stadtarzt Johann
Gunz. Hier wie in den folgenden Darstellungen standen die
militärischen Ereignisse des Jahres 1809 im Vordergrund,
so auch beim späteren österreichischen Ackerbauminister
Alfred Ebenhoch, der eine Festschrift zum 75-jährigen Jubiläum
„der ruhmvollen Erhebung Vorarlbergs für Oesterreich“
verfasste und der bayerischen Herrschaft jene Charakteristik
gab, die fortan zum Stereotyp werden sollte:
„Die Willkür der unfähigen und rücksichtlosen bayerischen
Beamten, die Einführung der Conscription, die Härte und
Ungerechtigkeit der Steuern, die rohe Art ihrer Einhebung,
die Einschränkung in der Ausübung der religiösen Pflichten,
Seite 117

Seite 118
Josef Christian Müller
die Verhöhnung alles Katholischen von Seiten der königlichen
Beamten, die Aufhebung der Klöster und insbesondere
des Stiftes Mehrerau bei Bregenz, die Niederreißung
der schönen Stiftskirche dortselbst und die Benützung ihrer
Mauersteine zur Erbauung des Seehafens in Lindau, die
Vergewaltigung und schlechte Behandlung der Priester des
Landes – und noch viele derartigen Umstände erhalten den
Keim zur Abwerfung des fremden Joches wach und rege.“
Bei der historischen Bewertung der Bayernzeit, insbesondere
aber des Aufstands von 1809 sah man sich vor
allem mit dem folgenden Problem konfrontiert: Bayern
hatte seine Zugewinne ja nicht willkürlich an sich gerissen,
sondern sie in staatsrechtlich völlig korrekter Form auf der
Grundlage von Verträgen erworben. Der König von Bayern
war der legitime Landesherr der Vorarlberger wie der Tiroler,
deren Erhebung also – juristisch gesehen – nicht nur
unrechtmäßig, sondern eindeutig hochverräterisch. Man
musste also eine Strategie zu ihrer Legitimation entwickeln.
Eine ihrer Komponenten hieß „Treue zum Haus Österreich“,
eine weitere „Notwehr gegen staatliches Unrecht“.
1902 beschäftigte sich Landesarchivar Viktor Kleiner mit
der Eingliederung Vorarlbergs in das Königreich Bayern –
vor allem um einen Wortbruch König Maximilians zu dokumentieren.
Dieser hatte den Deputierten der Vorarlberger
Stände die Beibehaltung ihrer Verfassung zugesichert, ein
Versprechen, das freilich angesichts der Notwendigkeit, für
das neue, aus verschiedenartigen Territorien erwachsene
Königreich Bayern ein einheitliches Staatsrecht zu schaffen,
allenfalls vorläufigen Charakter haben konnte. Breiten
Raum nimmt außerdem die schon unter Joseph II. erwogene
Aufhebung des ältesten und bedeutendsten Vorarlberger
Klosters, des Benediktinerstifts Mehrerau, ein sowie der
Abriss der Klosterkirche, eines Rokokobaus von 1743. Damit
hatte die Rechtfertigungsstrategie ihre dritte Komponente
erhalten, den „Wortbruch“ des bayerischen Königs.
Erster mit einer Monographie geehrter Vorarlberger „Kriegsheld“
von 1809 war nicht Dr. Anton Schneider, sondern der
Bludenzer Wirt und Schützenmajor Bernhard Riedmiller,
dem 1905 ein Denkmal gesetzt und eine Festschrift gewidmet
wurde. Auch für ihren Verfasser Josef Zösmair, einem
prononciert liberalen Historiker, stand Vorarlberg damals
unter einer Fremdherrschaft, die immer unerträglicher geworden
sei.
Als etwa zur selben Zeit liberale Kreise Vorarlbergs daran
gingen, die Errichtung eines Denkmals für Anton Schneider
in Angriff zu nehmen, setzte eine heftige Gegenkampagne
aus dem katholisch-konservativen Lager ein. Die Schriftstellerin
Anna Hensler unterstellte Schneider – zu Unrecht
– finanzielle Unregelmäßigkeiten und einen unmoralischen
Lebenswandel. Eigentlicher Grund war aber ohne Zweifel,
dass Schneider, im Grunde genommen ein „Josephiner“,
seinerzeit an der Zerstörung der Mehrerauer Klosterkirche
mitgewirkt hatte. Zu einem Freiheitshelden vom Kaliber
eines Andreas Hofer eignete sich der akademisch gebildete,
aufgeklärte Advokat, der den Aufstand zu allem Überfluss
auch noch überlebt hat, eben nicht. Wegen dieser Widerstände
konnte das Anton-Schneider-Denkmal erst 1910,
ein Jahr nach den pompösen Feierlichkeiten zum 100-Jahr-
Jubiläum der Erhebung, enthüllt werden. Es wurde später
vom zentralen Bregenzer Kornmarkplatz an einen wesentlich
weniger prominenten Standort hinter dem Gasthaus
Kornmesser bei der Post verlegt.
Die Jahrhundertfeier der Erhebung im Jahr 1909 stand
schließlich ganz im Zeichen des Wunsches der Vorarlberger
nach einer eigenen Landesverwaltung. Nach der Rückkehr
von Bayern an Österreich mit Tirol vereinigt, hatte Vorarlberg
zwar 1861 einen eigenen Landtag erhalten, verwaltungsmäßig
blieb das Land aber der Statthalterei in Innsbruck
unterstellt. Im ausgehenden 19. und zu Beginn des
20. Jahrhunderts bildeten daher die Bemühungen um eine
Trennung von Tirol eine Konstante der Vorarlberger Politik.

Anton Schneider
Auch die höchst aufwändigen Feierlichkeiten zum Jubiläum
von 1809 sollten diesem Zweck dienen: Es galt zu zeigen,
dass die Vorarlberger – bei aller innigen Verbundenheit mit
Österreich und dem Erzhaus – eine eigenständige, von Tirol
unterschiedliche Geschichte haben. Eine gemeinsame
Feier mit Tirol kam folglich nicht Frage. Im Zentrum des Gedenkens
stand ein Festzug, der dem Publikum annähernd
2000 Jahre Landesgeschichte Revue passieren und den eigentlichen
Anlass des Jubiläums zur Episode werden ließ:
Nur die Gruppen „Anmarsch der Feinde auf Bregenz“ und
„Einzug der siegreichen Landesverteidiger“ widmeten sich
ihm. Zuvor hatte die Statthalterei in Innsbruck dringend
empfohlen, alles zu vermeiden, was in Bayern Anstoß erregen
könnte.
Die historische Aufarbeitung der Erhebung überließen die
Vorarlberger einem Tiroler, dem an der Realschule in Dornbirn
wirkenden Ferdinand Hirn. Er sah die Vorgänge auf
wesentlich breiterer Quellenbasis differenzierter als seine
Vorgänger. Veränderungen im Sinn der Aufklärung hatten
freilich auch noch am Vorabend des Ersten Weltkriegs im
konservativ gewordenen Westen Österreichs einen schalen
Beigeschmack. Dass die „althergebrachte Verfassung“
Vorarlbergs zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch die Reformen
in maria-theresianischer und josephischer Zeit
ein bereits weitgehend ausgehöhltes Auslaufmodell war,
mochte dabei nicht ins Gewicht zu fallen – ebenso wenig
wie die Tatsache, dass die Vorarlberger 1809 mit Waffengewalt
gegen ihre nach allen Rechtsnormen legitime Herrschaft
vorgegangen waren. Man musste folgerichtig den
Aufstand – wie schon erwähnt – zu einer „patriotischen“,
von der „Liebe zum angestammten Herrscherhaus“ getragenen
Erhebung stilisieren und darüber hinaus als einen
Akt der Notwehr gegen bayerische Willkür rechtfertigen.
Erst der Zusammenbruch der Donaumonarchie machte eine
andere Sichtweise möglich: 1925 publizierte Adolf Helbok,
damals außerordentlicher Professor für Österreichische
Geschichte und Wirtschaftsgeschichte an der Universität
Innsbruck, eine Vorarlberger Landesgeschichte. Dem
liberal-deutschnationalen Lager zugehörig, waren ihm die
Reformen der Bayern ein Erfordernis der Zeit, die im Spätmittelalter
fußenden landständischen Strukturen hingegen
ein Anachronismus. Helbok wies erstmals sowohl auf die
Errungenschaften der Verfassung von 1808 als auch auf den
Zusammenhang zwischen der Aufhebung aller Sonderverfassungen
und dem Vorhaben der Schaffung einer bayerischen
Nationalrepräsentation, also eines Parlaments, hin.
Von der Einmütigkeit der Vorarlberger bei der Ablehnung
der Neuerungen war Adolf Helbok nicht überzeugt. Mit dieser
Sicht der Dinge blieb er allerdings isoliert, zumal wegen
seines späteren Engagements für den Nationalsozialismus
auch sein historisches Oeuvre in Misskredit geriet.
Vor allem weil Vorarlberg während der NS-Herrschaft seine
Selbständigkeit neuerlich verloren hatte und zu Tirol geschlagen
worden war, sah sich die „offiziöse“ Landesgeschichtsschreibung
nach 1945 in besonderem Maß bemüht,
identitätsstiftend zu wirken: Vorarlberg, so wurde argumentiert,
sei seit undenklichen Zeiten eine mit besonderen
Rechten und Freiheiten ausgestattete geopolitische Einheit;
die Vorarlberger seien – da anders als ihre Nachbarn – eine
eigene Nation, die sich stets in einem Abwehrkampf gegen
die Bedrohung von Einheit und Freiheit befunden habe –
gegen die Römer, das fränkische Königtum, die Staufer, die
Habsburger und schließlich gegen den Wiener Zentralismus
der Republik Österreich. Durch die von 1971 bis 1987
in fünf Bänden erschienene „Geschichte Vorarlbergs“ von
Benedikt Bilgeri fand dieses Geschichtsbild weite Verbreitung.
Die Vorgänge der Jahre von 1806 bis 1814 mussten
ihm folgerichtig als unerträgliche Kulmination von Fremdbestimmung
erscheinen. Bilgeri nahm alle bereits im 19.
Jahrhundert formulierten Vorwürfe wieder auf, benannte
das einschlägige Kapitel seiner Landesgeschichte „Die bayerische
Knechtschaft“ und charakterisierte das „verhaßte
Polizeiregime“ als „rücksichtslose“, als „ungeheuerliche
“„Zwingherrschaft“, getragen von einer korrupten Beamtenschaft
sowie von einigen wenigen Spitzeln und Kollaborateuren
aus der Priester- und Lehrerschaft. Was nicht in
dieses Bild passte, verschwieg Bilgeri konsequent.
Seite 119

Seite 120

Bezeichnenderweise fehlt in Benedikt Bilgeris Literaturverzeichnis
die 1977 bei Hans Wagner in Salzburg verfasste
Hausarbeit von Klaus Gnaiger mit dem Titel „Vorarlberg zur
Bayernzeit“. Sie zieht ein insgesamt positives Resümee,
verweist auf die historische Relevanz der Neuordnung des
Verwaltungs- und Gerichtswesens, vor allem aber auf die
Fortschritte im sozialen Bereich und hält fest, dass ein Gutteil
der Reformen nach der Rückkehr an Österreich beibehalten
wurde.
Diesem Urteil schließt sich auch Karl Heinz Burmeister an:
Zwar seien die bayerischen Reformen „für ein konservatives
Volk zu radikal, zu schnell“ gekommen, man möge aber
nicht vergessen, dass sie getragen waren „von den Grundsätzen
der Freiheiten, Gleichheit und Brüderlichkeit, die
durch die Französische Revolution zum Allgemeingut der
Menschheit geworden sind.“
Dennoch: Die Geschichte Vorarlbergs zur „Bayernzeit“ ist
nach wie vor noch nicht geschrieben, allenfalls die Faktenlage
zum Aufstand von 1809 einigermaßen gesichert.
Indem die regionale Historiographie die bayerische Verwaltungstätigkeit
– so wie die Zugehörigkeit zum Königreich
Bayern – zur bloßen Episode machte, verkannte sie deren
enorme Bedeutung für die weitere Entwicklung des Landes.
Dass Österreich fast alles, was die Bayern zwischen 1806
und 1814 eingeführt hatten, beibehielt, machte das Westende
der Donaumonarchie für mehr als ein halbes Jahrhundert
zu ihrem weitaus modernsten Teil. Die Sprengel der heutigen
Bezirksgerichte lassen sich auf die der bayerischen Landgerichte
zurückführen, die meisten Gemeinden Vorarlbergs
können heuer ihr zweihundertjähriges Bestehen feiern, der
„Bayerische Kataster“ wurde bis weit über die Mitte des 19.
Jahrhunderts fortgeführt. Ähnliches gilt für das Sanitätswesen
und andere Bereiche des öffentlichen Lebens.
Es würde nicht verwundern, sollten künftige, vielleicht sogar
grenzüberschreitende Forschungen ergeben, dass ausgerechnet
die „Revolution von oben“, die die Bayern den
Vorarlbergern verordnet hatte, die Weichen für die weitere
wirtschaftliche, politische und kulturelle Entwicklung des
Landes stellte und die von der Historiographie als Grundlage
ihrer fast durchwegs negativen Charakteristik herangezogen
Äußerungen von Zeitgenossen in erster Linie mit
einem Elitenwechsel als Folge der Professionalisierung von
Rechtswesen und Verwaltung zusammenhängen.
Seite 121

Feldkirch 1796 (Johann Conrad Mayer)
Seite 122

Während einer kurzen Zeitspanne, zwischen 1806 und 1814,
gehörten Vorarlberg sowie Tirol zum jungen Königreich Bayern.
In den gesamten 800 Jahren der Feldkircher Stadtgeschichte
ist ein Zeitraum von acht, neun Jahre eigentlich
unbedeutend, doch waren es sehr bewegte Jahre, die auch
einige ganz wenige Spuren hinterlassen haben.
Auffallend ist wie unterschiedlich in der Vorarlberger historischen
Literatur die Darstellung dieser bayerischen Epoche
ausfällt. War lange Zeit das Bild des Tyrannen, Despoten,
Unterdrückers des freien Vorarlbergers vorherrschend, wurde
1985 erstmals der Versuch unternommen, diese Zeit differenzierter
und sachlicher zu betrachten. 1
Bisher findet sich in keinem Vorarlberger Museum eine
Darstellung dieser Epoche, was nicht verwundert, da Vorarlberg
eigentlich kein einziges spezifisch historisches Museum
besitzt. Vielleicht ändert sich das im gerade in Planung
befindlichen neuen Landesmuseum. 2
Interessanterweise ist man im neuen Tiroler Landesmuseum
Zeughaus um einiges weiter. Der Bayernzeit ist ein eigener
Raum gewidmet mit Originalgegenständen, die sich
nicht nur auf Andreas Hofer beziehen.
Wie kam Vorarlberg zu Bayern?
Nach der verlorenen Schlacht von Austerlitz musste Österreich
im Frieden von Pressburg vom 25. Dezember 1805 Tirol
und Vorarlberg an den Sieger Frankreich abgeben. Nach
einem Entschädigungsplan vom Dezember 1805 hätten
Vorarlberg, das Allgäu und das Bodenseegebiet an Württemberg
kommen sollen. Der bayerische Unterhändler Freiherr
Gravenreuth war damit nicht zufrieden, protestierte
dagegen und wandte sich zuerst an den französischen Außenminister
Charles-Maurice de Talleyrand, der jedoch die
Interessen Württembergs unterstützte und ihn abwimmelte.
Er besorgte sich daraufhin einen Audienztermin bei Napoleon
und brachte seinen Wunsch vor.
Vortrag auf Einladung des Stadtarchivs Feldkirch; Feldkirch, Palais Liechtenstein, 16. Mai 2008
Christoph Volaucnik (geb. 1960 in Bregenz), Mag. phil. seit 1991 Stadtarchivar der Stadt
Feldkirch
Feldkirch in der Bayernzeit
Christoph Volaucnik
Napoleon sagte zu ihm „Wie, ist ihnen das noch nicht genug“.
Der Kaiser deutete auf eine Landkarte und sagte:
„Nun gut, nehmen sie.“ Mit einer Armbewegung konnte
Gravenreuth daraufhin Vorarlberg, Kempten und Lindau für
Bayern erhalten. Napoleon ließ den Außenminister rufen,
um den Vorgang zu protokollieren. Dieser weigerte sich aber
unter Hinweis auf die Vereinbarungen mit Württemberg. Daraufhin
sagte Napoleon herrisch: „Je le veux, ecrivez“. (Ich
will es so, schreiben Sie.) 3
Man sieht wie Napoleon mit Ländern umging, mit einer
Handbewegung über die Landkarte fällte er Entscheidungen.
Den Historiker Eberhard Weis erinnert diese Szene
an eine Verhandlung vor einer Flurbereingungskommission.
Hätte Gravenreuth sich nicht zu diesem mutigen
Schritt entschlossen, wäre Vorarlberg Teil des Königreichs
Württemberg geworden. (1809 überlegte sich Napoleon die
Übergabe Vorarlbergs an die Eidgenossenschaft, um sie aus
ihrer Neutralität herauszulocken. Er umschrieb Vorarlberg
so: „dieses Land hat Ähnlichkeit mit Euch in Sitten und phisischen
Mitteln, es besitzt den nämlichen Freiheitsdurst wie
ihr und würde sich mit Eurer Verfassung gut vertragen.“ 4 )
Dieser Karl Ernst Freiherr Gravenreuth wurde im März 1807
zum Generalkommissär der Provinz Schwaben ernannt
und hatte mit den Vorarlbergern ein recht gutes Einverständnis.
Die Landstände bauten ihm an der Bregenzer
Klause eine Gloriette, einen kleinen Aussichtspavillon mit
einer Widmung. Er wurde an einer Stelle gebaut, von wo
aus Gravenreuth jeden Abend den Sonnenuntergang am
Bodensee bewundern konnte. Nach 1814 war dies eine
politisch unerwünschte Erinnerung an die Bayernzeit und
verfiel; nur durch einen Bregenzer Bürger, der auf die touristische
Attraktion hinwies, konnte das Gebäude gerettet
werden. 5
Eine militärische Inbesitznahme Vorarlbergs bzw. von Bregenz
war bereits am Weihnachtsabend 1805, zwei Tage
vor der Unterzeichnung des Friedensvertrages erfolgt. Ein
Seite 123

hoher bayerischer Beamter in Begleitung von Militär marschierte
in Bregenz ein, versammelte die in Bregenz befindlichen
österreichischen Spitzenbeamten sowie den Bregenzer
Bürgermeister und informierte sie über die Besitzname
Vorarlbergs durch Bayern aufgrund des Kriegsrechtes und
Waffenerfolges seines Landesherrn, des Kurfürsten Maximilian
Joseph, an der Seite Napoleons. Der Spitzenbeamte
Preuß kehrte bald nach Kempten zurück, das bayerische
Militär blieb in Bregenz in Garnison. 6
Die Vorarlberger Landstände, darunter auch Feldkirch,
wurden am 12. Jänner 1806 nach Bregenz zu einer Sitzung
einberufen, wo Kreishauptmann Franz von Vintler sie über
die neue politische Lage informierte. Die Landstände beschlossen
die Entsendung einer Abordnung nach München,
bestehend aus dem Syndikus Dr. Johann Joseph von Ganahl
und dem Feldkircher Christoph Gugger von Staudach,
damals noch Landschreiber des Gerichtes Rankweil-Sulz. 7
Beide Herren sollten als Landrichter in der bayerischen Ära
wie auch später noch Karriere machen. Die Stände übergaben
dem neuen König und Landesherren eine Petition,
in der sie wirtschaftliche Wünsche und Ziele formulierten
wie auch die Beibehaltung ihres politischen Systems sich
wünschten. Im Pressburger Friedensvertrag war dies ja den
Tirolern und Vorarlbergern garantiert worden.
Den Kontakt mit dem alten Landesherrn hatten die Stände
nochmals kurz vor der offiziellen Übergabe an Bayern
gesucht. Eine Deputation, bestehend aus dem Feldkircher
Bürgermeister Josef Melchior von Keßler, Christoph
von Gugger und Dr. von Ganahl wurden ermächtigt, zum
österreichischen Gouverneur in Innsbruck, Graf Ferdinand
von Bissingen-Nippenburg, und sogar bis zum Kaiser zu
reisen. Neben einer Dankesadresse sollte um die Bezahlung
der offenen Kriegsrechnungen gerungen werden. Die
Deputation kam nur bis Innsbruck, wo sie von zwei Übergabekommissären
empfangen, wegen des Geldes nur vertröstet
wurden.
Seite 124
Schlacht bei Feldkirch 1799
Der eigentliche Übergabeakt des Landes an Bayern erfolgte
in Bregenz erst am 13.März 1806.
Diese Verzögerung von drei Monaten ergab sich durch noch
offene Kontributionen, Geldforderungen, die das französische
Militär aus Vorarlberg herauspressen wollte. Erst
nachdem diese finanziellen Fragen geklärt waren, übergab
Frankreich durch einen Abgesandten das Land an Bayern;
also nicht der Verlierer Österreich, sondern die Siegermacht
Frankreich vollzog diesen Rechtsakt.
Die Feier fand im Saal des Gasthauses „Löwen“ in Bregenz
statt. Dieser Gasthof befand sich am Kornmarkt (am Standort
des heutigen Sparmarktes und der Fahrschule Frener).
Aus Feldkirch war Bürgermeister Melchior von Kessler mit
dem Syndikus Ignaz Rederer erschienen. 8
In Feldkirch selbst gab es keinen Festakt. Wie reagierte man
hier auf diesen politischen Umsturz? Leider sind keinerlei
Berichte oder Schilderungen über diese heikle Situation
erhalten geblieben.
Im Feldkircher Stadtratsprotokoll vom 28. Dezember 1805
finden sich die Sätze: „den gebieterisch Drängen sich mit
Ergebenheit fügen sollen“ sowie „seye dieses unangenehme
Ereigniß, welches uns von unserm geliebten Landesfürsten
Kaiser Franz II. zu trennen drohe, mit Ruh und
Ergebenheit zu ertragen.“
Wobei der Stadtrat das erste Zitat aus einem Rundschreiben
des Vogteiamtes übernommen hat. Irgendwelche
Dokumente aus Privatbesitz wie Briefe oder Tagebücher,
die uns Auskunft über die Stimmung in der Bevölkerung
wiedergeben, fehlen leider. Ich vermute aber, dass man im
sehr kaisertreuen Feldkirch von diesem Herrscherwechsel
nicht gerade begeistert war.
Feldkirch war seit den Verwaltungsreformen Maria Theresias
und Josefs II. in politischer Sicht nicht mehr sehr
bedeutend, Bregenz hatte als Verwaltungszentrale die

Führungsrolle übernommen. In bayerischer Zeit setzte sich
diese Tendenz fort. Zwar haben die Generalkommissäre
Feldkirch besucht, wie Gravenreuth 1808, der festlich empfangen
und bedient wurde, in der Stellung der Stadt hat
dies aber nichts geändert.
Politisch brachte auch das Ende der Vorarlberger Landstände
1808 für Feldkirch Nachteile, da die Kanzlei der Landstände
in Feldkirch geschlossen, deren Archiv versiegelt und
dann 100 Jahre später nach Bregenz gebracht wurde. Trotz
der im Friedensvertrag und in einem ersten königlichen
Schreiben 1806 gemachten Zusagen zur Beibehaltung der
alten politischen Strukturen erfolgte 1806 die Einführung
neuer Verwaltungsstrukturen im Lande. 9 Dieser Bruch mit
althergebrachten politischen Usancen wurde bereits bei
der Machtübergabe bemerkt. Unter habsburgischer Führung
war es üblich, dass bei einem Herrscherwechsel vor
der Huldigung der Landstände die Privilegien des Landes
bestätigt wurden. König Max Joseph erneuerte diese alten
Privilegien bewusst nicht. Vorarlberg wurde der Provinz
Schwaben, dem Illerkreis zugeteilt. Sein Minister Maximilian
Graf von Montgelas meinte dazu, dass es dem Vorarlberger
wohl gleichgültig sein könne, ob seine Oberbehörden in
Tirol oder Schwaben sich befänden. In das neue, zentralistische
Staatsgebilde eines Montgelas, passte so etwas wie
Landstände nicht mehr hinein. Das innerhalb kurzer Zeit
um das Doppelte angewachsene Staatsgebiet von Bayern
war anders wohl nicht zu regieren als in zentralistischem
Sinn, Sonderrechte mussten abgeschafft werden. Auf historisch
gewachsene Strukturen wie die Landstände von Tirol
und Vorarlberg nahm man keinerlei Rücksichten. Damit
zogen sich die Bayern von vornherein die Feindschaft der
entmachteten politischen Führungsschicht zu. Die alten
Landammänner und Landschreiber verfügten in ihren Dörfern
und Talschaften über Einfluss, ihre Meinung galt und
sie waren Multiplikatoren des Hasses gegen die neue bayerische
Herrschaft. 10
Proklamation des Kaiserturm Österreich 1804
(rechts vorne das Rathaus)
Dieses Datum 1808, bzw. dieses Ereignis, scheint mir in
der Geschichte Vorarlbergs eminent wichtig und zu wenig
berücksichtigt zu sein. Die seit der frühen Neuzeit bestehenden
politischen Strukturen, die aus Vertretern aller
Talschaften und Städte bestehenden Landstände, die über
300 Jahre lang die Geschicke des Landes gelenkt bzw. mitgeprägt
hatten, wurden abgeschafft und nie mehr ins Leben
gerufen. Der österreichische Staat wollte nach 1814 von den
Landständen ebenfalls nichts mehr wissen, war sicherlich
froh, dass die Bayern die Auflösung durchgeführt hatten.
Die Feldkircher versuchten während dieser kritischen Umbruchzeit
durch Bestechung das Blatt zu wenden. Der ehemalige
Postverwalter Adrian von Häusler veranstaltete eine
Geldsammlung, die 1.200 bis 1.400 Gulden erbrachte, kauff te eine goldene Dose, packte die in Gold umgewechselte
Summe hinein und legte eine von ihm selbst verfasste Bitte
mit folgendem Wortlaut dazu: „Vater unser, gib uns das tägliche
Brot, gib uns armen Bürgern von Feldkirch den Sitz der
Stände, des Landgerichtes und des Gymnasiums!“ Dieses
Geschenk versteckte er im Umschlag eines Gebetsbuches,
das den makabren Titel „Officia defunctorum“ (Gebete für
die Toten) hatte, und überreichte es dem bayerischen Kommissär.
Die unterständische Kasse der Landstände sowie
die Stadt Bregenz brachten 2.000 Gulden zusammen, die
sie ebenfalls in Gold wechselten und in einem grünen Beutel
versteckt dem Kommissär überreichten. Die Feldkircher
reagierten rasch, als sie von der Aktion der Bregenzer erfuhren
und kauften in Augsburg ein silbernes Tafelgeschirr,
das sie als Geschenk dem richtigen und wichtigsten Mann
überreichten. 11
Diese lediglich vom Historiker Hirn kolportierte amüsante
Geschichte wirft ein Licht auf die alte Rivalität zwischen
Feldkirch und Bregenz, die angebliche Bestechlichkeit bayerischer
Beamter, das schöne Gebet von Häusler wurde
dann doch teilweise erhört, das Gymnasium und Landgericht
verblieben in Feldkirch.
Seite 125

Umwandlungen auf Behördenebene
Die Feldkircher Lokalhistoriker waren und sind besonders
stolz auf die uralten Rechte und Freiheiten, welche die Herrscher
des Mittelalters, Montforter, Habsburger der Stadt
verliehen haben. Ein frei gewählter Stadtammann, ein
Stadtrat, ein selten in die Stadtverwaltung eingreifender
habsburgischer Vogt waren „demokratische“ Sonderrechte
in Vorarlberg. In der Literatur wird die Rechtsstellung der
Stadt Feldkirch oft mit der einer Reichsstadt verglichen.
Spätestens mit Maria Theresia und ihren Reformen hörte
dieser Status auf. Interessanterweise wurde dann Ende
des 18. Jahrhunderts eine dieser letzten Besonderheiten
verschont oder beibehalten: die städtische Gerichtsbarkeit.
Während man in Tirol, das heißt in Innsbruck, Bozen und
Rovereto diese städtische Gerichtsbarkeit 1794 ganz abschaffte,
blieben in Feldkirch im Stadtbezirk dem Magistrat
alle „Judicialia, politica und oeconomica“ beibehalten. Dies
bedeutet, dass der Magistrat weiterhin in politischen und
wirtschaftlichen Angelegenheiten einen eigenen Aktionsbereich
hatten und auch das uralte Stadtgericht bestehen
blieb.
Die Bayern setzten einen eigenen Stadtrichter ein. Als erster
Stadtrichter wurde der ehemalige Rentmeister Alois
Eberlin bestimmt, dessen Einsetzung ins Amt sich aber verzögerte.
Erst auf ausdrücklichen Befehl vorgesetzter Stellen
hin wurde Eberlin offiziell in sein neues Amt am 27. August
1807 eingesetzt und vereidigt. Eberlin verlangte ein „surplus“
auf seine früheren, höheren Einkünfte als Rentmeister
sowie die Dienstwohnung des Syndikus im Rathaus.
Diese befand sich im zweiten Stock des Rathauses, im Bereich
des heutigen Bauamtes. 12 Als Adjunkt wurde ihm, auf
eigenen Wunsch, der bisherige Aktuar des Landesgerichtes
Sonnenberg Johann Nepomuk von Gilm zugewiesen. Dieser
wird als fleißig und geschickt bezeichnet. 13 Gilm machte in
der Justiz Karriere und war Vater des Autors Hermann von
Gilm und Notars Ferdinand von Gilm. 14
Seite 126
Melchior Keßler von Fürstentreu
Bereits am 5. August 1807 waren Eberlin und Gilm vor dem
im Rathaus versammelten Magistrat erschienen und teilten
diesem die Übernahme der Agenden des Stadtgerichtes
mit. Sie verlangten die Übergabe des Einlaufprotokolls,
der Gerichts-, Straf- und Vertragsprotokolle und der Waisenrechnungen
übergeben. Es wurde im Protokoll dieser
Übergabe abschließend festgehalten, dass kein Verbrecher
in Haft oder auf freiem Fuß sei und auch kein Kriminalfall
anhängig wäre. Friedliches Feldkirch! 15 Eberlin verlangte zur
Unterstützung seiner Arbeit einen Aktuar und Kanzlisten.
Auch die Registratur war aufzuarbeiten und der Ofen in der
Kanzlei zu reparieren. 16 Das Verhältnis zwischen Eberlin
und dem Magistrat war nicht ungetrübt. Die vorgesetzten
Behörden konnten über die Ursachen dieses Konfliktes
nur mutmaßen. Entweder waren die fortgesetzte Unzufriedenheit
Eberlins mit seinem Posten, über seine Dienstwohnung,
über den fehlenden Schreiber Schuld, oder die
Widerspenstigkeit der Feldkircher. Da die Behörden die
Wichtigkeit dieses Postens in einer Gemeinde erkannten,
wurde bald eine Neubesetzung durchgeführt. 17
1808 wurde der Vorarlberger Georg Feuerstein zum Stadtrichter
ernannt. Sein Jahresgehalt von 800 Gulden hatte
die Stadtkassa zu berappen. Feuerstein war bis 1806 Landschreiber
in Feldkirch, wurde dann zum Hofgericht Memmingen
und dann nach Bregenz versetzt. 18
Erst zu Beginn des Jahres 1809 wurde die städtische Gerichtsbarkeit
aufgelöst und deren Agenden, die Zivil- und
Kriminaljustiz dem Landgericht übertragen. Landrichter
Christoph Gugger ließ sich am 12. Jänner 1809 vom Stadtrichter
Feuerstein und dessen Aktuar von Gilm die Akten,
Protokolle und Amtsbücher übergeben. 22 Kriminaluntersuchungen
wurden vom Landgericht übernommen.
Gleichzeitig vergaß Gugger nicht, die Vorgesetzten auf seine
„Überladung“ mit Arbeit und die zu geringe Bezahlung
hinzuweisen. 19

Die Stadtrichter wie auch der Landrichter hatten das Recht,
Dienstuniformen und Galauniformen zu tragen, und sie
legten auch Wert darauf. Es war dies ein Anzug aus dunkelblauem
Tuch mit stehendem Kragen und Ärmelaufschlägen
aus rotem Tuch. Kragen und Aufschläge waren mit Stickereien
versehen. Auch der Frack war aus diesem Tuch, in
diesen Farben und mit Stickereien versehen. Landrichter
Gugger von Staudach erklärte 1807, dass das Landgericht
Feldkirch zwar „wenig Seelenzahl“ habe, also schwach bevölkert
wäre, er aber wegen der Grenzlage zahlreiche persönliche
Beziehungen zum Ausland, nach Liechtenstein,
habe und das Tragen einer Dienstuniform auch eine Form
der Repräsentation sei. 20
Die Stadtverwaltung
In der Stadt Feldkirch lebten 1806, bei der Übernahme
durch Bayern, in 234 Häusern 1.034 Personen, wovon 507
männlichen und 527 weiblichen Geschlechtes waren. 21 Nicht
hinzugezählt wurden Dienstboten und Gesellen. 1813 wurden
diese unteren, dienenden Klassen dann statistisch
erfasst. Neben den in diesem Jahr anwesenden 1.160 Feldkircher
Bewohnern lebten noch 45 Knechte, 118 Mägde, 30
Gesellen, 190 Beisäße und 27 Bauern in Feldkirch, was eine
Gesamtbevölkerung von 1.570 Personen macht. 22 Die Geschicke
dieser Bewohner Feldkirchs leitete der Stadtmagistrat,
bestehend aus vier Ratsmitgliedern und dem Bürgermeister.
Der erste Rat hatte auch das Amt eines „Syndicus“
inne. Recht interessant ist auch die 1786 festgelegten Voraussetzungen
für diese öffentlichen Ämter: Der Bürgermeister
solle ein redlicher, vernünftiger Mann von gutem Charakter
sein und aus der Gemeinde selbst stammen. Die drei
Stadträte sollten Männer von Redlichkeit und „von gutem,
natürlichen Begriffe seyn“. 23 In einem 1807 vom Landvogt
Vintler verfertigten Organisationsentwurf für Vorarlberg
werden die Verwaltungen der einzelnen Städte miteinander
verglichen und Verbesserungsvorschläge gemacht. Die 1797
beschriebenen politischen Strukturen waren zehn Jahre
später immer noch intakt. 24 Die Stadtverwaltung bestand
aus einem Kanzlisten, einem Rentmeister, einem Sekretär,
einem Registrator, einem Polizeikommissär, einem Ratsdiener
sowie einem Stadtknecht. In dieser Struktur gab
es durch die Ernennung des Feldkircher Syndikus Rederer
zum gemeinsamen Referenten der Vorarlberger Landstände
eine Lücke. Er hat als erster Magistratsrat und rechtskundiger
Syndikus alle Bereiche der städtischen Rechtspflege
alleine besorgt. Bis zur Einsetzung des bereits bestimmten
Stadtrichters Eberlin sollte er die Verwaltung der Zivil- und
Kriminalgerichtsbarkeit fortführen.
Die Bayern beseitigten jedoch die bisherige Form der
städtischen Selbstverwaltung. Die Neugliederung des öffentlichen
Lebens in ganz Bayern basierte auf der am 1.
Mai 1808 erlassenen Verfassung des Königreiches Bayern.
Damit hörten alle Sonderverfassungen und Privilegien auf.
Für Vorarlberg bedeutete dies das Ende der alten Stände,
was man am 16. Mai 1808 den Standesrepräsentanten bei
einer Versammlung im Feldkircher Rathaus bekanntgab. 25
Die Neugestaltung der Gemeinden geht auf ein „Edikt über
das Gemeinde–Wesen“ vom 24. September 1808 zurück. 26
Der Magistrat war nur mehr Befehlsempfänger, das Landgericht,
ein Vorgänger der heutigen Bezirkshauptmannschaft,
war die vorgesetzte Behörde, von der die Stadtverwaltung
abhängig war. Der Landrichter gab alles vor, jede städtische
Angelegenheit musste dem Landgericht vorgelegt werden,
das zustimmte oder ablehnte. Laut der bayerischen Gemeindeverfassung
war eine Gemeinde wie ein Mündel zu
behandeln, konkret wurde im Edikt festgelegt, dass die
Dorfgemeinden „unter der beständigen Kuratel des Staates“
stehen. In direktem Zusammenhang mit der Kuratel steht
auch der hierarchische Verwaltungsaufbau des Staates:
„Die Kuratel der Gemeinden ist ein Theil der Staats-Polizei,
und wird in dem obersten Ressort von dem Ministerium der
inneren Angelegenheiten, und unter dessen Leitung von
den General-Kreis-Kommissariaten durch die Unter-Gerichte
als Polizei-Behörden, und in den größeren Städten durch
besondere Beamte ausgeübt.“ 27 Dieser Behördenaufbau
Seite 127

Seite 128
Felkirch 1815 von Westen (Ferdinand Bachmann)
Zur Erinnerung an den Besuch Kaiser Franz I. im Jahr 1815
gab der Stadtmagistrat beim Feldkircher Rentamtspraktikanten
Georg Ferdinand Bachmann (1787 bis 1850) als Geschenk
diese kolorierten Radierungen in Auftrag.

Felkirch 1815 von Norden (Ferdinand Bachmann)
Seite 129

sollte nun für Jahre die Lösung kommunaler Aufgaben bestimmen.
Die Stadt Feldkirch konnte einen Antrag stellen,
der dann über das Landgericht an das General-Kreis-Kommissariat
des Illerkreises in Kempten und von dort letztendlich
an das Ministerium in München zur Entscheidung kam.
Die Antwort ging denselben Weg zurück. Auch der Aufbau
der Gemeindeverwaltung wurde zuerst durch dieses Edikt
des Jahres 1808 bestimmt. Die Gemeinde sollte in Städten
unter 5.000 Einwohnern durch einen von den Gemeindebürgern
frei gewählten „Municipal-Rat“ vertreten werden,
der aus vier, höchstens fünf Personen bestehen sollte, wobei
er unter der Leitung des Kuratel-Beamten stand. Zusammenkünfte
durften nur unter der Leitung der Polizeistelle
stattfinden. 28
Der Landrichter nahm auch an Sitzungen des Stadtrates teil
bzw. der Stadtrat legte die Sitzungsprotokolle zur „Vidimierung“
dem Landgericht vor. Auch Bürgerrechtsverleihungen
mussten nach dem Stadtratsbeschluss dem Landrichter
vorgelegt und „ratifiziert“ werden. Damit verlor der Feldkircher
Stadtrat ein seit dem Mittelalter ausgeübtes Recht. 29
Der Stadtrat wurde vorerst nur als provisorischer Stadtrat
anerkannt oder bezeichnet.
Erst 1813, also nach sieben Jahren, legte das Landgericht
eine neue Stadtverfassung vor, basierend auf dem Edikt
vom Jahre 1808. 30
Sie legte die Aufgaben des Bürgermeisters genau fest, die
Agenden der Gemeinde. Wie pathetisch der Landrichter
Gugger diese Stadtverfassung einer Versammlung aller
Spitzenbeamten und Gemeindehonoratioren vortrug sollen
folgende Zeilen beweisen:
„Seine Majestät unser allergnädigster König, auch mitten
unter den ungütigen Regentensorgen welches iezt noch die
obwaltenden Kriegsverhältnisse vermehren, mit landesväterlicher
Liebe für das Wohl allerhöchst ihrer getreuen Un-
Seite 130
terthanen zu machen gewährt haben mittels allerhöchsten
Reskripts vom 6. vorigen Monats über die Organisation des
Gemeindewesens der Stadt Feldkirch folgendes allergnädigst
zu beschließen geruhet.“
Genauso pathetisch und huldvoll ist der Schlusssatz:
„Möge Ihnen stets das erhabene Vorbild unseres theursten
Monarchen vor Augen schweben, welcher mit rastloser
Sorgfalt blos für die Beförderung des Wohls seiner Völcker
sich hingibt, streben sie ebenso durch thätige und getreue
Verwaltung ihrer Ämter sich der allerhöchsten Gnade des
Königs, des Vertrauens und der Erwartungen Ihrer Mitbürger
würdig zu machen, und sie werden alle, jeder auf
der ihm vorgezeichneten Bahn, zu dem ausgesteckten Ziel
gelangen das ist, die Wohlfahrth der ihm anvertrauten Gemeinde
derzeit und für die Zukunft fest und dauerhafter
begründet.“
Einleitend stellte Gugger den Grundsatz der bayerischen
Gemeindeverfassung vor: “Die Regierung selbst übernimmt
die oberste Kuratel und Leitung der Angelegenheiten der
Gemeinden.“ Die Gemeinde war also rechtsunmündig und
unterstand völlig der Regierung und ihren Organen.
Die Gemeindeverfassung trennte zwischen polizeilicher
und ökonomischer Verwaltung. Die polizeiliche Verwaltung
wiederum wurde in die exekutive polizeiliche Gewalt sowie
in die Besorgung der Geschäfte, die auf die Erhaltung des
Gemeindegutes und auf die strafende Gerichtsbarkeit unterteilt.
Dem Bürgermeister standen die von der Gemeinde selbst
erwählten Munizipalräte zur Seite. Die Räte sollten übrigens
„Männer des öffentlichen Zutrauens würdig“ sein. Der Bürgermeister
hatte als Vorstand der Gemeinde für die Vollziehung
der Gesetze und für die innere öffentliche und private
Sicherheit der Bürger zu sorgen. Er musste die Gefährdung
und Beschädigung der Personen, ihrer Ehre, ihrer Gesund

heit, ihres Eigentums und ihrer Rechte abwehren. Zu seinen
weiteren Aufgaben gehörte die Erhaltung der öffentlichen
Ruhe und Ordnung, die Verhinderung aller Exzesse, die
Entfernung verdächtiger und gefährlicher Menschen, die
Verhütung heimlicher Unterschleife, die Entdeckung und
Verhaftung von Verbrechern und die Aufsicht auf Fremde
und Reisende. Der Bürgermeister musste sich auch um die
Armenpflege, die Gesundheitspflege, die Lebensmittelhygiene,
die Aufsicht über Maße und Gewichte, die Anordnung
und Vollziehung der bestehenden Feuer-, Bau- und Dienstbotenordnung
kümmern. Einfluss nehmen sollte er auf gute
Sitten, Gottesverehrung und den Unterricht. Sorgen musste
er sich um die Reinlichkeit und gute Erhaltung der öffentlichen
Brunnen und Wasserleitungen, um die Brücken und
Wege. Die Grenzen und Marken der Gemeinde waren von
ihm zu besichtigen, die Landwirtschaft und Industrie hatte
er zu fördern und die Beachtung der Flur- und Waldpolizei
gehörte ebenso zu seinem Aufgabenkreis. Die Magistratsräte
hatten ihn bei der Erfüllung der Aufgaben zu unterstützen.
Als Zwangsmittel zur Durchsetzung seiner Pflichten und
Aufgaben durfte er Strafen verhängen, aber erst nachdem
Belehrungen und Verwarnungen nichts gefruchtet hatten.
Die Gemeindediener standen ihm dafür zur Verfügung. Die
Gemeindemitglieder wiederum waren ihrem Bürgermeister
gegenüber zur Folgeleistung und Gehorsamkeit verpflichtet.
Er selbst war wiederum der königlichen Polizeistelle untergeordnet,
die ihn unterstützen musste. Gemeinsam mit
den Magistratsräten hatte er das Gemeinde- und Lagerbuch
zu führen, die Verkündung der königlichen Verordnungen
zu veranlassen, die Zivilstandsregister zu führen, Vermittlungen
bei Streitigkeiten durchzuführen und die Bestrafung
von geringen Polizeivergehen zu exekutieren.
Die Munizipalräte hatte durch Stimmenmehrheit ihre Beratungen
und Beschlüsse zu fassen. Zu ihrem Wirkungskreis
gehörte alles, was mit dem Eigentum, den Einnahmen, den
Rechten und Verbindlichkeiten der Gemeinde zu tun hatte.
Wie abhängig auch der Munizipalrat von der Regierung
war, beweist folgende Bestimmung: “Die Versammlung des
Municipalrates kann nur mit Bewilligung der Polizeistelle
(Landrichter) geschehen und die Beschlüsse erhalten erst
durch ihre Sanction eine geltende Kraft.“
Die Verwaltung der Stadtfinanzen wurde einem vom König
ernannten „Communaladministrator“ übertragen. Er war
verantwortlich für Verrechnung der Einahmen und Ausgaben
und legte darüber am Ende des Jahres die Abrechnung vor.
Dem Munizipalrat legte er diese nur zur Einsicht vor, dem
Landgericht übergab er sie zur Weiterleitung an die Revisionsstelle
des königlichen Generalkommissariates. Die Verfügungsgewalt
bzw. Kontrolle über das Geld wurde also der
Stadt abgenommen und dem Staat unterstellt. An den Kommunaladministrator
hatten die städtischen Bediensteten
wie der Gemeindediener, der Holzmeister, der Ziegel- und
Kalkmeister, der Kornhausmeister und die Stadttorwärter
das eingenommene Geld und die Rechnungen zu überreichen.
Gegründet wurde die Kommunaladministration nach
eigenen Angaben aber erst am 1. Mai 1813. Sie machte die
Stadt immer wieder auf mögliche Mehreinnahmen oder auf
buchhalterische Aufgaben aufmerksam, zumindest erwecken
einige Dokumente des Jahres 1813 diesen Eindruck. So
wurde vorgeschlagen, das städtische Kalkwerk und die Ziegelbrennerei
nicht mehr in Eigenregie zu führen, sondern
den Betrieb zu verpachten. Auch Mehreinnahmen durch
Neuorganisation des „Kornstübels“, des Kornmarktes wurden
gemacht. Durch Neuverpachtung eines Hügels (Bühel)
oberhalb der Nofler Parzelle Fresch erhoffte man sich höhere
Einnahmen. Man wollte neben dem Grasnutzen auch
noch die Nutzung von Laub und Eicheln verpachten. Mit
dem Laub wurden die als Matratzen dienenden Laubsäcke
gefüllt, die Eicheln dienten der Schweinemast. Die erreichte
Pachterhöhung von vier auf fünf Gulden 12 Kreuzer standen
wohl in keinem Verhältnis zum Aufwand. Mehreinnahmen
erhoffte man sich von Mietenachforderungen der Dienstwohnung
im Gymnasium. Auch von einer Neuregelung der
Standgebühren an den Jahr- und Wochenmärkten erhoffte
man sich Mehreinnahmen. 31 Das Verhältnis zwischen Kommunaladministration
und dem Munizipalrat scheint nicht
Seite 131

immer konfliktfrei gewesen zu sein. Jedenfalls kann die Aufforderung
der in Kempten befindlichen Kreisbehörden vom
25. Februar 1814 so interpretiert werden. Der Munizipalrat
sollte sich nicht mehr in die Angelegenheiten der Kommunaladministration
einmischen. Dieser Behörde allein stand
der Abschluss von Verträgen über Gemeindegüter und Kommunalrenten
zu. 32
Die Stadt Feldkirch verlor 1810/11 auch die wichtigen traditionellen
Einnahmequellen aus dem Hallgeld, dem Lagerzins
aus den im Salzstadel deponierten Salzfässern sowie das
Niederlagsgeld, also die Einnahmen aus den in der Zuschg
eingelagerten Kaufmannswaren. Genauso wurde die
älteste Einnahmequelle, das Umgeld, die Getränkesteuer
abgeschafft. Der bayerische Staat zahlte dafür, rückwirkend
auf drei Jahre, eine Entschädigung. Die Niederlagsgebühren
wurden mit jährlich 1420 Gulden berechnet und
das Umgeld mit 831 Gulden, was rückwirkend auf vier Jahre
eine Entschädigung von 3326 Gulden ausmachte. Dieser
Eingriff in die städtischen Einnahmen wurde wegen ihrer
Widersprüchlichkeit mit der bayerischen Mautordnung
vorgenommen. So gab es seit 1811 in Bayern keinerlei Binnenzölle
mehr. Feldkirch kassierte bis 1822 diese Entschädigungen,
dann fand das österreichische Landgericht die
Summe zu hoch und ein jahrelanger Streit entstand. 33
Wie abhängig die Stadtverwaltung von den Staatsbehörden
geworden war, geht auch aus der Tatsache hervor, dass der
Stadtschreiber Alois Tschohl sein Anstellungsgesuch an das
Landgericht und das Kreiskommissariat stellen musste. 34
Die Macht des Landrichters Gugger von Staudach über die
Stadt und den Bezirk Feldkirch war beachtlich. Er war der
höchste Beamte des Landgerichtes, entschied über zivile
Angelegenheiten wie auch gerichtliche Streitfälle. In der
Stadt Feldkirch war er Chef der Polizeidirektion. 35 Gugger
war gleichzeitig Stadtkommissär von Feldkirch. Ursprünglich
hatte der Stadtrichter dieses Amt inne. Am 12. Oktober
1807 führte der Kreiskommissär Abraham Kutter den
Seite 132
Landrichter Gugger in sein Amt als Stadtkommissär und
Polizeidirektor ein. Er wurde dem Magistrat und Gemeindeausschuss
vorgestellt und die Einwohner verpflichtet,
seinen Anordnungen Folge zu leisten. Die Gemeindeausschussmitglieder
wurden verpflichtet, alles, was sie gerade
bei diesem Einführungsakt gehört hätten, ihren Mitbürgern
zu erzählen. Der Bürgermeister, alle Magistratsräte und Gemeindeausschussmitglieder
hatten mit ihrer Unterschrift
das Einführungsprotokoll zu beglaubigen. 36 Der Stadtkommissär
war eine Art königlicher Oberaufseher über die
Stadt. 1807 wurden die Statuten für den Stadtkommissär in
Feldkirch erlassen.
Im selben Jahr wurde eine Instruktion für die Polizeidirektion
der königlich bayerischen Stadt Feldkirch erlassen.
Die Sicherheits-, Feuer- und Baupolizei wurde der Stadtverwaltung
weggenommen und dem Polizeidirektor, sprich
dem Landrichter übertragen. Er hatte nun die Aufsicht über
die Stadtpolizisten, die Tor- und Nachtwächter, die Lebensmittelbeschauer,
die Feuerbeschauer. Neu eingeführt wurde
die Baupolizei. Seit 1807 hatte ein „Häuslebauer“ bzw.
jeder Bauherr einen amtlichen Bauplan vorzulegen. Die
Baupolizei sollte das zu erstellende oder zu begutachtende
Haus auf seine Feuersicherheit, seine Sicherheit und auch
auf seine Schönheit hin untersuchen. Besonders den Aspekt
der Schönheit ist bemerkenswert. Was ist bei einem
Haus schön? Darüber streiten sich bekanntlich bis heute
die Fachleute, konkret in Feldkirch der sogenannte architektonische
Fachbeirat und wohl noch mehr der an Architektur
interessierte Laie. Auch die Dachrinnen, die das Regenwasser
im Untergrund versickern lassen, wurden damals von
der bayerischen Verwaltung in Feldkirch eingeführt.
Auch die Zensur, sprich die behördliche Durchsicht aller in
Feldkirch gedruckten Werke, Zeitungen, Bücher, oblag dem
Polizeidirektor.
Landrichter Gugger führte den Vorsitz bei den Magistratssitzungen,
die ganze einlaufende Post im Rathaus kam

zuerst auf seinen Schreibtisch und erst danach zum Bürgermeister.
Alle Protokolle und alle auslaufenden Schriftstücke
waren ihm vorzulegen. Der Kommissär unterschrieb
auf der rechten und der Bürgermeister auf der linken Briefseite.
Auch alle an die übergeordneten Dienststellen in
Ulm, Kempten oder München bestimmten Schreiben waren
ihm vorzulegen. Bei Wahlen in den Stadtrat hatte er die
Wahlleitung inne, musste vorher die Kandidaten auf ihre
Anhänglichkeit zur Regierung überprüfen und in München
die Bewilligung zum Kandidaten einholen. Nach der Wahl
hatte er den Gewählten in das Amt einzuführen. Auch einen
neuen Geistlichen hatte er der Gemeinde zu präsentieren.
Der Landrichter war in Feldkirch „ein kleines Herrgöttle“,
Bürgermeister und Stadträte wurden zu Befehlsempfängern
reduziert.
Mit der behördlichen Zentralstelle im Illerkreis, dem Generalkommissariat
in Kempten und den Gemeinden muss
es über den normalen Dienstweg hinaus Kontakt gegeben
haben. Jedenfalls kann eine Eintragung im Einreichungsprotokoll
des Jahres 1811 so interpretiert werden. Am 24.
März 1811 muss in Kempten eine Zusammenkunft, eine allgemeine
Versammlung stattgefunden haben. Als Vertreter
Feldkirchs fungierte Johann Josef Ganahl, dem aufgetragen
wurde Bitten verschiedener städtischer Ausschüsse dort
vorzutragen. 37
Details über diese Zusammenkunft fehlen.
Verordnete Liebe zum Herrscherhaus
Ein unabdingbarer Bestandteil jeder Monarchie ist die
persönliche Beziehung oder der Aufbau einer solchen zum
Herrscherhaus. Die seit 1390 über Feldkirch regierenden
Habsburger haben über Generationen hinweg einen Kult
um die Person des Kaisers gepflegt, bestes Beispiel ist
Kaisers Geburtstag, der als ein offizieller Feiertag festlich
begangen wurde.
Johann Josef Ganahl
Der plötzliche und unerwartete Wechsel des Herrscherhauses
1805/06 war für die Bevölkerung vermutlich
schwierig.
Amtlicherseits versuchte man diese Liebe durch Anordnungen
wie der Abhaltung eines Gottesdienstes, eines
Hochamtes, anlässlich des Namenstages der Königin oder
der gedruckten Vorschreibung eines Gebetes anlässlich der
Niederkunft der Königin aufzubauen. Der Geburtstag des
Königs wurde 1811 mit einem Hochamt und einer Parade
des Bürgermilitärs auf dem Domplatz gefeiert. 38 Fraglich
ist, ob man mit derartigen befohlenen Feierlichkeiten und
Gottesdiensten wirklich eine Anhänglichkeit an das Haus
Wittelsbach aufbauen konnte.
Das Feldkircher Wochenblatt
In die Bayernzeit fällt auch der Startschuss zur ersten in
Feldkirch gedruckten Zeitung, dem „Feldkircher Wochenblatt“,
das als „Feldkircher Anzeiger“ bis heute existiert. 39
Der aus Kempten stammende, in Bregenz eine gewisse Zeit
beim Buchdrucker Brentano beschäftigte Kaspar Graff kam
1808 nach Feldkirch und begann mit 1. Jänner 1809 mit dem
Druck des „Feldkircher Wochenblattes“. 40 Es war dies jedoch
ein reines Amtsblatt, in dem Kundmachungen, Versteigerungen,
auch die Lebensmittelpreise veröffentlicht wurden.
Nur bei besonderen Ereignissen wurden auch Nachrichten
veröffentlicht, die aus offiziellen Blättern stammten. Interessant
sind die Berichte über den Beginn des Russlandfeldzuges
oder die Fertigstellung des Lindauer Hafens. Unbekannt
ist, welche Haltung Graff während des Aufstandes
gegen die Bayern 1809 einnahm. Noch im Dezember 1813,
als Bayerns Herrschaft bereits wankte, beschwor das Feldkircher
Wochenblatt die Treue Feldkirchs zum Souverän und
zum bayerischen Vaterland. Andererseits wagte Graff 1809
den Druck eines fingierten Spottbriefes über die Vertreibung
der württembergischen, bayerischen und französischen
Soldaten aus Vorarlberg. Das Werk erzählt in Versen und in
schwäbischem Dialekt die Ereignisse des 29. Mai 1809 aus
Seite 133

Sicht eines württembergischen Soldaten. 41 Im Titelblatt des
Wochenblattes führte er das bayerische Wappen, nach 1814
den österreichischen Doppeladler. Über die Verhaftung von
Andreas Hofer berichtete er am 13. Februar 1810, wobei er
sicherlich den Text einer offiziösen bayerische Zeitung abdruckte:
„Hofer, ein Mann von ungefähr 44 Jahren, mit kleinen,
schwarzen, tiefliegenden Augen und einer intriquanten,
meist lächelnden Miene sieht sich fast nicht mehr gleich;
Angst, Furcht, Hunger, Kälte, vielleicht auch Gewissensbisse
haben ihn ganz entstellt.“
1814 zeigte das Feldkircher Wochenblatt einen wahren
österreichischen Patriotismus. Am 12. Juli 1814 wurde in
diesem Lokalblatt anlässlich der Rückkehr Vorarlbergs zu
Österreich folgendes Gedicht veröffentlicht: „Unsere lichtlosen
Tage sind mit einer Nacht alle hinuntergeschwunden,
einem Tage Raum zu geben, der es verdient, in die Herzen
der kommenden Geschlechter gegriffelt zu werden.“ Das
Wort „Griffeln“ muss Graff besonders gut gefallen haben,
denn er verwendete es 1815, wiederum bei einem patriotischen
Anlass, nochmals: bei der Durchreise von Kaiser
Franz I. durch Feldkirch. Am 17. Oktober 1815 wurden folgende
Worte zu diesem Anlass im Wochenblatt veröffentlicht:
„Der glorreiche Kaiser, auf den ganz Europa herabsieht,
Dessen Thron in schimmerndem Gewande Ungarns
erste Magnaten und die Großen des Königreichs Böhmen
umglänzen, Dieser Monarch kam in Vorarlbergs Mitte, hat
heute inner unsern Mauern einfach geschmückte Thal- und
Bergbewohner um Seinen Vatersitz versammelt! Laßt uns
Denkmale errichten; Griffeln wir in alle Steine, was in unsere
Herzen gegraben ist: Franz war da.“
Graff muss seine Buchdruckerei erfolgreich und gewinnbringend
geführt haben, da er 1810 das Haus Gymnasiumgasse
4 und 1816 ein Haus in der Neustadt erwerben
konnte. 42
Seite 134
Ausgaben des Feldkircher Wochenblattes finden sich in
der Vorarlberger Landesbibliothek wie auch in der Stadtbibliothek
Feldkirch. Bisher nicht nachweisbar ist der von
Graff gedruckte Feldkircher Kalender. 1809 ist er erstmals
aufgelegt worden. 1810 wurde bestätigt, dass Graff „allein“,
also als einziger in Vorarlberg Kalender drucke und sich die
Kalender von Kempten und Augsburg als Vorbild nahm. Er
hatte die Druckvorlagen der Polizeibehörde zur Genehmigung
vorzulegen. Die „abgewürdigten“, also aufgelassenen
Feiertage hatte er teilweise in roten Lettern gedruckt, wie
beispielsweise den Gallustag. 1813 berichtete er, dass die
Auflage von 5.000 Stück sich in den letzten vier Jahren stark
reduziert habe und er für das Jahr 1814 mit einer Auflage
von 1.000 Stück rechne. Er erwähnt auch einen Vertrag
mit einem Kemptener Buchdrucker, was einen Hinweis auf
ein gemeinsames Druckwerk der beiden Buchdrucker sein
mag. 43
In der bayerischen Ära wurden erstmals in der Vorarlberger
Geschichte Druckwerke als Informations- und Propagandamaterial
eingesetzt. Während des Anschlusses an
Bayern wurde die Bevölkerung mit Druckschriften informiert,
die Rede des Landesvogtes Vintler abgedruckt und
verbreitet. Auch während der Unruhen 1809 bediente man
sich der Presse. Auch beim Übergang an Österreich 1814
erschienen wiederum Druckschriften, in denen die Freude
über die Rückkehr zu Österreich ausgedrückt wurde. Es gab
damals bereits genügend Druckereien in Vorarlberg, die
technisch auch in der Lage waren, diese Druckaufträge zu
übernehmen. 44
Kirche
Einen problematischen Weg ging Bayern bei der Frage des
Verhältnisses zwischen Staat und Kirche sowie bei der Stellung
der Kirche. So wie in Österreich der Sohn Maria Theresias,
Kaiser Joseph II., 1789 mit der Aufhebung von Kirchen
und Klöstern den Volkszorn auf sich zog, sahen sich auch
die Bayern wegen ihrer Kirchenpolitik scharfer Kritik ausgesetzt.

Der moderne bayerische Staat unter Minister Montgelas
war im Sinne der Aufklärung tätig, die Kirche, der Priester
hatten dem Staat bei der Erfüllung seiner Aufgaben behilflich
zu sein, sie wurden zum verlängerten Arm der staatlichen
Verwaltung. Klöster wurden aufgehoben, der Staat
benötigte dringend das Geld, den Besitz der Klöster um die
Staatsschulden zu decken. Während sich in Bayern selbst
der Staat ab 1800 an diesem größten von oben diktierten
Raubzug der jüngeren Geschichte beteiligte, und die wirklich
bedeutenden, traditionsreichen Klöster in Altbayern
und Schwaben systematisch ausplünderten, gab es im
armen Gebirgsland Vorarlberg vergleichsweise nur wenig
zu holen. 45 Das Benediktinerkloster Mehrerau fiel der Säkularisation
auf brutalste Art zum Opfer, in Feldkirch wurde
das Priorat St. Johann säkularisiert, die Kirche zu einem
Lagerhaus herabgewürdigt. Der Grundbesitz von St. Johann
in Tisis und vor allem in Liechtenstein wurde verkauft bzw.
vom Staat eingezogen und verpachtet. 46
Es kam zu kleinlichsten Regelungen und Vorschriften im
alltäglichen Kirchenleben. So wurde beispielsweise der
Wachs- und Ölverbrauch reguliert, die Messner zu größter
Sparsamkeit aufgefordert.
Im Stadtarchiv Feldkirch befindet sich ein Protokoll, das bei
einer Befragung des Messners Wunibald Briem über den
Ölverbrauch in der Kirche verfasst wurde. Er verwendete Öl
als Brennmaterial für das Ewige Licht, in der Karwoche beim
Heiligen Grab, beim Marienaltar an Sonn- und Feiertagen,
jeden Donnerstag für die sogenannte Angstampel, das Licht
der Todesangstbruderschaft, und bei hohen Feiertagen
noch zwei Extralampen im Chor.
Das Landgericht schrieb ihm die genaue Ölmenge vor, sollte
er diese überschreiten, drohte man ihm, die Mehrkosten
vom Gehalt abzuziehen. Beim Muttergottesaltar sollte kein
Licht mehr brennen und die „Angstampel“ aufgelassen
werden. 47
Besonders hart traf die tief religiöse Bevölkerung das Verbot
von Wallfahrten, im Feldkircher Raum die Wallfahrten
nach Rankweil. Trotz des Verbotes wurden die Prozessionen
und Wallfahrten durchgeführt.
1807 kam es in Götzis deswegen zu einem kleinen Aufstand.
Fanatiker läuteten in der Früh die Glocken, die Leute
kamen zur Kirche und zogen mit Kreuz und Fahnen nach
Rankweil und kehrten in Ruhe zurück. Am folgenden Tag kamen
dieselben Leute zum Vorsteher und verlangten, einen
Gemeindebeschluss wegen der Prozessionen aufzusetzen.
Es rotteten sich dabei immerhin 200 Personen zusammen.
1807 unternahmen die Altenstädter ohne Bewilligung eine
Wallfahrt nach Rankweil. 48
In Altenstadt veranstaltete Pfarrer Stey 1808 am Sonntag
nach Fronleichnam eine Prozession im Dorf und wurde dafür
gemaßregelt. Die Bayern hatten festgelegt, dass Fronleichnamsprozessionen
prinzipiell nur an diesem Festtag
stattfinden und nicht verschoben werden durften. 49
Bereits 1806 wurde die Verschiebung der Weihnachtsmette,
die üblicherweise um Mitternacht stattfand, auf den Morgen
des Weihnachtstages (5 Uhr!) befohlen. Rorateämter,
das Heilige Grab und die Verdunkelung in der Karwoche sowie
das Wetterläuten wurden ebenfalls verboten. Ein tiefer
Einschnitt in die religiöse Praxis, in die religiösen Gefühle
und das Brauchtum. 50 Diese völlig kleinlichen Regelungen
sorgten für Unmut und Hass gegen die Bayern und machten
positive Neuerung vergessen, wie zum Beispiel die durch
die Verfassung garantierte Gewissensfreiheit. Der aufklärerische
Geist der politisch Verantwortlichen in München und
ihrer Beamtenschaft hatte keinerlei Verständnis für die konservative
Denkweise der tiefgläubigen Bevölkerung. 51
Besonders streng ging man gegen die Kleriker vor, man
machte sie zu Staatsbeamten, wollte eine Staatskirche.
Widerstand aus den Reihen der Kleriker wurde verfolgt und
gebrochen.
Seite 135

Die Bayern versuchten auch eine Regelung der Diözesanfrage
in Vorarlberg zu erreichen. Das Ländle war ja bekanntlich
unter den Diözesen Konstanz, Chur und Augsburg aufgeteilt.
Nach langen Verhandlungen erreichten die Bayern
die Zuteilung des Vorarlberger Oberlandes, des Churer Anteils,
an die Diözese Brixen im Jahre 1808.
Hintergrund war die Ausschaltung des politisch unerwünschten
und zu jedem Widerstand gegen die Bayern
bereiten Churer Bischofs Karl Rudolf von Buol-Schauenstein.
Dieser wurde aus Meran, seiner damaligen Residenz,
nach Innsbruck gerufen. Nachdem er sich weigerte,
das bayerische Staatskirchentum anzuerkennen, wurde er
ausgewiesen. Unter Bewachung wurde er zum alten Grenzübergang
Martinsbruck gebracht und nach Graubünden
ausgewiesen. Angeblich habe er damals aus der Bibel zitiert:
„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ 52
Die Bayern verboten dem Churer Bischof die Einreise in den
Vorarlberger Anteil seiner Diözese, drohten sogar mit Verhaftung.
Jeder Verkehr mit ihm wurde als Hochverrat eingestuft.
Hintergrund dieses Hasses war neben der Ablehnung
des Staatskirchentums die Weigerung des Bischofs,
das Vorarlberger Oberland und den Vinschgau von seinem
Bistum zu trennen.
Der Altenstädter Pfarrer Johann Josef Stey hielt weiterhin
Kontakt mit dem Bistum Chur. Er war seit 1804 Kapitelsekretär,
Stellvertreter des Dekans, und wurde zum Bischofsvikar
mit allen Vollmachten ernannt. Diese Ernennung
hat er vermutlich dem aus Tschagguns stammenden Hofkanzler
von Chur, Johann Josef Baal, zu verdanken.
1807 bestellte der bayerische Generalkommissär Gravenreuth
den Oberländer Klerus nach Feldkirch, wo er von ihm
die Unterwerfung unter das bayerische Staatskirchtentum
verlangte. Pfarrer Stey erklärte für sich und den ganzen Klerus
des Oberlandes, sich eher deportieren zu lassen, als
sich dem staatlichen Eingriff in die kirchliche Ordnung zu
beugen. Eine mutige und gefährliche Aussage.
Seite 136
Papst Pius VII. trennte 1808 das Vorarlberg von seinen
bisherigen Bistümern Chur, Konstanz und Augsburg und
übertrug es dem Bischof von Brixen. Ende 1809 besuchten
Pfarrer Stey, Pfarrer Mayr aus Feldkirch und Pfarrer Johann
Durig den neuen Bischof in Brixen. Stey wurde weiterhin in
seiner Stellung als Bischofsvikar belassen.
Eine endgültige Unterstellung ganz Vorarlbergs unter die
Diözese Brixen erfolgte dann erst unter österreichischer
Verwaltung 1820. 53
Der damalige Feldkircher Pfarrer Josef Anton Mayr wurde
wegen seiner Anhänglichkeit an Österreich und seiner
Treue an seinen Bischof politisch verfolgt. Seine Verhaftung
erfolgte am 27. September 1809, danach wurde er
nach Lindau gebracht. Dort bewarf ihn bei seiner Ankunft
der Pöbel mit Straßenkot. Gemeinsam mit dem Feldkircher
Kooperator Johann Christian Neyer und dem Dornbirner
Pfarrer Dominik Zumtobel verblieb er zuerst in Hausarrest,
bevor er in das Stadtgefängnis von Lindau kam. Erst nach
einem halben Jahr konnte er nach Feldkirch zurück. Eine
Verwicklung in die Unruhen 1809 konnte nie nachgewiesen
werden. Da er sich weiterhin verfolgt und bedroht fühlte,
resignierte er 1811 und übernahm die Pfarrerstelle in Balzers.
Eine Pfarrerstelle in Feldkirch oder eine Anstellung
als Generalvikariatsrat lehnte der österreichische Staat ab,
genauso wie eine Entschädigung für seine Haftzeit, verlieh
ihm dafür aber 1821 eine Medaille. Ein typisches Schicksal
österreichischer Patrioten in Tirol und Vorarlberg. Er versah
weiterhin die Pfarrerstelle in Balzers, später in Schaan. Als
alter und verarmter Mann kehrte er kurz vor seinem Tod
1827 nach Feldkirch zurück. 54
Gegen die Bayern wirkten im Oberland der Kurat Andreas
Engstler aus Gortipohl, der Ludescher Pfarrer Adam Moll,
der Nenzinger Pfarrer Franz Jonas Egger, der Pfarrer von Bludenz
Dominikus Lorenzi und der Brazer Pfarrer Franz Anton
Leu. 55

Die Bayern gingen auch, freilich sehr subtil, gegen den Kapuzinerorden
vor. Die Kapuziner erfreuten sich seit ihrer
Niederlassung in Feldkirch im Jahre 1605 großer Beliebtheit
bei der Stadtbevölkerung und wurden von den Stadtammännern
und Stadtvätern immer finanziell unterstützt. Als
im Mai 1806 in Vorarlberg Gerüchte über die Auflösung aller
Klöster in Vorarlberg kursierten, wandte sich der Churer
Bischof in einem Brief an den König von Bayern, in dem er
die Verdienste der Feldkircher Kapuziner für die Seelsorge,
als Aushilfen in verschiedenen Pfarreien hervorhob. Er
sprach ihnen sein Wohlwollen aus und warnte davor, dass
bei einer Auflösung des Klosters das Vertrauen in den König
leiden könnte. Tatsächlich blieben die Kapuzinerklöster
in Vorarlberg bestehen, während das Benediktinerkloster
Mehrerau aufgelöst wurde. Mit dem Verbot der Aufnahme
von Novizen versuchte man wohl eine biologische Lösung
dieses Problems zu finden. In Tirol wurden die Kapuziner
der Aufwiegelung des Volkes verdächtigt und verfolgt. 1808
wurde in der Nacht das Kloster in Meran militärisch besetzt,
die Patres auf Wagen verladen und in andere Klöster
gebracht.
1811 setzten sich 17 Deputierte aus den verschiedenen
Vorarlberger Landgerichten, darunter auch Johann Josef
Ganahl, der Stammvater der Feldkircher Fabrikantendynastie
Ganahl, für den Weiterbestand der Kapuzinerklöster
ein. Sie beschrieben die Armut der Vorarlberger Pfarren, in
denen nur die kostenlos tätigen Kapuziner Aushilfe in der
Seelsorge ausübten. Interessant ist der Hinweis, dass sie
nicht mehr Almosen sammelnd durch die Lande zogen. Damit
wurde ein wichtiger Kritikpunkt der Aufklärer, sowohl
in Österreich wie in Bayern, entkräftet. Die bayerische Stiftungsverwaltung
strich den Kapuzinern die seit dem Jahre
1768 jährlich von der Stadtkassa ausbezahlten 310 Gulden.
Das Kloster lebte danach nur noch von privaten Almosen.
Die Bayern nahmen auch einen schwerwiegenden Eingriff
in die innere Struktur des Kapuzinerordens vor. 56
Andererseits hat die bayerische Verwaltung Rechte und Vermögen
der Kirchen verteidigt. In Feldkirch beispielsweise
die Siechenkapelle St. Magdalena in Levis. Die Stadt kümmerte
sich nicht darum, überlegte sogar, die Kirche und das
Siechenhaus abzutragen, den dazugehörenden Wald und
Grundbesitz zu verkaufen und die gesamte Stiftung aufzulösen.
Die bayerische Verwaltung untersagte dieses Vorhaben,
erklärte die Kirche als „nicht entbehrlich“ und befahl
der Stadt, Reparaturen vorzunehmen. 57
Auch für die Wiedergutmachung des von der Stadt 1796
konfiszierten Silberschatze der Dompfarre setzten sich die
Bayern ein. Die Stadt hatte während der Franzosenkriege
einen großen Teil des Silberschatzes der Pfarre weggenommen,
in der Schweiz einschmelzen lassen und mit dem
Erlös die Kriegsausgaben und die Bewaffnung bezahlt. Ein
jahrelanger bürokratischer Kampf zwischen Stadt und der
bayerischen Verwaltung entstand wegen der Wiedergutmachung
dieses bedeutenden Schadens am Kirchenvermögen.
Die Stadtverwaltung wand sich wie ein Aal und zögerte
die Sache hinaus. 58
Die bayerische Verwaltung kümmerte sich auch um notwenige
Reparaturen an kirchlichen Gebäuden. 1806/07
erfolgte eine Renovierung der Pfarrkirche St. Nikolaus. Die
Polizeidirektion gab Anweisung, die Kirchenfassade, die
mit schwarzen und weißen Flecken behaftet war, zu sanieren.
Im Zuge dieser Kirchenrenovierung wurde auch die
Kirchhofmauer mitsamt dem Wachthäuschen abgebrochen.
Die im Zusammenhang mit diesem Mauerabbruch entstandenen
Akten sind ein Beweis für die Verbürokratisierung
des bayerischen Staates. Die in Bregenz befindliche Stiftungsadministration
sah im Abbruch eine Schädigung des
Kirchenstiftungsvermögens und machte Anzeige an das Ministerium
in München. Dies entschied, dass es sich dabei
um eine Verschönerungsmaßnahme handle und daher das
Kirchenvermögen nicht geschädigt worden sei. Gleichzeitig
verzichtete das Ministerium auf eine Entschädigung für die
abgetragenen und abtransportierten Steine der Kirchhof-
Seite 137

mauer. 59 1811 wurden durch das Landgericht Reparaturen
des Gewölbes in der Kirche von Altenstadt und des Kirchendaches
von St. Nikolaus in Feldkirch in die Wege geleitet. 60
1808 wurde die in der Feldkircher Au stehende St. Leonhardskirche
(am Standort des heutigen Illparkes) aufgrund
eines Erlasses des königlichen Zentral- Rechnungskommissariates
in München aufgelöst und die kirchlichen
Funktionen auf die Stadtpfarrkirche übertragen. Das Inventar,
wie Altäre und Glocken, wurden nach Oberriet verkauft.
Nach einer anderen Quelle sollte eine Glocke nach St. Johann
übertragen werden. Die leerstehende Kirche diente
als Warenlager. Die Umfriedungsmauer der Kapelle St.
Leonhard wurde abgebrochen. Der in München beschlossene
Verkauf der Kapelle wurde nicht durchgeführt. Die
Kirche wurde von der Bürgerschaft 1820 renoviert, fiel aber
1851/52 der Spitzhacke zum Opfer. 61
Wie bürokratisch die bayerische Kirchenverwaltung war, ist
am Beispiel der Anschaffung eines Pluviales, eines Messgewandes,
1809 zu sehen. Ein ca. fünf Zentimeter dicker Akt
entstand damals, alle Behörden von Feldkirch bis Bregenz,
Kempten und das Ministerium des Inneren in München
mussten befragt werden. 62 Dieses wiederum verlangte von
den Altenstädter Klosterschwestern nähere Auskünfte und
dann erst wurde in München der Auftrag zur Anfertigung
dieses Pluviales gegeben. 63
Allgemeine Wehrpflicht
Die bayerische Verfassung sah unter anderem die allgemeine
Wehrpflicht vor, abgeschaut bei den französischen Revolutionsheeren
mit ihrer „levee en masse“. In Vorarlberg
und Tirol galt aber bis dahin die Wehrverfassung von Kaiser
Maximilian, die nur im Kriegsfall das Aufgebot der Schützen
zur Landesverteidigung vorsah. Alle späteren Bemühungen
österreichischer Herrscher, aus Vorarlberg Rekruten zu erhalten,
waren an den Landständen, die ja die Landesverteidigung
als ihre Domäne ansahen, gescheitert.
Seite 138
Die Bayern als Verbündete Napoleons benötigten dringend
Soldaten und saugten ihre neuen Länder direkt aus. Zur
Auffüllung der schwäbischen Truppen des bayerischen Militärs
hatte Vorarlberg seine jungen Leute als Kanonenfutter
abzugeben.1806 versuchte die Stadtverwaltung Freiwillige
mit Vergünstigungen zum Militärdienst zu locken. So jedenfalls
kann ein kurzer Eintrag im Eingangsprotokoll vom 31.
Dezember 1806 gedeutet werden. Der Rekrut Johann Baptist
Neyer war bei seinem Regiment eingetroffen, worauf der
Stadtmagistrat die sofortige Auszahlung von wöchentlichen
Almosen an seine Mutter befahl. Im Mai 1807 desertierte
Neyer in Warschau von seiner Einheit. Der zum Militärdienst
ausgehobene Peter Feuerle erhielt während seiner Dienstzeit
drei Kreuzer täglich aus dem Armenfonds zugesprochen.
1807 begannen die Bayern in Vorarlberg mit allgemeinen Rekrutierungen,
der Musterung der jungen Männer, während
sie es in Tirol erst 1809 wagten, was auch ein Grund für den
Aufstand war. 64 In Vorarlberg kam es lediglich in Krumbach
1807 zum Aufstand der Frauen gegen die Musterungskommission.
Sie vertrieben diese Kommission und zogen zum
Landgericht Bezau, wo sie verhaftet wurden. Bayerisches
Militär rückte im Vorderwald ein, sämtliche Unkosten des
Militärs wurden auf alle Vorarlberger Gemeinden umgewälzt.
Die Stadt Feldkirch hatte 273 Gulden zu zahlen. 200
Jahre nach diesem Ereignis wurde in Krumbach ein von der
Autorin Ulrike Längle verfasstes Theaterstück aufgeführt. 65
Die Gemeinden hatten in Listen die Namen der wehrpflichtigen
jungen Männer zu erfassen, mussten deren
Aufenthalt eruieren und ihnen selbst ins Ausland die Stellungspapiere
nachsenden. So musste beispielsweise der
in Rorschach befindliche Sohn des Bernhard Bäder nach
Feldkirch zur Stellung zurückkehren. 66 In den Konskriptionslisten
waren die Personaldaten, die Namen der Eltern,
der Beruf und die Vermögensverhältnisse einzutragen.
Der Ratsdiener hatte den jungen Männern die gedruckten
Vorladungen zur Stellung zu überbringen. Vorarlberg hatte
nach einer vermutlich 1808 erstellten Liste 169 Rekruten zu

stellen. Feldkirch lediglich zwei, Bludenz vier, Bregenz drei
und das Gericht Rankweil-Sulz, zu dem auch Altenstadt, Tisis
und Tosters gehörten, 12 Rekruten. 67 Konskriptionslisten
aus Feldkirch sind aus den Jahren 1808,1813 und 1814
erhalten. Auf der frühesten Liste sind acht junge Männer
aus Feldkirch, Tosters, Tisis, Bangs, Nofels und Altenstadt
verzeichnet. 68 Über den Ablauf der Stellung der Rekruten
ist wenig bekannt. Aus dem Jahre 1807 gibt es einen Magistratsbefehl,
laut dem die zwei zu stellenden Rekruten
durch die Ziehung des Loses auszuwählen wären. Das
Los entschied über das weitere Schicksal der jungen Männer.
69 Vielsagend ist auch die Aufstellung von Wachen bei
der „Konskription“. Ihre Aufgabe war die „Aufhebung der
flüchtigen Burschen“. Ein deutlicher Hinweis auf die bei der
Stellung herrschende Stimmung, sowohl bei den jungen
Männern wie auch bei den Verantwortlichen. 70 Während der
Konskription in Altenstadt im Jahre 1810 wurden zwei Züge
Militär dorthin bestimmt und mussten nach ihrer Rückkehr
in Feldkirch einquartiert und versorgt werden. Die Stadt
Feldkirch hatte die zwei Offiziere, vier Unteroffiziere und 51
Soldaten zu verpflegen. Diese Abkommandierung von Soldaten
zu einer Konskription wirft ein Licht auf das mangelnde
Vertrauen in die Bevölkerung und deren Furcht. 71 Es kam
auch vor, dass die jungen Leute bereits vor der Konskription
flohen. 1813 wurde ein Militärkommando nach Feldkirch
entsandt, um die Flüchtigen zu verhaften und nach Kempten
zu überstellen. 72
Die Stadt unterstützte bzw. vertröstete die Eingerückten mit
kleinen Geldgeschenken.
Man entledigte sich dabei aber auch unerwünschter, armer
Personen. Ein krasses Beispiel ist das Schicksal des Xaver
Baier. Sein Vater Franz Josef Baier, von Beruf Maler, lebte
viele Jahre in der Schweiz, wurde ausgewiesen und kam
bettelarm nach Feldkirch zurück. Man ließ die Eltern unentgeltlich
im Totenhaus wohnen und steckte den Sohn dafür
zu den Soldaten. Der Vater bat um die Verleihung des Bürgerrechtes
sowie um die Gewährung eines Almosens. Die
Familie wurde dann aber ausgewiesen. Im amtsinternen
Verkehr wird der Sohn als „entbehrlicher Mensch“ bezeichnet.
Er erhielt für den Eintritt in das Militär aber eine kleine
Unterstützung, fünf Gulden, ausbezahlt, es sollte wohl helfen,
das Soldatenleben erträglicher zu machen. 73
Bartolome Ossi aus Nofels (Matschels) wurde freiwillig
Soldat, da die Gemeinde ihm versprach, den Eltern dafür
einen Gemeindeteil, also ein Grundstück für Anbauzwecke
zu überlassen. Die Gemeinde Altenstadt konnte sich an das
Versprechen nicht erinnern und behauptete, dass er 1780
in der Schweiz geboren und kein Altenstädter sei. Ossi desertierte
daraufhin aus der Armee. Dies lässt den Verdacht
aufkommen, dass man sogenannte Sozialfälle gerne beim
Militär entsorgte. 74
Desertionen von Vorarlbergern aus dem bayerischen Heer
kamen recht häufig vor, wie in den im Bayerischen Regierungsblatt
veröffentlichten Fahndungslisten nachzulesen
ist. 75 Besonders arm dran waren jene Vorarlberger, die
aus dem österreichischen Heer entlassen wurden, nach
Vorarlberg zurückkamen und von den Bayern wieder rekrutiert
werden sollten. Beispielsweise der Tostner Jakob
Koch von der Parzelle Hub, von 1803 bis 1805 Kaiserjäger,
dann Kriegsgefangener. Nach seiner Rückkehr hätte
er bayerischer Soldat werden sollen, verschwand dann in
die Schweiz. 1811 suchte der Tostner Franz Schöch um die
Entlassung aus dem Militärdienst an. Er war in Lindau stationiert,
der einzige Sohn und sollte den elterlichen Hof übernehmen.
1813 flohen die beiden Söhne des Martin Mayer
vor der Konskription. Der Vater bat darum, nur einen Sohn
einzuziehen, falls sich beide Söhne stellen würden. Ein
Sohn sollte den elterlichen Hof in Tosters bewirtschaften. 76
Hatte man ursprünglich nur die 19-jährigen rekrutiert, holte
man auch ältere und jüngere zu den Waffen. Napoleons
Kriege benötigten immer mehr Soldaten. Im bayerischen
Militärdienst kamen auch Feldkircher ums Leben. Der 1813
eingezogene Joseph Amann aus Altenstadt wird 1815 als im
Kriegsdienst verstorben gemeldet. Weitere Details fehlen.
Andreas Zimmermann aus Gisingen, der 1810 eingezogen
worden war, soll im April 1813 als Soldat des 6. leichten In-
Seite 139

fanterieregimentes verstorben sein. Franz Xaver Weber aus
Altenstadt, Nationalgardist, wurde bei der am 30. Oktober
1813 geschlagenen Schlacht bei Hanau, als die Bayern den
Rückzug Napoleons stören wollten, verwundet und verstarb
in einem Militärspital. Nach dem Bündniswechsel Bayerns
waren nun die Franzosen die Feinde, gegen die man in
einem Feldzug, im Elsaß beginnend, kämpfte.
Christian Speckle aus Tisis, 1790 geboren, wurde 1809
zur bayerischen Infanterie eingezogen, machte den Russlandfeldzug
mit, überlebte die russische Kriegsgefangenschaft
und verstarb 1879. Diese Einzelschicksale seien für
hunderte Vorarlberger genannt, die auf der Seite Bayerns
gekämpft haben. 77
Die Feldkircher spürten diese Kriege auch auf andere Art.
Vorarlberg bzw. die Gemeinden des Landgericht Feldkirch
hatten regelmäßig nach Lermoos in Tirol Vieh, Hafer, Stroh,
Fleisch, Wein und Branntwein zu liefern. Dort befand sich
ein großes Warendepot für die aus Italien nach Deutschland
ziehenden Soldaten. Ende Februar 1813 waren zur Verpflegung
von 4.200 italienischen Soldaten nach Lermoos
und Füssen 20 Eimer braunes Bier, zwei Eimer Branntwein
und Vieh zu liefern. Da die Lieferzeit zu kurz und wohl auch
die Distanz zu weit war, wurde eine Geldablöse vereinbart,
immerhin 523 Gulden. Im März 1813 waren beispielsweise
50 000 italienische Soldaten zu verpflegen. Die Stadt Feldkirch
hat in der Regel diese Waren nicht in natura nach Tirol
geliefert, sondern dies mit Geld abgelöst. 1812 hatte das
Landgericht Feldkirch für zwei Kolonnen Franzosen sechs
Stück Vieh nach Lermoos zur Verfügung zu stellen, was aber
wiederum mit Geld abgelöst wurde. Im Dezember 1813 war
die Stadt Feldkirch mit der Zahlung von zwei Verpflegungsbeiträgen,
von 164 und 114 Gulden im Rückstand. Daneben
mussten 1813 auch Pferde für das Militär abgeliefert werden
78 .
Während das doch vermögende Feldkirch sich relativ leicht
mit diesen Geldablösen tat, blieb den ländlichen Regionen
nur die Ablieferung des Viehs oder des Heus an das Mili-
Seite 140
tär. Für die Bauern war dies natürlich ein harter Schlag und
hat den Hass gegen die Bayern und das bayerische Militär
genährt. Genau dieselbe Situation gab es dann auch im Ersten
Weltkrieg, als das österreichische Heer den Bauern die
letzte Kuh aus dem Stall holte.
Die Kosten der Militärverpflegung und Pferdelieferungen
wurden nach dem Übergang an Österreich durch den bayerischen
Staat zurückbezahlt. So konnte 1815 die sogenannte
„Liquidierungskommission“ freudig mitteilen, dass
Bayern die Kosten der Militärlieferungen der Jahre 1809/10
des Landgerichtes Feldkirch an das dortige Rentamt zurückbezahlt
hatte und diese Forderungen nun beglichen werden
konnten. 79 Abzuklären wäre, ob dies nur ein Einzelfall war.
Auch Einquartierungen bayerischen Militärs in Feldkirch
waren eine Begleiterscheinung der Kriege. In der Tostnerau,
am Breiten Wasen, schuf die Stadt für das Militär einen
Exerzierplatz. Die Hauptwache war beim Spitalsgebäude,
dem heutigen sogenannten Polizeitrakt des Rathauses.
Zwischen März und August 1813 waren dann jeweils eine
Kompanie des ersten und des zweiten leichten Infanterieregiments
in Feldkirch stationiert. Die Stadtkassa hatte das
von den Soldaten verwendete Brennholz, Öl und Kochgeschirr
zu bezahlen. 80 Untergebracht wurden die Soldaten
in einer nicht näher lokalisierten „Quasikaserne“. 1812
wird eine „Mühlekaserne“ erwähnt. Vermutlich dienten die
Mühle oder vielleicht das Mühletor als Kaserne. Im Gasthaus
„Ochsen“ gab es ein Soldatenzimmer, vermutlich ein
Raum, der den Soldaten als Schlafraum diente. 81 1813 erfolgte
dann der Auftrag, die Schattenburg als Kaserne herzurichten.
Diese Funktion sollte sie dann über ein halbes
Jahrhundert innehaben. 82 Die Burg, das Wahrzeichen Feldkirchs,
hatte zuvor ihre letzte Funktion, nämlich als Gefängnis
des Landgerichtes, verloren, da man im Landgericht
neue Gefängniszellen eingerichtet hatte. Nach dem Wegzug
des Wärters im Jahre 1812 stand die Burg völlig leer. Alle
noch vorhandenen verwertbaren Materialien wie Eisen,
Fenster, Türstöcke wurden erfasst und vermutlich ausgebaut.
83

Bürgermilitär, Schützen und Nationalgarde III.
Klasse
Es kam auch zur Gründung eines Bürgermilitärs, in dem alle
Bürger dienstverpflichtet waren. Man orientierte sich dabei
an einer Verordnung vom 3. April 1807. Laut Statuten sollte
das Bürgermilitär niemals gegen den äußeren Feind kämpfen,
der Schutz der „friedlichen, rechtlichen Einwohner“
wurde als Ziel genannt. Der Dienst, die Uniformierungen
und die einzelnen Truppengattungen des Bürgermilitärs
waren detailliert geregelt. 84
Dieses Bürgermilitär wurde dann gezielt aufgebaut, wie
die Eintragungen im Einreichungsprotokoll beweisen. Im
Jänner 1808 gab es zahlreiche Enthebungsgesuche zu
bearbeiten. Im April wurde der Feldwebel Schaller als Exerziermeister
für das Bürgermilitär bestimmt sowie ein
Uniformierungsreglement erlassen. Im Juni wurde Johann
Alois Tschohl zum Hauptmann des Bürgermilitärs bestimmt
und es wurden Vorschläge für die anderen Offiziersstellen
gemacht. Dr. Gabriel Winter wurde zum Quartiermeister ernannt,
Dr. Franz Xaver Wegeler zum Zeugmeister, der Richter
Johann Nepomuk von Gilm zum Auditor, zum Militärrichter
bestimmt. Anfang Dezember wurden die Angehörigen des
Bürgermilitärs vereidigt. Die Säbel lieferte ein Rohmberg
(sic !) aus Dornbirn, der noch bis 1811 auf die Bezahlung
der Rechnung warten musste. 85 Unklar ist auch, inwieweit
das Bürgermilitär aktiv wurde, Schießübungen durchführte
oder exerzierte. Unklar ist auch seine Rolle im Jahre 1809.
Nach dem Aufstand im Jahre 1809 mussten jedenfalls alle
in Feldkirch vorhandenen Gewehre eingesammelt und an
das Militär abgeliefert werden. 86
Daneben gab es weiterhin die Schützen. Bereits 1810 baten
die Feldkircher Schützen um die Wiederaufnahme des
Scheibenschießens am Schießstand in der Au, das wegen
der „Insurrektion“ des Jahres 1809 unterbrochen worden
war. So wie in Dornbirn und Bregenz wurde die Bewilligung
1809: Überfall der Feldkircher Schützen auf Konstanz
erteilt. Der Aufstand des Vorjahres und der Griff zu den Waffen
wurden „als eine Folge der eisernen Nothwendigkeit als
des freyen Willens“ bezeichnet. 87
Trotz der Erfahrungen des Jahres 1809 wagten die Bayern
die Aufstellung einer Nationalgarde III. Klasse. Die Organisation
dieser bewaffneten Truppe geht auf eine Verordnung
des Jahres 1809 zurück, laut der alle männlichen Staatsangehörigen
bis zum 60. Lebensjahr zum Dienst verpflichtet
waren. Im Zuge der Befreiungskriege, also nach dem
Bündniswechsel der Bayern, wurde am 10. Juni 1813 eine
neue „Organische Verordnung über die Errichtung einer Nationalgarde“
erlassen. Wiederum waren alle in einer Stadt
oder Marktgemeinde wohnhaften und Steuern zahlenden
Männer bis 60 Jahre zum Dienst verpflichtet, die Nationalgarde
sollte aber nie gegen den äußeren Feind in den
Kampf treten sondern nur zu Militärdiensten innerhalb des
Bezirkes ihrer Stadt- oder Marktgrenzen eingesetzt werden.
Aus innenpolitischen Gründen vermied Minister Montgelas
die Bezeichnung Landsturm, die ja gerade in Tirol und
Vorarlberg Erinnerungen an 1809 erweckt hätten. Nach dem
Abmarsch der regulären bayerischen Truppen an den Main
und Rhein im Oktober 1813 kam es Ende des Monats zur allgemeinen
Landesbewaffnung, eingeleitet von einem Aufruf
des Königs „An mein Volk“. 88
Wie wirkte sich die Aktivierung dieser Nationalgarde in
Feldkirch aus? Recht erfreut war die bayerische Behörde,
dass die Feldkircher Bürgerschaft bereit war, die Wiederbewaffnung
aus eigenen Mitteln zu bezahlen. Zu klären war,
ob die Feldkircher eine oder zwei Kompanien der Nationalgarde
bilden wollten. Die Stadt hatte die zum Waffendienst
verpflichteten Bürger in einer Musterrolle zu erfassen. Die
Bürger sollten an einem Samstag aufs Rathaus kommen,
wobei in einer Stunde 25 Personen in der Musterrolle zu erfassen
waren. 89 Der ganze Magistratsrat sowie der Bürgermeister
Keßler waren vom Waffendienst befreit. 1814 waren
253 Männer „konskribiert“, erfasst worden, wobei 28 über
60 Jahre alt und damit dienstbefreit sowie 29 krank waren.
Die Waffenübungen sollten an den Sonntagen stattfinden.
Seite 141

Ein großes Problem war die ausreichende Bewaffnung der
Nationalgardisten. Ende 1813 teilte das Generalkommissariat
mit, dass an Feldkirch als Ersatz für die im Jahre 1809
abgenommenen Waffen 97 Musketen abgegeben werden,
wobei für jedes dieser Gewehre 10 Kreuzer Transportkosten
zu bezahlen waren. Im März 1814 standen 350 Gewehre,
die für das ganze Landgericht bestimmt waren, zur Abholung
in Kempten bereit. Diese Waffenlieferung reichte aber
kaum aus für die Bewaffnung der 2938 Nationalgardisten
im ganzen Landgericht Feldkirch, die übrigens nur über
125 eigene Gewehre verfügten. Genauere Zahlen über die
Nationalgarde wurden in einer Aufstellung am 14. Juni 1814
vorgelegt. Kommandant der in einem Bataillon zusammengefassten
Kompanien der Region Feldkirch war der
Obermautbeamte Freiherr von Pflumern, der den militärischen
Rang eines Majors hatte. Die Feldkircher Kompanie,
bestehend aus 88 Mann, drei Offizieren, einem Sergeant,
vier Unteroffizieren und drei Tambouren verfügte über 76
Gewehre. In einer zweiten Kompanie befanden sich Neuzugänge.
In der Tisner Kompanie waren 100 Mann zusammengefasst,
die 81 Gewehre zur Verfügung hatten. Aus
161 Mann bestand die vierte Kompanie, bestehend aus
Tostnern und Noflern. Sie hatten 142 Gewehre. In der Altenstädter
Kompanie dienten 252 Mann. Die 164 Göfner waren
in einer Kompanie zusammengefasst. In einem zweiten Bataillon
gab es eine aus 42 Mann bestehenden Feldkircher
Kompanie. 90
Im Rahmen der allgemeinen Landesbewaffnung 1813 wurden
neben der Nationalgarde III. Klasse ein freiwilliges
Jägerkorps sowie ein Landhusarenkorps errichtet. Die
Feldkircher erklärten sich bereit, „als Beweis ächter Vatterlandsliebe,“
zwei berittene Landhusaren zu stellen und
auszurüsten. Jeder Husar erhielt unentgeltlich ein Reitpferd
gestellt und wurde mit einer ganzen Montur ausgestattet
sowie mit einer täglichen Lohnzulage von 12 Kreuzern belohnt.
91 Aus dem ganzen Landgericht Feldkirch meldeten
sich bis Dezember 23 Personen, später dann 34 zu einem
freiwilligen Jägerkorps. Aus dem heutigen Feldkirch waren
dies Bartholomä Amman, aus Altenstadt Franz Xaver Sturn
und aus (Tosters) Hub Lorenz Mayer und Joseph Walk. Sie
Seite 142
Ankunft der Vorarlberger in Konstanz
(Cölestin von Gugger 1815)
erhielten aus Spenden der Gemeinden einen Montierungsbeitrag
von 15 Gulden und eine tägliche Zulage von sechs
Kreuzern für die Dauer des Krieges. Zwei Rechtspraktikanten,
die aus gesundheitlichen Gründen nicht am Krieg
teilnehmen konnten, spendeten einen Montierungsbeitrag.
Der Verwalter der gräflich Wolkensteinischen Herrschaft Tosters,
Anton von Reinhard, gehörte ebenfalls zu den Spendern.
Landrichter Gugger und andere finanzierten aus ihrem
Privatvermögen den Ankauf von vier Husarenpferden. 92
Diese Bereitschaft zur Ausrüstung von Landhusaren und
Jägern war aber kein Feldkircher Phänomen. In ganz Bayern
war dies üblich, die privaten Spender wie auch die Beiträge
der Gemeinden wurden im Regierungsblatt veröffentlicht.
In Bregenz haben die führenden Beamten selbst die Ausrüstungen
für diese Soldaten bezahlt. Die Montafoner rüsteten
einen Feldjäger aus, Dornbirn zahlte die Montur und
sicherte 100 Gulden zu. 93
Während am 14. Juni 1814 noch eine Inspektion der Nationalgarde
angekündigt wurde, gab ein Rundschreiben am
19. Juni wegen der „eingetretenen friedlichen Verhältnisse“
die Einstellung aller Waffenübungen bekannt. Die ausgegebenen
Waffen sollten dem Landgericht zur Verwahrung
übergeben werden. Sechs Jahre später, am 1. Jänner 1820
erkundigte sich das Kreisamt nach dem Verbleib dieser Gewehre.
94 Die Hofkommission in Wien verlangte entweder die
Rückgabe der Waffen oder eine finanzielle Entschädigung.
Leider ist nicht bekannt, was die Recherche über den Verbleib
der Waffen ergab.
Inwieweit diese Spenden zur Militärausrüstung 1813, 1814
aus wirklichem Patriotismus oder nur notgedrungen erfolgten,
lässt sich heute nicht mehr klären. Auffallend ist
jedenfalls, dass es sich bei den privaten Sponsoren um die
angesehenen Bürger von Feldkirch und Bregenz handelt. Einen
ähnlichen Patriotismus hatte es bereits1808 gegeben,
als man Geldspenden für verwundete Soldaten des Feldzuges
gegen Preußen sammelte. Die Landgerichte Montafon,
Feldkirch, Bregenz und die Stadt Bregenz spendeten
1334 Gulden. 95

1809
Eine Zäsur in der Bayernzeit bedeutete der Volksaufstand
1809. Von Tiroler Emissären angestachelt, befreite sich
Vorarlberg zwischen April und August 1809 mit militärischen
Mitteln von der bayerischen Herrschaft. Feldkirch spielte
aus strategischen Gründen nur eine Nebenrolle, Bregenz
war durch seine Grenznähe das Herz des Aufstandes.
Am 25. April zog eine kleine österreichische militärische
Einheit in Feldkirch ein, besetzte die Stadt und übernahm
die Verwaltung im Namen Österreichs. Von den öffentlichen
Gebäuden wurde das bayerische Wappen entfernt und
durch den kaiserlichen Doppeladler ersetzt. Folgendes
Gedicht wurde dem festlich geschmückten Wappentier zwischen
die Fittiche gelegt:
„Auf! und singt des Dankes Lieder
Des Kaisers Adler schützt uns wieder
Wo dieser ist da lebt sichs gut
Drum opfern wir ihm Gut und Blut.“ 96
Der letzte Satz sollte für so manchen Feldkircher und Vorarlberger
bald Wahrheit werden. Es würde zu weit führen, die
Beteiligung Feldkirchs an diesem Aufstand im Detail zu
schildern. Erwähnenswert ist dann aber doch der Guss von
vier Kanonen durch die Glockengießerei Graßmayr für die
Aufständischen und deren Transport nach Bregenz. 97
Das verwegenste „Husarenstück“ dieses Aufstandes war
die Einnahme von Konstanz am 28. und 29. Juni 1809 durch
Vorarlberger Schützen unter Leitung des Feldkirchers Xaver
Walser. Um an dringend benötigte Munition und Geschütze
zu kommen, segelten die Schützen mit fünf Schiffen nachts
über den Bodensee, überrumpelten die badische Besatzung
und versorgten sich mit den dringend benötigten Kriegsmaterialien.
Sie konnten einer sie verfolgenden württembergischen
Flottille entwischen und landeten in Bregenz.
Walser wurde dafür vom Kaiser ausgezeichnet. 98 Insgesamt
stand man in Feldkirch dem Aufstand 1809 eher skeptisch
gegenüber. Nach der Niederschlagung des Aufstandes
wurden aus allen Teilen Vorarlbergs Geiseln ausgehoben
und nach Frankreich gebracht. Aus Feldkirch stammten
folgende Geiseln: Matheus Lueger, Handelsmann; Johann
Georg Reichart, Schlosser; Peter Feierle, Handelsmann; Philipp
Mayer, Kupferschmied; Andreas Wegeler, Wagner. Aus
Altenstadt stammten die Geiseln: Joseph Wegeler, Wagner;
Andreas Nägele, Bauer; Andreas Tiefenthaler, Bauer aus
Gisingen; Johann Ender, Metzger aus Gisingen und Johann
Pümpel, Tischler aus Nofels. 99
Schule
Besondere Verdienste erwarben sich die Bayern im Schulwesen.
Für Feldkirch ist besonders die Entwicklung des Gymnasiums
von Interesse. In Bayern war 1804 das Schulsystem
durch Einführung von Vor-, Mittel- und Hochschulen neu
geregelt worden. Mit Beginn des Schuljahres 1806/07 sollte
nun auch in Feldkirch eine „Mittelschule“ mit sechs Jahreskursen
(Klassen) eingeführt werden. Es waren folgende Fächer
vorgesehen: Deutsch, Latein, Griechisch, Französisch,
Geschichte, Geographie, Naturgeschichte, Technologie, Naturlehre,
Altertums-, Völker- und Menschenkunde, Arithmetik
und Messkunst, Zeichnen und Musik. 100 Leider kam es zu
keiner Vermehrung der Lehrerposten, was bei diesen zahlreichen
Lehrfächern notwenig gewesen wäre. Auch die Dotation
der Feldkircher Mittelschule blieb sehr bescheiden.
Mit den finanziellen Mitteln des Studienfonds war 1808
lediglich die Einrichtung einer vierklassigen Studienschule
möglich. Diese wurde in eine Primärschule sowie eine anschließende
Sekundärschule unterteilt. Die Sekundärschule
bestand aus einem Progymnasium, einer
Art Vorschule zum Gymnasium, sowie einer Realschule mit
jeweils zwei Jahreskursen. Die Realschule war für Schüler
gedacht, die keine akademische Laufbahn, sondern „höhere
Kenntnisse“ für ein bürgerliches Leben sich aneignen
wollten.
Seite 143

Erstmals in der Geschichte des Feldkircher Gymnasiums
wurden naturwissenschaftliche Fächer sowie die Fächer
Deutsch, Deutsche Sprach- und Literaturkunde unterrichtet.
Bemerkenswert ist auch das Angebot, eine moderne
Sprache, Französisch, zu erlernen. Im Gegenzug wurde
Latein, das bis dahin wichtigste Fach, zurückgestuft. Es
wurden nur noch Grundkenntnisse beigebracht. 102
Eine Neuerung gab es auch beim gedruckten Jahresbericht.
Bis dahin bestand er nur aus Schülerlisten, und war in
Latein. Nun war er in Deutsch und brachte Informationen,
Berichte über die Schule, die Schulfächer, den Jahresablauf.
Im Jahresbericht 1809/10 ist eine Rede von Rektor Gegenbauer
abgedruckt, in der er die Ziele und Absichten der
neuen Studienordnung der Studienschule erklärte.
Eine Neuerung war auch das Jugendfest am 1.Mai, das im
Schuljahr 18010/11 erstmals durchgeführt wurde. Schüler
trugen Gedichte und Fabeln zeitgenössischer Dichter vor,
wie von Herder, Schiller, Geßner, Gellert und besonders
häufig Texte des damals sehr populären Gottlieb Pfeffel. Die
Schüler führten auch Musikstücke auf. Der Organist Josef
Anton Sauther erteilte Musikunterricht. Trotz dieser Neuerungen
ging die Schülerzahl der Studienschule beachtlich
zurück. Ursache dafür war sicherlich die „Degradierung“ zu
einer Gymnasial-Vorschule, was die Absolventen, sofern sie
an einer Gymnasiallaufbahn interessiert waren, zwang, ein
Gymnasium in Bayern zu besuchen. Zu untersuchen wäre,
wie viele Vorarlberger während der Jahre 1806 bis 1814 ihre
Gymnasial- und Universitätsausbildung in Bayern genossen
haben. Einen Hinweis geben die veröffentlichten Listen
mit Vorarlberger Stipendienbeziehern, bei denen auch der
Studienort wie beispielsweise Landshut genannt wird. 102
Dieser erzwungene Ortswechsel hat die Attraktivität der
Schule sicherlich geschmälert. Heute unvorstellbar ist die
Drohung, bei ungenügender Schulleistung zum Militär eingezogen
zu werden. 103
Seite 144
Erster deutschsprachiger
Gymnasialbericht 1807
Nach der Rückkehr an Österreich wurde wieder großer Wert
auf die Erlernung der lateinischen Sprache gelegt und die
Naturwissenschaften wurden aus dem Fächerkanon gestrichen.
Man kam zum alten Schulsystem vor 1805 zurück.
Während in deutschen Reformstaaten wie Bayern und Preußen
die Schulen reformiert wurden, man sich der neuen Zeit
öffnete, beharrte man in Österreich zumindest bis 1848 auf
einem recht traditionellen Schulsystem. 104
Während der bayerischen Ära fanden die Studienschule
und auch nach 1814 das Gymnasium Unterkunft im ehemaligen
Wohnhaus (Ritterkommende) von St. Johann, heute
Johannitergasse 6. Das Priorat St. Johann mitsamt der Kirche
war säkularisiert worden, die Kirche diente dann als
Schulkirche während das Wohngebäude als Schulgebäude
diente, in dem der Rektor eine Dienstwohnung hatte. Während
die Umbauten des ärarischen (staatlichen) Gebäudes
die bayerische Amtskassa übernahm, hatte dies nach 1814
die Stadt Feldkirch zu bezahlen. 105 Das Gebäude diente bis
1860 für Schulzwecke und wurde seit 1910 von den Stadtwerken
als Büro- und Wohngebäude genutzt. Schulgebäude
und Kirche waren übrigens mit einem überdachten Gang
miteinander verbunden. 106
Wirtschaft
Feldkirch war traditionell eine Handels- und Gewerbestadt,
die mit ihren Märkten vom wirtschaftlichen Verkehr mit
dem Umland lebte. Genauso wichtig war die Rolle des Fernverkehrs
und Salzhandels, da die auf der Nord-Südroute,
vom Bodensee nach Italien durch Feldkirch kommenden
Güter hier über Nacht eingelagert wurden. Speditionen wie
Leone und zahlreiche Fuhrleute lebten von diesem Verkehr.
Diese Stellung im Transithandel kommt auch in den von
unbekannter Hand verfassten „Commercialwünschen des
Landes“ vor. In dieser für den König bestimmten Wunschliste
wird die Verlagerung des Transits durch Vorarlberg
anstatt über die Schweiz gefordert. Die gerade im Aufbau
befindliche Textilindustrie wünschte sich ein Verbot auslän-

discher Baumwollwaren. Man wünschte sich die Beibehaltung
der zollbegünstigten Einfuhr von Fabrikaten und von
Käse in die österreichischen Staaten, ebenso den zollfreien
Export von Vieh nach Oberitalien. Um einen leichteren
Transport dieser Waren nach Osten zu erreichen, sollte die
Arlbergstrecke ausgebaut werden, konkret wurde der Bau
einer Chaussee von Klösterle bis Stuben gefordert. Ein Stra-
ßeninspektor sollte die Strecke Feldkirch bis Stuben beauff sichtigen. Andererseits wurde die freie Einfuhr von Getreide
aus Bayern und Schwaben gefordert. 107
Die Rolle Feldkirchs als Handelsstadt beweist eine Auflistung
der Material- und Spezereihandlungen aus dem Jahre
1811. Fidel Ebenhoch betrieb seine Handlung seit 1806.
Der aus Friaul stammende Felix Vidal wurde sein Kompagnon,
mit dem er gemeinsam das Handelsgeschäft im Hause
Schlossergasse 1 betrieb. Babette Vidal eröffnete 1812
das erste Modegeschäft in Feldkirch. Daneben gab es vier
weitere Handlungen, die aber ihren Betrieb nur kurzfristig
führten. Der Advokat Martin Mathis hatte mit dem Handel
aufgehört und seine Waren an den Konkurrenten Oswald
Schmied verkauft. Auch Daniel Danielsi und Xaver Winder
hatten den Betrieb eingestellt. Johann Josef Ganahl verlegte
im Jahre 1812 sein Gemischtwaren- und Spezereigeschäft
von der Marktgasse in das Eckhaus Schlossergasse/
Schmiedgasse. 108 Dort wurden die Grundlagen für die für
Feldkirch so wichtige Textilfabrik Ganahl gelegt. So suchte
er 1812 um die Bewilligung für einen Handel mit Textilien
an. 109
In einer Auflistung der Gewerbetreibenden aus dem Jahre
1812 werden 14 Handelsmänner, ein Krämer, zwei Eisenhändler,
ein Spezereihändler, drei Kornhändler sowie drei
Kornhändler, die gleichzeitig noch Fuhrleute waren, aufgezählt.
110 Wie stark der Zusammenhalt im Handelsstand war,
ist an einer gemeinsamen Stellungnahme von 17 Händlern
gegen eine Vertauschung des alten Salzstadels gegen die
Mauthalle zu erkennen. 111
ensterläden der Spezereiwarenhandlung Ganahl
Auch bei den Anfängen der Textilindustrie mischten Feldkircher
Händler mit. Sie besorgten sich in der Schweiz Rohbaumwolle,
gaben diese an Spinnerinnen in der näheren
Umgebung und reichten das daraus gesponnene Garn an
die Heimweber weiter. Die Produkte lieferten die Vorarlberger
wieder an die Schweizer Großhändler zurück.
Das Pionierland der Textilindustrie war jedoch England, von
dort kamen billigst Textilien auf den europäischen Markt.
Napoleon versuchte durch die Sperre des europäischen
Marktes für englische Waren seinen Feind England zu schädigen.
Die sogenannte „Kontinentalsperre“ galt in allen
europäischen Satellitenstaaten Frankreichs, natürlich auch
in Vorarlberg. Die Einfuhr von Rohbaumwolle aus Übersee,
den englischen Kolonien, wurde verboten und dieses Verbot
wurde auch überwacht, wie eine 1810 vom Landgericht
bei allen Feldkircher Händlern durchgeführte Hausdurchsuchung
beweist. 112 Acht Kolonialwarenhändler wurden
von den Beamten heimgesucht. Es fanden sich Zuckerhüte,
Kaffee, Tee, zum Textilfärben Indigo und Farbhölzer, Pfeffer,
Muskat und Nelkenwurz, und natürlich ballenweise Baumwolle,
aber mit Zollpapieren nachweisbar aus der Levante
stammend, also dem Mittelmeerraum. Johann Josef Ganahl
und Witwe Maria Elisabeth Adegold geb. Conceth gaben an,
dass diese Baumwolle zum Verspinnen bestimmt war, bei
den restlichen war sie zum allgemeinen Verkauf bestimmt.
Ganahl hatte seine Baumwolle über einen Händler in Nürnberg
bezogen.
Die Witwe Adegold hatte die acht Ballen Rohbaumwolle
von Mathias Sulzer aus Azmoos im benachbarten oberen
Schweizer Rheintal zur Weiterverarbeitung übernommen.
Während der Bayernzeit versuchte man auch die Verarbeitung
von Schafwolle, Leinen und Seidenraupenzucht zu
fördern. In Feldkirch selbst kam es zur kurzzeitigen Gründung
einer Seidenbandweberei des Lorenz und des Jakob
Christa. Sie hatten 1808 das Maschinenwälzgebäude im
„Zwingwolf“ gekauft, gerieten aber drei Jahre später in Konkurs.
Die genaue Lage der Werkstatt kann nicht angegeben
Seite 145

werden. In der Konkursmasse finden sich eine Webmaschine
und ein Wasserwerk, drei Bandstühle, eine Zwirnmaschine
und 12 Seidenkarden.
1819 kam es zur neuerlichen Gründung einer Seidenbandweberei
in Feldkirch durch Niklas Dünser, den Sohn eines
in die Schweiz ausgewanderten Vorarlbergers.
Bemerkenswert ist, dass Landrichter Gugger sich 1808 für
die Wiedereinführung der Rebbauordnung stark machte. 113
Er teilte dem Generalkommissariat mit, dass es im Landgericht
Feldkirch früher eine eigene Rebbauordnung gegeben
habe, in der der Arbeitslohn der Rebbergarbeiter und die
Behandlung der Reben geregelt worden war. Diese Ordnung
soll seit Jahren nicht mehr berücksichtigt worden sein, was
die Vertilgung guter Reben und die Anpflanzung von ertragsstarken
aber qualitativ schlechten Weinreben zur Folge
hatte. Dieser Vorschlag Guggers fand „das Wohlgefallen“
des Generalkommissariates. Ob dann tatsächlich eine neue
Rebbauordnung eingeführt wurde, ist unbekannt.
Trotz der Bedeutung des Weinbaues in der Region kam es
gerade während der Bayernzeit zur Gründung von Bierbrauereien.
So suchten der Löwenwirt Johann Georg Zimmermann
in Altenstadt und Josef Anton Häusle 1807 um eine
Bierbraubewilligung an. Das Landgericht unterstütze diese
Ansuchen. Interessant ist der Vergleich der Kosten von
einem Maß Wein (16 Kreuzer) und einem Maß guten Bieres
(6 Kreuzer). Ein Landgerichtsbeamter meinte, dass ein Maß
gutes Bier und ein Stück Brot eine ausreichende Mahlzeit
für einen Taglöhner wäre. 114
Auffallend ist, dass während der bayerischen Epoche die
Getreidepreise recht stabil blieben. Die Versorgung mit
Getreide aus Schwaben scheint in diesen sieben Jahren
problemlos funktioniert zu haben. Bereits beim Übergabeakt
an Bayern 1806 erklärte Landvogt Vintler, dass „die
vollen Getreid Kästen“ des nun vereinigten Schwabens die
künftige Versorgung (Subsistenz) Vorarlbergs sichere. 115 Ein
Hinweis auf die Wichtigkeit der Getreideeinfuhr. Das Korn-
Seite 146
stübel, das die Aufsicht über den im Erdgeschoss des Rathauses
stattfindenden Kornmarkt innehatte, ermittelte die
mittleren Kornpreise, indem es die „Schrannenpreise“ von
zwei Markttagen im November und Dezember ermittelte
und daraus einen Mittelpreis ermittelte. Diese Mittelpreise
für den Viertel Weizen lagen bei zwei Gulden 49 Kreuzer im
Jahre 1807, sank dann aber in den folgenden Jahren. 116
Die bayerische Verwaltung erfüllte den Feldkirchern im
Frühjahr 1814 einen lang gehegten Wunsch, der aber am
Einspruch der Nachbargemeinden gescheitert war: einen
Vieh- und Pferdemarkt. Erstmals fand er am 29. März 1814
statt, weitere Termine waren der 26. April und 10. Mai. Das
Hornvieh wurde in der Vorstadt, die Pferde am Platz vor dem
Nikolaitor, also dem heutigen Schlossgraben, zum Verkauf
aufgestellt. 117
In Handwerkssachen hatte sich in bayerischer Zeit kaum
etwas geändert. Zwar durfte eine Lehre erst nach der Bewilligung
des Landgerichtes begonnen werden und Neuaufnahmen
in die Zunft waren erst nach vorheriger amtlicher
Genehmigung möglich. Am 18. Juni 1810 wurden alle
Zunftvorsteher des Landgerichtes Feldkirch über die neuen
staatlichen Gewerbevorschriften belehrt, was sie mit ihrer
Unterschrift bestätigen mussten. 118 Den Alltag dominierten
aber immer noch die alten Streitigkeiten zwischen den
einzelnen Berufsgruppen. So wehrten sich die Feldkircher
Wachszieher gegen Personen, die Wachskerzen verkauften
und die Schneider prozessierten erfolgreich gegen Näherinnen,
die es gewagt hatten, Kleider anzufertigen. 119 Trotzdem
gab es zu dieser Zeit noch ein reichhaltiges Gewerbeleben
in Feldkirch. In einem 1812 angelegten Gewerberegister
finden sich 184 Gewerbetreibende in Feldkirch. Es gab alle
Handwerkssparten in Feldkirch, wobei besonders die metallverarbeitenden
Betriebe (16) stark vertreten waren. 120
Die bürokratische Neugier der Bayern gibt uns auch wertvolle
Hinweise auf die Berufsausbildung und die Berufsstruktur
der in Feldkirch lebenden Handwerker.

Zahlreiche junge Feldkircher verließen für ihre Berufsausbildung
damals ihre Heimat. So erlernte der Färber Joseph
Längle seinen Beruf in Würzburg und wanderte zur Vervollkommnung
seiner Berufskenntnisse 1810 nach Frankreich.
121 Der Sohn des Kürschners und Magistratsrates
Joseph Bredschneider wollte ebenfalls 1810 nach Frankreich,
um neben der Kürschnerei auch den „Rauchhandel“
(Fellhandel) zu erlernen. 122 1811 suchte Andreas Griß um
eine Reisebewilligung nach Brünn an, wo er die Tuchfabrikation
erlernen wollte.
Während der bayerischen Ära zogen auch Handwerker von
auswärts nach Feldkirch, die dann Firmen aufbauten, die
das ganze 19. Jahrhundert, manchmal auch noch bis Ende
des 20. Jahrhundert weiter existierten. So gründete Fidel
Himmer seine Gürtler- und Goldschmiedewerkstatt, die
heute noch von einem Nachfahren geführt wird. 123 1810
suchte der aus Dornbirn stammenden Bau- und Brunnenmeister
Martin Hefel um das Bürgerrecht von Feldkirch an,
er beabsichtigte die Rosina Bertschin zu heiraten, die ein
halbes Wohnhaus mit in die Ehe brachte. 124 Er wurde zwar
als geschickter Brunnenmeister bezeichnet, ihm wurden
aber wenige Verdienstmöglichkeiten vorausgesagt, da es
bereits einen Brunnenmeister Josef Anton Weinzierl gab.
Die Familie Hefel hat dann das ganze 19. Jahrhundert hindurch
den Posten des städtischen Brunnenmeisters ausgeübt.
1811 ließ sich der Bludenzer Schlosser Franz Josef Vinzenz
in Feldkirch nieder, wurde Bürger und eröffnete eine
Werkstatt. 125
Bauliche Veränderung in der Stadt
Maximiliansplatz (Kirchplatz)
Während der bayerischen Ära gab es auch bauliche Veränderungen
im Stadtbild. Der oben schon erwähnte Abbruch
der Kirchhofmauer, die den Platz vor der Stadtpfarrkirche
St. Nikolaus umgab, bot die Möglichkeit, einen schönen
Stadtplatz zu gestalten. Zur Finanzierung der Baukosten
machte der Apotheker Karl Fidel Clessin der Stadt im Jahre
1808 ein Angebot. Er hatte Versuche zur Erzeugung von
Öl aus Traubenkernen gemacht, dem Stadtmagistrat einen
Bericht darüber vorgelegt und bat nun um eine Bewilligung,
den Bericht drucken zu dürfen. Den Verkaufserlös
des Büchleins wollte er zur Gestaltung des nun als „Maximiliansplatz“
bezeichneten Kirchplatzes überlassen. 126
Der Göfner Johann Amann erhielt den Auftrag zur baulichen
Herstellung des Platzes. Ein Brunnen, bestehend
aus Eichenholz, das vom städtischen Wald am Badbühel in
Nofels kam, wurde errichtet. 127 Der Brunnen scheint nicht
sehr solid gebaut gewesen zu sein, da der Magistratsrat im
Oktober 1808 den ruinösen Zustand dieses Brunnens feststellte
und darüber diskutierte, ob man ihn noch vor dem
Winter reparieren oder ihn an die Kirchenmauer zurücksetzen
solle. Es wurden der Abbruch des Hauptbrunnens und
die Rückversetzung des Nebenbrunnens an die Kirchenmauer
beschlossen. 128
Um dem Platz zu verschönern, wurden auch eine Renovierung
der Kirchenfassade sowie eine Neugestaltung des
Kirchendaches vorgeschlagen. Landrichter Gugger nannte
als Ziel dieser Platzgestaltung: „Zur Verewigung der Epoche,
welche die Stadt Feldkirch mit dem milden Szepter des
Durchlauchtigsten Hauses Bayern beglückte.“ 129
Oberer Salzstadel
Während der bayerischen Zeit wurde auf Weisung der Regierung
am Platz der heutigen Stadtsparkassa am Sparkassenplatz
ein zweiter, neuer Salzstadel errichtet. Er wurde
wegen seiner Lage, gegenüber dem Katzenturm, als oberer
Salzstadelbezeichnet.
Im Februar 1808 wurde der Bauvertrag für den Bau dieser
Salzlagerstätte erarbeitet. Mit der Bauaufsicht wurde der
Rankweiler Baumeister Alois Weiß beauftragt. Wegen der
doch beachtlichen Fundamentierung dieses Gebäudes
entstanden Baukosten von 8.000 Gulden. Zu dieser recht
beachtlichen Bausumme gewährte die Generalsalinenad-
Seite 147

ministration in München eine Anleihe von 2.000 Gulden
unverzinsbarem Vorschusskapital. Es wurde mit jährlich
8.000 Fässern Salz gerechnet, die durch Feldkirch transportiert
wurden. Den alten Salzstadel, als „Hallgebäude“
bezeichnet, kaufte die General- Zoll – und Mautdirektion
der Stadt um 5.700 Gulden ab. Der obere Salzstadel diente
ab 1828 als Theatersaal. 130
Die großen baulichen Veränderungen in Feldkirch fanden
dann erst in den späten 1820er Jahren statt, als die Stadtmauern
geschliffen und die vor den Mauern gelegenen Gräben
zugeschüttet wurden.
Ärzte und Rechtsanwälte
Ein besonders ehrgeiziges Ziel der bayerischen Reformen
war die Medizinalreform, die eine Verdrängung der Kurpfuscher,
unqualifizierter Bader und Wundärzte durch fachlich
geschulte Ärzte zum Ziel hatte. Die Schulen für Landärzte
wurden in München, Bamberg und wenig erfolgreich, in Innsbruck,
eingerichtet. Man wollte die jahrhundertelang übliche
Unterscheidung zwischen den akademischen Ärzten,
die nur für die innere Medizin zuständig waren, und den
niedrigen, chirurgischen Wundärzten und Badern aufheben
und eine möglichste gute Versorgung der Bevölkerung in
den Städten und vor allem auf dem Lande aufbauen. 131
Die in Feldkirch tätigen Ärzte, Chirurgen und Wundärzte
hatten, obwohl sie sich über ihre in Österreich absolvierte
berufliche Ausbildung ausweisen konnten, eine bayerische
Landarztschule zu besuchen.
Der Feldkircher Johann Eichenhofer wurde 1811 zum Besuch
einer landärztlichen Schule verpflichtet. Wegen seiner jahrelangen
Erfahrung glaubte man, dass er in zwei Semestern
Studium an dieser Schule genügend Fähigkeiten erwerben
könnte. Er hatte in Innsbruck Wundarznei und Geburtshilfe
studiert und konnte auf zehn Jahre Praxis verweisen.
Seite 148
Der in Altenstadt lebende und seine Wundarztpraxis ausübende
Johann Sippelius hatte beim Militär sechs Jahre als
Unterfeldarzt gedient und war sieben Jahre als Wundarzt
tätig. 1809 waren die Behörden überzeugt, dass er an der
Landärzteschule in Innsbruck seine Kenntnisse verbessern
solle. 1812 wurde dann ein Dispens vom Schulbesuch ausgesprochen.
132
Als Rechtsanwälte waren Martin Mathis und Dr. Franz Xaver
Wegeler tätig. Sie wurden verpflichtet, in eine Witwenpensionskassa
der Rechtsanwälte regelmäßige Beiträge einzuzahlen.
Nach der Rückkehr zu Österreich 1814 verlangten sie
übrigens diese Beiträge vom bayerischen Staat zurück. 133
Eine der ungewöhnlichsten Karrieren dieser Jahre war die
des Martin Mathis. Vor 1805 war er als „Winkelschreiber“
tätig. Wegen des Mangels an Advokaten und seiner fachlichen
Kenntnisse erlaubten ihm die lokalen Behörden das
„Advozieren“. Er bildete sich ständig weiter, sodass er 1810
die Advokaturprüfung ablegen konnte und am Landgericht
als Advokat zugelassen wurde. 134 Mathis soll 1814 gegen
Bayern opponiert haben. 1822 wurde er in den Adelsstand
erhoben.
Feuerwehr, Brandschutz, Versicherung
Die bayerische Verwaltung bemühte sich um die Organisation
von Brandschutzmaßnahmen und um die Einführung
von allgemeinen Feuerversicherungen.
Das Generalkommissariat in Kempten ordnete die Umsetzung
der am 8. Jänner 1808 erlassenen „allerhöchsten“
Verordnung zur Einführung eines „Feuerpiquets“, also
einer Feuerwehr an. Auf diese Aufforderung antworteten
die Hauptleute des Bürgermilitärs, Joseph Bredschneider,
Johann Mathias Lueger und Johann Alois Tschohl sehr detailliert.
Sie verwiesen dabei auf eine bereits 1801 erlassene
Feuerordnung der Stadt Feldkirch, gemäß der alle
Angehörigen der drei Kompanien des Bürgermilitärs „ihre
angewiesene Beschäftigung“ hätten. Sie lehnten die in der

Verordnung bestimmte Mannschaftsstärke ab und meinten
mit 12 „Gemeinen“ das Auslangen zu finden. 12 Mann als
Wachmannschaft für das von der Brandstätte gerettete Gut
wurde als ausreichend empfunden. Ein größeres „Feuerpiquet“
wurde beim geringen Bevölkerungsstand von Feldkirch
als nicht notwendig, ja sogar als hinderlich bei den
Löscharbeiten empfunden. Der hierarchische Aufbau dieser
Feuerlöschmannschaft wurde militärischen Vorbildern
nachempfunden. An der Spitze sollten ein Ober – und ein
Unteroffizier stehen. Bis zur Einschulung neuer Tambouren
sollte der städtische Tambour Dienst im Feuerpiquet tun.
Detailverliebt wurde die Durchführung der Schreibarbeiten
durch den Feldwebel wie auch das Vorgehen gegen Abwesende
geregelt. Als überflüssig bezeichnet wurde die in
der Verordnung verlangte Zusammenkunft des Piquet bei
einem „Donnerwetter“, also einem Gewitter. Das Stadtkommissariat
war mit der lokalen Umsetzung der Verordnung
einverstanden, bestand aber auf dem „Zusammenrücken“
bei einem Unwetter. 135
Genauere Informationen über die Realisierung des Feuerpiquets
fehlen. Einziger Hinweis auf die Existenz einer
Feuerwehr ist die in der Stadtrechnung 1815 nachweisbare
Besoldung eines Kommandanten der Feuerwehr. 136
Für die Bevölkerung war die behördlich organisierte Einführung
einer „Landesbrandversicherung“ ein Segen. Die
Bevölkerung wurde verpflichtet, ihre Häuser gegen Feuer
versichern zu lassen, wobei die Versicherungsprämie sich
nach dem geschätzten Wert des Hauses richtete. Auch öffentliche
Gebäude wurden feuerversichert, waren aber
prämienfrei. 1807 wurden die Statuten der „Allgemeinen
Brandschaden-Versicherungsanstalt in der Kurpfalzbaierischen
Provinz Schwaben“ (1804) auch in Vorarlberg
publiziert. 1809 weist die Hauptrechnung der Brandassekuranz
für das Landgericht Feldkirch eine Versicherungssumme
von 908. 975 Gulden aus. 1811 wurden die verschiedenen
Brandversicherungen zu einer allgemeinen Anstalt
für das ganze Königreich Bayern zusammengefasst, ein
weiterer Beweis für die Zentralisierungstendenzen in Bay-
ern. Die Gemeindevorsteher hatten Listen mit den Beitretenden
mit Angaben zum Gebäude und zum Versicherten
anzulegen. 137 Auch in Feldkirch wurde eine Einschätzung
aller Gebäude durchgeführt. In einem Brandversicherungs–
Grundbuch wurden 1812 alle Gebäude in Feldkirch verzeichnet.
Neben der Hausnummer werden der Besitzer und vor
allem der Versicherungswert genannt. 138 Insgesamt sind 317
Gebäude in diesem Brandversicherungsbuch eingetragen.
Für die Hausgeschichte sind übrigens Bemerkungen über
das Dach, die Eingänge etc. von Interesse. Es kam aber
auch vor, dass einzelne Bürger sich weigerten, ihr Haus einschreiben
zu lassen wie der Maurermeister Ulrich Breuss
oder Gymnasialpräfekt Nikolaus Fridl, der erklärte, dass
sein Haus weit von der Stadt und nahe der Ill stehe und
damit eine geringe Brandgefahr bestehe. 139 Nach Ende der
Bayernzeit wurde erst wieder1825 die Tirol-Vorarlbergische
Brandassekurranz eingeführt.
Armenwesen
In Feldkirch gab es seit dem Mittelalter zahlreiche wohltätige
Stiftungen, zumeist von Privatpersonen gestiftet, aber
von der Stadt verwaltet, mit denen die ärgste Not der Armen
gelindert werden sollte. 1787 wurde ein Armeninstitut
eingeführt, dessen Kassier der Spitalpfleger Peter Leo
wurde. Vom Armeninstitut wurden die Einnahmen älterer
Stiftungen wie dem Bettelsäckel, der Spendstiftung und
des Leprosoriums mitverwaltet. Aus diesen beachtlichen
Einnahmen erhielten die Armen jeden Samstag bestimmte
Geldbeträge ausbezahlt. 140
Während der bayerischen Ära fand eine Zentralisierung der
Armenfürsorge statt. Basis dafür war eine 1805 erlassene
Verordnung für die Neuregelung des Armenwesens. Grundzüge
davon, wie Armeninstitute, gab es bereits in Feldkirch.
Seite 149

Zur Finanzierung wurden neben den bereits vorhandenen
Einkünften aus Stiftungen Gebühren für Tanz und andere öffentliche
Veranstaltungen eingehoben, Geldstrafen bei Vergehen
dem Armenfonds übergeben und eine Armensteuer
eingehoben. 141
Es erfolgte eine Verlagerung der Kompetenz im Armenwesen
von der Stadt hin zum Landgericht, das als Verwalter
des Lokalarmeninstitutes auftrat. Der Paragraph 32 des organischen
Ediktes über die Armenpflege regelte, dass die
Zinsen aus den Stiftungsvermögen der Lokalarmenpflege
von der allgemeinen Stiftungsadministration an das Landgericht
zu überweisen sind, welches dann die Verteilung
vornahm. 1808 teilte die Stiftungsadministration der Stadt
mit, dass die Zinsen einer Armenstiftung dem Landgericht
als Polizeibehörde überwiesen werden und es in deren Ermessen
liege, wer eine Unterstützung erhalten werde. Begründet
wurde dies damit, dass nur das Landgericht und
nicht der Stadtmagistrat der bayerischen Generaladministration
Rechnung legen müsse. 142 Die Stiftungsverwaltung
in Bregenz führte auch die Buchhaltung der Feldkircher
Armenstiftungen. Es waren dies finanziell gut fundierte
Stiftungsvermögen. So hatten im Jahre 1808 die Spitalspflege,
der Bettelsäckel, das Armeninstitut, die Spendstiftung
und die Leprosenstiftung zusammen ein Kapital von
knapp 120.000 Gulden und jährliche Zinseinnahmen von
gut 6000 Gulden, die für soziale Zwecke verwendet wurden.
143 Ebenfalls 1808 befahl die Stiftungsadministration
in Bregenz dem Spitalökonomen Peter Leo, sich nur noch
mit der wirtschaftlichen Verwaltung des Spitals zu befassen
und sich nicht mehr mit der jeden Samstag stattfindenden
Ausgabe der Almosen, Wochengelder genannt, abzugeben.
Er sollte diese Gelder gegen Quittung dem Stadtkommissar
übergeben. 144
Die Einführung des neuen bayerischen Armenwesens hatte
der in Bregenz befindliche Josef Anton Kauffmann inne,
ein Neffe der bekannten Künstlerin Angelika Kauffmann. Er
machte sich mit dieser Zentralisierung, mit dieser Einmischung
in althergebrachte Formen der lokalen Armenfürsor-
Seite 150
ge im ganzen Land sehr unbeliebt. Im Jahre 1809 erschien
ein Spottgedicht über ihn und seinen Mitarbeiter Felder: 145
„Gnädiger Herr Kauffmann und Felder.
Ihr zwei eselgeborene Wälder,
Was kinnt ihr wohl anderes machen,
Als der Armen Kassen ungerecht bewachen,
Daß, wenn die Kaiserlichen kommen,
Euch das Geld nicht wird genommen;
Kauffmann und Felder, nehmt euch in acht,
Was aus euch zwei Bürger- und Armenfeind,
Für gnädige Herren werden gemacht.“
Dieses Spottgedicht ist ein Hinweis, wie verhasst sich die
beiden Bregenzerwälder mit ihrer Arbeit gemacht haben.
Sie haben, in Erfüllung der Gesetze und Vorschriften, sich
in die seit Jahrhunderten bestehenden lokalen Usancen bei
der Armenversorgung eingemischt und vor allem Einblick
in die normalerweise nur einer kleinen örtlichen Führungsgruppe
offen zugänglichen Buchhaltung der Stiftungen genommen.
Wie exakt, vielleicht auch wie pedantisch die Bregenzer
Stiftungsadministration arbeitete, kann am Beispiel der
Nördlinger Tuch–Stiftung nachverfolgt werden. Ziel dieser
Stiftung war die Verteilung von besonders starkem Tuch
aus der deutschen Stadt Nördlingen an Arme aus Feldkirch
und Umgebung. Diese Austeilung von 35 bis 40 Ellen
Tuch erfolgte üblicherweise bei Jahresende. 1808 erbat die
Stadtverwaltung bei der Stiftungsadministration Bregenz
die Genehmigung zur Anschaffung von Nördlinger Tuch aus
dem Vermögen der Spitalpflege, um dieses an städtische
Dienstnehmer, die Turm- und Nachwächter, zu verteilen.
Als Rechtstitel wurde eine in der Spitalpflege aufgegangene
Stiftung der Familie Furtenbach genannt. Mit diesem Ansuchen
wurde ein bürokratischer Vorgang ausgelöst. Kauffmann
und Felder begannen mit Recherchen in den ihnen
überlassenen Archivalien, konnten dort aus den Jahren
1757 bis 1764 Belege für die Verteilung von Nördlinger Tuch

an Arme, jedoch nicht an städtische Bedienstete vorfinden.
Eine Furtenbach-Stiftung war nicht nachweisbar. Die Stiftungsadministration
bewilligte dann wirklich Geldmittel
für die Anschaffung des Tuches für die Armen. Der Vorgang
ging dann an die Sektion Generaladministration des Stiftungsvermögens
im Innenministerium in München über,
die dann für die Auszahlung der Fondsmittel entschied und
dies nach Bregenz mitteilte. Von dort wurde der Entscheid
an das Landgericht Feldkirch und von dort an die Stadt weitergeleitet.
Es ging dabei um ganze 14 Gulden. 146 Es muss
anerkannt werden, dass Felder sich wirklich um die stiftungsgemäße
Verwendung der Gelder gekümmert hat.
Die bayerische Stiftungsverwaltung ließ sich die für fiskalische
und rechtliche Fragen relevanten historischen Dokumente
vorlegen und sah sie genau durch, wie Rückfragen
beweisen. So ließ sich die Stiftungsadministration das Urbar
der Magdalenenstiftung vom Jahre 1660 vorlegen und
quittierte den Empfang. 147
Das Rentamt, also der Vorgänger des Finanzamtes, fragte
1808 wegen der in einem herrschaftlichen Urbar, vermutlich
dem Stockurbar, vermerkten Steuerleistung von 115
Pfund Pfennig nach. 148
Feldkirch verlor auch das alleinige Verfügungsrecht über
die älteste karitative Institution der Stadt, das Stadtspital.
Die Aufnahme älterer Bürger und Bürgerinnen in das vorwiegend
als Altersheim dienende Spital entschied letztendlich
das Generalkommissariat des Illerkreises in Kempten,
nachdem vorher das Landgericht eine Stellungnahme abgegeben
hatte. 149
Andererseits kann den damals Verantwortlichen bei Durchsicht
der Armenfürsorgeakten ein soziales Engagement
nicht abgesprochen werden. So kann der Versuch verfolgt
werden, einem armen Knaben eine Lehrstelle in München
zu finden und Mittel zur Bezahlung des Lehrgeldes zu finden.
150
Feldkircher Wochenblatt 17. Oktober 1815
Rückkehr zu Österreich
Im Pariser Geheimvertrag vom 3. Juni 1814 wurde zwischen
Kaiser Franz I. von Österreich und König Max Joseph die
Rückgabe Vorarlbergs vereinbart, lediglich das Landgericht
Weiler blieb bei Bayern, das damit einen schmalen Korridor
zum Bodensee erhielt. Monate zuvor waren im ganzen Land
Gerüchte über die mögliche Rückkehr Vorarlbergs im Umlauf
und sorgten für Unruhe. Bereits im Sommer 1813 sah
sich Bayern zur Verlegung einer Garnison nach Feldkirch
veranlasst, die für Ruhe sorgen sollte und als Einschüchterung
möglicher Umtriebe gedacht war. Die ersten Monate
des Jahres 1814 verliefen ruhig, doch wurde mit gespannter
Aufmerksamkeit die Entwicklung der politischen Verhältnisse
genau verfolgt. Über Zeitungen war man über die
Veränderungen in Europa informiert. Die bayerische Verwaltung,
besonders Landrichter Gugger, wurde vorsichtig
in der Ahndung von Verstößen gegen Verordnungen. Als
die Geistlichkeit der Umgebung Feldkirchs am Markustage
(25. April) sich in Rankweil versammelte und die Abhaltung
einer Prozession und Feldersegnung beschloss, unternahm
der darüber informierte Landrichter nichts. Hintergründe
dieser Weihehandlungen waren drei hintereinander folgende
Missernten. Am 29. und 30. April vernichtete ein
strenger Frost die Obstblüten und Maispflänzchen. Im Mai
1814 herrschte in Feldkirch eine unruhige Stimmung, die
aber größtenteils auf dem persönlichen Hass gegen den
unbeliebten Landrichter Gugger basierte. Gugger soll bereits
Fühlung mit der Opposition aufgenommen haben. Das
Haupt dieser Opposition soll der Advokat Dr. Martin Mathis
gewesen sein, heimlich opponierte der Assessor von
Ottenthal. Ein Zeichen des heimlichen Protestes war das
Anbringen des österreichischen Doppeladlers am Bludenzertor.
Auch auf der Dorfbrücke in Nenzing hatte man einen
Doppeladler angebracht. 151
Am 30. Juni reisten die Munizipalräte Johann Josef Ganahl
und Martin Mathis nach Bregenz, um als Vertreter Feldkirchs
bei der feierlichen Übernahme Vorarlbergs durch
den Hofkommissär Anton Ritter von Roschmann die Stadt
Seite 151

Feldkirch zu vertreten. Sie berichteten über den in Bregenz
herrschenden Jubel sowie über die aufgestellten Triumphbögen.
Da sich die Ankunft Roschmanns verzögerte,
reisten Ganahl und Mathis ihm nach Innsbruck entgegen.
Dort hatten sie Gelegenheit, sich über die geplanten politischen
und organisatorischen Neugestaltungspläne zu
informieren. Angeblich hatte man in Wien darüber noch
nicht entschieden. Ganahl und Mathis befürchteten, mit
Recht, dass man Vorarlberg wie Tirol behandeln würde, es
der ständischen Vertretung Tirols unterstellen und auch in
den Tiroler Mautverband aufnehmen würde. Sie schlugen
vor, dass man Roschmann bei der Landesübergabe eine
Petition übergeben solle, in der man sich gegen diese Unterstellung
und Anpassung an Tirol wehren solle.
Von Roschmann kam über das Außerfern und über Kempten
nach Bregenz, wo am 7. Juli 1814 im Rathaus die Landesübergabe
stattfand. Der ganze Tag war mit Festlichkeiten,
einem Gottesdienst und Festzug, bei dem ein Porträt des
Kaisers mitgetragen wurde, ausgefüllt. 152 Am folgenden Tag
besuchte Roschmann kurz Feldkirch, wo man ihm einen
festlichen Empfang bereitete. 153
Der Gymnasialprofessor Aloys Kneringer verfasste einen
Bericht über die Festlichkeiten. Die Feldkircher hatten sich
frühmorgens versammelt: „ehe noch die Sonne die höchsten
Bergspitzen rötete und ihre Strahlen in das anmutige
Rebental herabsenkte, um den für sie ewig wichtigen Tag
mit frohem Jubel zu begrüßen.“
An der Stadtgrenze vor dem Nikolaitor stellten sich zwei
Kompanien des Bürgermilitärs auf, dort begrüßte der greise
Bürgermeister Kessler Roschmann. Die Bevölkerung, von
Kneringer als „die gut dressierten Landsleute“ bezeichnet,
jubelte beiderseits der Straße. Nach Begrüßungsgedicht,
Lied, Salven und Böllerschüssen kehrten die Honoratioren
in das direkt an den Nikolaiturm anstoßende Hotel „Zur goldenen
Krone“ ein. Ein Mädchen, das ein pathetisches Gedicht
vortrug, soll Roschmann zu Tränen gerührt haben. In
der Neustadt, vor dem Hotel, stellten sich Gruppen aus dem
Seite 152
Festumzug 1814 in Bregenz
ganzen Landgericht Feldkirch, angeblich 1.200 Mann auf,
wovon ein Drittel beritten war. Nach dem Festessen wurde
ein Dankgottesdienst abgehalten. Unter die Armen verteilte
man, unter Aufsicht des Landrichters und Stadtpfarrers,
300 Gulden. Bereits nach fünf Stunden verließ Roschmann
Feldkirch in Richtung Bludenz. 154
Anlässlich der Ankunft Roschmanns schnitzten Handwerksgesellen
aus Holz einen Adler, den sie auch vergoldeten.
Die Stadt gab ihnen als Trinkgeld und als Anerkennung vier
Louisdor. Beim Dankfest wurde die ganze Stadt beleuchtet.
Diese „Illumination“ wurde durch vor die Fenster der Häuser
gestellte Kerzen, geschützt durch Gläser, erreicht.
Da für den 12. August 1814 österreichisches Militär in Feldkirch
erwartet wurde, stellte man im Magazin Leintücher,
Stroh und Heu bereit. Ein städtischer Mitarbeiter, vermutlich
der Tambour, zog am 12. August durch Feldkirch, blieb
an Straßenecken stehen und machte dort mittels Trommelschlag
auf sich aufmerksam und verlas die offizielle Abtretung
Vorarlbergs von Bayern und die Rückgabe an Österreich.
Stadtpfarrer Wolf wurde am 13. Juli beauftragt einen
Dankgottesdienst sowie eine Festpredigt zu halten. Bereits
am 2. Juli hatte er einen Seelengottesdienst für die vielen
Kriegstoten gehalten.
Die Behörden haben sich dann noch lange mit der Klärung
offener finanzieller Forderungen, sowohl von Gemeinden
wie von Privaten, beschäftigt.
1 Neue Perspektiven 1809, hg. von Gerhard Wanner. Lochau 1985.
2 Vorarlberger Nachrichten 26.2.2009. Beraterteam aus Historikern für
Planung.
3 Karl Heinz Burmeister, Die bayerische Verwaltung in Vorarlberg, in:
Neue Perspektiven 1809, hg. von Gerhard Wanner. Lochau 1985,
S. 57-65, hier S. 58. Eberhard Weis, Das neue Bayern – Max I. Joseph,
Montgelas und die Entstehung und Ausgestaltung des Königreichs
1799 bis 1825, in: Krone und Verfassung. König Max I. Joseph und der
neue Staat. Beiträge zur Bayerischen Geschichte und Kunst, hg. von
Hubert Glaser (Wittelsbach und Bayern 3/1). München 1980, S. 49-64,

hier S. 54. In der Literatur wird dies als Aktion dargestellt, die auf reine
Initiative Gravenreuths zustande gekommen sein soll. Dies scheint
zweifelhaft.
4 Burmeister, Bayerische Verwaltung (wie Anm. 3), S. 58.
5 Andreas Ulmer, Die Burgen und Edelsitze Vorarlbergs und
Liechtensteins. Dornbirn 1925, S. 882.
6 Ferdinand Hirn, Vorarlbergs Herrscherwechsel vor hundert Jahren, in:
Fünfter Jahresbericht der k.k. Oberrealschule in Dornbirn. Dornbirn
1906, S. 5-7.
7 Alois Niederstätter, Dr. Joseph Ganahl von Zanzenberg, in: Dornbirner
Schriften (1988) 5, S. 31-35.
8 Über die Feier siehe Hirn, Herrscherwechsel (wie Anm. 6), S. 17–22.
9 Organisationsedikt in Königlich–Baierisches Regierungsblatt (fortan:
RBl.) 1806, S 432-441.
10 Hirn, Herrscherwechsel (wie Anm. 6), S. 26 – 27; Burmeister,
Bayerische Verwaltung (wie Anm. 3), S. 61.
11 Ferdinand Hirn, Vorarlbergs Erhebung im Jahre 1809. Bregenz 1909, S.
31-32.
12 Vorarlberger Landesarchiv (fortan: VLA), Vorarlberger Akten, Sch 6, Nr.
111, Nr. 91,5 Ulm 24.7.1807 und 91/188 Bregenz 6.8.1807; Sch 49, Nr.
620. VLA, Vogteiamt, Oberamt und Kreisamt Bregenz (fortan: VOKA)
Sch 245, Publ. 1020 /1807. Einführung Eberle 12.10.1807. Heute erinnert
noch der alte Kamin im Bauamt an die Wohnung.
13 VLA, Vorarlberger Akten, Sch 6, Nr. 111, Nr. 3079, 5982 Bewerbung.
Dokument Nr. 91/188; Sch 49, Nr. 620. VLA, Kreisamt 1, Publ. 252/1808.
14 Über die Gilm von Rosenegg siehe Manfred Tschaikner, Die Feste Bürs, die
Balme Hohlenegg und das Schloss Rosenberg – zur Geschichte der Burgen
von Bürs, in: Bludenzer Geschichtsblätter (2009) 90/91, S. 3-27, hier
S. 18-19; Vorarlberger Volksblatt 5.5.1888, Nachruf Ferdinand von Gilm.
15 VLA, Vorarlberger Akten, Sch 49, Nr. 620: Protokoll 5.8.1807.
16 VLA, VOKA, Sch 245, Publ. 1193/1807.
17 VLA, VOKA, Sch 245, Nr. 247, 16.9.1807.
18 VLA, VOKA, Sch 246, Publ. 626/1808; RBl.1806, S. 440.
19 VLA, Bayerische Akten, Sch 18, Publ.1016/1808/09.: Brief Gugger
13.1.1809; RBl. 808, Sp. 2809, § 26.
20 VLA, VOKA, Sch 246, Publ. 296/1808, Nr. 5329; VLA, Bayerische Akten,
Sch 18, Publ. 1013/1807; RBl. 1807, Sp. 557.
21 RBl. 1806, 49. Stück, 3.12.1806. Beilage: Ausweis über den
Flächeninhalt, die Eigenschaften der Orte und die Population des
königlich-baierischen Landes Vorarlberg.
22 VLA, Landgericht (fortan: LG) Feldkirch, Sch 39, Polit. 4022/1813.
( Häuser) und Polit. 4263/1813. (Bevölkerung).
23 Joseph von Hörmann, Zur Jurisdiktionsnorma für Tirol und Vorarlberg.
Innsbruck 1797, S. 6 und Fußnote 10. Exemplar in der Bibliothek des
Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, FB 2805, eingesehen.
24 VLA, Vorarlberger Akten, Sch 6, Nr. 111. Bregenz hatte 6 Stadträte und
19 Ratsbedienstete.
25 Ulrich Nachbaur, Von den Ständen zu den Gemeinden (Verba volant Nr.
42), S. 5.
26 RBl. 1808, Sp. 2405.
27 RBl. 1808, Sp. 2407.
28 RBl. 1808, Sp. 2408.
29 Beispiel für Protokollvorlage siehe VLA, LG Feldkirch, Sch 27, Polit.
1919/1811. Bürgerrechtsverleihung siehe Stadtarchiv Feldkirch (fortan:
STAF), Einreichungsprotokoll 1810/11, Nr. 5.
30 STAF, F I Sch. 83/23.
31 STAF, F I Sch. 17/2: Ziegelhütte; 17/7: Fresch und Miete; 17/16:Markt.
F I 7 a, Akt 17.11.6.1813. STAF, F I Sch 7 A, Akt 16: Stadtkämmerei
aufgelöst, Kommunaladministration gegründet. STAF, F I 7 A, Akt 9:
Rechnungslegung Holzmeister, Ziegel- und Kalkmeister.
32 STAF, F I Sch 84, Akt 6.
33 STAF. F I Sch 22 c/2. Einreichprotokolle 1810/11, Nr.64, 75. 1811, 184.
34 VLA, VOKA, Sch 245, Publ. 70/1807.
35 Die Brüder Georg, Maximilian und Christoph Gugger sollen durch
Bestechung zu ihren Posten gekommen sein. Georg war Rentmeister in
Immenstadt, Maximilian Landrichter in Schruns. Hirn Erhebung (wie
Anm. 11), S. 32.
36 VLA, VOKA, Sch 245, Akt Publ.1210/1807.
37 STAF, Einreichungsprotokoll 1811, Nr. 81.
38 VLA, LG Feldkirch, Sch 159, Praes. 1085./1811.
39 200 Jahre Feldkircher Presse. Vom „Feldkircher Wochenblatt“ zum
„Feldkircher Anzeiger“, in: Feldkirch aktuell, Februar 2009, 1, S. 50–52.
40 VLA, Bayerische Akten, Sch 15, Polit.848/1808.
41 Eberhard Tiefenthaler, Die Vorarlberger Publizistik um das Jahr 1809,
in: Neue Perspektiven 1809, hg. von Gerhard Wanner. Lochau 1985,
S. 67-79, hier S. 76–77.
42 Christoph Vallaster, Schlagzeilen. Kleine Vorarlberger Pressegeschichte
(Ländle-Bibliothek 4). Dornbirn 1985, S. 43-47.
43 VLA, LG Feldkirch, Sch. 37, Polit. 1603/1813. VLA, Bayerische Akten, Sch.
20, Polit.1345/ 1812, Dokument Nr. 16.
Seite 153

44 Eberhard Tiefenthaler, Vorarlberger Kriegslyrik der Franzosen- und
Bayernzeit in: Neue Perspektiven 1809, hg. von Gerhard Wanner.
Lochau 1985, S. 35-48, hier S. 35-44. Abdruck der Druckwerke 1814 bei
Renate Wagner, Würde, Glanz und Freude. Vom festlichen Leben und
Treiben in den Zeiten. Graz/Wien/Köln 1981, S. 115–117.
45 Glanz und Ende der alten Klöster, hg. von Josef Kirmeier/Manfred
Treml. München 1991; Margit Kager, Das Kloster Mehrerau im 18.
Jahrhundert. Diplomarbeit Universität Innsbruck 1985, S. 38, 68–71.
46 Andreas Ulmer/Manfred A. Getzner, Die Geschichte der Dompfarre St.
Nikolaus Feldkirch, Bd. 1. Feldkirch 1999, S. 390-391.
47 STAF, F II Sch 64/2. Magistratsakten 1812.
48 VLA, Bayerische Akten, Sch. 15, Akt Nr. 6, 1807. Ferdinand Hirn,
Widerstandsversuch gegen die kirchenpolizeilichen Verordnungen der
josephinischen und bayerischen Zeit in Götzis, in: Archiv für Geschichte
und Landeskunde Vorarlbergs 2 (1905/06) 7, S. 49-54.
49 VLA, Bayerische Akten, Sch 15, Polit.817/1808.
50 Elmar Schallert, Geschichte des Bistums Feldkirch. Strassburg 1999, S.
23. Mette siehe STAF, F I Sch 138, Akt 15.
51 Meinrad Pizzinini, Die bayerische Herrschaft in Tirol, in: Krone und
Verfassung. König Max I. Joseph und der neue Staat. Beiträge zur
Bayerischen Geschichte und Kunst, hg. von Hubert Glaser (Wittelsbach
und Bayern 3/1). München 1980, S. 254-259, hier S. 257.
52 Hans Schmid, Meran, Residenz des Bischofs von Chur 1800-1807, in:
Schlern 26 (1952) 7/8, S. 307-309, hier S. 309; Reinhard Heydenreuter,
Tirol unter dem bayerischen Löwen. Geschichte einer wechselhaften
Beziehung. Regensburg 2008, S. 153-154; Schallert, Bistum (wie Anm.
50), S. 23.
53 Gerhard Podhradsky, Pfarrgeschichte: Kirchen, Pfarrer, Bruderhof und
Kloster, in: Altenstadt. Eine Dorfgeschichte. Feldkirch 1997, S. 323 - 383,
hier S. 360-361.
54 Ulmer/Getzner, Dompfarre St. Nikolaus (wie Anm. 46), S. 206-207.
55 Schallert, Bistum (wie Anm. 50), S. 23.
56 Christoph Volaucnik, Das Kapuzinerkloster Feldkirch – im Spiegel
archivarischer Quellen, in: Das Kapuzinerkloster Feldkirch. Festschrift
2007 (Rheticus 29 [2007] 3), S. 22-55, hier S. 52-55; Heydenreuter, Tirol
(wie Anm. 52), S. 152.
57 VLA, LG Feldkirch, Sch. 26, Polit. 1809/1811. Karlheinz Albrecht, Aus der
Vergangenheit des ehemaligen Siechenhauses, in: Vollversammlung
2008. Agrargemeinschaft Altenstadt, Feldkirch 2008, S. 32-40,
hier S. 38.
Seite 154
58 Ulmer/Getzner, Dompfarre St. Nikolaus (wie Anm. 46), S. 361-364. STAF,
F I Sch. 17.
59 STAF, F I, Sch .26 b/ Akt 19 und 20.
60 VLA, LG Feldkirch, Sch. 27, Polit. 2512/1811., und Sch 28, ,Polit.
2838/1811.
61 Ulmer/Getzner, Dompfarre St. Nikolaus (wie Anm. 46), S. 515-516. STAF,
Einreichungsprotokoll 1812, Nr. 156. Beim Bau des Illparkes kamen die
Fundamentmauern der Kirche zum Vorschein.
62 STAF, F I Sch 138, Akt 14.
63 STAF, F I Sch 138, Akt 14.
64 Heydenreuter, Tirol (wie Anm. 52), S. 143-145.
65 STAF, F I Sch 139, Akt 13. B‘ üs im Krumbach. Eine Gemeinde aus dem
Vorder Bregenzerwald stellt sich vor. Krumbach 1999, S. 29-32; Der
Weiberaufstand in Krumbach, in: Vorarlberger Volks-Kalender 1894, S.
26-34; Ulrike Längle, „Tolle Weiber“. Theaterstück über den Aufstand
der Krumbacherinnen 1807 gegen die Bayern, in: Kultur. Zeitschrift für
Kultur und Gesellschaft 22 (2007) 6, S. 50-51.
66 STAF, Einreichungsprotokoll 1807,20.1.1807.
67 VLA, VOKA, Sch. 245, Publ. 1715 C, B/1807 Auf den Listen finden sich
immer zwei Angaben: der aktuell zu stellende und ein von früher zu
stellender Rekrut.
68 VLA, VOKA, Sch 245, Liste o. Sign.
69 STAF, Einreichungsprotokoll 2 ,1807, 31.12.1806, 3.1., 13.5., 3.2.1807.
70 STAF, Einreichungsprotokoll 1808, 3.5.1808.
71 VLA, LG Feldkirch, Sch. 21, Polit. 1210/1810.
72 STAF, F II Sch. 83, Akt 1.
73 STAF, Einreichungsprotokoll 2, 17.1., 10.4., 9.5.1807; VLA, LG Feldkirch,
Sch. 176, Präs. 75/1810.
74 VLA, LG Feldkirch, Sch 25, Polit. 963/1811. STAF, Einreichungsprotokoll
1819/11, Nr.118. Sozialunterstützung für Familie Ossi in VLA, LG
Feldkirch, Sch. 31, Polit. 1521/1812.
75 RBl. 1808, Sp. 2348-2350: 13. Linien Infanterie Regiment. Sp. 2735-
2738.
76 Christoph Volaucnik, Tosters von 1500 bis 1914, in: Tosters. Eine
Dorfgeschichte, S. 89-158, hier S. 141.
77 Sterbebuch Pfarre Altenstadt. Mikrofilm in Stadtbibliothek Feldkirch.
Vorarlberger Volksblatt 25.11.1879.
78 STAF, F II Sch 64/2, Dokument 70.
79 STAF, F I, Sch 84/III,3. Akt 1006, Nr.31.

80 STAF, F I, Sch 17-30, 1813 und 17-11. In dem einen Dokument wird der
Exerzierplatz auf der Flur „unter dem Kapf“, im anderen auf der Flur
„Tostnerau“ lokalisiert.
81 VLA, LG Feldkirch, Sch 33, Polit. 3430/1812.
82 VLA, LG Feldkirch, Sch 36, Polit. 1259/1813.
83 VLA, LG Feldkirch, Sch 31, Polit. 1371/1812.
84 RBl. 1807, Sp. 657 ff.
85 STAF, Einreichungsprotokoll,9.6.,6.8.,10.6.,12.10.,7.12.1808.
Einreichungsprotokoll 1811, Nr. 173. Offiziersliste und Kompanieliste
siehe: Addreßkalender oder Taschenbuch des Illerkreises für das Jahr
1812. Kempten 1812, S. 36 und Addreßkalender 1809, S.36.
86 VLA, LG Feldkirch, Sch 28, Polit. 3096/1811. Vorfall mit Gewehr in Sulz.
Sch 35, Polit. 306/1813. Der Arzt Dr. Franz Joseph Griß behielt sein
Gewehr für die Jagd .
87 VLA, LG Feldkirch, Sch 24, Polit 2774/1810.16.9.1810.
88 Oskar Bezzel, Geschichte des Königlich Bayerischen Heeres unter König
Max I. Joseph von 1806 (1804) bis 1825. München 1933, S. 108-113.
Freundlicher Hinweis des Bayerischen Hauptstaatsarchiv, Kriegsarchiv,
vom 15.10.2002.
89 STAF, F I, Sch. 83, Akt 38, 1813.
90 VLA, LG Feldkirch, Sch 75, Polit. 32/1820.
91 STAF, F I, Sch 83, Akt 38. 12.12.1813: Jägerkorps geplant. 4.12.1813: zwei
Husaren stellen.
92 RBl. 1814, Sp.1041-1045; Königlich-Baierisches Allgemeines
Intelligenzblatt (fortan: Intelligenzblatt) 1813, Sp. 829–834. Die
„außerhalb des bürgerlichen Verbandes“ stehenden Personen,
vermutlich Beisäßen und Diener, spendeten ebenfalls 78 Gulden.
93 RBl. 1814, Sp. 713-717; Montafon in RBl. 1814, S. 797-798; Sonnenberg
in RBl., Sp.806-807; Landgericht Feldkirch in Intelligenzblatt, Sp. 830.
94 VLA, LG Feldkirch, Sch 75, Polit. 32/1820. Ein Widerspruch gibt es
bezüglich der Anzahl der Kompanien. Am 6.1.1814 wird festgestellt,
dass anstatt der drei nur zwei Füsilierkompanien bestehen. Am
14.6.werden im I. Bataillon zwei und im zweiten Bataillon eine weitere
Kompanie angegeben.
95 RBl. 1808, Sp. 2009.
96 Ferdinand Hirn, Erhebung (wie Anm. 11), S. 93.
97 Ebenda, S.207, 226, 233, 261.
98 Andreas Ulmer, Die Schützenscheiben des Hauptschießstandes
Feldkirch. Dornbirn 1932, S. 60-61.
99 „Verzeichniß über die Begebenheiten der Vorarlbergischen Geiseln, die
sich von Hause bis ins Frankreich und im selben zugetragen haben.“
In: Vorarlberger Volksblatt 6.6, 13.6., 20.6., 23.6.1871.
100 Gerhard Winkler, Die Geschichte des Feldkircher Gymnasiums von 1773
bis 1856, in: Jahrbuch Vorarlberger Landesmuseumsverein 2006/07, S.
79-161, hier S. 85-88.
101 Christoph Volaucnik, Das Feldkircher Gymnasium in den Jahren 1806 bis
1848, in: Alemannia studens (2000) 10, S. 58-60.
102 Intelligenzblatt 1813, Sp. 287-290, 805-815. Am bekanntesten sind
Sylvester Hammerer und Johann Nepomuk Ebner, die österreichische
Spitzenbeamte wurden.
103 Winkler, Gymnasium (wie Anm. 100), S. 87.
104 Helmut Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens,
Bd. 3. Wien 1984, S. 244-259.
105 VLA, Vorarlberger Akten, Nr. 399.
106 Christoph Volaucnik, Das Feldkircher Gymnasium von 19´848 bis 1918,
in: Festschrift 350 Jahre Gymnasium Feldkirch, hg. von Harald Walser.
Feldkirch 1999, S. 65-86, hier S. 72.
107 VLA, Bayerische Akten, Sch. 84, Landesorganisation 1806/07.
108 Erich Somweber, Abschied vom alten Kammergebäude in der
Schlossergasse, in: Feldkircher Anzeiger 19.6. und 26.6.1954; VLA, LG
Feldkirch, Sch 27, Polit. 2212/1811. Sch 31, Polit. 1350/1812; Feldkircher
Wochenblatt 15.9.1812, S. 307: Inserat Ganahl.
109 VLA, LG Feldkirch, Sch. 29, Polit. 73/1812.: Handel mit „Zitz“.
110 STAF, F II Sch. 64/2.
111 VLA, LG Feldkirch, Sch. 158, Präs. 2575/1812.
112 VLA, LG Feldkirch, Sch 176, Präs. 218/1810.
113 VLA, Bayerische Akten, Sch 15, Nr. 845.
114 VLA, Bayerische Akten, Sch 14, Nr. 741.
115 VLA, Gericht Rankweil–Sulz, Sch 12, Akt 468.
116 VLA, Vorarlberger Akten, Nr. 503: Getreidepreise. Das Getreide wurde
übrigens in drei Qualitätsklassen unterteilt.
117 STAF, F I Sch 84, Akt I/2,29. 24.3.1814.
118 Manfred Tschaikner, Das „ehrsame Handwerk“ zu Schnifis, Düns und
Dünserberg. Die Geschichte der Zunftlade und ihre Personenstandsverzeichnisse
(1725-1837). Nenzing 2008, S. 24-26.
119 VLA, Bayerische Akten, Sch 14, Nr. 759 und 760; VLA, Vorarlberger Akten
Nr. 386.
120 STAF, F II Sch 64/2.
121 VLA, LG Feldkirch, Sch 23, Polit. 2160/1810.
Seite 155

122 VLA, LG Feldkirch, Sch 22, Polit. 1709/1810.
123 VLA, LG Feldkirch, Sch 30, Polit. 845/1812. Christoph Volaucnik,
Traditionelle Feldkircher Unternehmer. Schlosser Köb und Goldschmied
Himmer, in: Rheticus 27 (2005) 4, S. 70-88.
124 VLA, LG Feldkirch, Sch 28, Polit. 2742/1811.
125 VLA, LG Feldkirch, Sch 25, Polit. 1253/1811.
126 STAF, Einreichungsprotokoll 1808,1.2. und 3.5.1808. STAF, F I, Sch 138,
Akt 3.
127 STAF, Einreichungsprotokoll 1808, 11.5.1808.
128 STAF, F I, Sch 139, Akt 31.
129 STAF, F I, Sch 26 b, Akt 20. Gugger 25.5.1808.
130 STAF, Einreichungsprotokoll 1808, 19.5., 1.6., 4.6., 6.6., 29.11.1808.
STAF, FI Sch 138, Akt 10. Hannes Liener, Beiträge zur Geschichte des
Salzhandels der Stadt Feldkirch. Hausarbeit Universität Innsbruck
1982, S.108; Gerhard Wanner, Feldkircher Theater im 19. Jahrhundert
(Schriftenreihe der Rheticus-Gesellschaft 2). Feldkirch 1977, S. 7.
131 Heydenreuter, Tirol (wie Anm. 52), S. 125-126.
132 VLA, LG Feldkirch, Sch 25, Polit. 1014/1811. Sch 26, Polit.1885/1811. Sch
29, Polit. 391/1812. VLA, Bayerische Akten, Nr. 860.
133 VLA, LG Feldkirch, Sch 33, Polit. 2107/1812 und Polit. 2127/1812; RBl.
1814, Sp. 445; STAF, F I Sch 84 III/1.
134 VLA, LG Feldkirch, Sch 25, 1811, Polit. 1208/1811, Polit. 1014/1811.
135 STAF, F I Sch 139, Akt 27.
136 Festschrift Ein Jahrhundert Freiwillige Feuerwehr Feldkirch-Stadt.
Feldkirch 1951, S. 13.
137 Klaus W.O. Gnaiger, Vorarlberg zur Bayernzeit. Hausarbeit Universität
Salzburg 1977, S. 120-121; Rupert Tiefenthaler, Am Anfang war’s nur
Feuer. Die Vorarlberger Landes-Versicherung und die Geschichte des
Feuer-Versicherungswesens in Vorarlberg. Bregenz 1995, S. 17-22.
138 STAF, Handschrift 106.
139 Tiefenthaler, Feuer (wie Anm. 137), S. 20.
140 Sieglinde Amann, Armenfürsorge und Armenpolitik in Feldkirch von
1814 – 1914 (Schriftenreihe der Rheticus-Gesellschaft 34). Feldkirch
1996, S. 15-19.
141 Gnaiger, Vorarlberg (wie Anm. 137), S.116-117. J.G., Wie die bayrische
Bureaukratie das Armenwesen zu regeln gedachte, in: Vorarlberger
Volksblatt 20.10.1897 (J.G. steht vermutlich für Pfarrer Josef Grabherr).
142 STAF, F I, Sch 26 b-30, Brief 20.11.1808. VLA, Bayerische Akten, Nr. 867.
143 STAF, F I, Sch 26 b - 17
144 STAF, F I Sch 139, Akt 8.
Seite 156
145 Zitiert nach Tiefenthaler, Kriegslyrik (wie Anm. 44), S. 42-43.
146 STAF, F I,26b-30; VLA, Bayerische Akten, Nr. 867.
147 STAF, Einreichungsprotokoll 1808, 24.7.1808.
148 STAF, Einreichungsprotokoll 1808, 17.11.1808.
149 VLA, Bayerische Akten, Nr. 796: Unterstützungen, Dokument Nr.
1699 vom 28.11.1813. STAF, FI Sch 38 A, Mappe 17: Sammelakt
Spitalsaufnahmen.
150 VLA, Bayerische Akten, Nr. 796: Unterstützungen 1812.
151 Ferdinand Hirn, Vorarlberg vor dem Heimfalle an Österreich, in: Archiv
für Geschichte und Landeskunde Vorarlbergs 11 (1915), S. 1-19, hier S.
2, 11, 12-14, 17.
152 Wagner, Würde (wie Anm. 44), S. 110–117.
153 Karlheinz Albrecht, Beiträge zur Geschichte Feldkirchs vom Jahre 1814
bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Diss. Universität Innsbruck
1977, S. 42-43; Hirn, Heimfall (wie Anm. 151), S.19.
154 Aloys Kneringer, Feyerlichkeiten in Feldkirch, 1814, zitiert nach
Albrecht, Beiträge (wie Anm. 153), S.43-44.

Von Dorfvögten und Bannwarten
Die Entwicklung „kommunaler“ Strukturen in Vorarlberg seit dem Mittelalter
Alois Niederstätter
Gemeindegeschichte, Ortsgeschichte boomt in Vorarlberg
schon seit Langem, eine große Zahl von Heimatbüchern
legt Zeugnis vom Bedürfnis, die Entwicklung des engeren
Umfelds im historischen Längsschnitt zu dokumentieren.
Den räumlichen Rahmen für derlei Untersuchungen gaben
und geben fast durchwegs die modernen Gemeinden ab
bzw. jene, die auf der Grundlage des bayerischen Gemeindeedikts
von 1808 – dem Anlass heuriger 200-Jahr-Feiern
– entstanden sind.
Wenn wir heute von „Gemeinde“ sprechen, meinen wir die
„politische Gemeinde“, diejenige Gebietskörperschaft,
die im öffentlich-verwaltungsmäßigen Aufbau von Staaten
die kleinste räumlich-administrative, also politisch-geographische
Entität ist und in Österreich, mit hoheitlicher
Gewalt ausgestattet, eigene wie auch übertragene Aufgaben
erfüllt. Das gilt ebenso in historischer Sicht: Bloße
Siedlungsverbände, auch wenn sie in wirtschaftlicher
Hinsicht – vor allem in Hinblick auf die Flurnutzung – Ordnungsstrukturen
entwickeln, waren daher aus diesem modernem
Blickwinkel keine Gemeinden.
Im ursprünglichen Wortsinn bezeichnet „Gemeinde“ allerdings
überhaupt etwas anderes: nämlich, da man nicht
flächenhaft, sondern in Personenverbänden dachte, die
Gesamtheit aller vollberechtigten Mitglieder einer Gemeinschaft
bzw. deren Versammlungen. Da wir in den Quellen
somit auf eine enorme Vielfalt von „Gemeinden“ unterschiedlichster
Ausprägung stoßen, scheint es kaum sinnvoll,
den Fokus auf jene Erscheinungsformen zu verengen,
die sich mit dem heutigen Begriff der politischen Gemeinde
irgendwie in Einklang bringen lassen.
Dörfer, dorfähnliche Siedlungen gab es in Vorarlberg bereits
in ur- und frühgeschichtlicher Zeit sowie während der
römischen Epoche. Äußerungen über deren Organisation,
über Amtsträger oder gar Formen „kommunaler“ Mitbestimmung,
wie sie sich gelegentlich in der regionalgeschichtlichen
Literatur finden, sind freilich reine Spekulation
fernab jedweder Quellenbasis.
Vortrag auf Einladung der Marktgemeinde Rankweil; Rankweil, Rathaus 26. Mai 2008
Alois Niederstätter (geb. 1955 in Bregenz), Dr. phil., a. o. Univ.-Prof., leitet seit 2001 das Vorarlberger
Landesarchiv
Auch für die sieben Jahrhunderte des frühen und hohen Mittelalters
sind die Spuren mehr als spärlich: Die so genannte
„Lex Romana Curiensis“ – eine aus der ersten Hälfte des
8. Jahrhunderts stammende Aufzeichnung weströmischen
Vulgarrechts – kennt nur eine Einteilung des Landes in
überörtliche Gerichtssprengel, unter dieser Ebene jedoch
keine siedlungsbezogenen Verwaltungsstrukturen.
Erste Anhaltspunkte für das südliche Vorarlberg bietet
schließlich das wohl 842/43 niedergeschriebene Churrätische
Reichsgutsurbar. Es stellte jene Besitzungen zusammen,
auf die das fränkische Königtum unmittelbaren
Anspruch erhob. Für den Drusentalgau – den pagus vallis
Drusianae – überliefert es folgende identifizierbare Orts-
bzw. Siedlungsnamen: Rankweil (in der romanischen Form
Vinomna), Sulz, Montlingen, Göfis, Feldkirch (gemeint ist
Altenstadt), Röthis, Viktorsberg, Frastanz, Beschling, Satteins,
Nenzing, Schlins, Schnifis, Düns, Thüringen, Bludesch,
Nüziders, Ludesch, Bludenz und Bürs.
Davon werden als „villa“, als dörflicher Siedlungsverband,
Rankweil, Sulz, Röthis, Montlingen, Göfis, Feldkirch, Satteins,
Schlins, Bludesch, Ludesch, Nüziders und Bludenz
bezeichnet. Frastanz war ein Königshof („curtis“), eine
zentrale, wohl beträchtliche Teile der Siedlung umfassende
Gutseinheit mit direkt bewirtschaftetem Salland und abhängigen
Bauernstellen („Hufen“, „mansi“). Eine weitere
große Einheit Königsguts befand sich in Beschling, das als
„locus“, als eine Art Außensiedlung, bezeichnet wird. Satteins,
Rankweil, aber auch Schlins verfügten zudem über
einen „fundus“, ein dem Dorf in wirtschaftlicher Hinsicht
zugehöriges Umland, in dem auch weitere Siedlungsnamen
aufscheinen können. Das Pendant zum romanischen „fundus“
des Südens scheint die Mark („marcho“) im alemannischen
Norden gewesen zu.
Das Reichsgutsurbar wie auch die wenigen, aus der Zeit
vor der Jahrtausendwende überlieferten Urkunden zeigen,
dass es einerseits unterschiedliche Qualitäten von Grundbesitz
gab: Königsgut, das zum Teil als Lehen ausgege-
Seite 157

Seite 158
Flurkarte des Hofes St. Johann-
Höchst 1770 (Gabriel Walser)
Flurkarte des Hofes St. Johann-Höchst 1770 (Gabriel Walser)
ben war, Großhöfe geistlicher wie weltlicher Grundherren,
bäuerliches Privateigentum mit höchst unterschiedlichen
Betriebsgrößen, darunter Großgrundbesitz, wie auch Besitz
in mehreren Orten, außerdem gemeinschaftlich bzw. von
Anteilern genutzte Güter.
Ebenso heterogen waren die rechtlichen Bindungen der
Dorfbewohner, die Vasallen des Königs sein konnten, freie
Grundbesitzer, grundherrliche Hintersassen oder auch an
Höfe gebundene unfreie Knechte.
Dass sich daraus noch in merowingischer Zeit stabile, die
Jahrhunderte überdauernde „Dorf- oder Ortsgemeinden
mit Dorfhäuptern und untergeordneten Organen“ geformt
hätten, ist ein in rechtshistorischen Denkmodellen des 19.
Jahrhunderts fußender Anachronismus. Zwar erforderte
eine durchaus komplexe landwirtschaftliche Nutzung der
Flächen mit Ackerbau, Vieh- und Milchwirtschaft im Mehrstufenbetrieb
sowie mit Weinbau bereits ein beträchtliches
Maß an Koordination, doch lernt die Geschichtswissenschaft
allmählich, dass die vorindustriellen Gesellschaften
auf diesem Gebiet höchst pragmatisch, primär mit informellen,
sich rasch wandelnden Systemen agierten. Deshalb
bieten die ohnehin seltenen Urkunden nur Momentaufnahmen,
die keine Allgemeingültigkeit beanspruchen können.
Selbst die von der älteren Rechtsgeschichte so geschätzten
normativen Quellen erweisen sich als Kataloge von Ansprü-
chen, die im konkreten Fall als Verhandlungsgrundlage
dienten – insbesondere dann, wenn die örtlichen Besitzverhältnisse
kompliziert waren, die Betriebsformen und
-größen stark differierten. Das war insbesondere im Vorderland
der Fall. Über irgendwelche dörflichen Verwaltungsstrukturen
erfahren wir freilich bis ins 14. Jahrhundert rein
gar nichts.
Zu relevanten Strukturelementen des Gemeinschaftslebens
entwickelten sich jedenfalls die Kirchen, von denen jene,
die den Zehnt bezogen, als Pfarrkirchen gelten. Da diese
nach und nach das Monopol für den Empfang der Sakramente
sowie für den sonntäglichen Messbesuch erlangten,
formierten sie einen ihnen zugehörigen Personenkreis,
der in weiterer Folge auch für die politische Raumbildung
wirksam werden sollte. Es entstanden „Kirchspiele“, die
zunächst als Personenverbände der Kirchgenossen organisiert
waren, sich aber in weiterer Folge zu flächenhaft definierten
Sprengeln entwickelten. Darauf wird noch zurückzukommen
sein.
Im nördlichen Rheintal wirkte offenkundig die sogenannte
„Villikations- oder Fronhofverfassung“ stärker strukturbildend
als im Süden. Das Zentrum solcher zweigeteilt verfasster
Grundherrschaften bildete ein zentraler Herrenhof
mit ausgedehntem, von zahlreichen unfreien Hofhörigen
direkt bewirtschaftetem Salland. Solche Fronhöfe nannte

man hier hierzulande „Meier-“ oder „Kellhöfe“. Sie hatten
ihren Namen von den Amtsträgern, die sie im Auftrag ihrer
Herrschaft leiteten, dem „Meier“ („villicus“) oder dem
„Keller“ („cellarius“). Dazu kamen – gleichfalls im Hofverband
– die an abhängige Bauern gegen Abgaben und Frondienste
zur eigenständigen Bewirtschaftung ausgegebenen
Bauerngüter, die man Huben nannte. Auch die Gerichtsbarkeit
über die dem Hof zugehörigen Menschen kam der
Grundherrschaft zu. Musterbeispiele dafür sind die beiden
gräflichen Höfe Rieden und Steig, die den späteren Gerichten
Hofrieden sowie Hofsteig den Namen gaben und denen
sie hinsichtlich ihrer Ausdehnung auch annähernd entsprochen
haben dürften. In geistlicher Hand waren unter
anderem der Doppelhof St. Johann-Höchst/St. Margrethen,
der zur Ausstattung der Abtei St. Gallen gehörte, oder der
gleichfalls zunächst st. gallische, dann zwischen den Klöstern
Weingarten und Hofen aufgeteilte Hof Dornbirn. Für
kommunale Strukturen, für Selbstverwaltung auf dörflicher
Ebene boten diese Höfe keinen Raum.
Ein ähnlich geschlossenes System bildete im Süden Vorarlbergs
der dem Kloster Einsiedeln gehörende Hof St. Gerold.
Aller Grund und Boden im Hofgebiet war Klostereigentum,
das zur Bewirtschaftung gegen bestimmte Abgaben
verliehen wurde. Die Hofleute waren durchwegs dem Hof
zugeordnete Leibeigene mit den üblichen Pflichten und
Beschränkungen der persönlichen Freiheit. Als Organe der
Grund- und Leibherrschaft amtierten der Propst und der von
diesem bestellte Keller, in deren Hand alle Funktionen der
öffentlichen Ordnung vereinigt waren – das Blutgericht allein
ausgenommen, das der Grafschaft zustand.
Intensive grundherrschaftliche Erfassung mit landesherrlichem
Anspruch hatte auch nach der allmählichen
Auflösung der in Eigenwirtschaft stehenden Fronhöfe zugunsten
bäuerlicher Grundleihe nachhaltige Folgen für die
regionale Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte. Jene
Kommunalisierungsprozesse, die sich in Vorarlberg seit
dem 14. Jahrhundert sehr deutlich beobachten lassen,
spielten sich im nördlichen Vorarlberg fast ausschließlich
auf der übergeordneten Ebene der Gerichte ab, während
den dörflichen Siedlungsverbänden nur sehr beschränkte
Kompetenzen zugebilligt wurden. Im Gegensatz zum Süden
des Landes wurden dort auch keine Dorfordnungen kodifiziert.
Als Beispiel kann etwa das Gericht Hofsteig dienen, das
die Ortschaften Hard, Lauterach, Wolfurt, Schwarzach,
Buch und Bildstein umfasste. Es war Instanz der Rechtsprechung
in zivilrechtlichen Angelegenheiten, bei Delikten,
die mit Geldstrafen bedroht waren, sowie der freiwilligen
Gerichtsbarkeit, vor allem wenn es um den Abschluss von
Verträgen und um ähnliche Rechtsgeschäfte ging. Dazu kamen
zahlreiche Verwaltungsaufgaben, die das Gericht zur
eigentlichen Gemeindeobrigkeit machten. Es übte die Flur-
und Wegepolizei aus, regelte die Nutzung der Allmenden,
es hob Steuern und Abgaben ein, erließ Verordnungen in
Gemeindeangelegenheiten und hatte legislative Rechte.
Das örtliche Gewohnheitsrecht wurde im so genannten
„Landsbrauch“ festgehalten, der das Hofsteiger Erbrecht,
Bestimmungen über die Besetzung der Ämter und die
Amtseide sowie straf- und zivilrechtliche Normen zusammenstellt.
Dementsprechend bescheiden präsentieren sich die
Verwaltungsstrukturen in den einzelnen Dörfern des Gerichts
Hofsteig. Zwei Männer, die die Quellen als „Dorfmeister“
oder „Einzieher“ bezeichnen, übten eine Art beschränkte
Vorsteherschaft aus. Ihre Aufgaben waren das
Einheben, Verwalten und Abrechnen dörflicher Abgaben sowie
die Organisation örtlicher Gemeinschaftsarbeiten, wie
das Grabenöffnen, Wuhren, Erhalten der Wege und Stege.
Zentrales Begriffspaar für die Ausübung von Grundherrschaft
einerseits, in weiterer Folge jedoch auch für den Aufbau
kommunaler Strukturen – egal auf welcher Ebene – war
„Zwing und Bann“. Damit wird das Recht desGrundherrn
bezeichnet, Gebote und Verbote zu erlassen bzw. deren
Missachtung zu ahnden.
Seite 159

Für das Vorderland beanspruchten die Grafen von Montfort
im frühen 14. Jahrhundert dieses Recht ausdrücklich, wie
aus einer Teilungsurkunde von 1319 hervorgeht. Als Graf
Rudolf V. von Montfort-Feldkirch im Januar 1388 aber einen
Streit zwischen den Kirchgenossen von Rankweil und den
Leuten von Tufers schlichtete, klang das bereits ganz anders:
In der darüber ausgefertigten Urkunde wird das Recht
der Rankweiler anerkannt, bestimmte Wälder „in Bann zu
legen“ und zur Beaufsichtigung so genannte „Bannwarte“
als eigene Organe einzusetzen. Die Delegation der Ordnungsgewalt
nach unten lässt sich zeitlich nicht genauer
fixieren, es handelte sich ohne Zweifel um einen längere
Zeit währenden Prozess der Emanzipation bäuerlicher Interessen,
nicht aber um einen beurkundeten Rechtsakt.
Während etwa in Hofsteig solche Aufgaben späterhin vom
Gericht wahrgenommen wurden, verfestigten sie sich im
Rankweil-Sulzer Sprengel auf der nächst tieferen Ebene
– freilich nicht, wie man annehmen möchte, auf der der
einzelnen Siedlungsverbände, also der Dörfer. Hier gaben
nämlich in der Regel die Pfarren den Rahmen für die Gemeindebildung
ab: Altach und Kommingen gehörten daher
selbstverständlich zu Götzis. Weitere derartige Gemeinden
waren Sulz, Altenstadt, Göfis, Tisis, Klaus und Röthis sowie
selbstverständlich auch Rankweil samt Brederis und Meiningen
– trotz des Sonderfalls der Ausstattung mit zwei Pfarren
(St. Peter und Mariä Heimsuchung). Es gab jedoch auch
Ausnahmen von dieser Regel. Das kleine Tosters war Pfarre
aber keine Gemeinde, Mäder gehörte zwar bis 1654 kirchlich
zu Montlingen, bildete aber wegen seiner Herkunft von
auswärts, aus dem Hof Kriessern, dennoch eine Gemeinde.
Um die Sache zusätzlich zu komplizieren, bildete Sulz,
indem es übergeordnet Zwing und Bann auch für Klaus,
Röthis, Weiler und Zwischenwasser beanspruchte, eine diese
Dörfer bzw. Gemeinden umfassende „Großgemeinde“
mit eigenen, siedlungsübergreifenden Kompetenzen.
Den Ortschaften des Gerichts Rankweil-Sulz standen
seit dem ausgehenden Mittelalter in den Urkunden aufscheinende
Kollegialorgane vor, die aus einer von der Grö-
Seite 160
Pfarre Rankweil
und Umgebung 1810
(Ferdinand Bachmann)
ße der Siedlung abhängigen Zahl so genannter „Geschworener“
bestanden. Der Name stammt von ihrer Vereidigung
durch den Landammann. In Rankweil, Sulz, Altenstadt, Götzis,
Göfis oder Tisis amtierten jeweils sieben Geschworene
als „Siebener“, in Klaus und Röthis „Fünfer“. Im kleinen
Mäder scheint ein „Vierer“, vielleicht auch nur – zumindest
zeitweise – ein „Dreier“ bestanden zu haben. Im 18. Jahrhundert
hieß es hier in Rankweil, die Gemeinde werde vom
Säckelmeister, fünf Geschworenen und zwei Bannwarten
„dirigiert“.
Meiningen hingegen musste – auch wenn die Bewohner im
Bedarfsfall als „Nachbarschaft“ korporativ auftraten – ein
solches Gremium und damit den Status einer Gemeinde
bis über das Ende des Mittelalter hinaus entbehren und
sich in überörtlichen Angelegenheit zu Rankweil rechnen
lassen, das noch 1586 die Banngewalt bis in den Rhein beanspruchte.
Mit dem 1477 erfolgten Bau einer Kapelle und
der Stiftung einer Kaplaneipfründe durch die Meininger war
ein erster wichtiger Schritt zur Verselbständigung unternommen
worden. Nach bevor 1609 die Erhebung zur Pfarre
erfolgte, scheinen 1586 erstmals Meininger Dorfgeschworene
– als „Fünfer“ – auf. Zeitgleich mit der Einrichtung der
Pfarre erhielt Meiningen mit dem vom Feldkircher Vogteiamt
erlassenen „Dorfbrief“ eine Art Gemeindeverfassung,
die unter anderem Bestimmungen über die Ernennung der
fünf Geschworenen und die Handhabung der Orts- und Flurpolizei
enthält.
An der Spitze des Gremiums der Geschworenen stand der
Säckelmeister oder „Säckler“, der Gemeindekassier, was
auf die Bedeutung hinweist, die man einer geordneten
Finanzverwaltung zumaß. Erstmals lassen sich solche Verwaltungsstrukturen
für das Vorarlberger Oberland im Jahr
1393 nachweisen, als die „aydsweren in jedem kirchspel“
genannt wurden.
Da sich der Aufgabenbereich der Geschworenen in erster
Linie auf die Koordination der landwirtschaftlichen Tätigkeiten
und die Erhaltung der dörflichen Infrastruktur er-

streckte, war ihr einziges Exekutivorgan ein Flurwächter,
den man „Bannwart“ nannte. Er musste die ordnungsgemäße
Flurnutzung überwachen und dafür Sorge tragen,
dass nur die Allmendberechtigten ihr Vieh auf die Weide
trieben. Unerlaubterweise weidende Tiere pfändete er und
übergab sie dem Tavernwirt, der sie bis zur Erlegung einer
Geldbuße im Pfandstall behielt. Außerdem wurden Gemeindehirten
bestellt, die das Vieh der Dorfgenossen auf
die Weide trieben.
Als oberstes Organ der Gemeinde trat die Versammlung
der vollberechtigten Gemeindemitglieder, die „Algemain“,
zusammen. Sie wurde einberufen, wenn Wichtiges zu entscheiden
war, die stimmfähigen Männer – und nur diese
– hatten bei Strafe zu erscheinen und mit ihrem „Mehr“ zu
entscheiden.
Den „Achtzehner“, einen erweiterten Ausschuss, der vor
allem über die Grenzen zwischen Eigentum und Gemeindebesitz
zu richten hatte sowie auch über die Anbauordnung
entschied, gab es in Rankweil, Sulz und Altenstadt.
Dass es, um sich als Gemeinde formieren zu können, nicht
nur einer eigenen Pfarrkirche bedurfte, zeigt das Beispiel
von Mäder. Am 26. April 1658 fertigte die Obrigkeit den
„Tafern-Brief der gemeindt Mäder“ aus: „Von erzfürstlichem
huebambts wegen wurdet hiemit den gerichts- und dorfsgeschwornen
zu Gözis angefügt, das vor hochlöblicher
oberösterreichischer cammer den gemeindtsleuthen in der
Mäder auf ihr gehorsammes supplicieren underm dato 12
martii negsthin ein aigener tafern, gegen 1 gulden 30 kreizer
jährlich in das huebambt geliferet werden solle, vergunnt,
zu solchem ende auf heut dato Hans Bökhlin daselbsten
zu einem taferner angenommen und beaidigt worden,
deswegen sie geschworene zu gedachten Gözis bedeute
gemeindtsleuth in der Mäder des taferns halber hinfüran
unangefochten lassen sollen.“
Die Taverne fungierte nicht nur als Wirtshaus und somit
als dörfliches Kommunikationszentrum ersten Ranges,
sondern auch als öffentliches Gebäude, in dem Versammlungen
und offizielle Zusammenkünfte stattfanden. Dem
entsprechend war der Taverner Wirt und Amtsperson in
einem. Besonders deutlich wird diese Aufgabe im Bereich
der Zwangsgewalt, die die dörflichen Organe besaßen.
Wurde etwa Vieh gepfändet, das an unzulässigen Orten
weidete, hatte es der Taverner bis zur Auslösung durch den
Eigentümer zu verwahren. Über jene Fälle, die die Geschworenen
im Rahmen ihrer Kompetenzen zu bestrafen hatten,
urteilten sie im Beisein eines obrigkeitlichen Beauftragten
in der Taverne.
Für das Selbstbewusstsein der Gemeindeleute, insbesondere
der Jugend, war die Existenz einer Taverne sehr
wichtig. Im Oktober 1658 erhielten die ledigen Knaben von
Mäder unter Hinweis auf die nunmehrige Ausstattung mit
einer Taverne ausdrücklich das Recht, „hinfüran die kirchweihinen
so wohl als andere dorfschaften mit einem aigen
spill“ zu besuchen, also als eigener Verband aufzutreten.
Ähnlich vielschichtig waren die kommunalen Strukturen
im benachbarten Gericht Jagdberg. Zum einen konnten
sich Pfarrsprengel und Gemeinde decken: 1387 schlichtete
Graf Rudolf von Montfort-Feldkirch Weidestreitigkeiten
zwischen den Schlinsern („unser leuth in dem kilchspill zue
Schlinss“) und den Nenzingern („die leuth in dem kilspill
zue Nenzingen“). 1474 verlieh Herzog Sigmund von Tirol
den „Leuten und Kirchgenossen“ von Satteins die Alpe
Göfis. In diesem Sinn diente die Angabe des „Kirchspiels“,
der Pfarre, auch der Lokalisierung von Gütern. Wenn sich
Seite 161

1422 die „Nachbarn und Kirchgenossen“ von Schnifis mit
den Söhnen ihres verstorbenen Kirchgenossen Hans Gantner
auf Gampelin wegen Weiderechten verglichen, waren
darin auch die zur Pfarre Schnifis zählenden Leute von
Düns und am Dünserberg eingeschlossen. Dagegen handelte
es bei den „Nachbarn des Dorfs zu Schnifis, reich
und arm“, die 1415 Gemeinderechte veräußerten, um die
Angehörigen des engeren Schnifner Siedlungsverbands.
Ebenso entschied der Feldkircher Vogt Freiherr Ulrich von
Brandis 1469 einen Streit zwischen „den erberen lüten und
der ganzen gemaindt zu Tüns“ auf der einen und den Futschern,
den Inhabern des Guts Futsch am Dünserberg, auf
der anderen Seite. Im Jahr 1500 erscheint schließlich Düns
unter Einschluss von Dünserberg als Gemeinde. Je nach Bedarf
und Interessenlage (vor allem in Hinblick auf nutzbare
Rechte) formierten sich genossenschaftliche Verbände, für
die Nachbarschaften, Dörfer oder Pfarren den Rahmen abgaben.
Im Zusammenhang damit scheinen auch in den Jagdberger
Urkunden des 15. Jahrhunderts vereinzelt Kollegialorgane
auf, die ihre Gemeinschaften nach außen vertraten sowie
lokale Verwaltungsaufgaben erfüllten: 1403 die „aidschwerren“
(Geschworenen) von Schnifis, 1458 die Dorfvögte von
Schnifis sowie 1469 wieder fünf Schnifner Geschworene.
Es ist zu vermuten, dass die Geschworenen die im Rahmen
der Pfarre organisierte überörtliche Gemeinde Schnifis repräsentierten,
während die Dorfvögte im engeren Bereich
der eigentlichen Siedlung Schnifis tätig waren. Auch in
Nenzing und Frastanz sind solche Geschworenenkollegien
nachweisbar.
Dass die von den Angehörigen der Pfarrsprengel bzw. den
Bewohnern von Siedlungsverbänden gebildeten Gemeinden
nur als beschränkt handlungsfähige, dem Gericht
nach- bzw. untergeordnete Einheiten fungierten, belegt die
1510 erfolgte Stiftung einer Frühmesspfründe für die neu
erbaute, den Heiligen Rochus und Sebastian geweihten
Kapelle in Satteins, an der nicht nur die „ganze Gemeinde
Seite 162
des Dorfs Satteins“, die die Lasten trug und deswegen auch
das Patronatsrecht erhielt, sondern ausdrücklich auch Ammann
und Gericht von Jagdberg beteiligt waren.
Der Gemeinde kam für den eigenen Bereich ein Satzungsrecht
zu. Eine verhältnismäßig frühe Dorfordnung für Rankweil
hat sich im Vorarlberger Landesarchiv erhalten. Sie
wurde von den örtlichen Organen, dem Siebener und dem
Achtzehner, namens der ganzen Gemeinde am 10. Januar
1595 niedergelegt. Da jegliche Form der Beglaubigung wie
auch ein Hinweis auf den Konsens der Obrigkeit fehlt, dürfte
es sich wohl um eine Richtschnur für die internen Gebrauch
gehandelt haben.
Die Rankweiler Dorfordnung ist, wie bei dieser Quellengattung
üblich, keine vollständige Kodifikation aller im
örtlichen Bereich geltender Normen, aufgezeichnet wurde
in erster Linie, was aufgrund von Veränderungen, von Unklarheiten
notwendig erschien.
Im Mittelpunkt stand damals zunächst die Nutzung der
Gemeindewaldungen, die Schonung von Bannwäldern und
bestimmter Baumarten. Diesem Themenkreis sind elf von
insgesamt 21 Paragraphen gewidmet:
�� ������� ��������� ����� ����� ���� ���� ������������ ���
zogen werden, sofern Siebener und Achtzehner es als
erforderlich erachten.
�� ���� �������� ��������������� �������� ������������� ��������
tragende Bäume fällt, wird mit fünf Pfund Pfennig bestraft.
�� ����������������������������������������������������
fällt, wird mit zwölf Schilling Pfennig bestraft.
�� �����������������������Tillis und Fastayen Buchen fällt,
wird mit fünf Schilling Pfennig bestraft, wenn es sich um
zweihäuptige Buche handelt, mit zehn Schilling Pfennig
bei vierhäuptigen.

�� �����������������������������������������������������
Bann des Dorfs Rankweil Wildbäume ausgräbt und nach
auswärts verkauft, muss für jeden Baum ein Pfund Pfennig
Strafe zahlen.
�� ������������������������������������������������������ten
aus dem Rankweiler Zwing und Bann verkauft, wird
mit zehn Schilling Pfennig bestraft (jedoch außerhalb
des Fronwalds).
�� �����������������������������������������������������
das sie zu gewerblichen Zwecken benötigen, aus dem
Fronwald beziehen, widrigenfalls sie mit fünf Pfund
Pfennig bestraft werden. Hinsichtlich des weiteren Holzbedarfs
sind sie den anderen Gemeindeleuten gleichgestellt.
�� ������������������������������������������������������gehauene
Holz mitnehmen.
�� ��������������������������������������������������������rat
hat, soll je Klafter ein Pfund Pfennig Strafe zahlen,
außer es stammt aus den Fronwäldern.
Auch die folgende Bestimmung gehört dazu:
�� ���� ������������� �������������� ����� ������������ ����
Rankweiler Zwing und Banns hinaus verkauft, wird mit
fünf Pfund Pfennig bestraft und soll keine Tannen mehr
aus den Gemeindewäldern bekommen. Will er ein neues
Gebäude errichten, hat er das Holz aus den Fronwäldern
zu beziehen.
Es war offenbar üblich, mit dem zu Bauzwecken aus den
Gemeindewäldern bezogenen Holz mehr oder weniger pro
forma Bauten zu errichten, diese dann aber wieder abzureißen
und die Balken, Bretter etc. dann zu verkaufen.
Weitere Bestimmungen galten der Nutzung der Feldfluren
und Weiden:
Viele Güter unterlagen der allgemeinen Viehweide, so etwa
die Maiengüter, die im Frühjahr und im Herbst dem Weidgang
geöffnet werden mussten, widrigenfalls recht hohe
Geldstrafen fällig wurden.
Das Mähen von Streue vor bzw. am St. Gallentag war verboten.
Zäune mussten instand gehalten werden, für jede Lücke
wurden drei Schilling Pfennig fällig. Wer seine Schweine
nicht beringte, zahlt ebenfalls Strafe. Ziegen durften vom
Frühling bis zum Herbst nur in den Wäldern weiden. Bußfällig
wurde auch, wer über die Marksteine hinaus anbaute,
außerhalb der Wege fuhr oder ein Gatter nicht schloss.
Die Erhaltung von Wegen und Stegen sowie der Wuhre erfolgte
im Gemeinwerk, wer nicht erschien, zahlte für ein
eigenes Zugtier zehn Schilling, für ein gemeinsam zu stellendes
fünf und für den Mann drei Schilling. Ausdrücklich
untersagt war es, Knaben statt erwachsener Männer zum
Gemeinwerk zu schicken.
Denkbar knapp sind die Informationen zu den Gemeindeorganen.
Da heißt es nur, das die Geschworenen – also der
Siebener – nach Ablauf der ein- oder zweijährigen Amtszeit
den neuen binnen zwei Monaten Rechnung zu legen haben
und dass jährlich vom Siebener und Achtzehner einer neuer
Säckelmeister zu bestellen ist. Aus anderer Quelle ist zudem
bekannt, dass der Achtzehner durch Tod oder Verzicht
frei gewordene Stellen mittels Kooptierung besetzte.
Ausführlicher, genauer, jedoch auch bereits stärker obrigkeitlich
geprägt ist schließlich jene – knapp 100 Jahre jüngere
– Ordnung, die am 6. Januar 1686 für den gesamten
Götzner Sprengel in Kraft trat. Sie wurde der Bevölkerung,
wie damals üblich, in der Kirche vorgelesen und galt damit
als publiziert:
Seite 163

Die Satzung umreißt den Aufgabenkreis der Gemeinde
umfassend. Sie hatte mit ihren Organen in erster Linie die
normgerechte Nutzung der Fluren sicherzustellen sowie
einen gleichmäßigen Ertrag für alle Mitglieder der Dorfgenossenschaft
aus jenen Gütern zu gewährleisten, die entweder
über das ganze Jahr oder nur zu bestimmten Zeiten
der Gemeindenutzung offenstanden. Es waren dies die
Allmende – Gemeindewald und Gemeindeweiden – sowie
die „Maiengüter“, Grundstücke die zwar Privateigentum
waren, zu bestimmten Zeiten im Jahr, meist im Mai und Okk tober, der gemeinsamen Weide geöffnet werden mussten.
Außerdem galt es, die verkehrsmäßige Infrastruktur – Wege
und Stege – sowie die Wasserbauten – vor allem Gräben
und Wuhre – in organisiertem Gemeinwerk zu erhalten und
die Termine für gemeinsame landwirtschaftliche Aktivitäten
zu fixieren. Bei Übertretungen dieser Normen besaßen die
Gemeindeorgane das Recht, Bußen einzuheben. Weil die
Geschworenen an den Strafgeldern beteiligt waren, lag
eine strenge Beaufsichtigung des Gemeinwesens in ihrem
eigenen Interesse. Die jährliche Neuwahl der Geschworenen
sollte Missstände als Folge langer Amtsdauer verhindern.
Weil aber die abtretenden Geschworenen jeweils die
Kandidaten für die Nachfolge vorschlagen durften, war es
dennoch möglich, etablierte Machtstrukturen weiter zu erhalten.
Gewählt wurden die Geschworenen schließlich von
der „Gemeinde“, der Versammlung der hausbesitzenden
Männer, die das volle Gemeinderecht besaßen.
Da die Gemeinde Götzis seit 1528 das Patronat über die
Pfarre besaß und die Frühmesspfründe eine kommunale
Stiftung war, wählte die Gemeinde die Kirchenpfleger, die
das Kirchenvermögen zu verwalten hatten. Auch den Mesner
bestellte die Gemeinde, ebenso den Brunnenmeister,
den Gemeindehirten sowie den Stiftungs- und den Pfandeinzieher.
Wer dem Kreis der vollberechtigten Gemeindemitglieder
nicht angehörte, aber in der Götzner Gemarkung samt Altach
und Kommingen lebte, war ein „Hintersasse“ und
entrichtete eine eigene Steuer. Heirateten Frauen von aus-
Seite 164
Gemeindeordnung Götzis 1686
wärts ein, mussten sie bzw. ihre Ehemänner die „Fraueneinkaufstaxe“
als Aufnahmegebühr in die Gemeinde erlegen.
Dafür hatte die Gemeinde – zumindest in der Theorie
– auch für ihre verarmten Mitglieder zu sorgen. Einen beträchtlichen
Teil der Armenversorgung übernahmen freilich,
wie auch in der Gemeindeordnung zum Ausdruck kommt,
private mildtätige Stiftungen zugunsten Mittelloser, für deren
Verwaltung ein eigenes Gemeindeorgan zuständig war.
Als im Verlauf des 18. Jahrhunderts im südlichen Vorarlberg
noch eine ganze Reihe von Gemeindeordnungen auff gezeichnet wurde, neigte sich das bis ins späte Mittelalter
zurückreichende System freilich bereits seinem Ende zu:
Ebenso tiefgreifende wie nachhaltige Veränderung brachten
zunächst die maria-theresianischen bzw. josephinischen
Reformen. So wurden die Kontrolle der Gemeindefinanzen
den staatlichen Behörden unterstellt sowie ein Gremium
von zehn Männern, der „Zehner“, installiert, welcher an
die Stelle der Gemeindeversammlung trat, die fortan nicht
mehr einberufen wurde.
Ihr Ende fanden die althergebrachten Gemeinde- wie auch
Gerichtsverfassungen schließlich zu Beginn des 19. Jahrhunderts,
nachdem Vorarlberg an das Königreich Bayern
gekommen war und dadurch einen ungeheuren Modernisierungsschub
erlebte: Erst das bayerische Gemeindeedikt
von 1808 brachte den endgültigen Übergang vom mittelalterlichen
Personenverband zu territorial abgegrenzten
Ortsgemeinden mit staatlichen Aufgaben und einer staatlich
beaufsichtigten Selbstverwaltung. Der Weg zur demokratischen
Selbstverwaltung auf kommunaler Ebene sollte
freilich noch sehr weit sein.

Symposium der Verwaltungsakademie Vorarlberg „Die Zukunft der Regionalplanungsgemeinschaften“; Lochau, Schloss
Hofen, 11. Juni 2008
Jürgen Weiss (geb. 1947 in Hard), 1991 bis 1994 Bundesminister für Föderalismus und Verwaltungsreform, seit 1979
Mitglied des Bundesrates, seit 1997 ständiger Vizepräsident, im zweiten Halbjahr 2008 Präsident des Bundesrates.
Regionale Zusammenarbeit der
Vorarlberger Gemeinden
Jürgen Weiss
Wenn man die Zeitungsdatenbank abfragt, wie oft die
„Vorarlberger Nachrichten“ in den letzten zwölf Monaten
der Begriff „Regionalplanungsgemeinschaft“ verwendet
haben, landet man bei 18 Treffern. Darunter bringt es die
Regionalplanungsgemeinschaft Bregenzerwald auf vier
Treffer, jene des Großen Walsertales auf einen. Der Stand
Montafon bringt es zwar auf den ersten Blick auf über 200
Meldungen, tatsächlich raumordnungsrelevant sind aber
auch nur wenige. Das signalisiert jedenfalls einen Rückgang
der öffentlichen Wahrnehmung, möglicherweise auch
des Stellenwertes. In einer Zeit, in der verstärkte Zusammenarbeit
der Gemeinden in aller Munde ist und dafür die
Regionalplanungsgemeinschaften eigentlich prädestiniert
erscheinen, mutet dieses Ergebnis etwas seltsam an. Fragt
man hingegen nach dem Begriff „Vision Rheintal“, findet
man über 100 Meldungen. Sie ist zwar keine Regionalplanunsgemeinschaft,
füllt aber offenkundig ein Vakuum.
Eine Suche, wie oft der Begriff Regionalplanungsgemeinschaft
(RPG) in der Vorarlberger Rechtsordnung vorkommt,
ergibt 3 Treffer:
�� ���������������������������������������
�� ����������������������������������������������������
von Gemeinden.
�� ���������������������������������������������������
sphärenpark Großes Walsertal (Verschränkung mit der
RPG).
Ihr Bestand wird offenkundig vorausgesetzt, ohne dass
er näher geregelt wäre. Dementsprechend uneinheitlich
sind Entstehung, Rechtsform, Arbeitsweise und Funktionstüchtigkeit
der neun Regionalplanungsgemeinschaften
(Bregenzerwald, Bodensee, Kummenberg, Vorderland,
west licher Walgau, östlicher Walgau, Großes Walsertal,
Montafon, Klostertal). Einzelne Gemeinden gehören zwei
RPG an, andere gar keiner. Das entspricht dem in Vorarlberg
allgemein feststellbaren pragmatischen und nicht
ganzheitlich-systematischen Zugang zur Raumordnung.
Der Landesrechnungshof hat daher 2005 in einem Prüfbericht
über die Vollziehung des Landesraumplanungsgesetzes
angeregt, geeignete Instrumente für eine regionale
Raumplanung zu entwickeln. Das betrifft natürlich nicht nur
die Organisationsform, sondern auch die Erarbeitung regionaler
Entwicklungskonzepte.
Naheliegend wäre auf den ersten Blick, die vorhandene
Struktur zu verbessern. Ein Blick über die Grenze zeigt, wie
das geschehen könnte.
Baden-Württemberg hat bereits vor über 30 Jahren das
Land in zwölf Planungsregionen gegliedert (Bayern in 18),
wozu noch die Landkreise als untere Ebene regionaler
Selbstverwaltung kommen. Die in den Planungsregionen
eingerichteten Regionalverbände steuern die regionale und
kommunale Raumordnung unter anderem mit einem den
Landesentwicklungsplan näher ausführenden Regionalplan.
Dahinter steht eine klar strukturierte Planungs -
hierarchie bis zur Festlegung einzelner Gemeinden als
Ober-, Mittel- oder Unterzentren.
Tirol hat das Landesgebiet in 37 kleinräumige Planungsverbände
gegliedert, die allerdings nur geringe eigenständige
Gestaltungsmöglichkeit haben. Sie sollen einerseits
die Mitwirkung der Gemeinden an der überörtlichen
Raumordnung gewährleisten, beispielsweise in Form von
Vorschlägen für Regionalprogramme, und andererseits die
örtliche Raumordnung unterstützen. Es können ihnen auch
baurechtliche Aufgaben übertragen werden.
Wäre das etwas für Vorarlberg? Ich bin aus folgenden Gründen
skeptisch:
Abgesehen von der nicht ohne weiteres übertragbaren
anderen Raumordnungstradition hat beispielsweise der
benachbarte Planungsverband Bodensee-Oberschwaben
rund 600.000 Einwohner, das ist um die Hälfte mehr als
ganz Vorarlberg. Das Tiroler Modell wiederum würde zu einer
starken Segmentierung des Landes führen, die weder
Seite 165

den geografischen Gegebenheiten noch der notwendigen
Durchlässigkeit von Grenzziehungen Rechnung trüge. Einzugsgebiete
gemeinsamer Einrichtungen folgen heute funktionalen
Zweckmäßigkeiten, die je nach Sachgebiet unterschiedlich
sein können. Starre Grenzen sind zunehmend
überholt.
Die Erfahrungen mit dem Pilotprojekt Vision Rheintal zeigen,
das wir zweierlei benötigen:
Zunächst eine intensivere Zusammenarbeit der Gemeinden,
die sich in der Tat bereits vielfältig entwickelt hat und
in den Köpfen schon stark verankert ist, vielleicht noch
nicht in allen Herzen. Kooperationen können sowohl nachbarschaftlich
bedingt sein als auch – etwa in der EDV und
Finanzverwaltung – unabhängig davon funktionieren. Bei
dem mit gemeinsam mit allen Gemeinden eingerichteten
Portalverbund der Gemeinden wurde darauf eigens Rücksicht
genommen.
Zur Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit sieht
das Regierungsprogramm der Bundesregierung eine Verbesserung
der rechtlichen Rahmenbedingungen vor, wofür
die eingesetzte Expertengruppe folgendes vorgeschlagen
bzw. in Arbeit hat:
�� ����������������� ������ ����� ���� ��������� ���������
beschränkt, sondern auch multifunktional und grenzüberschreitend;
�� �����������������������������������������������������
den und Gemeindeverbände, untereinander oder mit
Land und Bund solche Vereinbarungen im Bereich der
Hoheitsverwaltung zu schließen;
�� ����������������������������������������������������
same behördliche Einrichtungen zu schaffen;
�� ���������������������� ��������� ����� ���� ���������� ����
spielsweise in Form der Vertragsraumordnung.
Seite 166
Eine intensive Zusammenarbeit der Gemeinden, vor allem
in der Form von Gemeindeverbänden, kann natürlich in
ein Spannungsverhältnis mit dem in der Verfassung verankerten
Grundsatz geraten, wonach die Funktion der einzelnen
Gemeinde als Selbstverwaltungskörper nicht gefährdet
sein darf. Dahinter steht auch das Problem, dass ebenso
wie in der Europäischen Union (EU) die Zusammenarbeit
zwangsläufig stark exekutivlastig ist und das Problem auftreten
kann, dass Partizipationsmöglichkeit und direkte
demokratische Legitimation nicht mehr ausreichend gewährleistet
sind. Das Extrembeispiel wäre eine Gemeinde,
die alle ihre Aufgaben an Gemeindeverbände oder andere
Gemeinden übertragen hat. Es liegt auf der Hand, dass sowohl
die Transparenz als auch die Mitwirkungsmöglichkeit
der Gemeindevertretung wie der Bürger stark beeinträchtigt
wäre. In weiterer Folge kann das dann natürlich langfristig
zu Diskussionen in den Gemeinden führen, ob die Einflussmöglichkeit
der Bürger in einer größeren Gemeinde nicht
besser als in funktional stark verzahnten, aber getrennten
Gemeinden gewährleistet wäre. Um die Entscheidung darüber
in den Gemeinden zu belassen, schlägt die Expertengruppe
im Rahmen der Staatsreform auch vor, dass Zusammenlegungen
von Gemeinden nur mit Volksabstimmungen
möglich sein sollen.
Die Vision Rheintal hat als zweites Ergebnis aber auch die
Notwendigkeit gezeigt, die Landesraumordnung zu verstärken,
ich nenne nur die Betriebsgebiete und Einrichtungen
der Daseinsvorsorge. Ob für die regionale Umsetzung der
Landesraumordnung oder eigenständige Regionalentwicklungspläne
landesweit eine eigene organisatorische Zwischenebene
geschaffen werden soll, scheint mir fraglich zu
sein. Das Land ist nicht so groß, dass es an Übersichtlichkeit
mangeln würde und regionale Abgrenzung mit unausweichlichen
Überschneidungen würde erst recht wieder zu
Koordinierungsbedarf führen. Vor allem das Rheintal wäre
als Regionalplanungsgemeinschaft wohl zu groß, weil es in
sich mehrere gut funktionierende Teilregionen hat.

Ich plädiere daher einerseits für einen weiterhin pragmatischen
Zugang. Wo sich regionale Zusammenarbeit herausbildet,
soll das unterstützt und koordiniert werden.
Es wird aber vergebliche Mühe bleiben, das am grünen
Tisch kreieren zu wollen. Im Allgemeinen wird überörtliche
Raumordnung eine landespolitische Herausforderung sein,
für die nach den guten Erfahrungen mit der Vision Rheintal
ausreichende Ressourcen gut angelegtes Geld sein werden.
Seite 167

Seite 168

Symposium der Verwaltungsakademie Vorarlberg „Die Zukunft der Regionalplanungsgemeinschaften“; Lochau, Schloss Hofen, 11. Juni 2008
Gerald Mathis (geb. 1955), Dipl.-Ing. Dr. techn., Geschäftsführer des Instituts für Standort-, Regional- und Kommunalentwicklung ISK in
Dornbirn, Leiter des internationalen Hochschullehrganges für Standort- und Regionalmanagement an der Fachhochschule Vorarlberg und
Schloss Hofen, Universität Konstanz und der Hochschule Liechtenstein.
Interkommunale Zusammenarbeit.
Neue Ansätze und Herausforderungen
Gerald Mathis
Die Entwicklung der interkommunalen
Zusammenarbeit
Interkommunale Zusammenarbeit (IKZ) ist nichts wirklich
Neues. Schon im 18. und 19. Jahrhundert finden sich solche
Modelle der Zusammenarbeit zwischen Gemeinden,
etwa in Vorarlberg, wo sich verschiedene Rheingemeinden
zu sogenannten Wuhrkonkurrenzen zusammengeschlossen
hatten, um gemeinsam den Uferschutz und die Hochwasser
des Alpenrheins zu bewältigen. 1
Ebenso wurden bis ins späte 19. Jahrhundert in vielen Regionen
Weide- und Ackergründe (Allmende) von mehreren
Kommunen gemeinsam genutzt und verwaltet. Waren es
damals die Flächen der Landwirtschaft, welche den Menschen
Arbeit und Brot gaben, so sind es heute eben die Gewerbeflächen,
die uns Einkommen und Wohlstand sichern.
So gesehen, sind auch die immer wieder heraufbeschworenen
interkommunalen Betriebsgebiete nichts wirklich
Neues.
Schon damals war die Zielsetzung der interkommunalen
Zusammenarbeit, größere, übergeordnete Aufgaben gemeinsam
zu organisieren und umzusetzen. Dabei waren
die Formen und die Organisation der Zusammenarbeit
auch immer von den jeweiligen Zeitströmungen beeinflusst.
So führte der kapitalistische und liberale Zeitgeist
des 19. Jahrhunderts bis dahin genossenschaftsähnliche
oder von mehreren Gemeinden wahrgenommene Aufgaben
und Rechte in die Verantwortung einzelner Kommunen oder
von Individualpersonen über. Während des Nationalsozialismus
auch in Österreich - und nach dem Zweiten Weltkrieg
vor allem in Deutschland, wurden dann im Rahmen
von Ver waltungsreformen in großem Umfang Gemeinden
zusammengelegt. Meist ohne Rücksicht auf historische und
standortsoziologische Zusammenhänge und Potentiale, in
denen auch eine große Kraft und Energie von Städten und
Gemeinden liegt. 2 Wenn man so will, ist dies auch eine Art
von interkommunaler Zusammenarbeit, gewissermaßen
die letzte Stufe. Eine Variante, die allerdings mit hoher
Sensibilität und unter Berücksichtigung einer Vielzahl von
Einflussfaktoren auch im standortsoziologischen Bereich
zu diskutieren ist. 3
Gegenwärtig zeigt sich in Österreich der Bereich der interkommunalen
Zusammenarbeit in einer breiten und facettenreichen
Form. Das Spektrum der Zusammenarbeit
reicht von der Abfall- und Wasserwirtschafwirtschaft, über
Gesundheits- und Sozialaufgaben, die Kultur, über Sport-
und Freizeiteinrichtungen, Hochwasser- und Zivilschutz,
dem öffentlichen Verkehr und dem Tourismus bis hin zu
gemeinsamen Verwaltungs- und Organisationsaufgaben
und wird in verschiedenen Organisationsformen vom Gemeindeverband
über Verwaltungsgemeinschaften, Kapitalgesellschaften,
Fonds, Vereine bis hin zu privatrechtlichen
Vereinbarungen zwischen einzelnen Gemeinden und sonstigen
losen Zusammenarbeitsformen praktiziert.
Diese Organisationsformen und Strukturen sollen nun nicht
Gegenstand unserer Überlegungen sein. Sie sind „state of
the art“ und funktionieren, historisch gewachsen, mehr
oder weniger zufriedenstellend. 4
Es gilt vielmehr, vor dem Hintergrund veränderter gesellschaftlicher,
struktureller und wirtschaftlicher Rahmenbe
dingungen, neue Anforderungen und Ansätze der interkommunalen
Zusammenarbeit zu analysieren und zu
diskutieren.
Interkommunale Zusammenarbeit vor dem Hintergrund
sich verändernder gesellschaftlicher, struktureller
und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen
Wenn wir allein die nachstehenden Themenbereiche betrachten,
so zeigt sich, vor welchen Problemen und Heraus -
forderungen – vor allem auch die ländlich strukturierten
Kommunen in Österreich – stehen:
Seite 169

�� ������������������������������������������
�� ��������������������� ���� ������������ ���������� ����
kommunalen Standortes als Lebens- und Wohnraum
�� ���������������������������������������������������
kommunalen Dienstleistungen
Wirtschafts- und Finanzkraft
Die kommunale Wirtschafts- und Finanzkraft stellt für viele
Städte und Gemeinden ein kontinuierliches Problemfeld
dar. Vor Ort lebende und stattfindende Wirtschaft ist dabei
nicht nur Grundlage finanziellen Wohlstandes, sondern
Wirtschaft ist auch immer und wesentlich verbunden mit
unserer gesamten sozialen und kulturellen Entwicklung
und sie ist auch auf kommunaler und regionaler Ebene
Grundlage kulturellen und sozialen Wohlstandes.
Kommunale Standortsicherung
Ohne wirtschaftliche Aktivitäten – zumindest im mittelbaren
kommunalen Umfeld - verlieren Kommunen ihre
Attraktivität und Anziehungskraft und mutieren, wenn
überhaupt, zu reinen Schlafgemeinden oder „sie rinnen
einfach aus“. 5 Damit stehen vor allem ländlich strukturierte
Gemeinden vor der Herausforderungen einer kontinuierlichen
kommu nalen Standortsicherung. Sie müssen über
eine geordnete Einwohnerentwicklung dafür Sorge tragen,
dass ihre Gemeinde nicht „untergeht“. Dies umso mehr
als die demo grafische Entwicklung der kommenden Jahre
und die Flucht von jungen Menschen in urbanisierte Räume
eine Überalterung von ländlich strukturierten Gemeinden
befürchten lässt. Es gilt die Sicherung von leistbarem
Wohnraum für junge Menschen und Familien aber auch den
Zuzug von Jungfamilien gezielt zu forcieren und die Gemeinde
mit der dazu notwendigen Infrastruktur als Wohn- und
Lebensraum zu positionieren.
Seite 170
Einwohnerbetreuung und kommunale
Dienstleistungen
Daneben steigt aber auch der Anspruch, den die Bürger an
umfassende und qualitativ immer hochwertigere kommunale
Dienstleistungen und Betreuung haben.
Alle diese Themenbereich und Handlungsfelder sind letztlich
miteinander verbunden und bedingen einander. Sie
bedingen vor allem jedoch auf regionaler und kommunaler
Ebene eine andere und professionellere Herangehensweise
im Sinne einer gesamthaften und nachhaltigen Gemeinde-,
Standort- und Wirtschaftsentwicklung.
Kommunen und Regionen müssen anfangen
unternehmerisch zu agieren
Gemeinden und Regionen werden ihre Entwicklung - unterlegt
mit einem „kommunalen oder regionalen Masterplan“
- gezielt und planmäßig initiieren und umsetzen müssen.
Es gilt einen adäquaten „kommunalen Profit“ zu er zielen.
Das können dann Arbeitsplätze, Lebensqualität, Ausbildung,
Steuern, soziale Sicherheit sowie kommunales Sozial-
und Humankapital sein.
Dabei ist Wirtschaftsentwicklung als Teil der gesamthaften
Gemeinde- und Regionalentwicklung in diese zu integrieren.
Wirtschaftliche Prosperität, Standortattraktivität und
nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung unserer Städte, Gemeinden
und Regionen sind nicht mehr Zufallsergebnisse,
sondern das Resultat gezielter, organisierter und professioneller
Arbeit. Dies belegen nicht nur die Erfahrungen
aus der praktischen Arbeit unseres Instituts 6 , sondern inzwischen
auch eine wissenschaftlich fundierte Studie der
Wirtschaftsuniversität Wien, welche einmal mehr die Notwendigkeit
professioneller und zielgerichteter Planung und
Gestaltung auf kommunaler und regionaler Ebene aufzeigt. 7

Dort wo Kommunen nachhaltig, umfassend und zielorientiert
planen und agieren, gestaltet sich Wirtschaft und
damit auch kommunaler und regionaler Wohlstand nachweislich
besser und nachhaltiger als in Gemeinden, die in
Einzelaktivitäten verhaftet und ohne kommunalen Masterplan
gewissermaßen jedem Anlass folgend entscheiden
und handeln.
Es gilt unsere Standort- und Wirtschaftspolitik vor allem
auf Ebene der Kommunen und Regionen zu überdenken.
Wir müssen sie „verorten und regionalisieren“. Das heißt,
dass Gemeinden und Regionen ihre Entwicklung gezielt
selbst in die Hand nehmen und sich den Luxus leisten, darüber
nachzudenken, wie und in welche Richtung sich ihre
Gemeinde entwickeln kann und soll. Also, gestalten statt
verwalten. Und nicht davon ausgehen, dass sich alles von
einer „übergeordneten lenkenden Hand“ wie von selbst erledigt
wird.
Es ist dringend notwendig, die Regionalisierung, das aktive
wirtschaftspolitische Gestalten auf lokaler und regionaler
Ebene als Ergänzung, als unabdingbares Supplement zur
Globalisierung zu verstehen. 8 Die gegenwärtige Globa lisierungsinterpretation
wird als politisch bedingtes und
unumkehrbares Ereignis der freien westlichen Demokratie
dargestellt. Diese Interpretation suggeriert nicht zuletzt
Machtlosigkeit und Unabdingbarkeit auf den unteren ökonomischen
Gestaltungsebenen, indem davon ausgegangen
wird, dass wesentliche Entscheidungen auf anderen, national
und vor allem regional nicht beeinflussbaren Ebenen
gefällt werden. Diese Haltung legitimiert und unterstützt
diejenigen, welche im Sinne von – „man kann eh´ nichts
machen“ – die Hände in den Schoß legen. Dabei geht es
auch um die Wahrnehmung politischer Verantwortung – vor
allem auf kommunaler und regionaler Ebene. 9
Neue kommunale Rahmenbedingungen und
Handlungsnotwendigkeiten
Städte und Gemeinden werden sich in Hinkunft viel intensiver
und professioneller um ihre gesamthafte Standort-
und Wirtschaftsentwicklung kümmern müssen. Dies gilt
nicht nur für große Kommunen, sondern gleichermaßen
auch für kleinere Gemeinden. Gerade sie stehen teilweise
unter großem Druck, ihre Zukunft gut und nachhaltig zu
gestalten. Reines „verwalterisches altöster reichisches Bürgermeistertum“
wird diesen Ansprüchen nicht mehr genügen.
Der Bürgermeister als „Manager“ und „Geschäftsführer“
einer Kommune wird zum wesentlichen Erfolgsfaktor.
Es gilt, Gemeinde- und Standortentwicklung als laufenden
und gesamthaften Prozess und als selbstverständliches
Instrument der regionalen und kommunalen Politik zu interpretieren.
Dazu bedarf es aber auch entsprechender Instrumente
und Standards um die Professionalität und das
Know-how der Gemeinde-, Standort- und Wirtschaftsentwicklung
vor Ort sicherzustellen.
Prioritäre Problemkreise und Handlungsnotwendigkeiten
�� ���� ���� �������������� ������������ ������� ����� ��������
de prioritäre Problemkreise und Handlungsnot wendigkeiten:
Vor allem kleinere Kommunen werden den
oben skizzierten Anforderungen an eine planmäßige,
professionelle und nachhaltige Gemeinde- und Standortentwicklung
vielfach nicht mehr gewachsen sein. Es
fehlen Ihnen die personellen Ressourcen, die fachliche
Expertise und nicht zuletzt auch die finanziellen Mittel.
�� �����������������������������������������������������
übergeordneter, regionaler oder subregionaler Ebene
besser, effektiver und ökonomischer lösbar.
Seite 171

Damit scheint auf den ersten Blick den Verwaltungsreformern,
Zentralisten und „Gemeindezusammenlegern“ das
Wort geredet. Gemeindezusammenlegungen sind ein sehr
sensibel und differenziert zu behandelndes Thema 10 . Sie
mögen von Fall zu Fall opportun sein, dürfen jedoch nicht
als Allheilmittel definiert werden. Dabei werden vielfach
auch die vorab ermittelten Einsparungsergebnisse nicht
erreicht. 11 Zu viele nicht quantifizierbare Faktoren spielen
bei derartigen Prozessen eine Rolle. In der gängigen Praxis
wird vor allem den standortsoziologischen Potentialen von
Kommunen als historisch gewachsene Kollektive zuwenig
Bedeutung beigemessen. Hier liegt jedoch ein großes Potential
an Sozialkapital, welches sich im Engagement für
die Gemeinschaft und einer hohen Standortidentifikation
niederschlägt. Ressourcen, welche für unsere Gesellschaft
auf der untersten Ebene unseres pluralistischen Systems
– den Kommunen – von hohem Wert sind. Sie sind die
Grundlage unserer Demokratie und einer starken Zivilgesellschaft.
Nicht zuletzt auch darum, weil sie als Gegenpol
zu immer größer werdenden Verwaltungseinheiten (EU) die
Eigenverantwortung und die Entscheidungs- und Problemlösungskompetenz
auf einer noch überschaubaren Ebene
sicherstellen.
Es gilt nach Lösungsansätzen zu suchen, mit denen den
dargestellten Problemfeldern begegnet werden kann und
übergeordnete Aufgaben mit der notwendigen Professionalität
bewältigt werden können und gleichermaßen die
Selbstbestimmung der Gemeinden und das damit verbundenes
Sozialkapital erhalten bleibt. Ein Lösungsweg sind
neue Ansätze und Formen der Regionalentwicklung auf interkommunaler
Basis.
Seite 172
Neue Formen der interkommunalen und regionalen
Zusammenarbeit
Kleinere und mittlere werden Gemeinden den hier skizzierten
Anforderungen allein nicht gewachsen sein. Sie ver -
fügen gegenüber größeren Städten, Zentralorten und Oberzentren
nicht über die notwendige Kraft und Ressourcen
ihre Standort- und Wirtschaftsentwicklung nachhaltig zu
gestalten und zu betreiben. Umgekehrt sind viele Aufgaben
auch regional effektiver und ökonomischer zu handhaben.
Deshalb empfiehlt sich klugerweise der Zusammenschluss
zu entsprechenden regionalen Funktionalgemeinschaften.
Vorab stellt sich die Frage nach dem gegenwärtigen Stand
der Standort- und Regionalentwicklung.
Gegenwärtiger Stand der Standort- und
Regionalentwicklung
Klassische Regionalentwicklung
Klassische Regionalentwicklungsansätze greifen vielfach
zu kurz. Sie sind historisch gewachsen meist agrokulturell
orientiert und bauen auf Leader-Programme auf, welche in
den Agrar- und Landwirtschaftsministerien der EU-Länder
zu Hause sind. Die Themenschwerpunkte orientieren sich
an diesem Hintergrund und decken weite Bereiche einer
umfassenden Standort- und Regionalentwicklung nicht
umfassend ab, etwa die Sicherung der Wirtschafts- und Finanzkraft
der involvierten Gemeinden.
Klassische Wirtschaftsförderung
Klassische Wirtschaftsförderung dagegen kümmert sich prioritär
um Investoren und Unternehmen. Ein Großteil der Bemühungen
der gängigen Wirtschaftspolitik zielt auf die Unterstützung
und Begleitung der Unternehmen, Investoren
und Existenzgründer ab. Diesem Tun ist auch nicht entge-

genzusetzen und es ist auch notwendig. Aber Wirtschaft findet
vor Ort – in unseren Städten, Gemeinden und Regionen
statt. Sie sind die Keimzellen wirtschaftlicher Entwicklung
und Prosperität. Daher müssen wir uns vor Ort – eben in
den Städten und Gemeinden - um die Wirtschaft kümmern.
Wirtschaftsförderung auch für Kommunen
und nicht nur für Unternehmen
Die strukturelle, wirtschaftliche und soziale Entwicklung
eines Landes wird von mehreren Entscheidungsebenen
maßgeblich beeinflusst. Neben der Ebene der Wirtschaft
sind es vor allem die Entscheidungsträger der Kommunen,
welche den Boden und die relevanten Rahmenbedingungen
für strukturelle Entwicklung, prosperierendes Unternehmertum
und ein entsprechend innovatives Umfeld aufzubereiten
haben.
Damit wird aber auch klar, dass in den klassischen Ansätzen
ein wesentliches Element fehlt. Es ist dringend
notwendig, auch die Gemeinden mit entsprechender
standortwirtschaftlicher Kompetenz auszustatten und
diese beispielsweise auf regionaler Ebene zusammenzufassen
und zu koordinieren. Wirtschaftsentwicklung darf
nicht nur die Unternehmen betreuen, sondern muss vor
allem auch den Kommunen das notwendige Rüstzeug vermitteln
um ihre Wirtschaftsentwicklung selbst in die Hand
zu nehmen und umzusetzen. Vor allem auch darum, weil
die wirtschaftlichen Ziele und Interessen der privaten Wirtschaft
naturgemäß nicht immer identisch sind mit jenen
der Öffentlichkeit, der Kommunen und Regionen. Dabei
mögen die gewinnorientierten Interessen der Wirtschaft
völlig legitim sein. Im Gegenzug muss es dann aber auch
legitim sein, dass Kommunen und Regionen vor dem Hintergrund
öffentlicher Interessen und Ziele, ebenfalls unternehmerisch
und betriebwirtschaftlich agieren, sodass die
Ziele der Privatwirtschaft nicht zu sehr an den öffentlichen
Interessen „vorbeischrammen“.
Daher ist es dringend geboten, die Kommunen und ihre
Akteure mit der notwendigen Professionalität und standortwirtschaftlichen
Kompetenz auszustatten. Klassische Wirtschaftsförderung
mit ihrer Fokussierung auf die Wirtschaft
greift damit ebenfalls zu kurz. Nicht zuletzt zeigt sich die
klassische Wirtschaftsförderung oft zu kopflastig und zu
zentral organisiert und wird damit den skizzierten Anforderungen
auch aus diesem Grund nicht gerecht.
Daneben stellen sich für die Gemeinden aber auch noch
weitere Themen. Sei es der Bereich des Tourismus, der
grundsätzlichen Gemeinde- und Einwohnerentwicklung
und der kontinuierlichen Optimierung und Rationalisierung
in Verwaltung und Organisation mit dem gleichzeitigen Anspruch
einer hohen Dienstleistungs- und Servicequalität.
Vor diesem Hintergrund sind nun neue Formen der Zusammenarbeit
auf regionaler Ebene zu beurteilen. Vor diesem
Hintergrund soll im Folgenden das Modell der „subsidiären
Regionalentwicklung“ ( © ISK Dr. Gerald Mathis 2005)
vorgestellt werden. 12 Dieses Modell ist ein Ansatz von unten
(Bottom-up) und bezieht alle Gemeinden eines definierten
Raumes (Region, Subregion) in den Entwicklungsprozess
mit ein. Das Modell berücksichtigt vor allem das Prinzip der
Subsidiarität, das heißt, das was in den einzelnen Gemeinden
besser und effektiver gemacht werden kann, wird auch
in der regionalen Arbeit dort belassen und die Autonomie
der involvierten Gemeinden bleibt gewahrt.
Dieses Modell ist nicht nur ein theoretischer Ansatz des
Instituts für Standort-, Regional- und Kommunalentwicklung
(ISK), sondern wurde in den Jahren 2006 bis 2007
unter der Begleitung des ISK, in der interkommunalen Zusammenarbeit
von 13 Gemeinden im Westallgäu, Kreis Lindau
im Freistaat Bayern entwickelt und wird nun im Jahre
2008 auch operativ umgesetzt.
Seite 173

Seite 174
Erwin Mohr, Gerald Mathis,
Bertram Meusburger
Interkommunale Zusammenarbeit und das Modell
der subsidiären Regionalentwicklung nach ISK
Grundsätzliche Standards der interkommunalen
Zusammenarbeit
Eine nachhaltige interkommunale Zusammenarbeit auf
regionaler Ebene muss gewisse Mindeststandards erfüllen.
Dabei ist es wichtig, dass dieses Zusammengehen als Prozess
verstanden wird, der gemeinsam eingeleitet und auch
gemeinsam entwickelt werden muss und nicht von oben
aufoktroyiert ist:
�� �������������������������������������������������������
und Gemeinden einer Region. Alle involvierten Kommunen
entscheiden im Zuge eines breit angelegten und
professionell begleiteten Prozesses mit, wie die künftige
Standort- und Regionalentwicklung ausschauen soll. Der
Prozessbegleiter muss dazu über die entsprechende soziale
und mediative Kompetenz zur Begleitung von großen
Gruppen, vor allem aber auch über die notwendige
standortwirtschaftliche Kompetenz verfügen. 13
�� ������������������� mit übergeordneter Zielsetzung
und Maßnahmen - bei gleichzeitiger Berücksichtigung
und Miteinbezug von kommunalen Stärken und Schwer -
punkten.
�� ��������������������� ������� ���� ��������������� ����
wendigkeiten und Maßnahmen gemeinsam organisiert.
Das was übergeordnet und gemeinsam besser und effektiver
abgewickelt und organisiert werden kann, wird
zentral gehandhabt.
�� ���������������������������������������������������nomischer
gemacht werden kann, soll im Aufgabenkreis
der Gemeinden belassen werden.
�� ������������������������������������������������������dividuellen
Probleme aber auch Stärken und Ressourcen
der einzelnen Gemeinden berücksichtigt begleitet und
unterstützt.
�� ��������������������� ���� ����� ������ ���� ��� ���� �����
schaft, den Tourismus oder die Landwirtschaft richtet,
sondern auf die gesamthaften Probleme und
Handlungsnotwendigkeiten der Standort- und Wirt -
schaftsentwicklung der involvierten Städte und Gemeinde
fokussiert.
�� ��������������������������������������������������������
gute Rahmenbedingungen findet.
�� �������������������� ���� ���� ���� �������� ���� ����
sidiarität als übergeordnete Maxime zu Grunde liegt.
Rahmenbedingungen und Parameter gängiger
regionaler und interkommunaler Zusammenarbeit
– oder - wie es manchmal abläuft
Von der Region und den betroffenen Gemeinden wird
Handlungsbedarf erkannt. Man erkennt, dass etwas getan
werden muss, und dass man einzeln zu schwach ist. Also
werden Überlegungen
angestellt, um sich gemeinsam zu organisieren. Im Ergebnis
dieser Überlegungen wird eine Dachorganisation gegründet.
Meist wird dann auch noch in einem Oberzentrum
in Verbindung mit der Dachorganisation ein Impulszentrum-
oder Gründerzentrum installiert. Und - es wird ein
Standortmanager eingestellt – sehr oft ein junger FH-Absolvent
ohne jegliche standortwirtschaftliche Erfahrung - der
dann die Region retten soll. Wenn man dann nach geraumer
Zeit einen Bürgermeister der Region fragt, wie es denn so
läuft, ist man in der Regel nicht so recht zufrieden. Solche
Lösungen gehen daher nicht selten mit einer allgemeinen

Unzufriedenheit der darin integrierten, einzelnen Gemeinden
einher. Der Grund für diese Unzufriedenheit liegt oft in
übergeordneten Generallösungen, welche die individuellen
Probleme aber auch Chancen und Ressourcen der einzelnen
Gemeinden nicht oder nicht in gebührenden Maße
berücksichtigen. Damit verbunden sind berechtige Ängste
der involvierten Gemeinden, keinen nachhaltigen und spezifischen
Nutzen aus einem solchen Verbund zu ziehen.
Auf was sollten wir achten?
Eine geordnete Organisation und Koordination – also eine
Dachorganisation ist wichtig. Aber die Ziele und Aufgaben
müssen klar definiert und abgegrenzt sein. Und zwar auf
unterschiedlichen Handlungsebenen, deren es mehrere
gibt. Die Betreuung und Entwicklung durch die neue Organisation
darf sich nicht nur auf die Ebene der Wirtschaft und
Unternehmen konzentrieren, sondern sie muss auch auf
die Gemeinden selbst abgestellt sein. Indem nämlich dafür
Sorgen getragen wird, dass in den Gemeinden selbst, optimale
Rahmenbedingungen für ideale standortwirtschaftliche
Entwicklung herrschen. Und zwar in allen Gemeinden
– entsprechend ihrem individuellen Bedarf und ihrer
individuellen Situation. Dabei gilt es, in einem laufenden
Entwicklungsprozess die Stärken, Chancen und Potentiale
der einzelnen Gemeinden zu nützen. Jene Aufgaben und
Maßnahmenfelder, die übergeordnet besser und professioneller
abgewickelt werden können, werden zentral organisiert,
während alles andere in den einzelnen Gemeinden
verbleibt.
Subsidiarität versus Zentralisation
Sehr oft wird ungeprüft unterstellt, dass mit einem zentralen,
übergeordneten Regionalmanagement oder einer
zentralen Standortentwicklungsgesellschaft die Probleme
der Region zu lösen sein werden. Es wird unterstellt,
dass die Lösung in der Zentralisierung liegt. Diese Grund-
annahme ist in der Standortwirtschaftslehre genauso
falsch wie in der Betriebswirtschaftslehre. Der Weg liegt
wie überall dazwischen. Es gilt zentrale Maßnahmen und
Notwendigkeiten seriös den dezentralen, den subsidiären
gegenüberzustellen. Es gibt notwendige übergeordnete
Maßnahmen, welche effektiver und besser zentral und koordiniert
über das Regionalmanagement wahrgenommen
werden und es gibt Maßnahmen und Entwicklungen, die
vorbehaltlos im Sinne der Subsidiarität von den Kommunen
selbst wahrgenommen werden müssen. Dazu brauchen die
Kommunen jedoch professionelle Unterstützung und Koordination.
Und die Entwicklung und Organisation der interkommunalen
Zusammenarbeit im Rahmen von Regional-
und Entwicklungsgemeinschaften muss anders definiert
und aufgebaut werden.
Methodik, Ablauf und Ergebnisse der subsidiären
Regionalentwicklung am Beispiel der interkommunalen
Zusammenarbeit in der Region Westallgäu
Informationsphase und politische
Bewusstseinsbildung
Wenn es gelingen soll, kommunale Einzelaktivitäten in umfassende
übergeordnete Entwicklungskonzepte zu transferieren,
ist in einem ersten Schritt eine ausführliche Informations-
und Bewusstseinsbildungsarbeit zur Initiierung
der politischen Prozesse bei den Entscheidungsträgern der
involvierten Gemeinden, fallweise auch bei den übergeordneten
Stellen, notwendig. Es geht darum, den Entwicklungsprozess
auf eine möglichst breite Basis zu stellen und alle
Gemeinden und relevanten Kreise und Anspruchsgruppen
von vornherein mit einzubeziehen. Das Ganze ist ein Prozess
und wie bei allen politischen und sozialen Prozessen
können wir nicht von null auf hundert starten. Wir müssen
auch die Kommune und die kommunalen Entscheidungsträger
dort abholen, wo sie stehen. Und manche sind sehr
Seite 175

oft einfach noch etwas weiter weg. Es gilt die Problemfelder
der Kommunen und die damit verbundenen Handlungsnotwendigkeiten
aufzuzeigen und den Entwicklungsprozess
als von allen gewollten Bottom-up-Ansatz zu initiieren und
nicht nur bei den Bürgermeistern, sondern auch in den Gemeindestuben
eine möglichst breite Basis für die geplante
übergeordnete gemeinsame Arbeit zu schaffen.
Diese Phase sollte von einem Fachmann begleitet werden,
der glaubhaft über die notwendigen Hintergründe informieren
und überzeugen kann und der darstellen kann, wieso
eine professionelle Standort- und Wirtschaftsentwicklung
überhaupt notwendig ist. Es ist dies die Phase des Präsentierens
und Diskutierens, in der es gelingen muss, das
Vertrauen der involvierten Gemeinden zu gewinnen. Mit
dem Ansatz der subsidiären Regionalentwicklung können
dabei fundiert und glaubhaft von vornherein viele Bedenken
zerstreut und entsprechendes Vertrauen auch bei den
kleineren Gemeinden aufgebaut werden. Letztlich ist die
Haltung, das Wissen und das Bewusstsein der Entscheidungsträger
und der betroffenen Menschen das wichtigste
standortwirtschaftliche Instrument für den künftigen gemeinsamen
Erfolg.
Der Entwicklungsprozess
Auch in den operativen Entwicklungsprozess sind selbstredend
alle betroffenen Gemeinden zu integrieren. Teilnehmer
an den einzelnen Ablaufschritten sind immer die
Bürgermeister oder die Vertreter der involvierten Gemeinde,
sowie ein Feld von Proponenten, welche zusätzlich die
unterschiedlichsten Anspruchsgruppen der Region repräsentieren
bzw. die Region in ihrer Heterogenität spiegeln.
(Wirtschaft, Ökologie, Kultur, Bildung, Soziales, übergeordnete
Körperschaften, externe Betrachter, etc.).
Seite 176
Dem Prozessbegleiter und Moderator obliegt in dieser
Phase die Aufgabe der Neutralitätswahrung, der kommu -
nalen Objektivität, ggf. der Mediation und der standortwirtschaftlichen
Expertise und Begleitung.
Mit Hilfe der ISK Standortmethodik ® , einer vom ISK entwickelten
strukturierten und geführten Moderationsform,
wird kommunales und regionales Know-how der beteiligten,
regionalen und kommunalen Proponenten genutzt
und mit dem fachlichen Know-how der ISK verbunden. Die
einzelnen Ablaufschritte stellen sich wie folgt dar:
I. Phase: Bestandsaufnahme
Erfassung und Aufnahme der bestehenden Rahmenbedingungen,
der kommunalen und wirtschaftlichen Struktur
und der relevanten Infrastrukturen der Region und der
beteiligten Gemeinden.
II. Phase: Zielplanung – Regionalentwicklungsleitrahmen
Was wollen wir und was müssen wir dafür tun? Wie müssen
wir uns organisieren und was brauchen wir dazu?
Die Ausarbeitung erfolgt in Workshopgruppen aber auch
durch zusätzliche Open Space -Veranstaltungen, welche
eine möglichst breite Einbindung und Meinungsbildung
für die künftige Umsetzung sicherstellen. Grundlage ist
die oben dargestellte prozess- und informationsorientierte
Vorgehensweise (ISK Standortmethodik). Neben der Ausarbeitung
klarer Ziele und Handlungsfelder für den übergeordneten
Entwicklungsprozess, geht es darum, für die
involvierten Gemeinden und deren Entscheidungsträger
Klarheit bezüglich der Aufgaben, der Organisation sowie
den notwendigen Ressourcen zu schaffen.

III. Phase: Aufgaben und Aktionsplanung -
Regionalentwicklungskonzept
Im Ergebnis dieser Stufe steht, aufbauend auf der vorangegangenen
Zielplanung und den relevanten Handlungsfeldern,
ein detaillierter Maßnahmen- und Aktionsplan,
welcher definitiv festhält, was im Einzelnen zu tun ist und
auch die Termine und Verantwortlichkeiten beschreibt.
Das Ergebnis dieser Arbeit ist also nicht nur ein Konzept,
sondern ein detaillierter Vorgehensplan, der die Umsetzung
des Konzeptes festschreibt (vgl. dazu unten). Auch
diese Erarbeitung erfolgt in Workshops und unter Miteinbezug
der involvierten Gemeinden.
IV. Phase: Präsentation, Diskussion und Verabschiedung
Auf Basis der obigen Analysen und Ergebnisse resultiert
ein umfassendes interkommunales Regional- und Ent -
wicklungskonzept mit einer klaren Ziel- und Maßnahmenplanung.
Das Ergebnis ist mit allen involvierten Gemeinden und
den zuständigen Gremien abzustimmen und wird dann als
grundsätzliche Willenserklärung der Region bzw. der involvierten
Gemeinden für die künftige standortwirtschaftliche
Orientierung und daraus resultierender Maßnahmen präsentiert,
diskutiert und verabschiedet.
Die Ergebnisse
Die Ergebnisse sollen konkret am Beispiel des 2007 abgeschlossenen
Regionalenentwicklungsprozesses in der
inter kommunalen Zusammenarbeit von 13 Gemeinden
in der Region Westallgäu, Bayern dargestellt werden. Das
verab schiedete Konzept brachte die organisatorische Aufteilung
der übergeordneten Regionalentwicklungsschwer -
punkte auf vier Geschäftsbereiche, nämlich Wirtschaftsentwicklung,
Tourismus, nachhaltige Regionalentwicklung
– LEADER-Programme und grundsätzliche Potentiale der
interkommunalen Zusammenarbeit.
Derartige Konzepte sind sehr umfangreich. Um einen
kurzen Überblick auf die Art der Ergebnisse geben zu können,
wollen wir uns auf den Bereich „Regionalentwicklung
Wirtschaft“ konzentrieren. Es wurden zehn vorrangig zu
entwickelnde Handlungsfelder zur Realisierung der regionalwirtschaftlichen
Ziele der Region Westallgäu benannt
und Strukturen zur Umsetzung festgelegt. 14
Seite 177

Handlungsfeld:
1. Regionales
Flächen- und
Immobilienmanagement:
2. Bestandsaufnahme
und subsidiäre
Entwicklungskonzeption:
3. Standortmarketing:
4. Nachhaltige
Finanzierung /
Fördermanagement:
5. Professionelle
Innovations- und
Gründerzentren –
Kooperation mit
Lehre:
Seite 178
Ziele (in Auswahl):
�� ������������������������������
(Gewerbegebiete)
�� ��������������������������
�� ������������������������������������������
für Kosten und Erlöse
�� �����������������������������������
Bedürfnisse und Entwicklungsziele
�� ����������������������������������������
aus den spezifischen kommunalen
Entwicklungsstrategien
�� �����������������������������������
Kommunen
�� ����������������������������������������
„Arbeitsteilung“ der Kommunen
�� �������������������������������
�� �����������������������������������������region
– nach innen und nach außen
�� �������������������������������������nisses
der Akteure in der Wirtschaftsregion
Westallgäu
�� ���������������������������������������
Maßnahmen
�� �������������������������������������menten
für die Wirtschaftsförderung
�� ������������������������������������������
gewinnen
�� ��������������������������������������
richtungen zur Ansiedlung von Unternehmen
/ zur Unternehmensgründung
�� ������������������������������������
gründungen / von Neuansiedlungen
�� ��������������������������������
regionaler Wirtschaft und Hochschulen
Beitrag zur Wirtschaftsentwicklung:
�� ���������������������������������������
�� ����������������������������������������
Interessenten.
�� ��������������������������������������
Region
�� ����������������������������������������
Grundlage für die Standortentwicklung
�� �������������������������������������������
als Signal an bestehende Unternehmen und
Ansiedlunsgwillige
�� ��������������������������������������
Region
�� �������������������������������������
Unternehmen durch angepasste Marketinginstrumente
�� ���������������������������������
gründerfreundlichen Klimas
�� �������������������������������������tendenzen
ansässiger Unternehmen
�� ������������������������������������
(dies ist erforderlich, da Erfolge nicht
kurzfristig zu erreichen sind)
�� ��������������������������������������
optionen
�� ��������������������������������������punkte
für Betriebsgründungen und
Neuansiedlungen in der Region
�� �����������������������������������������
�� ������������������������������������
Region als Signal an Unternehmen
�� ��������������������������������������
Region

6. Aktives Gründungsumfeld
zu regionalen
Leit-Branchen
(Automotive, Luftfahrt,
Lebensmittel,
Elektrotechnik, regenerative
Energien):
7. Runder Tisch zur
Verfahrensoptimierung
8. Lobbyarbeit zum
Ausbau der
Verkehrsinfrastruktur
9. Gründungs- und
Ansiedlungsumfeld
organisieren
10. Bestandspflege
bestehender
Unternehmen
�� ���������������������������������������
mit Unternehmen der LeitBranchen
�� ���������������������������������������umfeld
zu den Leit-Branchen
�� ������������������������������������������
thematisch den Leit-Branchen zugehören
�� ������������������������������������������sensverbänden
und Verwaltungen erarbeiten
einen Leitfaden zur Optimierung von
Verwaltungs- und Genehmigungsverfahren
�� �����������������������������������
Umsetzung von dem Runden Tisch begleitet
werden – dauerhafter Prozess
�� ���������������������������������������������
der Region gegenüber übergeordneten
Stellen
�� ���������������������������������������dung
des Westallgäus (v.a. Straße, auch
Bahn)
�� �������������������������������
�� �����������������������������������������
zur Zielerreichung
�� �������������������������������������kreises
mit Aufbau eines Lobbyisten-Teams
�� ���������������������������������������
Neugründungen und Ansiedlungswilligen
(vom Erstkontakt bis zum Abschluss)
�� ���������������������
�� ��������������������������������������tren
als Instrumente hierfür
�� ��������������������������������������
Unternehmen vor Ort begleitet und beraten
(aktuelle Probleme, z.B. Betriebserweiterungen,
Verfahrensoptimierung, …)
�� �������������������������������������������
Leit-Branchen werden genutzt
�� �������������������������������������
im Umfeld der Leit-Branchen werden gezielt
gefördert (Hier sind die Erfolgsaussichten
auch am höchsten)
�� ����������������������������������������
„Leitbetriebe“ voran gehen
�� ����������������������������������������
Interessenten durch kurze und transparente
Genehmigungsverfahren.
�� ��������������������������������������
Region
�� ������������������������������������
Stellen mehr Gehör und kann
Entscheidungsspielräume ausbauen.
�� ����������������������������������������
wichtige Grundlage für wirtschaftliche
Entwicklung
�� �����������������������������������
Einfluss bei übergeordneten Stellen
�� ������������������������������������
einer der Erfolgsfaktoren für Wirtschaftsentwicklung
schlechthin.
�� ����������������������������������
optimale Beratung vor Ort vor
�� ���������������������������������
�� ����������������������plätze gesichert
Seite 179

Die Organisation der interkommunalen
Zusammenarbeit
Die Organisation der interkommunalen Zusammenarbeit
wurde – wie schon oben erwähnt auf vier Geschäftsbereiche
(vier Säulen der Regionalentwicklung) festgeschrieben.
Siehe Abbildung unten:
Regionalmanagement
Wirtschaft
Wirtschafts- und
Entwicklungsleitstelle
WEST
Seite 180
Regionalmanagement
Tourismus
Tourismusgemeinschaft
Westallgäu
Gesamtkoordination
und
Förderungsmanagement
Regionalmanagement
LEADER
Nachhaltige
Regionalentwicklung
Abb.: Die Organisation der interkommunalen Zusammenarbeit in der Region Westallgäu
© ISK Institut für Standort-, Regional- und Kommunalentwicklung 2007
Regionalmanagement
Kommunal
Interkommunale
Zusammenarbeit

Erwähnenswert ist, dass mit diesem Ansatz eine gesamthafte
Standort-, Regional- und Wirtschaftsentwicklung
auf Basis interkommunaler Zusammenarbeit abgedeckt
wird. Wesentlich ist, dass über der dargestellten Strukturorganisation
ein sogenanntes „Kontrollgremium“ aller
invol vierten Gemeinden installiert wurde, welches die Subsidiarität
der Regionalentwicklung sicherstellt und die gesamte
Entwicklung auch laufend kontrolliert.
Die einzelnen Geschäftsbereiche werden über verantwortliche
Stellen geführt. So etwa, dass das Regionalmana -
gement Wirtschaft über eine separate Wirtschafts- und
Entwicklungsleitstelle WEST, welche wiederum mit einer
von Vertretern ausgewählter Gemeinden besetzten „Steuerungsgruppe
Wirtschaftsentwicklung“ zusammenarbeitet.
Die WEST ist in Akkordierung mit dieser Steuerungsgruppe
für die Umsetzung der obigen zehn Handlungsfelder im
Bereich Wirtschaft verantwortlich. Die Finanzierung erfolgt
über die 13 Gemeinden mit einem abgestimmten Kostenschlüssel
sowie über das Sponsoring einer regional verankerten
Bankengruppe.
Interessant ist auch der Geschäftsbereich „Interkommunale
Zusammenarbeit“. Hier geht es darum, Zusammenarbeits-
und Optimierungspotentiale im Bereich der kommunalen
Verwaltungen nicht mehr dem Zufall zu überlassen,
sondern in weiterer Folge planmäßig zu analysieren und zu
organisieren.
Koordiniert wird die gesamte Organisation von einer definierten
Stelle, welche jedoch im gegenständlichen Fall
nicht zusätzlich besetzt ist, sondern vom Leiter des klassischen
Regionalmanagements (LEADER-Programme) wahr -
genommen wird. Diese Stelle ist dann auch für ein professionelles
Förder- und Finanzierungsmanagement für die
gesamte Region zuständig, welchem damit in Verbindung
mit einer klaren Aufgabenbeschreibung, die notwendige
Priorität eingeräumt wird.
Fazit
Nicht nur die Theorie, sondern auch die Praxis zeigt, dass
mit dem Ansatz der subsidiären Regionalentwicklung interkommunale
Zusammenarbeit erfolgreich auf die geänderten
Problembereiche und Handlungsnotwendigkeiten
unserer Kommunen abgestellt werden kann. Voraussetzung
ist eine gute Vorbereitung und die entsprechende fachliche
Expertise in der Projektabwicklung und Aufbereitung. Erfolgsentscheidend
ist, dass solche Projekte aus der Region
selbst entstehen und nicht von oben aufoktroyiert werden
und dass man der Information und Bewusstseinsbildung
auch die notwendige Zeit und den notwendigen Raum gibt.
Die involvierten Gemeinden müssen von vornherein und
umfassend in den Entwicklungsprozess eingebunden sein.
Das Ziel ist eine breite und tragfähige regionale Basis für
die Umsetzung der interkommunalen Zusammenarbeit.
Ganz wichtig ist, dass man nicht bei Leitbildern stehen
bleibt, sondern das Konzept mit klaren und umsetzungsrealistischen
Handlungsfeldern unterlegt und dazu auch
detaillierte Maßnahmenpläne zur Erreichung der angestrebten
Ziele und zur operativen Umsetzung der benannten
Handlungsfelder erarbeitet und eine solide Organisation
zur Umsetzung sicherstellt. 15
Seite 181

1 Z.B. die Wuhrkonkurrenz Höchst-Fußach-Gaissau in Philipp Krapf,
Die Geschichte des Rheins zwischen dem Bodensee und Ragaz.
Sonderdruck aus den Schriften des Vereins zur Geschichte des
Bodensees. Heft XXX, 1901, S. 119 ff., hier S. 31.
2 In Vorarlberg kam es 1938 zu umfassenden zwangsweisen Gemeindezusammenlegungen.
Bei der dann 1945 erfolgten Volksabstimmung
verblieben nur zwei Kleingemeinden bei den vorher verfügten
Zusammenlegungen (Fluh blieb bei Bregenz und Bolgenach bei
Hittisau). Die restlichen 96 Gemeinden wählten wieder ihre historisch
gewachsenen Identität und Selbstbestimmung. Vgl. dazu Fachteam
Gemeindekooperationen. Situationsanalyse, Bregenz 2005, Vision
Rheintal.
3 Vgl. dazu auch Gerald Mathis, Standortsoziologie. Der Einfluss von
individuellen und kollektiven Werte- und Denkhaltungen auf die
Wirtschaftskraft und die Innovationsfähigkeit von Standorten. Dornbirn
2005.
4 „Mehr oder weniger“ meint, dass der Erfolg immer auch vom
Engagement und dem Sachverstand der handelnden Personen und
Gemeinden abhängt.
5 Wie es der Generalsekretär des Österreichischen Gemeindebundes,
Hofrat Dr. Robert Hink sehr plakativ aber durchaus realistisch formuliert.
6 Institut für Standort-, Regional- und Kommunalentwicklung, Dornbirn
(A), St. Gallen (CH), Lindenberg (D)
7 Josef Mugler/Mathias Fink/Stephan Loidl, Gestaltung günstiger
Rahmenbedingungen für Klein- und Mittelbetriebe im ländlichen Raum.
Was können Gemeinden tun? Wien 2006. Online im Internet: URL:
http://www.gemeindebund.at/news.php?id=190 (Zugriff am 3.1.2007).
8 Und nicht als Gegenpart. Das verhält sich in etwa so wie ein Wagen
mit zwei Pferden. Wenn ein Pferd nicht zieht, dann kommt der Wagen
von der richtigen Bahn ab. Die Folgen sind dann im weitesten Sinn die
Strasse der Verteilungsungleichheiten und der „Desozialisierung“.
9 Vgl. dazu auch Gerald Mathis, Nachhaltige Standort- und Wirtschaftsentwicklung
und interkommunale Zusammenarbeit, in: Schriftenreihe
RFG Recht- und Finanzen für Gemeinden 5 (2007) 1, S. 55 ff.
10 Vgl. auch ebenda.
11 Reto Steiner, Interkommunale Zusammenarbeit in der Schweiz, in:
SIR-Mitteilungen und Berichte (2006) 32, S. 61; Reto Steiner, Gemeindezusammenschlüsse
können Erwartungen nicht immer erfüllen, in: Neue
Zürcher Zeitung 04.02.2003, Nr. 28.
Seite 182
12 Das Modell wurde vom ISK Institut für Standort-, Regional- und Kommunalentwicklung,
Dornbirn speziell für die interkommunale Zusammenarbeit
von Kommunen in der Standort- und Wirtschaftsentwicklung
sowie für die Regionalentwicklung entwickelt und wird in praxi erfolgreich
eingesetzt.
13 Gute Standortentwickler sind Moderatoren, Coaches und Mediatoren.
Das allein ist jedoch zuwenig. Gerade bei breit angelegten Open
Space–Prozessen reicht pure Moderation nicht aus. Es muss jemand
da sein, der die Ergebnisse auch fachlich interpretieren kann, auf
ihre Plausibilität prüft und in gezielte umsetzbare Handlungsfelder
übersetzen kann. Ansonsten bleibt es - wie die Praxis sehr oft zeigt - bei
Zielbildern, Visionen und Wunschsätzen – und einer frustrierten Region.
14 Rolf Eberhardt/Gerald Mathis Gerald/Eberhard Gröber Eberhard,
Wirtschaftsentwicklungskonzept für die Region Westallgäu. Kurzfassung.
Lindenberg 2007. Online im Internet: URL: http://lag-westallgaeu-schs.
le-on.org/, S.6 ff
15 Im Detail vgl. Gerald Mathis/Eberhard Gröber, Wirtschaftsentwicklungskonzept
Region Westallgäu. Endbericht Version 1.0, ISK Institut für
Standort-, Regional- und Kommunalentwicklung. Dornbirn/Lindenberg
2007.

Symposium der Verwaltungsakademie Vorarlberg „Die Zukunft der Regionalplanungsgemeinschaften“;
Lochau, Schloss Hofen, 11. Juni 2008
Bertram Meusburger (geb. 1961 in Bregenz), Mag. rer. nat., betreut im Büro für Zukunftsfragen des
Amtes der Vorarlberger Landesregierung den Fachbereich „Nachhaltige Entwicklung“
Sozialkapital und Nachhaltigkeit
Bertram Meusburger
Nachhaltige Gemeindeentwicklung kann mit der Fruchtbarkeit
eines Ackers verglichen werden. Bei einem Blick
auf die Oberfläche des „Ackers“, zeigen sich die „Früchte“
in unserem Land durchaus positiv: eine trotz aller Turbulenzen
relativ stabile, dynamische Wirtschaft, eine gut ausgestattete
Infrastruktur (Hallenbäder, Spitäler, Bahnhöfe
etc.), ein umfangreiches Bildungsangebot und eine noch
aufrechte Nahversorgung, Angebote für Jugendliche und
ein sicheres Umfeld für Kinder, Traditionen werden gepflegt
und Innovationen begrüßt. Ein Land mit Wohlstand, wo die
Menschen aufeinander schauen. Doch wie schaut es unter
der Oberfläche aus? Für die langfristige Fruchtbarkeit eines
Ackers – um bei diesem Bild zu bleiben – ist der Zustand
des Bodens entscheidend.
Wir sind an Wohlstand, Freiheit und ein hohes Tempo gewöhnt.
Allerdings werden auch die Schattenseiten wie eine
Konsumhaltung mit hohen Ansprüchen auf Versorgung,
Egoismus, Vereinzelung und Orientierungslosigkeit, aber
auch eine gewisse Oberflächlichkeit und Aggressivität spürbar.
Es fragt sich, ob dieser Boden – unser Gemeinwesen
- dadurch erodiert? Das Vertrauen in den Staat, Kirche und
Parteien, aber auch in das Bildungswesen, die Wirtschaft
und Familien sinkt. Ehrenamtliches Engagement geht zurück
und öffentliche Gelder werden bei steigenden Ausgaben
knapp. Traditionelle Strukturen lösen sich auf und das
Sozialkapital als Kitt der Gesellschaft nimmt ab.
Wie kann man diesen Herausforderungen begegnen? Wie
kann der Boden fruchtbar erhalten werden? Dazu gibt es
drei Prinzipien.
Zunächst geht es um die Eigenverantwortung und das Engagement
des/der einzelnen. Eigenverantwortung, damit
genug übrig bleibt, wo Hilfe wirklich gebraucht wird, Engagement,
das Freude macht und bereichert. Menschen allein
können nie so viel bewirken. Es braucht das Prinzip der vertrauensvollen
Zusammenarbeit und die Einigung über gemeinsame
Ziele. Das stärkt wiederum das Sozialkapital als
wichtigster Faktor für einen langfristigen Erfolg einer Region.
Beziehungen können jedoch nicht über Gesetze verordnet
werden, sondern brauchen ein Klima, wo diese wachsen
und erlebt werden können. Und schließlich nachhaltige
Entwicklung, ein langfristiges und umfassendes Denken
und Handeln mit Weitblick. Das heißt Visionen statt vorgegebene
Lösungen. In einer Welt, wo Werte zu einem Luxusartikel
geworden sind und Veränderungen immer schneller
gehen, ist eine gemeinsame Orientierung entscheidend.
Wir werden weiterhin „Früchte“ ernten können, wenn wir
Gemeinden als lebendige Lebensräume verstehen und die
sichtbare und verborgene Seite gleichermaßen beachten.
Seite 183

Seite 184

Wenn Historiker und Archivare die Frage diskutieren, was
denn an Daten vom einzelnen Menschen bleibt bzw. bleiben
soll, kommen sie in aller Regel zu einem ziemlich ernüchternden
Resümee: Auch in der modernen Informationsgesellschaft
mit ihrer schier unbewältigbaren Datenflut
sind einzig die Eckdaten der Geburt und des Todes sowie
die eventuell dazwischen liegenden Verehelichungen einigermaßen
sicher, auf unbeschränkte Dauer überliefert zu
werden. Alle anderen auf das Individuum bezogenen Daten
stehen einerseits hinsichtlich ihrer Produktion quantitativ
wie qualitativ mit dem Lebenslauf der Personen in ursächlichem
Zusammenhang, andererseits hat nur ein Bruchteil
der Informationen überhaupt die Aussicht, längerfristig erhalten
zu bleiben. Damit hat sich in den letzten 400 oder
500 Jahren die Chance, von einem Menschen mehr zu erfahren,
als dass er gelebt hat, nicht grundlegend verbessert.
Heute bilden die Personenstandsangelegenheiten – für uns
selbstverständlich – einen staatlichen Aufgabenkomplex,
der von den Gemeinden im übertragenen Wirkungsbereich,
also in mittelbarer Bundesverwaltung zu besorgen ist.
Umso erstaunlicher mag es sein, dass sich die staatlichen
bzw. quasistaatlichen Obrigkeiten viele Jahrhunderte hindurch
darum nicht bzw. nur am Rande gekümmert haben.
Zwar wurden seit der Antike immer wieder Personenverzeichnisse
verschiedenster Art zu den unterschiedlichsten
Zwecken angelegt, das vollständige und kontinuierliche
Erfassen von Geburten, Todesfällen und Eheschließungen
zählte hingegen lange Zeit nicht zu den Erfordernissen weltlicher
Herrschafts- und Verwaltungspraxis.
Die Ursprünge des modernen Matrikenwesens liegen demnach
nicht im staatlichen, sondern im kirchlichen Bereich.
Da sich die Taufe bereits im frühen Christentum zum gesetzlichen
Eintrittsritus in die Kirche entwickelte, entstand
das Bedürfnis, Verzeichnisse der getauften Personen anzulegen.
Einen ersten Hinweis darauf bietet die Kirchenordnung
Hippolyts von Rom aus der Zeit um 200, um 394
wird ausdrücklich vom Eintrag der Täuflingsnamen in eine
Art Matrikel berichtet. Nachdem sich die Kirche in der Frage
Vortrag auf dem 18. Vorarlberger Archivtag; Bregenz, Landesarchiv, 16. Juni 2008
Alois Niederstätter (geb. 1955 in Bregenz), Dr. phil., a. o. Univ.-Prof., leitet seit 2001 das
Vorarlberger Landesarchiv
Die kirchliche Matrikenführung bis 1939
Alois Niederstätter
Kinder- oder Erwachsenentaufe für die Position des hl. Augustinus
mitsamt seiner Lehre von der Erbsünde entschieden
hatte, bestimmte die vierte Synode von Karthago (418),
dass die Kinder christlicher Eltern bald nach der Geburt zu
taufen seien, damit sie nicht, sollten sie ungetauft sterben,
der ewigen Verdammnis anheimfallen. Dies und die damit
zusammenhängende Vorstellung vom limbus puerorum
oder infantium ließ auch in der religiösen Praxis die Taufe
immer näher an die Geburt heranrücken.
Eine kirchenrechtliche Grundlage für die Verzeichnung von
Täuflingen, auf die in weiterer Folge zurückgegriffen werden
konnte, lieferte schließlich das „Sacramentarium Gelasianum“,
das Papst Gelasius I. (492 bis 496) zugeschrieben
wird, im Wesentlichen aber die römische liturgische Praxis
des 6. Jahrhunderts widerspiegelt. 1 Wegen des Rückgangs
der Schriftlichkeit während des frühen und hohen Mittelalters
dürften derartige Aufzeichnungen – zumindest nördlich
der Alpen – kaum jemals angelegt worden sein.
Als sich im ausgehenden Mittelalter das Pfarrnetz zusehends
verdichtete und Schriftlichkeit selbst im ländlichen
Raum eine neue Dimension gewann, wuchs auch der
Wunsch nach einer Bürokratisierung der Sakramente, wobei
sich der Fokus zunächst auf die Taufe, dann auch auf die
Ehe richten musste. Den Anfang machten seit dem frühen
14. Jahrhundert Italien und Frankreich. Im Bistum Konstanz,
das bekanntlich für das nördliche Vorarlberg zuständig war,
wurde den Diözesanstatuten erstmals 1435 eine entsprechende
Bestimmung hinzugefügt: Zur besseren Feststellung
von Ehehindernissen sollten die Pfarrer Taufbücher
führen. 2 Das kirchliche Eherecht kannte ja ein Eheverbot
bei zu naher Verwandtschaft, seit Papst Innozenz III. 1216
einschließlich des vierten Grads kanonischer Komputation.
Dabei wurden die Generationen bis zum ersten gemeinsamen
Vorfahren gezählt. Der Verwandtschaftsgrad war
dann die größere der beiden Zahlen. Onkel und Nichte sind
somit ebenso wie Cousin und Cousine im zweiten Grade
verwandt. Verwandtschaft im vierten Grad bedeutet demnach,
dass die beiden Personen ein gemeinsames Urur-
Seite 185

großelternpaar haben. Ebenso bildete die Schwägerschaft
bis zum vierten Grad ein Ehehindernis. Später kam noch
die Cognatio spiritualis – die geistliche Verwandtschaft –
zwischen Paten, Patenkind und dessen Eltern hinzu.
Obwohl die Statuten 1463, 1483 und 1497 erneuert wurden, 3
sind aus dem weitläufigen Konstanzer Sprengel, der größten
deutschsprachigen Diözese, keine Taufbücher des 15.
Jahrhunderts überliefert. Die einschlägige Bestimmung der
Diözesanstatuten dürfte also von den Pfarrern kaum beachtet
worden sein. Das mag schon deshalb nicht verwundern,
weil auch noch am Ende des Mittelalters nur die Kenntnis
des Lesens, nicht jedoch des Schreibens für die Priesterweihe
vorausgesetzt wurde. Zu Kontrollmaßnahmen wie im
Bistum Florenz, wo die Pfarrer von 1490 an Abschriften der
Taufbücher dem Bischof abliefern mussten, 4 griff man hierzulande
nicht.
Auch in anderen Bistümern gab es entsprechende Initiativen.
Die älteste bekannte Taufmatrikel aus dem Gebiet
der nachmaligen Schweiz wurde 1481 in der Stadt Porrentruy/Pruntrut
im Jura auf Anweisung des Erzbischofs von
Besançon angelegt, die Pfarre St. Theodor in Basel (Stadtteil
Klein-Basel) folgte 1490. 5 Weitere frühe Kirchenbücher
stammen aus dem sächsischen Annaberg (1498) und aus
Augsburg (1504). In Graun im obersten Vinschgau sollen
von 1518 an die Taufen verzeichnet worden sein, im Osttiroler
Matrei ab 1523. 1905 gingen im damaligen Österreich
45 Tauf-, 25 Ehe- und 15 Sterbebücher in die Zeit vor dem
Konzil von Trient zurück. 6
Während den katholischen Bischöfen des 15. Jahrhunderts
es allenfalls punktuell gelungen war, die Matrikenführung
durchzusetzen, hatten die reformierten Obrigkeiten damit
weniger Probleme. In den evangelischen Orten setzen die
Kirchenbücher den jeweiligen Kirchenordnungen gemäß
meist sehr bald nach der Reformation ein. In Zürich wurde
1526 angeordnet, die Namen der Täuflinge mit dem Tag
der Taufe, dem Namen des Vaters und denen der Paten in
einem Buch zu verzeichnen. Man wollte damit in erster Li-
Seite 186
nie Wiedertaufen verhindern, aber auch ein zweites Argument
kam zum Tragen: Eltern würden nämlich, wie es hieß,
nicht selten das Alter ihrer Kinder zu niedrig angeben, um
unerwünschte Heiraten zu verhindern. Außerdem waren
fortan Verzeichnisse über geschlossene und von der Kirche
bestätigte Ehen zu führen, dass man wüsse, wer elich bi
einander sitze oder nit, dass man dieselben möge triben
zuo dem kilchgang oder aber von einander. 7 1531 wurden
unter zwinglianischem Einfluss Tauf- und Trauungsbücher
in Konstanz angelegt, im gleichen Jahr auch in Frankfurt.
1533 begann mit der brandenburgisch-nürnbergischen Kirchenordnung
die lange Reihe der kirchenregimentlichen
Verfügungen über Matrikelangelegenheiten bei den deutschen
Protestanten.
Die katholische Kirche folgte auf verschiedenen Hierarchieebenen.
1548 beschloss die Augsburger Synode unter
Kardinal Otto Truchseß von Waldburg die Anlage von Pfarrbüchern.
Verlangt wurden Verzeichnisse für Taufen, Beichten
und Kommunionen, Eheschließungen und Sterbefälle. 8
Im heutigen Vorarlberg gehörten das Kleinwalsertal und der
Tannberg, somit zunächst die Pfarren Mittelberg und Lech,
dann auch deren Töchter Schröcken und Warth bzw. Riezlern
als Filiale von Oberstdorf zum Augsburger Sprengel.
Eine Konstanzer Synode ordnete 1567 an, dass fortan jeder
Pfarrer auf Kirchenkosten fünf Bücher (bzw. ein fünfteiliges
Buch) zu führen habe: ein Taufbuch mit Eintrag der Paten,
ein Firmbuch mit den Namen der Firmlinge und der Firmpaten,
des Weiteren – als Maßnahme zur Bekämpfung des
Kryptoprotestantismus – ein Beicht- und Kommunikantenbuch,
ein Ehebuch sowie ein Totenbuch.
Im selben Zeithorizont befasste sich das Konzil von Trient als
höchste geistliche Autorität mit dieser Materie. Das Dekret
zur Verbesserung der Ehe vom 11. November 1563 („Tametsi-
Dekret“) weist ausdrücklich zur Führung von Taufregistern
an: Parochus antequam ad baptismum conferendum accedat,
diligenter ab iis, quos spectabit, sciscititetur, quem
vel quos elegerint, ut baptizatum de sacro fonte suscipiant,
et eum vel eos tantum ad illud suscipiendum admittat, et

Diözeseneinteilung 1805
in libro eorum nomina describant. – „Bevor der Pfarrer zur
Spendung der Taufe schreitet, soll er sorgfältig von denen,
die es betrifft, erfragen, wen oder welche sie ausgewählt
haben, um den Täufling aus der Taufe zu heben, und er
soll nur diesen oder diese zu diesem Akt zulassen und in
einem Buch ihre Namen aufschreiben.“ 9 Aus der Sicht der
Konzilsväter sollte das Taufbuch in erster Linie Ehen verhindern,
denen die „geistliche Verwandtschaft“ zwischen den
Paten, dem Taufkind und dessen Eltern als Hindernis entgegenstand.
Firmbücher wurden hingegen nicht ausdrücklich
verlangt, obwohl mit der Firmpatenschaft gleichfalls eine
cognatio spiritualis begründet wurde.
Des Weiteren verpflichtete das Dekret die Pfarrer, Ehebücher
anzulegen: Habeat parochus librum, in quo coniugum
et testium nomina, diemque et locum contracti matrimonii
describat, quem diligenter apud se custodiat. – „Der
Pfarrer muss ein Buch führen, in dem er die Namen der
Brautleute und der Zeugen sowie den Tag und den Ort der
Eheschließung aufschreibt, und das er sorgfältig bei sich
aufzubewahren hat.“ 10 Damit diente es zur Beurkundung
der Eheschließung und mit der Nennung der beiden Zeugen
zum Nachweis, dass der kanonischen Formpflicht Genüge
geschehen ist. Nach den Eltern der Brautleute wurde nicht
gefragt, genealogische Überlegungen in Hinblick auf das
Ehehindernis der Verwandtschaft dürften also zunächst
keine Rolle gespielt haben. Todesfälle bzw. Begräbnisse zu
erfassen, wurde gleichfalls nicht als erforderlich erachtet.
Wortführer in dieser Angelegenheit waren die spanischen
und französischen Prälaten gewesen, wo solche Aufzeichnungen
– wie erwähnt – schon eine längere Tradition besaßen.
11
Bald darauf – im Jahr 1567 – gingen die Statuten der Konstanzer
Diözesansynode noch weiter, indem sie verfügten,
dass die Pfarrer fünf Bücher oder ein großes, in fünf Abschnitte
gegliedertes Buch zu führen hätten: Eines zum Eintrag
der Getauften, ihrer Eltern, ob verheiratet oder nicht,
und der Paten, ein zweites, für die Gefirmten und deren Pa-
ten, ein drittes über Osterbeichte und Kommunionempfang,
ein viertes für jene, die vor dem Pfarrer oder im Angesicht
der Kirche die Ehe geschlossen haben und ein fünftes zur
Verzeichnung der Verstorbenen und kirchlich Begrabenen
unter Angabe des Vor- und Zunamens und des Datums. Die
Pfarrer sollten die Bücher aus öffentlichem Erfordernis zur
immerwährenden Erinnerung eigenhändig führen. Die Dekane
und Visitatoren wurden angewiesen, die Einhaltung
dieser Bestimmung zu kontrollieren und in der Führung
der Bücher weiterhin nachlässige Pfarrer zu melden. 12 Die
Statuten von 1609 wiederholten das Gebot des Führens der
fünf Bücher. 13
Im Bistum Chur wurde die Anlage von Tauf-, Trauungs-, Firmungs-
und Totenbüchern im Jahr 1605 angeordnet. 14
Wer nun aber als Reaktion auf die Synodalstatuten bzw.
die Konzilsdekrete das flächendeckende Einsetzen der
Matriken erwartet, wird enttäuscht. Offenkundig war angesichts
nach wie vor bestehender struktureller Probleme
die Bereitschaft des Pfarrklerus 15 , ihnen Folge zu leisten,
zunächst gering, wie etwa das Beispiel des Bistums Brixen
zeigt. Dort machten die bischöflichen Visitatoren seit 1570
auf die Verordnungen des Trienter Konzils aufmerksam.
Dennoch sah sich die Synode des Jahres 1603 veranlasst,
unter strenger Strafandrohung alle selbständig Seelsorge
führenden Geistlichen anzuweisen, innerhalb von zwei Monaten
Tauf- und Ehebücher anzulegen. Aber auch danach
gab es noch zahlreiche Beanstandungen. 16
Die ältesten Vorarlberger Kirchenbücher stammen aus der
Bregenzer St. Gallus-Pfarre. Dort begann Pfarrer Moses Hagen
17 1587 mit dem Erfassen der Taufen, der Heiraten und
der Todesfälle bzw. der Begräbnisse. Bereits ein Jahr später
– 1588 – folgt das Ehebuch von Lingenau, 1597 das dortige
Taufbuch.
Pfarrer Georg Hartmann 18 , der die Walsergemeinde Sonntag
im Großwalsertal betreute, legte 1592 das erste Taufbuch einer
zur Diözese Chur zählenden Vorarlberger Pfarre an, das
Seite 187

er 1598 mit einem Firmbuch ergänzte. 19 Beide sind tabellarisch
aufgebaut. Die Spalten des Taufbuchs weisen von links
nach rechts das Jahr, den Monatstag, den Namen des Kindes,
des Vaters, der Mutter, des Paten sowie der Patin aus.
Das entsprach hinsichtlich der Paten den Vorstellungen des
Konzils von Trient, das die Ausübung dieser Funktion auf
eine Person bzw. eine männliche und eine weibliche Person
beschränkte. Ähnliches gilt für das Sonntager Firmverzeichnis,
das das Datum, die Namen des Kindes, des Vaters, der
Mutter und der Patin/des Paten enthält.
Der Taufmatrikel stellte Pfarrer Hartmann seinen Lebenslauf
sowie eine kurze Reflexion über den Text selbst voran: Er
hat auch hiehar in das buch auffgeschriben alle kinder, die
er gethaufft hat, nachdem er pfarhar auff Tamuls worden
ist, auch der kinder vatar und mutar, götte und gotta, damit
uber kurtz oder lange zait alhie gefunden werde, welche er
im namen der hailigen traifaltigkait getaufft hab, auch wa
die eltern sind, obs elich geboren, wie alt, wer götte und
gotta sey etc. Weliche er zuvor, als er caplan gewesen in
Sarganserlandt, hat er nit geschriben. Gott welle, dass alle,
die hie geschriben stond, auch geschriben werdend in das
buch des lebens. Amen. Das hier erwähnte älteste Damülser
Taufbuch, das dem von Sonntag um ein Jahr voranging,
ist nicht erhalten. 20
Deutlich dichter wird die Überlieferung schließlich in den
ersten drei Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts. In diesem
Zeitraum wurde zumindest eines der Kirchenbücher, meist
die Taufmatrikel, der folgenden Pfarren angelegt: 1602
Sulzberg, 1604 Bezau, 1607 Hohenems und Ludesch, 1611
Au und Schnepfau, 1613 Frastanz, 1614 Riezlern, 1615 Feldkirch,
1617 Warth, 1618 Dalaas, 1619 Klösterle, 1620 Laterns,
Raggal und Schwarzenberg, 1623 Bürs, 1624 Schnifis,
1625 Lauterach, 1626 Möggers, 1627 Bludenz und Schlins,
1628 Satteins und Tisis, 1629 Bludesch und Egg. Neun der
25 frühen Pfarreien gehörten zum Bistum Konstanz, 14 zu
Chur und zwei zu Augsburg. 21 Die Neuerungen scheinen
also im Churer Sprengel etwas rascher rezipiert worden zu
sein als in dem des Konstanzer Bischofs.
Seite 188
Taufbuch Sonntag 1592
Anderenorts war man überhaupt schneller, im Kanton Luzern
etwa reichen in knapp der knapp der Hälfte der damaligen
Pfarreien die Matriken vor 1600 zurück – allerdings
auch nicht weiter als in die frühen Achtzigerjahre. 22
Dass das Führen der kanonischen Bücher seit dem frühen
17. Jahrhundert zur Regel wurde, hängt einerseits mit dem
wachsenden bischöflichen Druck, andererseits mit der raschen
und weiten Verbreitung des 1614 publizierten Rituale
Romanum zusammen. Obwohl es keinen allgemein verpflichtenden
Charakter hatte und daher die Ritualbücher
der einzelnen Diözesen nicht ersetzte, wirkte es doch vereinheitlichend.
Hinsichtlich der Matrikelführung stimmt es
mit den Konstanzer Diözesanstatuten überein, indem es außer
den beiden vom Konzil geforderten Matriken überdies
ein Totenbuch, ein Firmungsbuch sowie einen Liber de statu
animarum (wörtlich: „Buch über den Zustand der Seelen“,
auch als „Familienbuch“ bezeichnet) verlangt. Letzteres
sollte dem Pfarrer zur familienweisen Verzeichnung seiner
Herde in Hinblick auf den Empfang der Sakramente dienen.
Um dem Pfarrer einen Leitfaden zum korrekten Führen der
Kirchenbücher an die Hand zu geben, bietet das Rituale für
die fünf Arten jeweils ein – ziemlich umständliches – Formular.
Jenes für den Eintrag der Taufen lautet:
Anno Domini ... die ... mensis ... ego N., parochus hujus
ecclesiae s. N., civitatis vel loci N., baptizavi infantem die ...
natum vel natam ex N. et N., conjugibus hujus (sc. parochiae)
vel parochiae s. N. et ex tali patria et familia, cui impositum
est nomen N. Patrini fuerunt N., filius N. ex parochia
seu loco N., et N., filia N. ex parochia seu loco N. 23 – „Im
Jahr ..., am Tag ..., im Monat ..., habe ich N., Pfarrer dieser
Kirche St. N., in der Stadt oder im Dorf N. ein Kind getauft,
am ... geboren von N. und N., Eheleuten in dieser Pfarrei (in
der Pfarrei St. ...) und aus ebensolcher Heimat und aus der
Familie, die den Namen N. hat. Paten waren N., Sohn von
N. aus N., und N., Tochter von N. aus der Pfarre oder dem
Ort N.“

Im Firmungsbuch sollten Datum und Ort der Firmung, der
Name des firmenden Bischofs, der Name des Firmlings, seiner
Eltern, seines Patens, des Vaters des Patens und dessen
Heimatort eingetragen werden, im Ehebuch auch die
Eltern der Brautleute und vor allem der Geburtsort der aus
anderen Pfarren stammenden Eheteile, im Totenbuch auch
das Alter und die Eltern des Verstorbenen. Zum Status animarum
heißt es: „Jede Familie soll getrennt für sich in dem
Buch notiert werden, wobei ein Zwischenraum zwischen jeder
einzelnen und der folgenden gelassen wird. In diesem
Buch soll aufgeschrieben werden der Name, der Zuname,
das Alter jedes Einzelnen, der aus dieser Familie stammt
oder gleichsam als Ankömmling in ihr lebt. Die aber zum
Sakrament der Kommunion zugelassenen sind, die kennzeichne
man mit „C“ am gegenüberliegenden Blattrand.
Die durch das Sakrament der Firmung gestärkt wurden, die
kennzeichne man mit „Chr“. Die, die an einem anderen Ort
wohnen, deren Namen schreibe man mit einer Unterstreichung
auf. 24
Über derart exakte Eintragungen wären die Genealogen
überaus erfreut – allerdings beschränkten sich die allermeisten
Pfarrer in der Praxis noch lange Zeit auf das aus
ihrer Sicht Notwendige.
Daher nahmen sich die kirchlichen Obrigkeiten auch in
weiterer Folge dieses Themas an: 1741 wies Papst Benedikt
XIV. in seiner Enzyklika „Satis vobis“ neuerlich auf die Beschlüsse
des Konzils von Trient hin, drei Jahre später ordnete
er an, dass die bischöflichen Visitatoren die Führung
der Tauf-, Ehe, Firm- und Familienbücher zu prüfen hätten.
Das Konstanzer Rituale von 1775 bot Formulare für die korrekte,
nunmehr tabellarische Führung der einzelnen Pfarrbuchgattungen.
25 Schließlich verpflichtet das Dekret „Ne
temere“ aus dem Jahr 1907 die Pfarrer, Eheschließungen
von Personen, die in ihrer Pfarrei geboren wurden, aber in
einer anderen heirateten, ins Taufbuch einzutragen. 26
Laut Codex Iuris Canonici (CIC) von 1983 (canon 535) müssen
in jeder Pfarrei ein Taufbuch, ein Ehebuch und ein Totenbuch
sowie weitere Bücher nach den Vorschriften der
Bischofskonferenz oder des Diözesanbischofs vorhanden
sein. Der Pfarrer hat dafür Sorge zu tragen, dass diese Bücher
ordentlich aufbewahrt werden. Für ältere Matrikeln fordert
canon 535 gleichfalls eine sorgfältige, den Vorschriften
des Partikularrechts entsprechende Aufbewahrung. 27
Unter den Vorzeichen moderner Staatlichkeit und des
Auf baus bürokratischer Strukturen erwachte allmählich
auch das Interesse der weltlichen Obrigkeiten an den
Kirchenbüchern. Den Anfang machte – was nicht verwundert
– Frankreich, wo König Franz I. im Rahmen einer umfassenden
Staatsreform die Pfarrmatriken bereits 1539 als
Personenstandregister der Aufsicht der weltlichen Gerichte
unterstellte. 28 Der deutsche Sprachraum folgte mit ähnlichen
Überlegungen erst im 18. Jahrhundert, in Österreich
konkret seit 1770. Dabei spielten neben statistischen und
fiskalischen vor allem militärische Erwägungen hinsichtlich
der Aushebung von Rekruten eine Rolle, 29 weshalb
bezeichnenderweise der Hofkriegsrat die Vereinheitlichung
der Kirchenbücher in allen österreichischen Ländern nach
vorgegebenem Formular anregte. 30 Mit Hofkammerdekret
vom 6. Oktober 1770 wurde denn auch die Verwendung einer
einheitlichen lateinische Matrikelformel angeordnet,
im folgenden Jahr die Angabe der kurz zuvor eingeführten
Hausnummern. 1774 erging die Anweisung, die Kirchenbücher
sorgfältig zu verwahren und im Fall eines Brandes vorrangig
in Sicherheit zu bringen. 31
Die weitere Entwicklung sollte in unmittelbarem Zusammenhang
mit dem Reformwerk Kaiser Josephs II. stehen, das
die Pfarrer als „Beamte im schwarzen Rock“ sah und ihnen
folglich auch staatliche Aufgaben zuwies. Dazu war die Verdichtung
des Pfarrnetzes notwendig, niemand sollte länger
als eine Stunde Fußwegs zu seiner Pfarrkirche haben, eine
Pfarrgemeinde nicht mehr als 700 Seelen zählen. Ingesamt
verdankten 3.000 neue Seelsorgestationen der josephinischen
Pfarrregulierung ihre Existenz.
Seite 189

Mit dem Patent vom 15. Mai 1781 erhielten die Geburts-,
Trauungs- und Totenbücher der Pfarren den Status öffentlicher
Urkunden, ein weiteres vom 20. Februar 1784 32
machte die Pfarrer hinsichtlich der Matrikelführung zu
Beauftragten des Staats, kontrolliert nicht nur von den
geistlichen Oberen, den Bischöfen, sondern fortan auch
vom jeweils zuständigen Kreisamt. Im Anhang wurde dem
Patent ein verbindliches Formular für die Tauf-, Trauungs-
und Sterberegister beigegeben. Im selben Jahr kam noch
die Bestimmung hinzu, dass für jede Ortschaft innerhalb
eines Pfarrsprengels eigene Matriken anzulegen sind. Dem
nunmehr staatlichen Charakter der Register gemäß hatten
die Matrikelführer alljährlich Auszüge anzufertigen und
dem Kreisamt abzuliefern.
Das Formular für die Ehematrikel sah folgende Spalten vor:
Datum, Hausnummer, Vor- und Nachname des Bräutigams
und der Braut, ihre Konfession, Alter und Familienstand (ledig
oder verwitwet), sowie Namen und Familienstand der
Zeugen. Die Zeugen sollten eigenhändig unterschreiben,
wenn sie schreiben konnten. Wenn nicht, schrieb ein anderer
ihren Namen und sie bestätigten den Eintrag durch ein
Kreuz oder ein anderes Zeichen mit eigener Hand.
Im Geburtenbuch hatten das Geburtsdatum, Hausnummer,
Vorname des Kindes, Konfession, Geschlecht, Legitimität,
Vor- und Nachnamen der Eltern und Paten aufzuscheinen.
Der Namen des Vaters eines unehelichen Kindes dufte nur
genannt werden, wenn er die Vaterschaft anerkannte. Die
Paten fügten entweder ihre eigenhändige Unterschrift oder
ein Zeichen an.
Das Totenbuch hatte die Rubriken Todesdatum, Hausnummer,
Namen, Konfession, Alter des Gestorbenen und
die Todesursache aufzuweisen, diese wurde entweder vom
Leichenbeschauer, vom Kreisphysicus oder vom örtlichen
Wundarzt bestimmt.
Außerdem heißt es in im Patent: Die Juden sind gleichfalls
zu Führung dieser drey Register anzuhalten, und von
Seite 190
Formular für Trauungsbuch 1784
denselben die vorgeschriebenen Rubriken mit der geringen
auf ihre Religion angewendeten Aenderungen beyzubehalten.
Wo ein Ortsrabbiner aufgestellt ist, hat derselbe die
Register zu führen: bey einzelnen Familien aber derjenige
Rabbiner, welcher dem Orte am nächsten wohnet. Volle Beweiskraft
erhielten die von staatlich beeideten Organen zu
führenden jüdischen Matriken jedoch erst durch ein 1869
publiziertes Reichsgesetz vom 10. Juli 1868. 33
Nachdem das Toleranzedikt Kaisers Josephs II. die protestantische
Konfession anerkannt hatte, wurde den evangelischen
Pastoren gleichfalls erlaubt, Matrikeln für Taufen,
Trauungen und Todesfälle anzulegen. Sie wurden aber nicht
als öffentliche Urkunden anerkannt, 34 sodass die eigentliche
Matrikelführung für die so genannten „Akatholiken“
weiterhin den katholischen Pfarrern oblag. Das änderte
sich 1829 insoweit, als zwar die Glaubwürdigkeit der „akatholischen“
Kirchenbücher anerkannt wurde, jedoch Duplikate
von ihnen den katholischen Pfarrern zuzustellen und
den katholischen Matrikeln beizugeben waren. 35
Zwischen 1786 und 1888 kam die Eigenschaft staatlich
anerkannter Matrikenbücher auch der griechisch-orientalischen,
der armenisch-orientalischen, der altkatholischen
Kirche und der Herrnhuter Brüderkirche zu. 36
Behördliche Zivilmatrikeln mussten erstmals aufgrund der
Ehegesetzgebung der Jahre 1868, 1869 und 1870 angelegt
werden. Zunächst erfolgte die Einführung der so genannten
„Notzivilehe“ für katholische Brautleute: Sollte der zuständige
Seelsorger die Vornahme des Aufgebots und der Trauung
aus einem staatlich nicht anerkannten Grund ablehnen,
trat die politische Bezirksbehörde bzw. in Städten mit
eigenem Statut die betraute Gemeindebehörde an seine
Stelle. 37 In weiterer Folge wurden diese auch mit dem Aufgebot
und der Trauung beauftragt, wenn die Verlobten verschiedenen
christlichen Konfessionen angehörten und die
Seelsorger sich weigerten bzw. wenn die Brautleute keiner
gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft
angehörten. Des Weiteren wies der Gesetzgeber nunmehr

die Behörden ausdrücklich zur Führung der Geburts-, Ehe
und Sterberegister für diesen Personenkreis an. 38
Eigene Matriken 39 für Militärpersonen entstanden schon
im 17. Jahrhundert, die „Vorschriften für die Feldkapläne“
aus dem Jahr 1641 bieten einen ersten Hinweis darauf.
Eine Reihe immer ausführlicherer Instruktionen folgte. Seit
1816 waren die Regimentskapläne angehalten, von ihren
Pfarrmatriken Duplikate anzufertigen und diese dem Apostolischen
Feldvikariat zuzustellen. Die nicht-katholischen
Militärseelsorger führten ab 1869 eigene Register, für die
das Kriegsministerium als Oberbehörde fungierte. Auch
die Marine legte eigene Matrikeln an. Nur im Kriegsfall
unterstanden die Landwehrangehörigen der Militärmatrikelführung.
Den Ersten Weltkrieg wohl antizipierend traten
am 9. Jänner 1914 die „Bestimmungen für die Militärseelsorge
und für die Matrikelführung im Kriege“ in Kraft. Sie
beließen diese Aufgabe bei der Militärgeistlichkeit des
jeweiligen Religionsbekenntnisses. Diese hatten die Eintragungen
für den ihnen zugewiesenen Truppenkörper auf
separate, in Hefte gefasste Matrikelbögen aufzunehmen
und Duplikate über den Feldsuperior an das Feldvikariat
weiterzuleiten. Die Feldgeistlichen der Feldspitäler und mobilen
Reservespitäler hingegen hatten gebundene Matriken
samt Duplikaten zu führen und die Duplikate monatlich
an den vorgesetzten Feldsuperior einzusenden. Für den
Eintrag der Gefallenen dienten im Feld ausgefertigte Legitimationsblätter
als Grundlage. Von 1919 bis zur Einrichtung
des Österreichischen Bundesheers 1923 ruhte die Militärmatrikelführung.
Die erhalten gebliebenen militärischen
Kirchenbücher werden heute in der Abteilung Kriegsarchiv
des Österreichischen Staatsarchivs verwahrt. Auch für die
Mitglieder des Kaiserhauses wurden eigene Matrikenbücher
geführt.
Während also in Österreich über das Ende der Monarchie
hinaus – von Ausnahmen abgesehen – die Verzeichnung
der Geburten-, Heiraten und Todesfällen in geistlicher Hand
blieb, wurde sie im Deutschen Reich zum 1. Januar 1876
mit der Einrichtung von Standesämtern verstaatlicht. Erst
die Übernahme der deutschen Gesetzgebung 40 nach dem
„Anschluss“ 1938 reduzierte die von diesem Zeitpunkt an
geführten Kirchenbücher zu Aufzeichnungen für den internen
Gebrauch der jeweiligen Kirche bzw. Religionsgemeinschaft.
1 Vgl. dazu im Überblick Heinrich Börsting, Geschichte der Matriken von
der Frühkirche bis zur Gegenwart. Freiburg i. Br. 1959.
2 Regaste Episcoporum Constantiensium – Regesten zur Geschichte
der Bischöfe von Konstanz, Bd. 3: 1384-1436, bearb. von Karl
Rieder. Innsbruck 1913, Nr. 9662. Vgl. auch Konstantin Maier, Die
Diözesansynoden. In: Die Bischöfe von Konstanz, hg. von Elmar L. Kuhn
u. a., Bd. 1: Geschichte. Friedrichshafen 1988, S. 90-102.
3 Die Pfarrbücher und Zivilstandsregister im Staatsarchiv Luzern.
Findbuch zu den Abschriften, Filmen und Originalbänden, bearb.
von Anton Gössi unter Mitarbeit von Max Huber (Luzerner Historische
Veröffentlichungen – Archivinventare 6). Basel 2001, S. 13.
4 Börsting (wie Anm. 1), Eine kirchenrechtliche Grundlage für die
Verzeichnung von Täuflingen, auf die in weiterer Folge zurückgegriffen
werden konnte, lieferte schließlich das „Sacramentarium Gelasianum“,
das Papst Gelasius I. (492 bis 496) zugeschrieben wird, im Wesentlichen
aber die römische liturgische Praxis des 6. Jahrhunderts widerspiegelt.1
Wegen des Rückgangs der Schriftlichkeit während des frühen und hohen
Mittelalters dürften derartige Aufzeichnungen – zumindest nördlich der
Alpen – kaum jemals angelegt worden sein. 49.
5 Ebenda, S. 66 f..
6 Ebenda, S. 80 f.
7 Actensammlung zur Geschichte der Zürcher Reformation in den Jahren
1519-1533, hg. von Emil Egli. Zürich 1879, Nr. 982.
8 http://www.bistum-augsburg.de/ba/dcms/sites/bistum/dioezese/
geschichte/bistumsarchiv/findbuecher/pfarrbuecher/index.html (11.
März 2008).
9 Heribert Hallermann, Pfarrei und pfarrliche Seelsorge. Ein kirchenrechtliches
Handbuch für Studium und Praxis. Paderborn u. a. 2004, S.
61.
10 Ebenda.
11 Börsting (wie Anm. 1), S. 94 f.
12 Constitvtiones Et Decreta Synodalia Civitatis Et Dioecesis
Constantien[sis] : in Ecclesia cathedrali Constantien[sis] Kalendis
Seite 191

Septembris & sequentibus diebus, Anno D[omi]ni M.D.LXVII. statuta,
edita & promulgata [...]; quibus adiecta sunt acta, seu ordo rei gestae,
una cum caerimonijs & orationibus in eadem Synodo habitis. Dillingen
1569, S. 189 f.
13 Constitvtiones Et Decreta Synodi Dioecesanae Constantiensis : Edita Ac
Promvlgata Die 20. Octobris Anno [...] MDCIX. Konstanz 1609, S. 105
14 Börsting (wie Anm. 1), S. 106 f.
15 Dazu exemplarisch Jörn Sieglerschmidt, Der niedere Klerus um 1600.
Eine vergleichende Untersuchung am Beispiel des Landdekanats
Engen. In: Die Bischöfe von Konstanz, hg. von Elmar L. Kuhn u. a., Bd. 1:
Geschichte. Friedrichshafen 1988, S. 110-124.
16 Wilfried Beimrohr, Die Matriken (Personenstandsbücher) der Diözese
Innsbruck und des Tiroler Anteils der Erzdiözese Salzburg (Tiroler
Geschichtsquellen 17). Innsbruck 1987, S. 7.
17 Ludwig Rapp, Topographisch-historische Beschreiung des Generalvikariates
Vorarlberg, Bd. 2. Brixen 1896, S. 293.
18 Siehe auch Andreas Ulmer, Topographisch-historische Beschreibung
des Generalvikariates Vorarlberg, Bd. 5, Dornbirn 1924, S. 841, Bd. 6/2.
Dornbirn 1965, S. 704.
19 Vorarlberger Landesarchiv (fortan: VLA), Hs. u. Cod., Pfarrarchiv Sonntag,
Nr. 3.
20 Die Aufzeichnungen beginnen dort 1636.
21 Das Vorarlberger Landesarchiv. Einführung und Bestandsübersicht.
Bregenz 21998, S. 87-90.
22 Gössi (wie Anm. 3), S. 14.
23 Zit. nach Börsting (wie Anm. 1), S. 100.
24 Ebenda, S. 101 f.
25 Abbildungen bei Gössi (wie Anm. 3), S. 15-18.
26 http://www.bistum-augsburg.de/ba/dcms/sites/bistum/dioezese/
geschichte/bistumsarchiv/findbuecher/pfarrbuecher/index.html (11.
März 2008).
27 Ebenda.
28 Theologische Realenzyklopädie, hg. von Gerhard Krause/Gerhard
Müller, Bd. 18. Berlin [u. a.] 1989, S. 529.
29 Vgl. dazu Anton Tantner, Ordnung der Häuser, Beschreibung der
Seelen – Hausnummerierung und Seelenkonskription in der
Habsburgermonarchie. Phil. Diss. Wien 2004.
30 „… der größte Teil der Untertanen lebt elend und mühselig.“ Die
Berichte des Hofkriegsrates zur sozialen und wirtschaftlichen Lage der
Habsburgermonarchie 1770-1771, hg. von Michael Hochedlinger/Anton
Seite 192
Tantner (Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Sonderbd. 8).
Wien 2005, S. 4, 144.
31 Walter Zeyringer, Das Personenstandswesen in Österreich – Geschichte,
Gegenwart und Zukunft. In: 50 Jahre Fachverband der österreichischen
Standesbeamten. Festschrift. Wien 1997, S. 164- 188, hier S. 165.
32 VLA, Patente, Sch. 4, Nr. 146.
33 Gesetz vom 10. Juli 1868, betreffend die Beweiskraft der Geburts-,
Trauungs- und Sterbematriken der Israeliten, Reichsgesetzblatt (fortan:
RGBl.) Nr. 18/1969.
34 Zeyringer (wie Anm. 31), S. 165.
35 Provinzial-Gesetzsammlung von Tyrol und Vorarlberg für das Jahr 1829.
Bd. 16/2. Innsbruck 1832, S. 455 ff.
36 Beimrohr (wie Anm. 16); S. 11.
37 Gesetz vom 25. Mai 1868, wodurch die Vorschriften des zweiten
Hauptstückes des allg. bürgerl. Gesetzbuches über das Eherecht für
Katholiken wieder hergestellt, die Gerichtsbarkeit in Ehesachen der
Katholiken den weltlichen Behörden überwiesen und Bestimmungen
über die bedingte Zulässigkeit der Eheschließung vor weltlichen
Behörden erlassen wird, RGBl. Nr. 47/1868.
38 Gesetz vom 9. April 1870, über die Ehen von Personen, welche keiner
gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft angehören,
und über die Führung der Geburts-, Ehe- und Sterberegister über
dieselben, RGBl. Nr. 51/1870; Verordnung vom 20. Oktober 1870,
betreffend die innere Einrichtung und Führung der Geburts-, Ehe- und
Sterberegister für Personen, welche keiner gesetzlich anerkannten
Kirche oder Religionsgemeinschaft angehören, RGBl. Nr. 128/1870.
39 Vgl. dazu Karl Taferner, Die Militärmatriken im Kriegsarchiv Wien 1633-
1938, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 49 (2001), S.
91-95; Christoph Tepperberg, Das Militärmatrikelwesen in Österreich, in:
ebenda, S. 59-90; Renate Domnanich, Die Militärmatriken und andere
Bestände des Kriegsarchivs als Quellen der genealogischen Forschung,
in: ebenda, S. 97-107.
40 Die einschlägigen Zitate bei Zeyringer (wie Anm. 31), S. 166.

Historischer Überblick
Erste Ansätze einer staatlichen Personenstandsverzeichnung
lassen sich schon in vorchristliche Zeit zurückverfolgen.
So gab es schon im Stadtstaat Athen Bürgerlisten,
in die allerdings nur Männer – in erster Linie dienten sie
nämlich der militärischen Erfassung – aufgenommen wurden
und den Besitz der athenischen Staatsangehörigkeit
nachwiesen.
Auch im römischen Reich ließ bereits Kaiser Augustus Geburtsregister
anlegen, bei denen jedes eheliche Kind binnen
30 Tagen anzumelden war. Im 6. Jahrhundert ordnete
Kaiser Justinian an, dass über Eheschließungen der Führungsschicht
Urkunden aufzunehmen sind und in Kirchenarchiven
zu hinterlegen waren.
In der Zeit der Völkerwanderung fand eine Personenstandsverzeichnung
nicht statt.
Erst mit dem Konzil von Trient (1545 bis 1563) wurde für die
ganze Westkirche die Führung von Heiratsregistern so wie
die Eintragung der Namen beider Taufpaten – die Existenz
von Taufbüchern wurde daher bereits vorausgesetzt – ins
Taufbuch vorgeschrieben.
1614 wurde angeordnet, dass auch Verzeichnisse Verstorbener
anzulegen seien. Staatliche Urkunden spielten
neben den kirchlichen Matriken nur eine ganz untergeordnete
Rolle.
Erst im Zeitalter der Reformation verschieben sich die
Gewichte zwischen kirchlicher und staatlicher Matrikenführung.
So bestimmte die französische Verfassung von
1791, dass die Ehe ein rein bürgerrechtlicher Vertrag ist. Mit
dem ein Jahr später ergangenen französischen Personenstandsgesetz
wurde das gesamte Zivilstandswesen in das
Aufgabengebiet der Gemeinde übertragen. Diese hatte ein
Mitglied des Gemeinderates mit den Wahrnehmungen der
Registerführung zu betrauen.
Vortrag auf dem 18. Vorarlberger Archivtag; Bregenz, Landesarchiv, 16. Juni 2008
Josef Seidl, bis Februar 2008 Standesbeamter beim Standesamt Bludenz
Der österreichische Standesbeamte –
gestern und heute
Josef Seidl
In Österreich blieb die Matrikenführung bis Ende des 18.
Jahrhunderts allein der katholischen Kirche vorbehalten.
Erst unter Josef II. (1780 bis 1790) wurde die Matrikenführung
erstmals grundsätzlich dem Staat angeordnet, im Detail
geregelt und der staatlichen Aufsicht unterstellt. Durch
dieses kaiserliche Patent wurden auch die Form (Trauungsbuch,
ein Buch zur Verzeichnung der Geborenen und ein
Buch über die Verstorbenen) und der Inhalt dieser Eintragungen
festgelegt.
Die Matrikenführung selbst oblag aber weiterhin den katholischen
Seelsorgern. Erst in der Folge wurden nach und nach
auch alle anderen gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften
zur Matrikenführung ermächtigt.
Für Konfessionslose wurde erstmals mit Gesetz vom 25.
Mai 1868 die Führung der Matriken durch staatliche Organe
verfügt. Dieses Gesetz bestimmte, dass die Bezirksverwaltungsbehörden
über die von ihnen geschlossenen
Ehen (Notzivilehen) ein besonderes Aufgebotsbuch und
Eheregister zu führen hatten. Ein Jahr später wurde auch für
Ehen zwischen Angehörigen verschiedener christlicher Konfessionen
diese Eheschließungsform ermöglicht.
Durch das Matrikengesetz vom 8. April 1870 wurden
schließlich die politischen Behörden (Bezirkshauptmannschaften
bzw. Magistrate) auch verpflichtet, neben der Führung
des Eheregisters auch die Geburts- und Sterbefälle der
Konfessionslosen zu beurkunden.
Dieses Josefinische Matrikenpatent blieb – wenngleich
durch zahlreiche spätere Vorschriften ergänzt – bis zum
Jahre 1938 die grundlegende Norm des österreichischen
Matrikenwesens.
Seite 193

Einrichtung der Standesämter
Das Jahr 1938 und die folgenden Jahre brachten hier eine
völlige Wandlung durch die Verweltlichung des Personenstandsrechts.
Mit 1. Jänner 1939 wurde in Österreich das
deutsche Personenstandsgesetz vom 3. November 1937 in
Kraft gesetzt (GBlfLÖ. Nr. 287/ 1938). Bereits am 1. August
1938 war das Gesetz vom 6. Juli 1938 zur Vereinheitlichung
des Rechts der Eheschließungen und der Ehescheidungen
im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet in Kraft
getreten (GBlfLÖ. Nr. 244/1938, 302/1938). Die wesentliche
Änderung gegenüber der bis dahin geltenden Rechtslage
bestand darin, dass an Stelle der konfessionellen ausnahmslos
die zivile Matrikenführung und an Stelle der
kirchlichen Eheschließung ausnahmslos die standesamtliche
Eheschließung trat.
Mit Einführung des Deutschen Personenstandsrechtes in
Österreich am 1. Jänner 1939 waren die den Standesämtern
obliegende Aufgaben Angelegenheiten des Staates, die
den Gemeinden zur Erfüllung nach Anweisung übertragen
wurden. Grundsätzlich bildete jede Gemeinde einen
Standsamtsbezirk, wobei die höhere Verwaltungsbehörde
für mehrere Gemeinden den Auftrag einer von ihnen erteilen
oder eine Gemeinde in mehrere Standesamtsbezirke
aufteilen konnte. Für jeden Standesamtsbezirk waren ein
Standesbeamter und mindestens ein Stellvertreter zu bestellen.
Die Zustimmung zur Bestellung oblag der höheren
Verwaltungsbehörde, die eine solche nur erteilte, wenn die
entsprechenden fachlichen Voraussetzungen erfüllt waren.
Nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit wurden
die reichsdeutschen personenstands- und eherechtlichen
Vorschriften als österreichische Rechtsvorschriften in vorläufige
Geltung gesetzt. Nur jene Bestimmungen, die offensichtlich
nationalsozialistisches Gedankengut enthielten,
wurden aufgehoben bzw. abgeändert.
Seite 194
Die Verschiedenheit des Behördenaufbaues im Deutschen
Reich und in Österreich zeigte schon bald, dass das deutsche
Personenstandsrecht nur schwer mit den Grundsätzen
der österreichischen Verfassung in Einklang zu bringen war.
Letztlich waren die langjährigen Bemühungen, das (reichs)
deutsche Personenstandsgesetz durch eine österreichische
Rechtsvorschrift zu ersetzen, erst im Jahre 1983 von Erfolg
gekrönt.
Das neue österreichische Personenstandsgesetz (PStG)
ist am 1. Jänner 1984 in Kraft getreten (BGBl. Nr. 60/1983).
Dieses Gesetz brachte eine völlige Neuordnung der Personenstandsverzeichnung
(Beurkundung der Geburten, Eheschließungen
und Sterbefälle) sowie des administrativen
Eherechts (Mitwirkung des Standesbeamten bei der Vorbereitung
der Eheschließung und der Trauung) mit sich.
Der Standesbeamte als Verwaltungsorgan
Nach § 59 Abs. 1 PStG sind die in diesem Gesetz geregelten
Personenstandsangelegenheiten einschließlich des Matrikenwesens,
soweit nicht Aufgaben dem Landeshauptmann,
der Bezirksverwaltungsbehörde oder dem österreichischen
Staatsarchiv übertragen sind, von den Gemeinden im übertragenen
Wirkungsbereich zu besorgen.
Daraus ergibt sich, dass die Personenstandsangelegenheiten
im übertragenen Wirkungsbereich, das heißt ausnahmslos
in mittelbarerer Bundesverwaltung zu besorgen
sind.
Organ der Gemeinde ist der Bürgermeister, der die Angelegenheiten
des übertragenen Wirkungsbereiches zu
besorgen hat. Organ des Gemeindeverbandes ist der
Verbandsobmann.

Gemäß § 59 Abs. 3 PStG hat sich das Organ der Gemeinde
(Bürgermeister) bei Besorgungen der Aufgaben eines
Gemeindebediensteten, der für diese Aufgaben notwendige
Fachkenntnisse besitzt, zu bedienen. Die Länder als
höhere Aufsichtsbehörde haben auch schon frühzeitig die
Notwendigkeit einer entsprechenden Ausbildung der Standesbeamten
erkannt und diese durch Prüfungsordnungen
geregelt. Nach diesen hat der angehende Standesbeamte
eine schriftliche und mündliche Prüfung abzulegen, wobei
insbesondere ausreichende Kenntnisse in den Fachgebieten
Personenstands-, Ehe-, Namens- und Staatsbürgerschaftsrecht,
sowie der einschlägigen Bestimmungen des
internationalen Privatrechtes, sowie hinsichtlich der Gebühren
und abgaberechtlichen Bestimmungen nachzuweisen
sind. (In Vorarlberg ist die Dienstprüfung derzeit noch
nicht erforderlich, jedoch wird diese vom Amt der Vorarlberger
Landesregierung empfohlen)
Das Standesamt ist nicht monokratisch organisiert, denn
beim Standesamt sind alle vom Organ herangezogenen
Organwalter (selbst wenn einer davon der Bürgermeister
selbst ist) bei der Besorgung der ihnen übertragenen Aufgaben
in ihren Befugnissen völlig gleichgestellt. Das Standesamt
ist aber auch nicht nach dem Kollegialsystem eingerichtet,
weil jeder Standesbeamte in seinem Amtsbereich
allein entscheidet. Die Willensbildung geht also hier von
einer Einzelperson aus und nicht von einer Personenmehrheit,
wie dies bei einer Kollegialbehörde der Fall ist.
Die Entwicklung der Aufgagen und Arbeitsbedingungen
des Standesbeamten
Das mit 1. Jänner 1984 in Kraft getretene Personenstandsgesetz
kann als modern, automationsfreundlich, in vielen
Bereichen auch als bahnbrechend bezeichnet werden. Es
ermöglicht dem Standesbeamten eine rasche und bürgerfreundliche
Erledigung der von ihm wahrzunehmenden
Aufgaben. In der Folge sollen nur einige Beispiele erwähnt
werden.
Seit Installierung der Standesämter war bis 31. Dezember
1976 die Eintragung der Personenstandsfälle in gebundene
Bücher, das heißt handschriftlich vorzunehmen. Eine lose
Blattführung und damit die Eintragungen im Geburten-, Familien-
und Sterbebuch mit Schreibmaschine waren an die
ausdrückliche Genehmigung des Landeshauptmannes gebunden.
Erst ab 1. Jänner 1977 war eine lose Blattführung generell
zulässig. Erst das neue Personenstandsgesetz schuf
die Basis für den Einzug der automationsunterstützten Datenverarbeitung
in den Standesämtern. Während der EDV-
Einsatz ursprünglich zwar noch immer einer Verordnung der
Aufsichtsbehörde bedurfte, wurde, bedingt durch die technische
und kostenmäßige Entwicklung der EDV, bereits im
Jahre 1991 mit einer Neufassung des § 7 PStG eine generelle
Zustimmung für eine automationsunterstützte Datenverarbeitung
im Personenstandsbereich geschaffen.
Das Personenstandsgesetz 1984 beseitigte im Interesse einer
raschen und bürgernahen Verwaltung auch eine Reihe
von Hemmnissen und Hindernissen und übertrug gleichzeitig
in vielen Teilbereichen die Entscheidung an die Personenstandsbehörde
erster Instanz. Es sollen hierbei nur
einige Beispiele erwähnt werden:
Entfall des Aufgebotes, bzw. die Kundmachung des Aufgebotes
für eine Eheschließung, Befreiung von der Beibringung
eines Ehefähigkeitszeugnisses durch den Präsidenten
des Oberlandesgerichtes, Befreiung von der Wartezeit, die
Befreiung vom Ehehindernis des Ehebruches, sowie die Befreiung
von der Schwägerschaft.
Während bis 1. Jänner 1984 der Eintritt der Legitimierung
durch die Eheschließung der Eltern nur auf Anordnung des
Gerichtes beurkundet werden durften, beurteilt seither der
Standesbeamte selbst diesen Rechtstatbestand. Er hat
hierbei auch die besonderen Regelungen hinsichtlich der
erforderlichen Zustimmungen zu beachten.
Seite 195

Der Standesbeamte heute
Wie seit beinahe 70 Jahren steht auch heute der Mensch
im Mittelpunkt der Tätigkeiten des Standesbeamten. Erstmals
wird der Standesbeamte bei der Geburt eines Neugeborenen
tätig (Geburtenbuch), später beurkundet er
die Eheschließung (Ehebuch), letztlich den Tod des Menschen
(Sterbebuch). Dazwischen gibt es – von der Öffentlichkeit
weitgehend unbemerkt – nicht weniger wichtige
personenstandsrechtliche Vorgänge, zum Beispiel
Vaterschaftsanerkenntnisse, Legitimationen, Namensbestimmungen,
Wiederannahme des früheren Familiennamens
usw., zu beurkunden.
Darüber hinaus ist der Standesbeamte als Gemeindeorgan
vielfach auch mit dem Vollzug des Staatsbürgerschaftsrechtes
– seit Inkrafttreten des Staatsbürgerschaftsgesetzes
1965 – betraut. In diesem Zusammenhang stellt er unter
anderem staatsbürgerschaftsrechtliche Bestätigungen
(Staatsbürgerschaftsnachweise) aus und führte die Staatsbürgerschaftsevidenz.
In Vollziehung dieser Aufgaben hat
das damit betraute Organ der Gemeinde (Standesbeamter)
– wie wohl kaum ein anderer Gemeindebediensteter – mit
den verschiedensten gesetz lichen Bestimmungen, wie zum
Beispiel dem Personenstandsgesetz, der hiezu ergangenen
Durchführungsverordnungen und Dienstanweisung, dem
Ehegesetz, ABGB, internationalen Privatrecht, Staatsbürger
schaftsrecht, internationalen Abkommen und Übereinkommen,
dem internationalen Ehe- und Kindschaftsrecht,
vertraut zu sein. Die Standesbeamten sind bemüht,
diese ihnen übertragenen Aufgaben nach bestem Wissen
Herr zu werden. Der Standesbeamte ist derjenige, der die
„harten“ Daten liefert, ohne die eine funktionierende Gemeinschaft
bzw. öffentliche Verwaltung wohl kaum möglich
und denkbar wäre.
Seite 196
Wenn manche vielleicht einwenden, dass mit der Einführung
der elektronischen Datenverarbeitung in vielen Gemeinden
leichter geworden wäre, so muss dem doch entgegengehalten
werden, dass zwar die „Maschine“ arbeitet, es aber
noch immer der Standesbeamte ist, der die richtige Entscheidung
zu treffen, entsprechende Eingaben zu tätigen
und dies auch zu verantworten hat. Der Standesbeamte ist
im Zeitalter des ständig wachsenden Aufgabenstellens mit
der Situation konfrontiert, sich den geänderten Rechtslagen
anzupassen, sich entsprechend weiterzubilden und ein
umfassendes Gesamtwissen zu speichern. Nicht vergessen
darf man in diesem Zusammenhang das Entstehen neuer
Staaten, das Berücksichtigen neuer Rechtsvorschriften, sowie
die Zuwanderung von Flüchtlingen (Asylanten) die auch
hier Kinder bekommen, die Ehe schließen wollen oder deren
Sterbefall beurkundet werden sollte. Es ist des Öfteren
sehr schwierig mit diesen Personen die Daten festzustellen,
den tatsächlichen Familienstand zu ermitteln, da die meisten
Personen über keinerlei Urkunden verfügen oder überhaupt
nicht bereit sind diese vorzulegen und bedarf eines
großen Zeitaufwandes.

Eröffnung der Ausstellung des Landesarchivs „96 Gemeindewappen – Hoheitszeichen und Bürgerstolz“; Bregenz, Landhaus, 16. Juni 2008
Ulrich Nachbaur (geb. 1962 in Feldkirch), Dr. iur., M.A., seit 1997 Mitarbeiter im Vorarlberger Landesarchiv
96 Gemeindewappen
Einführung in die Ausstellung „96 Gemeindewappen – Hoheitszeichen und Bürgerstolz“
Ulrich Nachbaur
Die Heraldik umfasst die Wappenkunst, die Wappenkunde
und das Wappenrecht. Das Vorarlberger Landesarchiv
ist als eine Art „Heroldsamt“ Anlaufstelle für heraldische
Fragen aller Art; häufig gerade für Gemeinden, zumal das
Landesarchiv seit 1927 im Auftrag der Landesregierung die
Gemeindewappenregistratur führt, in der zur Sicherung
Gleichstücke der Wappenurkunden aufbewahrt werden.
Deshalb widmeten wir den Vorarlberger Archivtag 2007 dem
Thema „Vorarlberger Gemeindesymbole – Heraldische und
rechtliche Aspekte“. Wir haben allen Gemeinden unsere
Vorträge und ein Bestandsverzeichnis der Gemeindewappenregistratur
zugesandt. Die Vorträge wurden vielleicht
weniger studiert, das Echo auf das Bestandsverzeichnis war
jedoch heftig. So ließ uns ein Gemeindesekretär wissen:
„Wir haben heute das Schriftenbuch Vorarlberger Gemeindewappenregistratur
erhalten.
Leider mussten wir feststellen, dass ein komplett falsches
Gemeindewappen der Gemeinde […] aufscheint bzw. abgebildet
wurde.
Bitte veranlassen Sie, dass in Zukunft nur mehr das von uns
als Anlage übersandte Gemeindewappen benutzt wird.
Dafür wären wir sehr dankbar und für Sie ist es sicher eine
wichtige Sache, auch die richtigen Wappen zu archivieren.“ 1
Mit der Einladung zu dieser Ausstellung ernteten wir erneute
einige Briefe und Anrufe, wohlmeinende und andere.
Spätestens diese Reaktionen ließen uns zur Gewissheit
werden, dass Wappen eine sehr ernste, mitunter sogar bierernste
Angelegenheit sind.
Ob Segel oder Sonnenstrahlen, Kirschen oder Lilien, Mauerkronen
oder Hirschstangen – die Frage nach dem „richtigen“
Wappen treibt viele um.
Ich verschone Sie mit juristischen Details. Gerade die Entstehung
der Gemeindewappen aber, zumal in Form der
Stadtsiegel, ist nicht zuletzt als rechtsgeschichtliches Phänomen
zu begreifen.
Siegel als Ausdruck der Stadtrechte
Siegel dienten und dienen zur Beglaubigung und zum Verschluss
von Dokumenten. Wenn im Mittelalter eine Bürgerschaft
ihr Siegel an eine Urkunde hängen konnte, war das
ein Zeichen ihrer Rechtsstellung und Geschäftsfähigkeit.
Siegel waren Hoheitszeichen und Sinnbild des Bürgerstolzes.
Für die Stadt Feldkirch sind seit 1312 Siegel belegt, für
die Stadt Bludenz seit 1329. Sie zeigen jeweils das Stadtwappen.
Das Stadtsiegel demonstrierte einen Gestaltungsspielraum,
den der Stadtherr der Bürgerschaft eingeräumt oder
den sie ihm abgerungen hatte. Denken wir an den Freiheitsbrief,
mit dem sich die Feldkircher 1376 vom letzten Grafen
von Montfort-Feldkirch für ihre Zustimmung zum Verkauf
der Herrschaft weitreichende Rechte zusichern ließen. Mit
Rudolfs Tod ging die Grafschaft an Habsburg über und trat
der Freiheitsbrief in Kraft.
Die Feldkircher hatten also ein Interesse daran, die neue
Landesherrschaft zu festigen.
Unter Führung der Feldkircher und des Grafen Albrecht
von Werdenberg-Heiligenberg-Bludenz schlossen 1391 die
Stände der Herrschaften Feldkirch und Bludenz mit Zustimmung
des Herzogs von Österreich ein Militärbündnis.
Diese „Vorarlberger Eidgenossenschaft“ besiegelten Graf
Albrecht und die Stadt Bludenz sowie die Stadt Feldkirch
und das „Land“ Bregenzerwald.
Davon konnten die Bregenzer erst träumen.
Seite 197

Endlich ein Wappen für Bregenz
Wenn die Bregenzer Bürger erst 200 Jahre nach den Feldkirchern
und Bludenzern ihr eigenes Siegel führen konnten,
symbolisiert das eine verzögerte Entwicklung der Stadtverfassung.
1409 teilten die Bregenzer Montforter nach der Grafschaft
auch noch die kleine Residenzstadt in zwei Hälften. In einer
geteilten Stadt mit zwei Stadtherren konnten die Untertanen
nur eine sehr eingeschränkte Rechtsstellung erlangen.
1451 ging der südliche Teil der Grafschaft an Österreich
über, 1523 der nördliche.
Doch die Hoffnungen auf mehr Selbstbestimmung erfüllten
sich zunächst nicht. Erzherzog Ferdinand gestand seinen
Bregenzern nur das gewünschte Siegel zu, mit dem „uralten“
Fellwappen, das angeblich einst die Grafen von Bregenz
geführt haben sollen. Eine typisch österreichische
Lösung, die nichts kostete. Mit diesem Prestigeerfolg konnte
Bregenz wenigstens den Schein wahren. – Die Hermelinschwänze
wurden später als Rossegel und Feldrüben
missdeutet.
Wappenfähige Stände
Auch die meisten der 21 „bäuerlichen“ Gemeinwesen legten
sich mit der Zeit Siegel zu. Mit den Städten bildeten sie als
„Stände“ oder „Gerichte“ die politische „Landschaft“ in
den österreichischen Herrschaften vor dem Arlberg.
Diese Landstände wollten später im bereits erwähnten
Bundesbrief von 1391 ihre Gründungsurkunde sehen, an
der auch das „Landessiegel“ des Hinterwaldes anhing.
Denn die frühen dieser Stände verstanden sich zu Recht
noch als Länder im rechtshistorischen Sinn. Nicht von ungefähr
lassen sich daher auch für den Wald (1379) und das
Montafon (1405) bereits sehr früh Siegel belegen.
Seite 198
Wappenurkunde für Bregenz 1529
Das Montafon (1639, 1718) und Dornbirn (1655) ließen sich
später vom Landesfürsten das Recht zur Wappenführung
bestätigen.
Der Stand Montafon führte die Petrischlüssel im Wappen,
die „Schlüssel zum Himmelreich“. Sie verwiesen eigentlich
nur darauf, dass die Montafoner lange Zeit „Hofjünger“ des
Hofes bei St. Peter zu Bludenz waren. Sie nährten aber die
Legende, die Montafoner seien von fast ganz oben zur Führung
der Schlüssel samt Tiara berechtigt worden. So ließen
sie sich ihr Wappen 1700 auch vom Papst bekräftigen. –
Wappen waren immer auch eine Prestigefrage; für die Montafoner
im Kampf gegen die Bludenzer Bevormundung.
Einzelne Standeswappen wurden von den ab 1808 eingerichteten
Gemeinden weitergeführt – so von Dornbirn
und Mittelberg. Bei der späteren Verleihung neuer Gemeindewappen
wurden verbindende Elemente aus den
ehemaligen Standeswappen übernommen, zum Beispiel
die Wäldertanne, die Sonnenberger Sonne oder die Montafoner
Schlüssel.
Feldkircher Wappen als Landeswappen
Für die Landstände siegelten die drei Städte gemeinsam
mit ihren Stadtsiegeln, die um 1726 zu einem landschaftlichen
Kanzleisiegel zusammengezogen wurden.
Als die kaiserliche Verwaltung um 1750 daran ging, aus
den eigenwilligen österreichischen Herrschaften vor dem
Arlberg ein „Land Vorarlberg“ zu formen, scharte das neue
Kreisamt für Vorarlberg in seinem Kanzleisiegel die Herrschaftswappen
um den österreichischen Bindenschild.
Für die Herrschaft Feldkirch griff es auf die Gerichtsfahne
der Montforter zurück, die die Stadt Feldkirch in ihren Siegeln
überlieferte.

Für die Herrschaft Bregenz übernahm es aus dem Stadtwappen
vorgeblich das Wappen der Grafen von Bregenz.
Für die Herrschaft Bludenz behalf sich die landesfürstliche
Verwaltung mit dem Bludenzer Stadtwappen; ein Herrschaftswappen
war offenbar nicht mehr geläufig. Denn
woher immer das Einhorn stammen mag, von den Werdenbergern
als ehemaligen Stadtherren jedenfalls nicht.
In wechselnden Konstellationen fanden ab 1804 auch die
Herrschaften vor dem Arlberg im großen Majestätswappen
Platz. Ab 1836 vertraten dort Hohenems, Feldkirch, Bregenz
und Sonnenberg das Land Vorarlberg.
Doch bereits 1849 schlug eine Kommission dem Kaiser vor,
der Verfassungsentwicklung Rechnung zu tragen und für
Vorarlberg nur noch das „vorzüglichste“, das Feldkircher
Wappen in das große Staatswappen aufzunehmen:
„Da Feldkirch also die älteste und ansehnlichste der 4 Grafschaften
ist, zudem die Stadt Feldkirch jetzt die Hauptsstadt
von Vorarlberg ist, nebst Feldkirch aber noch eine
Grafschaft, das ist Bregenz, meist Montfortisch war, so würde
am angemessensten sein, und auch die meisten Sympathien
die Verfügung finden, das alte Wappen der Grafen
von Montfort, das zugleich im Stadtsiegel von Feldkirch
enthalten ist, die rothe Kirchenfahne im weißen Felde, als
Wappen für das ganze Kronland Vorarlberg anzunehmen
und demselben durch kaiserliche Gnade ausdrücklich zu
verleihen.“ 2
Als Landeshauptstadt vermochte sich Feldkirch nicht zu
behaupten, seinem Wappen war mehr Erfolg beschieden.
Im Wappen, das Franz Joseph dem Land Vorarlberg 1864
schließlich verlieh, wurde die Montforterfahne in den Mittelpunkt
gerückt, aber noch mit den Wappen der damals
sechs Verwaltungsbezirke Bregenz, Feldkirch, Bludenz,
Dornbirn, Bregenzerwald und Montafon umgeben sowie
mit dem Wappen der ehemaligen Grafschaften Sonnen-
Wappenentwurf für Hard 1905
berg und Hohenems ergänzt, die mit Bregenz und Feldkirch
Vorarlberg weiterhin im großen Staatswappen vertraten. –
Das ergab ein hübsches, aber unpraktisches Wappen, das
zudem bereits mit der Bezirksreform von 1868 nicht mehr
verständlich war.
1918 wird die Landesversammlung das Landeswappen
schließlich auf die Montforterfahne reduzieren. Dass sie
einst exklusiv für die Stadt und Herrschaft Feldkirch stand,
ist längst vergessen.
Beiwerk zu Stadt- und Markterhebungen
Seit der bayerischen Gemeindereform von 1808 genossen
in Vorarlberg die Städte und Märkte gegenüber den „Landgemeinden“
keine gravierenden Vorrechte mehr.
Mit den kaiserlichen Markt- und Stadterhebungen, die um
1875 in Mode kamen, erwarben Gemeinden nur noch Ehrentitel.
Titel ohne Mittel, die aber schmückten und hoffentlich
die Nachbarn ärgerten.
Meist ließen sich die frisch erkorenen Städte und Märkte
bei dieser Gelegenheit auch ein Wappen verleihen oder bestätigen.
So war es auch, als das „Erhebungsfieber“ von Tirol auf
Vorarlberg übergriff. Nachdem Dornbirn 1901 zur „Stadt“
und Lustenau 1902 zum „Markt“ erhoben waren, beschloss
1904 die aufstrebende Nachbargemeinde Hard, ebenfalls
um die nominelle Markterhebung samt Wappen anzusuchen.
Landesarchivar Viktor Kleiner formulierte ein Majestätsgesuch
und war auch bei der Abklärung eines vertretbaren
Wappens behilflich. Die Markterhebungsfeier wurde 1905
pompös aufgezogen. Die Speisenfolge hätte dem kaiserlichen
Hof zur Ehre gereicht. Hoffentlich griffen alle zum
richtigen Besteck.
Seite 199

Wappenurkunde für Schlins 1911
Bis 1935 blieb den Städten und Märkten der Titel „Bürgermeister“
vorbehalten, während sich die „Landgemeinden“,
die „Bauern“, bis dahin mit „Gemeindevorstehern“ begnügen
mussten.
Kein Monopol der Städte und Märkte
Bis 1918, und noch später, suchten vor allem die neuen
Städte und Märkte um Wappen an. Das mag zur Meinung
geführt haben, dass nur Städte und Marktgemeinden wappenfähig
gewesen seien.
Den Gegenbeweis liefert die Wappenverleihung an die
unbedeutende Kleingemeinde Schlins von 1911. Von anderen
„Dörfern“ wurde wenigstens der Nachweis verlangt,
dass sie das begehrte Wappen schon seit langem führen.
Für Schlins hingegen wurde ohne jede Wappentradition ein
neues Wappen kreiert. Das dürfte in der Monarchie seinesgleichen
gesucht haben.
Wie für Hard führte auch für Schlins Landesarchivar Kleiner
Regie. Als er das Statthaltereiarchiv in Innsbruck um einen
Wappenvorschlag ersuchte, erhielt er neben der Expertise
zur Antwort:
„Ich kann […] nicht verschweigen, dass mir kein Fall bekannt
ist, dass in Tirol und Vorarlberg einem Dorfe in neuerer Zeit
ein Wappen verliehen worden wäre. Die mir bisher unterr gekommenen Dorfwappen stammen zumeist aus moderner
Zeit und sind vielfach ganz willkürlich angenommen.“ 3 “
Wappenführung ohne Wappenbrief
Feldkirch und Bludenz führten ihre Wappen seit Jahrhunderten,
ohne eine landesfürstliche Berechtigung vorweisen
zu können oder zu müssen. Ein Wappenbrief bedeutete
einen Prestigegewinn, aber keine nennenswerten
rechtliche Vorteile. So führten schon vor 1918 über 15 Vorarlberger
Gemeinden Wappen im Siegel, die sie sich selbst
zugelegt hatten.
Seite 200
Strenge Staatsbeamte vertraten bisweilen die Ansicht, dass
das Recht zur Wappenführung einer offiziellen Verleihung
oder Bestätigung bedürfe – doch wo kein Kläger, da kein
Richter.
Die Gemeinde Lauterach machte den Fehler, sich nach der
richtigen Darstellung zu erkundigen.
Sie hatte vor Generationen ein Haus der Ammannfamilie
Vonach angekauft und darin die Schule und die Gemeindekanzlei
untergebracht. Die Gemeinde übernahm das Wappen
über der Haustür in ihr Siegel und wollte 1890 wissen,
ob sie berechtigt sei, auch den aufliegenden Doppeladler
zu führen.
Das Ministerium des Innern beschied, dass die Fortführung
des Wappens – ohne Adler – nur gestattet werden könne,
wenn Lauterach durch alte Siegel nachweise, dass es „althergebracht“
sei. Die Gemeinde führte das Wappen einfach
so weiter.
Doch 1922 schwärzte Landesarchivar Kleiner die Lauteracher
an, dass sie unbefugt das Vonachwappen führten. So
mussten sie schließlich um die Bewilligung ansuchen.
Als einziger Vorarlberger Gemeinde wurde ihr 1924 von der
Bundesregierung das Recht zur offiziellen Wappenführung
verliehen.
Landesgesetz 1926: Wappenrevision
Stadt- und Markterhebungen, Namensänderungen und
Wappenverleihungen waren ein Vorrecht der Krone gewesen.
Nach 1918 nahm diese Kompetenz zunächst die
Bundesregierung wahr.
Mit der Bundesverfassungsnovelle 1925 ging die Zuständigkeit
an die Länder über. Am 22. Dezember 1926 beschloss
der Vorarlberger Landtag eigens ein Landesgesetz, das sich
an einem Muster des Bundeskanzleramts orientierte.

Wappenurkunde für Schruns 1927
Das Gesetz sah vor, dass die Gemeinden, die bereits ein
Wappen führen, innerhalb eines Jahres um eine Bestätigung
oder Verleihung dieser Berechtigung durch die Landesregierung
ansuchen müssen.
Bis Juni 1928 zeigten zehn Gemeinden an, zur Wappenführung
berechtigt zu sein, 23 meldeten ihr Interesse an
einer Verleihung an. Die übrigen 68 Gemeinden legten vorerst
keinen Wert darauf.
Mit dieser Wappenrevision bekam die Landesregierung alle
inoffiziellen Wappen „in den Griff“.
Schruns war die erste Gemeinde, der der Landtag nach dem
neuen Gesetz am 21. Oktober 1927 das Recht zur Führung
der Bezeichnung „Marktgemeinde“ verlieh. Die Wappenverleihung
verzögerte sich noch etwas, weil sich die Gemeindeväter
über die Gestaltung stritten.
Die einen wollten unbedingt eine Montafonerkuh im Wappen
und keinesfalls einen Sprungstier, weil dann die Verhönung
der Gemeindemitglieder zu befürchten sei. Die
Entscheidung fiel schließlich trotzdem für den Stier als
Symbol für die Viehzucht und den Viehmarkt, kombiniert
mit den Montafoner Schlüsseln und der aufgehenden Sonne
des Fremdenverkehrs. – Bei der Darstellung in Burmeisters
Wappenbuch wurde der Stier übrigens seines Phallus
beraubt, des Zeichens seiner Potenz und Stärke. Diese
Schmähung wäre früher ein Kriegsgrund gewesen. Denn die
Verhunzung von Wappen ist eine erste, mitunter todernste
Angelegenheit.
Von Wäldertannen bis zu Walsersternen
Die Bestimmungen des Landesgesetzes von 1926 wurden
1935 in die neue Gemeindeordnung eingebaut. Bis 1938
ließen sich 38 der damals 99 Gemeinden ein Wappen bestätigen
oder verleihen.
Die Wappen knüpfen häufig an historische Traditionen an.
Denn nur ein altes Wappen ist ein edles Wappen.
Die Laternser griffen gleich bis auf ihre „Urheimat“ zurück.
Als „Zimbapfarrer“ Gebhard Gunz, ein begeisterter Heraldiker,
1936 für die Gemeinde Laterns ein Wappen entwarf,
legte er ihm das Walliser Kantonswappen zu Grunde. Auf
Vorschlag Landesarchivar Kleiners mussten die Laternser
dafür eigens die Genehmigung der Kantonsregierung in Sitten
einholen. So wurden die Wallisersterne offiziell in die
Vorarlberger Heraldik und die Walser Gefühlswelt „importiert“.
Damüls führt übrigens nicht nur die Walsersterne, sondern
auch die Wäldertanne im Wappen – ein Sinnbild der ausufernden
„Verwälderung“ Vorarlbergs, die seit 200 Jahren
immer weiter fortschreitet und in absehbarer Zeit die Landeshauptstadt
erreicht haben wird.
Reichssiegel mit Hakenkreuz
Von 1938 bis 1945 führte der Großteil der Vorarlberger
Gemeinden das Hakenkreuz im Siegel. Das war jedoch
nicht Ausdruck einer besonders nationalsozialistischen
Gesinnung, sondern eine Folge der Deutschen Gemeindeordnung,
die mit 1. Oktober 1938 in Kraft gesetzt wurde:
Die Gemeinden hatten ihre bisherigen Wappen und Flaggen
weiterzuführen. Jene Gemeinden aber, die noch über
kein Wappen verfügten, waren wie andere staatliche Verwaltungen
verpflichtet, das kleine Reichssiegel mit dem
Hoheitszeichen des Reichs – das Hakenkreuz der NSDAP im
Eichenkranz, darauf ein Adler – zu führen.
Die Gemeindesiegel waren streng genormt. Doch die Aufsichtsbehörden
hatten Mühe, diese Normen in der Praxis
durchzusetzen. So forderte der Landrat des Landkreises
Bregenz „seine“ Bürgermeister Ende März 1940 auf, die
Seite 201

korrekte Siegelführung durch einen Abdruck nachzuweisen.
Im Juli konnte er nach Innsbruck berichten, dass nun die
Richtigstellung der Siegelinschriften restlos durchgeführt
sei.
Das Recht, Gemeindewappen zu verleihen oder zu ändern,
stand nun dem Reichsstatthalter in Tirol und Vorarlberg zu,
der Imst ein neues Wappen verordnete, das besser dem
„neuen Geist“ entsprach. Die NSDAP stieß sich an kirchlicher
und österreichischer Symbolik und tilgte in den Wappen
ihrer Kreiszentren Reutte, Schwaz und Dornbirn den
rot-weiß-roten Bindenschild. Doch eine offizielle Wappenänderung
erfolgte in Vorarlberg jedenfalls nicht.
Pflicht zur Wappenführung
Mit Jahresende 1965 führten 54 der inzwischen 96 Gemeinden
ein Wappen. Das neue Gemeindegesetz verpflichtete
nun die Landesregierung, den 42 bisher „wappenresistenten“
Gemeinden binnen fünf Jahren ebenfalls ein
Wappen zu verleihen – ob sie wollten oder nicht. Eine wohl
beispiellose Gesetzgebung.
Der Vorarlberger Gemeindeverband hatte die Verpflichtung
zur Wappenführung als unnotwendig abgelehnt, ebenso
die SPÖ, die Landesregierung dagegen die Auffassung vertreten,
dass dadurch die „äußere Stellung aller Gemeinden“
gehoben werde. 4
Die Regierungsvorlage hatte allerdings vorgesehen, dass
sich die Gemeinden künftig Inhalt und Form ihrer Wappen
„unter Bedachtnahme auf heraldische Grundsätze“ selbst
verordnen mögen, da sie doch wohl im eigenen Wirkungsbereich
lägen. Die Landesregierung hätte die Genehmigung
nur unter bestimmten Gründen versagen dürfen. – Ein naheliegendes
Vorbild bot vielleicht der Kanton St. Gallen.
Seite 202
Wappenurkunde für Nenzing 1968
Doch im Rechtsausschuss des Landtages setzte sich die
Meinung durch, „daß ein Wappen, das von einer staatlichen
Behörde verliehen worden ist, doch in seiner Qualität
und Wertung höher steht als ein Wappen, das man
sich selbst geben kann“. 5 – Ein bemerkenswertes Demokratieverständnis.
Zudem seien die noch wappenlosen Gemeinden meist
kleinere Gemeinden, die selbst nicht so leicht in der Lage
seien, das richtige Symbol zu finden. – Wenn wir uns die
Entwürfe und Wünsche zu Gemüte führen, die verschiedene
Gemeinden einbrachten, ist das nicht ganz von der Hand
zu weisen.
Bei dieser „Zwangsbeglückung“ führte Landesamtsdirektor
Elmar Grabherr persönlich Regie. Zur Begutachtung zog er
nicht den Landesarchivar heran, sondern seinen „Hofhistoriographen“
Benedikt Bilgeri.
Hatten bisher die Gemeinden selbst für die Gestaltung der
Urkunde Sorge tragen müssen, gab sie die Landesregierung
spätestens ab 1968 selbst in Auftrag, und zwar beim
Schrunser Kunstmaler Konrad Honold. Das machte Sinn.
Es wurde eine gewisse Einheitlichkeit erreicht, und der Zeitdruck
war erheblich. Und dann glaubten auch noch „Heimathirsche“
und Hobbyheraldiker, dem Großmeister ins
Handwerk pfuschen zu müssen! Auch bei der Gestaltung
der neuen Gemeindewappen ließ der helvetophile Grabherr
seinen Blick unermüdlich über den Jordan ins „gelobte
Land“ schweifen – wenn er etwa 1969 Honold zum Problemfall
Doren schrieb:
„Die Käsebrente erscheint mir ungeeignet, da sie stilisiert
nicht zu erkennen ist. Die Milchwirtschaft ist allerdings typisch.
Da bleibt aber wohl nichts übrig als die von Ihnen
vorgeschlagene Kuh. Ein Beispiel wäre der Stier von Uri.
[…].“ 6 – Ob Stier, ob Ochs, ob Kuh, alle machen Muh. Nur
Hörner tragen sie heute keine mehr.
Gemeindesiegel Rheinau 1940

Es gelang der Landesregierung, bis Ende 1970 alle Gemeinden
zu „beglücken“. Das war nicht immer einfach. Etliche
Gemeinden meinten, ihren gesamten Symbolhaushalt
in ihr Wappen packen zu sollen. Letztlich erzielte die Landesregierung
mit allen eine mehr oder weniger glückliche
Lösung.
1965 wurde auch die Gestaltung des Gemeindesiegels im
Gemeindegesetz genau geregelt, zudem das Recht jeder
Gemeinde, eine Fahne zu führen und deren Aussehen
durch Verordnung festzulegen.
Eine Änderung von Gemeindewappen obliegt der Landesregierung.
Das war bisher erst einmal der Fall. Auf Wunsch
der Marktgemeinde Rankweil wurde ihr Wappen 1978 auf
den Liebfrauenberg reduziert. – Leider haben wir auf der
Ausstellungsfahne und im Katalog versehentlich den Herzschild
des alten Wappens und nicht die Darstellung in der
neuen Wappenurkunde abgebildet.
Damit kehren wir zum Thema „richtige“ und „falsche“ Wappen
zurück.
„Richtige“ und „falsche“ Wappen
1975 gab Landesarchivar Karl Heinz Burmeister auf Wunsch
der Landesregierung ein Gemeindewappenbuch
heraus. Dafür wurden die Wappen nach heraldischen
Gesichts punkten vereinheitlicht und vereinfacht. Diese
Darstellungen haben wir auch für die Fahnen und unsere
Publikationen verwendet. Die grafische Mode der 1970er
Jahre ist unverkennbar.
Seither wird nachgefragt, welches Wappen das „richtige“
sei – die Darstellung in der Wappenurkunde oder jene bei
Burmeister?
Nach der Rechtsansicht des Landesarchivs ist allein die
Wappenbeschreibung in der Urkunde entscheidend. Jede
Darstellung und nur eine Darstellung, die dieser Beschreibung
entspricht, ist „richtig“. Das besagen auch die Grundsätze
der Heraldik.
Ein Problem besteht darin, dass etliche Beschreibungen
nicht den strengen Regeln der Heraldik entsprechen.
Um es an einem einfachen Beispiel zu zeigen: Die Heraldik
kennt nur die Farben Schwarz, Rot, Grün und Blau sowie
die Metalle Gold und Silber, aber keine „natürlichen“ Farben,
von denen bis in die 1940er Jahre allzu oft Gebrauch
gemacht wurde. So lautet die Beschreibung für Krumbach:
„Ein von Grün und Silber gespaltener Schild, dessen
rechtes Feld von einem silbernen Wellenbalken durchzogen
ist, während in der linken Hälfte eine natürliche entwurzelte
Tanne abgeledigt erscheint. Den Schild umgibt eine ornamentierte
bronzefarbige Randeinfassung.“ 7
Eine Tanne auf silbernem Grund kann schwarz, grün, rot
oder blau sein, aber nicht „natürlich“ (mit einem braunen
Stamm). Deshalb entschied sich Burmeister für eine grüne
Tanne. Für Silber kann Weiß verwendet werden.
Mauerkronen bei Städten und Randeinfassungen bei sonstigen
Gemeinden, mit denen Wappen in der Zwischenkriegszeit
gerne verhübscht wurden, sind überflüssiger
Zierrat und können weggelassen werden.
Es geht um das „Wir-Gefühl“
Krumbach: Wappenurkunde,
Burmeister, Caldonazzi
Wir sollten uns hüten, Wappendarstellungen legistisch
zu versteinern, die Heraldik in ein zu enges Korsett einzuschnüren.
Seite 203

Eine lebendige Heraldik wird uns gerade in diesen Tagen
der Fußball-Europameisterschaft vor Augen geführt – von
Boxershorts bis zur Kriegsbemalung: Hauptsache, die Farben
stimmen.
Wappen dienten ursprünglich der Kennzeichnung der Ritter,
die auch auf Distanz von den Gegnern unterscheidbar sein
sollten. Heute mühen sich zum Glück nur Fußballmannschaften
auf dem Schlachtfeld der Ehre und unterscheiden
sich von den Gegnern und Schiedsrichtern durch unverkennbare
Farbkombinationen; ebenso ihre Schlachtenbummler.
Es bleibt zu hoffen, dass keine gegnerischen Fahnen erbeutet,
in den Schmutz gezogen oder verbrannt werden.
Wenn es Bürgermeister mit ihren Gemeindewappen mitunter
übergenau nehmen, hängt das wohl weniger mit dem
Hoheitszeichen, als mit dem Bürgerstolz zusammen.
Das Wappen ist deshalb eine „heilige Sache“, seine Verhunzung
deshalb ein Sakrileg, weil es um Identität geht, um
ein individuelles Symbol, das eine Gemeinde verkörpert,
um eine Fahne, um die sich die Gemeinde schart. Es geht
um die Gruppenidentität, um das „Wir-Gefühl“ – wobei
sich Gruppen immer durch Abgrenzung gegenüber anderen
Gruppen bilden.
Das spielte zweifellos auch in den historischen Prozessen
der Gemeindebildung eine Rolle und trägt zur Erklärung
der mitunter extremen Konkurrenz zwischen Nachbargemeinden
bei.
Ich gehe davon aus, dass eine Mehrheit der Vorarlberger
grundsätzlich für Gemeindezusammenlegungen offen wäre
– so lange es nicht die Vereinigung mit den eigenen Nachbarn
sein soll. Dann würde wohl auch um das gemeinsame
Wappen gerungen.
Seite 204
Ausstellungskatalog
Die Gemeindewappen boten sich als dankbares Ausstellungsthema
an, denn sie wecken Leidenschaften. Wappen
zählen wie Fußball zu den Phänomenen, bei denen
jeder mitreden kann, bei denen jeder Experte ist. Stellen
Sie sich nur einmal unbemerkt in die Ausstellungshalle und
verfolgen Sie etwas die Diskussionen über die „falschen“
Gemeindewappen. Die Empörung ist einkalkuliert, wir sind
gewappnet.
1 VLA 41.01-2007/0015.
�����������������
2 Gutachten der zur Regulierung der Titel und Siegel (Wappen) Seiner
K. Majestät Franz Joseph I. berufenen Commission, Wien 13.08.1849,
Beilage B (2.), zitiert nach: Ulrich Nachbaur, Graf von Hohenembs,
Feldkirch, Bregenz, Sonnenberg etc. Vorarlberg in Titeln und Wappen
des Hauses Österreich bis 1918, in: Bludenzer Geschichtsblätter (2008)
88, S. 45-88, hier S. 76.
3 Vorarlberger Landesarchiv (fortan: VLA): Gemeindearchiv Schlins Nr. 33:
Klaar an Kleiner, Innsbruck 06.03.1911.
4 Regierungsvorlage Gemeindegesetz, Erläuterungen zu § 9,
Stenographische Sitzungsberichte 20. Vorarlberger Landtag, Beilage
22/1965.
5 Berichterstatter Landesstatthalter Gerold Ratz, Stenographische
Sitzungsberichte 20. Vorarlberger Landtag, 9. Sitzung 28./29.10.1965, S.
180.
6 VLA: Amt der Vorarlberger Landesregierung Ib-213-19/1980: Grabherr an
Honold, Bregenz 01.09.1969.
7 Wappenurkunde 06.10.1928 (VLA: Gemeindewappenregistratur, Krumbach).

Wappen der Vorarlberger Gemeinden
Die Beschreibungen und Abbildungen sind mit Ausnahme
des neuen Rankweiler Gemeindewappens 1978 dem
Standardwerk Karl Heinz Burmeisters, Die Gemeindewappen
von Vorarlberg (1975), entnommen. Burmeister bietet
auch eine Interpretation der Wappen.
Diese „Burmeister-Wappen“ sind nicht verbindlich und
nur eine mögliche Form, die Wappen darzustellen. Nach
Rechtsmeinung des Vorarlberger Landesarchivs sind nur
die Wappenbeschreibungen rechtsverbindlich. Jede Darstellung,
die der Wappenbeschreibung entspricht, ist ein
„richtiges“ Wappen. Das entspricht auch heraldischen
Grundsätzen.
Gleichstücke der Urkunden, die für die Gemeinden ausgefertigt
wurden, sind zur Sicherung im Vorarlberger Landesarchiv
(Bestand: Gemeindewappenregistratur) und im
Österreichischen Staatsarchiv hinterlegt.
Literatur:
Karl Heinz Burmeister, Die Gemeindewappen von Vorarlberg.
Sigmaringen 1975.
Ulrich Nachbaur/Alois Niederstätter, Vorarlberger Gemeindesymbole.
Heraldische und rechtliche Aspekte.
Referate des 17. Vorarlberger Archivtages 2007 (Kleine
Schriften des Vorarlberger Landesarchivs 7). Bregenz 2007.
Als Download: www.landesarchiv.at.
Cornelia Albertani/Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Gemeindewappenregistratur.
Bestandsverzeichnis mit 1. September
2007 (Kleine Schriften des Vorarlberger Landesarchivs 8).
Bregenz, 2., korrigierte Aufl. 2008. Als Download: www.landesarchiv.at.
Ulrich Nachbaur, 96 Gemeindewappen. Hoheitszeichen
und Bürgerstolz. Ausstellung (Ausstellungskataloge des
Vorarlberger Landesarchivs 16). Bregenz 2008. Als Download:
www.landesarchiv.at.
Ulrich Nachbaur, 96 Gemeindewappen. Hoheitszeichen
und Bürgerstolz, in diesem Band.
Seite 205

Alberschwende
Verleihung: 22. Dezember 1970
Schild schräglinks geteilt von Silber und Rot. In
Silber ein grüner Lindenzweig mit drei Blättern,
in Rot ein schwarzer Baumstumpf, darin steckt
ein silbernes Beil mit schwarzem Stiel.
Altach
Verleihung: 20. Februar 1929
Ein blauer, in der Mitte von einem silbernen
Fluss quer durchzogener Schild. Oberhalb
des Flusses erscheint abgeledigt eine weißgetünchte
zweifenstrige Kirche, an die rechts ein
Eingangsvorbau und links ein niedriger Turm
mit Satteldach und zwei Kreuzen auf der Giebellinie
angebaut sind. Der Turm weist übereinander
zwei Fenster auf, von denen das untere das
Ausmaß einer Luke hat. Turm, Kirchenschiff und
Eingangsvorbau sind rot gedeckt. Unterhalb
des Flusses ist ein natürlicher Eichenzweig mit
einem Blatte zwischen zwei Eicheln zu sehen.
Den Schild umgibt eine ornamentierte bronzefarbene
Randeinfassung.
Andelsbuch
Verleihung: 9. April 1930
Ein silberner, von einer aufsteigenden, nach
außen gebogenen, blauen Spitze durchzogener
Schild. Die Spitze ist mit einer abgeledigten,
in gotischem Stil gehaltenen, sechseckigen,
nach oben spitz zulaufenden, silbernen Säule
(„Bezeggsäule“) belegt; in den Oberecken des
Schildes ist je ein sechsstrahliger blauer Stern
zu sehen. Den Schild umgibt eine ornamentierte
bronzefarbene Randeinfassung.
Seite 206
Au
Verleihung: 6. August 1930
Ein blauer, von einer eingebogenen silbernen
Spitze durchzogener Schild. Die Spitze ist mit
einer abgeledigten natürlichen entwurzelten
Tanne belegt und von je einem silbernen, golden
besamten Edelweiß an beblättertem Stängel
begleitet. Den Schild umgibt eine ornamentierte
bronzefarbene Randeinfassung.
Bartholomäberg
Verleihung: 17. August 1965
Ein durch Deichselschnitt geteilter Schild, vorne
in Silber schwarze gekreuzte Schlüssel, hinten
in Schwarz silberne gekreuzte Hämmer und
oben in Rot auf grünem Dreiberg goldener hl.
Bartholomäus mit Heiligenschein, der in der
rechten Hand ein silbernes Messer, in der linken
ein Gebetbuch hält.
Bezau
Marktgemeinde (Markterhebung 6. Februar
1962); Verleihung: 1. Februar 1929
Ein roter, von einem silbernen Balken durchgezogener
Schild, der mit einer natürlichen,
entwurzelten, abgeledigten Tanne belegt ist.
Der Schild umgibt eine ornamentierte bronzefarbige
Randeinfassung.
Bildstein
Verleihung: 23. September 1969
In silbernem Schild über grünem Dreiberg ein
rotes eingekerbtes Tatzenkreuz.

Bizau
Verleihung: 16. Februar 1929
In einem von Silber über Rot geteilten Schilde
erheben sich aus grünem Rasenboden drei natürliche
Tannen, die mittlere etwas höher als
die beiden äußeren. Der Schild umgibt eine
ornamentierte bronzefarbige Randeinfassung.
Blons
Verleihung: 14. Oktober 1969
Im schräg geteilten Schild im oberen blauen
Feld ein fünfzackiger silberner Walliserstern, im
unteren silbernen Feld eine grüne Tanne in der
Form einer alten Hausmarke.
Bludenz
Stadt (Stadterhebung nicht belegt, 1329 als civitas
erwähnt)
Bestätigung: 8. Februar 1929; Verleihung: nicht
belegt, erster Nachweis 1329
In einem silbernen Schilde erscheint ein
schwarzes, steigendes gegen rechts gewendetes
Einhorn. Auf dem Hauptrand des Schildes
ruht eine silberne Mauerkrone mit fünf sichtbaren
Zinnen.
Bludesch
Verleihung: 13. August 1947
Ein durch einen schwarzen Faden geteilter
Schild. In der oberen silbernen Schildhälfte verschränken
sich zwei natürliche abgehauene gestümmelte
Äste in Form eines Andreaskreuzes.
Die untere Hälfte ist von Sturzwolkenfeh in zwei
Reihen durchzogen. Den Schild umgibt eine ornamentierte
steinfarbene Randeinfassung.
Brand
Verleihung: 19. September 1961
Ein in rotem Schrägflammenschnitt geteilter silberner
Schild.
Bregenz
Stadt (Stadterhebung nicht belegt, 1260 apud
Priganciam ciuitatem)
Bestätigung: 14. Jänner 1930; Verleihung: 24.
Februar 1529 (Ferdinand I.)
Ein Schild von Kürsch, der von einem silbernen
Pfahle durchzogen wird, in dem drei Hermelinschwänzchen
übereinander erscheinen. Auf
dem Hauptrand des Schildes ruht eine silberne
Mauerkrone mit fünf sichtbaren Zinnen.
Buch
Verleihung: 3. Juni 1970
In Grün ein silberner Buchenzweig mit einem
Blatt und zwei goldenen geöffneten Bucheckern
mit silbernem Kern.
Bürs
Verleihung: 15. April 1931
Ein von Silber über Rot geteilter Schild. Im oberen
Felde ist ein schwarzes, blau bordiertes
Tatzenkreuz zu sehen, im unteren Felde erscheinen
drei silberne Ringe, zwei über einen
gestellt. Der Schild umgibt eine ornamentierte
bronzefarbige Randeinfassung.
Bürserberg
Verleihung: 3. März 1970
Im blauen Schild unten ein schwarzer Dreiberg
und in der Schildmitte ein silberner Steinbockkopf.
Dalaas
Verleihung: 13. Jänner 1970
Im gespaltenen Schild vorn in Rot ein schwarzes
gekreuztes Bergwerkshammerpaar und im silbernen
Feld drei bewurzelte grüne Tannen.
Seite 207

Damüls
Verleihung: 17. September 1963
Ein von Rot und Silber gespaltener Schild. Auf
der Spaltlinie, aus dem Schildfuß sich erhebend,
eine natürliche Bregenzerwäldertanne,
begleitet von einem fünfzackigen silbernen
Stern im roten und einem roten Stern im silbernen
Feld. Über der Spitze der Tanne ein
gleichartiger Stern in gewechselten Farben.
DorenVerleihung: 12. Dezember 1970
In silbernem Schild zwei schrägrechte blaue
Wellenbalken, darüber eine schwarze Hirschstange.
Dornbirn
Stadt (Stadterhebung 21. November 1901)
Bestätigung: 1. Februar 1929; Verleihung Stadt:
21. November 1901 (Franz Joseph I., ausgefertigt
am 28. Februar 1902); Verleihung Gericht: 23.
September 1655 (Ferdinand Karl)
In einem ovalen, roten, von einem silbernen
Querbalken durchzogenen Schilde ein grüner
befruchteter Birnbaum, aus grünem Boden
erwachsend. Den Schild umgibt eine goldene
Arabeskeneinfassung.
Düns
Verleihung: 22. Dezember 1970
Geteilt von Gold und Grün, oben drei grüne
Efeublätter ohne Stiel, eins zu zwei gestellt;
unten ein nach links gewendetes silbernes Hifthorn
mit goldenen Beschlägen und goldener
Schnur.
Dünserberg
Verleihung: 18. Februar 1969
Ein silberner Schild mit einem blauen, nach
rechts aufsteigenden Steinbock mit schwarzer
Bewehrung.
Seite 208
Egg
Verleihung: 10. Oktober 1929
Ein silberner Schild mit einem roten Schildesfuße.
Im Schildesfelde erscheint abgeledigt
eine stilisierte, befruchtete, entwurzelte Linde.
Im Schildesfuße verschränkt sich ein schräg
rechts gelegtes, silbernes Richtschwert mit
einem ebenso tingierten Stabe.
Eichenberg
Verleihung: 23. September 1969
In Schwarz über silbernem Dreiberg ein silberner
Eichenzweig mit vier Blättern und drei
goldenen Eicheln.
Feldkirch
Stadt (Stadterhebung nicht belegt, 1218 als civitas
erwähnt)
Bestätigung: 22. Jänner 1930
Verleihung: nicht bekannt, erster Nachweis
1311/12
In einem silbernen Schilde erscheint eine dreilätzige
schwarze Kirchenfahne.
Fontanella
Verleihung: 27. Jänner 1970
Im quergeteilten Schild zwei fünfzackige rote
Wallisersterne im oberen silbernen Feld und
eine zweiarmige silberne Waage im unteren
grünen Feld.
Frastanz
Marktgemeinde (Markterhebung 19. Juni 1993)
Verleihung: 2. Mai 1969
In Blau oben eine goldene Sonne, unten ein
nach links gewendetes silbernes Hifthorn mit
schwarzen Beschlägen und schwarzer Schnur.

Fraxern
Verleihung: 14. Oktober 1969
Auf silbernem Schild ein hängender Kirschzweig
mit zwei waagrechten grünen Blättern
und drei roten Kirschen.
Fußach
Verleihung: 21. November 1967
In Rot auf blauem gewelltem Schildfuß ein
weißes Segelschiff mit schwarzem Ruder und
Mast und einem weiß-blau-weißen Wimpel.
Gaißau
Verleihung: 19. November 1968
Ein im Schildfuß durch Wellenlinie geteilter
grün-silberner Schild enthält oben einen nach
rechts aufsteigenden goldenen Geißbock, unten
einen nach rechts gewendeten roten Fisch.
Gaschurn
Verleihung: 17. August 1965
Ein in Silber und Gold gespaltener Schild mit
roter eingebogener Spitze, vorne schwarze gekreuzte
Schlüssel, hinten ein schwarzes Wasserrad
und in der Spitze eine silberne Hellebarde.
Göfis
Verleihung: 21. Juli 1969
In gespaltenem Schild rechts in goldenem Feld
eine grüne entwurzelte Linde, links in rotem
Feld ein nimbierter König mit silbernem Gewand
und silbernem Mantel, goldener Krone,
Zepter und Reichsapfel.
Götzis
Marktgemeinde (Markterhebung nicht belegt,
1694 erstes Marktprivileg)
Verleihung: 20. Oktober 1928
Ein silberner Schild, aus dessen Fuß sich ein
grüner Dreiberg erhebt, auf dessen Spitzen eine
schwarze, rotbezungte Gämse mit erhobenem
rechtem Vorderfuß steht. Im linken Obereck des
Schildes ist das rote montfortische Banner zu
sehen. Den Schild umgibt eine ornamentierte
bronzefarbige Randeinfassung.
Hard
Marktgemeinde (Markterhebung 9. August 1905)
Bestätigung: 28. Juni 1927
Verleihung: 9. August 1905 (Franz Joseph I.)
Ein goldener, durch eine eingebogene blaue
Spitze geteilter Schild. In den beiden goldenen
Feldungen wächst aus grünem Rasenboden je
ein natürlicher bezapfter Tannenbaum empor.
Die Spitze erfüllt im Schildfuße ein natürliches
gewelltes Gewässer, auf welchem ein Schiff,
wie solche unter dem Namen Lädi auf dem Bodensee
gebräuchlich sind, in seiner natürlichen
Form und Farbe schwimmt. Sein Mast trägt ein
weißes, von einem blauen Streifen pfahlweise
durchzogenes viereckiges Segel, über welchem
eine Flagge flattert, die in silberfarbenem Felde
ein rotes goldbefranstes Kirchenbanner zeigt.
Das Steuer ist an der linken Seite des rückwärtigen
Schiffendes angebracht. Den Schild umgibt
eine ornamentale bronzefarbene Randeinfassung.
Seite 209

Hittisau
Verleihung: 2. Dezember 1930
In einem blauen Schilde erhebt sich hinter
einem nach rechts ansteigenden Rasenboden
– zur Linken durch eine Wasserfläche in Form
eines Ständers getrennt – ein unten beraster,
oben bewaldeter Berg, hinter dem am rechten
Schildesrande ein weiterer, durchwegs beraster
Berg zu sehen ist. Auf dem Rasenboden steht
am rechten Endpunkte der Wasserfläche eine
hohe Tanne. Den Schild umgibt eine ornamentierte
bronzefarbige Randeinfassung.
Höchst
Verleihung: 15. März 1960
In einem silbernen Schild ein roter Sparren.
Hörbranz
Marktgemeinde (Markterhebung 6. Juli 2008)
Verleihung: 28. Oktober 1935
Ein goldener, von einem roten mit einem silbernen
Schwerte mit goldenem Griffe belegten
Schrägrechtsbalken durchzogener Schild. Den
Schild umgibt eine ornamentierte bronzefarbige
Randeinfassung.
Hohenems
Stadt (Stadterhebung 28. Mai 1983)
Verleihung: 29. September 1928
In einem blauen Schilde erscheint abgeledigt
ein aufgerichteter, goldener, schwarz gewaffneter
und rot bezungter Steinbock. Den Schild
umgibt eine ornamentierte bronzefarbige Randeinfassung.
Seite 210
Hohenweiler
Verleihung: 10. April 1929
Ein geteilter Schild. Die obere Hälfte ist in
drei Reihen zu je sechs Plätzen von Rot und
Silber geschacht; das untere rote Feld wird
von einem silbernen Balken durchzogen. Den
Schild umgibt eine ornamentierte bronzefarbige
Randeinfassung.
Innerbraz
Verleihung: 9. Dezember 1970
Schild gespalten von Silber und Blau, in Silber
sechs grüne Grasbüschel, in Blau über schwarzem
Dreiberg eine goldene Strahlensonne.
Kennelbach
Verleihung: 29. Juli 1927
Ein von Silber und blau gespaltener Schild. In
dem rechten Felde erscheint abgeledigt ein vorwärts
gewandter, brauner Hirschkopf mit einem
zwölfendigen Geweih und nach links gerichtetem
abgeschnittenem Halsansatz. Zwischen
dem Geweih erscheint freischwebend die auf
einer Wolke thronende Gestalt der Muttergottes
mit gefalteten Händen, von denen ein goldener
Rosenkranz herabhängt. Die Gestalt ist mit
einem langen weißen Gewande und einem wallenden
blauen Mantel bekleidet; ihr Haupt ist
von einem goldenen Strahlenkranze umgeben.
Das linke Feld wird von einem schräglinken silbernen
Wellenbalken durchzogen.

Klaus
Verleihung: 27. Mai 1952
Im schwarzen Schild erhebt sich aus der erniedrigten
Mittelgruppe eines den Seitenrändern
angeschobenen grünen Dreiberges
zwischen einer Sperrmauer ein Festungsturm,
welcher oberhalb des von einer Türöffnung
durchbrochenen Erdgeschosses drei schmale,
übereinandergestellte offene Luken aufweist.
Die flache Spitze des Turmes wird von einer geschlossenen
Galerie gestützt. Turm und Sperrmauer
sind golden tingiert.
Klösterle
Verleihung: 8. Februar 1929
Ein durch einen goldenen Faden von Blau über
Schwarz erniedrigt geteilter Schild. Im oberen
Teil erscheint wachsend die Gestalt des heiligen
Johannes des Täufers, in der rechten Hand
einen Kreuzstab mit nach rechts abflatterndem
Wimpel haltend und mit der Linken ein Lamm
tragend; dies alles in Silber dargestellt. Im unteren
Teile ist ein goldenes Posthorn zu sehen.
Den Schild umgibt eine ornamentierte bronzefarbige
Randeinfassung.
Koblach
Verleihung: 9. April 1959
In einem blauen Schilde auf einem von einem silbernen
Querfluss durchzogener grünen Dreiberg
zwei verbundene goldene Türme mit je drei Zacken.
Krumbach
Verleihung: 6. Oktober 1928
Ein von Grün und Silber gespaltener Schild,
dessen rechtes Feld von einem silbernen Wellenbalken
durchzogen wird, während in der
linken Hälfte eine natürliche entwurzelte Tanne
abgeledigt erscheint. Den Schild umgibt eine
ornamentierte bronzefarbige Randeinfassung.
Langen bei Bregenz
Verleihung: 1. April 1970
In einem schräggeteilten Schild im silbernen
Feld ein rotes Ahornblatt, das untere Feld in
Grün.
Langenegg
Verleihung: 17. März 1970
Auf silbernem Grunde zwei verschlungene
grüne Lindenzweige mit je zwei Blättern.
Laterns
Verleihung: 22. Juli 1938
Ein von Silber und Rot gespaltener Schild, der
von einer eingeschobenen, aufsteigenden, eingebogenen,
bis zum Schildeshaupt reichenden
blauen Spitze durchzogen wird. Der Schild ist
mit elf fünfstrahligen Sternen in drei senkrechten
Reihen, je vier in jedem Schildesfelde, und
drei – deren unterster durch die Spitze zerspalten
wird – etwas erhöht auf der Teilungslinie,
alle in gewechselten Tinkturen, belegt. In der
Spitze erhebt sich aus der erhöhten Mittelkuppe
eines grün bewachsenen Dreiberges eine
natürliche, bewurzelte, golden befruchtete Tanne.
Den Schild umgibt eine schwarze Randeinfassung.
Lauterach
Marktgemeinde (Markterhebung 7. Juni 1985)
Bestätigung: 3. April 1929
Verleihung: 24. März 1924 (Bundesregierung)
Ein blauer, von einer schmalen goldenen Randeinfassung
umgebener Schild, vom rechten
Ober- zum linken Untereck von einem gewellten
silberfarbenen Flusse durchzogen, der auf
jeder Seite von einer abgeledigten, nach rechts
schwimmenden Ente mit goldenem Schnabel
und ebensolchen Füßen begleitet wird.
Seite 211

Lech
Verleihung: 18. Februar 1969
Ein silberner Wellenbalken spaltet Blau von Rot.
Im vorderen blauen Feld eine goldene Sonne,
im hinteren roten Feld auf schwarzem Dreiberg
eine schwarze Tanne.
Lingenau
Verleihung: 22. November 1966
In einem roten Schild ein pfahlweise gekreuzter
silberner Schlüssel mit dem Griff unten.
Lochau
Verleihung: 28. April 1928
In einem roten Schilde erscheint ein silberner,
mit erhobenen Flügeln versehener Schwanenrumpf
mit goldenem Schnabel und schwarzer
Zunge. Den Schild umgibt eine bronzefarbene
ornamentierte Randeinfassung.
Lorüns
Verleihung: 29. August 1967
In Blau ein silberner Wellenbalken, begleitet
oben von einer goldenen Sonne, unten von zwei
goldenen sechsstrahligen Sternen.
Ludesch
Verleihung: 30. April 1968
Im geteilten Schild oben auf silbernem Grund
zwei blaue Wolkenbalken und unten auf goldenem
Grund ein nach unten verlaufender
schwarzer Sparren von einem waagrechten
schwarzen Balken gekreuzt.
Seite 212
Lustenau
Marktgemeinde (Markterhebung 13. Juni 1902)
Bestätigung: 15. Dezember 1928
Verleihung: 14. Jänner 1902 (Franz Joseph I.)
Im roten, im Fuß von einem natürlichen Rasenboden
durchzogenen Schilde ein goldener gekrönter
steigend einwärts gekehrter nach vorne
sehender Löwe, der in seinen Vorderpranken einen
silbernen auf dem Rasenboden aufstehenden
Schild hält, in welchem fächerartig durch
ein flatterndes rotes Band verbunden drei natürliche
begrante Getreideähren erscheinen.
Mäder
Verleihung: 8. Februar 1929
Ein erhöht von Grün über Silber geteilter Schild.
Im oberen Felde wachsen aus der Teilungslinie
drei goldene Ähren hervor, die mittlere etwas
höher als die beiden anderen. Das untere
Feld wird durch einen gewellten blauen Balken
durchzogen, unter dem zwei rote Kirschen an
einem Zweig zu sehen sind. Den Schild umgibt
eine bronzefarbene ornamentierte Randeinfassung.
Meiningen
Verleihung: 22. Dezember 1970
Gespalten von Blau und Rot, im blauen Feld ein
silberner Rohrkolben, im roten Feld eine silberne
Schwertlilie.
Mellau
Verleihung: 12. Dezember 1962
In von Rot und Weiß gespaltenem Schild eine
natürliche, entwurzelte Tanne im roten Feld und
drei schwarze Kreuze, das mittlere die beiden
anderen überhöhend, auf grünem Hügel im
weißen Feld.

Mittelberg
Verleihung: 5. April 1929
Ein blauer Schild, aus dessen Grunde sich ein
Felsen erhebt, auf dem ein aufgerichteter, natürlicher
Steinbock steht; hinter dem Felsen ist
ein hoher, spitz zusammenlaufender grüner
Bergkegel zu sehen. Felsen und Bergkegel sind
mit Legföhren bewachsen. Den Schild umgibt
eine bronzefarbene ornamentierte Randeinfassung.
Möggers
Verleihung: 14. April 1970
Auf blauem Schild das Bildnis des hl. Ulrich mit
goldenem Mantel, roter Mitra und goldenem Bischofsstab
in der rechten und einer roten Bibel
mit goldenem Fisch auf der linken Hand.
Nenzing
Marktgemeinde (Markterhebung 6. Juni 1993)
Verleihung: 6. Februar 1968
In Silber zwei nach rechts schreitende, goldgekrönte
rote Leoparden.
Nüziders
Verleihung: 10. Juni 1969
Auf blauem Grund ein schwarzer Dreiberg, darüber
eine goldene Sonne mit abwechselnd
sechs geraden und sechs geflammten Strahlen.
Raggal
Verleihung: 28. September 1965
Quergeteilter Schild mit blauem Schildhaupt.
Oben eine grüne, mehrspitzige Bergkette, belegt
mit einem silbernen Bergwerkszeichen,
Schlegel und Hammer mit goldenen Stielen.
Unten in Silber ein halbes rotes Mühlrad.
Rankweil
Marktgemeinde (Markterhebung nicht belegt,
1618 erstes Marktprivileg)
Verleihung: 25. Juli 1978 (altes Wappen vom 9.
Jänner 1928 materiell derogiert)
In einem blauen Schild erhebt sich aus einem
grünen Dreiberg im Schildfuß eine mit einer Ummauerung
versehene Kirche (Wallfahrtskirche
von Rankweil). Ummauerung und Kirche sind aus
weißem Mauerwerk und weisen rote Dächer auf.
Reuthe
Verleihung: 2. Mai 1969
In Silber ein mit einer goldenen Axt belegter
roter Dreiberg, daraus wachsend ein grüner
Tannebaum.
Riefensberg
Verleihung: 15. Juni 1948
In silbernem Schilde erscheint ein dunkelbraunes
Jagdhorn mit goldenen Beschlägen
und einer grünen Schnur. Im Schildesfuße erhebt
sich ein grüner Dreiberg mit erhöhter Mittelkuppe.
Röns
Verleihung: 9. September 1969
In Silber ein senkrechter rot-brauner Abtstab
von grüner Rebe mit zwei Blättern und zwei
Trauben umrankt.
Seite 213

Röthis
Verleihung: 23. September 1935
Ein silberner Schild, durchzogen von einer aufsteigenden
eingebogenen roten Spitze, in der
sich aus Rasenboden eine natürliche Tanne erhebt.
Die Spitze ist rechts von einer schräg links
gerichteten, natürlichen Weinrebe mit einem
Blatte und einer abwärts hangenden blauen
Traube, deren Stiel mit einem natürlichen
Rebmesser mit aus- und abwärts gerichteter
Schneide belegt ist, links von einer eisernen
Pflugschar begleitet. Den Schild umgibt eine
ornamentierte bronzefarbige Randeinfassung.
St. Anton im Montafon
Verleihung: 8. November 1966
In einem von Rot und Schwarz schräglinks
geteilten Schild rechts ein gestürzter grüner
Dreiberg am Oberrand, darunter eine schwarzbedachte,
silberne Kirche, links ein gekreuztes
goldenes Schlüsselpaar.
St. Gallenkirch
Verleihung: 19. April 1966
Ein in Göppelschnitt geteilter Schild, vorne in
Gold eine rot bekleidete Mönchsgestalt (hl.
Gallus) mit einem silbernen Wanderstab in der
linken und einem silbernen Brot in der rechten
Hand, vor einem kleinen silbernen Bären,
hinten in Grün eine silberne schwarzbedeckte
Kirche und unten in Schwarz zwei gekreuzte silberne
Schlüssel.
Seite 214
St. Gerold
Verleihung: 27. Oktober 1970
Schild gespalten von Silber und Blau. In Silber
der hl. Gerold in rotem Gewande mit goldener
Gloriole, in der Rechten einen goldenen Pilgerstab,
in der Linken einen goldenen Reichsapfel.
Der linke Fuß ist auf eine goldene Bügelkrone
gesetzt. Im blauen Feld einen aufsteigenden
silbernen Steinbock.
Satteins
Verleihung: 20. Februar 1929
In einem roten Schilde drei Kugeln, zwei über
einer; jede der beiden oberen Kugeln ist mit
der unteren durch einen Rundstab verbunden;
diese Rundstäbe werden in der oberen Hälfte
durch einen dritten, quergelegten Rundstab
vereinigt; dies alles ist silberfarben. Den Schild
umgibt eine ornamentierte bronzefarbene
Randeinfassung.
Schlins
Bestätigung: 13. Juni 1927
Verleihung: 23. Oktober 1911 (Franz Joseph I.)
Ein durch einen schrägrechten blauen Bach von
Silber über Gold geteilter Schild. In dem oberen
Felde erscheint eine schwarze Kirchenfahne
mit zwei Zinnenschnitten und drei Ringen am
Hauptrande. Das untere Feld zeigt ein quergestelltes
grünes Hifthorn mit schwarzem Tragriemen.
Den Schild umgibt eine ornamentierte
bronzefarbene Randeinfassung.
Schnepfau
Verleihung: 15. Dezember 1928
Ein silberner Schild mit einem grünen Schildesfuße.
Im Schildesfelde ist eine fliegende
schwarze Schnepfe zu sehen. Den Schild umgibt
eine ornamentierte bronzefarbene Randeinfassung.

Schnifis
Verleihung: 24. November 1970
In Gold unten ein blauer Schild belegt mit silbernem
Jagdhorn mit Beschlägen und Schnur
in Gold, darüber die wachsende Figur des Laurentius
von Schnifis in schwarzer Kutte, in der
Rechten eine silberne Schalmei, in der Linken
ein silbernes Buch.
Schoppernau
Verleihung: 12. März 1930
Ein roter, von einer aufsteigenden, silbernen
Spitze durchzogener Schild. Die Spitze ist mit
einer natürlichen, entwurzelten, abgeledigten
Tanne belegt und von je einer silbernen Kuhglocke
begleitet. Den Schild umgibt eine ornamentierte
bronzefarbene Randeinfassung.
Schröcken
Verleihung: 28. September 1965
In einem von Rot und Silber gespaltenen Schild
auf grünem Dreiberg eine grüne Fichte, begleitet
von einem silbernen und roten fünfstrahligen
Stern.
Schruns
Marktgemeinde (Markterhebung 21. Oktober
1927)
Verleihung: 10. Dezember 1927
Ein von Gold über Blau erhöht geteilter Schild. In
dem oberen Felde erscheint ein aufspringender
schwarzer Stier mit gesenktem Kopfe. Aus dem
Fußrande des unteren Feldes erhebt sich ein mit
zwei gekreuzten goldenen Schlüsseln belegter
grüner Dreiberg, hinter dem eine goldene Strahlensonne
zu sehen ist.
Schwarzach
Verleihung: 20. Oktober 1928
Ein silberner Schild, der von einem gewellten
schwarzen Pfahle durchzogen wird, in dem drei
nach links gewendete silberne Barsche übereinander
erscheinen. Den Schild umgibt eine
ornamentierte bronzefarbene Randeinfassung.
Schwarzenberg
Verleihung: 5. Jänner 1929
In einem silbernen Schilde erhebt sich aus
Rasenboden ein schroffer, schwarzer Berg, begleitet
von zwei natürlichen Tannen. Den Schild
umgibt eine ornamentierte bronzefarbene
Randeinfassung.
Sibratsgfäll
Verleihung: 22. Dezember 1970
In Grün drei silberne Lilienkreuze, zwei zu eins
gestellt.
Silbertal
Verleihung: 12. Mai 1964
In blauem Schild ein goldener Schlüssel gekreuzt
mit einem silbernen Hammer. Das
Schildhaupt ist von Rot und Weiß gespalten
und mit drei fünfzackigen Sternen in wechselnden
Farben belegt.
Sonntag
Verleihung: 6. September 1966
In einem blauen Schild auf einem silbernen,
rotgezäumten nach links sprengenden Ross ein
Reiter mit silbernem Gewand, goldener Rüstung
und goldener Gloriole, der in der rechten Hand
ein silbernes Schwert und vor der Brust einen
schwarzen Schild, belegt mit einem nach rechts
aufsteigenden silbernen Steinbock hält.
Seite 215

Stallehr
Verleihung: 15. Dezember 1964
In Schwarz und Silber geteilter spitzer Schild,
oben ein gekreuztes Bergwerkszeichen (Schlegel
und Eisen), unten drei Ringe, 2:1, in gewechselten
Farben.
Sulz
Verleihung: 15. September 1970
In Grün auf silbernem Stuhl sitzend, ein silbern
gekleideter mit Stirnreif gekrönter Graf, in der
Rechten einen Stab, die Linke auf dem Oberschenkel
aufgestütz
Sulzberg
Verleihung: 1. Februar 1929
In einem silbernen Schilde erscheint ein vorwärts
gewendeter, schwarzer Ochsenkopf; aus
dem Fußrande des Schildes erhebt sich ein grüner
Dreiberg. Den Schild umgibt eine ornamentierte
bronzefarbene Randeinfassung.
Thüringen
Verleihung: 1. Februar 1929
Ein fünfmal von Silber und Blau geteilter Schild.
In jedem der drei blauen Streifen erscheinen
nebeneinander vier stilisierte graue Wolken.
Den Schild umgibt eine ornamentierte bronzefarbene
Randeinfassung.
Thüringerberg
Verleihung: 14. Jänner 1969
In Blau über rotem Dreiberg, der mit einem
Schild mit drei silbernen und blauen Wolkenbalken
belegt ist, eine rotbedachte silberne
Burg mit zwei Erkerchen und je einer rotbedachten
Wehrmauer.
Seite 216
Tschagguns
Verleihung: 13. Dezember 1965
In einem gespaltenen Schild, vorne in Blau eine
silberne Kirche mit schwarzem Dach und Turmhelm,
hinten in Silber und Rot geteilt, oben ein
gekreuztes schwarzes Schlüsselpaar, unten ein
goldenes Schaufelrad.
Übersaxen
Verleihung: 3. März 1970
In Rot über einem silbernen Dreispitzberg eine
goldene Strahlensonne.
Vandans
Verleihung: 26. Jänner 1965
Ein von Rot über Grün gespaltener Schild mit
goldenem Schlüssel in rotem und silbernem
Blitz im grünen Feld.
Viktorsberg
Verleihung: 9. Dezember 1970
Schrägrechts geteilt von Silber und Rot, oben
ein grünes dreiblättriges Kleeblatt, unten eine
schwarzbedachte silberne Kirche.
Warth
Verleihung: 21. Juli 1970
Im längsgeteilten Schild im rechten roten Feld
zwei Walsersterne in Silber, im linken silbernen
Feld auf grünem Dreiberg eine grüne Tanne mit
aufsteigenden Ästen.
Weiler
Verleihung: 9. Dezember 1970
In Silber eine schwarzbedachte rote Burg mit
linkem Eckturm mit drei Zinnen. Darüber an
schwarzer Stange und schwarzen Ringen eine
rote nach rechts fliegende dreilatzige Fahne mit
schwarzen Fransen.

Wolfurt
Marktgemeinde (Markterhebung 1. Mai 1982)
Verleihung: 6. Oktober 1928
In einem Wellenschnitte schräglinks von Gold
über Blau geteilten Schilde, dessen linker Teil
von zwei schräglinken silbernen Wellenbalken
durchzogen wird, erscheint abgeledigt ein aufgerichteter
brauner, golden gekrönter und rot
bezungter Wolf. Den Schild umgibt eine ornamentierte
bronzefarbene Randeinfassung.
Zwischenwasser
Verleihung: 6. September 1966
In blauem Schild zwei von den beiden Oberecken
ausgehende silberne Flussarme, die im
Schildfuß zusammenlaufen. Dazwischen ein
goldener Baum mit drei Ästen.
Seite 217

Situationsplan 1910 mit den Gemeindegrenzen von Feldkirch, Tisis, Tosters und Altenstadt
Seite 218

1. Einleitung
Feldkirch 1925
Feldkirch ist seit 1925 von seiner Struktur her eine in ganz
Vorarlberg und sicherlich auch in Österreich einmalige Gemeinde.
Der mittelalterliche Stadtkern ist von den ehemals
selbständigen ländlichen Gemeinden Tisis, Tosters, Altenstadt
mit Levis, Gisingen und Nofels umgeben, die noch
immer, trotz der Vereinigung im Jahre 1925, ein starkes Eigenleben
führen, über ein reges Vereinsleben verfügen und
noch immer ein ausgeprägtes Selbstverständnis haben.
75 Jahre lang wurde um den Zusammenschluss gekämpft,
kam es zu einem permanenten Tauziehen zwischen der Muttergemeinde
Altenstadt und der Filialgründung, der Tochter
Feldkirch. Feldkirch wurde im Hochmittelalter von den Grafen
von Montfort auf dem Gemeindegebiet von Altenstadt
gegründet, die Feldkircher hatten jahrhundertelange Nutzungsrechte
auf den Altenstädter Allmeingründen, die erst
zu Beginn des 19. Jahrhunderts abgelöst wurden.
Die Bestrebungen Feldkirchs sich flächenmäßig zu vergrößern,
haben bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts eingesetzt,
sodass eine Darstellung, eine Beschreibung der
Situation in Feldkirch und Altenstadt der Schilderung der
ei gent lichen Vereinigungsversuche vorangestellt werden
soll.
Feldkirch erlebte im 19. Jahrhundert bedeutende soziale
und wirtschaftliche Wandlungen. Aus dem Bürgerstädtchen
wurde eine Stadt mit einigen Textilfabriken am Stadtrand.
Die Errichtung der Textilfabriken von Escher (später Getzner)
und Ganahl in der Feldkircher Au führte zum Zuzug von
fremden Fabrikarbeitern nach Feldkirch. Wo haben diese
Personen gewohnt? Wo war in den kleinen Bürgerhäusern
noch Platz, wo konnten diese Zuzügler Unterschlupf finden?
Eine Klärung dieser Frage steht noch aus. Auch rein
äußerlich veränderte sich das Stadtbild in dieser Zeit. Die
Stadtmauern fielen, die Stadtgräben wurden mit dem Abbruchmaterial
zugeschüttet und darauf Gärten errichtet.
Vortrag auf Einladung des Stadtarchivs Feldkirch; Feldkirch, Palais Liechtenstein, 20. Juni 2008
Christoph Volaucnik (geb. 1960 in Bregenz), Mag. phil. seit 1991 Stadtarchivar der Stadt Feldkirch
Der lange Weg zur Vereinigung von Feldkirch mit Altenstadt, Tosters und Tisis
Christoph Volaucnik
Ab 1850 verließen die Fabrikantenfamilien ihre angestammten
Wohnhäuser in der Innenstadt und errichteten
entlang der Reichsstraße repräsentative Villenbauten im
Stil der Zeit, zumeist von Schweizer und deutschen Architekten
gebaut. Diese Villen befanden sich aber bereits auf
den Gemarkungen der Nachbargemeinde Altenstadt, an der
Reichsstraße im Ortsteil Levis. Die Grenze zwischen Feldkirch
und Altenstadt verlief entlang der Mauer des Kapuzinerklosters
in gerader Linie auf den Ardetzenberg hinauf.
Feldkirch selbst war ja sehr klein, nur 1,3 Quadratkilometer
groß, war also bis 1925 flächenmäßig die kleinste Gemeinde
des Landes.
Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden
die bereits bestehenden staatlichen Ämter ausgebaut,
entwickelte sich Feldkirch zu einer klassischen Bezirksverwaltungsstadt
mit Beamten, von denen zahlreiche aus
den anderen Teilen des Kronlandes Tirol zeitweise hierher
versetzt wurden. Auch hier stellte sich die Frage der Unterbringung
der Beamten, der Zurverfügungstellung von Mietwohnungen.
Diese Behörden und ihre Mitarbeiter brachten
die Stadt unter Zugzwang. Man wollte sie innerhalb der
Stadtgemarkung behalten, versuchte eine Abwanderung in
andere Gemeinden unbedingt zu verhindern und hatte daher
die Lösung des Platzproblems zu einem der wichtigsten
politischen Ziele erklärt.
Der Bau der Vorarlbergbahn zwischen Bregenz und Bludenz
in den Jahren 1870/72 sowie der Arlbergbahn 1884
brachte für Feldkirch einige Veränderungen. Kurioserweise
wurde der Feldkircher Bahnhof auf dem Gemeindegebiet
von Levis errichtet. Auch die städtischen Lagerhäuser und
die Schlachtviehmarkthalle errichtete die Stadt Feldkirch
in Levis. Die Eisenbahnerfamilien ließen sich in Levis, in
der Nähe des Bahnhofes nieder, es entstanden Häuser für
die Eisenbahner. Mit dieser neuen sozialen Schicht der Eisenbahner
kam auch eine neue politische Bewegung, die
Sozialdemokratie, nach Feldkirch und Levis-Altenstadt. Es
entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts neue
Seite 219

Schichten in Feldkirch, das bürgerliche Element der Staatsbeamten
und die sozialistischen Eisenbahner, die Veränderungen
im politischen und gesellschaftlichen Leben mit sich
brachten. Der Feldkircher Zeithistoriker Gerhard Wanner,
der sich intensiv mit dem Jahre 1925 auseinandergesetzt
hat, bezeichnet sie als „Ferment“ der lokalen Gesellschaft,
die bis dahin aus dem städtischen Bürgertum in Feldkirch
und dem Bauern und Handwerkern in Altenstadt bestand. 1
2. Die Vereinigung mit Altenstadt und Levis
2.1. Frühe Bemühungen um Vereinigung 1850
Erste Bemühungen um einen Zusammenschluss von Feldkirch
und Altenstadt begannen 1850 in Zusammenhang
mit der Einführung des provisorischen Gemeindegesetzes
des Jahres 1849. Die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch
befragte die Gemeinden, ob sie eine Revision der bisher
bestehenden Gemeindegrenzen wünschten. Der „größere
Bürgerausschuss“ von Feldkirch stellte daraufhin den
Antrag, die Parzelle Levis von Altenstadt zu trennen und
an Feldkirch anzugliedern. Als Grund gab man den Besitzstand
zahlreicher Feldkircher Bürger in Levis an. Feldkirch
und Levis befanden sich auch im selben Steuerdistrikt. Das
kaiserlich königliche Steueramt bestätigte die Angaben der
Feldkircher. Der gemeinsame Steuerdistrikt wurde 1808 von
den Bayern geschaffen, erstreckte sich bis zum Gasthaus
Löwen in Altenstadt. Der Großteil der Weinreben in Levis
gehörte Feldkircher Bürgern, der Buchenwald am Ardetzenberg,
durch den ja die Gemeindegrenze verlief, gehörte der
Stadtgemeinde. 2 Die Feldkircher baten die Behörde, Verhandlungen
einzuleiten. Die Altenstädter lehnten dieses
Ansinnen ab. Der Ausfall eines Steuerkapitals von über
100.000 Gulden wäre für die Altenstädter Gemeindekasse
nicht zu verkraften gewesen, außerdem wurde Levis umschrieben
als „jener Theil, welcher der vortrefflichste dieser
Gemeinde [ist], wo die Familien der besser Vermöglichen“
wohnten. Die in Altenstadt herrschende Meinung über
Seite 220
Feldkirch um 1880
Feldkirch war nicht gerade gut. Man unterstellte den Feldkirchern,
in der Abtrennung von Levis materielle Vorteile
ziehen zu wollen und weigerte sich daher „auf keine Art
und Weise“ sich mit den Feldkirchern einzulassen. Die Begründung
fällt harsch aus: „in allen früheren, mit Feldkirch
getroffenen Verhandlungen im kürzeren Theil gezogen.“ 3
1856 unternahm Feldkirch einen weiteren Versuch zur Vereinigung
mit Levis, wobei auch hier wiederum das Bezirksamt
als Vermittler auftreten sollte. Als Argument wurden
die Beschränktheit des städtischen Territoriums, die Besitzungen
der Feldkircher Bürger in Levis und die Möglichkeit
das neue Spital- und Pfründhaus in Levis bauen zu können,
aufgezählt. Leider musste das Bezirksamt den Feldkirchern
mitteilen, dass die „Gemeinde Altenstadt vor der hand nicht
gesonnen ist, in einen Vergleich oder gütliches Übereinkommen
einzugehen“. 4
Nur indirekt mit der Vereinigung hatten die im Jahre 1863
im Vorarlberger Landtag geführten Debatten im Zuge der
Revision der alten Gemeindeordnung zu tun. Sie sind
aber doch von Interesse, da zwei Vertreter aus Feldkirch
und Altenstadt, die Landtagsabgeordneten Fidel Wohlwend
für Feldkirch und der Altenstädter Vorsteher Johann
Bertschler, sich aktiv an der Diskussion beteiligten. Landeshauptmann
Sebastian von Froschauer brachte in der
Landtagssitzung Paragraph 2 des Gesetzesentwurfes, die
Zusammenlegung von Gemeinden betreffend, zur Sprache.
Wohlwend bezeichnete den im Gesetzesentwurf genannten
Zusammenschluss von Gemeinden gegen deren Willen als
realitätsfern. Er schlug vor, entweder die ganze Gemeinde
zu befragen oder in den Gesetzestext die Bestimmung aufzunehmen,
dass die „Zustimmung von zwei Drittheilen der
zur Wahl des Ausschusses Berechtigten“ erforderlich wäre.
Vehement kritisierte er das in der Gesetzesvorlage enthaltene
Bewilligungsrecht des Landesausschusses und der
Statthalterei zu einer Vereinigung von zwei Gemeinden. Die
Behörde durfte seiner Meinung nach nur untersuchen, ob
öffentliche Rücksichten gegen eine Gemeindezusammen-

Feldkircher Bahnhof und
Friedhof in Altenstadt-Levis
legung sprechen und der Landtag sollte sich nicht zu sehr
in die Autonomie der Gemeinden einmischen. Die Gemeindeautonomie
ist ja bis heute ein Politikum. In der Diskussion
wurde jedoch niemals ein konkretes Beispiel einer Gemeindezusammenlegung
genannt. Wohlwend sprach dann
aber wohl aus Erfahrung, als er auf die Aussage des Landtagsabgeordneten
Alois Riedl Folgendes antwortete: „[...]
die Abtrennung irgendeiner Parzelle nie mit Vortheil für die
ganze Gemeinde, am allerwenigsten dort, wo in Parzellen
das größte Steuerkapital liegt […].“ Seine Grundsatzmeinung
lautete: “Wenn aber Gemeinden nur aus Parzellen bestehen,
so kann dies im Allgemeinen nicht von Nutzen sein;
ich würde daher glauben, daß solche Trennungen so viel
als möglich verhindert werden sollen, im Gegenteil würde
ich mehr eine Zusammenlegung von kleineren Gemeinden
als eine Trennung einer größeren Gemeinde bevorworten.
Eine größere Gemeinde kann immer ihren Wirkungskreis,
den selbständigen oder übertragenen, eher ausführen,
als eine kleinere Gemeinde [...].“ Der Gemeindevorsteher
und Abgeordnete Bertschler aus Altenstadt stimmte Wohlwends
Aussagen ausdrücklich zu. 5 Auffallend ist, dass der
Feldkircher Abgeordnete Carl Ganahl sich immer wieder zu
verschiedenen Paragraphen des Gemeindegesetzes äußerte,
in der Frage der Gemeindezusammenlegung jedoch
schwieg, obwohl er in Levis eine Villa hatte.
2.2. Die Vorarlbergbahn
Die Vereinigungsfrage wurde 1866, im Zuge der Planungen
für den Bau der Vorarlberg-Bahn, wieder aktuell. Feldkirch
bat die Bezirkshauptmannschaft, in Altenstadt zu intervenieren.
Die Gemeindevertretung von Altenstadt beriet am
21.August 1869 das Ansuchen der Feldkircher um Abtretung
eines Teiles des Gemeindeterritoriums für den Bau des
Bahnhofs. Die Gemeindevertreter wollten mit einer Antwort
warten, bis die genaue Lage des Bahnhofes feststand.
Vorsteher Bertschler berichtete am 23. August über das
Ergebnis der Ausschusssitzung. Seine Mitteilung war nicht
gerade ermutigend. Er erklärte, dass sich die Gemeindean-
gehörigen bisher im Allgemeinen noch immer gegen die Abtretung
von Levis ausgesprochen hätten und „von Seite des
Stadtmagistrates bisher noch kein Laut, bezüglich eines
günstigen Anbotes hörbar wurde.“ 6
Die Feldkircher Stadtvertretung beschloss am 27. August
1866 wegen der Abtretung der Parzelle Levis mit Altenstadt
in Verhandlung zu treten und ein Komitee zu gründen. Rudolf
Ganahl und Josef Andreas Tschavoll sahen aber aufgrund
des Antwortschreibens der Altenstädter und wegen
der früher gemachten Erfahrungen keine Aussicht auf Erfolg.
7 Bereits in der folgenden Sitzung, am 16. September,
berichtete Bürgermeister Ernest Weinzierl vom Ergebnis der
Besprechungen. Altenstadt verlangte für die Überlassung
von Levis die beachtliche Summe von 110.000 Gulden. 8
Weinzierl ließ sich auf keine weiteren Verhandlungen mit
Altenstadt mehr ein. In der Sitzung der Stadtvertretung wurde
dann nur um den Standort des Bahnhofes diskutiert. Der
technische Leiter des Bahnbaues, Baurat Karl von Schwarz,
hatte erklärt, dass der Bahnhof nur außerhalb der Stadtgemarkung,
also auf Levner Gebiet, gebaut werden könne.
Wegen der Trassierung der Bahn, ob links oder rechts der Ill
bzw. der Stadt entstand eine heiße Diskussion. 9 Die Feldkircher
wurden durch diese bautechnischen Vorgaben gezwungen,
mit Altenstadt in Verhandlungen zu treten.
In der Sitzung vom 24. September 1869 war nun auch Carl
Ganahl anwesend und wurde von Bürgermeister Weinzierl
ersucht, der ihn übrigens als Urheber und Förderer des
Eisenbahnbaues ansprach, seine Meinung über die Positionierung
des Stationsgebäudes mitzuteilen. Ganahl
sprach sich für Verhandlungen mit Altenstadt aus, da die
Terrainverhältnisse den Bahnhofsbau auf Feldkircher Gebiet
nicht zuließen. Ganahl hatte bereits mit dem Altenstädter
Vorsteher Bertschler Kontakt aufgenommen, der
„alle Geneigtheit kundgegeben, eine Gebietsabtretung in
geringerer Ausdehnung“ zu unterstützen. Dieses Gebiet
sollte bis zum Wohlwendschen Anwesen gehen, das ist
das Gebäude Reichsstraße 161 (Ansitz Wocher, heute ge-
Seite 221

genüber der Firma Bauwelt Pümpel) und unter Ausschluss
des Ardetzenberges. In dieser Sitzung kam es zu einer heftigen
Auseinandersetzung innerhalb der Stadtvertretung
und insbesondere zwischen den Brüdern Carl und Franz
Ganahl. Franz stellte sich auf den Standpunkt, dass die
Stadtvertretung und vor allem der Stadtmagistrat mit allen
Mitteln um eine Positionierung des Bahnhofes auf Feldkircher
Stadtgebiet kämpfen müssen. Mit seinem Antrag fiel
er jedoch durch, während ein zweiter Antrag von Dr. Anton
Jussel angenommen wurde. Dieser besagte, dass Feldkirch
nur unter Protest gegen eine Verlegung des Bahnhofes außerhalb
des Stadtgebiets zustimme und dass Carl Ganahl
mit Verhandlungen beauftragt werde. Franz fragte nun seinen
Bruder Carl ganz offen, worin der Unterschied zwischen
diesen Anträgen bestehe. Dieser interpretierte den Antrag
so: „auch erst zu erwerbendes städtisches Gebiet für den
Bahnhof in Aussicht genommen sei.“ Es ist bemerkenswert,
dass einer der Stadtvertreter sogar zu einer Verlegung des
städtischen Friedhofes zugunsten des Bahnhofes bereit
war. Ein wichtiger Aspekt in der Argumentation von Carl
Ganahl war die Heranziehung des Eisenbahnbauunternehmens
zur Bezahlung der Grundablöse von Levis. Er begründete
dies mit der Ersparnis, die aufgrund der technischen
Gegebenheiten möglich wurden. 10 Obwohl die Sitzung als
geheim eingestuft wurde, war Franz Ganahl nicht bereit,
sich binden zu lassen. Die Stadtvertretung beauftragte
dann den Stadtmagistrat mit der Aufnahme von Verhandlungen
mit Altenstadt wegen der Gebietsabtretung von Levis.
Der Gemeindeausschuss von Altenstadt beriet am 10.
Oktober 1869 das Gesuch der Feldkircher um Überlassung
von einem Teil von Levis. Der Antrag des Josef Biedermann
um gänzliche Ablehnung des Feldkircher Gesuches wurde
verworfen, während man sich der Meinung von Josef Meier
für die Abtrennung anschloss. 11 In der Sitzung vom 25. Oktober
verlas Bürgermeister Weinzierl das Antwortschreiben
der Altenstädter. Sie waren bereit, um 60.000 Gulden das
Gebiet von Levis rechts der Landstraße bis einschließlich
des Wohlwendschen Gutes und links der Straße das Gebiet
bis zum Weg unterhalb des Anwesens der Familie Mutter
Seite 222
Oberlevis: Bahnhof,
Friedhof, Fabrikantenvillen
bis zum Fuß des Ardetzenbergs abzugeben. 12 In der geheimen
Sitzung schlug Carl Ganahl vor, auch noch das Nasahlsche
Gut und den Ardetzenberg, zumindestens dessen
unteren Teil, zu kaufen. Dr. Jussel verwies auf das Beispiel
der Gemeinden Lindau und Romanshorn, denen durch den
Bahnbau Wohlstand beschieden war. Er gab dann noch juristische
Erklärungen über behördliche Zustimmungen ab,
schlug Verhandlungen mit dem Baukonsortium und der
Gemeinde Altenstadt vor, die von Bürgermeister Weinzierl
und Carl Ganahl geführt werden sollten. Der Gemeindeausschuss
stimmte dem Antrag Jussels zu.
Die Altenstädter wählten dann am 31. Oktober 1869 Josef
Mayer zu ihrem Vertreter bei den Verhandlungen mit Feldkirch.
13 Diese Verhandlungen haben dann auch stattgefunden,
wie aus dem Schriftwechsel entnommen werden kann.
Am 5. November 1869 berichtete Vorsteher Bertschler an
den Feldkircher Bürgermeister über ein Gespräch mit der
Witwe Nasal in Levis, die ihr Bürgerrecht von Altenstadt
nicht abtreten wollte, aber nichts gegen eine Übernahme
ihres Gutes in das Territorium von Feldkirch hatte. Bertschler
lud die beiden Gemeinderäte Josef Mayer und Andreas
Allgeuer zu einer Besprechung der Angelegenheit ein. Das
Ergebnis der Unterredung war ein neuerliches Angebot
Altenstadts. Die Gemeinde war bereit, das oben beschriebene
Territorium mitsamt dem Nasahlschen Gut und Anwesen
des Josef Frick an Feldkirch zu übergeben, verlangte
aber 65.000 Gulden, also 5.000 Gulden mehr, zahlbar in 20
Jahren bei vier Prozent Zins. 14 Der Feldkircher Bürgermeister
antwortete dann recht offen und ungehalten auf das Altenstädter
Angebot. Er erklärte, dass ihm wie auch Carl Ganahl
„das ohnehin beschwerliche städtische Mandat uns wohl
sehr schwer gemacht werde“. Er kritisierte höflich die zu hohen
Geldforderungen der Altenstädter. Im Brief ging es auch
um die Schaffung einer „natürlichen“ Grenze zwischen
Feldkirch und Altenstadt, um die Frage der Hinzunahme des
Gutes der Witwe Theres Nasahl, ihren Bürgerrechtstatus. 15

Carl Ganahl
Am 14. November 1869 stimmten dann alle Gemeindevertreter
Altenstadts der Abtretung von Oberlevis, einschließlich
des Nasahlschen Gutes zu, als Verkaufssumme
wurden 65.000 Gulden verlangt. Selbst die Ratenzahlungen
und Verzinsungen wurden festgelegt. Bei einer Zusage der
Feldkircher zu diesen Forderungen wäre es zu einer Volksabstimmung
in Altenstadt gekommen. Als Termin für die
Volksabstimmung wurde der 10. Oktober 1870 festgelegt.
Der Vorsteher Johann Bertschler informierte dann am 15.
November die Feldkircher von diesem Angebot. 16 Auffallend
ist, dass die Gemeindevertretung von Altenstadt am
6. März 1870 einstimmig beschloss, die Verhandlungen mit
Feldkirch abzubrechen. Leider werden im Protokoll keinerlei
Gründe für diese Entscheidung genannt. 17
Nach zwei Jahren Pause unternahmen die Feldkircher einen
neuerlichen Versuch zu Verhandlungen. Am 6.2.1872 wurde
die Gemeindevorstehung Altenstadt davon schriftlich informiert.
18 Am 3. März 1872 lehnte die Gemeindevertretung
das Ansuchen ab, Gründe dafür wurden nicht protokolliert.
Carl Ganahl hatte später von Gemeindevorsteher Bertschler
den Grund für die Ablehnung erfahren. Die Feldkircher hatten
in ihrem Ansuchen kein konkretes finanzielles Angebot
gemacht. 19 .
Ein weiterer Streit zwischen Feldkirch und Altenstadt, der im
Mai 1872 ausbrach, war die Erbauung eines Zufahrtsweges
zum Bahnhof. Die Feldkircher erklärten, dass dies Sache
der Gemeinde Altenstadt sei, da diese Straße ja auf ihrem
Gemeindegebiet liege. Die Altenstädter sahen dies natürlich
ganz anders und warteten ab. Die Feldkircher gerieten
dadurch in Zugzwang, da die Vorarlberg-Bahn damit drohte,
bei Fehlen einer Zufahrtsstraße keine Güterabfertigung am
Feldkircher Bahnhof zu eröffnen. Ein ungeduldiger und
nervöser Carl Ganahl wandte sich in dieser Angelegenheit
an die Feldkircher Stadtvertretung. Da die Eröffnung der Eisenbahn
„vor der Thüre steht“, bedeutete jede Verzögerung
im Straßenbauprojekt auch eine Erhöhung der Baukosten.
Ganahl stellte den Antrag, ihn mit Verhandlungen mit Al-
tenstadt zu beauftragen. Zu Feldkirch kommen sollte das
Gebiet von Levis bis zur Straße, die zum Bad Levis führte
und in gerader Linie bis zum Ardetzenberg. Als Verkaufspreis
wollte er den Altenstädtern 48.000 Gulden anbieten,
zahlbar in 12 Jahresraten.
Am 4. Mai 1872 besprachen die Gemeindeausschussmitglieder
von Altenstadt das Ansuchen von Carl Ganahl und
Bürgermeister Weinzierl wegen Abtretung eines Teiles von
Levis. Die Diskussionsbeiträge fehlen leider im Protokoll,
lediglich die Anträge einzelner Mitglieder werden zitiert.
Während Johann Tiefenthaler für eine gänzlich Ablehnung
des Antrages eintrat, sprach sich Johann Lins für eine nicht
gänzliche Abtretung aus, ohne dass Details dazu genannt
werden. Der oben schon erwähnte Josef Mayer trat für eine
Überlassung des Levner Territoriums bis auf Höhe des Gasthauses
Bierkeller um 100 000 Gulden ein. Die Abweisung
des Feldkircher Antrages wurde mit 23 zu fünf Stimmen
beschlossen. 20 Auffallend sind die großen Differenzen zwischen
dem Angebot der Feldkircher und den Vorstellungen
der Altenstädter. Letztendlich dürfte dies der Ausschlag für
die ablehnende Haltung gewesen sein.
Diese erneute Ablehnung der Abtretung von Levis wird in
der Stadtvertretung vom 8. Mai 1872 nur in einem Nebensatz
erwähnt. Die Feldkircher Gemeindepolitiker hatten in
dieser Sitzung aber auch Grund zur Freude. Das Eisenbahnbauunternehmen
zahlte auf Intervention von Carl Ganahl
der Stadt Feldkirch 50.000 Gulden als Entschädigung für
den Bau des Feldkircher Bahnhofes auf Levner Gebiet, also
auf dem Gebiet der Nachbargemeinde und nicht auf den
Gemarkungen von Feldkirch. 21
Die Feldkircher Stadtvertretung musste dann gezwungenermaßen
die Zufahrtstraße auf ihre Kosten erbauen, wobei Altenstadt
dann noch einen Kostenzuschuss von 700 Gulden
zahlte. 22
Seite 223

Völlig unklar mangels Quellen ist, wie die Gemeinde Altenstadt
auf den Bau des Feldkircher Bahnhofes auf ihrem
Gemeindegebiet reagierte. Wie konnte das Eisenbahnbauunternehmen
die Altenstädter überzeugen? Eventuell geben
die im Wiener Verkehrsarchiv befindlichen Akten der
Vorarlbergbahn Auskunft zu dieser Frage.
2.3. Die Arlbergbahn
Die Bedeutung des Feldkircher Bahnhofes wuchs mit der Erbauung
der Arlbergbahn. Bis 1884 bot die Vorarlbergbahn
lediglich eine Verbindung zwischen Bregenz und Bludenz
mit Verbindungen nach Lindau und in die Schweiz. Durch
den Arlbergbahnbau war die verkehrstechnische Verbindung
mit dem großen Wirtschaftsraum der Monarchie
gegeben. Die Stadt Feldkirch sah darin eine große wirtschaftliche
Chance und erbaute Lagerhäuser sowie einen
Schlachthof. Da in Feldkirch kein geeigneter Platz vorhanden
war, griff man auf Grundstücke in Levis, nahe der Eisenbahn
zurück. In einer Verhandlung zwischen Vertretern von
Feldkirch und fünf Vertretern aus Altenstadt, geleitet vom
Bezirkshauptmann als Vermittler, kam es zu einer Einigung.
Die Gemeinde Altenstadt erhob gegen den Bau dieser städtischen
Wirtschaftsgebäude keinen Einspruch, erhielt alle
vom Schlachtviehmarkt anfallenden Strafgelder. Die Stadt
Feldkirch hatte auch einen Revers auszustellen, in dem sie
aus dem Bestande des Schlachtviehmarktes in Levis „nie
ein Recht ableiten werde, die Parzelle Levis als zur Gemeinde
Feldkirch gehörend zu betrachten.“ 23
2.4. Streitigkeiten und Sticheleien 1895/96
Die Zeit zwischen 1884 und 1895 war von Sticheleien und
Streitigkeiten zwischen den beiden Gemeinden gekennzeichnet.
So wurde um den Polizeidienst am Bahnhof gestritten,
kein im Besitz der Stadt befindlicher Grund für eine
Straßenverbreiterung unter dem Kapf (1886) und bei der
Hämmerle-Fabrik (1894) der Gemeinde Altenstadt überlassen,
um die Beitragsleistung für ein Cholera-Spital in Levis
gestritten, in dieser Angelegenheit sogar das Innenministe-
Seite 224
Andreas von Tschavoll
rium angerufen (1893) und eine verbesserte Gasbeleuchtung
in der Bahnhofstraße verweigert. 24 Ein eigener, für die
Bevölkerung wichtiger Streitpunkt war die Einschulung der
Kinder aus Oberlevis. Die beiden Gemeinden wandten alle
möglichen und unmöglichen Finten und Winkelzüge in dieser
Schulfrage an, die in den Artikeln von Gerhard Wanner
nachzulesen sind und auf die hier nur verwiesen werden
kann. 25
Doch zurück zu den Ereignissen des Jahres 1895. Im August
1895 berichtete die Statthalterei in Innsbruck dem Landesausschuss
in Bregenz über das Ergebnis eines Kongresses
zur Fremdenverkehrsförderung 26 . Dabei wurde auch die
Entwicklung von Stadt- und angrenzenden Landgemeinden
besprochen, besonders in Hinsicht auf die sanitären Verhältnisse,
sowie die Anforderungen aus dem steigenden
Verkehr. Auch die Weigerung der Landgemeinden gegen
eine „Incorporierung“ durch die benachbarte Stadt wurde
in diesem Schreiben angesprochen. Als Lösung dieser recht
konfliktanfälligen Verhältnisse wurde die Ausarbeitung
von Regulierungsplänen angeregt. Die Statthalterei ließ in
Bregenz nachfragen, in welchen Vorarlberger Gemeinden
es derartige Probleme zwischen Stadt und benachbarten
Dörfern gebe. Genannt wurden Bregenz und Feldkirch, wobei
beide Gemeinden zu einer Stellungnahme eingeladen
wurden. Die Feldkircher antworteten am 26. Oktober 1895.
Einleitend wurde die Initiative des Kongresses begrüßt, danach
wurden die Probleme offen genannt:
„Es wird nicht leicht sein, eine Stadt zu finden, welche so
sehr darunter zu leiden hat, daß sie von den Nachbargemeinden
wie in einer Klammer eingeschlossen zusehen
muss, wie die stetige Zunahme der nach Feldkirch gravitierenden
Bevölkerung lediglich den Nachbargemeinden
zu statten kommt.“ Die beengte Fläche der Gemeinde wird
damit erklärt, dass Feldkirch einst eine Festung gewesen
sei. Die Situierung des Bahnhofs auf Levner Gebiet wird als
Folge des Platzmangels bedauert, noch mehr die dadurch
entstandenen Kosten wie der Bau eines Trottoirs und die
Beleuchtung der Bahnhofstraße beklagt. Auch die Versor-

1903: Feldkircher Schwimmbad
Felsenau in Frastanz
gung von Levis mit Feldkircher Trinkwasser wird hervorgehoben,
während Altenstadt beschuldigt wird, in Levis nur die
Steuern abzukassieren und nichts zu investieren. Dieses
Schreiben dürfte nicht die erwarteten Konsequenzen zur
Folge gehabt haben.
Am 28. Dezember 1895 wandte sich der Stadtmagistrat, gemäß
einem Beschluss der Stadtvertretung vom 20. Dezember,
mit einer Beschwerdeschrift über Altenstadt an den
Landesausschuss. 27
Bestandteil dieses Schreibens ist eine Petition von 32 Levner
Bürgern zwecks Eingemeindung von Levis in Feldkirch,
darunter finden sich so bekannte Namen wie Leopold von
Furtenbach, Dr. Johann Bergmeister, Eduard Vallaster, Albert
Getzner, Albert Schatzmann, Arnold Ganahl, Christian Zangerl
und Joseph Fidel Ebenhoch senior. Auch ein Ingenieur,
ein Oberingenieur sowie ein Oberoffizial der Staatsbahnen
haben die Petition unterschrieben. Sie erklärten, dass sie
zu einem Großteil Feldkircher Bürger wären und wünschen,
dass auch ihr Hausbesitz in das Gemeindegebiet von Feldkirch
falle. Schon wegen seiner Lage gehöre Levis zu Feldkirch,
meinten die 32 Levner und zur Infrastruktur äußerten
sie sich folgendermaßen: „Die kommunalen Bedürfnisse
dieser Parzelle – Schule, Beleuchtung, Wasserversorgung,
Kommunikation – finden nur durch das Wohlwollen und die
Fürsorge der Stadt Feldkirch ihre Befriedigung.“ Altenstadt
warfen sie vor, den Aufgaben nicht nachzukommen.
Im Beschwerdebrief bat Feldkirch den Landesausschuss
um Intervention. Einleitend wurde das Verhältnis zur Nachbargemeinde
als unerträglich bezeichnet. Man vergaß nicht
die erbrachten Investitionen in die Infrastruktur von Levis
zu erwähnen, ja man ging sogar soweit, daraus zu schließen:
„[…] man habe wegen der bisherigen wirtschaftlichen
Opfer in Levis Anspruch auf dieses Gebiet.“ Auf den 1884
unterschriebenen Revers hatten die Feldkircher wohl vergessen.
28 Abgetreten werden sollte das Gebiet von der
Stadtgrenze bis zur Tillisgasse und rechts der Reichsstraße
bis zu einem Feldweg, der vom Ebenhochschen Gut (=
Ebenhochgasse) zum Ardetzenberg führte. Sollte es keine
gütliche Einigung geben, wurde die Erlassung eines eigenen
Landesgesetzes gefordert. Da direkte Verhandlungen
zwischen den beiden Gemeinden erfahrungsgemäß erfolglos
waren, wurde die Intervention, die Vermittlung des
Landesausschusses gefordert. Derartige Vermittlungen in
Gemeindestreitigkeiten durch Mitglieder des Landesausschusses
gab es damals durchaus, wie beispielsweise in
Tosters im Jahre 1879, als Landeshauptmann Carl Graf Belrupt
persönlich nach Tosters kam. 29
Die geschäftstüchtigen Feldkircher meinten, dass der Landesausschuss
den Altenstädtern klar machen könnte, dass
eine Ablösesumme für Levis für Altenstadt finanziell besser
wäre als Investitionen in den Bau einer Volksschule, von Kanalisation,
Wasserleitung, Trottoirerhaltung, Polizeiwache
und Nachtwache zu tätigen.
Die Altenstädter wandten sich am 12.Mai 1896 mit einem
Antwortschreiben an den Landesausschuss. 30 Sie betonten,
dass die Hauptbetreiber für den Anschluss von Levis an
Feldkirch die „Villenbesitzer“ wären. Die Feldkircher Forderung
nach einem eigenen Landesgesetz wurde als Bruch des
Landrechtes und als Zwangsenteignung empfunden. Recht
hart dann die Aussage bzw. der Vorwurf: „Diese privaten
Interessen des Grundbesitzes spielen da wohl die größere
Rolle, als die Eingabe des löblichen Magistrates der Stadt
Feldkirch angeführten öffentlichen Interessen.“ Die Forderung
nach Bau einer Volksschule wurde mit dem Hinweis
auf den 1895 vollendeten Schulneubau in Altenstadt und
die Dauer des Schulweges von maximal 20 Minuten entkräftet.
Die Beleuchtungsfrage wurde mit dem Hinweis auf
die elektrische Beleuchtung des Bahnhofsareals durch die
Staatsbahn erledigt. Diese elektrische Beleuchtung des
Bahnhofsgeländes wurde übrigens 1885 eingeführt. 31 Der
Bau einer Kanalisation wurde als nicht notwendig empfunden,
der Bau eines Trottoirs vom Bahnhof abwärts als von
Altenstadt bereits durchgeführte Baumaßnahme abgetan.
Den Polizeidienst besorgte die k. k. Gendarmerie und den
Vorwurf, dass Levis ein „Eldorado aller Stromer“ sei, denen
Seite 225

der Polizeidiener von Altenstadt nicht Herr werde, hatte
niemand gehört. Lediglich die Wasserversorgung wurde als
Problem anerkannt, das durch das Fehlen einer geeigneten
Quelle nicht zu lösen war. Altenstadt gab auch offen zu, dass
Levis die Finanz – und steuerstärkste Parzelle war und man
auf die dortigen Steuereinnahmen nicht verzichten könne.
Die kommunalen Aufgaben wie der Bau der Rheinwuhren
und das Armenhaus konnten nur mit entsprechenden
Steuereinnahmen finanziert werden. Altenstadt war nicht
prinzipiell gegen eine Ablösung von Levis, verlangte aber
eine entsprechende Ablösesumme. Die Altenstädter erinnerten
daran, in den 1870 er Jahren den Feldkirchern einen
„billigen Antrag“ gemacht zu haben, die Feldkircher aber
nicht während der ausgemachten Frist auf das Angebot
geantwortet hatten. Die Feldkircher beantworteten am 27.
Juni das Schreiben aus Altenstadt bzw. versuchten dessen
Argumente zu entkräften. Die Sicherheitslage in Levis wurde
kritisiert, die einzige Tätigkeit des Polizeidieners, der
gleichzeitig das Amt des Gemeindedieners inne hatte, war
angeblich das Austeilen der „Steuerzettel“. Die Bettelmusikanten
sollen die Gemeindegrenze zwischen Feldkirch und
Altenstadt genau gekannt haben und belästigten („molestierten“),
unbehelligt vom Altenstädter Polizeidiener, auf
dem Trottoir die Passanten. Nach Ansicht der Feldkircher
Stadtväter wünschten fast alle Bewohner von Levis, und
nicht nur die Villenbesitzer, den Anschluss an Feldkirch. Die
Initianten zur Anrufung des Landesausschusses, Dr. Christian
Wimmer und Dr. Gebhard Beck, waren keine Villen–
und Grundbesitzer in Levis und konnten mit ihrem Antrag
wohl keine Privatinteressen verfolgen. Die Strecke von Levis
bis zur Schule in Altenstadt wird mit einer halben Stunde
angegeben, wobei besonders in der Winterzeit der Weg als
besonders anstrengend eingestuft wird. Besonders Eisenbahner
sollen sich darüber beklagt haben. Die Feldkircher
drohten in ihrem Schreiben bei Abbruch der Verhandlungen
die Levner Kinder nicht mehr in die städtische Volksschule
aufzunehmen. Auch die Behauptung, mit dem elektrischen
Licht des Bahnhofs ganz Levis beleuchten zu können,
wird widerlegt. Nicht ohne Grund hatten die Feldkircher
auf Levner Territorium (Reichsstraße) sechs Gas- und eine
Seite 226
Petroleumlampe aufgestellt. Die Erstellung des Trottoirs
hatte auch Feldkirch bezahlt. Für die Kanalisation fehlte,
nach Ansicht der Feldkircher, in ganz Altenstadt jedes Verständnis.
Die Stadtvertretung war in der Sitzung vom 18.
Juni übereingekommen, dass direkte Verhandlungen mit
Altenstadt zwecklos wären und bat den Landesausschuss
um die Leitung von Verhandlungen zwischen den beiden
Gemeinden. 32
Die Altenstädter ließen dann über den Landesausschuss
den Feldkirchern den Abbruch aller Verhandlungen mitteilen.
Als Grund gaben sie an nicht auf die Steuereinnahmen
aus Levis verzichten zu können, weiters das unfreundliche
Verhalten der Feldkircher bei kommunalpolitischen Alltagsgeschäften.
So verweigerten die Feldkircher die Verwendung
einer im Eigentum der Feldkircher befindlichen Quelle
für den Nofler Pfarrhof, sowie den Bau eines Jauchereservoirs
beim Anwesen des Franz Lampert unter dem Kapf
durch die Stadt. Auch die Weigerung von Dr. Bergmeister
und der Familie Ganahl, einen Anteil der Kirchenbauschuld
zu übernehmen, wird als Grund für die Ablehnung von weiteren
Gesprächen genannt. 33
Landeshauptmann Adolf Rhomberg teilte namens des
Landesausschusses den Feldkirchern mit, dass es keine
gesetzliche Möglichkeit gebe, Verhandlungen zu erzwingen.
Die Feldkircher teilten dem Landeshauptmann unverblümt
ihre Enttäuschung über die Haltung der Altenstädter
wie auch über die Haltung des Landesauschusses mit. Sie
stellten ihre Haltung in der Brunnenfrage klar, informierten
über den Zustand und die Nutzung der Jauchegrube, und
erklärten die Kirchenbauangelegenheit zur Privatsache. Ob
parteipolitische Hintergründe für diese Entscheidung des
Landesausschusses verantwortlich waren, wie Wanner vermutet,
ist nicht beweisbar.
In ihrem Zorn verwendeten die Feldkircher die schwächsten
Glieder der Gesellschaft, die Schulkinder aus Levis, als
Druckmittel. Man verweigerte den Levner Kindern, konkret
15 Kindern, den Besuch der Volksschule in Feldkirch und

zwang sie damit zum Besuch der Volksschule in Altenstadt,
die nur nach einem mindestens halbstündigen Fußmarsch
zu erreichen war. Betroffen davon waren natürlich hauptsächlich
die Kinder der zahlreichen in Levis lebenden Eisenbahner.
Diese Haltung führte zu einem Protestschreiben
des Staatsbeamtenclubs, der auch die Interessen der
Eisenbahner vertrat. Auch die Staatsbahndirektion sah sich
zu einer Intervention veranlasst. Sie fürchtete durch diese
Maßnahmen eine Demotivation ihrer Mitarbeiter und daraus
folgend deren Versetzungsgesuche. 34
2.5. Das Levner Komitee 1904/05
Unterlevis um 1910
Frischen Schwung in die Frage der Einverleibung von Levis
brachte ein sogenanntes Levner Komitee, das für den 27.
November 1904 alle „Steuerträger“ von Levis zu einer Versammlung
in das Gasthaus Rose einlud. 35 Über den Verlauf
dieser Zusammenkunft der Levner Steuerzahler informierte
Ludwig Bürkle am 28. November 1904 den Feldkircher
Stadtmagistrat. Die anwesenden Hausbesitzer und Steuerzahler
sollen sich während der Debatte eindeutig für die
„Incorporierung“ von Levis in die Stadtgemeinde Feldkirch
ausgesprochen haben. Es wurde dann ein Komitee gewählt,
bestehend aus den Herren Dr. Wimmer, Feldkirch, Eduard
Wiederin, Baumeister Christian Zangerl, Franz Heim, Johann
Rath, Alois Tiefenthaler und Ludwig Bürkle. Sie sollten
sich um die Einleitung von weiteren Schritten kümmern und
die Stadtvertretung informieren. In der Feldkircher Stadtvertretung
vom 24. Februar 1905 wurde der Bericht des „Levner
Komitees“ verlesen und beraten. Der Stadtmagistrat
wurde mit der Aufnahme von Verhandlungen mit Altenstadt
beauftragt. 36
In einem Schreiben nahm Feldkirch am 21. März 1905 Kontakt
mit Altenstadt auf. Unter Berufung auf Paragraph 2,
Absatz 1 und 2 der Gemeindeordnung wurde die Einleitung
des Verfahrens zur Einverleibung von Levis gewünscht.
Die Aufforderung, die Angelegenheit mit „thunlichster Beschleunigung“
anzugehen, nahmen die Altenstädter nicht
so wichtig.
Sie setzten diese Angelegenheit zwar auf die Tagesordnung
der Gemeindevertretungssitzung vom 12. April 1905,
doch wurde dieser allerletzte Tagesordnungspunkt wegen
„vorgerückter Zeit“ nicht mehr behandelt und vertagt. 37 Die
Feldkircher reagierten natürlich prompt auf die Pressemeldung
über die Verschiebung und baten nochmals um
rasche Erledigung ihres Ansuchens auf der nächsten Gemeindevertretungssitzung.
Die Altenstädter behandelten
die Angelegenheit zwar im Juni 1905, kamen aber nur zum
Ergebnis, zuerst einmal die Vorakten in Feldkirch zum weiteren
Studium anzufordern. 38 Die Feldkircher übersandten
dann eine Abschrift des Ansuchens des „Levner Comitees“,
drohten aber ganz offen, bei einer weiteren Verschleppung
der Angelegenheit den Landtag anzurufen. Diese Drohung
wurde in der Gemeindestube von Altenstadt nicht sehr gut
aufgenommen. Gemeindevorsteher Josef Rheinberger teilte
jedenfalls mit, dass der Gemeindeausschuss von Altenstadt
dem Antrag einstimmig keine Folge gegeben habe. 39
Der Feldkircher Stadtvertretung blieb nichts anderes übrig,
als dies zur Kenntnis zu nehmen. Als einziger Weg,
doch noch zu einer Lösung zu kommen, wurde die Anrufung
des Vorarlberger Landtages genannt, der durch ein
Landesgesetz diese Vereinigung durchführen könnte. Bürgermeister
Dr. Josef Peer meinte dazu: „[…] die bestimmte
Erwartung aus, dass der Vorarlberger Landtag in Bethätigung
jener Objectivität, mit welcher er in derartigen, rein
wirtschaftlichen Fragen vorzugehen pflege, sich in dieser
rein wirtschaftlichen Angelegenheit der Nothwendigkeit
der angestrebten Vereinigung u. der Billigkeit der darauf
abzielenden Wünsche sicher nicht verschließen u. eine der
obwaltenden Umstände vollauf Rechnung tragende Entscheidung
im Sinne der Wünsche der Stadt Feldkirch, unbeirrt
durch politische Erwägungen, treffen werde [...].“ Trotz
dieser in Juristendeutsch formulierten Hoffnungen wurde
das mit der Vereinigungsfrage befasste Komitee beauftragt,
Vorschläge für Repressalien gegen die Gemeinde Altenstadt
zu erarbeiten. 40
Seite 227

Zur Erarbeitung dieser Repressalien wurde dann tatsächlich
eine Sitzung einberufen, zu der auch Dr. Johann Bergmeister,
der Obmann des „Levner Komitees“ eingeladen wurde.
Von irgendwelchen Repressalien ist dann jedoch nichts
mehr zu hören.
2.6. Ein Vorstoß von Bürgermeister Peer 1906
Einen neuerlichen Versuch, doch noch eine Vereinigung zu
erreichen, machte dann Bürgermeister Peer im Jahre 1906.
In der Magistratssitzung vom 26. Juni 1906 legte er einen
„flüchtigen Entwurf“ vor, der besprochen und angenommen
wurde. 41 Um die Sache in Fluss zu bringen, wurde eine
Sitzung der Ausschussmänner sowie deren Stellvertreter in
das Gasthaus Schäfle einberufen, in der dieser neuerliche
Versuch nochmals besprochen wurde.
Eine im Stadtarchiv verwahrte Niederschrift über eine Aussprache
über die Einverleibung von Levis ist vermutlich das
Protokoll dieser Sitzung. 42 Unklar ist wer es verfasst hat und
verwunderlich ist, dass es maschinschriftlich verfasst wurde.
Dies deutet darauf hin, dass es nachträglich von einer
unbekannten Person abgetippt und dann einfach dem amtlichen
Akt hinzugefügt wurde. Nichtsdestoweniger sind die
Aussagen vielsagend für den damals herrschenden Geist.
Als klarer Gegner der Vereinigung trat Anton Weinzierl auf.
Er befürchtete, dass Feldkirch eine Bauerngemeinde werde
und die Hauptlast der Steuern tragen müsse und „regieren
werden die Bauern über unser Geld“. Er bezeichnete eine
Vereinigung als politischen Selbstmord, da ja eigentlich
Feldkirch an Altenstadt angeschlossen werde. Er meinte:
„Feldkirch besteht seit 600 – 700 Jahren und hat sich noch
ohne Altenstadt durchgeschlagen. Das große Wort werden
sie führen und uns regieren. Mit diesen rückständigen Leuten
haben sie sofort die Majorität“. Andererseits stellte
Weinzierl fest, dass die Stadt, erfolglos, Industrieansiedelungen
ausgeschrieben habe. Es fehlte an den notwendigen
Industriegrundstücken und Wohnungen für die Arbeiter. Er
verwies auf die vielen in Bregenz bzw. in Vorkloster ange-
Seite 228
siedelten neuen Industriebetriebe. Auch Otto Bosch hatte
einen wirtschaftlichen Rückgang bemerkt: „geht die Industrie
in Feldkirch und Umgebung seit einigen Jahren zurück.“
Er warf den Altenstädtern auch vor, bei der Anschaffung von
Glocken einer welschen Firma und nicht einer Feldkircher
Glockengießerei den Auftrag gegeben zu haben. Auch die
ursprüngliche Wahl der Unterländer Firma Jenny & Schindler
als Stromlieferant anstatt der Feldkircher Stadtwerke kritisierte
Weinzierl. 43 Diese Angelegenheit wertete er als Beweis
für die nicht existierende „freundnachbarschaftliche“
Gesinnung der Altenstädter. Tschavoll zitierte eine Aussage
des Altenstädter Vorstehers: „es wird uns nicht einfallen
den Kopf herzugeben“. Gemeint war damit das unter allen
Ortsteilen finanzstärkste Levis. Carl von Tschavoll verweist
auf den vom Magistrat erstellten Vertragsentwurf, der eine
Vereinigung mit Levis, Altenstadt und Gisingen ohne die
Ortsteile Nofels, Fresch und Bangs vorsah. Er schlug vor,
auch diese Ortsteile noch „mitzunehmen“.
Für Philipp Ganahl sprachen vor allem wirtschaftliche Gründe
für eine Vereinigung. Obwohl die Spinnerei Ganahl sich
verdoppelt hatte, fand er in Feldkirch keine Bauplätze für
Arbeiterwohnungen. Für die politische Zukunft Feldkirchs
sah der führende Liberale Ganahl im wahrsten Sinne des
Wortes „schwarz“: „Wir bleiben Städter, aber nicht ewig
Kleinstädter. Bludenz. [sic!] Levis allein ist nichts, lohnt
nicht. Wer der Anschauung ist, dass Feldkirch in 20 – 30
Jahren dasselbe sein soll, der muss der Ansicht des Herrn
Rat Weinzierl sein. Schwarz werden wir doch. In 10- bis 12
Jahren sind auch wir schwarz.“ Er sollte mit seiner Prognose
recht behalten. Im Jahre 1909 gewannen die Christlichsozialen
die Mehrheit in der Stadtvertretung und lösten damit
die 50 Jahre Feldkirch dominierenden Liberalen ab. Ganahl
wies aber auch auf die Steuereinnahmen. So zahlte etwa
die Hämmerle Fabrik in Gisingen 8.000 Gulden an Erwerbssteuer.
Gebhard Ginthör fürchtete sich nicht vor einer „Majorisierung“
durch die konservativen Bauern: „Die Bevölkerung,
die zuwächst, ist eine ganz andere, mehr Beamte in
Gisingen und Levis.“

Auch Ferdinand Hilbe sah diese Entwicklung. Er meinte,
dass bei einer Vereinigung mit Altenstadt und Gisingen die
soziale Zusammenstellung der Bevölkerung sich ändern
werde. Er prophezeite, dass die „städtischen Elemente“
überhand nehmen werden und die „Majorisierung“ (durch
Bauern) nicht bleiben werde. Franz Dieterle sprach sich für
eine Vereinigung aus. Der ständige Bau von Wohnhäusern
in Levis bedeutete für ihn auch eine Zunahme von Steuerobjekten.
44
Die Magistratsräte Anton von Furtenbach, Josef Häusle,
Philipp Ganahl sowie Bürgermeister Peer stellten daraufhin
den schriftlichen Antrag, mit Altenstadt wegen der Einverleibung
von Altenstadt, Levis und Gisingen in Verhandlungen
zu treten. Sie begründeten diesen neuen Antrag damit,
dass die für eine Einverleibung von Levis notwenigen Opfer
die Vorteile nicht aufwiegen und gerade zu diesem Zeitpunkt
die günstigste und vielleicht auch letzte Gelegenheit
wäre, dieses Ziel zu erreichen. Sie begründen aber nicht,
weshalb gerade dies der ideale Zeitpunkt war.
In der Stadtvertretung vom 27. Juli 1906 kam es zu einer
heftigen Diskussion über diesen Antrag. Anton Eisenegger
verlangte, auch Nofels einzugemeinden. Magistratsrat Anton
Weinzierl sprach sich gegen die beabsichtigte Einverleibung
aus, er befürchtete, dass die Stadt- von der Landbevölkerung
majorisiert würde. Die Interessen von Stadt- und
Landbevölkerung waren seiner Meinung nach zu unterschiedlich,
es soll sogar Argwohn zwischen diesen sozialen
Gruppen geherrscht haben. Er sah auch keine Chance für
die Etablierung von Industrie, die Bodenseeregion hatte sogar
den Vorteil von Stromzufuhr aus dem Kraftwerk Andelsbuch.
Weinzierl sah keinerlei Vorteile in einer Vereinigung.
Er befürchtete auch eine Erhöhung der Ausgaben für das Armen-
und Schulwesen. Er glaubte auch an eine statistisch
nachweisbare Steigerung der bäuerlichen Bevölkerung in
Altenstadt. Furtenbach erwiderte, dass der Bevölkerungszuwachs
in der Gemeinde Altenstadt aus Bahnarbeitern in
Levis und den Industriearbeitern in Gisingen bestehe. Carl
Haller sah zwar eine Steigerung der Steuerkraft, fürchtete
Josef Peer
aber, dass die Stadt Feldkirch der zahlende Teil im vereinigten
Feldkirch sein werde. Haller und Weinzierl stimmten
gegen den Antrag. Hans Pümpel tendierte für eine Einverleibung
von Tisis und Tosters. Die namentliche Abstimmung
ergab eine eindeutige Mehrheit für die Aufnahme von Verhandlungen
mit Altenstadt. 45
Der Stadtmagistrat informierte die Gemeinde Altenstadt
am 16. August 1906 von diesem Beschluss, gab gleichzeitig
bekannt, dass der Bürgermeister nach seiner Rückkehr
Verhandlungen aufnehmen werde. Zur selben Zeit trat Altenstadt
wegen einer Wasserversorgung von Levis aus der
Hochquellenleitung des Saminatales in Kontakt mit Feldkirch.
Am 17. Oktober 1906 fand eine Sitzung im Rathaussaal
statt, in der sowohl über die „Incorporierung“ von
Altenstadt wie auch die Wasserversorgung von Levis verhandelt
wurde. Über das Ergebnis dieser Verhandlungen
geben weder die Ratsprotokolle von Altenstadt noch von
Feldkirch Auskunft. 46 In einem Brief an die Gemeindevorstehung
von Altenstadt berichtet Ludwig Bürkle am 31. Juli
1907, dass man in Feldkirch noch immer auf eine Antwort
aus Altenstadt über die bei dieser Sitzung besprochenen
Fragen warte. Das Verhalten Altenstadts im Jahre 1906
kann, wie schon zuvor, entweder als völlige Gleichgültigkeit,
als Verzögerungstaktik oder als die klassische Haltung
des Stärkeren, der zu keiner Verhandlung oder Aktion gezwungen
ist, bezeichnet werden.
Feldkirch war aber durchaus bereit, die Wasserleitung der
neuen Hochquellenleitung bis Levis auszudehnen. 47 Die
Vereinigungsverhandlungen scheinen auch 1906 gescheitert
zu sein.
2.7. Ein neuer Versuch 1910/1911
Die am 13. Oktober 1910 tagende Stadtvertretung erklärte
den Punkt 7, die Vereinigung mit Levis, für vertraulich und
befasste sich, nachdem die Zuschauer den Ratsaal verlassen
hatten, mit der von Johann Caspar Meusburger aus
Levis eingereichten Anfrage. Leider hat sich dieses Schrift-
Seite 229

stück nicht erhalten. Auf jeden Fall fand seine Initiative Anklang,
da ohne Debatte folgender, etwas schwammige Beschluss
gefasst wurde: „Der Gemeindeausschuss würde es
lebhaft begrüßen, wenn die Vereinigung der Parzelle Levis
mit Feldkirch unter annehmbaren Bedingungen zustande
käme.“ 48
Am 4. März 1911 trat ein „Einverleibungskomitee der Parzelle
Levis“, geleitet von Johann Caspar Meusburger, mit
einem gedruckten Flugblatt an die Öffentlichkeit. Nach der
Aufzählung der ergebnislosen Versuche einer Vereinigung
in den Jahren 1850, 1857, 1870 und 1896 wird der letzte Vorstoß
der Stadt Feldkirch aus dem Jahre 1904 erwähnt.
Im Flugblatt wurden die Steuerverhältnisse der beiden
Gemeinden verglichen, wobei Altenstadt vergleichsweise
schlecht abschnitt. So gab es in Altenstadt eine Besoldungssteuer
und eine Umlage von 100 Prozent auf Neubauten.
Besonders viel Raum wurde dem Thema Schule
gewidmet und ein Schulneubau für Levis gefordert. Die
mangelnde öffentliche Sicherheit wurde kritisiert.
Aus der „Levnerpartei“ der Gemeindevertretung von Altenstadt,
also den in Levis wohnhaften Gemeindevertretern,
wurde gemäß dem proportionalen Wahlrecht das Einverleibungskomitee
zusammengestellt. Die Levner beriefen sich
auf den Stadtvertretungsbeschluss vom 13. Oktober 1910,
in dem sie einen Auftrag zur Vereinigung von Levis mit Feldkirch
sahen.
2.8. Ein Neuanfang 1918
Der Erste Weltkrieg ließ alle Bemühungen um eine Vereinigung
in den Hintergrund treten. Andere, lebenswichtige
Probleme waren zu bewältigen.
1917 jedoch teilte der Einverleibungssausschuss, konkret
der Obmann Ludwig Bürkle und der Schriftführer Oswald
Blum, dem Stadtmagistrat mit, dass er für seine Arbeit
Seite 230
statistisches Material brauche, um damit die Vereinigung
begründen zu können. Es fand dann auch eine von allen
Steuerträgern von Levis besuchte Versammlung statt, bei
der die Anwesenden sich über die schlechte Behandlung
durch Altenstadt beschwerten. Die Versammlung beschloss
die Lostrennung von Altenstadt anzustreben. Lediglich zwei
Personen verlangten einen Anschluss von Levis und Altenstadt.
Am 23. Jänner 1918 entwarf der Vereinigungsausschuss ein
Schreiben, das besonders ab der zweiten Seite die bereits
bekannten Vorwürfe gegen Altenstadt enthielt, dafür aber
einen recht barschen, unhöflichen Ton verwendete. Im Akt
liegen zwei Entwürfe, wobei sich auf der Rückseite die handschriftliche
Notiz findet, dass Johann Caspar Kaufmann
diesen Textentwurf eigenmächtig der Gemeinde Altenstadt
überreicht habe. Die anderen Mitglieder waren also nicht
darüber informiert. Die Reaktion aus Altenstadt fiel genauso
hart aus. Der Vorsteher Rheinberger verweigerte Unterhandlungen,
da der Brief voller Lügen und Verleumdungen
wäre. Ein Satz verdient zitiert zu werden:“[...] eine solche
Schreibweise zu keinem friedlichen Resultat führen werde,
die eher einem polschwekischen [sic!] Aufstand gleich
sieht.“ Diese Nennung des Bolschewismus ist ein interessanter
Hinweis, wie dieses zeitgeschichtliche Ereignis auch
in Vorarlberg aufmerksam verfolgt wurde. Vorsteher Rheinberger
hielt die Initiative auch wegen der Zeitverhältnisse
für ungünstig und meinte abschließend, dass zukünftige
Verhandlungen in dieser Sache direkt mit der Feldkircher
Stadtvertretung stattfinden sollten. Dieser Brief überschnitt
sich mit einer freundlich gehaltenen Einladung Bürkles an
den Altenstädter Gemeinderat zu weiteren Verhandlungen.
Bürkle reagierte sofort auf den abschlägigen Brief des Vorstehers
und versuchte ihn zu beruhigen. Den Brief Meusburgers
bezeichnete er als dessen Privatsache. Der ganze
Ausschuss hat diese Eingabe einhellig verworfen. 49
Diese neuerliche Initiative der Levner veranlasste den Feldkircher
Bürgermeister Franz Unterberger den Landtagsabgeordneten
Stefan Allgäuer in Gisingen am 25.1.1918 zu

Franz Unterberger
treffen und in dessen Haus die Angelegenheit zu besprechen.
Unterberger hielt den Inhalt des Gespräches in einem
Gedächtnisprotokoll fest. Er berichtete Allgäuer, dass er gerüchteweise
von einer Zusammenkunft von Gemeindeausschussvertretern
Altenstadts gehört habe, bei der man
sich für einen Zusammenschluss ausgesprochen hätte. Als
Quelle des Gerüchtes gab er Oberlevner an, bei denen vielleicht
der Wunsch der Vater des Gedankens gewesen sei.
Allgäuer verneinte eine derartige Zusammenkunft. Seine
weiteren Aussagen geben einen guten Einblick in die triste
Situation in Altenstadt kurz vor Kriegsende. Der kriegsbedingte
Mangel an Gemeindefunktionären machte sich außerordentlich
fühlbar. In Gisingen, dem Heimatort Allgäuers,
habe man noch nicht von der Vereinigung gesprochen,
da der Krieg derart auf der Bevölkerung laste, dass sie nicht
über den Tag hinaus denken könne. Sollte es wirklich einmal
zu einer Vereinigung kommen, vermutete er in Gisingen
eine Tendenz zu einem Zusammenschluss mit Nofels zu einer
eigenen Gemeinde.
Wohl als Folge dieses Gespräches bestätigte Unterberger
dem Vereinigungsausschuss zwar den Empfang einer Eingabe
für die Vereinigung, verschob aber eine Entscheidung
bis zur Rückkehr der eingerückten Gemeindevertreter. Erst
nach deren Rückkehr und der Wiederkehr normaler Verhältnisse,
Friedensverhältnisse, war an eine Lösung dieser Frage
zu denken. 50
Die Levner ließen aber nicht locker und wandten sich am
1. März mit einem Brief und einer Petition um Vereinigung,
nun sehr freundlich und diplomatisch gehalten, an die Gemeindevertretung
von Altenstadt. Sie erachteten die Vereinigungsfrage
als derart wichtig, dass sie trotz der Kriegszeit
angegangen werden müsse. Es ließe sich „ gegenüber den
im Schützengraben befindlichen Gemeindemitgliedern
kaum verantworten, wenn nicht wenigstens die Vorarbeiten
in Angriff genommen würden“. Bürgermeister Unterberger
fragte dann am 25. April 1918 freundlichst in Altenstadt an,
ob man gewillt wäre, einen Unterausschuss für die Vereinigungsfrage
zu wählen.
Tatsächlich kam es dann am 19. Juli 1918 in der Feldkircher
Ratsstube zu einer ersten Sitzung der von der Stadtgemeinde
Feldkirch und der Gemeinde Altenstadt gewählten „Einverleibungs-Ausschüsse“.
Aus Altenstadt kamen der Vorsteher
Rheinberger, Landtagsabgeordneter Stefan Allgäuer,
Gemeinderat Ferdinand Köchle aus Gisingen, Michael Lins
aus Nofels, Julius Scheidbach aus Levis, Ludwig Bürkle aus
Levis und der Gemeindesekretär David Walser sowie August
Bertschler. Es waren also Vertreter aus allen Ortsteilen von
Altenstadt dabei. Die Vertreter Feldkirchs waren Bürgermeister
Franz Unterberger, Magistratsrat Karl von Tschavoll und
Magistratsrat Anton Gohm. Unterberger wurde zum Vorsitzenden
gewählt, gab nach der Begrüßung einen kurzen historischen
Rückblick und sprach über die Gründe für eine Gebietserweiterung
Feldkirchs. Vorsteher Rheinberger hielt die
Beschäftigung mit der Vereinigungsfrage wegen des Krieges
für verfrüht. Wegen der kriegsbedingten Abwesenheit so vieler
Wähler wäre eine Volksabstimmung über den Anschluss
unmöglich durchzuführen. Er sprach sich übrigens, im Falle
einer Volksabstimmung, für eine Vereinigung der ganzen
Gemeinde Altenstadt mit Feldkirch aus. Bürgermeister Unterberger
verwies auf Meran, wo während des Krieges eine
Vereinigung mit den Nachbargemeinden erfolgt war. 51 Er verwies
auch auf die in Aussicht genommene Erbauung einer
Zolldienstanlage am Feldkircher Bahnhof und die Aufwertung
des Bahnhofs durch den Ausbau des Schweizer Schienennetzes
in Richtung Süden. 52 Recht ungeniert, da unter Parteifreunden,
sprach Unterberger über die politischen Folgen
des Anschlusses der Eisenbahner- und Sozialistenhochburg
Levis, die Furcht vor dem Verlust des sowieso schon wackelnden
Landtagssitzes von Feldkirch. Sollte Altenstadt ebenfalls
zu Feldkirch kommen, sah er einen Ausgleich des konservativen
Elements. Unterberger beschränkte sich auf die Einverleibung
von Levis. Er sah in diesem ersten Treffen das Ziel, die
Stimmungen über die Einverleibungsfrage zu erörtern und
versprach, statistisches Material zusammenzutragen und
den Gemeindeausschuss zu einer Stellungnahme zu führen.
Wie versprochen wurde eine gedruckte Vermögensbilanz von
Feldkirch und Altenstadt per 31. Dezember 1918 vorgelegt
und als Verhandlungsbasis gedruckt.
Seite 231

Die Feldkircher luden für den 27. Oktober 1919, also nach
einer Pause von fast eineinhalb Jahren, zu einer zweiten
Sitzung ein. Hintergrund waren Gespräche mit Vertretern
der Finanzbehörden und der Staatsbahn wegen Verlegung
des Hauptzollamtes von Buchs nach Feldkirch und wegen
einer Erweiterung des Feldkircher Bahnhofes. 53 Bürgermeister-Stellvertreter
Anton Gohm berichtete über den Inhalt
der Gespräche und über die gleichzeitig begonnenen
Vereinigungsgespräche mit Tosters. Der Feldkircher Stadtwerkedirektor
Franz Simon, in seiner Funktion als Schriftführer
und wegen seines Wohnsitzes in Levis als Mitglied
des Altenstädter Vereinigungsausschusses, sprach sich für
eine Angliederung der ganzen Gemeinde Altenstadt aus. Er
stellte vier wichtige und dringliche Aufgaben vor, die seiner
Meinung nach in beiden Gemeindegebieten nur gelöst werden
könnten, wenn sie einheitlich und großzügig in Angriff
genommen werden.
Es waren dies:
1. Die Erweiterung des Feldkircher Bahnhofes, Förderung
des Verkehrswesens;
2. Illregulierung;
3. die Lebensmittelversorgung in Zusammenhang mit der
Entwässerung des versumpften Geländes beiderseits
der Ill;
4. Schaffung fachlicher Bildungsstätten.
Gohm gab daraufhin den festen Willen Feldkirchs zu einer
Vereinigung mit der ganzen Gemeinde Altenstadt bekannt
und bat um die Nennung der Bedingungen.
Im Namen der Altenstädter nannte der sozialdemokratische
Landtagsabgeordnete Franz Rauscher die Bedingungen Altenstadts,
als Grundlagen der Verhandlungen bezeichnet:
1.) Die Bürgernutzungen. Über Art und Höhe des zu verteilenden
jeweiligen Bürgernutzens sollten Altenstadt und
Feldkirch das alleinige Entscheidungsrecht haben. Der
Seite 232
Hans Bitschnau
Reingewinn des Bürgergutes sollte in den Haushalt der
Gesamtgemeinde fließen.
2.) Alle Einrichtungen, Anlagen, Stipendien u.s.w. sollten
„Gesamt“ sein, also zum Gesamtvermögen der neuen
Gemeinde werden.
3.) Ausgaben und Einnahmen. Die unentgeltliche Beistellung
von Lehrmitteln für die Altenstädter Kinder sollte
beibehalten werden. Für die neuangeschlossenen Parzellen
sollten die Baubeiträge für Licht und Wasser ermäßigt
werden. Die Wasserversorgung der Parzellen
Gisingen und Nofels sollte studiert und in den zukünftigen
Wasserversorgungsplan aufgenommen werden.
4.) Den derzeit im Gemeindedienst stehenden Beamten und
Bediensteten werden Anstellung und Bezüge zugesichert.
5.) Die in Aussicht genommene Errichtung von Amtsstellen
in den einzelnen Parzellen ist durchzuführen.
In der anschließenden Diskussion war man sich über den
ungehinderten und ungeschmälerten Fortbestand der bisherigen
Bürgernutzungen einig. Die Gemeinde Altenstadt
hatte den Staatsanwalt Dr. Hans Bitschnau gebeten, an
Hand der Gemeindeordnung und der beiderseitigen Bürgernutzungsordnungen
einen Vorschlag einer getrennten
Verwaltung der Bürgernutzungsrechte zu erarbeiten. 54 Die
Feldkircher anerkannten die Punkte zwei, drei und vier
der Verhandlungen als etwas Selbstverständliches. Zu den
Lehrmitteln wurde vermerkt, dass diese in Feldkirch bisher
nur an bedürftige Schüler kostenlos abgegeben worden waren.
Die Stadtwerke wurden beauftragt, die Baukostenbeiträge
für die Stromabnehmer von Fresch und Bangs bis zur
nächsten Sitzung zu berechnen.
Zum fünften Punkt gaben die Altenstädter nähere Erläuterungen,
die aber leider nicht protokolliert wurden.
Eine längere Diskussion entstand zur Finanzlage. Wegen
der in Angriff genommenen Illregulierung auf Altenstädter
Gebiet rechneten die Feldkircher mit einer Erhöhung der
Gemeindezuschläge in Feldkirch selbst. Die Sitzung wurde

Franz Rauscher
vom Vorsitzenden, Landtagsabgeordneter Stefan Allgäuer
als befriedigend eingestuft. Das Protokoll schloss mit
einem wunderschönen Satz:
„Die Verhandlungen lassen erkennen, daß beide Gemeinden
dem großzügigen Plane Lust und Liebe entgegenbringen,
sodass mit einer gewissen Sicherheit an die
Fortsetzung der eingeleiteten, eine Grundlage bildenden
Verhandlungen, herangetreten werden könne.“
Welch ein Unterschied zu den bissigen ablehnenden Schreiben
und Protokollen vor dem Ersten Weltkrieg.
Mit etwas Verzögerung fand dann am 11. Dezember 1919 die
dritte Sitzung statt. Beide Gemeinden hatten die Vermögensnachweise,
Rechnungsabschlüsse und die Voranschläge
für 1920 erstellt und drucken lassen. In der Besprechung
wurde festgestellt, dass bei einer Vereinigung die Gemeindeumlagen
sich auf 38 Prozent erhöhen würden, was eine
Mehrbelastung für den Feldkircher, eine Steuerreduzierung
für den Altenstädter Steuerzahler bedeutet hätte.
Die von Staatsanwalt Dr. Bitschnau erarbeiteten Vorschläge
für die getrennten Verwaltungen der Bürgernutzungen war
bereits im Rechtsauschuss der Feldkircher Stadtvertretung
behandelt worden. Für die nächste gemeinsame Sitzung
sollten Dr. Bitschnau als Vertreter der Gemeinde Altenstadt
und Landesgerichtsrat Dr. Martin Schreiber als Vertreter
Feldkirchs eingeladen werden, um sich dieses juristische
Thema fachkundig erklären zu lassen. 55 Für die einzelnen
Altenstädter Gemeindebediensteten wurden die Einstufungen
in der Gehaltsklasse bzw. die Entlohnung exakt
festgelegt. Auch die Baukosten für das Stromnetz in Fresch
und Bangs wie auch die Wasserleitungskosten hatte man
exakt kalkuliert. Die Levner verlangten den Ausbau des
Mutterweges.
Der erhoffte Ausbau des Bahnhofes wurde von den Staatsbahnen
wegen der ungeklärten politischen Lage Vorarlbergs
verschoben. Offensichtlich haben die Hoffnungen mancher
Vorarlberger auf den Anschluss an die Schweiz die Eisenbahnverwaltung
zu einer abwartenden Haltung bewogen.
Am 31. Juli 1920 trafen sich Ausschüsse beider Gemeinden
zur vierten Sitzung, bei der die neuesten Zahlen der Vermögensausweise
vorgelegt wurden. Die Zahlen hatten sich,
bei den Ausgaben, stark verschlechtert. Besonders bei den
Löhnen und Gehältern gab es beachtliche Mehrausgaben,
die Inflation machte sich hier bemerkbar. Die Abgänge beider
Gemeinden konnten nur durch Zuschläge ausgeglichen
werden. Feldkirch hatte einen Zuschlag von 470 Prozent,
Altenstadt sogar von 1070 Prozent. Diskutiert wurde auch
der mögliche Verkauf der Stadtwerke an die zu bildende
Landeselektrizitätsgesellschaft, die Vorgängerin der Vorarlberger
Kraftwerke (VKW), oder gar eine Beteiligung Feldkirchs
an dieser Gesellschaft, die dann wirklich erfolgte.
Das von Dr. Martin Schreiber erarbeitete Gutachten über
die getrennten Verwaltungen der Bürgernutzungen wurde
zur Kenntnis genommen und dem früheren Bürgermeister
und Spitzenjuristen Dr. Peer zur Durchsicht gegeben. In
den Archivbeständen hat sich ein einziges, von Dr. Wilhelm
Schimper erstelltes Rechtsgutachten vom 12. März 1921 erhalten.
Darin wird zuerst geklärt, dass nach der Gemeindeordnung
durchaus eine Parzelle ein gesondertes Vermögen,
also die Bürgernutzungen, besitzen kann. Auch das Eigentumsrecht
wird juristisch geklärt wie auch die Frage nach
Verleihung des Bürgerrechts. Dr. Schimper kontaktierte
auch den in Dornbirn befindlichen Dr. Schreiber, der aber
laut Antwortbrief nicht über die Arbeit der Vereinigungsausschüsse
informiert war. Dieses Rechtsgutachten Schimpers
wurde der Gemeinde Altenstadt zur Beratung vorgelegt.
Die Öffentlichkeit wurde bei einer Versammlung im Gasthaus
„Krone“ in Altenstadt über die Vereinigungsfrage informiert.
Eingeladen hatte Georg Böhler, der Klubobmann
der vereinigten Parteien Altenstadts, als Referent trat der
Stadtwerkedirektor Franz Simon auf. 56 Er informierte über
die Bestrebungen im Ortsteil Levis, über die Vorteile einer
Seite 233

Seite 234
"Badeort Nofelsn bei Feldkirch"
Vereinigung, aber auch über die Bürgernutzungen. Gerade
dazu entspann sich eine Diskussion, wurde die weitere
Nutzung der Gemeindegüter bezweifelt. Die Anwesenden
verfassten dann doch eine Resolution, gerichtet an die
Gemeindevertretung von Altenstadt, in der sie sich für Verhandlungen
in der Vereinigungsfrage aussprachen. 57
Die Gemeinde Altenstadt reagierte ab Juni 1921 auf einmal
eher bremsend, indem sie die Einberufung einer öffentlichen
Versammlung bekanntgab, in der die Bevölkerung
über die Vor- und Nachteile der Vereinigung informiert werden
sollte. Als Referent wurde Alt-Bürgermeister Unterberger
eingeladen. Zum Rechtsgutachten wurde vermerkt, dass
die grundbücherliche Eintragung des Eigentumsrechtes der
künftigen „Fraktion“ Altenstadt verlangt und der Einberufung
einer Verwaltungskommission für die Nutzung des
Bürgernutzens in Altenstadt zugestimmt werde. Ob diese
Versammlung überhaupt jemals stattfand, ist leider nicht
bekannt. 58
Weitere Aktivitäten sind für das Jahr 1921 nicht bekannt.
Im April und Mai 1922 wurden weitere Versuche zur Vereinigung
unternommen. Sehr informativ ist die von Franz
Unterberger verfasste Niederschrift einer am 5. April 1922
stattgefundenen Besprechung wegen der Einverleibung von
Oberlevis. Unterberger gab als Schuld für das Stocken der
Verhandlungen den Widerstand der bäuerlichen Bevölkerung
Altenstadts an. Ihre Forderung bezüglich Verwaltung
des Gemeindebesitzes, des Waldes, war für die Feldkircher
nicht tragbar. Nun traten einige Levner mit der Idee einer
Abtrennung von Levis bis zum Gasthaus Bierkeller hervor
und wollten eine Unterschriftenaktion starten. Sie wollten
damit gleichzeitig der Initiative anderer Levner nach Gründung
einer eigenen Gemeinde Levis zuvorkommen. Bürgermeister
Anton Gohm berichtete über die Schwierigkeiten
bei den Verhandlungen, die Probleme, die sich mit der
kirchlichen Lostrennung von Levis besonders zeigten. Dieser
Lösungsprozess von Levis zog sich über Jahre hinweg,
beschäftigte die kirchlichen Instanzen zwischen Feldkirch
und Brixen und dürfte für Emotionen gesorgt haben. Ver-
mutlich haben diese Ereignisse auch auf die Stimmung
in der Bevölkerung zur Anschlussfrage mitbestimmt. 59 Die
Steuerkraft von Oberlevis bezeichnete er als „wertvoll“, die
Möglichkeit nach Gründung einer eigenen Gemeinde Levis
schätzte er als unrealistisch ein, da der Landtag niemals
zustimmen würde. Die Versammlung sprach sich einstimmig
für eine Einverleibung von Oberlevis aus und für den
Start einer Unterschriftenaktion. 60 Am 9. April erinnerte
Bürgermeister Gohm die Gemeindevorstehung Altenstadt
an das im März ihr zugesandte Rechtsgutachten über die
Bürgernutzungen und bat um die Beratung der bereits 1920
gefassten Grundlagen für eine Vereinigung. Laut Gohm war
auch die neugewählte Stadtvertretung durchaus an einer
Vereinigung interessiert. Seiner Ansicht nach sprachen die
wirtschaftlichen und sonstigen Verhältnisse für eine Vereinigung.
Gemeint waren wohl die wirtschaftlichen Probleme,
die gemeinsam besser gelöst werden konnten. Am.20. April
1922 legten Ludwig Bürkle und Karl Ganahl dem Feldkircher
Stadtrat dann wirklich eine Unterschriftensammlung von
Bürgern von Ober-Levis vor, in der sich von 470 Wahlberechtigten
450, also 95 Prozent, für die Einverleibung ihres
Wohnbezirkes bis zur Höhe des Gasthauses Bierkeller nach
Feldkirch aussprachen. Der Feldkircher Stadtrat gab der Altenstädter
Gemeindevertretung das Ergebnis dieser Unterschriftensammlung
sowie die Stellungnahme der Stadtvertretung
bekannt: „ Sie spricht die Geneigtheit aus, diesem
Wunsche Rechnung zu tragen, obwohl sie nach wie vor auf
dem Standpunkt steht, dass das Weitergehende die Eingemeindung
der Gesamtgemeinde Altenstadt sei.“
Diese Petition aus Oberlevis war Verhandlungsgegenstand
einer für den 6. Mai 1922 einberufenen Sitzung des Feldkircher
Vereinigungsausschusses. Bürgermeister Gohm
berichtete, dass alle bisherigen Anstrengungen zur Vereinigung
an der Passivität der Altenstädter und Gisinger
gescheitert wären, wobei besonders in den bäuerlichen
Kreisen von Gisingen der größte Widerstand zu finden war.
Der Ausschuss erarbeitete einen Antrag an die Stadtvertretung
wegen Unterstützung des Levner Komitees. Einen
recht interessanten Hinweis auf die Lage in Altenstadt bie-

Dorfzentrum Gisingen 1930
tet wiederum ein handschriftlicher Aktenvermerk von Franz
Unterberger vom 6. Mai 1922, der sich auf ein Jahr alte
Informationen bezog. Er hatte von einem Mitglied des Altenstädter
Unterausschusses für Eingemeindung erfahren,
dass dieser Ausschuss es nicht wagte, die Grundlagen der
Vereinigung der Gemeindevertretung vorzulegen, da er davon
ausging, dort für den Antrag keine Mehrheit zu finden.
Sie hatten mit ihrer Befürchtung wohl nicht ganz Unrecht,
wie die Sitzungen der Gemeindevertretung vom 1. Juli und
vom 23. Dezember 1922 zeigten. Die Eingabe der Stadt
Feldkirch wegen Einverleibung wurde zuerst dem Vereinigungsausschuss
übertragen und dann letztendlich von der
Gemeindevertretung, mit Ausnahme der Levner Gemeindevertreter
abgelehnt. 61
Die Altenstädter erkundigten sich 1922 in Bozen, Lindau
und St. Pölten über die Erfahrungen dieser Gemeinden mit
Eingemeindungen. In Lindau gab ihnen der Bürgermeister
schriftlich Auskünfte über die 1922 erfolgte Eingemeindung
von Aeschach, Hoyren und Reutin, betonte die „grössere
Stoßkraft“ sowie das erhöhte Ansehen. Es wurde auch eine
Einladung zu einem persönlichen Gespräch ausgesprochen.
In Bozen erkundigte man sich über die Eingemeindung
von Zwölfmalgreien im Jahre 1910 und erhielt ein Antwortschreiben
in italienischer Sprache, in dem auf den damaligen
Bürgermeister Dr. Julius Perathoner verwiesen wurde.
Dieser berichtete über die positiven Erfahrungen, das Einhalten
von Versprechungen wie dem Schulbau. Es wurden
dann weitere drei Personen befragt. Ein Bauer, der seinerzeit
Gegner der Vereinigung war, berichtete über die positiven
Erfahrungen. Seine Bedenken gegen das friedliche
Nebeneinander von Städtern und Bauern waren zerstreut.
1923 wurde Gries in Bozen eingemeindet. Ein markanter
Unterschied zwischen 1910 und 1923 war aber die Vorgangsweise.
1910 gab es noch eine Volksabstimmung, 1925 wurde
einem königlichen Dekret nachgekommen. 62
Nach den produktiven Ergebnissen der Verhandlungen der
Jahre 1919/20 wurde 1922 ein absoluter Tiefpunkt erreicht,
war man bei der verfahrenen Situation wie im 19. Jahrhundert.
Wie frustriert man in Feldkirch war, beweist die Rücknahme
der Forderungen auf die Eingemeindung von Ober-
Levis.
Weshalb dieser Umschwung stattfand, ist nicht mehr zu
klären, vielleicht wurden die Verhandlungen 1919/20 von
den Vertretern Altenstadts ohne notwendige Rückendeckung
durch die konservative Basis geführt. Aus dem Jahre
1923 sind keinerlei Informationen über Aktivitäten irgendeiner
Art bekannt.
Die Jahre 1920 bis 1925 waren aber auch die schwierigsten
Jahre der noch jungen Republik. Die Arbeitslosigkeit stieg
1921/22 rapide an, der Währungsverfall war gewaltig. Waren
im Jahre 1919 hundert Franken 567 Kronen wert, waren
es im Folgejahr bereits 12.200 und 1922 sogar 360.000
Kronen. Erst die Völkerbundanleihe 1922 brachte eine Währungsstabilität.
Die vom Völkerbund verlangten Sparmaßnahmen
führten zu einem dramatischen Abbau von Beamten,
zumeist jungen Leuten, die nun arbeitslos wurden.
Eine wirtschaftliche Stabilität brachte erst die seit dem 24.
Dezember 1924 eingeführte neue Währung, der Schilling.
Die Inflation machte sich natürlich auch auf lokaler Ebene
bemerkbar. So reagierten die Stadtwerke im Oktober 1921
auf die Kronentwertung mit gewaltigen Strompreiserhöhungen.
Auf den Grundtarif einer Glühlampe kam ein Teuerungszuschlag
von 4700 Prozent. Auf den Grundtarif für Bügeleisen
und Kleinmotoren wurde ein 120-facher Zuschlag
erhoben. Die Kohlenpreise wurden um das 1100-fache erhöht,
die Löhne um das 400-fache und die Gehälter um das
300-fache. 63
Angeblich hat Bürgermeister Gohm den Vorschlag gemacht,
die Verhandlungen über die Vereinigung bis zur Wiedererlangung
stabiler Währungsverhältnisse ruhen zu lassen und
den Ausbau der städtischen Infrastruktur wie Straßenbau,
Kapfschluchterweiterung und Kanalisierung fortzusetzen. 64
Seite 235

Fabriksanlage F.M. Hämmerle
in Gisingen um 1900
2.9 1924 – erste Schritte zur Vereinigung
Einen neuerlichen Versuch zur Kontaktaufnahme mit Altenstadt
wagte Feldkirch im April 1924. Ende März übersandte
der Stadtrat ein Rechtsgutachten über die Bürgernutzungen
nach Altenstadt und am 9. April wandte sich der Feldkircher
Stadtrat mit einem Brief an die Gemeindevorstehung von
Altenstadt. Darin wurde vorgeschlagen, auf Basis der 1920
zwischen den beiden Vereinigungsausschüssen gefassten
Beschlüsse Beratungen in der Gemeindevertretung aufzunehmen.
Diese Beschlüsse sollten als Verhandlungsgrundlage
dienen. Bürgermeister Gohm versicherte, dass auch
die neu gewählte Stadtvertretung weiterhin an einer Vereinigung
interessiert wäre. Abschließend meinte er, dass ein
Zusammenschluss bei den herrschenden wirtschaftlichen
und sonstigen Verhältnissen einen Vorteil für beide Gemeinden
bringen werde.
Am 10. April 1924 fand eine Sitzung des Feldkircher Vereinigungsausschusses
statt, an dem neben Bürgermeister
Gohm, Stadtrat Steck, der Rechtsanwalt Dr. Augustin Tarter,
Paul Büchel und Karl Frank teilnahmen. Bürgermeister
Gohm bot den neuen Mitgliedern des Ausschusses einen
Rückblick auf die Ereignisse. So hatte Altenstadt auf den im
Mai 1922 zugesandten Brief bezüglich Unterschriftenliste
Oberlevis nie geantwortet. Genauso wenig hatte Altenstadt
auf einen 1921 zugesandten Entwurf eines Vereinigungsvertrages
Stellung genommen. Die letzte Besprechung mit den
Vertretern von Tosters hatte 1919 stattgefunden. Die von
Gemeindevorsteher Alfons Walser versprochene Informationsversammlung,
bei der Gohm als Redner auftreten sollte,
hatte nicht stattgefunden.
Der Vereinigungsausschuss beschloss, sowohl an Altenstadt
wie auch an Tosters nochmals die Vereinigungsentwürfe
zu schicken und um die Aufnahme von Verhandlungen
zu bitten.
Der Altenstädter Vereinigungsausschuss wurde ebenfalls
1924 aktiv. Die erste Sitzung fand am 13. Mai im Schulhaus
Gisingen statt. Es wurden dabei die Grundsätze des Jahres
Seite 236
1920 nochmals besprochen und diskutiert. Besonders das
Thema Bürgernutzungen sorgte für Diskussionsstoff. Der Zustand
der Illregulierung und Entwässerung in Bangs wurden
in ihrem Zustand als überholt bezeichnet und sollte ein Verhandlungsgegenstand
werden. Zu den weiteren Verhandlungen
sollte der Jurist Dr. Martin Schreiber als rechtskundiger
Berater eingeladen werden. Schreiber sagte auch zu
und nahm bereits an der Sitzung vom 26. Juni teil. Hauptberatungsgegenstand
waren wiederum die Bürgernutzungen.
Eine weitere Sitzung fand am 10. September, wiederum im
Gisinger Schulhaus statt. Hauptbesprechungspunkt waren
die Entwürfe eines Vereinigungsvertrages vom 9. April
1924, der sich aber leider nicht erhalten hat. Es ist lediglich
bekannt, dass dieser Vertragsentwurf auf der Basis eines
Entwurfes des Jahres 1921 beruhte.
Bei der Besprechung wurden die einzelnen Punkte detailliert
diskutiert. So wurde der Illbaufonds als Gemeindegut
bezeichnet. Zu klärende Detailfragen betrafen das
Gemeindegut allgemein, das Bürgerrrecht und das Ende
der Belastung des Gemeindegutes für Schulzwecke. Die
Beibehaltung der bestehenden Schulen, die Bildung eines
einheitlichen Schulsprengels Feldkirch-Altenstadt sowie
die Förderung der landwirtschaftlichen Fortbildungsschule
sollten nach Ansicht der Altenstädter in die Vereinbarung
aufgenommen werden. Die Gemeindebediensteten sollten
nicht nur in den Dienst der Stadt Feldkirch, sondern auch
in den städtischen Pensionsfonds übernommen werden.
Die bisher in Altenstadt übliche Vieh- und Fleischbeschau
sollte beibehalten werden. Die Illregulierung wie auch die
Entwässerung des Rheintales sahen die Altenstädter als
wichtigste Aufgabe der neuen Großgemeinde Feldkirch. Alle
diese geforderten Punkte wurden auch in den Vereinigungsvertrag
aufgenommen. Über all diese Wünsche informierte
die Gemeindevorstehung von Altenstadt den Feldkircher
Stadtrat am 3. Oktober 1924. In diesem Schreiben werden
zum besseren Verständnis die Entstehungsgeschichte des
Illbaufonds und die 1924 übliche Handhabung der damit
verbundenen Pflichten wie auch die Belastung des Gemeindegutes
mit 4 Kronen für Schulzwecke erläutert. Die Alten-

Martin Schreiber
städter luden im gleichen Schreiben die Feldkircher zu einer
gemeinsamen Besprechung der Vereinigungsfrage ein.
Damit war der Startschuss für die im folgenden Jahr stattfindende
Vereinigung gefallen. Dieser plötzliche Wandel in der
Einstellung der Altenstädter dürfte mit der 1924 erfolgten
Wahl von Johann Kühne zum Gemeindevorsteher zusammenhängen.
Diese Wahl war möglich mit den Stimmen der
Gemeindevertreter aus Levis und Nofels, seinem Wohnort,
der „Frick-Partei“ aus Gisingen und der Sozialdemokratie. 65
Kühne war ein Befürworter eines Zusammenschlusses der
Gemeinden und verstand es, mit Menschen umzugehen.
Kühne und Gohm waren beide Christlichsoziale und hatten
auch ein gutes persönliches Verhältnis. Nach 1925 waren
die beiden, Gohm als Bürgermeister und Kühne als Stellvertreter,
ein gutes Team. Auch die in Levis sehr starken
Sozialdemokraten setzten sich für die Vereinigung ein.
Diese politische Konstellation und die Persönlichkeiten an
der Spitze der beiden Gemeinden machte die Realisierung
dieses Langzeit-Projektes Gemeindezusammenschluss erst
möglich.
Die erste gemeinsame Sitzung der Vereinigungsausschüsse
von Feldkirch und Altenstadt fand dann am 13. Oktober 1924
statt. Der sozialdemokratische Rauscher aus Altenstadt verlangte
ein rasches Vorgehen beim Zusammenschluss, um
in wirtschaftlichen Belangen die „erhöhte Stoßkraft eines
großen Gemeinwesens“ einsetzen zu können. Gemeindevertreter
Simon legte eine Statistik der Vermögensverhältnisse
der beiden Gemeinden vor und erläuterte einige
wichtige Punkte. Danach wurden die einzelnen Punkte des
Vereinbarungsentwurfes mitsamt den von Altenstadt eingebrachten
Ergänzungen besprochen und Ergänzungen bzw.
Streichungen im Text vorgenommen.
Eine weitere Sitzung der Vereinigungsausschüsse von Feldkirch
und Altenstadt fand am 21. Jänner 1925 statt, in der
ein von den Juristen Dr. Tarter und Dr. Schreiber erarbeiteter
Vertragsentwurf Punkt für Punkt besprochen, teilweise
auch abgeändert wurde.
Am 2. April 1925 trafen sich die Vereinigungssausschüsse
von Feldkirch, Tosters und Altenstadt, wobei nur noch die
Volksabstimmung und die Aufklärung der Bevölkerung festgelegt
wurden.
3. Verhandlungen mit Tosters
Erste Pläne einer Gebietsausdehnung von Feldkirch auf
Tostner Gemeindegebiet wurden im Jahre 1862 gewälzt.
Nachdem 1858 im Schweizer Rheintal eine Eisenbahnlinie
von St. Margrethen bis Chur errichtet worden war, schlug
der Feldkircher Stadtmagistrat der Wiener Regierung den
Bau einer Verbindungsbahn von Feldkirch durch die Illschlucht
nach Tosters und über Meiningen bis Rüthi vor.
Der Feldkircher Bahnhof sollte in Tosters, im Bereich der
heutigen Eishalle errichtet werden. Das Projekt scheiterte
an Einsprüchen der Handelskammer, die dadurch ihr eigenes
Bahnprojekt zwischen Bregenz und Bludenz gefährdet
sah, auch das Militär erhob Einwände.
1911 berichtete die Wochenzeitung „Der Landbote“ von
einem Gerücht über eine Einverleibung von Tosters in die
Stadtgemeinde Feldkirch. Sarkastisch meinte der Journalist,
dass die Tostner Damenwelt am wenigsten Probleme
mit einer Vereinigung hätte, da sie bereits „städtisch ist
oder sein will“. Aktuell wurde die Frage mit den Planungen
für einen städtischen Schlachthof samt Bahnstation, der
am Breiten Wasen in Tosters errichtet werden sollte. Am 9.
September 1913 wählte die Gemeindevertretung ihren Vorsteher
Rupert Geiger und drei Gemeinderäte in ein Komitee,
das mit Feldkirch über einen möglichen Zusammenschluss
verhandeln sollte. Die Feldkircher entsandten Franz Unterberger,
Franz Josef Keck und Georg Knapp in diese Verhandlungen.
66
Die erste gemeinsame Sitzung fand am 22. April 1913 statt.
Das Protokoll besteht aber nur aus kurzen Notizen. 67 Auf
einem Bogen Papier wurden Gründe für und gegen eine Eingemeindung
aufgelistet, als Beratungspunkte die Themen
Seite 237

Vermögen, die weitere Vorgangsweise und mögliche Fragen
aufgelistet. Besonders interessant ist die Liste der Gründe
für eine Eingemeindung. Ein Kriterium für die Feldkircher
Bürger war die Lage der Gemeindsteile in Tosters, konkret
in der Tostnerau. Seit dem Mittelalter verfügte die Stadt
über dieses Augebiet, das im 19. Jahrhundert kultiviert
und an die Bürger für Ackerbauzwecke übergeben wurde.
In Tosters sollte auch der städtische Schlachthof gebaut
werden. Die in Tosters befindlichen Baufirmen Pümpel,
Hilty und Modena wurden, wie auch der Schlachthof, als
ansehnliche Steuerzahler eingeschätzt. Man rechnete mit
der Errichtung einer Eisenbahnstation in Tosters, auf die
allerdings die Tostner bis heute noch warten. Wichtigstes
Argument war die Gebietserweiterung, die Möglichkeit,
Bauplätze, Schottergruben und einen Steinbruch zu betreiben,
geeignetes ebenes Gelände für Industrie- und
Gewerbebauten zu gewinnen. Gegen eine Eingemeindung
sprachen eine Erhöhung der Armenversorgungskosten, der
Interessengegensatz zwischen Bauern und Bürgern, die
Vergrößerung des Polizeiwesens und die Erweiterung des
Straßenbeleuchtungsnetzes. Unklar war man sich über die
Zukunft des Schulwesens. Fragen hatten die Feldkircher bezüglich
der Wasserversorgung, der Schule und der Gemeindebediensteten,
die aber nur aus einem Waldaufseher und
einem Gemeindepolizeidiener bestanden.
Die erste gemeinsame Sitzung des Feldkircher und Tostner
Komitees fand am 29. Oktober 1913 im Gasthaus „Breiter
Wasen“ statt. Magistratsrat Unterberger nannte ganz offen
die Interessen der Stadt Feldkirch an einer Eingemeindung
von Tosters: Ausdehnung des in unmittelbarer Nähe zur
Bahn und in der Ebene gelegenen Bauterrains, wobei auch
Investitionen wie eine neue Illbrücke und die Illwuhrung am
linken Illufer bei einer Eingemeindung versprochen wurden.
Er nannte auch den geplanten Schlachthof und das Industriegeleise
als Motiv.
Die Ersetzung der nach dem Hochwasser von 1910 erbauten
Notbrücke über die Ill wurde als dringend eingestuft. Die
Verhandlungen mit der Staatsbahn wegen des Industrie-
Seite 238
geleises für den Schlachthof waren angeblich schon weit
fortgeschritten. Steinmaterial für die Wuhrung konnte
aus der geplanten Illschluchterweiterung gewonnen werden.
Tatsächlich sollte der Bau der neuen Brücke sich bis
1927/29 hinziehen und der Schlachthof wurde aus nicht
näher bekannten Gründen niemals gebaut.
Ganz wichtig war dann der Punkt 3 der Ausführungen von
Unterberger: „Die Bürgernutzungen sollen auch im Falle
einer Eingemeindung den Bürgern von Tosters im bisherigen
Umfange gewahrt, ebenso soll die Kirche und ihre
Stiftungen unberührt und der Wasserzins der bisherig bleiben.“
Gemeindevorsteher Geiger machte auf die Befürchtungen
der Tostner Bevölkerung aufmerksam. Neben dem Verlust
der Selbständigkeit wurde eine Beeinträchtigung der Bürgernutzungen
gefürchtet. Besonders in der Parzelle Hub
soll es zahlreiche Gegner gegeben haben. Man verlangte
auch eine laxere Handhabung der Bauvorschriften für Tosters.
Die Verwaltung der Bürgernutzung sollte weiterhin in
Tosters bleiben, man verwies dabei, als Beispiel, auf die
Verhältnisse in Beschling. Die Magistratsräte Keck und
Knapp versprachen den Tostnern eine „entsprechende“
Vertretung im „Gesamt-Gemeindeausschuss“ und dass,
wie in Bludenz, der Parzellenvorsteher gleichzeitig Magistratsrat
wäre. Die Feldkircher versprachen sich in Nenzing-
Beschling nach den dort üblichen Verrechnungsregeln bei
den Bürgernutzungen zu erkundigen.
In der zweiten Sitzung, am 10. Dezember 1913, teilte Magistratsrat
Unterberger mit, dass er sich über das Verrechnungswesen
zwischen Nenzing und Beschling informiert
habe, dies nicht der Gemeindeordnung entspreche und
daher für Feldkirch und Tosters nicht brauchbar wäre. Diskutiert
wurde danach die Vereinbarkeit der in der letzten
Sitzung besprochenen Fragen der Bürgernutzungen mit den
entsprechenden Paragraphen der Gemeindeordnung.

Tosters um 1900
Es zeigte sich rasch, dass bei dieser Besprechung die Zukunft
der Bürgernutzungen der wichtigste Verhandlungspunkt
war. Es gab zwar Statuten für die Bürgernutzungen,
die aber unzeitgemäß waren und neu geplant werden mussten.
Anerkannte brauchbare Statuten wurden von Feldkircher
Seite als Grundvoraussetzung für die Vereinigung
angesehen. Die Tostner berichteten über die Befürchtungen
im Dorf. So argwöhnte die Bevölkerung, dass die Verwaltung
in Feldkirch die ländlichen Verhältnisse in Tosters zu
wenig würdigen würden und ein „Städter“ zu wenig Einsicht
in die Bedürfnisse der Tostner hätte. Es widerstrebe
den Tostnern, sich etwa den Streu- und Torfnutzen oder den
Weidegang von Feldkirch aus zuteilen zu lassen. Die Feldkircher
erwiderten daraufhin, dass durch ein neues Statut
der Bürgernutzungen alle Befürchtungen zerstreut würden.
Als Beispiel für ein gutes Verhältnis zwischen Bürgern und
Bauern wurde Bludenz – Braz – Bings genannt. Die Tostner
fürchteten auch, dass spätere Gemeindevertretungen
von Feldkirch das geschlossene Übereinkommen umstoßen
könnten, was Unterberger mit dem Hinweis auf die Rechtslage
und die Gemeindeordnung entkräftete. Vorsteher Geiger
hatte sich übrigens bei der obersten Behörde von Tirol
und Vorarlberg, der k.k. Statthalterei in Innsbruck, über die
rechtlichen Fragen bei einer Eingemeindung informiert. Er
berichtete von großen Belastungen der Gemeindekassa wegen
kommunaler Bauten, was eine Erhöhung der Gemeindeumlage
auf 300 Prozent zur Folge gehabt hätte. Im weiteren
Verlauf der Verhandlungen wurden von beiden Seiten
Fragen zu kommunalen Angelegenheiten gestellt und
beantwortet. Nachdem die wichtigsten Angelegenheiten
besprochen waren, gab Vorsteher Geiger die Einberufung
einer Bürgerversammlung bekannt, in der den Bürgern die
Neuigkeiten mitgeteilt werden sollten. Er bat aber die Feldkircher,
nicht daran teilzunehmen.
Am 16. Februar 1914 fand dann eine Versammlung der
Nicht-Aktivbürger von Tosters wegen der Eingemeindungsfrage
statt. Einberufen hatten die Sitzung der k. k.Gerichts-
Oberoffizial Alois Seebacher, der Sparkassenbeamte Alois
Griss und Baumeister Hans Pümpel. Seebacher betonte
in seiner Eröffnungsrede, dass von Seiten der Gemeinde
in dieser wichtigen Frage immer nur die Aktivbürger informiert
wurden, obwohl die Eingemeindung beide Klassen
von Bürgern, als Steuerzahler, betreffe. Griss legte den
Anwesenden Zahlen vor, mit denen er die Wichtigkeit der
Nicht-Aktivbürger für das Gemeindebudget von Tosters belegte.
Seinen Berechnungen zufolge stammten 53 Prozent
des Steueraufkommens von ihnen. Der zur Sitzung eingeladene
Magistratsrat Unterberger wiederholte in seinem
Referat die weiter oben schon genannten Beweggründe der
Stadt Feldkirch für einen Zusammenschluss mit Tosters.
Die Frage der Nutzungsrechte der Aktivbürger bezeichnete
er als „Kardinalpunkt“ in den Verhandlungen. Als Ergebnis
der Verhandlungen zwischen den beiden Komitees nannte
er die Wahrung der Bürgernutzungen und deren Eigenverwaltung
durch Tostner. Er garantierte die Beibehaltung des
bisherigen Wasserzinses und die Selbstverwaltung des Kirchenvermögens
und der Stiftungen.
Vorsteher Geiger begründete seine bisherige Informationspolitik
damit, dass er die so bedeutsamen Verhandlungsergebnisse
in Frage der Bürgernutzungen zuerst den davon
Betroffenen, also den Aktivbürgern, mitteilen wollte. Er
bezeichnete übrigens die Aktivbürger als das „Gros“ der
Tostner Bürger. Leider hatte eine bei dieser Versammlung
durchgeführte Probeabstimmung ein negatives Ergebnis
erbracht, war also gegen eine Vereinigung ausgefallen. Aus
diesem Misserfolg hatte der Vorsteher geschlossen, dass
weitere Verhandlungen in der Vereinigungsfrage zwecklos
wären. Geiger befragte nun die Nicht-Aktivbürger, ob sie mit
der Einberufung einer allgemeinen Versammlung, also aller
Bürger von Tosters, einverstanden wären, was von den Anwesenden
bejaht wurde.
In der nun folgenden Diskussion wurden Fragen zur Finanzlage
und zum Schuldenstand von Feldkirch gestellt. Der
Sparkassenbeamte Griss verglich daraufhin die Finanzlage
von Feldkirch und Tosters, wobei die Gemeinde Tosters
zwar keine Schulden hatte, von ihren Bewohnern trotzdem
295 Prozent Zuschläge auf die Staatsteuern verlangte, Feld-
Seite 239

Tosters 1936
kirch hingegen nur 240 Prozent. Griss stellte weitere Vergleiche
und Berechnungen zu den Gemeindefinanzen an,
die außer ihm wohl kaum jemand verstand. Angesprochen
wurde auch die Schulfrage in Tosters. Seebacher kritisierte
die Raumnot in der Schule und verlangte die Anstellung
eines zweiten Lehrers. 32 Kinder aus Tosters besuchten die
Schule in Feldkirch. Das Schulproblem in Tosters blieb dann
auch nach 1925 bestehen und scheint die Stadtvertretung
von Groß-Feldkirch nicht beschäftigt zu haben. Erst 1957,
also 32 Jahre nach der Vereinigung, erbaute die Stadt Feldkirch
in Tosters eine neue Schule.
Hintergrund dieser Uneinigkeit in Tosters selbst war ein
sehr alter Streit zwischen den Aktivbürgern, Nachkommen
jener 53 Familien, die 1819 vom Staat den ehemaligen Egelsee,
der zu einem Ried geworden war, als Weideflächen
gekauft hatten und jenen Familien, die zwar in Tosters
wohnten und ein Heimatrecht hatten, aber von der Nutzung
der Gemeindeweide ausgeschlossen waren. Diese Streitigkeiten
begannen 1850 und setzten sich durch das ganze 19.
Jahrhundert hindurch fort. Ende des 19. Jahrhunderts setzte
dann besonders in der Parzelle Breiter Wasen ein Zuzug von
Beamten und Feldkircher Bürgern ein, die dort Häuser errichteten
und natürlich auch ihre Interessen im Bauerndorf
Tosters vertreten wollten 68 Die Verhandlungen mit Tosters
gestalteten sich durch das Vorhandensein von zwei Gruppierungen
schwierig.
Während des Ersten Weltkrieges ruhten die Verhandlungen
zwischen Feldkirch und Tosters. 1918 regte die Firma Seraphin
Pümpel an, die in Tosters einen Betrieb führte, die
Notbrücke aus dem Jahre 1910 durch einen Neubau zu ersetzen.
Im gleichen Schreiben forderte das Unternehmen
die Wiederaufnahme der Verhandlungen zur Vereinigung
von Tosters und Feldkirch an. Pümpel schlug aber vor, von
Tosters lediglich das Gebiet bis zur Eisenbahn zu erbeten,
wofür Tosters von der Bezahlung der Brückenbaukosten
befreit werden sollte. Pümpel gibt übrigens an, dass die
Verhandlungen zur „Einverleibung“ von Tosters, also vor
dem Ersten Weltkrieg gescheitert waren. Es kann daraus
Seite 240
geschlossen werden, dass sich 1914 die Aktivbürger und
Nichtaktivbürger untereinander und letztendlich Tosters
mit Feldkirch nicht einigen konnten.
Im August 1919 kam es zu einem Treffen von Vertretern beider
Gemeinden wegen der Wuhrung am linken Illufer im
Bereich unterhalb des Kapfes. Der Gemeinde Tosters war
eine vorschussweise Beitragsleistung von 20.000 Kronen
für diese Wuhrarbeiten zu hoch bzw. war man der Meinung,
dass Feldkirch diese Unkosten zu bezahlen hätte, da es in
diesem Gebiet ja der Grundbesitzer wäre. Die Feldkircher
vertraten natürlich eine andere Meinung. Bei diesem Gespräch
regte der Gemeindevorsteher Alfons Walser an,
mit der Stadt wegen einer „eventuellen“ Einverleibung
der Parzelle „Breiter Wasen“ einschließlich der Au in Verhandlung
zu treten. Die Feldkircher Vertreter konnten dazu
nichts sagen, wollten die Angelegenheit aber an das „Einverleibungskomitee“
weiterleiten und luden die Tostner zu
einem weiteren Treffen ein. Pümpel hatte 1918 also mit seiner
Vermutung Recht, dass Tosters bereit wäre, das Gebiet
zwischen Kapf und Eisenbahnlinie abzugeben.
Am 20. Oktober 1919 fand dann eine Besprechung wegen
Abtretung des Gebietes vom Breiten Wasen bis zur Eisenbahnlinie
und der Au tatsächlich statt. Nach dem letzten
Treffen im August hatte das Stadtbauamt eine Skizze dieses
Gebietes erstellt und der Gemeinde Tosters zugesandt.
Stadtrat Anton Gohm sprach gleich zu Beginn der Sitzung
auf eine Bereinigung von ganz Tosters mit Feldkirch an und
vergaß natürlich nicht, sofort die Vorteile für beide Seiten
zu erwähnen. Bürgermeister Unterberger erhoffte sich von
der Verlegung des Zollbahnhofes von Buchs nach Feldkirch
Vorteile. Oberoffizial Alois Seebacherr, der bereits 1914 eine
Sitzung einberufen hatte, pflichtete den Ausführungen des
Feldkircher Bürgermeisters zu und betonte, dass er von jeher
für einen Zusammenschluss der ganzen Gemeinde Tosters
mit Feldkirch eingetreten sei. Vorsteher Walser fand
eine Einverleibung für zweckmäßig, musste aber zuerst
Rücksprache mit der Gemeindevertretung und mit der Bevölkerung
halten. Josef Gopp aus Tosters bezweifelte, von

den Grundbesitzern eine Zustimmung zur Vereinigung mit
Feldkirch zu erhalten, da diese befürchteten, ihr Grundbesitz
werde zu Bauplätzen und sie selbst würden in das Ried
hinausgedrängt. Stadtrat Gohm bestritt dies und verwies
auf die Riedentwässerung, die Tosters alleine nicht durchführen
könne, eine „größere Körperschaft“ wie die vereinigten
Gemeinden schon. Die Tostner versprachen, die Eingemeindungsfrage
mit der Bevölkerung zu klären.
Am 15. Dezember 1919 kamen die beiden Ausschüsse wieder
zusammen. Stadtrat Gohm übergab an Vorsteher Walser
die Unterlagen des Vereinigungskomitees von Altenstadt
zum Studium. Weiters wurden die Rechnungsabschlüsse
und Vermögensbilanzen der städtischen Eigenbetriebe
übergeben. Die Tostner versprachen daraufhin ihre Budgetunterlagen
Feldkirch zu überlassen. Vorsteher Walser
sah die Bürgernutzungsrechte als größtes Hindernis bei der
Vereinigungsfrage und sagte über das Vertrauensverhältnis
zwischen Landbevölkerung und „Städtern“ Folgendes aus:
„Die Landbevölkerung setze in die Stadtbewohner wegen
Ueberredungskunst und Uebervorteilung ein gewisses
Misstrauen und befürchte, dass durch die Vereinigung die
Bürgernutzungsrechte verloren gehen oder gekürzt werden
könnten.“
Im Akt zur Vereinigung mit Tosters finden sich nach 1919
keine weiteren Unterlagen bis zum Jahre 1925. Am 17. März
1925 besprach die Gemeindevertretung von Tosters die Vereinbarungen
zwischen Feldkirch und Altenstadt Punkt für
Punkt und stimmte mit sieben gegen zwei Stimmen zu. Es
sollte noch eine Sitzung stattfinden, in der einzelne Abänderungen
für Tosters besprochen werden sollten. Es wurde
auch verlangt, die Vereinbarungen zwischen Feldkirch und
Tosters separat drucken und diese an die Bewohner von
Tosters austeilen zu lassen. 69 Man wollte damit die Bevölkerung
umfassend informieren. Am 2. April 1925 fand die
dritte Sitzung der Vereinigungsausschüsse von Feldkirch,
Altenstadt und Tosters statt, in der bereits die Modalitäten
der Volksabstimmung festgelegt wurden. Leider können wegen
völligen Fehlens der Quellen keinerlei Aussagen über
die sicherlich stattgefundenen Verhandlungen zwischen
Feldkirch und Tosters gemacht werden.
Das Votum der Tostner fiel mit überwältigender Mehrheit
für eine Vereinigung aus. Von 313 Stimmberechtigten sprachen
sich 286 für eine Vereinigung aus, was 91,3 Prozent
entspricht. 70
4. Verhandlungen mit Tisis
4.1. Die Parzelle Heiligkreuz
Die erste erfolgreiche Ausdehnung des Gemeindegebietes
von Feldkirch erfolgte 1896 mit dem Ankauf der Tisner Parzelle
„Heiligkreuz“ durch Feldkirch. Für die Stadtgemeinde
Feldkirch waren damals nicht die wenigen alten Häuser
dieses Weilers, sondern die unverbauten Wiesen und Weiden
der Flur Reichenfeld interessant, die ja damals vom Abhang
des Nenzengastwaldes über das heutige Reichenfeld,
die heutigen Verwaltungsgebäude des Landesgerichtes,
der Finanzlandesdirektion bis zu den Wohnhäusern an der
Liechtensteinerstraße reichten.
Die Idee eines Anschlusses von Heiligkreuz an Feldkirch
tauchte erstmals in der Stadtvertretungssitzung vom 29.
Dezember 1891 auf, als ein Antrag von Ludwig Wachter wegen
Erbauung einer Brücke beim Wassertor in das gegenüberliegende
Reichenfeld diskutiert wurde. Philipp Kraft
stellte den Zusatzantrag, mit Tisis Verhandlungen wegen
Abtretung von Heiligkreuz aufzunehmen. Der Antrag wurde
einstimmig angenommen und ein Komitee für Verhandlungen
bestimmt. 71
Die Stadtvertretung verhandelte erstmals 1892 mit Tisis.
Am 17. Oktober 1892 informierte Philipp Krapf als Komiteesprecher
die Stadtvertretung über die Verhandlungen mit
Tisis wegen Einverleibung von Heiligkreuz. Details werden
im Protokoll aber nicht genannt. Man beschloss, mit den
Grundbesitzern im Reichenfeld zuerst zu verhandeln wegen
Seite 241

deren Angeboten über Baugrundstücke. Erst nach Vorliegen
einer für eine Bautätigkeit in Heiligkreuz realistischen
Offerte sollte der Erwerb dieser Parzelle weiterverfolgt werden.
72 In der Stadtvertretungssitzung vom 10. März 1893 berichtete
der Obmann des Wassertorbrücken-Komitees über
die Möglichkeit eines Erwerbes der Parzelle Heiligkreuz von
der Gemeinde Tisis. 73 Er erinnerte an eine von 300 Feldkircher
Bürgern im Jahre 1891 übergebene Petition, in der
Verhandlungen wegen der Erbauung einer neuen Brücke
beim Wassertor in das Reichenfeld und die Erbauung einer
Straße durch das Reichenfeld gefordert wurde. Anlass dazu
war das Projekt eines Neubaus sowie einer Tieferlegung
der alten Heiligkreuzer Brücke. Ein von der Stadtvertretung
beauftragtes Komitee nahm Verhandlungen mit Tisis wegen
des Kaufes der Parzelle Heiligkreuz auf. Am 10. März 1893
konnte über die Verhandlungen mit den Grundbesitzern,
darunter der Feldkircher Schäflewirt Anton Weinzierl, die
Erben von Carl Ganahl, ein Martin Wagner und eine Francisca
Stutz berichtet werden. Auffallend, dass zwei bekannte
Feldkircher Familien, Weinzierl und Ganahl, unter den
Grundbesitzern waren. Details zu den Verkaufsangeboten
sind leider nicht dokumentiert.
Mit Tisis konnten die Verkaufsgespräche erfolgreich abgeschlossen
werden. Die Tisner Gemeindevertretung hatte am
16. August 1892 unter gewissen Bedingungen zugestimmt.
Die Bevölkerung von Heiligkreuz sollte das Feldkircher Bürgerrecht
erhalten, eine jährliche Rente von 1400 Gulden als
Ablösesumme war an die Tisner Gemeindekasse zu zahlen,
alle durch die Eingemeindung entstehenden Unkosten
waren durch den Käufer zu bezahlen. Das Komitee hatte
alle möglichen Kosten, vom Brückenbau beim Wassertor,
Grundablösekosten und Straßenbaukosten ermittelt. Genauso
wurden dauernde Auslagen wie die jährliche Rente
an Tisis, Armenversorgung, Wasserzufuhr, Beleuchtung,
Bürgerholz, Straßenerhaltungskosten, ja sogar der Zinsendienst,
errechnet und mit den zu erwartenden Steuereinnahmen
verglichen. Man war sogar so weit gegangen,
über das Verfachbuch, den Vorgänger des Grundbuches,
und andere öffentliche Dokumente die Vermögensverhält-
Seite 242
Antoniushaus und Lehrerseminar
in Tisis um 1907
nisse der Bewohner von Heiligkreuz zu ermitteln, um damit
die Steuerkraft dieser Parzelle zu errechnen. Diese Ermittlungen
müssen bekannt geworden sein, da eine Broschüre
die Einschätzung der Steuerkraft und damit das Komitee
anzweifelte. Einer der Verfasser dieses leider nicht erhalten
gebliebenen Druckwerkes war übrigens Dr. Johann Bergmeister
aus Levis, ein Stadtvertreter der liberalen Partei.
Eine zweite Broschüre verfasste Lehrer Wachter. Alle in der
Broschüre genannten Bedenken versuchte Dr. Christian
Wimmer, der ein Befürworter der Einverleibung war, zu zerstreuen.
Die vom Komitee ermittelten laufenden Ausgaben
schätzte er als zu hoch ein, er ging sogar so weit zynisch zu
prophezeien, dass die zwei im Tisner Armenhaus lebenden
Bewohner von Heiligkreuz nicht mehr allzu lange die Armenversorgung
genießen werden. Am Schluss seiner Rede
meinte Dr. Wimmer, dass Heiligkreuz für die Entwicklung
von Feldkirch von großer Bedeutung sein werde, da dort genügend
Baugründe zu vernünftigen Preisen vorhanden wären.
Eine andere Ausweitung des Stadtgebietes erachtete er
„ aller Wahrscheinlichkeit nach für immer ausgeschlossen“.
In der anschließenden offenen Diskussion sprach sich der
Liberale Dr. Bergmeister gegen den Kauf von Heiligkreuz
aus. Er bemängelte, dass die Bewohner von Heiligkreuz ja
gar nicht Bürger von Feldkirch werden wollen, einige sogar
einen Rekurs an den Landesausschuss gerichtet hätten. Die
Entscheidung des Landesausschusses sollte erst abgewartet
werden. Er hegte auch noch Hoffnungen für einen Anschluss
von Levis. Er begründete dies mit Gerüchten über
eine in Altenstadt herrschende gute Stimmung für eine
Abtretung von Levis. Dr. Wimmer sprach sich nochmals
für den Anschluss von Heiligkreuz aus. Für ihn war damals
„der günstige Moment, wo Heiligkreuz noch um einen angemeßenen
Preis zu erhalten sei“. Stadtvertreter Johann
Drexel sprach sich für die Eingemeindung aus, erachtete
Heiligkreuz als ideales Gebiet für zukünftige Bautätigkeit.
Auch Stadtvertreter Eduard Vallaster äußerte sich in diesem
Sinne.

Eingemeindung von "Heiligkreuz",
Stadterweiterung über die Ill
Bürgermeister Arnold Ganahl, der in der Broschüre Wachters
angegriffen worden war, sah sich dann zu einer Stellungnahme
veranlasst. Er nahm für sich in Anspruch, der
„geistige Vater“ dieses Anschlussgedankens von Heiligkreuz
gewesen zu sein. Die Idee dazu kam ihm bei der letzten
Volkszählung, die nur ein ganz geringes Bevölkerungswachstum
auswies. Nur durch eine Gebietserweiterung war
auch eine Zunahme der Bevölkerung möglich, und da Bürgermeister
Ganahl einen Anschluss von Levis als unerreichbar
ansah, konnte nach seiner Meinung nur ein Ankauf von
Heiligkreuz die gewünschte Gebietserweiterung bringen. Er
meinte, dass der Gebietszuwachs von 88 Joch und eine Zunahme
der Bevölkerung um 474 Personen die jährlich aufzubringenden
Gelder wert wären. Ganahl kritisierte daraufhin
die zweite Broschüre und nahm das Anschluss-Komitee
der Stadtvertretung in Schutz, ja lobte dessen „skrupulöse“
Genauigkeit bei der Erhebung der Fakten und Zahlen. Ganahl
entkräftete dann alle in der Broschüre genannten Behauptungen
bzw. Vorwürfe wie Steuererhöhungen.
Stadtvertreter Ludwig Wachter sah keinerlei Chancen auf
Einverleibung von Levis, da bisher alle Verhandlungen
an den „exorbitanten Forderungen“ der Altenstädter gescheitert
seien. Eine Erweiterung des Gemeindegebietes
war aber seiner Meinung nach unumgänglich. Der alte
Stadtarzt Dr. Gebhard Beck glaubte nicht an einen großen
Aufschwung durch den Erwerb von Heiligkreuz. 74 Er meinte
dazu: „ Heiligkreuz sei seit Menschengedenken gleich geblieben,
in den letzten 60 – 70 Jahren seien dort nur ganz
wenig neue Häuser gebaut worden, trotzdem der Verkehr
in früheren Jahren nach Liechtenstein und der Schweiz viel
bedeutender war als jetzt.“ Er konstatierte, dass die Bautätigkeit
dem Verkehr nachgehe und daher neue Bauten in
Levis, in der Nähe des Bahnhofs, entstehen.
Bei der Abstimmung sprachen sich 13 gegen und 10 für eine
Einverleibung von Heiligkreuz aus.
Drei Jahre später wurde dieses Thema wiederum aufgegriffen
und in der Stadtvertretung besprochen. Die Redner, Befürworter
und Gegner, sind dieselben wie 1893, auch ihre
Argumente ähnlich.
Recht interessant sind die in der Stadtvertretung vom 18.
April 1896 geführten Diskussionen zu diesem Thema, da es
Befürworter und Gegner eines Anschlusses von Heiligkreuz
gab. So hatte Dr. Bergmeister Bedenken wegen der Heimatrechtserteilung
an die in Heiligkreuz lebenden Arbeiter. Der
Bürgermeister machte sich wegen eines Dutzends Arbeiter
keine Sorgen und verwies auf die 1896 geplante Vereinigung
von Bregenz und Rieden, wo sehr viele Arbeiter wohnten. 75
Diese Bedenken hängen mit dem durch das Heimatrecht
verbundenen Anspruch auf Armen- und Krankenversorgung
zusammen. Eine Zunahme der Heimatberechtigten
konnte natürlich auch eine Erhöhung der von der Stadt zu
tragenden Sozialkosten bedeuten. Josef Peter Leone meinte,
dass nur sehr wenig Grund gewonnen werden könnte,
da das Reichenfeld großteils im Besitz der Jesuiten war. Dr.
Wimmer bestritt dies und verwies auf die sehr guten und
sonnigen Baugründe im Reichenfeld. Dr. Gebhard Beck
meinte, dass der allgemeine Zug nach Levis gehe und man
sich auf den Erwerb von Levis konzentrieren soll. Dr. Wimmer
erwiderte darauf, dass die „Annexion“ von Heiligkreuz
ja die Vereinigung mit Levis nicht ausschließe und stellte
darauf den Antrag an den Stadtmagistrat, die Erweiterung
des Gemeindegebietes um Levis nicht außer Acht zu lassen.
Bürgermeister Ganahl konnte daraufhin mitteilen, dass er
gemäß des Stadtvertretungsbeschlusses vom 20. Dezember
1895 eine energische Beschwerde wegen der in Levis
herrschenden Missstände an den Landesausschuss geschickt
habe. Die Abstimmung über den Ankauf der Parzelle
Heiligkreuz wurde mit 18 zu 5 Stimmen angenommen. 76
Die Gemeindevertretung von Tisis unter Vorsteher Andre
Gut besprach am 8. Mai 1896 den Vereinbarungstext mit
Feldkirch. Vorsteher Gut berichtete von Gesprächen, die er
erst vor wenigen Tagen mit dem Feldkircher Bürgermeister
Seite 243

Arnold Ganahl geführt hatte und verwies auf die „lange gepflogenen
und erwogenen Verhandlungen“ im Jahre 1892 in
dieser Abtretungsfrage.
Die Tisner Gemeindevertretung stimmte dann einstimmig
dem Verkauf von Heiligkreuz zu.
Die Stadt ließ dann am 10. Juni 1896 folgenden Beschluss
über den Kauf von Heiligkreuz kundmachen: 77
1. Aufnahme der in Heiligkreuz Heimatberechtigten in den
Bürgerverband von Feldkirch.
2. Für die Abtretung ist an die Gemeinde Tisis eine jährliche
Rente von 1400 Gulden zu bezahlen, fällig in jenem
Jahr in dem Feldkirch erstmals die Gemeindesteuern in
Heiligkreuz einhebt. Es besteht das Recht, die Rente als
Kapital abzulösen.
Feldkirch übernahm auch alle entstehenden Unkosten für
die politische und pfarrliche Einverleibung.
Die Statthalterei für Tirol und Vorarlberg gab am 28. Juli und
der Landesausschuss am 8. August 1896 die Zustimmung
zur Einverleibung von Heiligkreuz durch Feldkirch.
Die kirchliche Einverleibung der bisher zur Pfarre Tisis gehörenden
Parzelle Heiligkreuz zur Pfarre St. Nikolaus Feldkirch
erfolgte 1897, die Übergabe des Kirchenvermögens
samt Abrechnungen erst 1902. 78
Dieser Verkauf eines ganzen Ortsteiles soll den Tisnern
angeblich den Übernamen „Seelenverkäufer“ eingetragen
haben. 79
4.2. Vereinigung mit der Gemeinde Tisis
Während mit Gemeindevertretern aus Altenstadt, Levis und
Tosters jahrelange Gespräche in der Vereinigungsfrage geführt
wurden, gab es scheinbar keine Kontakte mit Tisis. In
Seite 244
den Zeitungsartikeln zum Thema Vereinigung wird erstmals
am 25. März 1925 die „Einverleibung“ von Tisis angeregt.
Am 11. April desselben Jahres berichtet der Feldkircher Anzeiger
von einer Einladung an Tisis, sich zu einem Zusammenschluss
zu äußern. Die Gemeindevertretung von Tisis
besprach am 15. April 1925 die Zuschrift der Stadtgemeinde
Feldkirch wegen der Vereinigung. Es wurde ein Verhandlungskomitee
bestimmt, das aus dem Gemeindevorsteher
Anton Fritsch, Emil Gsteu, Josef Mähr, Franz Loacker und
Josef Selb bestand. 80 Am 28. April gaben die Tisner bekannt,
mit Feldkirch in Verhandlungen treten zu wollen.
Am 5. Mai 1925 kam es dann zu einem ersten Treffen der
beiden Vereinigungsausschüsse im Feldkircher Rathaus.
Für Feldkirch verhandelten Bürgermeister Anton Gohm,
der Rechtsanwalt Dr. Augustin Tarter, Stadtrat Steck, Paul
Büchel und Karl Frank. Als Verhandlungsbasis diente der
den Tisnern zugesandte Vereinigungsvertrag mit Tosters
und Altenstadt. Die Tisner nahmen zu den einzelnen Punkten
des Vertrages Stellung und legten ihre Wünsche vor. So
forderten sie eine Übertragung der für einen Kirchenbau
erworbenen Grundstücke und die dem Armenfonds gehörenden
Liegenschaften in den Besitz der Kultusgemeinde
Tisis. Die Feldkircher stimmten dem zu und versprachen
wegen rechtlicher Probleme bei anderen Besitzübergaben
die Landesregierung zu kontaktieren. Die Tisner äußerten
dann konkrete Wünsche bezüglich Straßenbau, Verkehr
und anderen kommunalem Angelegenheiten. Diese konkreten
Maßnahmen wurden dann auch in den Vertrag
aufgenommen. Der Tisner Gemeindeausschuss verlangte,
durch die Illwuhrungen nicht belastet zu werden, was Feldkirch
aber vehement ablehnte.
Am 14. Mai 1925 gab es im Gasthaus Letzebühel in Tisis ein
zweites Treffen der Vereinigungsausschüsse. Es wurde die
Frage des Vermögens der Bürgergemeinde beraten und die
Gründung eines Verwaltungsausschusses für die Waldnutzungen
beschlossen. Als Rechtsgrundlage sollten die bestehenden
Statuten und die 1911 von der Gemeindevertretung
beschlossenen Regelungen gelten. Die Beibehaltung

Tisis mit der alten Pfarrkirche St. Michael
der Schule und die Belieferung mit Schulmitteln durch die
Stadtgemeinde wurden garantiert. Die Erhaltungspflicht
der historischen Kirche St. Michael durch die Stadt Feldkirch
wurde von den Tisnern gefordert und in den Vertrag
aufgenommen.
In der Gemeindevertretungssitzung vom 18. Mai 1925
wurden die vorgelegten Vereinbarungen über den Zusammenschluss
von Feldkirch und Tisis mit einer Ergänzung
einstimmig angenommen. Es wurde auch festgelegt, dass
im Falle einer Vereinigung die jährlich von der Stadt Feldkirch
zu bezahlende Ablösesumme für Heiligkreuz der neu
zu errichtenden Kultusgemeinde Tisis zufallen solle. Die
Feldkircher Stadtvertretung stimmte am 23. Mai 1925 der
Vereinigung mit Tisis zu, legte den Termin der Volksabstimmung
fest und informierte die Landesregierung. Die noch
amtierende Gemeindevertretung von Tosters stimmte in der
Sitzung vom 22. Mai der Vereinigung mit Tisis zu. 81
Am 1. Juni 1925, einem Pfingstmontag, fand dann eine
Volksabstimmung über den Anschluss von Tisis statt. Um
16 Uhr gaben Böllerschüsse von der Schattenburg den erfreulichen
Ausgang der Abstimmung bekannt. Die Harmoniemusik
Feldkirch zog mit klingendem Spiel nach Tisis und
die Musikkapelle Tisis marschierte nach Feldkirch-Stadt. In
Feldkirch stimmten 2.360 Personen mit Ja, vier mit Nein. In
Tisis stimmten von 381 Stimmberechtigten 355 Personen
mit Ja, 25 mit Nein. In Tosters erschienen von 380 Stimmberechtigten
lediglich 108 zur Abstimmung, 100 votierten
mit Ja, sieben mit Nein und eine Stimme war ungültig. Die
nicht zur Wahl erschienen 272 Personen wurden, wie vereinbart
und veröffentlicht, zur Mehrheit gezählt, was dann
zum Wahlergebnis von 300 Ja – Stimmen und sieben Nein
– Stimmen führte. In Altenstadt war das Interesse der Bevölkerung
an der Volksabstimmung kaum vorhanden. Von
3206 Wahlberechtigten erschienen lediglich 258 zur Wahl,
davon stimmten 246 mit ja und 12 mit nein. Die 2948 nicht
zur Abstimmung erschienen Personen wurden zur Mehrheit
hinzugezählt, 3194 Ja - Stimmen. Es sprachen sich 2719 Personen
für und 12 gegen eine Vereinigung mit Tisis aus. 82
5. Chronologie des Jahres 1925
Seit dem Frühjahr 1925 waren sich die Verhandlungspartner
über einen Zusammenschluss einig und begannen mit
einer Informationskampagne.
Am 25. Februar sprach der Lindauer Oberbürgermeister
Ludwig Siebert im Feldkircher Ratssaal über die Vereinigung
Lindaus mit Aeschach, Reutin und Hoyern im Jahre
1922. 83 Die Zuhörerschaft setzte sich aus Mitgliedern der
Feldkircher Stadtvertretung sowie der Altenstädter Gemeindevertretung
zusammen. Nach einem historischen Rückblick
brachte er als Argument für die Vereinigung die völlig
andere Geltung, die eine Gemeinde mit 15.000 Einwohnern
erlangen könne. Weiters verwies er auf die wirtschaftlichen
Vorteile und vor allem auf die Linderung der Wohnungsnot,
die durch die Vereinigung gelang. Vermutlich bewusst auf
die Feldkircher Verhältnisse und Ängste abgestimmt war
sein Bericht über die Zusammensetzung des Lindauer
Stadtrates. Von den 30 Mitgliedern stammten 13 aus Alt-
Lindau und 17 aus dem „Anschlussgebiet“.
Dem Feldkircher Anzeiger kam in dieser Zeit eine wichtige
Rolle als Informationsträger zu. Dort wurden Artikel für und
gegen die Vereinigung abgedruckt.
Am 25. März veröffentlichte dieses Lokalblatt eine kritische
Lesermeinung über die Vereinigungsfrage. Der Unbekannte
behauptete, dass in der städtischen Bevölkerung eine geteilte
Meinung über einen Zusammenschluss aller Gemeinden
herrsche. Gegen einen Anschluss von Levis und „allenfalls“
Altenstadt war scheinbar nichts einzuwenden, von
einer Vereinigung mit Nofels und Gisingen waren angeblich
nicht alle Feldkircher begeistert. Als Ursache für diese Skepsis
nennt er die gegensätzlichen Interessen zwischen der
städtischen und bäuerlichen Bevölkerung, die sich nicht
vereinen lassen. Der Autor fürchtet, dass dieser Gegensatz
in einer zukünftigen Stadtvertretung für Feldkirch schwere
Folgen zeigen würde, da die Vertreter der Bauerndörfer dort
die Mehrheit hätten.
Seite 245

Erheiternd ist die Einstufung eines Anschlusses von Gisingen
und Nofels als unnatürlich da „ein förmlicher Berg
trennt diese Orte von Feldkirch“. Ähnliche Argumente waren
bekanntlich auch gegen den Bau eines Tunnels durch den
Arlberg zu hören.
Angeblich gab es auch in Gisingen Gegner eines Anschlusses,
während der Artikelschreiber in Tosters eine Bewegung
für die Vereinigung ausgemacht hatte. Als Lösung
dieses Interessenkonfliktes schlug er die Bildung einer
eigenen Gemeinde, bestehend aus Nofels, Gisingen und
Tosters vor.
Gegen diesen einseitigen Artikel erschienen am 28. März
1925 zwei Gegenäußerungen, wiederum anonym. Der eine
Artikel erinnerte an die Hochwasserkatastrophen der Jahre
1910, 1912, 1918 und 1922 und die uneinige Haltung der
betroffenen Gemeinden Altenstadt und Tosters, die einzeln
und mit Verzögerung um Hilfe und Gegenmaßnahmen
baten. Interessant ist die Bemerkung, dass Vertreter der
Stadt Feldkirch, obwohl nicht dazu verpflichtet, sich darum
bemühten, ihre einflussreichen Freunde in den Ministerien
einzuschalten, um eine gemeinsame Lösung zu finden,
das heißt den Illdamm zu errichten. Dieses Beispiel nannte
der Autor bewusst, um zu zeigen, dass nur durch den
Zusammenschluss der beteiligten Dörfer zu einer großen
einheitlichen Gemeinde derartige Probleme zu lösen wären.
Konkret umschrieb er dies mit dem Begriff „Stoßkraft“,
was sich zu einem Lieblingswort der Vereinigungsbefürworter
entwickeln sollte. In den Zeitungsartikeln und auch in
den Informationsschriften bzw. Informationszetteln wurde
die „Stoßkraft“ einer größeren, bevölkerungsreichen Gemeinde
als erstes Argument angeführt. Dieser militärische
Ausdruck hatte sich in den Köpfen der ehemaligen Soldaten
des Ersten Weltkrieges derart eingeprägt, dass er 1925 sich
in den Argumentationen wiederfand.
Gegen das Gespenst einer Übermacht der Altenstädter,
Gisinger und Nofler in der zukünftigen Gemeindevertretung
wurden Zahlen gegeneinander gestellt. 6.600 Feldkirchern
Seite 246
Anton Gohm
und Levnern standen 4.400 „ländliche Einwohner“ gegenüber.
Die Interessen und das Vorgehen der Levner werden
als völlig identisch mit Feldkirch eingestuft. Als einheitlich
bezeichnet der Autor auch die Interessenslage der Landgemeinde
ein, was sowohl den Kampf gegen die Naturgewalt
der Ill, wie auch wirtschaftliche und verkehrstechnische
Angelegenheiten betrifft. Auch Schlagworte wie Heimatliebe
und Heimatstolz fallen. Als Beispiel für das gelungene,
einmütige Nebeneinander von Landwirten und Bürgern
wird Dornbirn genannt. Als ein Hauptargument für einen
Zusammenschluss mit Altenstadt wird die Erreichung einer
Einwohnerzahl von 10.000 genannt, da dadurch die finanziellen
Zuwendungen des Bundes eine derartige Höhe erreichen,
dass man damit den höheren Gemeindeaufwand
decken könnte.
Der Beitrag endet mit einem Zitat des Lindauer Oberbürgermeisters
Ludwig Siebert: „Nur die Einigkeit, nur das Zusammenhalten,
nur das Streben zum Ganzen kann uns aus
der heutigen schweren Zeit retten.“ Wenn auch dieser Text
anonym verfasst ist, lassen der Inhalt und die Wortwahl auf
einen Autor aus dem Bereich der politisch Verantwortlichen
in Feldkirch schließen.
Der zweite Autor verweist auf die Notwendigkeit einer Verbindung
mit Tosters, da nur dort in unmittelbarer Stadtnähe
genügend Fläche für einen geplanten Grenz- und Zollbahnhof
vorhanden wäre. 84
Weitere Artikel zu diesem Thema, als „Meldungen“ bezeichnet,
erschienen am 1. und 4. April 1925 im Lokalblatt.
Mit Informationsabenden wurde anfangs April begonnen.
Im Levner Gasthaus „Krönele“ sprachen am 3. April 1925
die Gemeinderäte Scheidbach und Bürkle über die Vereinigungsfrage.
Der „Vorkämpfer“ Bürkle sprach zuerst über
die jahrzehntelangen Bemühungen um den Zusammenschluss
wie auch über die durch diese Verzögerung entstandenen
Nachteile für Feldkirch. Scheidbach referierte über
rechtliche Fragen und erläuterte die Verträge zwischen den
Gemeinden. 85

Stefan Allgäuer
Am 14. April veranstaltete der Christlichsoziale Volksverein
in Altenstadt eine Versammlung zur Abstimmungsfrage. Es
soll durchaus bei der Diskussion Meinungsverschiedenheiten
gegeben haben, doch wurde eine positive Grundstimmung
festgestellt. Der Wahlspruch soll gelautet haben:
„Am 26. April stimmen wir mit Ja.“ 86
Am 19. April gab es im Gisinger Gasthaus „Engel“ eine Versammlung,
in der Gemeindevorsteher Johann Kühne über
die Vereinigungsfrage informierte. Nach einem historischen
Rückblick sprach Kühne über die gemeinsamen Vorteile
für beide Gemeinden und die besonderen Vorteile für Altenstadt.
Besonders ausführlich sprach er über den wohl
wichtigsten Punkt des Vereinigungsvertrages, die Regelung
und Erhaltung der Bürgernutzungen. Für die damals fast
rein agrarisch eingestellte Bevölkerung war die garantierte
Beibehaltung der Bürgernutzungen unter einer autonomen
Verwaltung ein wichtiges Anliegen. Der aus Gisingen stammende,
aber in Rankweil tätige Dr. Franz Schöch trat als
vehementer Gegner der Vereinigung auf, der für die Beibehaltung
der Selbständigkeit von Altenstadt eintrat. Schöch
musste sich dann vom sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten
Rauscher den Vorwurf gefallen lassen, durch
seine Gegnerschaft die Mitbürger sowie deren Kinder zu
schädigen. Die in Gisingen anwesenden Vertreter Feldkirchs,
Bürgermeister Gohm und Stadtrat Gruber, wiesen
nach, dass Feldkirch durch die Schaffung von wirtschaftlichen
Unternehmen wesentlich mehr für die Gemeinde zu
leisten vermochte als die Nachbargemeinde Altenstadt. Sie
verglichen auch die Zuschläge auf die Steuern, die in Feldkirch
lediglich 1,3-fach waren, während Altenstadt einen
Zuschlag von 3,6 hatte.
In Nofels fand am 22. April im Gasthaus „Bad Nofels“ eine
öffentliche Informationsversammlung statt. 87
Am 23. April gab es im Gasthaus „Kreuz“ in Altenstadt eine
Versammlung, bei der der christlichsoziale Landtagsabgeordnete
Stefan Allgäuer über die Vereinigungsfrage sprach.
Festredner war der Lindauer Oberbürgermeister Ludwig
Siebert, der über seine Erfahrungen mit der Eingemeindung
von Aeschach, Hoyern und Reutin sprach.
Am 21. April referierte der Feldkircher Rechtsanwalt Dr. August
Tarter über den Inhalt der Vereinigungsverträge, die er
ja selbst ausgearbeitet hatte. Wiederum trat Oberbürgermeister
Siebert als Redner auf.
In Tosters gab es zwei Veranstaltungen, eine für die Gemeindebürger,
in der der Gemeindevorsteher Geiger sprach
und eine zweite für die „Heimatberechtigten“, bei der der
Rechnungsdirektor Theodor Hoinkes über den Vereinigungsvertrag
referierte. Die Spaltung der Gemeinde Tosters
in zweierlei Klassen von Bürgern war auch bei dieser Veranstaltung
offensichtlich.
In Nofels fand am 22. April eine Informationsveranstaltung
statt, die von Ferdinand Lins geleitet wurde. Als Redner
traten der Gemeindevorsteher von Altenstadt, Johann
Kühne, weiters aus Feldkirch Bürgermeister Anton Gohm
und Stadtrat Hermann Steck. Weitere Redner waren Basil
Büchel und A. Stieger aus Nofels auf. Hauptargumente der
Redner waren die wirtschaftlichen und kulturellen Vorteile
für jeden Einzelnen, die ein Zusammenschluss der Gemeinden
bieten würde. Die letzte „Volksversammlung“ fand am
25. April im Gasthaus „Rose“ in Levis statt.
Alle diese Versammlungen fanden in der letzten Woche vor
der Abstimmung statt, viel Zeit zum Nachdenken blieb den
abstimmungsberechtigten Bürgern also nicht.
Einen Tag vor der Abstimmung, am 25. April, wurde auf der
Titelseite des Feldkircher Anzeigers ein Aufruf mit großen,
fettgedruckten Lettern veröffentlicht, in dem jeder Wahlberechtigte
zur Stimmabgabe aufgefordert wurde. Der Text sei
hier wiedergegeben:
Feldkirch steht vor einem Wendepunkte!
Morgen Sonntag findet die Abstimmung über die Vereinigung
Feldkirchs mit Altenstadt und Tosters statt. Wohl kein
Seite 247

Bewohner wird die Bedeutung und Tragweite dieser Frage
unterschätzen. Es ist daher anzunehmen, daß jede wahlberechtigte
Person zur Abstimmung erscheint, wenn auch
kein Zwang besteht, damit der Volkswille klar zum Ausdruck
kommt. Die Frage erscheint doch wichtig genug, daß man
diesen klaren Gang sich leistet. Die Aufklärung, die durch
Versammlungen und insbesondere durch die Presse gegeben
wurden, haben wohl jedem Wahlberechtigten soviel
Klarheit gebracht, daß er heute leicht entscheiden kann, wie
er sich zu dieser hochwichtigen, bedeutungsvollen Frage,
die unzweifelhaft eine Lebensfrage für die Stadt Feldkirch
bedeutet, zu stellen hat; jedenfalls soll er zur Abstimmung
schreiten. Das ist moralische Pflicht!“
In derselben Ausgabe schaltete auch der „Deutsche Volksverein“,
die Großdeutschen, ein Inserat, wiederum mit
fettgedruckten Lettern. Auch dieses Inserat verdient wegen
seiner Sprache und der Ziele in seinem vollen Wortlaut zitiert
zu werden:
„Liebwerte, deutsche Volksgefährten!
Morgen fällt die Entscheidung darüber:ob Feldkirch wieder
eingereiht werden soll in die geschichtliche Stellung, die
ihm in unserem Heimatlande gebührt und nicht von den
Nachbarstädten überflügelt und zurückgedrängt werden
soll; ob Feldkirch wirtschaftlich und geistig blühen und sich
entfalten und nicht verdorren soll;
ob sich die Zukunft unseres Handels- und Gewerbestandes,
unserer Geistes- und Handarbeiter in wirtschaftlicher und
kultureller Hinsicht aufwärts bewegen soll. Wer das will,
stimme für die Vergrößerung Feldkirchs, stimme mit ja!
Morgen ist ein geschichtliche Tag; bleibe daher keiner daheim;
damit unsere Kinder und Kindeskinder einst sagen
können: ´Mein Vater und meine Mutter waren auch dabei´.
Feldkirch, den 25. April 1925. Deutscher Volksverein“
Zusätzlich zu diesen Versammlungen wurde ein Flugblatt
mit dem Titel „Einige Grundlagen und Leitsätze für die Vereinigung“
verteilt. 88 Inhalt waren eine Zusammenfassung
sowie ein Überblick über die Finanzgebarung der Gemein-
Seite 248
den Feldkirch und Altenstadt und eine Gegenüberstellung
der Vor- und Nachteile der Vereinigung. Im statistischen Teil
wurden zuerst die Einwohnerzahlen, 4898 in Feldkirch und
5724 in Altenstadt vorgestellt. Interessant auch die Anzahl
der an Gemeindebesitzungen nutzungsberechtigten Bürger:
in Feldkirch lediglich 275 Personen, also ca. 6 Prozent
und in Altenstadt 596 Personen, also an die 10 Prozent.
Feldkirch hatte eine Fläche von 130 Hektar, während Altenstadt
2460 Hektar Fläche hatte. Lediglich der Waldbesitz
der beiden Gemeinden war flächenmäßig fast ident, Feldkirch
mit 1.118 Hektar und Altenstadt mit 1087 Hektar. Bei
den Finanzzahlen wurden übrigens zweierlei Währungen
verwendet, neben der Goldkrone schon der am 1. Jänner
1925 eingeführte Schilling für die Budgetzahlen. 89 Der
Wert des Grundbesitzes der beiden Gemeinden war ebenfalls
sehr ähnlich: Feldkirchs Besitz wurde mit 1.300.000
Goldkronen und Altenstadt mit 1.700.000 Goldkronen geschätzt.
Die Vermögensbilanz der Stadt Feldkirch war durch
den Wert der städtischen Unternehmen in Höhe von 3,4
Millionen Kronen und den Wert des Hausbesitzes dreifach
so hoch wie die von Altenstadt. Auch beim Vergleich des
Budgets 1923 schnitt Feldkirch besser ab als Altenstadt.
Während Feldkirch einen Überschuss von 90.000 Schilling
erwirtschaftete, hatte Altenstadt ein Defizit. Auch bei den
Gemeindezuschlägen schnitt Feldkirch besser ab als Altenstadt.
Während die Feldkircher einen Zuschlag von 1,3
auf die zu zahlenden Staatssteuern hatten, waren es in
Altenstadt sogar 3,6. Als Vorteile der Vereinigung wurden
die Erhöhung der Stoßkraft im Allgemeinen, besonders
die ununterbrochene Fortführung der Illregulierung, die
Erhaltung des Bundesgymnasiums, der Bundesämter, der
Wirtschaftskammern, der Ausbau des Verkehrswesens, die
Verlegung des Zollbahnhofes von Buchs nach Feldkirch, die
Teerung der Reichsstraße und die Errichtung eines Bezirksspitals
genannt. Auch die Erhöhung des Bundesbeitrages,
vergleichbar mit dem heutigen Finanzausgleich, wurde
erhofft. Waren es im Jahre 1924 noch 723.800.000 Kronen
für beide Gemeinden zusammen, sollten diese auf eine
Milliarde Kronen (Inflationskronen) ansteigen. Den Altenstädtern
wurde eine Verringerung der Gemeindezuschlä-

Johann Kühne
ge versprochen. Den Mitgliedern der Kirchengemeinde
Gisingen wurde eine Ermäßigung der Kirchenzuschläge in
Aussicht gestellt. Zu dieser Zeit wurde ja die Finanzierung
des Kirchenaufwandes über Zuschläge zu den Staatsteuern
finanziert, die Kirchensteuer erst 1938 eingeführt. Die
wichtigste Aussage des Flugblattes war die grundbücherliche
Sicherstellung des durch Bürgernutzungsrechte belasteten
Gemeindegutes und deren Verwaltung durch ein
aus sieben Personen des Ortes bestehendes Gremium. Die
Erträge aus den kommunalen Unternehmen wie dem Forst,
dem Steinbruch sollte gesteigert werden und auf Wunsch
der betreffenden Ortsteile wurde eine bessere Versorgung
mit Trinkwasser und Kraftstrom versprochen. Angesprochen
fühlten sich hier wohl die Nofler und Gisinger, die Probleme
in der Wasserversorgung hatten und Ortsteile wie Hub, die
noch keinen Stromanschluss hatten. Tatsächlich wurden Gisingen
und Nofels nach der Vereinigung an das städtische
Wassernetz angeschlossen. 90 Auch eine fachliche Schulung
der Gewerbetreibenden und Landwirte wurde versprochen.
Durch die erhoffte Ansiedelung von Gewerbebetrieben erhoffte
man sich neue Verdienstmöglichkeiten, in Zeiten
wirtschaftlicher Not ein verständlicher Wunsch. Von der Vereinigung
wurde eine Belebung der Bauwirtschaft erhofft, da
es neue Baugründe in den noch unverbauten Flächen von
Tosters und Gisingen gab. 91
Neben der Illregulierung wurde auch die Rheintalentwässerung
versprochen, was man dann in Nofels – Bangs auch
umsetzte bzw. fortsetzte. 92
Nur wenige Nachteile kamen den Autoren des Flugblattes
in den Sinn. In Altenstadt wurde eine Einschränkung der
„Bequemlichkeit des Verkehres mit dem Gemeindeamt“
befürchtet, was man durch die Errichtung von Gemeindeamtsstellen
in Altenstadt, Gisingen und Nofels ausgleichen
wollte. Tatsächlich findet sich diese Zusage dann in den Vereinigungsverträgen.
Die Aufgabe der Selbständigkeit wurde durch eine gemeinsame
Selbständigkeit von Altenstadt und Feldkirch ersetzt.
Das Vorurteil, dass Städter und Bauern nicht zusammenpassen
würden und die Furcht vor einer Übervorteilung
wurde mit dem Hinweis auf das gute Zusammenleben
dieser beiden sozialen Gruppen in Dornbirn entkräftet.
Man verwies auch auf die gegenseitige Abhängigkeit von
Gewerbetreibenden und Landwirten. Patriotisch ist auch
der folgende Satz am Textende: „Alemannen sind es hier
und dort: Treue und Anhänglichkeit zur gemeinsamen Heimatgemeinde
und der gemeinsame Heimatstolz wird beide
Gruppen nur enger verbinden.“ Diese Berufung auf Heimat
und Heimatstolz ist wohl ein zeittypisches Phänomen der
1920-er Jahre, als die Heimatschutzbewegung florierte und
es auch eine Zeitschrift mit dem Titel „Heimat“ gab. 93 Beendet
wurde das Flugblatt mit dem oben schon zitierten
Aufruf von Oberbürgermeister Siebert zu Einigkeit und Zusammenhalt
in schwerer Zeit.
Bei der auf den 26. April festgelegten Volksabstimmung
war jeder österreichische Bundesbürger stimmberechtigt,
der am Stichtag 4. April in Feldkirch beheimatet und wahlberechtigt
war. Es wurden Abstimmungsausweise ausgegeben,
auf denen die vier Wahlsprengel und Wahllokale
Feldkirchs aufgedruckt waren. Die Abstimmung selbst war
geheim, auf dem Stimmzettel fanden sich die Vordrucke
„Ja“ und „Nein“, die angekreuzt werden mussten. In Altenstadt
wurden graue und in Tosters gelbe Stimmzettel
im Wahllokal an die Wähler ausgeteilt. Für unser heutiges
Verständnis ungewöhnlich ist die Zuzählung der nicht zur
Wahl erschienen Personen zur Mehrheit der abgegebenen
Stimmen. Die Wahllokale waren von 10 Uhr vormittags bis
13 Uhr 45 geöffnet. 94
Über das Ergebnis der Volksabstimmung berichtete der
Feldkircher Anzeiger am 29.April 1925 mit einer besonders
aufwändig gestalteten Titelseite, von einem roten Balken,
bestehend aus floralen Elementen, umrandet, geschmückt
mit dem Feldkircher Stadtwappen und dem Montforter
Banner. Die Überschrift lautete „Groß-Feldkirch“. In pathetischen
Worten wurde über die starke Beteiligung an der
Volksabstimmung berichtet und dieser Tag als Wendepunkt
Seite 249

in der Stadtgeschichte eingestuft. Beendet wurde dieser
feierliche Text mit den Worten: „Heil einer glücklichen Zukunft!“
Die Abstimmung war ruhig und reibungslos verlaufen,
obwohl am Vortag in Altenstadt von Gegnern der Vereinigung
Flugblätter verteilt worden waren. Die Bürgerliche
Partei, der Landbund und die Sozialdemokratie verfassten
daraufhin sofort ein Gegenflugblatt. 95
Die Zustimmung für die Vereinigung war in Feldkirch doch
beachtlich, an die 97 Prozent. Im kleinen Tosters waren es
89,9 Prozent. In Levis wurde die größte Zustimmung erreicht,
satte 98,5 Prozent. Am geringsten war die Zustimmung
in Gisingen, lediglich 69,5 Prozent. 96
Am Nachmittag des 26. April kündeten Böllerschüsse von
der Schattenburg der Bevölkerung vom erfreulichen Ergebnis
der Volksabstimmung. Blasmusikkapellen aus Feldkirch,
Tosters, Altenstadt, Gisingen und Nofels zogen mit
klingendem Spiel durch das neue, große Gemeindegebiet
von Groß-Feldkirch. Im historischen Rathaussaal trafen sich
Bürgermeister Anton Gohm, die Gemeindevorsteher Johann
Kühne aus Altenstadt und Rupert Geiger aus Tosters,
begleitet von Gemeinderat Hoinkes zu einer Feier. In den
Festreden versprachen die neuen Gemeindevertreter von
Feldkirch in allen Belangen treu und in vereinten Kräften
zueinander zu stehen. Glückwünsche übersandten Landeshauptmann
Dr. Otto Ender, Oberbürgermeister Siebert und
Nationalrat Unterberger. Im Gasthaus „Churertor“ wurde
weiter gefeiert. 97
Die Landesregierung erteilte in ihrer Sitzung vom 9. Mai
1925 der Vereinigung von Feldkirch mit Altenstadt und Tosters
die Bewilligung. Gleichzeitig wurden Neuwahlen für die
Gemeindevertretung der vergrößerten Stadtgemeinde Feldkirch
auf den 28. Juni 1925 ausgeschrieben. 98
Am 6. Juni 1925 stimmte die Landesregierung der Vereinigung
von Tisis mit der um Tosters und Altenstadt vergrößerten
Stadtgemeinde Feldkirch zu. Das Gemeindegebiet
von Tisis wurde daher in die Neuwahl der Gemeindevertretung
mit einbezogen. 99
Seite 250
Am 13. Juni 1925 fand dann im Sitzungssaal des alten Pfarrhofes
die letzte Sitzung der Gemeindevertretung der selbständigen
Gemeinde Altenstadt statt. Gemeindevorsteher
Johann Kühne sprach allen Gemeinderäten und Gemeindevertretern
den Dank für die zielbewusste Mitarbeit aus
und gedachte jener Männer, die schon vor vielen Jahren die
Sitze in der Gemeindevertretung innehatten und zum Wohl
der Allgemeinheit ihre Kräfte zur Verfügung gestellt hatten.
Von der neuen Gemeindevertretung der Großgemeinde
Feldkirch erwartete er die Wahrung und Vertretung der Interessen
der Gesamtgemeinde. Gemeinderat Stefan Allgäuer
von der bürgerlichen Partei sprach Kühne den Dank aus für
seine Arbeit während seiner eineinhalb Jahre dauernden
Funktionsperiode als Gemeindevorsteher. 100
Die letzte Kundmachung der Gemeinde Altenstadt, eine
Holzversteigerung, wurde am 8. August 1925 veröffentlicht.
Am 22. August wurde dann im Rankweiler Gemeindeblatt,
das auch langjähriges Gemeindeblatt von Altenstadt war,
erstmals eine Kundmachung der Stadtvertretung von Feldkirch
publiziert. 101
Aus der am 28. Juni durchgeführten Wahl ging die Christlichsoziale
Partei als klare Gewinnerin hervor. Von den 36
Gemeindevertretungsmandaten fielen 22 den Christlichsozialen
zu, acht der Sozialdemokratischen Partei, drei der
Großdeutschen Volkspartei, zwei der Vereinigten Bauern-
und Landvolk-Partei und eines der Nationalsozialistischen
Deutschen Arbeiter-Partei. Von den 36 Gemeindevertretern
wohnten 12 in Feldkirch, sieben in Levis, sechs in Altenstadt,
jeweils drei in Nofels, Gisingen, Tisis und zwei in
Tosters. 102
Die Feldkircher Stadtvertretung wählte am 7. August 1925
erstmals Ortsvorsteher für die Ortschaften der Stadtgemeinde.
Es waren dies Josef Herburger für Altenstadt, Stefan
Allgäuer für Gisingen, Alfons Mähr für Nofels, Anton Fritsch
für Tisis und Karl Allgäuer für Tosters. Gemäß der Vorarlberger
Gemeindeordnung waren und sind die Ortsvorsteher
ermächtigt, bestimmte, von der Gemeindevertretung be

zeichnete Geschäfte des Gemeindeamtes in einzelnen Ortsteilen
der Gemeinde zu besorgen. Die Ortsvorsteher sind
an die Weisungen des Bürgermeisters gebunden. 103 Man
wollte 1925 damit den Kontakt zwischen Rathaus und den
Ortsteilen aufrechterhalten bzw. intensivieren. Heute noch
sind die Ortsvorsteher als Vertreter des Bürgermeisters bei
offiziellen und inoffiziellen Veranstaltungen in den einzelnen
Ortsteilen, Fraktionen genannt, unterwegs und bilden
ein wichtiges Verbindungsglied zwischen Bevölkerung und
Rathaus. Die in den Vereinigungsverträgen festgelegten
„Amtsstellen“ als Außenstellen des Rathauses gab es in
Altenstadt und Tisis. So inserierte die Gemeindeamtsstelle
von Altenstadt am 22. August 1925 wegen einer Steuerangelegenheit
und gab als Adresse die Gemeindekanzlei an.
Die Bezeichnung „Stadtamtsstelle Altenstadt“ wurde dann
in einem Inserat vom 3. Oktober 1925 verwendet. 104 Heute
noch ist das Büro der Agrargemeinschaft der Altgemeinde
Altenstadt offiziell eine Außenstelle des Feldkircher Rathauses.
Die Ortsvorstehung von Tisis machte am 5. September
1925 auf einen Informationstag in Steuerfragen aufmerksam,
der in der Gemeindekanzlei von Tisis stattfand. 105
Diese befand sich im alten Schulhaus.
Die Verwendung der bis heute im politischen Leben Feldkirchs
üblichen Bezeichnung „Fraktion“ für einen Ortsteil
von Groß-Feldkirch findet sich erstmals im Paragraphen 3
der Vereinbarungsverträge wie auch in Zusammenhang mit
dem sogenannten „Fraktionsgut“ , dem als Sondervermögen
behandelten Bürgergut. Als offizielle Bezeichnung für
den Ortsteil findet sie sich in einer Kundmachung der „Fraktion
Tosters“ vom 15. August 1925. 106
Am 20. September 1925 fanden dann, wie im Vereinigungsvertrag
festgelegt, erstmals die Wahlen der Verwaltungsausschüsse
für die Bürgernutzungen in Tisis und Tosters
statt. Wahlberechtigt waren Haushaltsvorstände und Einzelpersonen,
die am Tag der Wahlausschreibung nutzungs-
1928/29: Bau der Vereinigungsbrücke
berechtigt waren und das Wahlrecht zur Gemeindewahl
besaßen. Die Wahlkommission bestand aus dem Ortsvorsteher
und zwei Vertrauensmännern aus den Reihen der
Nutzungsberechtigten. 107
6. Die Verträge
Die drei Vereinbarungen zwischen Feldkirch und Altenstadt
sowie mit Tosters und Tisis sind vom Aufbau her ähnlich
aufgebaut. Sie liegen in gedruckter Form vor, bestehend aus
vier Seiten und sie wurden von den Gemeindevorständen
von Feldkirch, Tosters und Tisis mit ihren Unterschriften beglaubigt
und mit den Gemeindestempeln bzw. dem Stempel
des Stadtrates versehen. 108 Im ersten Paragraphen wird die
Verschmelzung der beiden Ortsgemeinden zu einer neuen
Ortsgemeinde beschlossen. Das gesamte bewegliche und
unbewegliche Vermögen, wie auch die Verbindlichkeiten
der beiden Ortsgemeinden geht in das Eigentum der neuen
Stadtgemeinde Feldkirch über. Das mit Bürgernutzungen
behaftete Gemeindegut bleibt Sondervermögen, wird als
Fraktions-Gut bezeichnet und mit Grundparzellennummern
versehen exakt aufgelistet. Wie bei den Verhandlungen
vereinbart, werden die Verwaltungen dieser Fraktionsgüter
durch Ausschüsse geregelt, der Wahlmodus und das Beschwerderecht
an die Landesregierung festgelegt. In sechs
Punkten werden die Nutzungen der Fraktionsgüter geregelt.
Diese Bestimmungen über die Bürgernutzungen nehmen
eineinhalb Seiten des Vertragstextes ein.
Ein wichtiger Punkt war die Erhaltungspflicht der bestehenden
Schulen bzw. die Gestaltung der neuen Stadtgemeinde
als ein einheitlicher Schulsprengel. Dem Schulwesen, besonders
den gewerblichen und landwirtschaftlichen Schulen,
sollte besonderes Augenmerk geschenkt werden. Die
Schulferien in Tosters und Altenstadt sollten den ländlichen
Verhältnissen angepasst werden.
Die bis dahin nur für das Stadtgebiet von Feldkirch geltenden
Ermäßigungen des Strompreises von 20 Prozent
sollten nun für das ganze Gemeindegebiet gelten.
Seite 251

Auch die Wasserversorgung findet sich in den Verträgen.
Der in Altenstadt eingehobene Wasserzins durfte nicht
anderen Parzellen Feldkirchs zugute kommen. Die Wasserversorgung
von Gisingen und Nofels, die bis 1925 nicht
ausreichend und ein ständiger Streitpunkt in der Gemeindevertretung
von Altenstadt war, sollte durch die Aufnahme
in den Wasserversorgungsplan der neuen Stadtgemeinde
Feldkirch verbessert werden. Auch den Tostnern wurde zugesagt,
auf ihr Verlangen hin an das Wasserversorgungsnetz
von Feldkirch angeschlossen zu werden.
Die Gemeindebediensteten von Altenstadt wie der Gemeindeschreiber,
ein Kanzleibeamter, ein Aufsichtsbeamter für
Lebensmittel und Sicherheit, zwei Wachmänner sowie zwei
Waldaufseher wurden in den Dienst der neuen Stadtgemeinde
übernommen. In Tosters wurden der Waldaufseher
und der Polizeidiener, der zugleich Gemeindediener war,
in ein städtisches Dienstverhältnis übernommen. Auch die
Bediensteten der Gemeinde Tisis, ein Waldaufseher und
ein Polizeidiener, wurden städtische Bedienstete. Diese
Gemeindebediensteten wurden auch in den Pensionsfonds
der Stadt Feldkirch übernommen.
Die neue Stadtgemeinde Feldkirch hatte die Erhaltung von
historischen Bauten wie der Burgruine Tosters und der Kirche
St. Corneli in Tosters sowie der Kirche St. Michael in Tisis
zu übernehmen.
Als ordentlicher Sitz der Gemeindeverwaltung wurde Feldkirch
– Stadt bestimmt, zur Erleichterung des gemeindeamtlichen
Verkehres sollte in Altenstadt, Tosters und Tisis
eine „Gemeindeamtsstelle“ eingeführt werden. Im Vertrag
mit Altenstadt wird sogar die Errichtung von Gemeindeamtsstellen
in Nofels und Gisingen versprochen. Diese
Aufgaben übernahmen dann die 1925 erstmals gewählten
Ortsvorsteher.
Eigenartig die Bestimmung über die Aufbahrung und Bestattung
von Leichen. Im Vertrag mit Altenstadt und Tisis
wurde die Beibehaltung der bisherigen Beerdigungsriten
festgelegt.
Seite 252
Die neue Gemeinde übernahm die Erhaltungspflicht der
bestehenden Gassen, Gemeindestraßen und Feldwege
und verpflichtete sich, zum Stichtag 31. Dezember 1924 beschlossene
Bauten und Anschaffungen auszuführen. Im Gemeindegebiet
Altenstadt waren dies die Verlängerung der
Frau Mutterstraße, der Schulhausbau in Bangs, die Straße
nach Bangs und Einrichtungen für Feuerlöschzwecke.
Als vorletzter Punkt wurden Ziele und Aufgaben der Gemeindevertretung
von Feldkirch definiert. In Altenstadt waren
dies die Regulierung der Ill und die großzügige Entwässerung
des Rheintales, konkret waren damit Nofels und Bangs
gemeint. Die Erhaltung des Postamtes in Altenstadt und die
Verbesserung des Postdienstes wurden als konkrete lokale
Ziele genannt.
In Tosters wird neben der Illregulierung konkret die Entwässerung
des Tostner Riedes genannt.
Als Aufgaben in Tisis wurden die Wiedererrichtung der Eisenbahnhaltestelle
und die Erhaltung des Riedweges als
öffentlicher Weg durch die Stadtgemeinde aufgezählt. Diesen
Weg hatte bisher eine Riedgenossenschaft erhalten.
Auch die Erhaltung des Spielplatzes unter der Schule, als
Tummelplatz bezeichnet, wurde vereinbart. Weiters ordnete
man die Anlage eines Verbaungsplanes an, in dem auch
neue Straßenzüge festgelegt werden sollten.
Die Tisner haben in ihrem Vereinigungsvertrag die konkretesten
Ziele festgeschrieben. So wurde die Verbreiterung
der unteren Dorfstraße, die Verlegung der Straße vom Haus
des Schmiedle Josef (Nr. 19) bis zur „Martinshöhe“ auf der
Letze vereinbart. Auch die Anschaffung eines Leichenwagens
für die Kultusgemeinde, von Feuerlöschrequisiten für
die Feuerwehr, sowie der Ausbau der Straßenbeleuchtung
wurden vertraglich fixiert.
Die Vorarlberger Landesregierung wurde als Überwachungsorgan
für die Einhaltung der Vereinbarungen bestimmt.

7. Umsetzung der Versprechen 1925 – 1930
Die Feldkircher Stadtvertretung und der Stadtrat haben in
den ersten Jahren nach der Vereinigung beachtliche Investitionen
in die Infrastruktur der neuen Gemeinde Feldkirch
getätigt. 109 So wurde das Straßennetz verbessert, in und
nach Gisingen sowie Nofels Straßen gebaut, die jahrzehntelang
von den Bewohnern geforderte Straße in den Bergweiler
Fresch errichtet. In den Schulen wurde das Heizungssystem
modernisiert, in Bangs ein Schulneubau errichtet
und die Hauptschule für Knaben, ein neuer, weiterführender
Schultyp, eingerichtet. Als Förderungsmaßnahme für
die Landwirtschaft wurden die Berghöfe am Nenzingerberg
gekauft und dort eine Feldkircher Alpe errichtet. 110 Der Bau
der Volkshalle wurde als Fremdenverkehrsförderung verstanden.
Den Bau von Eigenheimen förderte die Gemeinde
durch die Gründung der Gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaft
Feldkirch und durch die Verteilung der Gemeindegüter
in Gisingen für den Bau von Eigenheimen. Gisingen
und Nofels wurden an das Wasserversorgungsnetz des
Feldkircher Wasserwerkes angeschlossen. Ein symbolischer
Höhepunkt all dieser Bemühungen war der Bau der Vereinigungsbrücke
am unteren Ende der Kapfschlucht. Der Name
der Brücke wurde ganz bewusst gewählt, als Erinnerung an
die Vereinigung 1925 und als Symbol für den Zusammenschluss
der Gemeinden. Die Eröffnungsfeierlichkeiten wurden
als großes Volksfest inszeniert.
Dieser in der Feldkircher Stadtgeschichte beispiellose
Kraftakt war neben der Einlösung der vor der Vereinigung
gemachten Versprechen eine Legitimation der neuen Stadtväter
gegenüber ihren Wählern, sowie eine bewusste Wirtschaftsankurbelung.
8. Ein Rückblick 1935
Recht aussagekräftig ist ein zweiseitiges Dokument, das mit
größter Wahrscheinlichkeit 1935 von einem unbekannten
Verfasser angefertigt wurde. 111 Als Zweck der Vereinigung
Wasserleitungsbau Gisingen Oberaustraße 1927
nannte er die Erhöhung der Stoßkraft und Widerstandsfähigkeit
der Gemeinde gegenüber Bregenz und Dornbirn und
die Verhinderung des Abbaus des Gymnasiums.
Die Ertragsanteile aus den Budgetmitteln des Bundes
sollten nach der Vereinigung um 30 Prozent steigen. Die
Absatzverhältnisse des Elektrizitätswerkes waren vor der
Vereinigung 50 Prozent Stadt und 50 Prozent Landgemeinden.
Während der Strombedarf in der Stadt gesättigt war,
war in den Landgemeinden durch die Bautätigkeit ein ausbaufähiger
Absatzmarkt vorhanden. Nach der Vereinigung
verteilte sich der Stromabsatz zu 70 Prozent auf Groß-Feldkirch
und zu 30 Prozent auf die Landgemeinden der Region.
Der Ertrag aus der Stromabgabe hatte sich um 30.000
Schilling pro Jahr gesteigert. Die Trinkwasserversorgung in
den „Anschluss-Gemeinden“ konnte, wie vereinbart, ausgebaut
werden. Die Fluss- und Straßenbauten überstiegen
die finanziellen Mittel der bis 1925 selbständigen Gemeinden,
die neue Stadtgemeinde konnte auf breiter Basis diese
Aufgaben übernehmen. Lediglich die Armenversorgung
wurde nach 1925 für die Stadt erschwert. Das Armenhaus
galt als unzulänglich.
Wie haben sich die 1925 gestellten Erwartungen und Hoffnungen
erfüllt? Die Hoffnungen auf Ertragsanteile am Bundesbudget
haben sich nur teilweise erfüllt. Waren es im
Jahre 1929 noch 290.000 Schilling, sanken sie 1934 um
über die Hälfte, auf 145.000 Schilling. Die Budgetsparmaßnahmen
des österreichischen Staates machten sich
auch in Feldkirch bemerkbar. Die Entwicklung des Elektrizitätswerkes
war befriedigend. Bei den Fluss- und Straßenbauten
wurde „Riesiges“ geleistet. Gegen den damals
vorgebrachten Vorwurf der Verschuldung der Gemeinde
infolge des zu raschen Tempos bei der Illregulierung und
den Straßenbauten stellte der Verfasser die Bedeutung
der Arbeiten für Generationen gegenüber, die nur noch die
Erhaltungsarbeiten zu vollbringen hatten. Das einst so beliebte
Schlagwort „Stoßkraft“ wurde 1934 so umschrieben:
„Stoßkraft ist eine andere.“ Doch welche es war, oder sein
sollte verschweigt uns der Verfasser des Berichtes.
Seite 253

Das Kapitel „Aufgaben“ wird mit den Slogans „Aushalten
und Zusammenhalten“ eröffnet. Weitere Schlagwörter
sind „Engerer Zusammenschluss“, „Sparen und Schulden-
Abbau“. Die Hochwasserschutzbauten am Ehbach und an
der Nafla sollten fertig gestellt werden, danach aber sollte
eine Ruhepause zum Schuldenabbau eintreten. Feldkirch
soll durch das eigene Elektrizitätswerk als Großgemeinde
wirtschaftlich stärker gewesen sein als andere Vorarlberger
Gemeinden. Der Text endet mit Wünschen für die Zukunft:
„Werden wir von Krieg oder seinen Auswirkungen verschont,
so kommen wir vorwärts und es wird aufwärts gehen,
wenn wir zusammenhalten und das wollen wir.“ Leider
ging dieser Wunsch nicht in Erfüllung. Im Text wurde auch
der Urheber und Hauptakteure für die Vereinigung gedacht:
in Feldkirch: Bürgermeister Anton Gohm und Werksverwalter
Franz Simon;
in Altenstadt : Vizebürgermeister Johann Kühne;
in Tosters: Vorsteher Rupert Geiger;
in Tisis: Pfarrer Gebhard Wendelin Gunz und Vorsteher Josef
Anton Fritsch.
9. Zusammenfassung
Der Zusammenschluss der Gemeinden im Jahre 1925 kann
sicherlich nicht als „Liebesheirat“ bezeichnet werden, wohl
eher als „Vernunftehe. Die Gemeinden haben sich in einer
äußerst schwierigen Zeit zusammengerauft, um zu einer
gemeinsamen Problemlösung zu finden. Sie haben sich
gemeinsame wirtschaftliche und kommunale Ziele gesetzt.
Es dürfte auch „die Chemie“ zwischen den damaligen politisch
Verantwortlichen in der Stadt und auf dem Dorf gestimmt
haben. In Feldkirch wie auch in den Landgemeinden
hatten damals die Christlichsozialen die Mehrheit in den
Gemeindevertretungen inne, was ein Zusammenkommen
bestimmt erleichterte.
Sachlich betrachtet lagen die Vorteile eines Zusammenschlusses
von so ungleichen Körperschaften in der gegenseitigen
Ergänzung. Die Stadt Feldkirch erwartete sich den
Seite 254
Ansichtskarte 1952
Erhalt und Ausbau ihrer zentralen Funktion als Bezirksstadt,
in der die Verwaltungsorganisationen des Staates
wie Gericht und Finanz weiterhin eine wichtige Rolle innehaben
sollten. Mit der Erhaltung des von den staatlichen
Sparmaßnahmen bedrohten Gymnasiums sollten die Funktion
und der Ruf als „Studierstädtle“ gesichert werden.
Tosters, Tisis und Levis boten den günstigen Grund und
Boden für die Bautätigkeit, die wiederum helfen konnte der
herrschenden Wohnungsnot entgegenzusteuern und auch
Arbeitsplätze in der Baubranche wie im Handwerk schaffen
sollte.
Das Thema Vereinigung von Gemeinden ist wiederum ein
aktuelles Thema. Der Bregenzer SPÖ–Landtagsabgeordnete
Michael Ritsch sorgte für helle Aufregung, als er 2008
im Landtag für einen Zusammenschluss der Gemeinden im
Bregenzerwald eintrat. Im benachbarten Kanton St. Gallen
erfolgte am 30. November 2008 eine erfolgreiche Abstimmung
über den Zusammenschluss der beiden Gemeinden
Wildhaus und Alt St. Johann im Toggenburg, während das
Stimmvolk am selben Tag zum zweiten Mal den Zusammenschluss
von Rorschach und Rorschacherberg ablehnte. 112
2007 lehnten die Bürger des mittleren Schweizer Rheintales
den Zusammenschluss zu einer Großgemeinde, einer Stadt
Mittelrheintal, aber ab.
Seit 2007 gibt es im Kanton St. Gallen ein Gemeindevereinigungsgesetz,
das derartige Gemeindzusammenschlüsse
auch finanziell großzügig unterstützt. Im Kanton Glarus
wird es, nach einem Volksentscheid, bald nur noch drei Gemeinden
geben, nachdem die Kleingemeinden sich für Vereinigungen
ausgesprochen haben. 113 Diese Beispiele aus
der Nachbarschaft jenseits des Rheins zeigen, dass Vereinigung
von Gemeinden durchaus möglich, ja sogar aktuell
sind und als Lösung von gemeinsamen kommunalen Aufgaben
und Zielen in wirtschaftlich und finanziell schwierigen
Zeiten dienen können. Feldkirch hat vor 88 Jahren gezeigt,
dass dies ein guter und zukunftsreicher Weg ist.

Immer aktueller wird aber die Zusammenarbeit von benachbarten
Gemeinden auf administrativer Ebene. So haben
die Region Vorderland wie auch das Klostertal und Lech
jeweils eine gemeinsame Baurechtsabteilung geschaffen,
geben Rankweil und die Vorderländer Gemeinden eine gemeinsame
Zeitung heraus. Ein Beitritt Feldkirchs zur Regio
Vorderland steht bevor. Die Stadtverwaltung Feldkirch übernahm
die Personalverrechnung für die Nachbargemeinde
Meiningen.
Diese Einzelfälle zeigen auf einen Trend zur Beibehaltung
der selbständigen Gemeinden, die sich aber finanziell aufwändige
Aufgaben und Pflichten teilen. Auch die Herausbildung
der „Regio“, der Regionalgemeinschaften, ist ein
Beweis für diesen aktuellen Trend.
1 Gerhard Wanner, Die Entstehung von Groß-Feldkirch, in: Montfort 20
(1968) 3, S. 510-531, hier S. 511.
2 Stadtarchiv Feldkirch (fortan: STAF), Historische Akten 2560: Konzept
eines Briefes und Reinschrift vom 23.3.1850, Nr. 118, Pub.36. Steueramt
4.4.1850, Nr. 105.
3 Gerhard Wanner, Die Entstehung von Großfeldkirch, in: Feldkirch
aktuell Sonderausgabe September 1975, S. 6. STAF, Akt 2560: Brief
Gemeinde Altenstadt an Bezirkshauptmannschaft vom 12.4.1850.
Brief vom 14.4.1850 wurde vom Vorsteher Thomas Bertschler und allen
Ausschussmitgliedern unterschrieben.
4 STAF, Historische Akten 2560: Konzept Schreiben Stadt an Bezirksamt
21.10.1856, Zl. 617; Antwort Bezirksamt an Stadt 2.4.1857, Zl.923.
5 Stenographische Sitzungsberichte 1. Vorarlberger Landtag 2. Session,
11. Sitzung 10.1.1863, S. 139-141, 143, 148.
6 STAF, Gemeindearchiv (fortan: GA) Altenstadt, Handschrift (fortan: Hs)
2, Protokollbuch 1864 – 1871, S. 209. STAF, Historische Akten Akt 2560,
Brief Bertschler vom 23.8.1869, Zl. 402
7 STAF, Sitzungsprotokolle, 156. Protokoll der Gemeindeausschuss-Sitzung
vom 27.8.1869, Punkt 8.
8 STAF, Historische Akten Akt 2560: Antwortschreiben von Vorsteher
Johann Bertschler vom 11.10.1869, Zl.471, mit Forderung von 600.000
Gulden, Zl.471.
9 STAF, Sitzungsprotokolle, 157. Protokoll der Gemeindeausschuss-Sitzung
vom 16.9.1869. Zur Biographie des Eisenbahnpioniers Karl Freiherr von
Schwarz (1817-1898) siehe Heinz Dopsch/Robert Hoffmann, Geschichte
der Stadt Salzburg. Salzburg-München 1996, S.453-455.
10 Gerhard Wanner, Die Vereinigung der Landgemeinde Altenstadt mit der
Stadt Feldkirch 1925, in: Altenstadt – eine Dorfgeschichte. Feldkirch
1997, S. 225-250, hier S. 227. STAF, Sitzungsprotokolle, 158. Protokoll der
Gemeindeauschuss-Sitzung vom 24.9.1869.
11 STAF, GA Altenstadt, Hs 2, Protokollbuch 1864-1871, S. 212
12 STAF, Historische Akten 2560: Brief Johann Bertschler vom 11.10.1869, Zl.
471.
13 STAF, GA Altenstadt, Hs 2: Protokoll Gemeindeausschuss 1864-1871, S.
214.
14 STAF, Historische Akten 2560, Brief Johann Bertschler vom 5.11.1869.
o.Zl. Eine weitere Bedingung war die Aufnahme des Schwiegersohnes
von Frau Nasahl, Josef Anton Jutz.
15 STAF, Historische Akten 2560, Briefentwurf, Datum Nov. 1869, ohne
Angabe des Tages, Signatur 6 (rot). Das Tagesdatum ist im Brief schwer
zu lesen, ob 9 oder 5. November, vom Inhalt des Antwortschreibens
kann es sich aber nur um den Brief vom 5.11. handeln. – Im
Briefwechsel wird nur die Witwe Nasahl genannt. Laut, Bürgerbuch
des GA Altenstadt, S.185, lebte in Levis eine Witwe Theres Nasahl, geb.
Krista.
16 STAF, GA Altenstadt, Hs 2: Protokoll Gemeindeausschuss 1864-1871,
S. 216-217; STAF, Historische Akten 2560, 15.11.1869, Signatur 7 (rot).
Altenstadt beharrte auf seiner Forderung nach der außergewöhnlichen
Rechtsstellung der Familie Nasahl.
17 STAF, GA Altenstadt, Hs 2: Protokoll Gemeindeausschuss 1864-1871,
S. 230. STAF, Historische Akten 2560, Brief Bertschler 7.3.1870, Zl.71.
Wanner vermutet plötzliche hohe Geldforderungen der Altenstädter
als Ursache. Gerhard Wanner, Der Anschluß von Levis und Altenstadt
an Feldkirch, in: Vollversammlung der Agrargemeinschaft Altgemeinde
Altenstadt. Feldkirch 1975, S. 21-32, hier S. 31.
18 STAF, Historische Akten 2560. Briefentwurf 6.2.1872, Nr. 165.
19 STAF, GA Altenstadt, Hs 3: Gemeinde-Ausschuss-Sitzungsprotokoll
4.3.1872, S. 4. STAF, Historische Akten 2560. Brief 2.5.1872, Zl.499,
signiert mit C.G.
20 STAF, GA Altenstadt, Hs 3: Protokoll Gemeindeausschuss 1872-1894, S.
10.
21 STAF, Sitzungsprotokolle, 181. Protokoll Gemeindeausschuss-Sitzung
vom 8.5.1872.
Seite 255

22 Christoph Volaucnik, Carl Ganahl und seine kommunalpolitische
Tätigkeit, in: Quer- und Vorausdenker. Zum 200. Geburtstag von Carl
Ganahl. Katalog. Feldkirch 2007, S. 80. STAF, GA Altenstadt, Hs 3:
Protokoll 4.5.1872, S. 10-11. STAF, Historische Akten 2560: Brief Vorsteher
Michael Kühne 6.5.1872, Sign. 11.
23 STAF, Sitzungsprotokolle, Protokoll ao. Ausschuss-Sitzung vom
4.September 1884, Pkt.I, S. 4.
24 Wanner, Anschluß (wie Anm. 17), S. 3.
25 Gerhard Wanner, Das Politikum der Volksschule Levis, in:
Vollversammlung der Agrargemeinschaft Altgemeinde Altenstadt
1974. Feldkirch 1974, S. 23-35. Gerhard Wanner, Der schulische und
kirchliche Anschluß von Levis an Feldkirch, in: Vollversammlung der
Agrargemeinschaft Altgemeinde Altenstadt 1976, S. 27-40.
26 Vorarlberger Landesarchiv (fortan: VLA), Landesausschuss, 4117/1893.
27 Entwurf dazu im STAF, Historische Akten 2560. Original im VLA,
Landesausschuss, 4117/1893. Dort auch Petition der Levner Bürger.
28 Wanner, Anschluß (wie Anm. 17), S. 34.
29 Christoph Volaucnik, Tosters von 1500 bis 1914, in: Tosters. Eine
Dorfgeschichte, S. 89-158, hier S. 128.
30 Abschrift in STAF, Historische Akten 2560. Enr. 102, Sign.14.
31 100 Jahre Stadtwerke Feldkirch 1906-2006 (Rheticus 28 [2006] 2).
Feldkirch 2006, S. 22
32 STAF, Historische Akten 2560: Briefentwurf vom 27.6.1896, Nr. 978,
Sign.16.
33 STAF, Historische Akten 2560: Brief Landesausschuss vom 8.8.1896, Zl.
3046, Sign. 17, und Kopie eines Briefes der Gemeinde Altenstadt an den
Landesausschuss vom 3.8. 1896, Zl.987, Sign. 17 a.
34 Wanner, Vereinigung (wie Anm. 10), S. 230-231.
35 Einladungen in Rankweiler Gemeindeblatt 19.11.1904, Beilage S. 7; (fortan:
RKWGBL) Feldkircher Zeitung 19.11.1904, S. 3, und 26.11.1904, S. 4.
36 STAF,Sitzungsprotokolle, 560. Protokoll der Gemeinde-Ausschuss-
Sitzung vom 24.2.1905, Punkt 4. Protokoll Stadtmagistrat 14.2.1905,
Seite 4a, Pkt6.
37 RKWGBL 15.4.1905, 2.Beilage, S.5.
38 RKWGBL, 3.6.1905, Beilage, S.5.
39 RKWGBL, 12.8.1905, Beilage, S. 7.
40 STAF, Sitzungsprotokolle, 568. Protokoll der Gemeinde-Ausschuss-
Sitzung vom 9.9.1905, Punkt 4.
41 STAF, Handschrift 1598, S. 51 a.
42 Wanner, Entstehung (wie Anm. 3) S. 9. STAF, Historische Akten 2560.
Seite 256
Dieses nachträglich maschinschriftlich erstellte Dokument ist mit der
Jahreszahl 1896 datiert, was aber nicht richtig sein kann. Die von Anton
Weinzierl genannte Anschaffung von Glocken wurde 1906 durchgeführt
und der ebenfalls von ihm genannte Kontakt mit Jenny & Schindler
1905/06.
43 Siehe zu den Glocken Christoph Volaucnik, Altenstadt im Zeitraum von
1814 bis 1925, in: Altenstadt – eine Dorfgeschichte. Feldkirch 1997, S.
146-224, hier S. 182; zum Strom, ebenda, S. 176-177.
44 Karlheinz Albrecht, Beiträge zur Geschichte Feldkirchs vom Jahre
1814 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Phil. Diss. Universität
Innsbruck 1977, S. 134-135.
45 STAF, Sitzungsprotokolle, 576. Protokoll der Gemeinde-Ausschuss-
Sitzung vom 27.7.1906, Punkt 8.
46 STAF, GA Altenstadt, Hs 4, Protokoll 7.9.1906, S. 602, Punkt 17, und
20. Protokoll 27.10.1906, S. 608, Punkt 16. In Feldkircher Dokumenten
findet sich kein einziger Hinweis auf diese Sitzung, lediglich Altenstadt
vermerkt dies im Protokoll.
47 Verhandlungen dazu im STAF, Sitzungsprotokolle Nr. 584, 588, 590, 591,
594, 600. des Gemeindeausschusses.
48 STAF, Sitzungsprotokolle, 635. Protokoll der Gemeinde-Ausschuss-
Sitzung vom 13.10.1910, Punkt 7.
49 STAF, GA Altenstadt, F V Sch 16/3: Brief Rheinberger an Bürkle 26.2.1918.
Brief Bürkle 1.3.1918.
50 STAF, GA Altenstadt, F V Sch 16/3: Brief Bürkle 1.3.1918, Antwort
Unterberger 4.4.1918.
51 Franz-Heinz Hye, Die Städte Tirols, 2. Teil: Südtirol. Innsbruck 2001
(Schlern-Schriften 313), S. 297, weist für Meran nur Eingemeindungen für
die Jahre 1906, 1913 und 1923 nach.
52 Unterberger nennt als Grund dafür die Schweizer Wünsche nach
Verbesserung der Verbindungen mit München über St. Margrethen
- Lindau, die Ausschaltung österreichischen Personals und
österreichischer Lokomotiven aus dieser Strecke. Unterberger war über
seine Tätigkeit in der Handelskammer darüber informiert.
53 Der Grenzbahnhof und das Hauptzollamt blieben in Buchs. 1952 wurde
ein neuer, erfolgloser Versuch zur Verlegung des Grenzbahnhofes samt
Zoll nach Feldkirch unternommen. Siehe: Schlusswort zum Verbleiben
des Grenzbahnhofes in Buchs, in: Feldkircher Anzeiger (fortan: FA)
6.12.1952.
54 Lebenslauf Dr. Bitschnau siehe FA 16.6.1962 (Nachruf), und - Von Herren
und Menschen. Verfolgung und Widerstand in Vorarlberg 1933-1945

(Beiträge zu Geschichte und Gesellschaft Vorarlbergs 5). Bregenz 1985,
S. 272.
55 Biographie Schreiber siehe Alfons Dür, Doktor Martin Schreiber (1879-
1961). Landesgerichtspräsident, Staatsrat und Landesstatthalter, in:
Montfort 59 (2007) 2, S. 168-181.
56 Böhler Lebenslauf siehe FA 8.4.1967, S.3 und Feldkirch aktuell 3 (1976) 3,
S. 24.
57 Vorarlberger Volksblatt (fortan: VVB) 1.12.1920. Siegfried Müller, 25 Jahre
Groß-Feldkirch, in: VVB 26. 4.1950.
58 STAF, GA Altenstadt F V, Sch 16/3. Brief vom 23.6.1921.
59 Wanner, Schulischer und kirchlicher Anschluß (wie Anm. 25), S. 36–40;
Andreas Ulmer/Manfred A. Getzner, Die Geschichte der Dompfarre St.
Nikolaus Feldkirch. Bd. 1: Stadt und Pfarre, Pfarrherren, Pfarrkirche
(Dom), Filialkirche und Kapellen, Feldkirch 1999, S. 542-550.
60 STAF, Historische Akten. Akt 2560. Niederschrift vom 6.4.1922.
61 RKWGBL 8.7.1922,S.6, GV 1.7.1922. 23.12.1922, Beilage, S. 10. GV
19.12.1922 TO. Nr. 10.
62 STAF, GA Altenstadt, F V, Sch 16/5. Hye, Städte Tirols (wie Anm. 51), S.
128-129. Bruno Mahlknecht, Bozen durch die Jahrhunderte, Bd. 3. Bozen
2006, S. 164.
63 Erich Scheithauer/Grete Woratschek/ Werner Tscherne, Geschichte
Österreichs in Stichworten. Wien 1983, S. 124, 129, 133, 149. RKWGBL
29.10 und 31.12.1921.
64 Müller, Groß-Feldkirch (wie Anm. 57).
65 Wanner, Vereinigung (wie Anm. 10), S. 244. Biographie Johann Kühne
siehe Theodor Veiter, 60 Jahre Groß-Feldkirch, in: Feldkirch aktuell.
Sonderausgabe Juni 1985, S. 13 -17.
66 Karlheinz Albrecht, Tosters – von der selbständigen Gemeinde zur
Fraktion von Groß-Feldkirch, in: Tosters. Eine Dorfgeschichte. Feldkirch
2002, S. 159-224, hier S. 171.
67 STAF, Historische Akten Nr. 2682. Alle Verhandlungsunterlagen bis hin
zum fertigen Vertrag wurden in einer Mappe abgelegt, aus der alle
Informationen im folgenden Text stammen.
68 Siehe dazu Volaucnik, Tosters (wie Anm. 29), S. 126-129. Auch in
anderen Dörfern gab es zwei Gruppierungen von Bürgern, siehe Tisis.
69 RKWGBL, Beilage, 21.3. 1925, S.9. VLA, Amt der Vorarlberger
Landesregierung (fortan: AVLReg) IV-884/1937. Brief Gemeinde Tosters
an VLR vom 27.4.1925.
70 VLA, AVLReg IV-884/1937. Brief Gemeinde Tosters an Landesregierung
vom 27.4.1925.
71 STAF, Sitzungsprotokolle, 390. Protokoll der Gemeinde-Ausschuss-
Sitzung vom 29.12.1891. Punkt 3. Philipp Krapf (1854-1939) war der
Bauleiter der Rheinregulierung von 1893 bis 1905.
72 STAF, Sitzungsprotokolle, 399. Protokoll der Gemeinde-Ausschuss-
Sitzung vom 17.10.1892.
73 STAF, Sitzungsprotokolle, 403. Protokoll der Gemeinde-Ausschuss-
Sitzung vom 10.3.1893.Punkt 2.
74 Dr. Beck siehe Helge Dvorak, Biographisches Lexikon der Deutschen
Burschenschaft. Bd. I, Teilband 1, Heidelberg 1996, S. 67-68.
75 Erste Verhandlungen wurden 1891/96 geführt, die Vereinigung erfolgte
1919. Siehe dazu Emmerich Gmeiner, 50 Jahre Rieden-Vorkloster bei
Bregenz. Festschrift. Bregenz 1969, S. 12 f.
76 STAF, Sitzungsprotokolle, 442. Protokoll der Gemeinde-Ausschuss-
Sitzung vom 18.April 1896. Abschrift im VLA , Landesausschuss
1726/1896.
77 VLA, Landesausschuss 1726/1896. Hier nur eine Kurzfassung der
Kundmachung.
78 Ulmer/Getzner, Dompfarre (wie Anm. 59), S. 475.
79 Franz Elsensohn, Süoßlarschnitz und Füdlabloser. Hohenems 2007, S.
97.
80 RKWGBL, 25. 4.1925, S.4.
81 RKWGBL, Beilage, 23. Mai 1925, S. 9 – 10. VLA, AVLReg IV-884/1937.
82 FA 3. 6. 1925. VLA, AVLReg IV-884/1937: Brief Gemeinde Tisis an
Landesregierung vom 2.6.1925.
83 FA 28.2.1925. Ludwig Siebert trat 1931 der NSDAP bei und wurde 1933
bayerischer Ministerpräsident. Auskunft Stadtarchiv Lindau 5.12.2008
84 FA 28. 3.1925.
85 VVB 6.4.1925
86 FA 18.4.1925.
87 RKWGBL, 18.4.1925, Beilage, S. 9.
88 STAF, GA Altenstadt, F V, Sch 16/3. Auch für Tosters wurde ein
gleichlautendes Flugblatt gedruckt.
89 Ein Schilling entsprach 10.000 Papierkronen. Eine Goldkrone entsprach
1,41 Schilling. Siehe dazu Scheithauer/Woratschek/Tscherne,
Geschichte Österreich (wie Anm. 63), S. 149.
90 Karl Fiel, Nofels. Fresch. Bangs. Matschels. Geschichte eines Dorfes.
Feldkirch 1987, S. 210-211; Karl Fiel, Wasserversorgung in Nofels, Fresch
und Bangs, in: Vollversammlung der Agrargemeinschaft Altgemeinde
Altenstadt. Feldkirch 1982, S. 24-44, hier S. 36-37; Christoph
Volaucnik. Der Kapfgraben und die Gisinger Wasserversorgung, in:
Seite 257

Vollversammlung der Agrargemeinschaft Altgemeinde Altenstadt.
Feldkirch 1999, S. 20-27.
91 Gerhard Wanner, Geschichte der Stadt Feldkirch 1914–1955
(Schriftenreihe der Rheticus-Gesellschaft 39) Feldkirch 2000, S. 101.
92 Fiel, Nofels (wie Anm. 90), S. 203-204.
93 Franz Valandro, „.. so wollen wir schauen, woher wir sind.“
Heimatschutz in Vorarlberg (Bludenzer Geschichtsblätter Heft 53 [2000].
Bludenz 2000, S. 23-27.
94 FA 11.4.1925, S. 3: Kundmachung über Volksabstimmung. FA 25.4.1925,
S. 4: Inserat des Stadtrates: Aufklärung über die Hinzuzählung der nicht
erschienen Stimmberechtigten zur Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
95 Den Text dieser Titelseite siehe Feldkirch Lesebuch, Dornbirn 2008,
S. 44. In der 12. Hausverfügung vom 27.5.1947 stellte Stadtsekretär
Hans Faé fest, dass die Bezeichnung „Gross-Feldkirch“ ein unschönes
Wort sei und für eine an Einwohnern bescheidene Stadt überheblich
klinge. Faé meinte: „Es gib nur eine Stadt Feldkirch die aus einer Anzahl
Ortschaften/Fraktionen zusammengesetzt ist.“ STAF, Schachtel 0113.
Trotzdem wird dieser Begriff bis heute von den Sportvereinen besonders
bei Schülersportveranstaltungen verwendet. FA 19. 2. 2009, S. 38.
96 Wanner, Geschichte (wie Anm. 91), S.101. Die Prozentsätze Wanners
geben das Verhältnis zu den abgegebenen Stimmen ab. In Altenstadt
gab es 3211 Abstimmungsberechtigte, 640 sind nicht erschienen. 2197
stimmten mit Ja, 362 mit Nein. 12 Stimmzettel leer. Die Ja-Stimmen und
die hinzugezählten nicht Erschienenen ergaben 2837 Ja-Stimmen. VLA,
AVLREG IV-884/1937.
97 FA 29.4.1925, S. 2.
98 RKWGBL 16. Mai 1925, S. 2; VLA, AVLReg IV-884/1937: Bewilligung.
99 RKWGBL 13. Juni 1925, S. 2. Beilage 13. Juni 1925, S.9.
100 RKWGBL, Beilage, 20.6.1925, S. 9.
101 RKWGBL, 8.8.1925, S. 2, und 22.8.1925, S. 1.
102 RKWGBL, 4.7.1925, S. 2.
103 RKWGBL, 22.8.1925, S. 1. Emil Häusler/ Klaus Martin/Johannes Müller,
Das Vorarlberger Gemeindegesetz. Schwarzach 2005, S. 68.
104 RKWGBL, 22.8.1925, S. 3.
105 RKWGBL, Beilage, 5.9.1925, S.12.
106 RKWGBL, 15.8.1925, S. 3. Im RKWGBL vom 24.10.1925 sind
Kundmachungen der Fraktionen Tosters und Altenstadt abgedruckt.
107 RKWGBL, 5.9.1925, S. 2.
108 STAF, Historische Akten, Akt 2560. Unterschriebene Verträge auch im
VLA, AVLReg IV – 884/1937.
Seite 258
109 Gerhard Wanner, Geschichte (wie Anm. 91), S. 15-20, 41-63.
110 Der Nenzingerberg. Das verlassene Walserdorf, hg. von Thomas Gamon.
Nenzing 2007.
111 STAF, Historische Akten 2682: Die angenommene Datierung 1935 ergibt
sich aus dem im Text genannten Ertragsanteil des Jahres 1934 sowie
dem Hinweis auf für das Jahr 1948 bevorstehenden Neuverträgen für
Stromlieferungen.
112 Liechtensteiner Volksblatt 1.12.2008, über Toggenburg.
113 Liechtensteiner Volksblatt 10.12.2008, S. 7.

„Marktgemeinde Rankweil“. – Was war oder ist eine
„Marktgemeinde“ überhaupt? Wie wurde oder wird eine
Gemeinde zur „Marktgemeinde“? Wo steht geschrieben,
dass sich Rankweil als „Marktgemeinde“ bezeichnen darf?
Das sind Fragen, die sich noch selten jemand stellte; und
Fragen, die gar nicht so leicht zu beantworten sind. 1
1. Marktmonopol der Städte Feldkirch, Bregenz und
Bludenz
Historisch knüpft die heutige Bezeichnung „Marktgemeinde“
an das mittelalterliche Marktprivileg an – an das
Recht oder Vorrecht, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten
Ort bestimmte Verkaufsveranstaltungen durchzuführen.
Mit der Einrichtung von Jahr- und Wochenmärkten verbanden
die Landesherren nicht nur die Hoffnung auf Abgaben.
Marktprivilegien waren, modern gesprochen, auch Instrumente
der „Raumordnungspolitik“. Sie dienten zur Unterstützung
von Stadt- und Residenzgründungen, zur Lenkung
von Handelsströmen, zur Aufwertung von Verkehrswegen,
zur Förderung der Viehzucht, der Textilindustrie usw. Und
selbstredend profitierten ebenso die privilegierten Untertanen
von diesen Marktrechten. Häufig entwickelten sich aus
Marktorten Städte, entfalteten sich aus Marktordnungen
Stadtrechte.
Jahr- und Wochenmärkte gehörten zur wirtschaftlichen und
rechtlichen Grundausstattung einer mittelalterlichen Stadt
und spielten wohl auch bei den Stadtgründungen in Vorarlberg
eine bedeutende Rolle, ebenso für die Entwicklung
der Stadtverfassungen. So hing der politische Aufstieg der
Feldkircher Bürgerschaft mit ihrem wirtschaftlichen Erfolg
zusammen, und dieser mit dem Vorteil, am „Italienweg“ zu
liegen und damit vom Fernhandel profitieren zu können –
was Bregenz und Bludenz nicht gelang.
Vortrag auf Einladung der Marktgemeinde Rankweil; Rankweil, Rathaus, 23. Juni 2008
Ulrich Nachbaur (geb. 1962 in Feldkirch), Dr. iur., M.A., seit 1997 Mitarbeiter im Vorarlberger
Landesarchiv
„Marktgemeinde Rankweil“
Zum Werden und Wesen von Marktgemeinden in Vorarlberg
Ulrich Nachbaur
Die drei Städte waren stets darauf bedacht, dass in ihrem
Umfeld möglichst kein weiterer Ort Marktprivilegien erhielt
oder ohne Berechtigung Märkte abhielt.
Das Marktmonopol der drei Städte wurde bereits ab 1560
durchbrochen, als einige entlegene ländliche Gerichte
(Lingenau 1560, Mittelberg 1572, Sulzberg vor 1598) die
Bewilligung eigener Viehmärkte erreichten. Den Viehhändlern
folgen mit der Zeit auch Krämer, doch in den Rang von
„Marktflecken“ vermochten diese frühen Marktorte in den
Bergregionen nicht aufzusteigen.
2. Konkurrenz durch „Marktflecken“ im Rheintal ab
dem 17. Jahrhundert
Anders im Rheintal, wo sich Hohenems, Rankweil, Götzis
und Dornbirn anschickten, die Städte auch als Gewerbestandorte
zu konkurrenzieren. Dabei stand das heutige
Vorarlberg wieder im Wettbewerb mit den Nachbarn jenseits
von Rhein und Bodensee.
2.1. Gründung einer Marktsiedlung in Hohenems 1605
Den Anfang machte Reichsgraf Kaspar von Ems, der 1605
nahe seinem Palast ein Gebiet für eine neue Marktsiedlung
abgrenzte, deren Siedler rechtliche und wirtschaftliche Privilegien
genießen sollten.Mit Stolz kündet das Titelblatt der
„Emser Chronik“ von 1616, dass sie im „Gräfflichen Marckt
Embs“ gedruckt wurde.
Diese Landesbeschreibung manifestierte das Streben der
Emser, ihre Reichsgrafschaft zu einem bestimmenden
Fürstentum im ehemaligen „Rätien“ auszubauen. Kaspar
herrschte über Hohenems und Lustenau, hatte 1613
die Herrschaften Vaduz und Schellenberg erworben, war
Pfandherr der kleinen österreichischen Herrschaft Neuburg
und verwaltete seit 1614 als Vogt – ähnlich einem „Bezirkshauptmann“
– auch die bedeutende österreichische Herr-
Seite 259

schaft Feldkirch, zu der das „Doppelgericht“ Rankweil-Sulz
gehörte, einer der bevölkerungsreichsten und führenden
Stände in der österreichischen Landschaft vor dem Arlberg.
Die 24 Landstände waren städtische und bäuerliche Rechts-
und Verwaltungsgenossenschaften. Weil sie mehrheitlich
Anteil an der landesfürstlichen Gerichtsbarkeit hatten,
wurden sie auch als „Gerichte“ bezeichnet. Im rätoromanischen
Oberland hatten sich – wie Alois Niederstätter in
seinem Vortrag aufgezeigt hat – 2 bereits seit dem 14. Jahrhundert
neben den Gerichtsgemeinden zudem auch dörfliche
Gemeindestrukturen ausgebildet.
An der bewährten Zusammenarbeit zwischen den Landständen
und ihrem Landesfürsten, dem Haus Habsburg,
scheiterte letztlich die emsische Vormachtpolitik. Ein Beispiel
dafür ist auch das Marktprivileg, um das sich der
Stand Rankweil-Sulz spätestens seit 1583 offiziell bemühte,
als noch Graf Kaspars Vater Jakob Hannibal Vogt zu Feldkirch
war.
2.2. Märkte in Rankweil ab 1618, kommunales
Marktprivileg ab 1656
Wir dürfen annehmen, dass die drei Wochen- oder Jahrmärkte,
um die der Stand ansuchte, in Rankweil abgehalten
werde sollten. 3 Rankweil war unter seinem alten Namen
Vinomna ein Hauptort des rätoromanischen Oberlandes
gewesen, war seit Jahrhunderten Sitz eines kaiserlichen
Landgerichts, dessen Sprengel weit über das heutige
Vorarlberg hinausreichte, war Hauptort des Standes oder
Gerichts Rankweil-Sulz, eine vitale, aufstrebende Gemeinde,
die Zuwanderer anzog und sich als Gewerbestandort zu
etablieren begann.
Die Marktbestrebungen sind auch im Zusammenhang mit
dem Klimawandel zu sehen, dem sich die Wirtschaftsweise
anpassen musste. Auf das spätmittelalterliche Klimaoptimum
folgte die so genannte „kleine Eiszeit“. In den Berg-
Seite 260
Graf Kaspar von Ems
lagen mussten die Bauern vom Getreidebau auf Viehwirtschaft
umstellen. Das heutige Vorarlberg war fortan auf die
Einfuhr von Getreide angewiesen, zumal aus dem Bodenseeraum.
Als Gegengeschäft im Kornhandel diente nun der
Verkauf von Vieh, Käse und Schmalz. Und diese Geschäfte
wurden auf Jahr- und Wochenmärkten abgewickelt. Die
Viehwirtschaft wieder warf auch Häute ab. Nicht von ungefähr
lässt sich auch für das Gericht Rankweil-Sulz spätestens
ab 1606 eine Zunft der Gerber und Schuhmacher
belegen. 4
Das Gutachten, das die Innsbrucker Regierung 1583 bei Vogt
Jakob Hannibal in Feldkirch einholte, fiel negativ aus. Als
Rankweil-Sulz 1590 erneut um einen Wochenmarkt und drei
Viehmärkte im „Flecken“ Rankweil ansuchte, wehrten sich
nicht nur die Feldkircher dagegen. Die scharf ablehnende
Stellungnahme des Bludenzer Vogts macht deutlich, dass es
tatsächlich bereits um Fragen einer interregionalen Raumordnungspolitik
ging. Die siegessicheren Vorderländer begingen
den Fehler, 1592 noch ohne Privileg in der Tasche
zwei Viehmärkte abzuhalten. Das bot der Stadt Feldkirch
ein schlagendes Argument, die Ablehnung des Gesuchs zu
bewirken. Dieses Spiel wiederholte sich in den folgenden
Jahren mehrmals. Zudem suchte das Gericht Rankweil-Sulz
auch noch darum an, den Markt in Heiligkreuz, unmittelbar
vor den Feldkircher Stadttoren, zu legalisieren. 5
Diese Auseinandersetzungen werden für uns nachvollziehbar,
wenn wir zum Vergleich die „Supermarktfehden“
mitdenken, die sich Rankweil und Feldkirch seit etlichen
Jahren an der Autobahnabfahrt liefern, mit umgekehrten
Vorzeichen.
Mit Unterstützung des benachbarten Gerichts Jagdberg
hatte Rankweil-Sulz 1618 schließlich Erfolg: Am 26. August
bewilligte Erzherzog Maximilian den „getrewen lieben N. N.
Landtamman der Gerichten auch Gemainsleüthen Ranckhweil,
Sulz unnd Jagberg […] im Dorff Ranckhweil drey offentliche
Rinder Viechmärckht“ abzuhalten. 6

Marktordnung für Götzis 1694
Wohlgemerkt: 1618 wurden die Gerichtsgemeinden Rankweil-Sulz
und Jagdberg mit dem Marktrecht privilegiert und
noch nicht die Dorfgemeinde Rankweil! Dass die Dorfgemeinde
mit separater Urkunde gleichzeitig ebenfalls berechtigt
worden sei, beruht auf einem Irrtum. 7 Auch 1619
wurde das Privileg ausschließlich den Gerichtsgemeinden
bestätigt. 8
Als der verärgerte Graf Kaspar als zuständiger Vogt in Feldkirch
sich weigerte, die Aufgebote zum ersten Markt zu erlassen,
ließen die Privilegierten ihre Markturkunde landauf
landab von den Kanzeln verlesen und luden selbst zum St.
Gallimarkt nach Rankweil ein, zeitgleich mit dem Jahrmarkt
in Ems. Der Tobsuchtsanfall des Grafen ist verbürgt. Mit Kaspars
Tod 1640 begann der Abstieg des Hauses Hohenems,
dessen Marktsiedlung sich nicht recht entfalten konnte.
Rankweil dagegen vermochte sich mit seinen Märkten gegen
Feldkirch zu behaupten. Sie brachten Geld und Prestige.
In einem Lehensbrief des Klosters Valduna von 1634
ist davon die Rede, dass ein Feldkircher Bürger im „Marckh-
9
fleckhen Ranckhweil“ “ wohne.
Nun behaupteten die Rankweiler offenbar, 1618 selbst
mit dem Marktrecht privilegiert worden zu sein. Jedenfalls
geht das aus der Urkunde hervor, mit der Erzherzog Ferdinand
Karl am 14. März 1656 nun tatsächlich erstmals dem
„Seckhlmaister und Gemaindtsleith des dorffs Ranckhweil“
die drei Rindermärkte bestätigte. 10
Dass mit dieser Urkunde Rankweil der Mittwoch als Markttag
– demnach auch ein Wochenmarkt – bestätigt worden
sei, 11 stimmt hingegen nicht. Das muss jedoch nicht heißen,
dass in Rankweil auch ohne landesfürstliches Privileg zeitweise
Wochenmarkt gehalten wurde. In einem Spottgedicht
von 1670 heißt es, dass Bauern am Dienstag von weither
zum Handeln nach Rankweil kamen, und betrogen wurden:
„was einer die wuchen erhausen kann,
verthuets alle zinstag weib und man,
wo einer würd umb i bazen beschissen,
das mues landtgericht und obrigkheit wissen.“ 12 “
Gleichzeitig bewarben die Jesuiten, die sich 1649 in Feldkirch
niedergelassen hatten, eifrig die marianische Wallfahrt
nach Rankweil, 13 die sich zu einem weiteren Wirtschaftszweig
entwickelte. 1658 wurde die Gnadenkapelle
auf dem Liebfrauenberg eingeweiht, wo an florierenden
Verkaufsständen Devotionalien und Touristenproviant feilgeboten
wurden. 14
2.3. Götzis und Dornbirn
Die Rankweiler konnten ihre Märkte ausbauen. Mit Götzis
erwuchs ihnen jedoch jenseits der Frutz im eigenen Sprengel
eine Konkurrentin um die Führungsrolle als Gewerbeund
Handelsstandort. 1694 erwarb die „Gemaindt Götzis“
das Recht, an jedem Montag einen Flachs- und Garnmarkt
abzuhalten; 15 ein Beleg für die zunehmende Bedeutung
der Textilverarbeitung in Form der Hausindustrie. 1709 erhielten
die Götzner das Privileg für vier Viehmärkte, 1712
der Gerichtsteil Sulz eine eigene Viertellade der Innsbrucker
Schreinerzunft. 16
In Dornbirn lässt sich ein Herbstmarkt bereits um die Mitte
des 16. Jahrhunderts belegen - allerdings ohne obrigkeitliche
Bewilligung. Überhaupt sind wir über ältere Marktprivilegien
des Gerichts Dornbirns schlecht unterrichtet. Ab
1665 können wir zudem einen Wochenmarkt nachweisen.
Wenn es den ländlichen Gerichten im 17. Jahrhundert gelang,
das Marktmonopol der Städte zu brechen, profitierten
sie dabei wahrscheinlich auch vom Übergang der Landesfürsten
zu einem absolutistischen Regierungskurs. Erst
recht im 18. Jahrhundert.
Seite 261

3. Josefinische Marktordnungspolitik im
18. Jahrhundert
Seite 262
Marktplatz Rankweil 1893
Im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus wurde auch im
Österreich Maria Theresias und Josef II. die staatliche Lenkung
der Wirtschaft zum Programm. Mit der Steigerung des
allgemeinen Wohlstands sollte über Steuern die Finanzkraft
des Staates gestärkt werden. Dabei spielte neben der
Fabrikation der Handel eine wichtige Rolle.
Auch wenn die Reformen auf heftigen Widerstand der Vorarlberger
Stände stießen, scheinen die ländlichen Gerichte
zumindest in wirtschaftspolitischer Hinsicht von der Entmachtung
der Städte profitiert zu haben.
Um 1770 fanden bereits an 19 Vorarlberger Orten Jahrmärkte
mit gut 60 Markttagen statt. Wenn für etliche Märkte
keine frühen Privilegien bekannt sind, wird das zum Teil
daran liegen, dass sie nie gewährt, sondern nur angemaßt,
dass „wilde“ Märkte durch lange Gewohnheit zur Rechtmäßigkeit
verfestigt wurden.
Ein Hoffnungsgebiet des Merkantilismus waren die Allgäuer
Gebiete im Norden, die an den alten Salzstraßen lagen,
von denen bisher vor allem die benachbarten Reichsstädte
profitierten. 1784 erhielt Lindenberg eine landesfürstliche
Bestätigung seiner Jahrmärkte, 1785 Weitnau, 1805 Simmerberg,
und Weiler 1789 einen eigenen Wochenmarkt.
Die josefinischen Reformen brachten auch für Rankweil verfassungsrechtliche
Veränderungen, auf Ebene der Gerichtsgemeinde
wie der Dorfgemeinde.
1784 wurden Ammanschaft und Gericht getrennt, anstelle
der Zeitgerichte ein ständiges Ortsgericht in Rankweil eingerichtet,
die Rechtssprechung endlich halbwegs professionalisiert.
An der Strafgerichtsbarkeit hatte das Gericht
Rankweil-Sulz keinen Anteil mehr. Seine Strafprozesse hatte
allerdings bereits seit langem das Vogteiamt Feldkirch
bestimmt, 17 und wohl nicht nur die Kriminalsachen.
Insgesamt dürfte die Schwächung der Gerichtsgemeinden
die Dorfgemeinden gestärkt haben, die ebenfalls reguliert
und von den landesfürstlichen Behörden stärker kontrolliert
wurden. Ob aus gestärktem Selbstbewusstsein oder
um den Schein zu wahren, jedenfalls lässt sich genau für
jene Zeit auf einer Grenzbeschreibung von 1785 ein prestigeheischendes
Siegel mit der Umschrift „GEMAINDSSIGIL
DES K.K. V.Ö. MARKFLECKEN RANKWEIL“ belegen. 18 Es zeigt
im Schild – wie das Siegel des Gerichts Rankweil-Sulz –
den Liebfrauenberg, allerdings ohne das Ochsengespann
mit dem wundertätigen Kreuz und ohne die Symbole für die
Gerichtshälften Rankweil und Sulz. 19
4. Kriterien für eine allgemeine Anerkennung
als „Marktflecken“
Die Bezeichnung „Marktflecken“ wurde durch die Jahrhunderte
sehr beliebig verwendet. So sind zum Beispiel in
der ersten Landkarte der „Provincia Arlbergica“, die 1783
gedruckt wurde, nur Dornbirn, Hohenems und Weiler als
Marktflecken gekennzeichnet. Die amtlichen Einwohnerstatistiken
jener Zeit weisen hingegen nicht nur Rankweil und
Götzis, sondern auch sämtliche Marktorte im Allgäu bereits
vor der Privilegierung als „Marktflecken“ aus; zudem Lingenau
und Schruns.
In den topographischen Statistiken der Bayernzeit (1805
bis 1814) ist Rankweil als „Marktflecken“ eingetragen,
Hohenems dagegen als „Dorf“. Hingegen wurde wieder
im Provinzial-Handbuch von Tirol und Vorarlberg für 1848
Rankweil nicht zu den „Marktflecken“ gezählt. 20
Die Bezeichnung „Marktflecken“ war keine Rechtstatsache,
sondern eine Ansichtssache.
Wovon hing es ab, ob ein Ort allgemein als „Markt“ anerkannt
wurde? - Diese Frage ist für Vorarlberg nicht leicht
und nicht abschließend zu beantworten.

Andernorts lassen sich aus den Gemeindeverfassungen
Kriterien gewinnen, lag der rechtliche Status des Marktes
zwischen dem des Dorfes und dem der Stadt, wurden Ortschaften
mitunter regelrecht zu „Märkten“ in einem gemeinderechtlichen
Sinn erhoben.
In Vorarlberg können wir nur bei Hohenems von einer
Markterhebung sprechen, wo ja 1605 tatsächlich eine gräfliche
Marktsiedlung gegründet wurde, und nicht nur ein
Jahr- und Wochenmarkt. Abgesehen von diesem Sonderfall
bleibt fraglich, inwieweit der Begriff „Markt“ oder „Marktflecken“
in Vorarlberg überhaupt je als rechtliche Siedlungsbezeichnung
gebraucht und empfunden wurde.
Bei Dornbirn, Rankweil und Götzis werden wir eher von einer
Marktwerdung sprechen müssen, und auch das nur in
einem mehr „politischen“ Sinn.
Es ist verständlich, wenn Gemeinden wie Götzis heute die
Bewilligung eines Wochenmarktes als „Markterhebung“
feiern. Aber eine gemeinderechtliche Aufwertung war mit
dieser „Gewerbeberechtigung“ nicht verbunden. Eine eigene
Gemeindeordnung war in Vorarlberg eher Voraussetzung,
aber nicht Folge von Marktprivilegien. Zudem ist zu
beachten, dass überwiegend eigentlich nicht Dorfgemeinden,
sondern Gerichtsgemeinden privilegiert wurden.
Wie auch immer: Mit dem gewerberechtlichen Marktprivileg
wurde kein Titel, keine Bezeichnung „Markt“ oder „Marktflecken“
verliehen oder erworben.
Was zeichnete dann Dornbirn, Götzis, Rankweil oder Hohenems
gegenüber anderen Marktorten aus?
Verallgemeinernd könnten wir (etwas hinkend) ins Treffen
führen, dass die vier historischen „Marktflecken“ Wochenmärkte
hatten, sich an Einwohnern durchaus mit den Städten
messen konnten, überdurchschnittliche Wirtschaftskraft
und Steuererträge aufwiesen, zumindest im Ortskern
annähernd „städtische“ Siedlungsstrukturen annahmen
Siegel der Marktgemeinde Rankweil 1785 und 1896
und politische gewichtige Gemeinden waren, in den sich
mit der Zeit eine Schicht von „kleinstädtischem“ Bürgertum
bildete.
Für Rankweil gilt das mit der Einschränkung, dass ein Wochenmarkt
sehr fraglich ist. So heißt es 1839 in der Landeskunde
von Weizenegger und Merkle wohl nicht von ungefähr:
„Rankweil hat im Frühjahre und Herbste zahlreich
besuchte Viehmärkte, obschon es nicht, wie Dornbirn, als
eigentlicher Marktflecken betrachtet wird.“ 21
Um Götzis sei es kurios bestellt, berichtete Staffler 1841 in
seiner Landesbeschreibung: „Obwohl ein Markt, ist er doch
ohne Märkte, weil er seine Marktprivilegien erneuern zu lassen
versah.“ 22 Götzis hatte 1832 vorerst auf deren Wiederverleihung
verzichtet, weil die Wiedererrichtung der Märkte
wenig erfolgversprechend sei. Dem Rang eines „Marktfleckens“
schadete dieser Verzicht nicht mehr.
Jahr- und Wochenmärkte blieben lange Zeit erste Voraussetzung
für den Status eines „Marktflecken“. Aber sie allein
genügten nie und zunehmend weniger, als Märkte im
anbrechenden Industriezeitalter als Vertriebsstrukturen an
Bedeutung verloren.
Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden in Österreich
die Marktprivilegien schrittweise zu normalem Gewerberecht
degradiert; radikal dann im Rahmen der großen
Staatsreform als Folge der bürgerlichen Revolution von
1848/49. – Insofern mutet es anachronistisch an, wenn
Kaiser Franz Joseph der „Gemeinde (!) Rankweil“ noch 1849
mit Brief und Siegel einen weiteren Viehmarkt zugestand. 23
Die Bezeichnung „Markt“ war rechtlich vage. Allgemeine
gemeinderechtliche Anknüpfungspunkte ergaben sich erstmals
mit der bayerischen Gemeindereform von 1808. Vorarlberg
gehörte von 1805 bis 1814 zu Bayern. 1808 erließ König
Maximilian I. Joseph eine „Konstitution für das Königreich
Bayern“ und schaffte damit sämtliche Sonderverfassungen
und landschaftlichen Korporationen ab. In Ergänzung die-
Seite 263

Seite 264
Städte (rot) und Märkte (blau) um 1805
ser Verfassung ließ er unter anderem ein „Organisches
Edikt über die Bildung von Gemeinden“ und ein „Edikt
über das Gemeindewesen“ folgen. 24 Auf dieser Grundlage
wurden flächendeckend Ortsgemeinden mit einer einheitlichen
Gemeindeverfassung eingerichtet, wie wir sie heute
kennen. Die Gemeinden wurden in drei Kategorien eingeteilt:
in Städte über 5.000 Einwohner, in Städte unter 5.000
Einwohnern und gleichzuhaltende größere Märkte sowie in
kleinere Märkte und Landgemeinden (Ruralgemeinden). Als
in Rankweil 1813 erstmals die Wahl auf der neuen Rechtsgrundlage
anstand, gestand der Feldkircher Landrichter
den Rankweilern einen „Bürgermeister“ samt fünf „Munizipalräten“
zu, die für größere Märkte vorgesehen waren,
das Generalkreiskommissariat Kempten hielt jedoch einen
„Gemeindevorsteher“, beraten durch die zwei Gemeindeältesten
für ausreichend, wie das für kleinere Märkte und
Landgemeinden bestimmt war. 25
Das Anforderungsprofil eines Gemeindevorstehers war übrigens
bemerkenswert: „Zur Stelle des Gemeinde-Vorstehers
soll ein solches Gemeinde-Glied gewählt werden, welches
zu den Geschäften brauchbar ist; lesen, schreiben und rechnen
versteht; einen ordentlichen Lebenswandel führt; als
ein guther Hauswirth bekannt ist; Erfahrung und Bescheidenheit
besitzt, und das Geschäft selbst nicht mit solcher
Abneigung antritt, von welcher sich auch in der Folge keine
genaue Erfüllung der damit verbundenen Obliegenheiten
erwarten lässt.“ 26 – Gastwirte waren vom Amt ausgeschlossen,
da kein Wirt seine Sperrstunde selbst bestimmen und
kontrollieren können sollte.
Das Westallgäu blieb 1814 bei Bayern. Im wieder österreichischen
Vorarlberg verfestigte sich mit Dornbirn, Hohenems,
Götzis und Rankweil ein Quartett etablierter
„Marktflecken“.
Das Gemeinderegulativ für Tirol und Vorarlberg von 1819
kannte nur „Landgemeinden“ und „Stadtgemeinden“. 27
Mit dem provisorischen Gemeindegesetz von 1849 wurden
alle Gemeinden rechtlich gleichgestellt; endgültig 1862.
5. Lustenau und Hard als nominelle
„Marktgemeinden“ neuen Typs
Die Bezeichnung „Markt“ oder „Marktgemeinde“ wurde
vom Gewerberecht losgelöst, charakterisierte keine gemeinderechtliche
Sonderstellung, wurde zum nackten Ehrentitel
abgespeckt, zu einer Prestigefrage.
So wuchs mit der Zeit offenbar der Wunsch nach titularischen
Rangerhöhungen. Jedenfalls ging der neue Kaiser
Franz Joseph dazu über, Ortschaften durch allerhöchste
Entschließungen nominell zu „Märkten“ zu erheben und
Märkte zu „Städten“. Um 1870 scheint – vor allem in Böhmen
– ein „Erhebungsfieber“ ausgebrochen zu sein, das
nach 1885 Tirol erfasste und schließlich auch auf Vorarlberg
ansteckend wirkte.
Von spätestens 1887 bis 1911 wurden in Tirol 16 Ortschaften
zu Märkten erhoben, zwei weitere Gemeinden ließen sich
ihr altes Recht bestätigen, sich als „Markt“ bezeichnen zu
dürfen. Der Markt Levico wurde 1894 zur Stadt erhoben,
Imst 1898. Wenig später folgte in den großen Industriegemeinden
des Vorarlberger Unterlandes eine „Kettenreaktion“:
1901 wird Dornbirn Stadt. 1902 zieht Lustenau mit der
Markterhebung nach, 1905 Hard (die erste „Marktgemeinde“
außerhalb des Bezirks Feldkirch).
Und es hat den Anschein, dass erst diese „neureichen“
Märkte das Prestigebedürfnis der angestammten „Marktflecken“
weckte, die sich jetzt ebenfalls oder erneut Stempel
mit der Umschrift „Marktgemeinde-Vorstehung“ anschafften.
Rankweil verwendete ihn bereits um 1875. Dafür
firmierte das Gemeindeoberhaupt noch zehn Jahre meist
als „Gemeindevorsteher“, während seine Kollegen in Dorn

Markterhebungsurkunde für Hard 1905
birn, Hohenems und Götzis als „Bürgermeister“ zeichneten
– ein Titel, der bis zur Gemeindeordnung 1935 den Städten
und Marktgemeinden vorbehalten bleiben wird.
Eine gesetzliche Grundlage für diese nominellen Stadt- und
Markterhebungen neuen Typs gab es nicht. Sie waren ein
Vorrecht und Gnadenakt des Kaisers. Jede Gemeinde, die
sich würdig empfand, konnte im Behördenweg ein Majestätsgesuch
einreichen.
Eine Markttradition war nicht mehr notwendig. „Märkte“
ohne Markt wurden zur Regel. Entscheidend waren die
Bevölkerungsentwicklung der letzten Jahre, das äußere
Erscheinungsbild der Gemeinde, die Steuerkraft und wirtschaftliche
Lage, die kirchlichen und schulischen Verhältnisse,
der Bestand an öffentlichen und gemeinnützigen
Anstalten, Verdienste um Kaiser und Vaterland, eine patriotische
Gesinnung und eine tadellose Gemeindeverwaltung.
6. Sonderrechte für Marktgemeinden?
Spätestens bei diesen nominellen Markterhebungen stand
zweifellos der Imagegewinn für die Gemeinden im Vordergrund.
Rechtliche Konsequenzen hatten sie so gut wie keine.
Nur den Städten räumten die Gemeindegesetze noch bis
1864 eine Sonderstellung ein. Wenn der Markt Dornbirn bei
der Errichtung eines konstitutionellen Vorarlberger Landtages
1861 in der Wählerklasse der Städte Berücksichtigung
fand, war dies seiner Größe und Steuerkraft zuzuschreiben,
und nicht seinen „Marktwürden“.
Ein Recht oder Anrecht, Jahr- oder Wochenmärkte veranstalten
zu dürfen, wurde mit der nominellen Markterhebung
nicht erworben.
Auf eine Spitzfindigkeit bleibt allerdings hinzuweisen, auf
die Unterscheidung in die „Ortsgemeinden“ und deren
„Ortschaften“:
So ist die Gemeinde Rankweil in den Ortsverzeichnissen
regelmäßig mit zwei Ortschaften ausgewiesen: mit dem
„Markt“ Rankweil und dem „Dorf“ Brederis. 28 Das hat
nicht nur topographische Gründe. Streng genommen kam
der Titel „Markt“ nur dem Zentrum der Gemeinde zu. Am
ehesten hat sich diese Unterscheidung noch im Dornbirner
Sprachgebrauch erhalten, aber auch in den Schulsprengeln
„Rankweil-Markt“. 29
Ausdrücklich wurde nicht die gesamte Ortsgemeinde Lustenau
oder Hard, sondern nur die „Ortschaft Lustenau“, nur
die „Ortschaft Hard“, nur der Gemeindekern, zum Markt
erhoben. 30 Diese vermeintliche Haarspalterei konnte rechtliche
Konsequenzen haben, in anderen Kronländern besonders
bei Wahlen zu Landtagen und zum Abgeordnetenhaus
des Reichstags. In Vorarlberg war sie akademischer Natur.
7. Markterhebungen in Landeskompetenz seit 1925
Wir haben gesehen, dass Stadt- und Markterhebung ein
Vorrecht der Krone waren. Nach dem Untergang der Habsburgermonarchie
1918 nahm diese Kompetenz zunächst die
Staatsregierung für sich in Anspruch. Mit der Bundesverfassungsgesetznovelle
1925 ging sie auf die Länder über.
7.1. Landesgesetz 1926
Am 22. Dezember 1926 beschloss der Vorarlberger Landtag
ein „Gesetz betreffend die Erhebung einer Ortsgemeinde zu
einem Markte oder zu einer Stadt, die Änderung des Namens
von Ortsgemeinden und die Berechtigung zur Führung
von Wappen durch Gemeinden“. (Wohl kein anderes
Landesgesetz erhielt je einen sperrigeren Titel). Es lehnte
sich weitestgehend an einen Entwurf des Bundeskanzleramtes
an. Zur Markterhebung wurde bestimmt:
„Das Recht zur Führung der Bezeichnung Marktgemeinde
kann durch Landtagsbeschluß an ansehnliche Ortsgemeinden,
insbesondere an solche, die das Marktrecht bereits
besitzen, verliehen werden.“ 31
Seite 265

Der Rückgriff auf das gewerbliche Marktrecht war ein Anachronismus,
für die erste Aspirantin aber kein Problem. Die
Gesetzgebung eilte insofern, als die Gemeinde Schruns
bereits 1924 einen Antrag auf Markterhebung gestellt hatte,
die ihr der Landtag mit Beschluss vom 21. Oktober 1927
auch gewährte.
7.2. Gemeindeordnung 1935
1935 wurden die Bestimmungen des Landesgesetzes von
1926 weitgehend in die neue Gemeindeordnung eingebaut.
Bei den Kriterien für eine Markterhebung wurde der Rückgriff
auf gewerbliche Marktrechte gestrichen, die Kompetenz
der Landesregierung zugewiesen. Die Landesregierung
konnte nun an jede „ansehnliche Gemeinde“ das Recht zur
Führung der Bezeichnung „Marktgemeinde“ verleihen. 32
Im Kommentar hieß es dazu, es dürfe dennoch erwartet
werden, dass von den Befugnissen zur Stadt- und Markterhebung
„ein sehr sparsamer Gebrauch gemacht werde“. 33
Das war tatsächlich der Fall. Auf dieser Rechtsgrundlage
wurde nur einer Gemeinde die Bezeichnung „Marktgemeinde“
verliehen – 1962 der Gemeinde Bezau, dem Hauptort
des Bregenzerwaldes.
7.3. Deutsche Gemeindeordnung 1938 bis 1945
Mit der Einführung der Deutschen Gemeindeordnung mit
1. Oktober 1938 wurde die Bezeichnung „Marktgemeinde“
durch „Markt“ ersetzt. Mit der Befreiung von der NS-Diktatur
trat 1945 wieder die Gemeindeordnung 1935 in Kraft, soweit
sie demokratischen Grundsätzen entsprach. Offenbar
hatte man an der alten Bezeichnung „Markt“ wieder Gefallen
gefunden. Jedenfalls sah sich das Amt der Vorarlberger
Landesregierung 1947 veranlasst, im Amtsblatt ausdrücklich
darauf hinzuweisen, dass es nicht mehr „Markt“ heiße,
sondern „Marktgemeinde“. 34
Seite 266
7.4. Gemeindegesetz 1965
1965 schließlich verabschiedete der Landtag ein neues
Gemeindegesetz, die Stammfassung des heute geltenden
Gemeindegesetzes. Die Voraussetzungen für eine Markterhebung
sollten etwas präzisiert werden. Seither kann die
Landesregierung Gemeinden das Recht zur Führung der
Bezeichnung „Marktgemeinde“ verleihen, „die wegen ihrer
Einwohnerzahl oder sonst für einen über das Gemeindegebiet
hinausgehenden Bereich eine besondere Bedeutung
besitzen“. 35
Diese verunglückte Formulierung trägt allerdings mehr zur
Verwirrung als zur Klärung bei: Soll eine überdurchschnittliche
Einwohnerzahl allein ausreichen oder in jedem Fall
auch eine zentralörtliche Bedeutung gefordert sein? Ist eine
zentralörtliche Bedeutung nur dann gefordert, wenn einer
Gemeinde nicht allein schon aufgrund ihrer Einwohnerzahl
ein regionales Gewicht zukommt? – Die Landesregierung
prüfte im verwaltungsinternen Begutachtungsverfahren jedenfalls
auch regelmäßig das Kriterium der zentralörtlichen
Bedeutung.
Mit der Stadterhebung von Hohenems fiel 1983 eine Marktgemeinde
weg. Dafür wurde 1982 Wolfurt Marktgemeinde
und 1985 Lauterach; 1993 folgten Nenzing und Frastanz. Diese
regionale „Clusterbildung“ kommt nicht von ungefähr,
nachbarschaftliche Prestigeduelle spielten bei nominellen
Markterhebungen von Beginn an eine wesentliche Rolle.
Wolfurt und Lauterach sind einwohnerstarke Gemeinden
im Bregenzer Speckgürtel. Für Nenzing und Frastanz lässt
sich ins Treffen führen, dass es Hauptorte im Walgau sind.
Was die Landesregierung aber dazu bewog, jüngst einem
Ansuchen der Gemeinde Hörbranz stattzugeben, ist für
mich nicht ganz nachvollziehbar. Als „der“ Hauptort im
Leiblachtal wird Hörbranz wohl kaum anzusehen sein. War
für die Landesregierung die Zahl von 6.329 Einwohnern
(2007) ausschlaggebend? – Wir wissen es nicht und gönnen

Marktprivileg für das Gericht Rankweil-Sulz 1618
den Hörbranzern den Titel, den sie ab 9. Juli 2008 führen
dürfen. 36 Die Landesregierung wird sich freilich schwer tun,
vergleichbaren Gemeinden die Marktwürden abzuschlagen.
Von den 96 Vorarlberger Gemeinden führen heute fünf die
Bezeichnung „Stadt“ und demnächst bereits elf die Bezeichnung
„Marktgemeinde“. Mit einem „Marktanteil“ von
11,5 Prozent nimmt sich Vorarlberg im Österreichvergleich
noch bescheiden aus. In Niederösterreich firmiert mehr als
die Hälfte aller Gemeinden als „Marktgemeine“.
Allerdings sind in anderen Bundesländern die Gemeindezusammenlegungen
in Rechnung zu stellen. Während
die Zahl der österreichischen Gemeinden seit 1945 insgesamt
halbiert wurde, ist sie in Vorarlberg seit 1947 mit 96
Gemeinden gleich geblieben. Vorarlberg zählt unter dem
Strich heute noch in etwa gleichviel Gemeinden wie vor 200
Jahren.
8. „Kommunaler Uradel“
Wo steht nun geschrieben, dass sich Rankweil als „Marktgemeinde“
bezeichnen darf?
Ausdrücklich steht das nirgends zu lesen. Die jüngeren, nominell
zu Marktgemeinden erhobenen Gemeinden können
eine Allerhöchste Entschließung, einen Landtagsbeschluss,
einen Beschluss oder eine Verordnung der Landesregierung
vorweisen, die kundgemacht und meist prunkvoll beurkundet
wurden.
Die älteren, historisch gewachsenen Marktgemeinden
berufen sich mangels einer gemeinderechtlichen Markterhebungsurkunde
meist auf das erste gewerberechtliche
Marktprivileg, das ihnen eingeräumt wurde – in Vorarlberg
sind das nach den Stadterhebungen von Dornbirn und Hohenems
noch Rankweil und Götzis. So feierte Götzis 1994
„300 Jahre Markterhebung“, und es ist anzunehmen, dass
Rankweil 2018 „400 Jahre Markterhebung“ feiern wird,
wenngleich sich die Gemeinde das Marktprivileg eigentlich
erst 1656 „erschlichen“ hat.
Bei der Erlassung der Vorarlberger Gemeindegesetze wurde
spätestens seit 1935 immer wieder bestimmt, dass Gemeinden,
die zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes die Bezeichnung
„Stadt“ oder „Marktgemeinde“ führen, zur Fortführung
dieser Bezeichnung berechtigt sind. Nur wurde nie
ausdrücklich und rechtsverbindlich festgestellt, welche Gemeinden
das sind. So beruht der Marktgemeindetitel von
Rankweil und Götzis letztlich auf Gewohnheitsrecht; ein
erträgliches Schicksal, das sie gewissermaßen als „kommunaler
Uradel“ mit den Städten Feldkirch, Bregenz und
Bludenz teilen.
Eine positivrechtliche Bestätigung, dass Rankweil diese
Bezeichnung zu Recht führt, lässt sich indirekt durch Verordnungen
der Landesregierung gewinnen, in denen von
der „Marktgemeinde Rankweil“ die Rede ist, zum Beispiel
in Schulsprengelverordnungen. 37 Nicht zuletzt verlieh die
Landesregierung 1928 ausdrücklich der „Marktgemeinde
38
Rankweil“ “ ein Wappen, in reduzierte Form 1978.
9. Ein Titel ohne Mittel
Und was haben die „Marktgemeinden“ von ihrem Titel?
Die „Marktgemeinde“ war und blieb ein Titel ohne Mittel.
Von der Titulierung abgesehen macht das Gemeinderecht
zwischen „Gemeinden“, „Marktgemeinden“ und „Städten“
keinen Unterschied (nachdem es in Vorarlberg noch
keine Stadt mit eigenem Statut gibt).
Das „Bürgermeister-Privileg“ büßten die Städte und Marktgemeinden
1935 ein. Seither haben auch die ehemaligen
„Landgemeinden“, die „Bauern“, einen Bürgermeister.
Seite 267

Heute sieht das Gemeindegesetz als Schmuckwerk für
Marktgemeinden nur noch das „Marktgemeindeamt“ vor,
und verpflichtend die Bezeichnung „Marktgemeinde“ im
Siegel.
Im öffentlichen Finanzausgleich spielt der Titel keine Rolle,
ist allein die Bevölkerungszahl ausschlaggebend.
Aber machen wir uns nichts vor: Ein Titel wie die „Marktgemeinde“
streichelt die kommunale Seele. Er schmückt
ungemein und im besten Fall ärgert er auch noch die Nachbargemeinden.
1 Ich habe das Thema an anderer Stelle bereits ausführlich behandelt.
Im Folgenden belege ich daher nur noch wörtliche Zitate sowie
Ergänzungen, Neuerungen und Korrekturen. Im Übrigen: Ulrich
Nachbaur, Über das Werden und Wesen von „Marktgemeinden“ in
Vorarlberg. Die Markterhebung von Schruns 1927, in: Ulrich Nachbaur/
Peter Strasser, Die Markterhebung von Schruns. Marktgemeinden in
Vorarlberg (Montafoner Schriftenreihe 13). Schruns 2004, S. 9-126.
2 Alois Niederstätter, Von Dorfvögten und Bannwarten. Die Entwicklung
kommunaler Strukturen in Vorarlberg seit dem Mittelalter, in: Verba
volant Nr. 42 (2008), S. 1-13 (Vortrag in Rankweil, 26.05.2008).
3 Zum Folgenden vgl. v.a. Benedikt Bilgeri, Ein Gang durch die ältere
Geschichte Rankweils, in: Heimat Rankweil, hg. von Josef Bösch.
Rankweil 1967, S. 66-120; Heinrich Abbrederis, Grundzüge der
Besiedelung von Rankweil (Vorarlberg). Diss. phil. Universität Innsbruck
1948.
4 Monika Volaucnik/Christoph Volaucnik/Norbert Schnetzer, Zur
Geschichte der Rankweiler Zünfte, in: „Hoch die Handwerker – Arbeit ist
des Lebens Würze“. Zur Geschichte der Rankweiler Handwerkszünfte,
hg. von Norbert Schnetzer/Christoph Volaucnik (Reihe Rankweil 10).
Rankweil 2005, S. 13-168, hier S. 127.
5 Benedikt Bilgeri, Politik, Wirtschaft, Verfassung der Stadt Feldkirch,
in: Geschichte der Stadt Feldkirch, Bd. 1, hg. von Karlheinz Albrecht.
Sigmaringen 1987, S. 75-387, hier S. 270-273.
6 Vorarlberger Landesarchiv [fortan: VLA]: Gemeindearchiv [fortan: Gda]
Rankweil Urk. Nr. 3304.
7 Die Rankweiler Urkunden wurden offenbar in Tranchen in das
Vorarlberger Landesarchiv übertragen und vermutlich von
Seite 268
unterschiedlichen Personen verzeichnet – die Verleihungsurkunde
von 1618 unter Nr. 3304 (wie Anm. 6) , die Bestätigungsurkunde von
1619 unter Nr. 4388 (wie Anm. 8). In der Urkunde von 1619 ist jene von
1618 wörtlich inseriert. Zur Urkunde von 1619 wurde im Landesarchiv
deshalb bei den Urkundenregesten eine zweite Karteikarte angelegt mit
den irreführenden Regest: „Erzherzog Maximilian, der Deutschmeister,
bewilligt der Gemeinde Rankweil [!] die Abhaltung dreier öffentlicher
Viehmärkte […]. da inseriert in Urk. von 1619 April 6 (Lda. Nr. 4388).“ –
Offenbar verließen sich die Historiker ausschließlich auf dieses Regest.
Abbrederis, Besiedelung von Rankweil (wie Anm. 3), S. 208, zitiert
ausdrücklich „Repertorium, Landesarchiv Bregenz“. Bilgeri, Geschichte
Rankweils (wie Anm. 3), S. 102, schreibt ohne Quellenangabe: „Unter
diesem Datum bewilligte Erzherzog Maximilian den Landammännern
von Rankweil-Sulz und Jagdberg, zugleich auch in besonderer Urkunde
der Gemeinde Rankweil die Abhaltung dreier Viehmärkte, am 17. März,
25. April und am St. Gallentag, den 16. Oktober.“ Wenn wir Bilgeri
nicht eine bewusste Irreführung unterstellen wollen, dürfte er dem
Regest aufgesessen sein und die Urkunden nicht eingesehen haben;
obwohl auch Bilgeri aufgefallen sein müsste, dass eine Privilegierung
von Landammännern allein und erst recht eine konkurrierende
Privilegierung der Dorfgemeinde Rankweil widersinnig ist.
8 VLA: Gda Rankweil Urk. Nr. 4388 (Erzherzog Leopold, Innsbruck
06.04.1619; seit 1961 als Leihgabe bei der Marktgemeinde Rankweil).
9 VLA: Kloster Valduna Urk. Nr. 4788.
10 VLA: Gda Rankweil Urk. Nr. 4391.
11 So Abbrederis, Besiedelung von Rankweil (wie Anm. 3), S. 212;
Hans Nägele/Thomas Linder/Josef Bösch, Werden und Wachsen der
Rankweiler Wirtschaft, in: Heimat Rankweil, hg. von Josef Bösch.
Rankweil 1967, S. 353-409, hier S. 384.
12 Zitiert nach: Manfred Tschaikner, Feige Feldkircher, leichtgläubige
Bludenzer, lüsterne Montafoner und „trogne“ Walser – Ein spöttisches
Gedicht über die Gemeinden des Vorarlberger Oberlandes von Rankweil
bis Gaschurn aus dem Jahr 1670, in: Bludenzer Geschichtsblätter (2005)
75, S. 43-78, hier S. 64. Für diesen Hinweis danke ich Dr. Manfred
Tschaikner, Vorarlberger Landesarchiv.
13 Das belegen die Litterae Annuae Provinciae Germaniae Superioris, die
Manfred Tschaikner im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München
einsah. Ich danke für den Hinweis.
14 Bilgeri, Geschichte Rankweils (wie Anm. 3), S. 109, schreibt: „Ein Markt,
der keine Urkunde brauchte, war sicher schon sehr lange auf dem

Liebfrauenberg. Von ihm hatte schon um 1500 der reisende Humanist
Suntheim erzählt. (Montfort 1965).“ – Dieser Hinweis auf Suntheim ist
nicht nachvollziehbar. Vgl. Karl Heinz Burmeister, Ladislaus Suntheims
Landesbeschreibung Vorarlbergs, in: Montfort 17 (1965) 2, S. 119-125,
S. 122: „Item Rankweil bey Veldkirch, da ist ain Landgericht, da wechst
wein haist Sattelberger, der ist vast gut, und ist Regnum Romanorum.“
15 VLA: Gda Götzis Urk. Nr. 5450 (Marktordnung 20.09.1694 aufgrund
Privilegierung 15.05.1694).
16 Ulrich Dünser, Götzis, Kapitel XV: Die Zunft, in: Vorarlberger
Volkskalender 1910, S. 29-33.
17 Vgl. Anita Muther, Das Gericht Rankweil-Sulz (15. bis Ende 17.
Jahrhundert). Diss. phil. Universität Innsbruck 2005.
18 VLA Gda Rankweil Nr. 2e: Grenzbeschreibung, Rankweil
14.10.1785, abgebildet in: Ulrich Nachbaur, 96 Gemeindewappen.
Hoheitszeichen und Bürgerstolz. Ausstellung (Ausstellungskataloge
des Vorarlberger Landesarchivs 16). Bregenz 2008, S. 24. – Das
Attribut „vorderösterreichische“ (V.Ö.) könnte darauf hinweisen,
dass der Prägestock bereits vor 1783 gestochen wurde. 1752
bis 1782 unterstanden die Herrschaften vor dem Arlberg der
vorderösterreichischen Regierung in Freiburg im Breisgau, bis sie zur
oberösterreichischen Regierung in Innsbruck zurückkehrten. Allerdings
firmierte auch das Vogteiamt Feldkirch in seinem Kanzleisiegel
weiterhin als „vorderösterreichische“ Behörde.
19 Vgl. Abbildung des etwa zeitgleichen Siegels des „K.K. GERICHT
RANBKWEIL UND SULZ“ in: Heimat Rankweil, hg. von Josef Bösch.
Rankweil 1967, S. 308.
20 Provinzial-Handbuch von Tirol und Vorarlberg für das Jahr 1848.
Innsbruck o.J., S. 115.
21 Franz Josef Weizenegger, Vorarlberg, bearb. und hg. von Meinrad
Merkle, Bd. 1 Innsbruck 1839 (Unveränderter Nachdruck Bregenz 1989),
S. 68.
22 Johann Jakob Staffler, Tirol und Vorarlberg, statistisch und
topographisch, mit geschichtlichen Bemerkungen, Teil 2, Bd.
1. Innsbruck 1841, S. 88. – Dieses Zitat habe ich in Nachbaur,
Marktgemeinden (wie Anm. 1), irrtümlich Weizenegger/Merkle
zugeschrieben.
Franz Josef Weizenegger, Vorarlberg, bearb. und hg. von Meinrad
Merkle, Bd. 1 Innsbruck 1839 (Unveränderter Nachdruck Bregenz 1989),
S. 88.
23 VLA: Gda Rankweil Urk. Nr. 4393 (seit 1961 als Leihgabe bei der
Marktgemeinde Rankweil).
24 Organisches Edikt vom 28.07.1808 über die Bildung von Gemeinden,
Königlich-Baierisches Regierungsblatt [fortan: RBl.] 1808, Sp. 2789;
Edikt vom 24.09.1808 über das Gemeinde-Wesen, Rbl. 1808, Sp. 2405.
25 Bilgeri, Geschichte Rankweils (wie Anm. 3), S. 117.
26 Edikt vom 24.09.1808 über das Gemeinde-Wesen, RBl. 1808, Sp. 2405,
Anhang: Instruktion der Gemeinde-Vorsteher, § 1.
27 Allerhöchste Entschließung vom 14.08.1819 die Regulierung der
Gemeinden und ihrer Vorstände in Tirol und Vorarlberg betreffend,
Provinzialgesetzessammlung von Tirol und Vorarlberg 1819, Bd. 6, Nr.
166.
28 Z. B. Special-Orts-Repertorium von Vorarlberg (Special-Orts-Repertorien
der im österreichischen Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder
8). Wien 1885, S. 29.
29 Volksschulsprengelverordnung, LGBl. Nr. 41/1979, zgd LGBl. Nr. 29/2008
Hauptschulsprengelverordnung, LGBl. Nr. 42/1979, zgd LGBl. Nr.
39/2005.
30 LGBl. Nr. 19/1902; LGBl. Nr. 83/1905.
31 LGBl. Nr. 1/1927, § 1.
32 Gemeindeordnung 1935, LGBl. Nr. 25/1935, § 2 Abs. 2.
33 Gesetz vom 24. Juli 1935 LGBl. Nr. 25 betreffend die Gemeindeordnung
für das Land Vorarlberg (Gemeindeordnung 1935) mit erläuternden
Bemerkungen von Dr. Alfons Troll und Dr. Fritz Schneider. Bregenz o.J., S.
82.
34 Amtsblatt für das Land Vorarlberg 1947/25. Bezeichnung der Gemeinden
und Gemeindeämter (17.04.1947).
35 Gemeindegesetz, LGBl. Nr. 45/1965, § 13 Abs. 2.
36 LGBl. Nr. 26/2008.
37 Z.B. Volksschulsprengelverordnung, LGBl. Nr. 41/1979, 40/2004,
49/2006, 29/2008.
38 VLA: Gemeindewappenregistratur: Rankweil, Wappenurkunden 1928,
1978.
Seite 269

Das Montafon mit den angrenzenden Orten 1770 (Gabriel Walser)
Seite 270

Im Jahr 1808 wurde im Königreich Bayern eine neue Gemeindeordnung
erlassen, die zusammen mit vielen anderen
Neuerungen in den Jahren zwischen 1780 und 1830 einen
bedeutenden gesellschaftlichen Wandel mit sich brachte.
Besonders für die Führungsschichten hatten diese Veränderungen
weit reichende Folgen. Die soziale Stellung der
Eliten in der Gesellschaft wurde in Frage gestellt und zahlreiche
Reformen – von denen eben die neue Gemeindeordnung
eine war – führten zu einem Abbau ihrer jahrhundertealten
Privilegien. Am Beispiel des Montafons möchte ich
an dieser Stelle auf die gesellschaftlichen Veränderungen
und die Situation der Oberschicht – der „Herren im Tal“ – in
den Jahren um 1800 eingehen und dabei besonders die Fragen
behandeln, wer damals eigentlich zur ländlichen Elite
zählte und wie die Schichtung der Gesellschaft insgesamt
aussah.
Das Montafon an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert
Am Beginn der Ausführungen soll ein zeitgenössisches Zitat
stehen: „Das Tal Montafon ist übrigens eines der ärmsten
von Vorarlberg. [...] Fast alle Bauerngüter sind so klein,
daß darauf in der Regel nur 2 bis 3 Kühe, einige Ziegen
und Schafe gehalten werden können.“ 1 Dieser Auszug aus
einem Bericht des Vorarlberger Kreishauptmannes Johann
Ebner aus dem Jahr 1835 beschreibt kurz und prägnant die
wirtschaftliche Situation des Montafons am Beginn des 19.
Jahrhunderts. Das Tal war von kleinen landwirtschaftlichen
Gütern und der Saisonarbeit geprägt.
Viele Männer wanderten den Sommer über als Bauarbeiter
ins Ausland, zahlreiche Frauen verdingten sich im Herbst
als Erntehelferinnen im süddeutschen Raum oder in der
Schweiz und bis zu 700 Montafoner „Schwabenkinder“
wurden alljährlich auf Märkten in Südwestdeutschland
als Hütebuben oder Kindermädchen von wohlhabenden
Bauern „ersteigert“. 2 Die Landwirtschaft wurde dadurch
oft zum Nebenerwerb reduziert und statistisch gesehen
Eröffnung der Ausstellung „Die Herren im Tal – Montafoner Eliten um 1800“; Gaschurn, Tourismusmuseum, 24. Juni 2008
Michael Kasper (geb. 1980 in Mürzzuschlag), Mag. phil., Historiker, seit 2007 Dissertant und Stipendiat der Nachwuchsförderung
der Universität Innsbruck
Die Herren im Tal
Die Montafoner Oberschicht zwischen 1780 und 1830
Michael Kasper
kamen auf jede Person lediglich 0,53 Rinder – ein etwa im
Vergleich zum Tannberg mit 1,05 Rindern pro Kopf recht
niedriger Wert. 3
Die Bevölkerung im Montafon wuchs von 7.442 Einwohnern
im Jahr 1754 nur langsam auf 8.669 im Jahr 1837 an und
ging in den folgenden Jahrzehnten sogar wieder auf den
Stand der 1750er Jahre zurück. 4
Die Bevölkerung verteilte sich 1785 folgendermaßen auf die
zehn Montafoner Pfarrgemeinden: 5
St. Gallenkirch 1.486
Bartholomäberg 1.406
Schruns 1.285
Tschagguns 1.264
Gaschurn 1.087
Vandans 836
Silbertal 617
St. Anton 111
Lorüns 76
Stallehr 55
Vor diesem eben skizzierten Hintergrund gehörte die Jahrhundertwende
vom 18. zum 19. Jahrhundert zu den besonders
markanten Episoden der regionalen Geschichte: Es
war eine Zeit aufklärerischer Reformen unter Kaiser Joseph
II. von Österreich und König Maximilian I. von Bayern, die
eine Modernisierung des Landes zum Ziel hatten. Zugleich
war es aber auch eine Zeit heftigen Widerstandes gegen
diese Neuerungen von großen Teilen der Bevölkerung.
Im Montafon kam es wegen der Reformen, die von der eher
konservativ eingestellten ländlichen Bevölkerung nicht
gutgeheißen wurden, immer wieder zu Unruhen: Im November
1789 regte sich beispielsweise in Schruns unter der
Führung der dörflichen Oberschicht Widerstand gegen die
neue Schule, sodass der Lehrer sich vor der aufgebrachten
Menge verstecken und schließlich nach Bludenz fliehen
Seite 271

Seite 272
Montafoner Schützen
am Schlappinerjoch (Hans Bertle)
musste. 6 Der damalige Schulkommissär berichtete zur allgemeinen
Situation, dass in Schruns weniger als die Hälfte
der Kinder die Schule besuchten und es wegen der großen
Armut vielen wenig vermögenden Kindern an Schuhen fehlte
und in Gaschurn wegen der – wie er es nannte – „harten
Winterszeit“ nicht genug warme Kleidung für die Schülerinnen
und Schüler vorhanden war. 7
Auch bezüglich der Reformen im Bereich der Religion, insbesondere
wegen der Beschränkung der Prozessionen und des
Verbots des Wetterläutens, kam es im Montafon zu Tumulten
gegen die Obrigkeit. In einem Bericht der für das Montafon
zuständigen Regierung in Innsbruck an die habsburgischen
Zentralbehörden in Wien glaubten die zuständigen Beamten
den eigentlichen Grund für die Unruhen gefunden zu haben:
„Die Vorsteher sind dumme und stolze Leute, welche einen
starken Anhang haben, und also in allen Stücken den gemeinen
Mann dahin führen, wo sie wollen”. 8
Im Zuge der in den nächsten Jahren durchgeführten Untersuchung
bescheinigte der Innsbrucker Gubernialrat Karl
von Schmidt den Vorarlberger Ammännern zudem das Attribut
„Verschlagenheit“ 9 und beklagte, dass die meisten von
ihnen Gastwirte seien und keinerlei juristische Ausbildung
besäßen. 10 Es wurde ihnen zudem vorgeworfen, dass die
Steuereinhebung nicht ganz korrekt ablaufe: „Die ursach
dißer ärgerlichen ohnordnung komet daher daß gemeiniglich
[…] die ammänner und steyrer in denen gerichteren das
umbgeld einziechen und zu gleicher zeit weinschäzer seind
und dabey selbsten wein außschenckhen, ja gemeininglich
die beste würth seind. Daß sich also nicht zu verwundern,
wann daß umbgeld ohnrichtig eingezogen und dabey vile
verbottene vortheilhafftigkeiten zu schaden des publici gebraucht
werden.“ 11 Die „lokalen Despoten“ 12 , deren Rechte
durch die Reformen beeinträchtigt wurden, instrumentalisierten
die scheinbar religiös motivierten Unruhen für ihre
persönlichen Interessen. Man kann also konstatieren, dass
die Aufstände auch politische und soziale Bruchlinien zwischen
Beamten und lokalen Eliten offen legten.
Tatsächlich hatten die alteingesessenen Eliten im Montafon
gute Gründe gegen die Veränderungen eingenommen
zu sein, denn durch die Einrichtung des Landgerichtes in
Schruns 1775, sowie durch die Installierung eines Kreisamtes
in Bregenz 1786 büßten die Honoratioren, die als Vorgesetzte,
Steuereinnehmer oder Geschworene die lokalen
und regionalen Ämter bekleidet hatten, einen wesentlichen
Teil ihrer bisherigen Macht gegenüber den neu eingesetzten
Beamten ein. 13 Nach jahrhundertelangen Bemühungen
hatten die Montafoner endlich ein eigenes Gericht, dessen
Vorsitz durch Angehörige der regionalen Oberschicht hätte
besetzt werden können, doch schon nach kurzer Zeit wurden
statt diesen juristisch ausgebildete Beamte als (Land-)
Richter eingesetzt.
In den Jahren zwischen 1796 und 1800 wurde Vorarlberg
dann im Zuge der Kriege zwischen Österreich und Frankreich
mehrfach zum Kriegsschauplatz. Die von der Oberschicht
angeführten Montafoner Schützenkompanien
nahmen mehrfach an den Kämpfen teil und mindestens 17
Montafoner verloren in diesem Zusammenhang ihr Leben. 14
Das Montafon selbst wurde zwar außer bei einem Scharmützel
am Schlappinerjoch nie zum direkten Kampfgebiet,
doch forderte die Besetzung der südlichen Gebirgspässe
in den Winter- und Frühlingsmonaten des Jahres 1799 aufgrund
der extremen Witterung nicht unbedeutende Opfer
unter Schützen und Zivilbevölkerung, welche die Soldaten
im Gebirge versorgen musste. Wegen der großen Kälte und
tiefem Schnee kam es zu zahlreichen Erkrankungen und Erfrierungen.
15
Wenige Jahre später musste das junge Kaisertum Österreich
nach einer neuerlichen Kriegsniederlage gegen Frankreich
im Frieden von Pressburg 1805 das Gebiet des heutigen
Vorarlbergs an das Königreich Bayern abtreten. Die nun von
Bayern eingeführten Reformen stießen bei der Montafoner
Bevölkerung wiederum – wie schon in den Jahrzehnten zuvor
– auf starke Ablehnung. Unter anderem führte Bayern
eine umfassende Verfassungs- und Verwaltungsreform
durch, bei der Gemeinden und Gerichte den letzten Rest

Schruns um 1850
ihrer Selbstverwaltung verloren und zu staatlichen Instanzen
umfunktioniert wurden. Die althergebrachte, traditionelle
landständische Verfassung wurde 1808 gänzlich
aufgehoben. Auch im Steuerwesen kam es zu Veränderungen.
Als besonders drückend empfand die Bevölkerung
in Anbetracht der fast ununterbrochen andauernden Kriege
die neuerliche Einführung der allgemeinen Wehrpflicht.
Besonders die Oberschicht hatte unter diesen Reformen
zu leiden, da das neue Steuersystem eine gerechtere Besteuerung
zum Ziel hatte und durch die Einführung der
allgemeinen Wehrpflicht nunmehr auch die Söhne aus der
Oberschicht einrücken mussten – was bisher nicht der Fall
gewesen war.
Ein neuer Krieg löste 1809 parallel zu Tirol eine Rebellion
Vorarlbergs gegen die rechtmäßige bayerische Herrschaft
aus. Zahlreiche bayerische oder als bayernfreundlich titulierte
Amtsträger wurden verhaftet oder mussten die Flucht
ergreifen. Im Montafon flohen der Landrichter Maximilan
Gugger 16 und der Landammann Ignaz Vonier 17 ins benachbarte
Prättigau, um der Verfolgung durch die Aufständischen
zu entgehen. Vonier war von den Insurgenten zuvor
schon als Geisel genommen und vor den Tiroler Oberkommandanten
Andreas Hofer geführt worden. Dieser wollte
ihn zuerst sogar exekutieren lassen, ließ ihn dann aber
nach kurzer Haft frei. 18
Nach der Niederlage der Rebellen und der Wiederherstellung
der Ordnung verfolgte Bayern nach 1809 eine zurückhaltendere
und auf Entspannung bedachte Politik. Es kam
vor allem im sozialen Bereich zu Veränderungen. Damals
wurden etwa die Sanitätssprengel, die Feuerversicherungen,
der Steuerkataster und die Straflosigkeit unehelicher
Geburten eingeführt. Nach den politischen Umwälzungen
auf gesamteuropäischer Ebene kam Vorarlberg 1814
wieder zurück zu Österreich. Der Großteil der bayerischen
Reformen blieb jedoch in Kraft, insbesondere wurde die
alte landständische Verfassung nicht im vollen Umfang
wieder hergestellt. So wich bei der Oberschicht, die diese
Wiederherstellung ganz besonders befürwortet hatte, die
Freude über die Rückkehr zu Österreich bald einer Enttäuschung,
die sich durch die Hungersnot in den Jahren 1815
bis 1818 noch steigerte. 19
Armut und Reichtum – Die Vermögensverteilung in
Schruns um 1810
Das Steuerbuch von Schruns aus den Jahren 1809/10 20
ermöglicht die Rekonstruktion der dörflichen Vermögensverhältnisse
und lässt auch die Erstellung eines groben
Sozialprofils zu. So sind im Steuerbuch 354 Steuerpflichtige
genannt, die durchschnittlich 8,7 Marken zu bezahlen
hatten. Dieser Betrag, der mit „Marken“ bezeichnet wurde,
bezieht sich nicht auf eine gezahlte bzw. real zu zahlende
Geldsumme, sondern spiegelt den Wert des steuerpflichtigen
Vermögens und den zu leistenden Anteil an der gesamten
Steuersumme des Dorfes, die variieren konnte, wider.
Die Steuerbücher können als „Rustikalsteuerregister“ bezeichnet
werden, da sie weitgehend auf immobilem Vermögen
– also Haus- und Grundbesitz – beruhten. 21 Das gilt vor
allem deswegen, weil größere Vermögen an Bargeld eine
Ausnahme darstellten und etwa die Landgerichtsbeamten
in Schruns berichteten, dass man in den „nächsten besten
zehn Häusern zusammen nicht fünf Gulden baares Geld finden
würde“. 22
Der Median der Marken lag im Gegensatz zum Durchschnittswert
(8,7 Marken) bei 2,5 Marken, das heißt, dass
die Hälfte der Steuerpflichtigen über ein so geringes Vermögen
verfügten, dass sie nur Steuern im Gegenwert von
2,5 Marken oder weniger zu bezahlen hatten. Im oben
abgebildeten Ausschnitt findet sich das andere Ende der
Skala vertreten: Mit 270 Marken lag Oswald Tschohl unangefochten
an der Spitze der vermögenden Schrunser.
Während der Großteil der Bevölkerung permanent in Armut
oder zumindest an der Armutsgrenze lebte, steigerte
Tschohl vor allem durch Kreditvergabe sein Vermögen und
seine politische Macht, da er durch Kredite Abhängigkeiten
Seite 273

schuf und so eine große Anhängerschaft erhielt. Besonders
in Krisenzeiten – etwa in den 1790er Kriegsjahren oder in
den Hungerjahren 1815 bis 1818 – erhöhten Wucherzinsen
die Gewinne der Reichen aus dem Kreditgeschäft und verfestigten
ihre soziale Stellung im Dorf, während gleichzeitig
die ärmeren Schichten in noch größere Abhängigkeit von
ihren Kreditgebern gerieten. Der Vorarlberger Kreishauptmann
Franz Anton von Daubrawa berichtete bezüglich des
Kreditwesens 1817, nach mehreren Jahren der Missernten
und des Hungers, an das Gubernium in Innsbruck:
„Dagegen aber wird die öffentliche Sittlichkeit durch die
jetztigen Zeitumstände in der anderweiten Hinsicht sehr
verdorben, daß dieselben wucherischen Spekulazionen offenes
Feld biethen. Der Notleidende muß auch die härtesten
Bedingungen sich gefallen lassen. Die gerichtliche oder anderweite
Entdeckung ist um so schwerer, weil der Schuldner
nichts sagen darf, und dieser Gegenstand ohnehin unter
allerley Arten von Masken verhüllt wird.“ 23
Eine Vermögensaufstellung von Oswald Tschohl und seiner
Frau Maria Christine Greberin aus dem Jahr 1810 24 zeigt
deutlich die Bedeutung des Kreditwesens für die wirtschaftliche
Vormachtstellung der Oberschicht. Sein mit Abstand
größter Posten waren die Kredite und Zinsen, während das
Bargeld und sein mobiles und immobiles Vermögen nur
einen Bruchteil des Wertes seines gesamten Besitzes ausmachten:
Haus, Guth, Majenses, Weiden und ein Stükl
im Ried sind taxiert 4.389 fl
Hausmobilien, Esswahren und Vieh ist taxiert 763 fl
An einnehmenten Schuldbosten auf Martiny
1809 sowohl Zins als Kapital 39.211 fl
An Geld 1.300 fl
An Aussteuerung des Sohns Franz 2.000 fl
[Summe] 47.663 fl
Von allen im Steuerbuch genannten Personen können 215
der unteren Schicht, die weniger als die Hälfte des Marken-
Seite 274
durchschnitts leisteten zugeordnet werden, während 40 der
oberen Schicht angehörten, die mehr als das Doppelte des
Markendurchschnitts bezahlten. Zwischen diesen Werten
lagen 99 im Bereich des Mittelwerts.
Auf die 40 wohlhabendsten Schrunser, etwas mehr als zehn
Prozent aller Steuerpflichtigen, entfielen zusammen 55,45
Prozent der gesamten Steuern, während die 215 Ärmsten,
die 60 Prozent der Steuerzahler ausmachten, lediglich auf
12,47 Prozent der Steuerleistung kamen.
In der folgenden Tabelle sind die zehn reichsten Schrunser,
die ein Vermögen im Gegenwert von über 50 Marken besaßen,
mit der Anzahl der von ihnen zu entrichtenden Marken
aufgeführt:
Name Marken
Tschohl Oswald 270
Jochum Jakob 167
Sander Ignatz 120
Rudigier Johann Ulrich 102
Tschohl Peter 76
Würbel Florinus 70
Manall Christian 60
Ganahl Frantz 55
Vonier Ignatz 54
Amann Franz Anton 51
Gleichzeitig zeigt ein Blick auf die Ämterlisten, dass die Vertreter
der wirtschaftlichen Oberschicht auch gleichzeitig an
den politisch wichtigsten Positionen saßen. Einige der eben
genannten hatten mehrfach das Amt eines Vorgesetzten
des Tales – eines der höchsten Ämter im Montafon – inne
(Johann Ulrich Rudigier 1802, 1806-12; Ignaz Sander 1801;
Oswald Tschohl 1770, 1774, 1778, 1782, 1790; Ignaz Vonier
1792, 1796, 1800), oder bekleideten andere lokal oder regional
bedeutende Ämter wie Landammann, Geschworener,
Steuereinnehmer, Gegenschreiber oder Gemeindevorsteher.
25

Auch ihre wohlhabenden Verwandten bekleideten diverse
Ämter. Korruption und Vetternwirtschaft stellten in diesem
Umfeld vermutlich keine Ausnahmeerscheinungen dar.
Die deshalb erlassenen Verbote und Beschränkungen der
Obrigkeit, die Wirten oder nahen Verwandten verboten bestimmte
Ämter zu übernehmen, waren zumeist nur wenig
erfolgreich.
Während im Großteil Vorarlbergs viele Menschen schon seit
der Mitte des 18. Jahrhunderts im textilen Verlagswesen arbeiteten,
entwickelte sich dieser Gewerbezweig im Montafon
nur langsam. Die Initiatoren und Verleger waren jedoch
in erster Linie die Angehörigen der Oberschicht. 1793 ließ
etwa Ignaz Vonier zusammen mit zwei Mitgesellschaftern
Baumwollgespinst herstellen. Sowohl Johann Ulrich Rudigier
als auch Oswald Tschohl traten in der Folge dieser Gesellschaft
bei und 1801/02 beschäftigte „Vonier + Comp.“
93 Heimweber sowie 4.000 Spinnerinnen. 26 Zusätzlich besaß
Vonier 1804 sogar eine eigene Weberei-Manufaktur. 27
Die Herren im Tal
Johann Joseph Batlogg 1799
Nun etwas ausführlicher zu zwei prominenten Vertretern
der Montafoner Oberschicht – zu zwei der „Herren im Tal“:
Der noch heute in der Region bekannte und manchmal als
„Montavoner Patriot“ 28 bezeichnete Johann Joseph Batlogg
war von 1789 bis 1800 Landammann und Richter im Montafon.
Er wurde 1751 geboren und entstammte einer angesehenen,
jedoch wenig vermögenden Familie aus Vandans.
Da ihm seine Eltern kein Studium finanzieren konnten oder
wollten, erhielt er eine grundlegende Ausbildung durch
einen örtlichen Priester und vertiefte sich später durch
Selbststudium in die Rechtswissenschaft. Nach seiner Heirat
mit Maria Josefa Bitschnau übersiedelte er 1779 in deren
Elternhaus ins Nachbardorf St. Anton. Dort begann er sich
neben der Landwirtschaft mehr und mehr dem Anwaltsberuf
zu widmen.
Im Mai 1789 wurde er vom Gerichtsherrn zum provisorischen
Richter im Montafon ernannt und erhielt dafür eine
jährliche Besoldung von 200 Gulden. Als es in der Folge
aufgrund der josephinischen Reformen im Montafon zu
Ausschreitungen kam, wurden mehrere Kommissionen zur
Untersuchung derselben ins Montafon gesandt. Der Kreishauptmann
Georg Andreas von Buol bezeichnete Batlogg
dabei als „einen vernünftigen, ehrlichen und leitsamen
Mann“ und 1790 wurde dieser auf unbestimmte Zeit zum
Landammann gewählt und ihm ein überdurchschnittlich
hoher Gehalt zuerkannt. Nachdem er überdies 1792 vor
dem Kreishauptmann eine Prüfung über das bürgerliche
Recht abgelegt hatte, wurde ihm im Jahr darauf vom Appellationsgericht
die Wahlfähigkeit für eine „mit dem Criminali
nicht verbundene Ortsrichterstelle“ zuerkannt. 29
Obwohl sich Batlogg im Zuge des ersten Koalitionskrieges
1796 sehr für die Landesverteidigung engagiert hatte,
wurde er im Zusammenhang mit der in Bludenz erfolgten
Ermordung des Kreishauptmannes Ignaz Anton von Indermauer
als Anstifter des Mordes angeklagt und mehrere Monate
inhaftiert. Zwei Jahre später wurde er jedoch schließlich
für unschuldig erklärt, rehabilitiert und wieder in sein
Amt eingesetzt. 30
Im Herbst des Jahres wurde ihm als eine Art Entschädigung
zudem „in Anbetracht seiner großen Verdienste um die Vertheidigung
des Vaterlandes als Zeichen besonderer Gnade
und Zufriedenheit“ eine goldene Münze verliehen. 31
Im Zuge des zweiten Koalitionskrieges bewährte sich Batlogg
wiederum als Schützenhauptmann der Montafoner
Kompanien und wirkte bei der Abwehr des französischen
Angriffs auf Feldkirch 1799 sowie bei der Wiedereroberung
Graubündens im Frühjahr 1800 mit. 32 Im Zuge dieser militärischen
Einsätze und vor allem auf Wachposten in den Auen
im Rheintal im Winter 1799/1800 zog er sich – wie viele andere
auch – eine schwere Erkrankung zu und verstarb noch
im Oktober 1800 im Alter von 49 Jahren. 33
Seite 275

Batlogg ist mit seiner juristischen Ausbildung und seiner
Nicht-Zugehörigkeit zur alteingesessenen vermögenden
Oberschicht des Tales als ein Vertreter der neu entstehenden
Beamtenschaft zu sehen. Er kann in erster Linie
aufgrund seines Amtes als Landammann und seiner Wertschätzung
durch den Großteil der Bevölkerung als Angehöriger
der regionalen Elite bezeichnet werden. Immerhin
forderten Teile der Bevölkerung sogar seine Ernennung zum
Kreishauptmann von Vorarlberg.
Johann Ignaz Vonier wurde in der regionalhistorischen
Literatur immer wieder als Gegenspieler Batloggs dargestellt
und spielte dementsprechend auch in mehreren dem
„Volkshelden“ Batlogg gewidmeten Theaterstücken den Intriganten
und „Bösewicht“. 34 Dies stellt eine zu einseitige
Einschätzung dar, die dieser Person nicht gerecht wird.
Vonier war im Jahr 1764 in Schruns zur Welt gekommen und
stammte im Gegensatz zu Batlogg aus einer wohlhabenden
Familie und schon sein Vater – der Wirt und „Baukünstler“
Josef Vonier – hatte diverse regionale Ämter bekleidet. Sein
um vier Jahre älterer Bruder Franz Joseph hatte als einer von
ganz wenigen Montafonern das Gymnasium in Konstanz absolviert
und anschließend von 1779 bis 1782 in Innsbruck
Theologie studiert. Von 1789 bis 1810 war er dann Pfarrer
in Schruns und hatte somit ein einflussreiches geistliches
Amt inne.
Ignaz Voniers junges Heiratsalter von 22 Jahren weist ihn
ebenso als Angehörigen der Oberschicht aus, denn der
Großteil der Bevölkerung konnte sich eine Hochzeit und die
Gründung eines eigenen Haushaltes durchschnittlich erst
im Alter von etwa 28 Jahren leisten. 35 In diesem recht jungen
Alter bekleidete Vonier jedoch bereits erstmals das Amt
eines Vorgesetzten – das seit Jahrhunderten höchste regionale
Amt, das sich oft in der Hand einiger weniger Familien
befunden hatte.
Seite 276
Ignaz Vonier 1803
In der Folgezeit wurde er regelmäßig in dieses Amt gewählt
bis er nach Batloggs Tod im Jahr 1801 zum letzten Montafoner
Landammann, der zugleich auch Richter war, erkoren
wurde. Das damit verbundene Richteramt endete mit der
Einrichtung des bayerischen Landgerichtes Montafon 1806.
Vor dieser Übernahme teilten sich Vonier und der Vorgesetzte
Matthias Drexel jedoch noch die in der Gerichtskasse
deponierten Gelder, um diese nicht den neuen Machthabern
in die Hände fallen zu lassen. 36 Der Wirkungskreis
der Landammannschaft wurde von den Bayern auf die Verwaltung
der ökonomischen Verhältnisse und die landständische
Vertretung reduziert und schließlich 1808 gänzlich
aufgehoben.
Zudem wirkte Vonier in den Koalitionskriegen als Offizier
der Montafoner Schützenkompanien und erhielt dafür 1802
eine goldene Denkmünze verliehen.
Dass er aber auch mit der neuen bayerischen Verwaltung
in einem guten Verhältnis stand, belegt seine Auszeichnung
mit der goldenen Verdienstmedaille 1808. Der König
teilte dazu mit, dass „wir [...] mit Wohlgefallen die wiederholten
Beweise von Vaterlandsliebe und Unterthanstreue
vernommen [haben], wodurch sich der Landammann Ignaz
Vonier zu Schruns [...] bei verschiedenen Gelegenheiten
und besonders zur Zeit der daselbst vorgewesenen Unruhen
ausgezeichnet und um die Erhaltung der Ordnung sich
verdient gemacht hat.“ 37 Auch im Zusammenhang mit der
zuvor schon erwähnten Ermordung des Kreishauptmannes
in Bludenz im Jahr 1796 versuchte Vonier immer wieder
die aufgebrachte Menge zu beruhigen, konnte die Tat aber
schließlich nicht verhindern. 38
Im Gegensatz zu Batlogg war Ignaz Vonier zu politischen
Kompromissen bereit. Seine Bereitschaft, mit der
bayrischen Verwaltung zusammenzuarbeiten, wurde ihm
von manchen Zeitgenossen übel genommen und im Aufstandsjahr
1809 musste er vor seinen aufständischen
Landsleuten ins Prättigau fliehen und wäre sogar beinahe
exekutiert worden. 39

Dennoch wurde er 1816 zum ersten Montafoner Standesrepräsentanten
ernannt und beeinflusste in den folgenden
Jahren federführend die Geschicke des Montafons. Auff
grund seines Engagements wurde etwa in Schruns eine Zeichenschule
für die vielen Saison-Bauarbeiter errichtet oder
etwa ein Gesangsverein ins Leben gerufen. Im Jahr 1828
starb er 64-jährig in Schruns. 40
Ansehen, Ehre und Macht im Dorf
Schützenscheiben 1826
Eine Schützenscheibe aus dem Jahr 1826 zeigt eine Möglichkeit
zur Demonstration der sozialen Hierarchie, des sozialen
Prestiges im Dorf. Die Inschrift klärt über den Stifter
derselben auf:
„Zum Andenken der Schützen im Jahr 1826. Von Herrn
Landammann und Gemeindevorsteher Ignaz Vonier, Schütt
zenhauptmann und Standesrepräsentant des Thales Montafon.“
- „O könnten wir unserm Standesvatter sein Leben
eine lange Zeit zurückstellen!“
Die besondere Wertschätzung Voniers wird durch die Bezeichnung
„Standesvater“ deutlich hervorgehoben.
Ähnliche Strategien wie die Stiftung dieser Schützenscheibe
waren die Stiftungen von Jahrtagen, Kapellen, Votivbildern,
die Mitgliedschaft in Bruderschaften, eine gezielte
Heirats- und Patenschaftspolitik oder einfach das Nachahmen
von adeligen oder bürgerlichen Lebensstilen und Verhaltensweisen.
Unter anderem versuchten die Eliten etwa auch Adelstitel
oder Wappenbriefe zu erlangen. Die Amtstätigkeit und die
Nähe zur Herrschaft bedeutete für die Angehörigen der Führungsschicht
häufig nicht nur ein größeres Sozialprestige,
sondern auch Karriere- und Verdienstmöglichkeiten für die
eigene Familie. So erhielt etwa 1789 und 1820 der Vorgesetzte
und Landammann Ignaz Vonier die im Arlberggebiet gelegene
Alpe Mareu als Lehen vom Habsburger Landesherrn. 41
Auch die Beschäftigung von Gesinde konnten sich nur wenige
leisten und verdeutlichte die hohe Stellung im Dorf.
Oswald Tschohl suchte etwa im Hungerjahr 1816 für seine
Familie und seine Dienstboten um einen Fastendispens –
um die Erlaubnis in der Fastenzeit Fleisch zu essen – an. 42
Zur selben Zeit hatten andere schon zu Pferd- Hund- und
Katzenfleisch Zuflucht genommen oder versuchten gar mit
Gras bzw. Heu ihren Hunger zu stillen. 43
Auch im kirchlichen Bereich konnten die Angehörigen der
Oberschicht ihre besondere Stellung zur Schau tragen,
denn bei Prozessionen war die Reihenfolge des Zuges genau
geregelt und sicherte den Amtsträgern die wichtigsten
Plätze. 44
Insgesamt ist festzustellen, dass zwischen 1780 und 1830
vor allem hinsichtlich der Zusammensetzung der Eliten
die Kontinuitäten dominierten. Zwar gab es durch die
Professionalisierung der Beamtenschaft und Reformen im
Verwaltungswesen gewisse Veränderungen, doch stellten
sich die meisten Oberschichtfamilien auf diese neuen Umstände
ein und ließen ihren Nachkommen entweder eine
entsprechende Ausbildung zukommen oder sicherten ihre
soziale Stellung im Dorf mit wirtschaftlichen Mitteln ab.
1 Meinrad Tiefenthaler (Bearb.), Die Berichte des Kreishauptmannes
Ebner. Ein Zeitbild Vorarlbergs aus der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts
(Schriften zur Vorarlberger Landeskunde 2). Dornbirn 1950, S. 94.
2 Otto Uhlig, Vorarlberger Schwabenkinder, in: Jahrbuch des Vorarlberger
Landesmuseumsvereins 122/123 (1978/79), S. 143-180, hier S. 158.
3 Alois Niederstätter, Bemerkungen zur Rinderhaltung im vorindustriellen
Vorarlberg. Eine erste Bestandsaufnahme, in: Montfort 51 (1999), S. 118-
128, hier S. 123.
4 Kurt Klein, Die Bevölkerung Vorarlbergs 1754 bis 1869, in: Montfort 20
(1968), S. 154-173, hier S. 167: 1786: 8115, 1808: 8156, 1823: 8620.
5 Montafon Archiv (fortan: MA), Josef-Zurkirchen-Archiv, Schruns 0/2.0.
6 Andreas Ulmer, Die Volksbewegung gegen die kirchenpolitischen
Neuerungen Josefs II. im Lande Vorarlberg und im besonderen in der
Pfarre Dornbirn 1789-91, in: Montfort 1 (1946), S. 45-118, hier S. 105 f.
Seite 277

7 Sebastian Hölzl, Vorarlbergs Pflichtschulwesen vor 200 Jahren, in:
Montfort 34 (1982), S. 115-136, hier S. 117.
8 Österreichisches Staatsarchiv (fortan: ÖStA), Allgemeines
Verwaltungsarchiv, Hofkanzlei, Karton 1351, Tirol 1771-1791 (Anstalten
gegen Tumulte). Bericht des Guberniums an die Hofkanzlei vom
9.12.1789.
9 Tiroler Landesarchiv (fortan TLA), Cod. 378, Geogr., pol. u. ök. Landes
– dann Individuale Domainen-Beschreibung des Kreises Vorarlberg.
Aufgenommen durch die zur Untersuchung des Domainenstandes
dahin abgeordnete Gubernial-Kommission. Verfaßt von Gub.-Rat Karl
v. Schmidt. Im Jahre 1792, fol. 105, zitiert nach: Reinhold Bernhard,
Einiges zur Vorgeschichte des Falles „Ignaz Anton von Indermauer“,
in: Jahrbuch Vorarlberger Landesmuseumsverein 121/122 (1976/77), S.
68-86, hier S. 69.
10 Otto Stolz, Verfassungsgeschichte des Landes Vorarlberg, in: Montfort 5
(1950), S. 1-100, hier S. 72
11 Victor Kleiner, Die Beschreibung der vorarlbergischen Herrschaften aus
dem Jahre 1740, in: Alemannia. Zeitschrift für Geschichte, Heimat- und
Volkskunde Vorarlbergs 1 (1935), S. 129-160, hier S. 142 f.
12 Gerhard Wanner, Frühindustrialisierung und gesellschaftspolitischer
Wandel im Zeichen der „Vorarlberger Konterrevolution“ (1789–1800), in:
Neue Perspektiven 1809 (Informationsbuch 1), hg. von Gerhard Wanner,.
Lochau, S. 19-33, hier S. 29.
13 Vgl. Wolfgang Scheffknecht, Beharrung und Reform: Vorarlberg zwischen
Österreich und Bayern, in: Die Integration in den modernen Staat.
Ostschwaben, Oberschwaben und Vorarlberg im 19. Jahrhundert, hg.
v. Carl A. Hoffmann/Rolf Kießling (FORUM SUEVICUM. Beiträge zur
Geschichte Ostschwabens und der benachbarten Regionen 7). Konstanz
2007, S. 91-124.
14 Gerhard Wanner, Die Menschenopfer im Dienste der Landesverteidigung
von 1792 bis 1805, in: Montfort. 23 (1971), S. 5-49, hier S. 15.
15 Thomas Kirisits, Die Rolle des Montafons in den Franzosenkriegen
(1792-1801) (Schriftenreihe der Rheticus-Gesellschaft 13). Feldkirch 1982,
S. 76 f.
16 Rudolf von Granichstaedten-Czerva, Die bayerischen Landrichter in Tirol
(1806-1814) (Sonderdruck aus „Österreichisches Familienarchiv“ II).
Neustadt a. d. Aisch 1962, S. 252.
17 Hermann Sander, Die Ermordung des vorarlbergischen
Kreishauptmanns I. A. von Indermauer (am 10. August 1796) und ihre
Folgen. Innsbruck 1896, S. 280 f.
Seite 278
18 Benedikt Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs, Bd. 4: Zwischen Absolutismus
und halber Autonomie. Wien/Köln/Graz 1982, S. 233.
19 Karl Heinz Burmeister, Vorarlberg unter Bayern 1806-1814, in: Vorarlberg
Chronik. Dornbirn 32005, S. 116 f.
20 Vorarlberger Landesarchiv (fortan: VLA), Stand und Gericht Montafon, Hs
77/16.
21 Vgl. Arno J. Fitz, Die Frühindustrialisierung Vorarlbergs und ihre
Auswirkungen auf die Familienstruktur (Vorarlberg in Geschichte und
Gegenwart 2). Dornbirn 1985, S. 40.
22 Otto Uhlig, Die Schwabenkinder aus Tirol und Vorarlberg (Tiroler
Wirtschaftsstudien 34). Innsbruck 31998, S. 46.
23 TLA, Jüngeres Gubernium Serie I, Geheime Präsidialakten X3,
Stimmungsbericht für den Kreis Vorarlberg für das erste Quartal 1817.
24 VLA, Stand und Gericht Montafon, Akten 31/795.
25 Hermann Sander, Beiträge zur Geschichte des Montafoner Wappens. Mit
Anmerkungen über die Familie Friz und die Vorgesetzten von Montafon
und mit zwei Abbildungen des Montafoner Wappens (Beiträge zur
Geschichte von Bludenz, Montafon und Sonnenberg in Vorarlberg 5).
Innsbruck 1903, S. 14 f.
26 Hubert Weitensfelder, Industrie-Provinz. Vorarlberg in der
Frühindustrialisierung 1740-1870 (Studien zur Historischen
Sozialwissenschaft 29). Frankfurt am Main 2001, S. 35.
27 Christoph Volaucnik, Aspekte des vorindustriellen Wirtschaftslebens in
der Region Bludenz. In: Bludenzer Geschichtsblätter 2 (1988), S. 35-54,
hier S. 48.
28 Gebhard Fischer, Joh. Jos. Battlogg, ein Montavoner Patriot, in: Jahres-
Bericht des Ausschusses des Vorarlberger Museums-Vereins 27 (1888),
S. 16-25.
29 Hermann Sander, Johann Josef Batlogg, der Landammann von
Montafon. Ein Lebensbild. Innsbruck 1900, S. 4-8.
30 Guido Burtscher, Die Ermordung des Kreishauptmannes I. A. von
Indermauer zu Bludenz im Jahre 1796, in: Bludenzer Geschichtsblätter
18+19 (1994), S. 175-180, hier S. 178 f. Vgl. Sander (wie Anm. 17).
31 Fischer (wie Anm. 28), S. 22.
32 Arnulf Benzer/Meinrad Tiefenthaler, Vorarlberg 1809. Ein Kampf um
Freiheit und Selbständigkeit. Bregenz 1959, S. 16. Kirisits (wie Anm. 15),
S. 75-78.
33 Sander (wie Anm. 29), S. 35.
34 Grete Gulbransson-Jehly, Batlogg. Montafoner Heimatstück in 6 Bildern.
Schruns [1928]. J. Schregenberger, Joh. Josef Batlogg, der tapfere

Landammann von Montafon. Volksschauspiel in 4 Akten. Bregenz 1910.
35 Wolfgang Scheffknecht, Bludenz im Jahrhundert der Aufklärung (1730-
1814), in: Geschichte der Stadt Bludenz. Von der Urzeit bis zum Beginn
des 20. Jahrhunderts, hg. von Manfred Tschaikner. Sigmaringen 1996, S.
281-421, hier S. 294.
36 Ludwig Welti, Bludenz als österreichischer Vogteisitz 1418-1806.
Eine regionale Verwaltungsgeschichte (Forschungen zur Geschichte
Vorarlbergs 2). Zürich 1971, S. 205, 208.
37 Sander (wie Anm. 17), S. 278-280.
38 Paula Geist-Lány, Der Aufruhr in Vorarlberg im Jahre 1796. In:
Vierteljahrsschrift für Geschichte und Landeskunde 7 (1923), S. 17-27,
hier S. 22.
39 Christoph Vallaster, Kleines Vorarlberger Schützenscheibenbuch
(Ländle-Bibliothek 1). Dornbirn 1984, S. 72 f.
40 MA, Josef-Zurkirchen-Archiv, Schruns 0/1.
41 MA, Josef-Zurkirchen-Archiv, Montafon 3/1.0. Ludwig Vallaster, Alpen
Mareu und Albona, in: Montafoner Heimatbuch. Schruns 1974, S.
537–541, hier S. 538 f.
42 MA, Josef-Zurkirchen-Archiv, Schruns 11/8.4.
43 TLA, Jüngeres Gubernium, Geheime Präsidialakten X 3,
Stimmungsbericht Vorarlberg für das 4. Quartal 1816.
44 MA, Josef-Zurkirchen-Archiv, Schruns 11/0.
Seite 279

Karte aus der Mitte des 18. Jahrhunderts
Seite 280

Einleitung
Der Großraum Bludenz weist eine politische Gliederung
auf, die nur vor dem Hintergrund ihrer vielhundertjährigen
Geschichte verständlich ist. Die historischen Ereignisse
und Entwicklungen, die zur heutigen Raumstruktur geführt
haben, sind jedoch vielfach in Vergessenheit geraten. Dies
gilt nicht nur für die Gemeinden, sondern auch für die Herrschafts-
und Gerichtsbezirke. So war erst jüngst in Zeitungen
zu lesen, Lorüns und Stallehr seien 1806 von der Herrschaft
Sonnenberg an das Landgericht Montafon gekommen, 1 was
nicht zutrifft. Bei Lorüns wurde sogar das Gemeindewappen
als Erinnerung an „die historische Zugehörigkeit“ zu Sonnenberg
interpretiert. 2 Ja, selbst die Gerichtsdatenbank auf
der Homepage des Bundesministeriums für Justiz wies Stallehr
bis vor kurzem irrtümlich als Teil des Gerichtsbezirks
Bludenz aus. 3
Die folgenden Ausführungen über die geschichtlichen
Grundlagen der politischen Raumbildung gliedern sich in
drei Abschnitte mit neun Kapiteln. Der erste Teil befasst
sich mit dem Gebiet nördlich von Ill und Alfenz, also mit
Nüziders, Bludenz und Braz. Der zweite handelt von den
Verwaltungsstrukturen auf der südlichen Talseite, von
Bürs, Bürserberg und Brand. Im dritten Abschnitt wird die
besonders komplizierte Stellung der heutigen Gemeinden
Lorüns und Stallehr im Schnittpunkt von Bludenz, dem
Klostertal und dem Montafon näher untersucht. Dazu gehören
auch Darlegungen über die Bludenzer und Montafoner
Gerichtsbarkeit sowie über die drei einst wichtigen Landmarken
„Buzíens“, „St. Nikolaus“ und „Egge“. Davor aber
sind noch einige Bemerkungen zu den für die Verwaltungsgeschichte
des Großraums Bludenz zentralen Begriffen
„Kirchspiel“ und „Gemeinde“ angebracht.
„Kirchspiel“ und „Gemeinde“
Was ein „Kirchspiel“ war, ist heute zumeist unbekannt. Der
Begriff weist – wie der Ausdruck „Beispiel“ – das Grundwort
„Spel(l)“ auf, was althochdeutsch und mittelhochdeutsch
Vortragsreihe der Montafoner Museen, in Kooperation mit dem Geschichtsverein
Region Bludenz; Stallehr, Davennasaal, 30. September 2008
Manfred Tschaikner (geb. 1957 in Bludenz), Dr. phil., Univ.-Doz., seit 2002 Mitarbeiter
im Vorarlberger Landesarchiv
Herrschaft, Gericht, Steuergenossenschaft,
Kirchspiel und Gemeinde
Zur Verwaltungsgeschichte des Großraums Bludenz in der Frühen Neuzeit
Manfred Tschaikner
so viel wie „Rede, Bericht, Botschaft“ hieß. „Kirchspiel“
bedeutete also im engeren Sinn „Bezirk, in dem ein Pfarrer
predigen und die kirchlichen Amtsgeschäfte ausüben
kann“. Des Weiteren verstand man darunter eine Gruppe
von Menschen, die die Predigt in einer bestimmten Kirche
besuchte und auch an den Beratungen der Gemeinde teilnahm.
Der Begriff „Kirchspiel“ bezeichnete später zusehends
einen territorial abgegrenzten Raum und wurde zu
einem Synonym für „Gemeinde“ allgemein. Im kirchlichen
Bereich verdrängte ihn das Lehnwort „Pfarre“. 4 Dieses leitet
sich vom spätlateinischen „parrochia“ her und führt auf
einen griechischen Begriff mit der Bedeutung von „Nachbarschaft,
Gemeinde“ zurück. 5
Das Wort „Ge-mein-de“ besteht wie der lateinische Ausdruck
„com-mun-itas“ aus einer verstärkenden Vorsilbe
und einem Grundwort mit der Bedeutung etwas, „worin
man sich abwechselt, was einem im Wechsel zukommt“, 6
worüber man also nicht allein und unbeschränkt verfügt.
Auch der Begriff „All-men-de“ – die Bezeichnung für den
Grund, den die Gemeindeangehörigen gemeinsam bewirtschafteten
– weist dieselbe Wortwurzel auf. 7
Heute versteht man unter „Gemeinde“ hauptsächlich (1.)
einen dem Staat untergeordneten öffentlich-rechtlichen
Verband, (2.) dessen Angehörige oder jene eines kirchlichen
Verbands und (3.) eine Gruppe von Menschen, die
sich mit bestimmten (geistigen) Interessen zusammengefunden
hat. 8
In den frühneuzeitlichen Herrschaften Bludenz und Sonnenberg
kam die Funktion eines dem Staat untergeordneten
öffentlich-rechtlichen Verbands nicht den Gemeinden,
sondern den Kirchspielen zu. Deren Vertreter wurden
von der Obrigkeit regelmäßig unter Eid in die Pflicht genommen
und deshalb „Geschworene“ genannt. Manchmal
deckten sich „Kirchspiel“ und „Gemeinde“, zumeist jedoch
bestanden Erstere aus mehreren Gemeinden. Diese stellten
Körperschaften unterschiedlicher Art dar, die nicht gesetzlich
normiert und von einander auch nicht klar abgegrenzt
Seite 281

waren. Eine „Gemeinde“ konnte letztlich alles sein, was
Menschen durch gemeinsame Tätigkeiten verband. Es gab
„Brunnengemeinden“ mit gemeinsamem Wasserbezug,
„Alpgemeinden“ mit bestimmten Weiderechten, „Gemeinden“
als Opposition zu den Geschworenen, ja „Gemeinden“
innerhalb von „Gemeinden“, 9 „Gemeinden“, die zu
verschiedenen Herrschaften gehörten, 10 und so weiter.
Viele Verbände, die in der Frühen Neuzeit „Gemeinden“
hießen, würde man heute als „Genossenschaften“ bezeichnen.
Dieser Begriff – der ebenfalls so viel bedeutet wie
„seinen Besitz gemeinsam mit anderen haben“ 11 – wurde
im frühneuzeitlichen Sprachgebrauch vor allem für Personengruppen
verwendet, die durch gemeinsame vererbbare
Steuerverpflichtungen verbunden waren. Dabei handelte
es sich um die Bludenzer Bürger, die Montafoner Hofjünger,
die Sonnenberger und die Walser. Diese Gruppen hatten
jährlich fällige, auf bestimmte Summen festgelegte Steuern
abzuführen, die von jenen Steuern zu unterscheiden sind,
welche die Landstände für den Landesherrn in unregelmäßigen
Abständen und in unterschiedlicher Höhe einzogen.
Bludenz – Nüziders
Beginnen wir unseren Rundgang bei den ältesten Siedlungen
des Bludenzer Beckens: Nüziders und Bludenz. Die
Frage, welcher der beiden Orte auf ein höheres Alter verweisen
kann, beschäftigt die Historiker bereits seit langem,
wird hier aber nicht weiterverfolgt. Nach der Gründung der
Stadt im 13. Jahrhundert hatte die Siedlung am Fuß des
Montikels ihrem Rivalen Nüziders jedenfalls den Rang abgelaufen.
Im Spätmittelalter war Bludenz der Hauptort der gleichnamigen
Herrschaft, die 1420 österreichisch wurde. Die Dörfer
des Kirchspiels Bludenz im Umfeld der Stadt gehörten
jedoch bis 1695 zur Herrschaft Sonnenberg, so dass die
ummauerte Siedlung eine Inklave auf deren Gebiet darstellte.
12 Nachdem 1473/74 auch Sonnenberg zu Österreich
gekommen war, behielt diese Herrschaft zwar weitgehend
Seite 282
ihre eigene Verwaltungs- und Gerichtsstruktur, wurde aber
durch die landesfürstlichen Vögte oder Vogteiverwalter gemeinsam
mit der Herrschaft Bludenz verwaltet, was nicht
nur die Bedeutung der Stadt steigerte, sondern auch zu einer
Ausdehnung derselben auf ehemals sonnenbergisches
Territorium führte.
Der habsburgische Landesfürst, der allein über den Blutbann
– also über das Recht, Übeltäter hinrichten zu lassen
– verfügte, verlagerte zudem den Ort, an dem solche
Hinrichtungen stattfanden, das so genannte Hochgericht,
von der alten Gerichtsstätte Guggais am Hängenden Stein
näher an den Sitz seiner Vögte auf Schloss Bludenz, und
zwar auf ein ihm gehörendes Grundstück westlich des St.
Annabildes beim heute noch so genannten Galgentobel. 13
Hochgerichtsverfahren jedoch, die mit Leibstrafen außer
der Todesstrafe endeten, 14 blieben weiterhin dem Sonnenberger
Gericht vorbehalten, das in Nüziders tagte. 15 Die Verlagerung
des Hochgerichts auf das Gebiet des Kirchspiels
Bludenz signalisierte gleichzeitig eine Übernahme der sonnenbergischen
Blutgerichtsbarkeit durch den Bludenzer
Vogt. Im ausgehenden 17. Jahrhundert konnten die Bludenzer
Bürger deshalb bei einem Streit mit den Sonnenbergern
darauf verweisen, dass sie die Delinquenten zwar nur bis
zum St. Anna-Bildstock führten, diese dort aber nicht von
Sonnenbergern Gerichtsmitgliedern, sondern durch den
Weibel im Namen des Landesfürsten übernommen würden.
Auch hatte sich damals schon „eingebürgert“, dass Rechtsstreitigkeiten
über Belange des Bludenzer Kirchspiels vom
Stadtgericht und nicht mehr vom sonnenbergischen Gericht
abgehandelt wurden. 16 Die Gemeindestrukturen betrafen
diese Veränderungen jedoch nicht.
Bludenz – Braz
Der Großraum Bludenz auf der Karte von Schwaben 1811
Das Gebiet der Pfarre Nüziders umfasste einst auch das
Klostertal. Bludenz samt Bürs bildete darin – wie es der
Kirchenhistoriker Andreas Ulmer ausdrückte – eine „merkwürdige
Exklave“. 17 Während Außerbraz zur Pfarre Bludenz
zählte, gehörte Innerbraz zur Pfarre Nüziders. Beide Orte

ildeten aber – wie das gesamte Kirchspiel Bludenz mit
Ausnahme der Stadt – einen Teil der Herrschaft Sonnenberg.
Nachdem sich Dalaas und Klösterle 1386 endgültig von
Nüziders gelöst hatten und zu selbständigen Pfarreien
erhoben worden waren, verblieb Braz damals noch im
ursprünglichen Verband. Wohl aufgrund seiner Abgelegenheit
verselbständigte es sich aber im Verlauf des 15.
Jahrhunderts und wurde schließlich „als förmliche Pfarre
anerkannt“, ohne dass je eine kanonische Pfarrerhebung
stattgefunden hätte. 18
Das zur Pfarre Bludenz gehörende Außerbraz war davon
jedoch nicht betroffen. Da die Einteilung in Pfarrbezirke keine
rein kirchliche Angelegenheit darstellte und der Stadtrat
von Bludenz im gleichnamigen Kirchspiel – und somit
auch in Außerbraz – über das Zwing- und Bannrecht, also
über die Gebots- und Verbotsgewalt, verfügte, gelang es
den dort Ansässigen im 16. Jahrhundert nur, sich der Pflicht
zu entziehen, die städtische Pfarrkirche zu besuchen. Angeschlossen
an die Pfarre Innerbraz wurde Außerbraz aber
erst im Zuge der kirchlichen Reformen in den Achtzigerjahren
des 18. Jahrhunderts. 19 Politisch gehört es bis heute zur
Stadtgemeinde Bludenz.
Schon bei den Vorverhandlungen zum so genannten Auswechslungsvertrag
von 1695, durch den das Kirchspiel Blu-
denz vollständig – also nun auch steuerlich und gerichtlich
– von Sonnenberg an die Stadtgemeinde und damit auch
an die Herrschaft Bludenz kam, zeigte sich, dass keineswegs
alle Außerbrazer an einer Vereinigung mit dem Kirchspiel
Innerbraz interessiert waren. Etliche von ihnen sprachen
sich gegen die „brazische separation“ aus, 20 denn bei
einer Trennung von Bludenz hätten sie die besseren Gründe
unterhalb des Grupser Tobels nicht mehr mitbenützen können.
Noch in der Zeit, als Vorarlberg zu Bayern gehörte, und
in den Jahren bis zur Aufteilung der Bludenzer Allmein 1817
verteidigten die Außerbrazer ihre Rechte an den dortigen
Gemeindegründen massiv. Damals versuchte die Stadt deren
Ansprüche mit der Erklärung in Frage zu stellen, dass
Außerbraz erst 1695 von Sonnenberg an Bludenz gekommen
sei. Damit drang sie aber vor Gericht nicht durch, denn
entscheidend war in diesem Belang die Kirchspielszugehörigkeit.
21 Bei den Vorverhandlungen zum Auswechslungsvertrag
war übrigens auch ein Anschluss von Innerbraz
(„von dem ohnehin der Stadt schon ein Drittel gehöre“) an
Bludenz diskutiert worden. 22
Nördlich der Ill und der Alfenz bewirkten die wirtschaftlichen
Interessen also, dass sich die Grenzen des alten Kirchspiels
Bludenz heute noch mit jenen der Stadtgemeinde decken.
Im großen Gebiet südlich der beiden Flüsse verlief die Entwicklung
anders. Hier erstreckte sich die Pfarre Bludenz im
Mittelalter über Bürs ins Tal der Alvier und bis ins innerste
Montafon, ja sie soll sogar St. Antönien im Prättigau um-
Seite 283

fasst haben. 23 In diesem Raum lösten sich die Gemeinden
im Spätmittelalter schrittweise aus dem Verband mit Bludenz
und bildeten eigene Pfarrsprengel aus.
Bludenz – Bürs – Bürserberg – Brand
Einer davon war jener von Bürs. Er entstand bereits im 15.
Jahrhundert und umfasste das Gebiet der heutigen Gemeinden
Bürs, Bürserberger und Brand. 24 Selbstverständlich bildete
Bürs schon damals – und nicht erst im 16. Jahrhundert
25 – eine eigene politische Gemeinde. Gemeinsame
Besitzungen, die aus einer ehemaligen Zusammengehörigkeit
– im vorliegenden Fall mit der Stadt Bludenz – herrühren,
dürfen nicht als Zeichen der Unselbständigkeit missverstanden
werden.
Die Verwaltungsstrukturen des Raums von Bürs, Bürserberg
und Brand veranschaulichen die Bedeutung von
Kirchspielen und Gemeinden auf besonders eindrückliche
Weise. Nachdem ursprünglich auch das Brandnertal zu
Bürs gehört hatte, übernahm eine Gruppe von Walsern 26
1347 vertraglich dessen Nutzung. 27 Die Zuwanderer bildeten
eine Gemeinde, lösten sich im Verlauf der Zeit aus dem
kirchlichen Verband mit Bürs und wurden – vergleichbar
mit Braz – ohne formalen Akt auch zu einer selbständigen
Pfarrgemeinde. Versuche, die Pfarrgründung auf 1617 festzulegen,
stützen sich nur auf die erste Erwähnung eines
Brandner Pfarrers in den schriftlichen Aufzeichnungen, was
bei der Quellenarmut jener Zeit wenig aussagekräftig ist. 28
Die formale Pfarrerhebung erfolgte 1727. 29 Das bedeutete
auf keinen Fall, dass Brand erst damals zu einer selbständigen
politischen Gemeinde geworden wäre, wie in der
ortskundlichen Literatur zu lesen ist. 30
Unabhängig von der Gemeindebildung im Brandnertal
umfasste die Steuergenossenschaft der dortigen Walser
ursprünglich auch die Bewohner des Bürserbergs. Diese
lösten sich erst 1697 endgültig aus dieser Verbindung mit
Brand. 31 Im Jahr 1513 war noch der Peterstein oberhalb der
Seite 284
St. Wolfgang-Kapelle als Grenze des Personenverbands der
Walser im Brandnertal gegenüber den Sonnenbergern festgelegt
worden. 32
Anders als etwa den Walsern am Dünser- und Schnifnerberg,
die stets von den Talgemeinden dominiert wurden, 33
ermöglichten es die Umstände den Neusiedlern in Brand
also, sich innerhalb eines bestehenden Kirchspiels nicht
nur als Gemeinde zu formieren, sondern sich in der Folge
sogar daraus zu lösen. Die Gründung einer eigenen Pfarre
bedeutete aber nicht in jedem Fall, dass sich eine Gemeinde
dadurch auch vom Kirchspiel trennte, zu dem sie
gehörte.
Das zeigt die zum Kirchspiel Bürs zählende Gemeinde
Bürserberg. 34 Sie wurde im Jahr 1736 zur Pfarre erhoben, 35
löste sich aber erst mit Vertrag vom 29. Juli 1770 endgültig
von Bürs. Darin heißt es, dass Bürserberg nunmehr „an und
für sich selbsten für eine eigene Gemeind der Herrschaft
Sonnenberg gleich einer andern in allem zu halten und zu
achten“ sei. 36 Diese komplizierte Formulierung war durch
die Mehrdeutigkeit des Begriffs „Gemeinde“ bedingt. Eine
Gemeinde in einer anderen Bedeutung des Wortes hatte
Bürserberg ja schon lange davor gebildet.
Wie bei Braz fasste man anlässlich der Bemühungen, die
problematische Durchmischung der Bludenzer Ausbürger,
Sonnenberger Steuergenossen und Montafoner Hofjünger
im Großraum Bludenz im ausgehenden 17. Jahrhundert im
Zuge eines Auswechslungsvertrags durch eine neue territoriale
Grenzziehung aufzuheben, auch im Raum südlich
der Ill größere Veränderungen ins Auge. Da die Bludenzer
Bürgerschaft allein mit der Übernahme des Kirchspiels Bludenz
gegenüber der Sonnenberger Steuergenossenschaft
benachteiligt gewesen wäre, bot Letztere an, der Stadt das
Brandnertal zu überlassen. Als diese aber auch Bürs verlangte,
musste eine andere – finanzielle – Lösung gesucht
werden. 37

Stallehr – Lorüns
"Gemeinde Stallehr" 1791
Die komplexeste Verwaltungsgeschichte im Großraum Bludenz
weisen die beiden Gemeinden Stallehr und Lorüns
auf. Sie zählten zwar zum Kirchspiel Bludenz, aber nicht
wie dessen übrige Dörfer bis 1695 zur Herrschaft Sonnenberg.
Sie bildeten vielmehr wie die Stadt einen Teil der Herrschaft
Bludenz und gehörten dort zur Talschaft Montafon.
Aufgrund ihrer geringen Bevölkerungszahlen und der gemeinsamen
Sonderstellung im Kirchspiel Bludenz wurden
Stallehr und Lorüns in der Frühen Neuzeit oft als eine Einheit
behandelt. 38
Obwohl auch St. Anton faktisch noch bis 1646 zur Pfarre
Bludenz zählte, 39 gehörte diese Gemeinde in der Frühen
Neuzeit nicht zum gleichnamigen Kirchspiel und bleibt im
Folgenden somit außer Betracht. Wenn übrigens in der Dorfbeschreibung
von 1817, die später Andreas Ulmer referierte,
irrtümlich behauptet wird, dass erst 1786 mit der „Trennung
der Allmein & Waldung vom bisher gemeinsamen Besitz mit
Bludenz [...] auch die gemeindepolitische Selbständigkeit
des Ortes begründet“ worden sei, 40 ging ihr Verfasser von
der – bereits bei Bürs erwähnten – falschen Annahme aus,
dass erst eine Trennung von gemeinsamem Besitz die Existenz
einer unabhängigen Gemeinde ermöglichte.
Auf Andreas Ulmer führt auch die irrige Auffassung zurück,
Stallehr und Lorüns hätten einst zur Herrschaft Sonnenberg
gezählt. Die spätere Zugehörigkeit zum Montafon erklärte
er mit folgendem Konstrukt: „Als 1806 unter Bayern das
Landgericht Montafon errichtet wurde, kamen die früher zur
Herrschaft Sonnenberg gehörigen Orte Lorüns und Stallehr
zu diesem Sprengel, damit die zur Errichtung erforderliche
Zahl von 7000 Seelen erreicht wurde.“ 41
In Wirklichkeit hatte Lorüns immer schon und Stallehr endgültig
seit 1587 zum Montafon gezählt. Da die beiden Gemeinden
gleichzeitig jedoch auch einen Teil des Kirchspiels
Bludenz bildeten, kam ihnen in der Talschaft eine Sonder-
stellung zu, die sich bis heute erhalten hat: Sie gehören
nicht zum „8-gliedrigen Stand“ Montafon, dem Forstfonds,
sondern nur zum „10-gliedrigen Stand“, dem so genannten
„politischen Stand“, als einer Art von Gemeindeverband. 42
In anderen Worten findet sich eine entsprechende Unterscheidung
schon in mehreren Artikeln des Montafoner
Landsbrauchs von 1601. Dort heißt es etwa: „Und wan ain
Sonnenberger, mann- oder weibsperson, aus der herrschaft
Sonnenberg in Montafun über die Allvenz gen Staller,
Arunß oder gar in Muntafunn zeucht, so hat niemands
kain nachfrag zu derselben personen [...].“ 43 Man zog also
in den Montafoner Steuerdistrikt, wenn man sich in Stallehr
oder Lorüns niederließ. Das eigentliche Montafon begann
allerdings erst dahinter.
Die Sonderstellung der Bludenzer Kirchspielsgemeinden
Stallehr und Lorüns dokumentiert auch der 21. Artikel des
Landsbrauchs, der den freien Zuzug der Hofjünger in die
Stadt Bludenz und seine Modalitäten regelte: Wenn Hofjünger
in die Stadt Bludenz ziehen und „guet außerhalb
des kirchspels Bludenz ligen haben, als ver und soweit die
hofiünger nachzufragen und ihr grechtigkait ist, so mögen
die hofiünger dasselbig gelegen guet steuren [...]. Wann si
aber das gelegen guet verkaufen und es ins kilchspel Bludenz
ziechen, alsdann so haben es die hofiünger nit mehr,
sonder die bürger zue Bludenz zu steuren.“ 44 In diesem
Belang wurden somit Stallehr und Lorüns als Gemeinden
des Bludenzer Kirchspiels vom Montafoner Steuerdistrikt
ausgenommen.
Die unbeholfene Formulierung im Landsbrauch von 1601,
der zwischen Orten „im Montafon“ und solchen „ganz in
Montafon“ unterschied, wurde spätestens im 18. Jahrhundert
durch die Ausdrücke „steuerbares“ und „nichtsteuerbares
Kirchspiel“ ersetzt. Letzterer drückte aus, dass
Stallehr und Lorüns zwar zum Bereich gehörten, wo dem
Bludenzer Stadtrat Acht und Bann zukamen, gleichzeitig
aber auch zum Steuerbezirk Montafon zählten. 45
Seite 285

Bei der Volkszählung von 1754 wurden die beiden Gemeinden
eindeutig zum „Thaal Montafon“ gerechnet. 46 Klare
Grenzen dokumentiert denn auch ein Bericht an die Peräquations-Hofkommission
vom März 1770: „Die in mitten
der Herrschaft Sonnenberg gelegene Stadt Bludentz und
die übrige kleine nur in etlichen Häusern bestehende Örthlein,
als Obdorff, Brunnenfeld und Bings (welich letsteres
dem montafonischen Flecklein Stalleer grad gegenüber ligt
und von selben nur durch das Wasser, die Allvenz genant,
abgeschnitten würdet) seynd von keiner besseren Gattung
als besagtes Flecklein Stalleer und Lorüns im Montafon.“ 47
In einem Schreiben der Innsbrucker Regierung vom 21. Juni
1782 ist ausdrücklich von „der Gemeinde Staleer im Thale
Montafon“ die Rede, 48 und die Bewohner selbst bezeichneten
ihren Ort 1789 als „Stalleer im Thal Montafon und der
Pfarr Bludenz in Vorarlberg“. 49
Wenn es weiterer Belege dafür bedürfte, dass Lorüns und
Stallehr im 18. Jahrhundert nicht zur Herrschaft Sonnenberg,
sondern zum Montafon gehörten, könnte man – außer
auf die Karte von Blasius Hueber und die danach erstellte
„Ständekarte“ 50 – auch auf die königlich-bayerische
Verordnung vom 3. Dezember 1806 selbst verweisen, wo es
ausdrücklich hieß, dass das neu gegründete Landgericht
Montafon „die bisherige Landammannschaft Montafon“
umfasste. 51 Diese wiederum deckte sich mit dem Gebiet
des 1775/76 errichteten Montafoner Gerichts, das im Rahmen
der josefinischen Reformen im August 1786 in ein so
genanntes Ortsgericht umgebildet („reguliert“) worden
war, 52 wovon im folgenden Kapitel noch ausführlicher die
Rede ist. 53
Im Montafoner Gericht waren die beiden Bludenzer Kirchspielsgemeinden
Stallehr und Lorüns laut Statut vom Dezember
1775 mit keinen Beisitzern vertreten, 54 obwohl zum
Beispiel eine Liste der zehn Montafoner Gemeinden aus
dem Jahr 1785 mit Stallehr, Lorüns und St. Anton beginnt. 55
Aus ähnlichen Gründen wie bei der Besetzung des Gerichts
zogen die Montafoner zum Beispiel auch 1654 keine Vertreter
der eindeutig innerhalb der Landmarken (Grenzpunkte)
Seite 286
der Talschaft gelegenen Gemeinden Stallehr und Lorüns
bei, 56 als die Montafoner Landsordnung neu verzeichnet
wurde. 57
Eine kompliziertere Überschneidung territorialer Sprengel
wies übrigens die zur Pfarre Bludenz gehörende Kuratie
Stallehr auf: Von diesem Montafoner Ort aus wurden die
nicht zur Talschaft gehörenden Weiler Bings, St. Leonhard,
Radin, Grups und Gasünd auf der rechten Talseite mitbetreut.
58 Laut Andreas Ulmer bildete Stallehr seit 1948 zusammen
mit Bings eine eigene Pfarrvikarie und seit 1956
eine eigene Pfarre. Nachdem Stallehr 1938 in die Stadtgemeinde
Bludenz eingemeindet worden war, löste man den
Ort 1941 auch vom Dekanat Montafon und teilte ihn jenem
von Sonnenberg zu, wo er nach der Wiedererrichtung einer
selbständigen Gemeinde 1947 verblieb. Lorüns hingegen
zählt als Teil der Pfarre Bludenz zum Dekanat Montafon. 59
Nachgetragen sei hier noch, dass Lorüns und Stallehr bis in
die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts gemeinsam mit der
Stadt Bludenz über Allmeingründe, Waldungen und über
einen Gemeinwerksfonds samt entsprechenden Arbeitsverpflichtungen
verfügten. Bereits 1824 stellten die beiden
Montafoner Gemeinden den Antrag auf eine Teilung des
Letzteren. 1852 unterbreiteten sie neuerlich ein entsprechendes
Angebot. 60 Mit 10. Dezember 1884 soll dann die
gemeinsame Verwaltung von Allmein, Wald und Straßenkonkurrenz
aufgelöst worden sein. Auch in diesem Zusammenhang
verbreitete Andreas Ulmer die irrige Vorstellung,
dass Stallehr erst nach der Aufhebung des Gemeinwerkverbands
mit Bludenz und Lorüns eine unabhängige Gemeinde
geworden sei. 61
Bludenz und die Montafoner Gerichtsbarkeit
Die Montafoner bemühten sich beinahe die ganze Frühe
Neuzeit hindurch um die Errichtung eines eigenen Gerichts
im Tal, 62 was die Stadt Bludenz bis in die zweite Hälfte des
18. Jahrhunderts auf die Dauer stets zu verhindern wusste.
Schließlich profitierte sie – noch mehr als gegenüber Son-

Titulatur des Montafoner
Ortsgerichts 1803
nenberg – stark von ihrer Stellung als Sitz der Verwaltung
und Rechtsprechung. 63 Die Bindung der Montafoner an die
Stadt gestaltete sich nämlich weitaus enger als jene der
Sonnenberger. Die Bludenzer hatten es im Spätmittelalter
verstanden, die Abhängigkeit des größten Teils der Talbewohner
vom Hof St. Peter, wonach sie „Hofjünger“ genannt
wurden, in eine Abhängigkeit von der Stadt umzuformen,
so dass sie in der Frühen Neuzeit treffender als „Stadtjünger“
bezeichnet worden wären.
Das Jahr 1775 stellte in dieser Hinsicht einen markanten Einschnitt
dar. Alle Versuche des Bludenzer Rats, die Errichtung
eines Montafoner Gerichts zu verhindern, waren damals
vergeblich geblieben. Selbst die Drohung, sämtliche Kapitalien
aus der Talschaft abzuziehen, 64 hatte nichts gefruchtet.
Als der Stadtrat die Aussichtslosigkeit seiner Unternehmungen
erkannt hatte, bemühte er sich – mit Hinweis auf
das alte Märzengericht auf der Platte bei St. Peter 65 – im
Nachhinein noch darum, dass wenigstens der Gerichtssitz
in die Stadt gelegt würde. 66 Es nützte jedoch alles nichts: Es
blieb bei der kaiserlichen Entschließung vom 19. Dezember
1775, die „dem Thal Montafon“ ein eigenes Gericht mit Sitz
vor Ort gewährt hatte. Gleichzeitig waren damit die traditionellen
Märzengerichte abgeschafft worden. 67
Das Bludenzer Stadtgericht verlor dadurch den größten
Teil seines Territoriums. Es war nunmehr auf die Dörfer des
„steuerbaren Kirchspiels“ Bludenz beschränkt, umfasste
also allein das heutige Stadtgebiet. Dass die Gemeinden
Lorüns und Stallehr zum Sprengel des neuen Montafoner
Gerichts zählten, galt als so selbstverständlich, dass es
nicht eigens erwähnt wurde. In der Montafoner Gerichtsordnung
vom Dezember 1775 heißt es nur: „Hiemit dan solle
das thal Muntafon von der stadt Bludenz und dasigem
gericht vollends separirt seyn.“ 68 Am 17. Februar 1776 ordnete
schließlich auch der Freiherr von Sternbach an, dass
die „Inwohner des Thal Montafon“ gerichtlich künftig allein
vor dem dortigen Gericht oder dem herrschaftlichen Obervogteiamt
– also nicht mehr vor dem Stadtgericht – belangt
werden durften. 69
Wenn sich die Montafoner eine autonome Gerichtsgewalt
erwartet hatten, wurden sie schwer enttäuscht. Das neue
Gericht war noch stärker herrschaftlich kontrolliert als
das Bludenzer Stadtgericht. Dieser Umstand hatte einen
wesentlichen Grund dafür dargestellt, dass sich die landesfürstlichen
Obrigkeiten für die Gründung eines neuen
Montafoner Gerichts entschieden. 70 Der aufrührerische Bludenzer
Bürgermeister Johann Josef Berchtel hatte damals
verbreitet, die Montafoner Vorsteher seien einverstanden
gewesen, dass das Tal alle Freiheiten und Gerechtigkeiten
an den Freiherrn von Sternbach verliere und ihm leibeigen
werde. 71 Und der Historiker Ludwig Welti meinte später
dazu: „Sogar ganz gewöhnliche Gantbriefe wurden im
ersten Jahrzehnt der Wirksamkeit dieses Gerichtes von der
Landschreiberei Montafon unter dem Sternbach-Siegel im
Namen des Freiherrn von Sternbach, Lehensinhabers der
vorderösterreichischen Herrschaft Bludenz, Sonnenberg
und Montafon[,] als Praeses (Vorsitzender) des Montafonischen
Zeit- und Landgerichtes ausgestellt.“ 72
Vorsitzender des neuen Montafoner Gerichts war also der
Lehensinhaber oder ein Beamter desselben. Jedes der sieben
Kirchspiele 73 stellte zwei Beisitzer, wovon neben den
amtierenden Vorgesetzten jeweils einer an den Sitzungen
teilzunehmen hatte. Sie wurden wie die Geschworenen vom
„gemeinen Mann“ in den Kirchspielen als Dreiervorschlag
gewählt, von denen die Obrigkeit je einen vereidigte. Nach
vier Jahren konnten sie wiedergewählt oder ersetzt werden.
Als Aktuar kürte der Freiherr eine Person aus einem Dreiervorschlag
der Talschaftsbewohner. 74
Die Montafoner waren mit dem neuen Gericht nicht sehr zufrieden.
Schon im Sommer 1784 suchten die Vorgesetzten
und Geschworenen des Tals beim Kaiser darum an, dass
es wie das Gericht Jagdberg „reguliert“ werde. Wie dort
wollte man künftig einen „Ammann“ als Gerichtsvorsteher
und auch den Landschreiber selbst wählen. 75 Nicht erwähnt
wurde dabei, dass dies in Jagdberg nicht durch das Volk,
sondern durch Wahlmänner geschah. 76
Seite 287

Das Gericht in Schruns wurde schließlich gemäß einem Befehl
vom 30. Mai 1785 mit höchster Resolution vom 30. August
1786 in ein „allgemeines Ortsgericht“ umgewandelt.
Bei der Amtsaufnahme im Jahr darauf war es mit einem
Richter – dem nunmehrigen Ammann –, einem geprüften
rechtskundigen Ratsmann, zwei Ratsbeisitzern „aus der
Gemeinde“, einem Kanzlisten und einem Gerichtsdiener
besetzt. Die Bestellung und Bezahlung des Ratsmanns,
des Kanzlisten und des Gerichtsdieners oblagen dem Freiherren
von Sternbach als Lehens- und Gerichtsherrn. 77
Bei dieser relativ autonomen Regelung blieb jedoch nicht
lange: Durch die so genannte Sistierungs-Resolution vom
17. September 1790 wurde wiederum der herrschaftliche
Vogteiverwalter zum Vorsitzenden des Gerichts erklärt. „Die
Amanschaft kann nur in jenen Fällen ohne seiner einschreitten,
wenn er nicht beykömmt.“ 78
Im Montafon blieb die Unzufriedenheit mit dem lokalen
Gericht deshalb trotz des nunmehr selbst gewählten Richters,
des „Landammanns“, groß. Schon im Dezember 1793
suchten die Vertreter der Talschaft bei der Regierung um
eine neuerliche „Regulierung“ an. 79 Bis zur bayerischen Zeit
änderte sich jedoch nichts mehr an den Bestimmungen von
1790. 80
Dennoch werteten manche Zeitgenossen die Errichtung
der „Landammannschaft Montafon“ als den eigentlichen
Beginn der Montafoner Gerichtsbarkeit. So heißt es in einer
Landesbeschreibung von 1792 fälschlich, das Montafon
sei 1787 im Zuge der josefinischen „Gerichtsregulierung“
vom Stadtgericht Bludenz getrennt worden. 81 Auch in einer
Schrift über die neue bayerische Landesorganisation heißt
es später unzutreffend, dass die „Landammannschaft Montafon“
erst durch Hofentschließungen von 1786 und 1790
von der Gerichtsbarkeit des Bludenzer Magistrats gelöst
und dadurch zu einer „selbständigen Justiz- und Polizeibehörde“
erhoben worden sei. 82 Die Errichtung des Gerichts
1775/76 wurde nicht zur Kenntnis genommen.
Seite 288
Was die Stadt Bludenz betraf, verlor diese, nachdem Vorarlberg
1806 an Bayern gefallen und eine neue Gerichtsstruktur
eingeführt worden war, ihre diesbezügliche Funktion
als Zentralort für kurze Zeit ganz. Damals war nicht
die Stadt, sondern das Dorf Nüziders zum Sitz des neuen
Landgerichts Sonnenberg bestimmt worden, und zwar bis
entsprechende Regelungen über die verbleibenden Rechte
der Freiherren von Sternbach in Bludenz getroffen worden
wären. Bevor man aber eine entsprechende Lösung fand,
wurde mit Ende 1808 auch der letzte Rest der Bludenzer Gerichtsbarkeit,
das kleinräumige Stadtgericht, aufgehoben.
Dessen Kompetenzen gingen ebenfalls an das Landgericht
Sonnenberg über. Im Sommer 1809 schließlich übersiedelte
diese Behörde, wie von der Stadt gewünscht, nach Bludenz.
Zuerst war sie im Schloss untergebracht, wo sie aber
der Freiherr von Sternbach nicht lange duldete. Von 1811 bis
um 1820 diente ihr das Gasthaus Hirschen als Unterkunft,
dann bezog sie ein Haus in der Kirchgasse. 83
Seit 1809 war Bludenz also wiederum Sitz einer regionalen
Verwaltungs- und Gerichtsbehörde, bei der es sich nun aber
um ein staatliches und kein Stadtgericht mehr handelte.
Sie hieß auch weiterhin „Landgericht Sonnenberg“, nicht
„Landgericht Bludenz“. Ihr Sprengel erstreckte sich vom
Arlberg bis kurz vor die Tore der Stadt Feldkirch, denn Frastanz
wurde erst 1903 vom Bezirk Bludenz getrennt. 84 Auch
wenn nach der Errichtung beziehungsweise Wiedererrichtung
von Bezirkshauptmannschaften in den Jahren 1849/50
und 1868 das Montafon neuerlich von Bludenz aus verwaltet
wurde, 85 blieb dem Tal doch das eigene Gericht erhalten.
St. Nikolaus
Mit den beiden Gemeinden Lorüns und Stallehr reicht das
Montafon auch bis heute in den Großraum Bludenz heraus.
Die entsprechende Grenze verlief einst über die drei Landmarken
„St. Nikolaus“, „Egg“ und „Buzíens“, die alle in
Vergessenheit geraten sind. Die beiden ersten verschwanden
mit dem Bau des Zementwerkes um 1907. Schon um

"Niklausenbild" in der Karte von Blasius Hueber um 1780
Grenzziehung im Großraum Bludenz nach 1695 (Vorarlberger Ständekarte 1783)
Seite 289

Seite 290
Abrechnung der Schanzbauten
auf dem St. Niklausen Platz 1647
1870 wurde am dortigen Lärchenbüchel, der sich als letzter
Ausläufer der Davenna einst unmittelbar bis an die Alfenz
erstreckte, Rohgestein zur Zementerzeugung abgebaut. 86
Mittlerweile hat der große Steinbruch die Landschaft am
Eingang zu Montafon gänzlich verändert.
Der Zugang ins Tal der oberen Ill gestaltete sich früher anders
als heute. Noch in einem 1895 erschienenen Reiseführer
ist die Rede von einem „Bergpasse“, der „die Eingangspforte
zum Montafon bildet“. 87 Wer sich in der Frühen
Neuzeit dorthin begab, hatte nach der Überquerung der
Alfenzbrücke tatsächlich zunächst einen steilen Hügel des
Lärchenbüchels, eines Ausläufers des Davenna-Stocks, zu
überwinden. Von dort zog sich ein „rauer und steiniger“
Weg in Richtung Lorüns. 88 Die Alfenz- und Ill-Auen verhinderten
eine bequemere Trassenführung.
Der Weg führte, von der Brücke kommend, wahrscheinlich
bereits unten im Talboden am St. Nikolaus-Bild vorbei, das
schon 1618 auch St. Nikolaus-Kapelle genannt wurde. 89
Zahlreiche Quellen der Frühen Neuzeit dokumentieren,
dass man sich „in der Hofjünger Landmarken über die Alfenz
an St. Niklausen vorüber ins Montafon hinein“ begab 90
und dass dort „das thal Montafon seinen anfang hat“. 91
Auf der Karte Blasius Huebers aus der Zeit um 1783 ist es
südlich und auf drei Karten, die vermutlich aus der Mitte
des 18. Jahrhunderts stammen, 92 nördlich des Wegverlaufs
eingezeichnet.
Obwohl das St. Nikolaus-Bild laut Andreas Ulmer „um 1874
noch bestand“, 93 vermochte es Hermann Sander trotz aller
Erkundigungen im ausgehenden 19. Jahrhundert nicht mehr
richtig zu lokalisieren, weil er es am falschen Ort suchte. Er
ging davon aus, dass es sich beim St. Niklausenplatz um
den alten Namen des Schafbodens gehandelt habe. Dieser
bildete jedoch nur eine kleine Ebene auf dem Lärchenbüchel.
Von Brunnenfeld her erreichte man den Schafboden
nach Überqueren der Brücke durch einen kurzen Aufstieg.
Von Lorüns aus führte der Weg zunächst den Stutz hinauf,
nahm dann beim so genannten Stutzegg eine scharfe Wendung
ostwärts in Richtung Stallehr und führte in etwa zwei
Minuten zur genannten Lichtung, von wo es nicht mehr weit
zur Alfenzbrücke hinunter war. 94
Die Örtlichkeit „zu St. Nicola“ 95 oder allgemeiner „St. Niklausen
Platz“ 96 bildete jedoch keine kleine Weidefläche
auf dem Hügel direkt oberhalb der Brücke – also noch auf
der Klostertaler Seite –, sondern erstreckte sich als eine
große Flur südlich des Stutzeggs zwischen den Felswänden
und der Ill bis zu den Grenzen von St. Anton. Sie gehörte zu
keiner bestimmten Gemeinde. Die über St. Nikolaus verlaufende
Hauptverkehrsverbindung aus dem Walgau und dem
unteren Klostertal in das Montafon musste vom Kirchspiel
Bludenz erhalten werden. 97
Während heute der geistliche Schutz über den Eingang ins
Montafon dem heiligen Nepomuk, dem Patron der Lorünser
Kirche, obliegt, 98 erfüllte diese Funktion in der frühen Neuzeit
der heilige Nikolaus. Er galt unter anderem als Patron
der Reisenden und Schutzheiliger gegen Wassergefahren, 99
was gerade beim Zugang ins Montafon einst von hoher
Bedeutung war, verlief die Straße in der Flur St. Nikolaus
doch direkt an der Außenseite einer Ill-Krümmung und unterhalb
von Felshängen, die nicht umsonst über weite Strecken
„Staböse“ – also „Steingefahr“ – genannt werden. In
Vorarlberg weisen heute insgesamt 13 Kirchen und Kapellen
– unter anderem in Braz, Bludesch, Raggal, Silbertal und
Gortipohl – das Patrozinium des heiligen Nikolaus auf. 100 Er
war auch einer der Heiligen, denen im ausgehenden Mittelalter
die Kapelle in Vandans, die Vorläuferin der späteren
Pfarrkirche, geweiht wurde. 101
Noch im Jahr 1811 bildete die Flur St. Nikolaus eine „unvertheilte
Bludenzer, Lorünser, Stahlerer und Bartholomäberger
Allgemeind“. Sie wurde damals wie Stallehr dem neuen
Bartholomäberger Steuerdistrikt zugeteilt. 102 Die Gemeinde
Lorüns hingegen gehörte zum Steuerdistrikt Vandans. Ihr
Gebiet reichte damals also noch nicht über die Ill und war

auch im Westen enger begrenzt, da sich der Steuerdistrikt
Bludenz südlich der Ill zwischen dem Leuetobel und dem
Gavalinatobel bis hinauf zum „Ragenner-Joch“ unterhalb
der zu Bürs zählenden Gavalina-Alpe erstreckte. 103
Als dem bedeutendsten und leichtesten Zugang zur Talschaft
Montafon kam der Flur St. Nikolaus in der Frühen
Neuzeit auch hohe strategische Bedeutung zu. Deshalb
wurden hier wie beim ehemaligen Gasthaus Engel zwischen
Braz und Dalaas gegen Ende des Dreißigjährigen
Kriegs „zuerhaltung der fürstl[ichen] grafschaft Tyrol“ –
also zur Verteidigung Tirols – ansehnliche Befestigungen
errichtet. Sie umfassten außer den Wällen auch Wachhütten,
Schanztore und Fällläden. 1651 wurde selbst von militärischer
Seite bestätigt, „wie costbarlichen die statt Bludenz,
herrschaft Sonnenberg und das thal Montafun baide
schannzen zu St. Nicolao unnd zum Enngl zu besser- und
mehrer defension der fürstl. grafschaft Tyrol erpauen miesen.“
Nach eigenen Angaben hatten dafür etliche Tausend
Stück Holz, etliche Tausend Tagwerke, Fuhren und andere
„Behilflichkeiten“ aufgewendet werden müssen, deren Kosten
sich zusammen mit jenen für die Wachen auf 12.737
Gulden beliefen. 104 Während beim Engel im Klostertal 1799
im Zuge der Franzosenkriege neuerlich Schanzen aufgeworfen
wurden, 105 erinnerte man sich im Montafon später nur
an die Verteidigungsbemühungen im ausgehenden Dreißigjährigen
Krieg. 106 Dass der heute noch gebräuchliche
Flurname „Letzi“ so viel wie Verteidigungsanlage bedeutet,
ist zumeist unbekannt.
Das „Egg“ und das vermeintliche Berggericht im
Silbertal
Laut Zeugenaussagen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
hatte der Bludenzer Vogt Merk Sittich von Ems,
der von 1538/39 bis 1565 amtierte, 107 das St. Nikolaus-Bild
errichten lassen. 108 Was hatte dann davor als Landmarke
des Montafons gedient?
Das Amtsurbar von 1618 führt an, dass das Tal Montafon
beim St. Nikolaus-Bild „seinen anfang“ habe. 109 An einer
anderen Stelle des Dokuments wird aber ausdrücklich das
„Egg“ als „eingang des talls Montafon“ bezeichnet. 110 In einer
dritten Notiz heißt es, die Grenze zwischen Sonnenberg
und Montafon verlaufe auf der Südseite des Tals durch den
„wald Ravaltschina“ (heute Rafaschina) in die Ill hinunter
und von dort „gegen Sanct Niclasen Bild in das obgedachte
egg oder end des bergs, so sich dem gradt und schneeschlaipfinen
nach auf die Wenden zeicht [auf die Davenna
zieht] und das tal Montafon beschliest“. 111 Eine weitere Eintragung
hält ausdrücklich fest, das Montafon beginne „enhalb
der Allfenz neben Sanct Niclausen Bildt am fueß oder
end des bergs, wellicher gleich von unden auf ainen grat
und schneeschlaipffinen macht und zeicht sich in alle höhe
bis auf die Wenden“. 112 Das St. Nikolaus-Bild stellte demnach
die symbolische Landmarke des Tals dar, während
das „Egg“ die genaue topografische Grenze bezeichnete.
Dass dies bereits im Spätmittelalter der Fall war, belegt die
Teilungsurkunde vom 21. Mai 1355. Sie enthielt die Bestimmung,
dass alle Bergleute („Silberer“) am Südhang von
Dalaas und im Montafon, die nicht den Erben Graf Hartmanns
von Werdenberg-Sargans leibeigen waren, außer
bei Schuldstreitigkeiten und Freveln „uber die Egge“ vor
das Gericht des Grafen oder seines Amtmanns „zegerichte
gan“ (gehen) sollten, der „denne do zegerichte sitzzet“. Die
Erben Graf Hartmanns durften die Betreffenden nicht daran
hindern, da „si uber die Egge in das gericht gehörent“. 113
Der Ausdruck, „über die Egge zu ziehen“, bedeutete, sich
aus dem Montafon heraus nach Bludenz zu begeben.
Josef Zösmair legte den Begriff in Unkenntnis der alten
Montafoner Landmarke dahin gehend aus, dass auch den
Bergleuten aus dem Klostertal „über dem Egg“ des Kristbergs
ein eigenes Gericht im Silbertal zur Verfügung gestanden
sei. 114 Zwei Jahre später schrieb Andreas Ulmer: „Die
Knappen wohnten zahlreich in Dalaas sowie in Stallehr
und genossen besondere Freiheiten, wofür Bestätigungen
Seite 291

von 1402 bis 1569 vorliegen. Dazu gehörte ein eigenes Gericht
`Silberberg` mit einem Bergrichter an der Spitze, der
über die Silbrer die niedere Gerichtsbarkeit ausübte, während
die hohe dem Grafen oder seinem Vogte gehörte. [...]
Das Gericht ‚Silberberg’ hieß auch ‚Gericht über die Egge’
[...].“ 115 Benedikt Bilgeri 116 und Ludwig Welti vertraten später
dieselbe Auffassung. Bei Letzterem wurde das Gericht
„über der Egge“ sogar zu einer „Richtstätte zwischen dem
Klostertal und dem Montafon, wohl auf dem Kristbergsattel“.
117 Dieser Gerichtsort wanderte in der Literatur somit
vom Silbertal immer höher den Berg hinauf, statt dass er
den Ausgang „über die Egge“ bei Lorüns nach Bludenz gefunden
hätte, wohin sich schließlich auch die Hofjünger bis
ins 18. Jahrhundert zu ihrem Märzengericht begeben mussten.
118
Buzíens
Die Lokalisierung einer weiteren Montafoner Landmarke,
nämlich Buzíens, 119 in den Raum östlich von Stallehr ist
dafür verantwortlich, dass diese topografisch im Klostertal
liegende Gemeinde bis heute zum Montafon zählt. Den Umständen,
die dazu führten, hat bereits 1897 der bekannte
Historiker Hermann Sander eine eigene Monografie gewidmet.
Diese muss allerdings, was die Verortung der genannten
Flur betrifft, korrigiert werden.
Laut dem Hofbrauch von 1545 wurde das Tal an der oberen
Ill von den „vier schneeschlaipfinen in Monntafun“ begrenzt.
Dabei handelte es sich allgemein um Bergzüge oder
Erhöhungen, die Wasserscheiden bildeten. Man verwendete
den Begriff aber auch im Sinn von „Übergängen“ oder
„Zugängen“. Solche „Schneeschlaipfinen“ passierte man
gemäß Hofbrauch, wenn man „über die Allfenntz, über den
Cristbergg, über Galtheuren [Galtür], durch Garyellen [Gargellen]
oder andere gepirg von Prettigew [Prättigau] her“
kam. 120 Das Montafon bildete somit ein rundum von Höhenzügen
abgegrenztes Gebiet. Selbst der Zugang im Illtal
erfolgte – wie bereits erwähnt – über einen Hügel.
Seite 292
Wenn statt diesem beziehungsweise dem dortigen Egg im
Hofbrauch von 1545 aber die Alfenz als Grenzmarke oder
„Schneeschlaipfin“ angeführt wurde, war dies zwar anschaulich,
aber nicht ganz korrekt, denn der Fluss bildete
die westlichste Grenze der Talschaft erst, nachdem er den
steilen Abhang des Lärchenbühels passiert hatte. Noch
auf einer der drei erhaltenen Landkarten dieses Raumes
aus dem 18. Jahrhundert wird die Alfenzbrücke als „Staleer
Brug“ bezeichnet. 121 Man gelangte dort jedenfalls ursprünglich
nicht unmittelbar auf Montafoner Boden, sondern
musste dazu den Lärchenbühel überqueren. Auch wenn
die Brücke im Spätmittelalter oder in der frühesten Neuzeit
weiter flussabwärts stand, was einige Zeugenaussagen
aus dem 16. Jahrhundert bestätigten, 122 bildete doch erst
der letzte Ausläufer des Davenna-Stocks die begrenzende
„Schneeschleipfe“.
Spätestens in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts
legten die Hofjünger jedoch die Grenzbezeichnung „Alfenz“
so aus, dass die einzige Siedlung auf der linken Seite des
Flusses, das einst sonnenbergische Stallehr, nun ebenfalls
zum Montafon gehörte. Davon versprachen sie sich nicht zu
Unrecht wirtschaftliche Vorteile.
Wie bereits dargelegt wurde, zählten die Menschen unabhängig
von ihrer Gemeindezugehörigkeit auch zu verschiedenen
Personenverbänden, die man Steuergenossenschaften
oder einfach nur „Gnossen“ nannte. Diese waren
an einer möglichst hohen Zahl an Steuerpflichtigen interessiert,
damit sich die gemeinsamen Lasten besser verteilten.
Solchen Steuergenossenschaften gehörte man entweder
auf Grund der Abstammung oder in Folge bestimmter Regelungen
an, die festlegten, welche „Gnoss“ wen an welchen
Orten belangen konnte. Zog zum Beispiel ein Montafoner
Hofjünger ins sonnenbergische Gebiet, blieb er laut Landsbrauch
von 1545 seinem Personenverband unvermindert
als Steuerzahler erhalten. Zog jedoch ein Angehöriger des
sonnenbergischen Personenverbands der so genannten
„Großen Gnoss“ ins Montafon, galt er, solange er dort ansässig
war, als Hofjünger. Zog er zurück, wurde er wiederum

"Bucyiens", Urkunde 1355
Sonnenberger, nicht jedoch seine Kinder, die im Montafon
geboren worden waren. 123 Es war also keineswegs belanglos,
ob Stallehr zum Territorium der einen oder der anderen
Genossenschaft gezählt wurde.
Nach längeren Streitigkeiten verlangten die Montafoner im
Jahr 1578, dass der Ort an der Alfenz offiziell „wiederum“
zu ihrem Steuerbezirk geschlagen würde. Im Zuge eines
aufwendigen Gerichtsverfahrens führten sie als Beweise
dafür, dass Stallehr immer schon zum Montafon gezählt
habe, zwei Verträge an. Der eine stammte aus dem Jahr
1355, der andere von 1531. Bei Letzterem handelte es sich
um eine Vereinbarung zwischen den Hofjüngern und dem
Kloster St. Gerold, wonach Gotteshausleute Hofjünger
sein sollten, wenn sie sich jenseits der Alfenz in Stallehr,
in Lorüns oder im oberen Tal der Ill niederließen. 124 Diesen
Vertrag zwischen den Montafonern und dem Walsertaler
Kloster ließen die Sonnenberger selbstredend nicht als Beweis
dafür gelten, dass Stallehr stets zum Montafon gezählt
habe. Schließlich konnten Steuergenossenschaften beliebig
gegenseitige Abmachungen treffen, ohne dass diese
deshalb auch für andere verbindlich gewesen wären. 125 So
kam nunmehr allein der Urkunde von 1355 Relevanz zu. Sie
dokumentierte die Teilung des südlichen Vorarlberg zwischen
den Grafen von Werdenberg-Heiligenberg und jenen
von Werdenberg-Sargans.
Den damaligen Verhältnissen entsprechend, waren allerdings
auch in dieser Urkunde keine genauen Grenzen des
Montafons angeführt. Es heißt darin nur, dass die Silberer
und Walser, die in einem Bezirk lebten, der durch vier bestimmte
Grenzpunkte umrissen war, dem Grafen Albrecht
von Werdenberg-Heiligenberg und seinen Nachkommen gehören
sollten. Diese Grenzmarken wurden später auch als
jene des Montafons aufgefasst. Der in der Urkunde von 1355
umrissene Bereich erstreckte sich „zwischent Bucyiens/Butyiens
und als das wasser Alventze in die Ylle gat, und zwischent
Brätegowe und Thalaus, als die slaipffinen gant“. 126
Je nachdem, ob man nun die Landmarke Buzíens bei der
Mündung der Alfenz in die Ill, wie es die Sonnenberger ta-
ten, oder, wovon die Montafoner überzeugt waren, östlich
von Stallehr bei Vitrola lokalisierte, lag dieses Dorf innerhalb
der Gemarkungen der Herrschaft Sonnenberg oder im
Montafoner Teil der Herrschaft Bludenz.
Hermann Sander schlug sich in seiner Darstellung des Konfliktes
um Stallehr überzeugt auf die Seite der Montafoner.
Seiner Meinung nach lag Buzíens eindeutig so, dass der Ort
zu deren Territorium gehörte. Dabei stützte er sich aber auf
bedenkliche Argumente. So sah Sander seine Auffassung
selbst dadurch bestätigt, dass in der Grenzbeschreibung
des Steuerdistrikts Bartholomäberg im Bayerischen Steuerkataster
von 1811 an der Stelle, wo sich Buzíens befinden
sollte, ein „Lutzius-Bründl“ vermerkt war und dass sich
auch der Stallehrer Vorsteher N. Seeberger daran erinnerte,
„bei den Alten“ habe „das Lutzius-Brünnele als Grenzmarke
gegolten“. Wie hätte es denn nach der gerichtlichen
Entscheidung von 1587, die den Ort dort lokalisierte, anders
sein sollen? Übrigens hatte sich Eduard Fleisch, von
dem Sander den entsprechenden Hinweis erhalten haben
wollte, 127 bei der Entzifferung des Namens verlesen. Im
Steuerkataster heißt es nicht „Lutzius-Bründl“, sondern
„Lutzeins Bründl“ und „Lutziens Brünl“. 128 Aber selbst diese
Namensform erscheint fraglich, denn in einer Grenzbeschreibung
des Steuerdistrikts Bartholomäberg durch das
Montafoner Landgericht vom 21. Juli 1808 ist mehrmals nur
von einem „Buziens-Brünnele“ die Rede. 129 Trotzdem soll
der Vorsteher Seeberger also erklärt haben, dass schon bei
den alten Leuten ein „Lutzius-Brünnele“ als Grenzmarke
gegolten habe. Der Erinnerung waren immer schon wenig
Grenzen gesetzt. Des Weiteren fällt in diesem Zusammenhang
auf, dass der Name dieses heiklen Grenzpunkts in
der Beschreibung des Steuerdistrikts Bludenz gar nicht aufscheint,
130 wie wenn man auf der anderen Seite der Grenze
immer noch nicht von dessen richtiger Verortung überzeugt
gewesen wäre.
Ähnlich „fundiert“ erfolgten die Lokalisierungen der Örtlichkeit
auch im Zuge des Rechtsstreits in der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts. Sander schrieb selbst, dass Buzíens ei-
Seite 293

gentlich erst durch das damalige Gerichtsverfahren „wieder
bekannt“ geworden sei. 131 Tatsächlich widersprachen einander
die verhörten Zeugen stark. Je nach Interessenslage ortete
man Buzíens eben westlich oder östlich von Stallehr. Bei
einem Augenschein konnten selbst die Hofjünger keine klare
Lokalisierung vornehmen. Sie zeigten zwei verschiedene,
nahe beieinander gelegene Örtlichkeiten. Auffallenderweise
hatten die beiden Bludenzer Alt-Bürgermeister Jakob Frei und
Dietrich Zürcher noch nie etwas von einem Buzíens in ihrem
eigenen Kirchspiel gehört, obwohl sie lange Jahre mit der
Regelung aller möglichen Fragen vor Ort befasst und mit den
Flurnamen ihrer Region zweifellos vertraut gewesen waren. 132
Die Annahme liegt nahe, dass Buzíens gar nicht im Großraum
Bludenz zu suchen ist. Dafür spricht vor allem auch
die Art der Grenzangaben in der Urkunde von 1355. Sie
enthielt allgemein keine kleinräumigen Details. Als Grenzscheiden
sind außer den oben zitierten Örtlichkeiten nur
noch Galmist am Übergang vom Walgau in das Rheintal und
die Bludenzer Stadtgerichtsmarken angeführt. Das Brünnlein
„Bucíens“ in den Wäldern hinter Stallehr hätte eine
auffällige Ausnahme gebildet.
Auf ein entsprechendes Missverhältnis bei der Interpretation
der Urkunde wies bereits Stefan Müller in einem Aufsatz
über den spätmittelalterlichen Bergbau des Montafons im
Jahr 1925 hin. Dort hielt er fest, dass „der Entscheidbrief das
klar umrissene Gebiet von Stallehr mit drei Geviertkilometern
neben ein mindestens zweihundertmal so großes Gebiet mit
größtenteils ganz unklaren Grenzen in vollständige Koordination“
setzte. 133 Müller versuchte damit allerdings nicht die
kleinräumigen Grenzangaben, sondern das Gegenteil in Frage
zu stellen, und zwar um nachzuweisen, dass im Spätmittelalter
mit dem Namen „Montafon“ noch nicht das Tal an der oberen
Ill, sondern nur der Kristberg samt seinem Nordabhang
bei Dalaas bezeichnet worden sei. Dabei stützte er sich auch
– im Gefolge Isidor Flürs 134 und mit Beifall Andreas Ulmers 135 –
auf die wenig überzeugende These, dass in der Urkunde von
1355 unter der Bezeichnung „Prättigau“ ein Maisäß bei Dalaas
und nicht das Tal der Landquart zu verstehen sei. 136
Seite 294
Lange davor hatte schon Joseph Bergmann – mit einem Fragezeichen
versehen – vorgeschlagen, unter „Butzyiens“ den
„Burtscha-Kopf oder das Burtscha-Joch“ zu verstehen. 137
Über den Ersteren als markanten Ausläufer des Verwalls
hoch über dem Klostertal verlief denn auch laut Amtsurbar
von 1618 die Grenze zwischen der Herrschaft Sonnenberg
und dem Montafon. 138 Es ist jedoch schwer nachvollziehbar,
warum die Urkunde von 1355 neben der Wasserscheide bei
Dalaas auch noch den nahen Burtscha-Kopf als Landmarke
hätte anführen sollen.
Die vier im Dokument erwähnten Ortsangaben sind wohl
vielmehr den Himmelsrichtungen beziehungsweise deren
topografischen Entsprechungen zuzuordnen. So, wie
einander der Prättigau im Süden und Dalaas im Norden
gegenüberstanden, 139 wird Bucíens das östliche Gegenstück
zur Alfenzmündung dargestellt haben. Somit dürfte
die fragliche Örtlichkeit im Bereich des Zeinis-Jochs, dem
ehemaligen Hauptübergang ins Paznaun, zu lokalisieren
sein. Die namenkundliche Forschung wird klären können,
ob der Name „Zeinis“ mit der zweiten, betonten Silbe des
Begriffs „Bucíens“ in Zusammenhang stand. 140 Namen mit
der Wortwurzel „pozzín“, was romanisch so viel wie „Brunnen“
oder „Wasserloch“ bedeutet, sind jedenfalls in der
entsprechenden Region vielfach nachweisbar. Sogar die
Talbezeichnung „Paznaun“ führt darauf zurück. 141
Es hegte übrigens nicht erst Joseph Bergmann Zweifel an
der gerichtlichen Entscheidung von 1587, die Buzíens östlich
von Stallehr lokalisierte. Auffälligerweise vermerkte der Bludenzer
Vogteiverwalter Hauptmann David von Pappus, der
1609 und 1610 im Auftrag der Innsbrucker Regierung eine
genaue Erhebung der Grenzen der Herrschaften Bludenz
und Sonnenberg vornahm, in seinen Aufzeichnungen, die
später ins Amtsurbar von 1618 übernommen wurden, nur
den alten Grenzverlauf, der unmittelbar vom St. Nikolausbild
nahe der Mündung der Alfenz in die Ill – von dem gleich
anschließend die Rede ist – über die „Schneeschlaipfinen“
hinauf ins Gebirge führte, 142 so dass Stallehr im Gegensatz
zu Lorüns bei Sonnenberg verblieb. Am Schluss der Grenz

eschreibung musste aber auch er – allerdings mit deutlich
zweifelndem Unterton – die politische Realität anerkennen,
indem er schrieb: „Verer ist noch ain klainer fleckhen, ausser
dem thahl Montafon und zwischen der Allfenz gelegen,
genant Stalär, so auch den Montafonern zuegehorig sein
solle, ist auch geen Bludenz pfärrig.“ 143 Die urkundliche
Bestätigung des Grenzverlaufs zwischen Sonnenberg und
Montafon vom St. Nikolaus-Bild über die Wasserscheide
hinauf zur Davenna, die sich der Vogteiverwalter von
Landammann Bartholomä Reuz, den Alt-Landammännern
Thomas Fritz und Hans Hartmann sowie dem Landschreiber
Hans Henggi 1612 ausstellen und später ins Urbar eintragen
ließ, enthält sogar die Feststellung, dass die eingangs
angeführten Marken „bishero ruebigelich gebraucht, wie
auch deßhalber von niemanden jemals angefochten noch
beschwerdt worden“ seien, 144 als ob es den Konflikt mit den
Montafonern wegen Stallehr nie gegeben hätte.
Die Landmarke Buzíens, um deren Lokalisierung die Stände
Sonnenberg und Montafon in der zweiten Hälfte des 16.
Jahrhunderts einen langen Gerichtsstreit führten, ist also
wohl gar nicht im Klostertal, sondern im obersten Einzugsbereich
der Ill zu suchen. Auf Grund einer fragwürdigen Indizienlage
setzten sich die Montafoner damals aber mit einer
Verortung östlich von Stallehr durch, und zwar vor allem
deshalb, weil die Gegenpartei mit keiner überzeugenden
Alternative am Unterlauf der Alfenz aufwarten konnte, was
nach obigen Darlegungen nicht verwundert. Auf den Gedanken,
dass die Landmarke gar nicht dort zu suchen war, kamen
die Sonnenberger nicht. Stallehr verdankt damit seine
bis heute bestehende Zugehörigkeit zum Montafon dem
Umstand, dass in der Frühen Neuzeit im Walgau niemand
mehr wusste, wo die in einer spätmittelalterlichen Urkunde
vermerkte Flur Buzíens lag.
In der Literatur wird der Name – wie schon im Amtsurbar
von 1618 145 – zumeist als „Buziens“ angeführt. In der
Schreibweise „Bucyens“ findet er sich in einer Urkundenabschrift
vom ausgehenden 15. Jahrhundert im ältesten
Bludenzer Stadtbuch. 146 Wie später auch im Liechtenstei-
nischen Urkundenbuch wurde dabei der Buchstabe hinter
dem y ausgelassen. 147 Dieses Zeichen muss als i ohne Punkt
entziffert werden, da ein t oder c einen Querstrich im oberen
Teil aufweisen müsste. In derselben Zeile der Urkunde
fehlen die i-Punkte auch bei den Wörtern „Silberer“ und
„Walliser“. In seiner beglaubigten Abschrift der Urkunde
von 1355 übernahm der Rankweiler Landrichter Hans Rad
im Jahr 1470 den Namen denn auch als „Butzyiens“. 148
Joseph Bergmann schloss sich später dieser Lesung an. 149
Da sich nicht klar entscheiden lässt, ob es sich beim dritten
Buchstaben um ein c oder ein t handelt, scheint Hans
Rad ein tz gewählt zu haben, das beide Laute enthält. In der
vorliegenden Publikation wird der Einheitlichkeit halber die
Schreibweise „Buzíens“ verwendet.
Schlussbemerkung
Die Verwaltungsgliederung des Bludenzer Beckens dokumentiert
bis heute anschaulich die spätmittelalterlichen
und frühneuzeitlichen Raumstrukturierungen durch Herrschaften,
Gerichte, Steuergenossenschaften, Kirchspiele
und Gemeinden. Von besonderer Bedeutung erwiesen sich
dabei die Gemeinden, unter denen aber in der Frühen Neuzeit
– und in der volkstümlichen Auffassung noch bis weit
ins 19. Jahrhundert hinein – keine gesetzlich normierten,
„dem Staat untergeordneten öffentlich-rechtlichen Verbände“,
sondern ein breites Spektrum verschiedenster Körperschaften
von kleinen Nachbarschaften, 150 über einzelne
Dörfer und Kirchspiele mit mehreren Dörfern 151 bis hin zur
Gesamtheit der Bewohner eines größeren Territoriums 152
zu verstehen sind, die sich auch vielfach überlagerten.
Die Funktion eines „dem Staat untergeordneten öffentlichrechtlichen
Verbandes“ kam im südlichen Vorarlberg den
so genannten „Kirchspielen“ zu, deren Vertreter, die Geschworenen,
die untersten von der Herrschaft vereidigten
Verwaltungsorgane darstellten. Ihre Tätigkeit war aber keineswegs
auf die Ebene der Kirchspiele beschränkt.
Seite 295

1 „Bis 1806 hat Stallehr dem Gericht Sonnenberg angehört [...].“
Vorarlberger Nachrichten, 17. September 2008, A10. Dieser Satz wurde
wörtlich übernommen aus Karl Heinz Burmeister, Die Gemeindewappen
von Vorarlberg. Sigmaringen 1975, S. 204.
2 „Die Übereinstimmung mit dem Wappen von Sonnenberg (goldene
Sonne in Blau) drückt zugleich die historische Zugehörigkeit von Lorüns
zu dieser Herrschaft aus.“ Vorarlberger Nachrichten, 10. September
2008, A10. Dieser Satz wurde wörtlich übernommen aus Burmeister
1975 (wie Anm. 1), S. 140.
3 http://www.justiz.gv.at/service/content.php?nav=71&v_id=18579&v_
action=detail&v_search=stallehr&v_search_old= (24.9.2008). Nach
meinem Vortrag vom 30. September 2008 im Davennasaal in Stallehr
wurde eine Änderung der Eintragung veranlasst. Auch in Andreas
Ulmers topographisch-historischer Beschreibung ist zu lesen, dass
der Ort, nachdem man die Eingemeindung nach Bludenz 1946 wieder
rückgängig gemacht hatte, weiterhin beim Gerichtsbezirk Bludenz
geblieben sei: Andreas Ulmer, Topographisch-historische Beschreibung
des Generalvikariates Vorarlberg, Bd. 8: Dekanat Bludenz (ehemals
Dekanat Sonnenberg), Teil 1. Dornbirn 1971, S. 71.
4 Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen
Rechtssprache, bearb. von Günther Dickel/Heino Speer, Bd. 7. Weimar
1974-1983, Sp. 982; Handwörterbuch der deutschen Rechtsgeschichte,
hg. von Adalbert Erler/Ekkehard Kaufmann, Bd. 2. Berlin 1978, Sp. 834-
836.
5 Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, bearb. von
Elmar Seebold. Berlin/New York 231999, S. 624.
6 Ebenda, S. 311.
7 Ebenda, S. 28.
8 Brockhaus-Wahrig. Deutsches Wörterbuch, hg. von Gerhard Wahrig u. a.,
Bd. 3. Wiesbaden-Stuttgart 1981, S. 131.
9 Im 17. Jahrhundert grenzten zum Beispiel am Bürserberg die Mitglieder
der sonnenbergischen Steuergenossenschaften ihre Interessen
gegenüber jenen der Hofjünger und Bludenzer Ausbürger, die sich
am Berg niedergelassen hatten, als „sonnenbergische gemaindt am
Bürsserberg“ ab: Vorarlberger Landesarchiv (fortan: VLA), Stadtarchiv
Bludenz 179/9.
10 Ein Beispiel dafür bildete Schnifis in der österreichischen Herrschaft
Feldkirch, dessen Gemeindeteil Gampelin zur reichsfreien Herrschaft
Blumenegg gehörten: vgl. Manfred Tschaikner, Das Gericht Jagdberg in
der Frühen Neuzeit, in: Das Gericht Jagdberg. Von der Einrichtung 1319
Seite 296
bis zur Aufhebung 1808, hg. von Alois Niederstätter/Manfred Tschaikner
(Elementa Walgau Schriftenreihe 4). Nenzing 2007, S. 49-112, S. 50-51.
11 Kluge 1999 (wie Anm. 5), S. 314.
12 Noch 1618 heißt es im Amtsurbar: „[…] weyl ermelt schloß und statt
miten in der herrschafft Sonnenberg gelegen […]“: VLA, Vogteiamt
Bludenz, Hs. 17, fol. 8a u. 46a.
13 Laut Amtsurbar von 1618 stand der Galgen auf einem zwölf Mitmel
großen Grundstück, „genant Meins Herrn Brayte“. Es war „ausserhalb
der statt gelegen“, stieß aufwärts an die Landstraße und Georg
Neyers Baumgarten, einwärts an Antoni Freis Baumgarten, abwärts an
Hans Weltins Güter und auswärts an Georg Fritzs Gut: VLA, Vogteiamt
Bludenz, Hs. 17, fol. 71a. Der Landesfürst besaß übrigens ein zweites, 70
Mitmel großes Gut im Unterfeld östlich der Stadt, das ebenfalls Herren-
Breite genannt wurde: Ebenda, fol. 71b.
14 VLA, Vogteiamt Bludenz 51/602.
15 VLA, Vogteiamt Bludenz, Hs. 17, fol. 40b; Meinrad Tiefenthaler, Die
Grenzbeschreibungen im Urbar der Herrschaft Bludenz und Sonnenberg
von 1608 bis 1618, in: Montfort 8 (1956) 1, S. 70-108, S. 91.
16 Hermann Sander, Der Streit zwischen Bludenz und Sonnenberg über die
Besteuerung des Klosters St. Peter und andere Rechte von 1686 bis 1695
(Beiträge zur Geschichte von Bludenz, Montafon und Sonnenberg in
Vorarlberg 6). Innsbruck 1904, S. 57.
17 Ulmer 1971 (wie Anm. 3), S. 21.
18 Ebenda, S. 23-24.
19 Ebenda, S. 24 u. 71.
20 Manfred Tschaikner, Bludenz im Barockzeitalter (1550-1730), in:
Geschichte der Stadt Bludenz von der Urzeit bis zum Beginn des 20.
Jahrhunderts. Sigmaringen 1996, S. 161-280, S. 229.
21 VLA, Stadtarchiv Bludenz 305/25; VLA, Vogteiamt Bludenz 128/1593.
22 Sander 1904 (wie Anm. 16), S. 62.
23 Ulmer 1971 (wie Anm. 3), S. 93.
24 Ebenda, S. 94-95
25 Die Kunstdenkmäler Österreichs. Vorarlberg, bearb. von Gert Ammann/
Martin Bitschnau/Paul Rachbauer/Helmut Swozilek (Dehio-Handbuch).
Wien 1983, S. 117.
26 In Joseph Bergmann, Untersuchungen über die freyen Walliser oder
Walser in Graubünden und Vorarlberg. Mit einigen diese Gebiete
betreffenden historischen Erläuterungen. Wien 1844, S. 25, fehlen die
Walser von Brand: „In diesem Sonnenbergischen Gebiete fanden sich
meines Wissens kein Walser.“

27 Näheres dazu demnächst in einem Beitrag Alois Niederstätters für das
geplante Bürser Gemeindebuch.
28 Reinhard Ganahl, Heimatkundliche Beiträge über Brand. 650 Jahre
Brand. Zum Jubiläumsjahr 1997. Brand 1997, S. 12, 31 u. 33. Als
erster Pfarrer ist übrigens der weitum bekannte Hexenfinder Luzius
Hauser angeführt: Manfred Tschaikner, Luzius Hauser, Pfarrer von
Bartholomäberg – ein überregional gefragter Hexenfinder und Heiler, in:
Bludenzer Geschichtsblätter (2008) 88, S. 10-20, passim.
29 In VLA, Nachlass Ulmer, Sch. 2, Pfarrbeschreibung von Bürs, S. 16, ist
die Pfarrerhebung mit „1716, bzw. 1727“ datiert.
30 650 Jahre Brand. Festschrift zum Jubiläumsjahr 1997. Brand 1997, S. 15.
Wie es davor zur Bildung der Gemeinde Brand gekommen ist, wussten
bereits die Chronisten des 19. Jahrhunderts nicht mehr: Ganahl 1997
(wie Anm. 28), 29-35.
31 VLA, Urkunde (fortan: Urk.) 607.
32 VLA, Urk. 7463; Josef Grabherr, Die Herrschaft Sonnenberg, zumeist nach
Originalurkunden kurz bearbeitet, in: Vorarlberger Volks-Kalender 47
(1897), o. S., 36.
33 Tschaikner 2007 (wie Anm. 10), S. 76-77 u. 84-85.
34 VLA, Urk. 6313 (1544: beide „gemainden, die von Bürs und die ab
dem Bürserberg“); VLA, Gemeindearchiv Bürs, Hs. 14, fol. 131b+252a;
Vorarlberger Weistümer, Teil 1: Bludenz – Blumenegg – St. Gerold, hg.
von Karl Heinz Burmeister. Wien 1973, S. 217, Nr. 1.
35 VLA, Vogteiamt Bludenz 39/340; Gemeindearchiv Bürs, Nr. 252. Die
Regierung bestätigte die Pfarrteilung 1737: Gemeindearchiv Bürs, Nr.
250.
36 VLA, Urk. 7257 u. 7345; VLA, Gemeindearchiv Bürs, Sch. 1, Nr. 3/22.
37 VLA, Stadtarchiv Bludenz 118/66; Sander 1904 (wie Anm. 16), S. 61.
38 VLA, Vogteiamt Bludenz 18/82; VLA, Stand und Gericht Montafon, Hs.
84/1-9.
39 Ulmer 1971 (wie Anm. 3), S. 95; Tschaikner 1996 (wie Anm. 20), S. 229;
zu St. Anton vgl. auch P. Joanna Baptista, Prazalanz, in: Rechenschafts-
Bericht des Ausschusses des Vorarlberger Museum-Vereins in Bregenz
19 (1879), S. 57-59.
40 VLA, Nachlass Ulmer, Schachtel 1, Pfarrbeschreibung von St. Anton, S. 8.
41 Ulmer 1971 (wie Anm. 3), S. 95. August Manahl, Stallehr. Geschichtliche
Abhandlung über den Ort und seine Bewohner. Man. masch. Bludenz
1952, S. 12 „Während Stallehr bis 1806 in juridischer Hinsicht (Gericht)
der Stadt Bludenz unterstand, so wurde der Ort ab diesem Zeitpunkt
dem damals neu geschaffenen Landgericht Montafon zugeteilt.
Der Grund für diese Maßnahme war, dass zur Errichtung eines
Landgerichtes mindestens 7000 Einwohner erforderlich waren. Um
die sonst nicht ´erleckende´ Anzahl zu erreichen, war es notwendig,
dass Stallehr dem Montafon zugeteilt wurde. Dieser Schritt war umso
leichter, da die Gemeinde durch verschiedene Bande (Zugehörigkeit
eines Teiles der Einwohner zu den Hofjüngern) ohnehin schon
Jahrhunderte hindurch mit dem Montafon verknüpft war.“
42 Wolfgang Pfefferkorn, Der Stand Montafon, in: Montafoner Heimatbuch.
Schruns 21980, S. 337-356, hier S. 349-350; Peter Bußjäger, „...
zu Luxusbauten wird kein Holz verabfolgt!“ – Die Geschichte des
Forstfonds des Standes Montafon, in: Der Montafoner Standeswald.
Beiträge zur Geschichte und Gegenwart eines kommunalen
Forstbetriebes, hg. von Hubert Malin/Bernhard Maier/Monika Dönz-
Breuß (Montafoner Schriftenreihe 18). Schruns 2007, S. 9-24, S. 12-13.
43 Weistümer 1973 (wie Anm. 34), S. 93. Dieselbe Abgrenzung findet sich
bei der Bestimmung über die „Windflügel“: Ebenda, S. 95.
44 Ebenda, S. 91.
45 VLA, Vogteiamt Bludenz 18/82.
46 VLA, Vogteiamt Bludenz 18/82 u. 60/754.
47 VLA, Vogteiamt Bludenz, Registraturakten, nicht-nummeriert, 20. März
1770.
48 VLA, Vogteiamt Bludenz, „Geistliches Stallehr“, 21. Juni 1782; vgl. auch
z. B. die Bezeichnung „Gemeinde Stahleer“ in VLA, Vogteiamt Bludenz,
„Geistliches Stallehr“, 18. Mai 1796.
49 VLA, Vogteiamt Bludenz, „Geistliches Stallehr“, 6. Juli 1789.
50 VLA, Kartensammlung 01/031 u. 01/012.
51 Königlich-bayerisches Regierungsblatt 1806. München o. J., S. 436.
52 VLA, Vogteiamt Bludenz 81/902.
53 In der Chronik des Lorünser Bürgermeisters Ignaz Batlogg aus dem Jahr
1901 heißt es irrtümlich, dass 1781 „die politische Gemeinde Lorüns
von Bludenz getrennt und dem Landgericht Montafon zugeteilt“ worden
sei: Brigitte Truschnegg, Lorüns. Dorfgeschichte in Schrift und Erzählung
(Sonderband zur Montafoner Schriftenreihe 2). Lorüns 2006, S. 53.
54 Weistümer 1973 (wie Anm. 34), S. 113.
55 Abbildung bei Ludwig Welti, Gericht und Verwaltung, in: Montafoner
Heimatbuch. Schruns 21980, S. 474-488, hier S. 482.
56 Manfred Tschaikner, Die Vorarlberger Verkehrswege um die Mitte des 17.
Jahrhunderts, in: Montfort 59 (2007) 3/4, S. 290-298, S. 290 u. 295.
57 Ludwig Vallaster, Die alte Landordnung des Montafons, in: Montafoner
Heimatbuch. Schruns 21980, S. 333-336, hier S. 333.
Seite 297

58 VLA, Vogteiamt Bludenz, „Geistliches Stallehr“, 31. August 1790.
59 Ulmer 1971 (wie Anm. 3), S. 71-72 u. 157.
60 VLA, Stadtarchiv Bludenz 6/154 u. 305/47
61 VLA, Nachlass Ulmer, Sch. 2, Pfarrbeschreibung von Stallehr, S. 5.
Diese Auffassung wurde später von Manahl 1952 (wie Anm. 41), S.
8, übernommen: „Erst vom Jahre 1831 an war Stallehr selbständige
Gemeinde mit einem von Bludenz unabhängigen Vorsteher (seit
1946 Bürgermeister).“ Vgl. auch die Angaben auf der Homepage der
Gemeinde: http://www.stallehr.at/geschichte/verwaltung/.
62 Welti 1980 (wie Anm. 55), S. 477-479.
63 Selbst der Plan der aufgeklärten Obrigkeiten um die Mitte des 18.
Jahrhunderts, in Bludenz ein Gericht zu installieren, in dem die drei
historischen Regionen Bludenz, Sonnenberg und Montafon mit je drei
Beisitzern vertreten waren, ließ sich nicht umsetzen: vgl. z. B. VLA,
Vogteiamt Bludenz, nicht nummerierte Akten, 7. März 1767.
64 VLA, Vogteiamt Bludenz, Registraturakten, nicht nummeriert, 7. März
1767.
65 Vgl. dazu Nicole D. Ohneberg, So geschähe darum, das recht sye.
Rechtsprechung und Konfliktbewältigung im Montafon anhand der
Märzengerichtsprotokolle (1490-1599) (Montafoner Schriftenreihe 19).
Schruns 2007, S. 11-14.
66 VLA, Vogteiamt Bludenz 81/902.
67 VLA, Vogteiamt Bludenz 39/358.
68 VLA, Vogteiamt Bludenz 39/358; Weistümer 1973 (wie Anm. 34), S. 115.
69 VLA, Vogteiamt Bludenz 39/358.
70 VLA, Vogteiamt Bludenz 81/902, unsigniertes Schreiben vom 11. Juli
1773.
71 VLA, Vogteiamt Bludenz 63/786, Freiburger Regierung an die Stadt
Bludenz, 30. Oktober 1776.
72 Ludwig Welti, Bludenz als österreichischer Vogteisitz 1418-1806.
Eine regionale Verwaltungsgeschichte (Forschungen zur Geschichte
Vorarlbergs 2, der ganzen Reihe 9). Zürich 1971, S. 204. Im Stadtgericht
Bludenz wirkte als Richter der herrschaftlich bestellte Untervogt, im
Sonnenberger Gericht der gewählte Landammann.
73 St. Anton wurde zu Bartholomäberg gezählt: Weistümer 1973 (wie Anm.
34), S. 113..
74 VLA, Vogteiamt Bludenz 39/358; VLA, Vogteiamt Bludenz 15/3 u.
94/1016, Schreiben des Patrimonialrichters Josef Platzer vom 26. Mai
1807; Weistümer 1973 (wie Anm. 34), S. 113-114.
75 VLA, Vogteiamt Bludenz 39/358, Beilage zum Schreiben des
Seite 298
Appellationsgerichts vom 17. Februar 1786.
76 Tschaikner 2007 (wie Anm. 10), S. 71-73.
77 VLA, Vogteiamt Bludenz 39/358, Schreiben des Appellationsgerichts
vom 17. Februar 1786, u. 81/902, Edictal-Vorladung vom 18. November
1786. In einem Schreiben zwecks Abänderung der Regulierung vom
18. Dezember 1787, VLA, Vogteiamt Bludenz 39/358, wird die höchste
Resolution auf den 31. August 1786 datiert.
78 VLA, Vogteiamt Bludenz 22/143.
79 VLA, Vogteiamt Bludenz, Registraturakten, 1794, Nr. 86.
80 VLA, Vogteiamt Bludenz 22/143.
81 VLA, Bibliotheksgut Nr. 161, S. 87.
82 VLA, Bayerische Akten, Sch. 84, Schrift über die neue bayerische
Landesorganisation 1806/07.
83 Näheres zu den angeführten Vorgängen bei Manfred Tschaikner, Das
Schloss Gayenhofen in Bludenz – eine Erfindung des 19. Jahrhunderts,
in: Bludenzer Geschichtsblätter (2009) 93, S. 3-29, hier S. 11-18.
84 Thomas Welte [irrtümlich: Welti], Frastanz, in: Rheticus 16 (1994) 4, S.
341-356, hier S. 345.
85 Nikolaus Grass, Die Verwaltungsgeschichte Tirols bis zum Jahre 1868,
in: 100 Jahre Bezirkshauptmannschaften in Tirol. Innsbruck 1972, S.
6-18, hier S. 14-15; Oswald Gschließer, Die gesetzliche Einführung der
Bezirkshauptmannschaften und ihre territorialen Veränderungen, in:
100 Jahre Bezirkshauptmannschaften in Tirol. Innsbruck 1972, S. 20-34,
S. 20 u. 32-33.
86 Rudolf Küng, Geschichte der Vorarlberger Zementindustrie, in: Bludenzer
Geschichtsblätter (1987) 1, S. 48-56, hier S. 48.
87 Karl Kollbach, Die Deutschen Alpen. Eine Wanderung durch Vorarlberg,
Tirol, Salzburg und die oberbayerischen Gebirge. Köln 1895, S. 20.
88 VLA, Vogteiamt Bludenz 36/286.
89 VLA, Vogteiamt Bludenz, Hs. 17, fol. 38a.
90 Hermann Sander, Der Streit der Montafoner mit den Sonnenbergern
um den Besitz der Ortschaft Stallehr und um Besteuerungsrechte (1554-
1587) (Beiträge zur Geschichte von Bludenz, Montafon und Sonnenberg
in Vorarlberg 2). Innsbruck 1897, S. 8.
91 VLA, Vogteiamt Bludenz, Hs. 17, fol. 38b.
92 VLA, Stadtarchiv Bludenz 150/30 und VLA, Vogteiamt Bludenz 36/286.
Abbildung und Datierung einer Karte bei Karl Heinz Burmeister, Gabriel
Walsers Karte des Landes Montafon aus dem Jahre 1770. Langnau am
Albis 1987, S. 7-9.
93 VLA, Nachlass Ulmer, Sch. 2, Pfarrbeschreibung von Stallehr,

S. 4. Johann Jakob Staffler, Tirol und Vorarlberg, statistisch und
topographisch, mit geschichtlichen Bemerkungen, Teil 2, Bd. 1.
Innsbruck 1841, S. 132-133 u. 143, führt es noch als Grenzmarke an.
94 Sander 1897 (wie Anm. 90), S. 54-56, Anm.
95 Tiroler Landesarchiv, Vorarlberger Landtagsakten, Fasz. 3, fol.
488a-498b; siehe dazu auch TLA, Buch Walgau, Bd. 15, fol. 346a-347a.
96 VLA, Vogteiamt Bludenz 155/3233.
97 Tschaikner 2007 (wie Anm. 56), S. 290 u. 295.
98 Andreas Rudigier, Zum 600. Todestag des hl. Johannes von Nepomuk.
Ein kunsthistorischer Streifzug durch das Montafon, in: Jahrbuch des
Vorarlberger Landesmuseums (1993), S. 73-100, S. 78.
99 Vera Schauber/Hanns Michael Schindler, Heilige und Namenspatrone
im Jahreslauf. Pattloch 1998, S. 629.
100 Andreas Rudigier/Elmar Schallert, 111 Heilige in Vorarlberg
(Schriftenreihe der Rheticus-Gesellschaft 37). Feldkirch 1998, S. 224.
101 VLA, Urk. 8976.
102 VLA, Bayerischer Steuerkataster 2/2.
103 VLA, Bayerischer Steuerkataster 1/3 u. 2/30A.
104 Tiroler Landesarchiv, Vorarlberger Landtagsakten, Fasz. 3, fol.
488a-498b, bes. 496a; VLA, Vogteiamt Bludenz 155/3233.
105 VLA, Vogteiamt Bludenz 123/1364.
106 Hans Barbisch, Vandans. Eine Heimatkunde aus dem Tale Montafon in
Vorarlberg. Innsbruck 1922, S. 3.
107 Hermann Sander, Die österreichischen Vögte von Bludenz (Programm
der k. k. Ober-Realschule Innsbruck für das Studienjahr 1898-99).
Innsbruck 1899, S. 27-31; Welti 1971 (wie Anm. 72), S. 43.
108 Sander 1897 (wie Anm. 90), S. 44 u. 56 Anm 1.
109 VLA, Vogteiamt Bludenz, Hs. 17, fol. 38b.
110 Ebenda, fol. 65a.
111 Ebenda, fol. 61b.
112 Ebenda, fol. 48a.
113 VLA, Urk. 10009; Liechtensteiner Urkundenbuch o. J., S. 140.
114 Josef Zösmair, Zur ältesten Geschichte des Montafons. Bregenz 1923, S.
12.
115 Andreas Ulmer, Die Burgen und Edelsitze Vorarlbergs und
Liechtensteins. Historisch und topographisch beschrieben. Dornbirn
1925, S. 578.
116 Liechtensteiner Urkundenbuch o. J., S. 148; Benedikt Bilgeri, Geschichte
Vorarlbergs, Bd. 2: Bayern, Habsburg, Schweiz – Selbstbehauptung.
Wien-Köln-Graz 1974, S. 61 (genaue Ortsbestimmung im Ortsindex, S.
596) u. 112.
117 Welti 1980 (wie Anm. 55), S. 474; ebenfalls Emil Scheibenstock,
Geschichte des Bergbaus im Montafon, in: Montafoner Heimatbuch.
Schruns 21980, S. 41-51, S. 42, und Emil Scheibenstock, Bergknappen,
Stollen, Erze. Zur Geschichte des Bergbaues im Montafon.
Bartholomäberg, Kristberg, Silbertal (Bludenzer Geschichtsblätter 31).
Bludenz 1996, S. 12.
118 Die Formulierung „über die Egge“ schloss selbstverständlich nicht aus,
dass sich die Bergleute aus dem Klostertal der Alfenz entlang nach
Bludenz begaben. Sie kennzeichnete nur die Lage des Gerichtsorts
außerhalb des Montafons.
119 Dieses romanische Wort muss auf der zweiten Silbe betont werden.
120 Weistümer 1973 (wie Anm. 34), S. 59.
121 VLA, Vogteiamt Bludenz 36/286.
122 Sander 1897 (wie Anm. 90), S. 50 u. 54.
123 Weistümer 1973 (wie Anm. 34), S. 59.
124 Vgl. auch Documentorum S. Geroldianam praepositvram et eivs
districtvm concernentivm in dvas capsvlas, sive partes divisio. Prima
pars. O. O. 1695, S. 47: „Doch vorbehalten / wo sie sich wider in
Montafun über die Allfentz / es seye gen Stallär / Arnus[!] / ald gar in
Montafun zugen / und daselbs sitzen / und hausen wurden [...].“
125 Sander 1897 (wie Anm. 90), S. 16-17 u. 31.
126 VLA, Urk. 10009.
127 Sander 1897 (wie Anm. 90), S. 63, Anm. 1.
128 VLA, Bayerischer Steuerkataster 2/2.
129 VLA, Vogteiamt Bludenz 70/872.
130 VLA, Bayerischer Steuerkataster 1/3.
131 Sander 1897 (wie Anm. 90), S. 64, Anm. 1; vgl. auch Hermann Sander,
Die Erwerbung der vorarlbergischen Grafschaft Sonnenberg durch
Oesterreich (Beiträge zur Geschichte von Bludenz, Montavon und
Sonnenberg in Vorarlberg 1). Innsbruck 1888, S. 40, Anm. 97.
132 Sander 1897 (wie Anm. 90), S. 49.
133 Stefan Müller, Zur Geschichte des spätmittelalterlichen Bergbaues im
Montafon, in: Vierteljahresschrift für Geschichte und Landeskunde
Vorarlbergs 9 (1925), S. 33-44, S. 37.
134 Isidor Flür, Die Alpenpässe und Bergübergänge im Walgau in alten
Zeiten, in: Vorarlberger Volksblatt 28.9.1922, S. 1-2, hier S. 1, und
Isidor Flür, Die Alpenpässe und Bergübergänge im Walgau in alten
Zeiten. Christliche Fürsorge für Reisende, Pilger und Kranke., in: Ders.,
Kirchengeschichtliche Fragmente aus dem Walgau, Heft 1 u 2. Bregenz
Seite 299

1926, S. 7-67, hier S. 57. Dieser Autor lokalisierte „Buziens“ 1922 auf
der rechten Seite der Alfenz bei Braz und 1926 auf der Alpe Itons (1575:
„Patzynns“).
135 Ulmer 1925 (wie Anm. 115), S. 519.
136 Müller 1925 (wie Anm. 133), S. 37-38; vgl. z. B. VLA, Vogteiamt Bludenz,
Hs. 17, fol. 103a.
137 Bergmann 1844 (wie Anm. 26), S. 68, Anm. 3. Die hier geäußerte
Auffassung wird nur referiert von Josef Zösmair, Politische Geschichte
Vorarlbergs im 13. und 14. Jahrhundert unter den Grafen von Montfort
und Werdenberg, 2. Teil. Innsbruck 1878, S. 39, Anm. 1.
138 VLA, Vogteiamt Bludenz, Hs. 17, fol. 44b; VLA, Vogteiamt Bludenz 6/55a.
139 Müller 1925 (wie Anm. 133), S. 37, fragt sich: „Wer hat je etwas von
Marken zwischen dem Prätigau und Dalaas gehört, zwischen einer
Fläche und einem Punkte?“ Eine solche Konstellation ergibt sich jedoch
aus der hohen Bedeutung des intensiv genutzten Übergangs über den
Kristbergsattel für die Abgrenzung gegenüber Sonnenberg.
140 Zum Namen „Zeinis“ vgl. Josef Zösmair, Die Bergnamen Vorarlbergs
möglichst auf urkundlicher Grundlage erklärt. Dornbirn 1923, S. 36, u.
Karl Finsterwalder, Name und Siedlung in der Silvretta, in: Ders., Tiroler
Ortsnamenkunde. Gesammelte Aufsätze und Arbeiten, hg. von Hermann
M. Ölberg/Nikolaus Grass, Bd. 2: Einzelne Landesteile betreffende
Arbeiten. Inntal und Zillertal. Innsbruck 1990, S. 905-917, S. 916.
141 Finsterwalder 1990 (wie Anm. 140), S. 910-911.
142 VLA, Vogteiamt Bludenz, Hs. 17, fol. 38a+b u. 48a.
143 Ebenda, fol. 66a; vgl. auch ebenda, fol. 62b-63a.
144 Ebenda, fol. 44b+45a.
145 Ebenda, fol. 247a.
146 VLA, Stadtarchiv Bludenz, Hs. 1, S. 98.
147 Liechtensteinisches Urkundenbuch, Teil 1, Bd. 3, bearb. von Benedikt
Bilgeri. Vaduz o. J., Nr. 81, S. 139; Bilgeri übersetzte dort zudem
die Wörter „und als“ in der Originalurkunde mit „wo“, sodass die
Örtlichkeit seiner Meinung nach „wahrscheinlich“ an der Mündung
der Alfenz in die Ill zu suchen war, was im 16. Jahrhundert auch die
Sonnenberger glaubten: Ebenda, S. 139, 143 u. 148. In seiner Geschichte
des Landes Vorarlberg (Benedikt Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs, Bd.
3: Ständemacht, Gemeiner Mann – Emser und Habsburger. Wien-
Köln-Graz 1977, S. 318-319) schloss sich Bilgeri aber der gegenteiligen
Auffassung Sanders und dem Urteil des Gerichts von 1587 an.
148 Dieses Vidimus ist allerdings nur mehr als Abschrift aus dem Jahr 1657
erhalten: VLA, Urk. 4598.
Seite 300
149 Bergmann 1844 (wie Anm. 26), S. 68; Rudolf Thommen las irrtümlich
„Lutzyens“: Urkunden zur Schweizer Geschichte aus österreichischen
Archiven, hg. von Rudolf Thommen, Bd. 1: 765-1370. Basel 1899, Nr. 548,
S. 336.
150 So ist noch in einem Schreiben von 1792 von den „in das Kirchspiel
Bludenz gehörigen Orschaften St. Leonhard, Grubs, Radin, Bings und
Stahler" und gleich darauf von "bemelte[n] Gemeinden“ die Rede: VLA,
Vogteiamt Bludenz, „Geistliches Stallehr“, 14. August 1792. Auch in
einem Schreiben des Bludenzer Magistrats vom August 1824 bezüglich
Weideangelegenheiten werden ausdrücklich die beiden „Gemeinden“
Brunnenfeld und Bings erwähnt: VLA, Stadtarchiv Bludenz 317/82.
151 In einem offiziellen Schreiben des Tals Montafon 1731 scheinen nicht die
kleinen Weiler, sondern die sieben Kirchspiele als „Gemeinden“ auf:
VLA, Stand und Gericht Montafon 3/108.
152 Der gesamte Verband der Kirchspiele des Tals wird nicht nur 1622 als
„Gemaind des Tals Montafon“ genannt: TLA, Buch Walgau 12, fol. 405b.
Selbst 1787 ist noch von der „Gemeinde Montafon“ die Rede: VLA,
Vogteiamt Bludenz 39/358, 18. Dezember 1787. In einem Dokument vom
9. September 1729 sind die „Gemeindsleute der Herrschaft Sonnenberg“
erwähnt: VLA, Vogteiamt Bludenz 6/55a.

Wehe, das Landesarchiv veröffentlicht wieder einmal ein
vermeintlich „falsches“ Gemeindewappen! Da reagieren
Gemeindeoberhäupter mitunter sehr empfindlich. Denn
Wappen sind eine ernste, mitunter bierernste Angelegenheit.
Siegel als Ausdruck der Stadtrechte
Die Entstehung der Gemeindewappen, zumal in Form der
Stadtsiegel, ist nicht zuletzt als rechtsgeschichtliches Phänomen
zu begreifen.
Siegel dienten und dienen zur Beglaubigung und zum Verschluss
von Dokumenten. Wenn im Mittelalter eine Bürgerschaft
ihr Siegel an eine Urkunde hängen konnte, war das
ein Zeichen ihrer Rechtsstellung und Geschäftsfähigkeit. Für
die Stadt Feldkirch sind seit 1312 Siegel belegt, für die Stadt
Bludenz seit 1329. Davon konnten die Bregenzer erst träumen.
Ihnen gestand erst 200 Jahre später (1529) Erzherzog
Ferdinand das erwünschte Stadtsiegel und Wappen zu.
Wappenfähige Stände
Auch die meisten der 21 „bäuerlichen“ Gemeinwesen legten
sich mit der Zeit Siegel zu. Mit den Städten bildeten sie als
„Stände“ oder „Gerichte“ die politische „Landschaft“ in
den österreichischen Herrschaften vor dem Arlberg.
Nicht von ungefähr lassen sich auch für den Bregenzerwald
(1379) und das Montafon (1405) bereits sehr früh Siegel
belegen, und zwar „Landessiegel“. Denn die frühen dieser
Stände verstanden sich zu Recht noch als „Länder“ im
rechtshistorischen Sinn.
Der Stand Montafon führte die Petrischlüssel im Wappen,
die „Schlüssel zum Himmelreich“ (Mt 16,18). Sie verwiesen
eigentlich nur darauf, dass die Montafoner lange Zeit
abhängige „Hofjünger“ des Hofes bei St. Peter zu Bludenz
waren. Sie nährten aber die Legende, die Montafoner seien
Vortragsreihe der Montafoner Museen; Tschagguns, Altes Gemeindeamt, 14. Oktober 2008
Ulrich Nachbaur (geb. 1962 in Feldkirch), Dr. iur., M.A., seit 1997 Mitarbeiter im Vorarlberger
Landesarchiv
Zur Entstehung der Montafoner
Gemeindewappen 1927 bis 1967
Ulrich Nachbaur
von fast ganz oben zur Führung der Schlüssel samt Tiara
berechtigt worden. So ließen sie sich ihr Wappen nicht nur
vom Landesfürsten (1639, 1656, 1718), sondern 1700, mit erheblichem
Erklärungsbedarf, auch vom Papst bekräftigen. 1
– Wappen waren immer auch eine Prestigefrage; für die
Montafoner im Kampf gegen die Bludenzer Bevormundung.
Einzelne Standeswappen wurden von den ab 1808 eingerichteten
Gemeinden weitergeführt – so von Dornbirn
und Mittelberg. Bei neuen Gemeindewappen wurden verbindende
Elemente aus den ehemaligen Standeswappen
übernommen, zum Beispiel die Wäldertanne, die Sonnenberger
Sonne oder die Montafoner Schlüssel. 2
Beiwerk zu Stadt- und Markterhebungen
Mit den kaiserlichen Markt- und Stadterhebungen, die
um 1875 in Mode kamen, ließen sich die frisch erkorenen
Städte und Märkte meist auch ein Wappen verleihen oder
bestätigen. So war es auch, als das „Erhebungsfieber“ auf
Vorarlberg übergriff. Nachdem Dornbirn 1901 zur „Stadt“
und Lustenau 1902 zum „Markt“ erhoben waren, beschloss
1904 die aufstrebende Nachbargemeinde Hard, ebenfalls
um die nominelle Markterhebung samt Wappen anzusuchen.
Doch waren bis 1918 tatsächlich nur Städte und Marktgemeinden
wappenfähig, wie das in den Büchern steht?
Den Gegenbeweis liefert die Wappenverleihung an die unbedeutende
Kleingemeinde Schlins von 1911, die allerdings
ihresgleichen gesucht haben dürfte.
Wappenführung ohne Wappenbrief
Ein Wappenbrief bedeutete Prestigegewinn, aber keine
nennenswerten rechtliche Vorteile. Strenge Staatsbeamte
vertraten die Ansicht, dass das Recht zur Wappenführung
einer offiziellen Verleihung oder Bestätigung bedürfe.
Seite 301

Doch Feldkirch und Bludenz führten ihre Wappen seit Jahrhunderten,
ohne eine landesfürstliche Berechtigung vorweisen
zu können oder zu müssen. Auch andere Kommunen
legten sich einfach schmucke Wappen zu. Die Montafoner
Gemeinden übten allerdings heraldische Abstinenz.
Landesgesetz 1926: Wappenrevision
Waren Gemeinenamen, -titel- und –wappen Sache der Krone
gewesen, nahm diese Kompetenz nach 1918 zunächst
die Bundesregierung wahr. 1925 ging sie auf die Länder
über. Am 22. Dezember 1926 beschloss der Vorarlberger
Landtag eigens ein Landesgesetz.
Es sah vor, dass die Gemeinden, die bereits ein Wappen
führen, innerhalb eines Jahres um eine Bestätigung oder
Verleihung dieser Berechtigung ansuchen müssen. Mit dieser
Wappenrevision bekam die Landesregierung alle inoffiziellen
Wappen „in den Griff“.
Der Schrunser Wappenstreit
Dieses Gesetz war ein Stück weit eine „Lex Schruns“. 3 Der
Montafoner Hauptort hatte bereits 1924 einen Antrag auf
Markterhebung samt Wappenverleihung eingebracht.
Am 21. Oktober 1927 verlieh der Landtag Schruns endlich
das Recht zur Führung der Bezeichnung „Marktgemeinde“.
Die Wappenverleihung verzögerte sich noch etwas, nachdem
sich die Gemeindeväter jahrelang mit viel Hingabe
über die Gestaltung gestritten hatten.
Im Juni 1924 wusste die Bezirkshauptmannschaft Bludenz
nach Bregenz zu berichten, Schruns wolle im Wappen das
Montafoner Vieh als Quelle seines Wohlstandes und Erwerbes
versinnbildlicht haben. Zu diesem Zweck sei einem
Heraldiker in München eine Fotographie der schönsten
Schrunser Kuh geschickt worden. Es handelte sich um Hans
Bertle (1880 bis 1943), der sich weigerte, eine Kuh in ein
Wappen aufzunehmen und stattdessen einen Stier in „auf-
Seite 302
steigender“ Stellung vorschlug, wovon die Gemeindeväter
nichts wissen wollten. 4 Schließlich lieferte Bertle einen
Vorschlag ohne Rindvieh. Er zeigte in gespaltenem Schild
drei goldene Bienen für „Emsigkeit, Fleiss und Strebsamkeit
in allen Zweigen wirtschaftlicher, industrieller und
gewerblicher Betriebe“ sowie ein Ahornblatt mit einem
eingeschlungenen S für die „Abstammung des Ortsnamens
Schruns“ (angeblich von lateinisch aceronis, bei den Ahornen).
5 Die Gemeindevertretung folgte diesem Vorschlag im
Juli 1925 mit großer Mehrheit; im September 1926 musste
Gemeindevorsteher Franz Wachter der Landesregierung jedoch
mitteilen, dass bedeutende Gegenströme aufgetreten
seien und die Frage nochmals beraten werden müsse.
Am 18. September 1926 kam es zur „Entscheidungsschlacht“.
Bertle präsentierte neue Entwürfe. Die Befürchtungen,
der Stier im Wappen werde Anlass zur Verhöhnung
der Gemeindemitglieder geben, erachte er als
unbegründet, wenn die Bevölkerung nicht selbst durch ihr
Benehmen dazu Anstoß gebe. Dieselbe Befürchtung, gab
Bertle zu bedenken, könnte man der gewünschten Montafonerkuh
zugrunde legen, wobei die Ausspottung dann vor
allem die Schrunser Frauen träfe. Schließlich entschied sich
die Mehrheit für den Stier und eine Sonne mit Dreiberg im
Schild. Ein aufgelegter Helm zeigte in der Helmzier die Petrischlüssel
in Gold.
Doch damit war der Fall noch nicht erledigt. Das Landesgesetz
sah vor, ein heraldisches Gutachten des Bundeskanzleramtes
(Inneres) einzuholen, wo die Gratialregistratur
(ehemals Adelsarchiv) angesiedelt war. Die stieß sich am
Turnierhelm, der nur Adelswappen zukomme. Bertle lieferte
weitere Entwürfe. Am 10. Dezember 1927 konnte die
Landesregierung der Marktgemeinde Schruns endlich das
Wappen verleihen.
Vor lauter Varianten war nun auch noch ein Malheur passiert,
das Landesarchivar Viktor Kleiner in einer Markterbungs-Festschrift
klarstellte:

„Das Wappen weist in einer Beziehung auf die geschichtliche
Vergangenheit der Marktgemeinde Schruns hin. Der
im Wappenbilde erscheinende schwarze Stier erinnert an
den Aufschwung, den Schruns durch seine hervorragende
Viehzucht und seine Viehmärkte genommen hat. Die goldenen
Schlüssel erinnern an die Zugehörigkeit zum Tale
Montafon, das in seinem Wappen die im päpstlichen Wappen
erscheinenden gekreuzten schwarzen Schlüssel führt.
Die dahinter stehende goldene Sonne hat nichts mit dem
Wappen der ehemaligen Herrschaft Sonnenberg zu tun;
dies würde den historischen Tatsachen nicht entsprechen.
Sie soll vielmehr auf die über Schruns aufgehende Sonne
des sich stets mehr entwickelnden Fremdenverkehrs hinweisen.“
6
Bestätigung des Montafoner Standeswappens 1928
Bis Juni 1928 zeigten der Landesregierung zehn Gemeinden
an, zur Führung eines Wappens berechtigt zu sein. 23
weitere meldeten ihr Interesse an einer Wappenverleihung
an, während die restlichen 68 Gemeinden darauf vorerst
keinen Wert legten; darunter die übrigen neun Montafoner
Gemeinden, die Schruns nicht nacheiferten.
Das Landesarchiv wurde beauftragt, sich mit den wappenwilligen
Gemeinden ins Einvernehmen zu setzen. 7 Auf
Anregung Landesarchivar Kleiners wurden zudem die Standesverwaltungen
Montafon und Bregenzerwald mit einbezogen.
So erteilte die Landesregierung dem Stand Montafon
mit Beschluss vom 15. Dezember 1928 die Berechtigung
zur Weiterführung des Wappens mit den zwei verschränkten
schwarzen Schlüsseln auf Silber. 8
Diese Bestätigung von 1928 entfaltete meines Erachtens
keine Rechtswirkung. Selbstverständlich steht es dem
Stand Montafon zu, die Schlüssel als Logo zu führen. Aber
selbst wenn der „zehngliedrige“ Stand Montafon tatsächlich
als Gemeindeverband nach Gemeindegesetz zu betrachten
wäre oder diese Rechtsform bestätigt erhielte, 9
genösse sein Wappen keinen öffentlichrechtlichen Schutz.
Bestätigung des Standeswappens 1928
Wenn sich die Montafoner Schlüssel in den folgenden Jahrzehnten
als goldene Schlüssel ins öffentliche Bewusstsein
einprägten, dürfte das wohl auf die internationalen „Goldschlüsselrennen“
zurückzuführen sein, die 1963 bis 1983
werbewirksam ausgetragen wurden; 10 wie in der Wintersportwelt
auch die feste Überzeugung reifte, dass „Schruns-
Tschagguns“ eine Gemeinde sei.
Von Wäldertannen bis zu Walsersternen
Die Bestimmungen des Landesgesetzes 1926 wurden 1935
in die neue Gemeindeordnung eingebaut. 11 Bis 1938 ließen
sich 38 der damals 99 Gemeinden ein Wappen bestätigen
oder verleihen.
Die Wappen knüpfen häufig an historische Traditionen an.
Denn nur ein altes Wappen ist ein edles Wappen.
Die Laternser griffen gleich bis auf ihre „Urheimat“ zurück.
Als „Zimbapfarrer“ Gebhard Gunz 1936 für Laterns ein Wappen
entwarf, legte er ihm – mit Genehmigung der Kantonsregierung
- das Walliser Kantonswappen zu Grunde. 12 So
wurden die Wallisersterne offiziell in die Vorarlberger Heraldik
und die Walser Gefühlswelt „importiert“. 1964 sollte
Silbertal als dritte Walsergemeinde auf dieses Symbol zurückgreifen
(Damüls 1963).
Reichssiegel mit Hakenkreuz
Wenn alle Montafoner Gemeinden außer Schruns von 1938
bis 1945 das Hakenkreuz im Siegel führten, war das nicht
Ausdruck einer besonders nationalsozialistischen Gesinnung,
sondern eine Folge der Deutschen Gemeindeordnung,
die mit 1. Oktober 1938 in Kraft gesetzt wurde:
Die Gemeinden hatten ihre bisherigen Wappen und Flaggen
weiterzuführen. Jene Gemeinden aber, die noch über
kein Wappen verfügten, waren wie andere staatliche Verwaltungen
verpflichtet, das kleine Reichssiegel mit dem
Hoheitszeichen des Reichs – das Hakenkreuz der NSDAP im
Eichenkranz, darauf ein Adler – zu führen.
Seite 303

Montafoner „Wappenboom“ in den 1960er Jahren
Von 1947 bis 1965 verlieh die Landesregierung 16 weiteren
Gemeinden ein Wappen, darunter nicht weniger als sechs
Montafoner Gemeinden: 1964 Silbertal und Stallehr, 1965
Vandans, Bartholomäberg, Gaschurn und Tschagguns –
wohl eine Kettenreaktion.
Hoffentlich lässt sich in den Gemeindearchiven nachvollziehen,
wann und wie die Begehrlichkeit im Montafon geweckt
wurde und wie die Entscheidungsprozesse abliefen.
Die Akten des Amtes der Vorarlberger Landesregierung und
des Vorarlberger Landesarchivs, das als eine Art „Heroldsamt“
fungierte, geben darüber leider nur unzureichend
Auskunft. Aus den Heimatbüchern erfahren wir wenig über
die Gemeindewappen und nichts über ihre Entstehung. 13
Die Ansuchen beruhten durchwegs auf Beschlüssen der
Gemeindevertretungen, der wohl mehr oder weniger lange
Phasen der Wappenfindung und Beratung vorangingen.
Silbertal 1964
So berichtet Lehrer Otwin Netzer 1968 in seiner Hausarbeit
über Silbertal, dass es schon seit vielen Jahren Wunsch des
Bürgermeisters Hermann Brugger und der gesamten Bevölkerung
gewesen sei, ein Gemeindewappen zu besitzen. 14
Die Silbertaler beauftragten Markus Bachmann (1894 bis
1964) in Götzis mit der Ausarbeitung von Entwürfen. Der aus
Bludenz stammende Graphiker hatte an der Graphischen
Lehr- und Versuchsanstalt in Wien gelernt und spezialisierte
sich auf Reklame durch Schriftgestaltung und Sgrafitto. 15
Er war einer der führenden Vorarlberger Gebrauchsgrafiker
der Nachkriegszeit und hatte auch schon für andere Gemeinden
Wappen entworfen.
Am 24. Jänner 1964 einigte sich die Gemeindevertretung
einstimmig auf einen Entwurf. 16 Er zeigte in blauem Schild
einen Montafonerschlüssel gekreuzt mit einem Bergmann-
Schlegel, im Schildhaupt drei Walsersterne.
Seite 304
Bürgermeister Brugger ersuchte das Amt der Landesregierung
um Genehmigung dieses Wappens; Gemeindesymbole
fielen in die Zuständigkeit der Abteilung Ib-Innere Angelegenheiten.
Landesarchivar Ludwig Welti sah als Gutachter
die Geschichte des Silbertals gut versinnbildlicht, die durch
den im 14. und 15. Jahrhundert im Gemeindegebiet betriebenen
Silberbergbau und durch das bis 1453 fungierende
eigene Walsergericht gekennzeichnet sei. Der Gutachter
des Bundesministerium für Inneres empfahl aus heraldischen
Gründen einen silbernen, statt eines schwarzen
Hammerkopfs. Die Gemeinde war einverstanden und bat
um rasche Erledigung, da der Verkehrsverein Silbertal seine
neuen Prospekte mit dem Wappen schmücken möchte. Am
12. Mai 1964 beschloss die Landesregierung, die Gemeinde
zur Führung des Wappens zu berechtigen.
Für die Gestaltung der Urkunde hatte noch die Gemeinde
Sorge zu tragen. Sie wurde dann für die Landesregierung
vom ressortzuständigen Mitglied unterzeichnet. Je eine
Gleichschrift der Wappenurkunde erging an die Gemeinde
und zur Sicherung an das Landesarchiv und an die Gratialregistratur
des Innenministeriums (heute im Österreichischen
Staatsarchiv). Dieses Verfahren wiederholte sich
im Wesentlichen bei allen Gemeinden.
Stallehr 1964
Für Stallehr entwarf der Schrunser Kunstmaler Konrad Honold
im Zusammenwirken mit dem Bludenzer Stadtarchivar
August Manahl (1911 bis 1971) ein Wappen. 17 Manahl hatte
bereits vor Jahren für Stallehr eine Heimatkunde erarbeitet.
18 Der Entwurf war eine Kombination aus dem Wappen
der Edlen von Rudberg (drei schwarze Ringe auf silbernem
Grund), die einst im Diebschlössle auf dem Schlosskopf residiert
haben sollen, 19 und dem gekreuzten Bergwerkszeichen
(Eisen und Schlägel) in Erinnerung daran, dass einst
Erz vom Kristberg über Stallehr zu den Öfen nach Bludenz
transportiert worden sei. Zudem liege heute der Steinbruch
Zementwerks Lorüns auf Stallehrer Gemeindegebiet. 20 Die
Gemeindevertretung stimmte dem Entwurf am 17. März
1964 einstimmig zu.

Landesarchivar Welti erhob keine Einwände; er merkte nur
an, dass die Rudberg keine „Edelfreien“, sondern werdenbergische
Dienstleute gewesen sein, die noch im 15. Jahrhundert
in der Herrschaft Bludenz eine Rolle gespielt und
im Montafon über eine kleine Steuergenossenschaft verfügt
haben.
Auch das Bundesministerium des Innern erhob aus heraldischer
Sicht keine Bedenken, schlug nur eine verbesserte
Wappenbeschreibung vor. Die Landesregierung bewilligte
Stallehr am 15. Dezember 1964 das Wappen.
Nach jüngeren historischen und archäologischen Erkenntnissen
ist übrigens auszuschließen, dass die Rudberger
(Rüdberger) auf dem Diebschlössle ansässig waren. 21
Vandans 1964
Die Vandanser scheinen sich schon länger mit dem Thema
beschäftigt zu haben. 1951 ersuchte die Gemeinde um
Nachschau im Landesarchiv, ob dort irgendwelche Unterlagen
über ein Wappen der Gemeinde vorhanden seien, was
Landesarchivar Meinrad Tiefenthaler verneinen musste. 22
Das vorbildliche Heimatbuch von 1922 schmückten die
Montafoner Schlüssel. 23
Die Vandanser entschieden sich schließlich für eine moderne
Symbolik, die Grafiker Markus Bachmann ausarbeitete,
für eine Kombination aus einem goldenen Montafoner
Schlüssel und einem symbolischen Blitz, mit dem gemeinhin
vor gefährlicher elektrischer Spannung gewarnt wird. 24
Im September 1964 übersandte Bürgermeister Alfons
Bitschnau der Landesregierung den Wappenentwurf.
Landesarchivar Welti befürwortete ihn, da seine Symbolkraft
die Geschichte der Gemeinde bis zu ihrer heutigen
Stellung als Kraftspeicher der Vorarlberger Illwerke deutlich
zum Ausdruck bringe. Auch das Bundesministerium für Inneres
meldete keine Bedenken an.
Das Amt der Landesregierung teilte der Gemeinde Vandans
die Wappenbeschreibung mit und ersuchte darum, einen
Beschluss der Gemeindevertretung herbeizuführen, die
den Entwurf am 22. Dezember 1964 „erneut“ bestätigte. 25
Die Bewilligung der Landesregierung erfolgte am 26. Jänner
1965.
Bartholomäberg 1965
Weniger harmonisch gestaltete sich das Verfahren bei der
Gemeinde Bartholomäberg, für die Konrad Honold tätig
war. Im März 1965 ersuchte Bürgermeister Erwin Vallaster
um die Bewilligung eines Wappens, auf das sich die Gemeindevertretung
am 24. Februar 1965 geeinigt hatte. 26 Es
vereinte in einem durch Deichselschnitt geteilten Schild
den Kirchenpatron Bartholomäus auf einem Dreiberg stehend,
die gekreuzten Montafoner Schlüssel und in Erinnerung
an die Bergbauvergangenheit zwei gekreuzte Hämmer
(Bergwerkszeichen).
Raimund Meyer, der Leiter der Abteilung Ib – Innere Angelegenheiten
im Amt der Landesregierung, hatte Bedenken
gegen diesen komplizierten Entwurf. Die Anfertigung eines
Gemeindesiegels würde auf erhebliche Schwierigkeiten
stoßen, außerdem widerspreche er allen heraldischen
Grundsätzen. Meyer ersuchte daher das Landesarchiv, die
Gemeinde Bartholomäberg zu beraten.
Landesarchivar Welti empfahl der Gemeinde, sich auf die
Figur des namengebenden Kirchenpatrons zu beschränken,
da ein Wappen aus praktischen und heraldischen Gründen
möglichst einfach gestaltet werden sollte. Als Bekleidung
für den Märtyrer Bartholomäus schlug er einen roten Mantel,
als Hintergrund Blau vor. Der ehemalige Silberreichtum
und der alte Bergbaubetrieb könnten mit einer durch den
untersten Teil des grünen Dreibergs gezogenen gewellten
Silberader angedeutet werden.
Am 15. Mai musste Welti Meyer sichtlich „verschnupft“ mitteilen,
die Gemeinde habe es nicht der Mühe Wert gefun-
Seite 305

den, auf seinen Vorschlag schriftlich zu antworten, sondern
durch Konrad Honold einen etwas abgeänderten Entwurf
eingereicht, in dem St. Bartholomäus nunmehr in Halb-
statt in Ganzfigur erscheine. „Wenn diese, das Wappenbild
etwas konzentrierter erscheinen lassende Änderung von
der Abt. Ib für ausreichend befunden wird, hat auch das
Landesarchiv dagegen nichts einzuwenden, bemerkt aber
dazu, dass damit ein Präjudizfall geschaffen wird, demzufolge
sich keine Gemeinde mehr an einen Abänderungsvorschlag
des Landesarchivs zu kehren braucht.“ 27
Wie der Entscheidungsprozess im Regierungsgebäude ablief,
lässt sich aus dem Akt nicht erschließen. Jedenfalls
holte die Landesregierung Ende Mai für den geänderten
Entwurf das Gutachten des Bundesministeriums für Inneres
ein, das drei Monate später mitteilte, dass aus heraldischer
Sicht keine Bedenken bestünden. Im Amtsvortrag schrieb
Meyer: „Trotz heraldischer Bedenken des Landesarchives
legt die Gemeinde Bartholomäberg Wert darauf, daß die
Gestalt des Apostels Bartholomäus, nach welchem die Gemeinde
benannt ist, im Gemeindewappen enthalten ist.“ 28
– Dabei hatte Welti im Gegenteil empfohlen, sich auf Bartholomäus
zu beschränken! – Die Landesregierung bewilligt
die Wappenführung am 17. August 1965.
Gaschurn 1965
Am 20. März 1965 entschied sich auch die Gaschurner
Gemeindevertretung einstimmig für einen Entwurf, 29 den
Konrad Honold ausgearbeitet hatte: eine Kombination aus
einem Montafoner Schlüssel, einem Wasserrad als Symbol
für die Nutzung der Wasserkraft, früher durch Mühlen, nun
durch die Vorarlberger Illwerke, und einer Hellebarde in Erinnerung
an den Abwehrwillen der Gaschurner während der
Bündner Einfälle 1620 bis 1622 und vielleicht auch an die
legendäre Gestalt Lukas Tschofen, der 1578/79 als Hauptmann
im Heer des Grafen von Hohenems vor Maastricht
gekämpft haben solle und nach seiner Heimkehr dem Ort
Gaschurn zu einem gewissen Wohlstand verholfen habe.
Seite 306
Die Grafen von Hohenems waren Ludwig Weltis Spezialgebiet.
Vielleicht kritisierte er deshalb bei Gaschurn nicht
die Komplexität des Entwurfs. Der Landesarchivar stellte
mit Hinweis auf seine Forschungen klar, dass es sich bei
Lukas Tschofen um keine legendäre, sondern eine fest umschriebene
Person gehandelt habe, das Wahlfahrtskirchlein
„Maria Schnee“ aber von dessen gleichnamigen Sohn
erbaut worden sei. 30 Ihm sei 1636 ein Wappenbrief verliehen
worden, in dem ein geharnischter Reiter mit Hellebarde
aufscheine. Gegen den Entwurf werde unter der Voraussetzung,
dass gegen die Aufnahme der Montafoner Schlüssel
keine Bedenken bestünden, kein Einwand erhoben. Auch
das Bundesministerium für Inneres fand nichts auszusetzen.
Die Landesregierung verlieh der Gemeinde Gaschurn
am 17. August 1965, zeitgleich mit Bartholomäberg, die Berechtigung
zur Wappenführung.
Tschagguns 1965
Parallel beriet Konrad Honold auch die Gemeinde Tschagguns.
31 Der Gemeindevertretung lagen am 17. März 1965
mehrere Entwürfe vor. Sie entschied sich für Entwurf 2a, der
die Tschaggunser Kirche als Wahrzeichen der Gemeinde,
die gekreuzten Schlüssel für die Zugehörigkeit zum Stand
Montafon der „Zehn Gemeinden“ und ein Wasserrad als
Hinweis auf vielen Korn- und Sägemühlen von einst und die
drei Elektrizitätswerke von heute vereinte.
Bürgermeister Anton Brugger schickte den Wappenentwurf
in doppelter Ausfertigung nach Bregenz, offenbar die Entwürfe
2 und 2a. Im Akt der Landesregierung ist nur 2a überliefert.
Wie Abteilungsvorstand Meyer favorisierte auch Landesarchivar
Welti Entwurf 2, gegen den nur eingewendet werden
könne, dass ein ähnlich komplizierter der Gemeinde Bartholomäberg
nicht akzeptiert worden sei. Zudem müsse die
grundsätzliche Frage aufgerollt werden, ob die Schlüssel
von jeder der zehn Gemeinden in ihr Wappen aufgenommen
werden dürfe. Schruns habe sie als Sitz des Montafoner Ge

ichtsbezirks schon 1927 neben Stier und Sonne bewilligt
bekommen. „Soll diese Symbolhäufung in einem Wappen
weiterhin Montafoner Gepflogenheit werden?“, fragte Welti
auch mit Hinweis auf das Silbertaler Wappen. 32
Im „Grauen Haus“ (Regierungsgebäude) in Bregenz scheint
man dagegen keine Bedenken gehabt zu haben. Das Bundesministerium
für Inneres bevorzugte ebenfalls Entwurf
2, wobei die graublaue Farbe des Vorderen Feldes durch
einfaches blau ersetzt werden müsste. Meyer ersuchte die
Gemeinde in diese Richtung einen neuen Beschluss zu fassen,
was offenbar unterblieb. Am 13. Dezember 1965 bewilligte
die Landesregierung die Wappenführung. Entwurf 2 ist
im Akt nicht erhalten, Entwurf 2a und die Abbildung in der
Wappenurkunde stimmen überein.
Gemeindegesetz 1965: Pflicht zur Wappenführung
Nun führten 54 der 96 Gemeinden ein Wappen. Die Tschaggunser
Wappenverleihung war die letzte auf der Grundlage
der Gemeindeordnung 1935. St. Gallenkirch hatte dafür zu
spät eingereicht. Mit 1. Jänner 1966 trat das neue Gemeindegesetz
in Kraft, das in Sachen „Gemeindewappen“ bis
heute seinesgleichen suchen dürfte. Es verpflichtete die
Landesregierung, den 42 bisher „wappenresistenten“ Gemeinden
binnen fünf Jahren ebenfalls ein Wappen zu verleihen
– ob sie wollten oder nicht.
Der Vorarlberger Gemeindeverband hatte die Verpflichtung
zur Wappenführung als unnotwendig abgelehnt, ebenso
die SPÖ, die Landesregierung dagegen die Auffassung
vertreten, dass dadurch die „äußere Stellung aller Gemeinden“
gehoben werde. 33
Die Regierungsvorlage hatte allerdings vorgesehen, dass
sich die Gemeinden künftig Inhalt und Form ihrer Wappen
unter Bedachtnahme auf heraldische Grundsätze selbst
verordnen mögen, da sie doch wohl im eigenen Wirkungsbereich
lägen. Die Landesregierung hätte die Genehmigung
nur unter bestimmten Gründen versagen dürfen.
Doch im Rechtsausschuss des Landtages setzte sich die
Meinung durch, „daß ein Wappen, das von einer staatlichen
Behörde verliehen worden ist, doch in seiner Qualität
und Wertung höher steht als ein Wappen, das man sich
selbst geben kann“. 34 – Ein bemerkenswertes Demokratieverständnis.
Zudem seien die noch wappenlosen Gemeinden meist
kleinere Gemeinden, die selbst nicht so leicht in der Lage
seien, das richtige Symbol zu finden. – Wenn wir uns die
Entwürfe und Wünsche zu Gemüte führen, die verschiedene
Gemeinden einbrachten, ist das nicht ganz von der Hand
zu weisen.
Bei dieser „Zwangsbeglückung“ führte Landesamtsdirektor
Elmar Grabherr zunehmend persönlich Regie. Abteilungsvorstand
Meyer wurde de facto zum Erfüllungsgehilfen
degradiert, Landesarchivar Welti 1968 ausgebootet. Wenn
überhaupt, zog Grabherr zur Begutachtung nicht mehr
den Landesarchivar heran, sondern halboffiziell seinen
„Hofhistoriographen“ Benedikt Bilgeri, Weltis Erzrivalen,
den Grabherr 1964 im Landesarchiv untergebracht und de
facto ganz für die Forschung vom Archivdienst freigestellt
hatte. 35 In der Regel begutachtete der geschichtsbeflissene
Landesamtsdirektor selbst; oder besser noch, er schlug Gemeinden
gleich von sich aus Wappen vor. Der Zeitdruck war
erheblich. Und dann glaubten auch noch „Heimathirsche“
und Hobbyheraldiker, Grabherr ins Handwerk pfuschen zu
müssen!
Hatten bisher die Gemeinden selbst die künstlerische Ausgestaltung
der Wappenurkunden in Auftrag geben müssen,
übernahm das ab 1968/69 die Landesregierung samt den
anfallenden Kosten. Soweit es Grabherr damit in der Hand
hatte, Aufträge zu vergeben, beschäftigte er bevorzugt Konrad
Honold; 36 zum Teil gleichzeitig und in Konkurrenz mit
Graphikern oder Kunstmalern, die im Auftrag von Gemeinden
Entwürfe lieferten.
Seite 307

Letztlich erzielte die Landesregierung mit allen Gemeinden
eine mehr oder weniger glückliche Lösung. Es gelang ihr,
fristgerecht bis Jahresende 1970 alle Gemeinden zu „beglücken“.
Zumindest die Gestaltung der Wappenurkunden
wurde nun fast ausschließlich Konrad Honold übertragen
und damit eine gewisse Einheitlichkeit erreicht.
St. Gallenkirch 1966
Als erste Gemeinde bedachte die Landesregierung am 19.
April 1966 St. Gallenkirch aufgrund des neuen Gemeindegesetzes
mit einem Wappen, das Konrad Honold entworfen
haben dürfte: 37 als redendes Wappen der heilige Gallus und
die Ortskirche in schematischer Darstellung, die gekreuzten
Montafoner Schlüssel.
Für dieses Wappen hatte sich die Gemeindevertretung bereits
am 14. Dezember 1965 ausgesprochen. Landesarchivar
Welti erhob keinen Einwand, da der Name der Gemeinde
zutreffend symbolisiert und die Montafoner Schlüssel bereits
auch anderen Gemeinden zugestanden worden seien.
Obwohl das Gemeindegesetz die Landesregierung nicht
mehr ausdrücklich dazu verpflichtete, beim Bundesministerium
für Inneres ein heraldisches Gutachten einzuholen,
behielt sie diese Übung bei. Das brachte nicht zuletzt
den Vorteil, dass die Berufsheraldiker in Wien jeweils eine
Wappenbeschreibung lieferten, die in den Bewilligungsbeschluss
und in die Urkunde übernommen wurde. Das war
auch bei St. Gallenkirch der Fall.
St. Anton im Montafon 1966
Auch für St. Anton arbeitete Konrad Honold mehrere Entwürfe
aus. 38 Die Gemeindevertretung entschied sich am 12.
März 1966 einstimmig für Entwurf Nr. 7, der in die Sagenwelt
entführt:
Seite 308
Ein gestürzter Dreiberg über einer Kirche dräuend erinnert
an die blühende Stadt Prazalanz, die der Legende nach an
der Stelle des heutigen St. Anton gestanden haben und
durch einen ungeheuren Bergsturz verschüttet worden sein
soll. 39 – St. Anton wird in alten Quellen als „Zalanz“ bezeichnet,
bis sich um 1670 das Pfarrpatrozinium als Ortsnamen
durchsetzte. 40 – Die gekreuzten Montafoner Schlüssel
sollen die Zugehörigkeit zum Tal Montafon bekunden und
außerdem werde, so Bürgermeister Ignaz Batlogg, der Ort
„St. Anton im Montafon“ genannt, zum Unterschied von St.
Anton am Arlberg. – Durch eine Aufzählung der Gemeinden
im Anhang zum Gemeindegesetz 1965 war bewusst die
Schreibweise der Gemeindenamen verbindlich normiert
worden. 41 Den Beinamen „im Montafon“ darf demnach allein
St. Anton offiziell führen.
Landesarchivar Welti brachte gegen den „in Form eines
Kleeblattes im oberen Teil des Wappenschildes wie eine
Wolke hereinhängenden gestürzten Dreiberg“ schwerwiegende
Bedenken vor. 42 Nun ist ein „gestürzter Dreiberg“
tatsächlich eine eigenwillige heraldische Schöpfung, der
von Welti skizzierte Gegenvorschlag überzeugt jedoch auch
nicht unbedingt.
Abteilungsvorstand Meyer wieder erachtete die Kirche als
zu beliebig, zu klein und zu unpraktisch und empfahl der
Gemeinde, auf die Kirche zu verzichten, da das heraldische
Bild ohne die Kirche weit einprägsamer sei. Bürgermeister
Batlogg, Obmann des ÖVP-Landtagsklubs, wusste wohl,
wen es als „Obergutachter“ im Amt der Landesregierung
zu gewinnen galt. Dem Wunsche der Herren Landesamtsdirektor
Grabherr, Hofrat Arnulf Benzer (Vorstand der Kulturabteilung)
und Hofrat Meyer entsprechend sei die Kirche
vergrößert worden.
Das Bundesministerium für Inneres fand keinen Grund zur
Beanstandung. Die Landesregierung stimmte der Wappenführung
am 12. März 1966 zu.
Damit fehlte im Montafon nur noch Lorüns.

Lorüns 1967
Im Mai 1967 teilte Bürgermeister Otto Ladner der Landesregierung
mit, die Gemeinde Lorüns ersuche um die Verleihung
des Wappens der heimischen Familie von Arüns (der
späteren Familie Lorünser) als Gemeindewappen. 43 Bereits
in einer Urkunde von 1487 sei das Wappen beschrieben,
das an einem Haus in Arüns zu sehen gewesen sei, wie der
Ort Lorüns bis ins 17. Jahrhundert hinein bezeichnet worden
sei.
Das Wappen der Arünser zeigt in Blau einen silbernen
Wellenbalken, darüber eine Sonne, darunter zwei Sterne.
Primararzt Friedrich Wilhelm Lorinser (1817 bis 1895) mutmaßte
in seinen „Gedenkblättern der Familie Lorinser“
(Wien 1868), dass es „wahrscheinlich (sic!) – dem bei Arüns
von Mittag (Sonne) gegen Mitternacht (Sterne) strömenden
Illflusse entnommen ist“. 44 Diese Deutung wäre möglich,
gesichert ist sie keineswegs. Doch Bürgermeister Ladner
konnte den Historiker Benedikt Bilgeri ins Treffen führen,
der dazu schreibe: „‚Es liegt also ein echtes Ortswappen
von nicht alltäglichem Alter vor.’“ Durch diese Ausführungen,
schloss der Bürgermeister, dürfte der Vorschlag zur
Übernahme des alten Arünser Wappens als Gemeindewappen
genügend begründet sein. 45
Bilgeri war demnach bereits im Vorfeld beigezogen worden.
Das Bundesministerium für Inneres meldete keine Bedenken
an. Mit Beschluss vom 29. August 1967 verlieh die Landesregierung
Lorüns das gewünschte Wappen. Die Urkunde
gestaltete Konrad Honold.
Ein späterer Hinweis, die Übereinstimmung mit dem Wappen
von Sonnenberg (goldene Sonne in Blau) drücke zugleich
die historische Zugehörigkeit von Lorüns zu dieser
Herrschaft aus, 46 ist unzutreffend. Im Unterschied zu Stallehr
gehörte Lorüns nie zur Herrschaft Sonnenberg, sondern
wie das gesamte Tal Montafon zur Herrschaft Bludenz. 47
„Richtige“ und „falsche“ Wappen
1975 gab Landesarchivar Karl Heinz Burmeister ein Gemeindewappenbuch
heraus. Dafür wurden die Wappen nach
heraldischen Gesichtspunkten vereinheitlicht und vereinfacht.
Dabei bediente sich der Verlag dreier Münchener
Graphiker. 48
Seither wird nachgefragt, welches Wappen das „richtige“
sei – die Darstellung in der Wappenurkunde oder jene bei
Burmeister?
Nach der Rechtsansicht des Landesarchivs ist allein die
Wappenbeschreibung in der Urkunde entscheidend. 49 Jede
Darstellung und nur eine Darstellung, die dieser Beschreibung
entspricht, ist „richtig“. Das besagen auch die Grundsätze
der Heraldik.
Bei Burmeister wurde der Schrunser Sprungstier übrigens
seines Phallus beraubt, des Zeichens seiner Potenz und
Stärke. Diese Schmähung wäre früher ein Kriegsgrund gewesen.
Denn die Verhunzung von Wappen ist eine ernste,
mitunter todernste Angelegenheit.
Es geht um das „Wir-Gefühl“
Wir sollten uns hüten, die Heraldik in ein zu enges Korsett
einzuschnüren.
Wenn es Bürgermeister mit ihren Gemeindewappen mitunter
übergenau nehmen, hängt das wohl weniger mit dem
Hoheitszeichen, als mit dem Bürgerstolz zusammen.
Das Wappen ist deshalb eine „heilige Sache“, seine Verhunzung
deshalb ein Sakrileg, weil es um Identität geht,
um ein individuelles Symbol, das eine Gemeinde verkörpert,
um eine Fahne, um die sich die Gemeinde schart. Es
geht um die Gruppenidentität, um das „Wir-Gefühl“ – wobei
sich Gruppen immer durch Abgrenzung gegenüber anderen
Gruppen bilden.
Seite 309

Das spielte zweifellos auch in den historischen Prozessen
der Gemeindebildung eine Rolle und trägt zur Erklärung der
mitunter extremen Konkurrenz zwischen Nachbargemeinden
bei.
Darin werden die Montafoner Gemeinden keine Ausnahme
bilden. Es spricht aber für das Montafon, dass acht der
zehn Gemeinden – bezeichnenderweise die Gemeinden
des „achtgliedrigen Standes“ (Forstfonds) – die Montafoner
Schlüssel in ihrem Wappen führen wollten, um die gemeinsame
Tradition und wohl auch Zukunft auszudrücken.
1 Hermann Sander, Beiträge zur Geschichte des Montafoner Wappens.
Mit Anmerkungen über die Familie Friz und die Vorgesetzten von
Montafon. Innsbruck 1903 (Beiträge zur Geschichte von Bludenz,
Montafon und Sonnenberg in Vorarlberg 5). – Trotz dieser gründlichen
historischen Arbeit wird bis heute die unhaltbare Legende genährt,
Gegenpapst Johannes XXIII. habe der Talschaft für die gute Aufnahme
und Unterstützung auf dem Weg zum Konstanzer Konzil (1414
bis 1418) dieses Wappen verliehen. Vgl. z.B. Raimund Meyer, Die
Gemeindewappen von Vorarlberg, in: Österreichische Gemeindezeitung
39 (1971) 11, S. 256-260, hier S. 259; Andreas Brugger, 100 Jahre Skisport
im Montafon (Montafoner Schriftenreihe Sonderbd. 3). Schruns 2006, S.
282.
2 Vgl. Karl Heinz Burmeister, Die Vorarlberger Gemeindewappen,
in: Bericht über den 12. österreichischen Historikertag in Bregenz.
Wien 1974 (Veröffentlichungen des Verbandes Österreichischer
Geschichtsvereine 20), S. 252-256, hier S. 253-255.
3 Zum Folgenden: Ulrich Nachbaur, Über das Werden und Wesen von
„Marktgemeinden“ in Vorarlberg. Die Markterhebung von Schruns 1927,
in: Ulrich Nachbaur/Peter Strasser, Die Markterhebung von Schruns.
Marktgemeinden in Vorarlberg (Montafoner Schriftenreihe 13), S. 9-126,
hier S. 62-84.
4 Die Vermutung von Burmeister, Gemeindewappen 1974 (wie Anm. 2), S.
254, dass die Aufnahme des Stiers in das Wappen sehr wahrscheinlich
auf ältere Vorlagen zurückgehe, lässt sich nicht bestätigen. Vermutlich
liegt dem eine Fehlinterpretation des Hohenegger Büffels im
Kreisamtssiegel als Montafoner Ochsen zugrunde.
5 Vorarlberger Landesarchiv (fortan: VLA): Amt der Vorarlberger
Seite 310
Landesregierung (fortan: AVLReg) IIb-860/1927: Protokollauszug
Gemeindevertretungssitzung 19.07.1925. Zum Ortsnamen vgl. Werner
Vogt, Die Ortsnamen, in: Montafoner Heimatbuch. Schruns 1974, S. 81-
88, hier S. 85.
6 Viktor Kleiner, Aus der Geschichte von Schruns. Gedenkblätter zur
Markterhebungsfeier am 1. Juli 1928. Schruns 1928, S. 16-17. – Nachdem
das Wappen in Alemannia 4 (1930) 5/6, S. 248, mit der Beschreibung
aus dem Wappenbrief vorgestellt worden war, wurde in Alemannia 5
(1931) 1, S. 53, die Erklärung Kleiners nachgetragen.
7 VLA: AVLReg IIb-893/1928: AVLReg an VLA, Bregenz 21.06.1928.
8 VLA: AVLReg IIb-530/1929; VLA: Gemeindewappenregistratur, Montafon.
9 Die Rechtsnatur des „zehngliedrigen“ Standes Montafon ist umstritten.
Vgl. Stenographische Sitzungsberichte (fortan: StenSib) 28. Vorarlberger
Landtag (fortan: LT), Anfrage Fritz/Rauch 10.06.2008 Nr. 29.01.312,
Anfragebeantwortung Landesrat Schwärzler 01.07.2008 (www.
vorarlberg.at 26.09.2008).
10 Vgl. Brugger, Skisport (wie Anm. 1), S. 282: „Fest steht hingegen,
dass die zwei gekreuzten Goldschlüssel nicht nur zum Symbol der
Montafoner Einheit, sondern auch dieser Rennen wurden.“
11 LGBl. Nr. 25/1935, § 3.
12 VLA: AVLReg II-245/1938.
13 Bei Vogt, Ortsnamen (wie Anm. 5), S. 81-88, sind die Wappen ohne
Erklärung schwarzweiß abgebildet. – Josef Zurkirchen, Heimatbuch
Gaschurn-Partenen. Gaschurn 1985, beschränkt sich auf eine farbige
Wappendarstellung auf dem Titelblatt. – Josef Zurkirchen, Heimatbuch
St. Gallenkirch-Gortiohl-Gargellen. St. Gallenkirch 1988, S. 11-12, bringt
das Wappen (aus der Wappenurkunde) in Farbe und referiert ohne
Zitierung Karl Heinz Burmeister, Die Gemeindewappen von Vorarlberg.
Sigmaringen 1975, S. 176. – Josef Zurkirchen, St. Anton im Montafon. St.
Anton im Montafon 1989, S. 11, beschränkte sich auf eine Farbabbildung
der Wappenurkunde und den Hinweis, dass der Gemeinde 1966
die Berechtigung verliehen wurde. – Brigitte Truschnegg, Lorüns.
Dorfgeschichte in Schrift und Erzählung, unter Mitarbeit von Ernst
Zech (Sonderband zur Montafoner Schriftenreihe 2). Lorüns 2006, S.
35, bringt in Farbe den Wappenausschnitt aus der Wappenurkunde,
die Beschreibung das Wappen derer von Arüns (irrtümlich mit
falschem Zitat) und den Hinweis, dass es 1967 als Gemeindewappen
übernommen wurde.
14 Otwin Netzer, Ereignisse aus der Ortsgeschichte von Silbertal. Ein
Beitrag zur ortskundlichen Stoffsammlung für die Volksschule Silbertal

mit Hinweisen für den Einbau und die Auswertung im Unterricht. Masch.
Hausarbeit Pädagogische Akademie Feldkirch 1968, S. 97-98.
15 Rupert Tiefenthaler, Schaulust. Vorarlbergs Wirtschaft im Plakat 1895
bis 1965. Feldkirch 1995, S. 13 (Foto); Franz Ortner, Vater der Vorarlberger
Graphik, in: Vorarlberg-Wien (1959) Nr. 17, S. 21.
16 Zum Folgenden: VLA: AVLReg Ib-213-82/1980.
17 Zum Folgenden: VLA: AVLReg Ib-213-84/1980.
18 August Manahl, Stallehr. Geschichtliche Abhandlung über den Ort und
seine Bewohner. Typoskript Bludenz 1952.
19 Mit Berufung auf Andreas Ulmer, Die Burgen und Edlesitze Vorarlbergs
und Liechtensteins. Dornbirn 1925, S. 550-559, und Josef Zösmair.
20 Die Steinbrüche lieferten Rohmaterial zur Herstellung von
Portlandzement (Hans Nägele, Die Vorarlberger Zementwerke und
ihre Erzeugnisse, in: Feierabend 10 [1928] 50, S. 312-314). 1996
wurde der Klinkerbrennbetrieb in den 1907 gegründeten Vorarlberger
Zementwerken Lorüns eingestellt und das Werk als Mahlwerk und Teil
des „Holcim-Konzerns“ weiterbetrieben.
21 Alois Niederstätter, Die Burg Rüdberg (Kanton St. Gallen) als sitz
der Bludenzer Edlen von Rüdberg?, in: Bludenzer Geschichtsblätter
(2005) 75, S. 3-19. Zum Diebschlössle: Ausgrabungen im Montafon.
Diebschlössle und Valkastiel. Archäologische Befunde und
Interpretationen, hg. von Karsten Wink (Montafoner Schriftenreihe 14).
Schruns 2005; Diebschlössle. Pläne und Zeichnungen, hg. von Karsten
Wink (Montafoner Schriftenreihe 14/2). Schruns 2005; Truschnegg,
Lorüns (wie Anm. 13), S. 21-31.
22 VLA: VLA Archivregistratur 226/1951: Bgm. Wilhelm Mayer an AVLReg,
Vandans 18.12.1951; Landesarchivar Tiefenthaler an Gemeindeamt
Vandans, Bregenz 21.12.1951.
23 Hans Barbisch/Adolf Helbok/Leo Jutz, Vandans. Eine Heimatkunde aus
dem Tale Montafon. Innsbruck 1922, Einbanddeckel.
24 Zum Folgenden: VLA: AVLReg Ib-213-9171980.
25 VLA: AVLReg Ib-213-9171980: Gemeinde Vandans an AVLReg, Vandans
24.12.1964.
26 Zum Folgenden: VLA: AVLReg Ib-311/1965.
27 VLA: AVLReg Ib-311/1965: Welti an AVLReg Abt. Ib, Bregenz 12.05.1965.
28 VLA: AVLReg Ib-311/1965: Amtsvortrag betr. Gemeinde Bartholomäberg,
Verleihung des Rechtes zur Führung eines Gemeindewappens, Bregenz
13.08.1965.
29 Zum Folgenden: VLA: AVLReg Ib-379/1965.
30 Vgl. Manfred Tschaikner, Lukas Tschofen von Gaschurn – Zur Geschichte
einer Montafoner Oberschichtfamilie im 16. und 17. Jahrhundert, in:
Andreas Rudigier und Manfred Tschaikner, Lukas Tschofen und Gaschurn
(Bludenzer Geschichtsblätter 14/15). Gaschurn 1993, S. 9-86; Konrad
Honold, 350 Jahre Kapelle Maria Schnee in Gaschurn, in: Montfort 40
(1988) 3/4, S. 222-239.
31 Zum Folgenden: VLA: AVLReg Ib-213-89/1980.
32 VLA: AVLReg Ib-213-89/1980: Welti an AVLReg Abt. Ib, Bregenz
16.04.1965.
33 Regierungsvorlage Gemeindegesetz, Erläuterungen zu § 9, StenSib 20.
LT, Beilage 22/1965.
34 Berichterstatter Landesstatthalter Dr. Gerold Ratz, StenSib 20. LT, 9.
Sitzung 28./29.10.1965, S. 180.
35 Alois Niederstätter, „Wenn ich mich mit Geschichte befasse, mache
ich mich zum Sprecher früherer Zeiten. Da gibt es keine Korrektur.“
– Bemerkungen zur Vorarlberger Landesgeschichtsschreibung nach
1945, in: Aufbruch in eine neue Zeit. Vorarlberger Almanach zum
Jubiläumsjahr 2005, hg. von Ulrich Nachbaur/Alois Niederstätter.
Bregenz 2006, S. 209-217, hier S. 213.
36 Zu Honold u.a.: Hans Jäger-Sunstenau, Der Heraldiker Konrad Honold
und seine Vorarlberger Gemeindewappen, in: Adler. Zeitschrift für
Genealogie und Heraldik, Bd. 10 (1974–1977) 3, S. 58-59; Andreas
Rudigier, Altobmann Konrad Honold ist 85 Jahre alt, in: Jahresbericht
Montafoner Museen 2003, S. 66-67.
37 Zum Folgenden: VLA: AVLReg Ib-213-69/1980.
38 Zum Folgenden: VLA: AVLReg Ib-213-89/1980.
39 Vgl. Franz Josef Vonbun, Die Sagen Vorarlbergs mit Beiträgen aus
Liechtenstein, neu bearb. und hg. von Richard Beitl. Feldkirch 1950, S.
130-131.
40 Vgl. Vogt, Ortsnamen (wie Anm. 5), S. 82-83; Zurkirchen, St. Anton (wie.
Anm. 13), S. 10.
41 LGBl. Nr. 45/1965, Anlage zu § 1; StenSib 20. LT, Beilage 22, S. 424
(Erläuterungen zu § 1).
42 VLA: AVLReg Ib-213-89/1980: Welti an AVLReg Abt. Ib, Bregenz
20.04.1966.
43 Zum Folgenden: VLA: AVLReg Ib-213-53/1980. – Ladner verwies auf
Friedrich Wilhelm Lorinser, Gedenkblätter der Familie Lorinser, mit
culturgeschichtlichen Bemerkungen über Bludenz, Sonnenberg und
Montavon in Vorarlberg, Schussenried in Württemberg und Niemes in
Böhmen. Wien 1868, S. 49 u. 62-65; Gebhard Fischer, Urkundenauszüge
aus dem Archive, in: Jahresbericht des Vorarlberger Museumsvereins
Seite 311

1888, S. 26-82, hier S. 88. Vgl. zuletzt: Truschnegg, Lorüns (wie Anm.
13), S. 35. Die Urkunde wird im Vorarlberger Landesarchiv verwahrt
(Stadtarchiv Bludenz Urk. 10079).
44 Lorinser, Gedenkblätter (wie Anm. 43), S. 65.
45 VLA: AVLReg Ib-213-53/1980: Bgm. Ladner an AVLReg, Lorüns 18.05.1967,
ohne Hinweis darauf, in welchem Zusammenhang sich Bilgeri äußerte.
46 Burmeister, Gemeindewappen 1975 (wie Anm. 13), S. 140; Sonne und
Sterne in Lorüns Gemeindewappen, in: Vorarlberger Nachrichten
10.09.2008, S. A10.
47 Für diesen Hinweis danke ich Dr. Manfred Tschaikner, Vorarlberger
Landesarchiv.
48 Günter Halden, Helmut Rohrer und Regina Rohrer (Burmeister,
Gemeindewappen 1975 [wie Anm. 13], S. 7).
49 Ulrich Nachbaur, Die Vorarlberger Gemeindesymbole – rechtliche
und rechtsgeschichtliche Aspekte (Kleine Schriften des Vorarlberger
Landesarchivs 7). Bregenz 2007, S. 16-59.
Seite 312

Vorbemerkung
Die Beschäftigung des Heimatschutzes mit den Gemeindewappen
scheint auf den ersten Blick auf den Inhalten der
Wappen zu gründen, weisen doch die hier vorkommenden
Darstellungen der Kirchen, der lokalen Schutzheiligen,
der Montafoner Sagenwelt, der Montafoner Schlüssel, der
Bergbauzeichen und der Hinweise auf die Wasserkraft im
weitesten Sinn auf traditionelle, eben vor allem vom Heimatschutz
tangierte Themen. Dass acht der zehn Gemeindewappen
von zwei Personen gestaltet wurden, die der
Entwicklung des Heimatschutzes im Montafon sehr nahe
standen, mag deshalb nicht überraschen. Hans Bertle
(1880 bis 1943) und Konrad Honold (1918 bis 2007) unterscheiden
sich von vielen anderen Heimatschützern – nicht
allen, wie heute die malenden Mitglieder des Heimatschutzvereins,
Wilfried Dür und Klaus Fussenegger, zeigen
– durch ihre künstlerische Ader, welche sie von zwei Seiten
betrachtet zur Gestaltung von Gemeindewappen befähigte.
Interessant ist der Vergleich zwischen Hans Bertle und
Konrad Honold sowie deren unterschiedlichem Zugang zu
diesem Thema. Nachdem jede Zeit ihre Wappen hat, wirkt
diese Feststellung zwar nicht sehr originell, aber sie scheint
mir zum Einstieg des Verständnisses der Arbeiten Honolds
nicht unwichtig, auch wenn ich schon jetzt festhalten darf,
dass Hans Bertle oder zumindest die Zeit, in der er sich
bewegte, durchaus starken Einfluss auf den Honold der
späten 50er und 60er Jahre nehmen sollte.
Das Schrunser Wappen von Hans Bertle
Ulrich Nachbaur skizziert in seinem Beitrag den Schrunser
Wappenstreit. 1 Was an dieser Stelle ergänzt werden soll, ist
die Betrachtung jenes Wappens, dass uns seit 1927 bekannt
ist. Im Unterschied zu den anderen Montafoner Wappen ist
das Schrunser Beispiel für einen konkreten Anlass in Auftrag
gegeben worden, nämlich wegen der Markterhebung
des Ortes. Der Schrunser Markt geht auf die große Tradition
Vortragsreihe der Montafoner Museen; Tschagguns, Altes Gemeindeamt, 14. Oktober 2008
Andreas Rudigier (geb. 1965 in Bludenz), Mag. iur. Mag. phil. Dr. phil., seit 2000 kulturwissenschaftlicher
Bereichsleiter beim Stand Montafon (Zuständigkeit für die Montafoner Museen, das Montafon Archiv, den
Heimatschutzverein Montafon sowie Organisation verschiedener historischer Projekte)
Die „Heimatkunst“ Konrad Honolds in
Bezug auf die Montafoner Gemeindewappen
Andreas Rudigier
des Ortes als Marktort zurück, die heute nur mehr in Resten
zu beobachten ist.
Der springende Stier im Wappen steht für die Wichtigkeit
des Schrunser Marktes, der seinerseits eine Folge der jahrhundertelangen
besonderen Bedeutung der Landwirtschaft
für die Talschaft ist. Immerhin erinnert mit dem Piz Buin (=
Ochsenkopf) einer der prominentesten Berge – er ist ja zugleich
die höchste Erhebung im Montafon – an diesen Aspekt
des Erwerbslebens früherer Zeiten. Alle anderen neun
Montafoner Gemeindewappen, die zwischen 1964 und 1967
ohne speziellen Anlass gestaltet wurden, verzichten dagegen
auf die Darstellung dieses einstmals so bedeutenden
Erwerbszweiges.
Wenn wir nun den Blick auf den unteren Teil des Wappens
lenken, dann wird uns ein zukunftsweisendes Symbol präsentiert:
Die aufgehende Sonne steht für den aufblühenden
Fremdenverkehr. Hans Bertle verbindet in seinem Wappen
Tradition und Moderne und dies in einer Form, wie es bei
den Wappenentwürfen Honolds in den 60er Jahren nicht zu
beobachten ist.
Hans Bertle war der Tourismus wichtig. Das lässt sich nicht
nur aus der Wappengestaltung für Schruns ablesen, sondern
wird vor allem auch aus seinem Vortrag von 1932 deutlich.
Bei der damaligen 25-Jahr-Feier des Heimatschutzvereins
Montafon war Hans Bertle zum Ehrenmitglied ernannt
worden, und anschließend hielt er den Festvortrag. In diesem
ging er mit Lichtbildern den Schönheiten der Schweiz
nach und verglich diese mit dem Montafon. 2 Die Idee, über
den Vergleich die eigenen Stärken herauszuarbeiten, kennen
wir vor allem aus dem Fremdenverkehr der Jahrhundertwende,
als etwa Bludenz im Anzeiger seitenlang mit
Interlaken in der Schweiz verglichen oder Gargellen als
Vorarlberger Davos oder Neu-Davos tituliert wurde. 3
Hans Bertle gehörte aber auch zu jenen Vertretern der
Tradition, die Anfang der 30er Jahre das vermehrte Tragen
der Montafonertracht anregten. Zu diesem Zweck bat der
Seite 313

Konrad Honold,
Selbstbildnis
Verein zwölf Frauen und zehn Mädchen, deren Namen den
Urkunden zu entnehmen sind, bei Prozessionen wie an
Fronleichnam oder an Mariä Himmelfahrt die Pelzkappen
beziehungsweise die Schäpeltracht zu tragen. Die eifrigste
Werberin war übrigens Sabine Kessler, die als Dank dafür
ein Bild von Hans Bertle erhielt. 4 Die Wiederbelebung der
Tracht und der Montafoner Tänze war in den 30er Jahren
ein Anliegen, das aus dem Heimatschutzverein heraus gewachsen
ist, dass aber sehr bald viel mehr vom Tourismus
verfolgt wurde. Es verwundert auch nicht, dass nach dem
Zweiten Weltkrieg die ursprünglich vom Heimatschutzgedanken
getragenen Heimatabende nicht mehr vom Verein,
sondern von neu gegründeten Trachtengruppen mit starker
Unterstützung des Fremdenverkehrs durchgeführt wurden. 5
Konrad Honold und seine sieben Montafoner
Wappen
Konrad Honold stammte aus Weingarten – der Heimat eines
der bedeutendsten Barockkirchenbauten mit Vorarlberger
Hintergrund, wo er am 6. Juli 1918 geboren wurde. Honolds
Ausbildungsweg führte von Ravensburg über Stuttgart und
Berlin nach Innsbruck. Die Liebe zu den Bergen und zu
einer Frau ließen Honold schließlich in Schruns sesshaft
werden. Sein Werk ist bestimmt durch Landschaftsmalerei,
Porträts, durch öffentliche Aufträge 6 und vor allem durch
Restaurierungen kirchlicher und privater Objekte. 7 Von 1973
bis 1979 leitete Konrad Honold als Obmann auch den Heimatschutzverein
Montafon. 8
Vorliebe für das Mittelalter
1967 veröffentlichte Konrad Honold in den Tiroler Heimatblättern
einen Beitrag über ein unbekanntes Bildnis Kaiser
Maximilians des Ersten. Anlass für seine erste Publikation
war der Umstand, dass Honold zuvor das besprochene Bild
restauriert und als Werk Bernhard Strigels erkannt hatte. 9
Dass Restauratoren, die sich umfassend stilgeschichtlich
und technologisch mit einem Objekt auseinandersetzen,
darüber publizieren, ist konsequent aber auch durchaus
Seite 314
Madonna in Latschau
ungewöhnlich. Die zahllosen restaurativen Maßnahmen,
die im 20. Jahrhundert gesetzt wurden, finden ihren Niederschlag
auch in der Literatur, allerdings sind die meisten
Beiträge von Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern geschrieben
worden, die zum Teil in der Denkmalpflege tätig
waren oder sind. Ein bekanntes Beispiel ist die Entdeckung
des Gemäldes aus dem Wolf-Huber-Altares in der Mehrerau,
welches vom Schlinser Restaurator Andreas Amann erkannt
und von Erwin Heinzle dann umfassend veröffentlicht
wurde. 10
Konrad Honold konnte dies nicht passieren, dafür war einerseits
sein Interesse gerade am Mittelalter zu groß und
andererseits bemühte er sich immer wieder, seine neuen
Erkenntnisse zu publizieren. Honold beschäftigte sich so
auch mit der Bedeutung der Züricher Wappenrolle für Vorarlberg,
11 mit einer vierten Nibelungenhandschrift aus dem
Gebiet der Grafen von Montfort, 12 mit der Ährenmadonna
aus Tschagguns 13 sowie mit einem gotischen Tragaltärchen
aus dem Silbertal. 14 Mit den letzteren beiden Beiträgen darf
ich die Leserin beziehungsweise den Leser im Folgenden
ein wenig näher bekannt machen, weil sie zeigen, dass
Konrad Honold zum einen bereit war zu experimentieren,
und zum anderen vermitteln sie auch sein Bemühen um einen
historischen und kunsthistorischen Tiefgang.
Die Madonna in Latschau
Die Wallfahrtskirche in Tschagguns zählt zweifellos zu den
bedeutendsten Gotteshäusern des Montafons, die am
Ende des Mittelalters existierten. Ein schönes Beispiel einer
spätgotischen Madonna aus der Kirche in Tschagguns
wird heute in der Filiale in Latschau aufbewahrt. Dabei war
die Figur nicht immer gotisch. Als sie 1967 von Dekan Josef
Ellensohn am Dachboden der Tschaggunser Pfarrkirche gefunden
wurde, präsentierte sich dem Restaurator Konrad
Honold ein durchaus differenziertes Bild: „Auf den ersten
Blick waren gotische und barocke Formelemente an dieser
Figur zu erkennen. Sah man sie aber von der Rückseite, so
trat die gotische Madonna klar in Erscheinung“. 15 Die Ma-

Malerkapelle (Volksschule Partenen)
donna zeigte ein quer vor der Brust Mariens liegendes Kind,
welches mit der Linken Mariens gehalten wird, und einen
auffallend fächerartig ausladenden Mantel. Der nach vorne
abgewinkelte rechte Arm dürfte das inzwischen fehlende
Zepter getragen haben.
Es handelte sich zweifellos um eine gotische Madonna, die
vermutlich im Zuge der Neuerrichtung des Altares der Pfarrkirche
Tschagguns (1774/75) eine Barockisierung erfuhr,
indem ihr der gotische Faltenwurf des Gewandes vor dem
Körper abgenommen und durch den genannten, breit ausladenden
Mantel ersetzt wurde. Die Skulptur könnte bald
nach 1454, also dem Zeitpunkt der Errichtung der spätgotischen
Kirche in Tschagguns, entstanden sein. Die Figur
wurde schließlich 1861, als die Kunst der Nazarener in der
Kirche Einzug hielt, aus dem Kirchenraum verbannt. 16
Der Restaurator Konrad Honold hatte den Auftrag zur Restaurierung
erhalten, und sein puristischer Umgang mit der
Madonna, nämlich die Rückführung in den spätgotischen
Urzustand, wirft einen interessanten Einblick in die Genese
des Umgestaltungsprozess. Honold nahm die in der Barockzeit
ergänzten Holzteile (Mantel) sowie die barocke Fassung
ab. Bemerkenswerterweise wurden am linken Oberschenkel
des Kindes Auflagepunkte der gotischen Handhaltung
Mariens festgestellt, 17 das heißt, Maria hatte das Kind damals
auch mit ihrer Rechten gehalten. Dieser Umstand zeigt
deutlich, dass die geschlossene Form der spätgotischen
Figurengestaltung in der Barockzeit einer offenen Form
weichen musste. Gemeint ist damit, dass der Umriss der
Skulptur in barocker Zeit durch den nun vom Körper wegführenden
Arm eine Öffnung erfuhr. Der gotische Faltenwurf
der Kleidung war lediglich unter dem rechten Arm Mariens
etwa von der Hüfte abwärts beziehungsweise ab dem rechten
Knie abwärts erahnbar.
Konrad Honold beschloss die Rekonstruktion der mittelalterlichen
Figur, die ihm mehr entgegen kam als die barocke
Umgestaltung: „Qualitätsvergleiche der beiden Stilformen
ließen keinen Zweifel offen, daß für eine sakrale Verwen-
dung eine Rekonstruierung der gotischen Figur der Ergänzung
der barocken Zutaten vorzuziehen sei, denn die Madonna
soll in der neuen Kirche von Latschau Aufstellung
finden.“ 18
Zu diesem Zweck führte er Studien der Ulmer Werkstätten
des 15. Jahrhunderts durch, die für ihn angesichts ihrer Dominanz
im ausgehenden 15. Jahrhundert als Urheber in Frage
kamen. Die Rekonstruktion wurde zunächst zeichnerisch
und dann in einem Tonmodell mit dem Maßstab 1:2 festgehalten.
Die Ergänzungen der Kleidung mit ihrem gotischen
Faltenwurf orientierten sich an den originalen Resten. Die
bildhauerische Umsetzung nahm schließlich der Latschauer
Bildhauer Robert Fleisch vor. Die neuen Teile erhielten
eine an der originalen Fassung orientierte Neufassung; das
Inkarnat bei Maria und dem Kind ist hingegen die frei gelegte
Originalfassung. 19
Die Fassung an der erhaltenen Kleidung zeigte im Übrigen
noch eine Besonderheit: Honold stellte auf dem blauen Gewand
unregelmäßig verteilte Ährendarstellungen fest, die
aus vergoldetem feinen Leinen ausgeschnitten und aufgesetzt
waren. 20 Es handelte sich also um eine Ährenmadonna,
die im 15. Jahrhundert vor allem im Raum Mailand Verehrung
fand, und deren Typus vermutlich über Vermittlung
schwäbischer Künstler nach Süddeutschland kam. Der Weg
nach Vorarlberg war über die Exporte bildhauerische Werke
nicht mehr weit.
Die Sage von der Malerkapelle
Konrad Honold beschäftigte sich nicht nur mit der Frage
der stilistischen Herkunft der gotischen Bildwerke, sondern
griff auch die Sagen auf, die uns die Existenz mancher spätmittelalterlicher
Heiligenfigur im Montafon erklären wollen.
Bekannt ist vor allem die Sage von der Malerkapelle in Partenen,
aus welcher sich noch eine Figur in Privatbesitz erhalten
hat. Die örtliche Überlieferung will wissen, dass im
Zuge des reformatorischen Bildersturms einige Kunstwerke
zur Sicherstellung ins Montafon gebracht wurden. 21 So soll
Seite 315

Seite 316
Tragaltärchen
eines Tages auch ein Maler aus Graubünden wertvolle Figuren
aus dem Prättigau nach Partenen getragen haben.
Das Versprechen des Malers, am ersten grünen Fleck im
Montafon eine Kapelle zu bauen, soll zum Bau der so genannten
Malerkapelle geführt haben. Tatsächlich befanden
sich in der Kapelle im Partener Ortsteil Loch bis zum Anfang
des 20. Jahrhunderts mehrere spätgotische Altarfiguren.
Bis auf eine Madonna, die sich heute in Montafoner Privatbesitz
befindet, wurden alle weiteren in den 1920er Jahren
in Richtung Tirol verkauft, wo sich die Spuren verloren haben.
22
Konrad Honold hat die Sage von der Malerkapelle in einem
Wandbild in der Volksschule von Partenen festgehalten.
Dieses Bild zeigt nicht nur sein Interesse an der lokalen
Geschichte, sondern im Besonderen auch an den mittelalterlichen
Schnitzfiguren. Neben der Malerkapelle werden
der Kirchenbrand von 1800, Bischof Franz-Josef Rudigier,
als großer Sohn der Berggemeinde, und das ehemalige, in
den Fluten des Silvretta Speichers untergegangene Veltliner
Hüsli gezeigt, das die Montafoner Tradition der Landwirtschaft
und des grenzüberschreitenden Handels versinnbildlicht.
Das gotische Tragaltärchen aus Silbertal aus Montafoner
Privatbesitz
Bleiben wir noch kurz bei einem Werk, das von Konrad Honold
publiziert worden ist. Ein interessantes Objekt aus der
Zeit der Spätgotik hat sich nämlich in Privatbesitz erhalten.
Es handelt sich um ein so genanntes „Tragaltärchen“, das
sich ursprünglich in Silbertal befunden hat. Das Werk zeigt
einen kleinen Schrein mit den Maßen 22 cm (für die Höhe)
und 17,7 cm (für die Breite). Vor den Resten des Goldhintergrundes
ist ein Relief mit der hl. Familie zu sehen. Maria
und Josef beten das auf dem Boden liegende Kind an.
Um dem Kind das Liegen zu erleichtern, ist der verlängerte
Mantel Mariens als Unterlage ausgebreitet. Während
der Schrein und das Relief spätgotischen Ursprungs sind,
stammen die beiden Flügel mit naiver Bauernmalerei aus
dem 19. Jahrhundert. Von der beschnittenen Predella sind
nur noch vier Zentimeter übrig geblieben. 23
Aufgrund der reduzierten Erhaltung waren die Fragen zur
Herkunft des Objektes schwieriger zu beantworten. Formal
beziehungsweise stilistisch ist eine Datierung in die Spätgotik
um 1500 anzunehmen. 24 Die beiden auf den Resten
der Predella erkennbaren Wappen geben wichtige Auff schlüsse. Wir finden hier das Wappen der Besserer, einer
Patrizierfamilie aus Ulm; das zweite Wappen stammt aus
dem Geschlecht der Frau dieses Besserers. Konrad Honold
erkannte den Ravensburger Lietfriedus Besserer mit seiner
ersten Frau Agnes Humpis als Stifter, der 1507 als verstorben
geführt wird. 25 Zweifellos haben die Stifter das Werk in
einer Ravensburger oder vielleicht Ulmer Werkstatt in Auff trag gegeben. Wie das Altärchen ins Silbertal gekommen
ist, wissen wir nicht.
Die Montafoner Wappen
Die Vorliebe für das Mittelalter mag ein wesentlicher Gesichtspunkt
in der Betrachtung der Wappen aus der Hand
Honolds sein. Das Interesse an der Grafik, erinnern wir nur
an die Illustration des von Natalie Beer aufgezeichneten
Weihnachtsliedes von Walther von der Vogelweide, 26 ist ein
zweiter Aspekt, den Honold bei der Befassung mit der Heraldik
schätzte. Und dann gilt es noch einmal festzuhalten,
dass Honold auch die lokale Geschichte sehr faszinierte,
nicht umsonst hat er sich für Belange des Heimatschutzes
eingesetzt.
Die Restaurierungen der Kapellen an der Litz in Schruns 27
und Maria Schnee in Gaschurn 28 wurden von Honold auch
wissenschaftlich untersucht und haben deshalb einen über
die reine Erhaltung der Objekte hinausgehenden Wert. Dies
gilt es zu beachten, wenn wir nun näher auf seine Montafoner
Wappen eingehen.

Lukas Tschofen (Volksschule Gaschurn)
Das Verständnis Honolds für die Gestaltung der Montafoner
Wappen wird aus dem inzwischen zerstörten Wandbild vom
alten Dawennasaal in Stallehr deutlich, das auf das Stallehrer
Wappen von 1964 Bezug nimmt.
Das Wappen zeigt in der oberen Hälfte zwei gekreuzte
Bergknappenwerkzeuge; die untere Hälfte ist mit den drei
Ringen des Geschlechts der Rüdberger gestaltet. Ausgangspunkt
für die Geschichte Stallehrs und somit für das Wappen
ist das Diebschlössle, welches nicht nur über den Ortschaften
Stallehr und Lorüns sondern auch über der Szene
des Wandbildes thront. Das Diebschlössle wird eindeutig
als mittelalterliche Lokalität ausgewiesen, sind doch die
Rüdberger als Ritter dargestellt, die – wie wir inzwischen
wissen fälschlicherweise – 29 als dort wohnhaft angenommen
wurden. Ein mittelalterliches Schloss mit seinen
wehrhaften Bewohnern sollte sich als Wappenmotiv also
bestens eignen.
Neben der Bezugnahme auf das Diebschlössle war es Honold
auch wichtig, die Verbindung Stallehrs zum Montafon
anzuzeigen. Hier eignete sich nicht die in den 60er Jahren
wohl als aktuell anzunehmende Charakterisierung des
Montafons als energiewirtschaftlich oder touristisch orientiertes
Tal, sondern der Künstler wählte auch hier ein mittelalterliches
Motiv: die Bergknappen. Alten Überlieferungen
zufolge sollen die Bergknappen von Bartholomäberg über
die Dawenna talauswärts gegangen sein, und sie hätten
erst in Stallehr wieder den Talboden erreicht. Zwei gekreuzte
Schlüssel waren im Übrigen nicht notwendig, hier genügte
die Nachahmung der Form durch die entsprechende Anordnung
der Werkzeuge. Der Grafiker Markus Bachmann war
zur selben Zeit in der eigentlichen Bergbauhochburg des
Tales, nämlich beim Wappen des Silbertals, ähnlich verfahren,
indem er einen Schlüssel mit einem Berghammer
kreuzte. Das Stallehrer Wappen ist ein schönes Beispiel für
den starken Bezug zum Mittelalter, den Konrad Honold besaß.
War es in Stallehr eine Burg, die auf das alte Geschlecht hinwies,
so ist es in Lorüns der Name des Geschlechts selbst,
der zum Maßstab wird. Hier erinnert Honold nämlich an die
mittelalterliche Familie der Arünser, die namengebend für
den Ort waren, und deren Wappen Vorlage für die moderne
Gestaltung war. 30
Das Vandanser Wappen stammte ebenfalls von Markus
Bachmann. Dass es nicht von Konrad Honold stammen
konnte, wird auf den ersten Blick deutlich: Honold wäre
wohl an der Ruine Valkastiel, einem bis vor kurzem vermuteten
Schloss Montafon, 31 sowie an alten, hier lebenden Geschlechtern
nicht vorbei gekommen. Bachmann hingegen
nimmt mit dem modern anmutenden Symbol des Blitzes
Bezug auf die für das 20. Jahrhundert bestimmende Energiewirtschaft.
Honold vergisst diesen Aspekt der Montafoner Geschichte,
aber als die Wappen von Gaschurn und Tschagguns jeweils
mit einem Wasserrad ausstattete, notierte er gleichzeitig
auch die Bedeutung der Mühlen und Sägen vergangener
Jahrhunderte. Dieser Blick in die Vergangenheit vermittelt
einen wichtigen, aber in der Gegenwart nicht mehr wahrgenommenen
Teil der Bedeutung der Wasserkraft. Die nicht
mehr existierende Darstellung eines Wandbildes an der Außenseite
der Volksschule in Partenen wirft dann aber doch
noch einen seltenen Blick Honolds auf einen Strommasten,
der wie kaum ein zweites Element die Kulturlandschaft des
Montafons im 20. Jahrhundert bestimmen sollte.
Das Gaschurner Wappen zeigt neben dem Wasserrad eine
Hellebarde, die uns Honolds Vorliebe für die weit zurückreichende
Lokalgeschichte zeigt. Im konkreten Fall verweist
die dargestellte Waffe auf den Gaschurner Lokalheros Lukas
Tschofen, der mit allerlei Wohltaten in Verbindung gebracht
wird. Wie sich die Schulkinder und damit Generationen
von Gaschurnerinnen und Gaschurner diesen Helden vorzustellen
hatten, wird durch das imposante Wandgemälde
in der dortigen Volksschule deutlich. Konrad Honold setzte
den auf einem Pferd heimkehrenden Lukas Tschofen in
Seite 317

den Mittelpunkt. Die Bevölkerung gibt in freudiger Erwartung
die Kulisse. Dass sich der Reichtum Lukas Tschofens
nicht auf einer geplünderten Kriegskasse gründete, und
dass es gleich vier wichtige Lukas Tschofen gab, ist seit den
Forschungen Manfred Tschaikners bekannt 32 und hat der
legendären Figur keinen Abbruch getan. Die Kapelle Maria
Schnee ist vom zweiten Lukas Tschofen gebaut worden, und
hat Honold bei der Restaurierung dieses barocken Kleinods
und Wahrzeichen Gaschurns noch einmal intensiv mit den
Tschofen beschäftigen lassen.
Das Tschaggunser Wappen, das übrigens am 17. März 1965
(dem Geburtstag des Verfassers) von der Gemeinde abgesegnet
wurde, zeigt die Abbildung der Wallfahrtskirche mit
dem spätgotischen Chor und dem markanten, typischen
Tirolerturm mit zwei Zwiebeln und Laterne. Auch in St.
Anton und in St. Gallenkirch hält Honold die Kirche fest.
In der lokalen Kirchengeschichte beziehungsweise in der
Bedeutung von Gotteshäusern vor Jahrhunderten sieht sich
die „Heimatkunst“, wie Wilfried Dür in seiner Diplomarbeit
zu Konrad Honold schreibt, 33 verwirklicht. Eine Kirchengeschichte,
die Honold im Besonderen fasziniert, ist jene von
Gortipohl, wo die Kirche 1689 von einer Lawine zerstört
worden ist. Das Wandbild bei der Gortipohler Volksschule
greift dieses Thema auf, Honold weitet den Schutzgedanken
Mariens allerdings auf alle Unwetterfolgen aus. Auf die
Darstellung des Partener Kirchenbrandes von 1800 in der
dortigen Volksschule wurde schon hingewiesen.
Lukas Tschofen hatte uns neben der Darstellung des Malers
in Partenen schon auf die Fährten von Legenden gebracht.
Bei der Gestaltung des St. Antoner Wappen taucht Honold
tief in die Montafoner Sagenwelt ein, stellt das Symbol des
auf den Kopf gestellten Dreibergs doch jenes Bergsturzereignis
dar, welches die sagenhafte Ortschaft Prazalanz verschüttet
haben soll. 34
Die nach Heiligen benannten Orte des Montafons – von St.
Anton abgesehen – weisen noch ein anderes Merkmal der
Gestaltung auf, nämlich die Darstellung eben jener Heiligenfiguren.
Der hl. Gallus mit seinem Attribut, dem Bär,
Seite 318
Kirchenbrand Partenen (Volksschule Partenen)
ziert das St. Gallenkircher Wappen. Beim Bartholomäberger
Beispiel sehen wir den hl. Bartholomäus mit jenem Messer,
das die seine Schinder verwendet hatten, um dem Apostel
die Haut abzuziehen.
In Eichenberg hatte Konrad Honold kurzerhand Eichen und
Berge dargestellt und damit den Typus des redenden Wappens
bedient. Im Montafon wird dies am Bartholomäberg
deutlich, wo nämlich bei genauerer Betrachtung der hl.
Bartholomäus auf einen Berg gestellt ist und damit genau
diesen Typus des redenden Wappens erfüllt. Ein anderes
wäre zweifellos in Silbertal möglich gewesen. Hier erhielt
Markus Bachmann den Auftrag, und er verzichtete auf diese
Möglichkeit der Umsetzung in Form der Wiedergabe
eines silberschimmernden Tales. Tatsächlich bezieht sich
Bachmann ganz allgemein auf die Walserherkunft, indem
er die drei Walsersterne ins Wappen integriert. Konrad
Honold hatte bei seinen Walserwappen, etwa für Sonntag
oder Dünserberg, jeweils den aufgerichteten Steinbock als
Zeichen der freien Walser von 1408 festgehalten. Ein Symbol,
das weitaus heroischer angelegt ist, als die dezenten
Sterne. 35
Die „Heimatkunst“ Konrad Honolds
Konrad Honold erhielt in den 50 und 60er Jahren des 20.
Jahrhunderts eine Reihe von öffentlichen Aufträgen, die
sich vor allem im blühenden Schulhausbau thematisch mit
der Lokalgeschichte auseinandersetzen sollten. Ähnlich
verlief die Situation bei den Banken, die auch gerne auf
Konrad Honold zurückgriffen, der mit seinen Themen auch
das Motiv der Landesverbundenheit der Banken auftraggebergerecht
umzusetzen wusste. 36
Die auf Heldentaten der lokaler Größen beruhende Stilrichtung
der „Heimatkunst“ kennen wir schon aus der Zwischenkriegszeit,
und sie hatte naheliegender Weise auch
im Nationalsozialismus Gefallen gefunden. Honold nahm
diese Richtung auf und führte sie in den späten 50er und
60er Jahre zu einer letzten Blüte.

Abschließende Bemerkungen
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Konrad Honold
im Unterschied zu Markus Bachmann viel konkreter
auf die zu „bewappnenden“ Orte und deren Geschichte
eingeht und sich dabei weniger um die Gegenwart und Zukunft
als viel mehr um weit zurückliegende Inhalte bemüht.
Diese Feststellung ist keine Überraschung, aber dennoch
Wert hier abschließend festgehalten zu werden.
Hans Bertle steht am Anfang einer der Vergangenheit heroisierenden
Kunst (die ihre Wurzeln schon im späten 19. Jahrhundert
hat) und die bei ihm auch einen Niederschlag in
der Gestaltung von „Events“ wie die Markterhebungsfeier
oder die Battloggspiele haben sollte. 37 Konrad Honold greift
dieses Genre zumindest in seiner Malerei auf, und man
bekommt das Gefühl, dass Hans Bertle durchaus Einfluss
genommen hat.
Konrad Honold ist ein zutiefst öffentlicher Künstler, dessen
Werke Generationen von Montafonerinnen und Montafoner
zumindest unbewusst betrachtet haben. Langsam aber sicher
gehen diese Arbeiten verloren, da nun die nächste Generation
der öffentlichen Bauten ansteht und die früheren
Werke Honolds Gefahr laufen, aus dem öffentlichen Raum
zu verschwinden. Die Wappen sollten aber bis auf Weiteres
eine bleibende Erinnerung an Konrad Honold darstellen.
1 Vgl. auch Ulrich Nachbaur, Über das Werden und Wesen von
„Marktgemeinden“ in Vorarlberg. Die Markterhebung von Schruns 1927,
in: Ulrich Nachbaur und Peter Strasser, Die Markterhebung von Schruns.
Marktgemeinden in Vorarlberg (Montafoner Schriftenreihe 13). Schruns
2004 S. 9-126, hier S. 70-83.
2 Andreas Rudigier, Der Heimatschutzverein Montafon. Ein Beitrag zu
seiner Geschichte, in: Andreas Rudigier (Hg.), Heimat Montafon. Eine
Annäherung. Schruns 2007, S. 177-222, hier S. 211.
3 Rudigier (wie Anm. 2), S. 211, und N. N., Interlaken und Bludenz, in:
Manfred Tschaikner, Bludenz Lesebuch. Allerlei übers Städtle. Dornbirn
2007, S. 105-106.
4 Rudigier (wie Anm. 2), S. 197.
Märzengericht, Schruns 1840
(Sparkasse Schruns)
5 Siehe dazu Rudigier (wie Anm. 2), S. 211-212.
6 Siehe hiezu die Übersicht in: Susanne Fink, Kunst und Bau in Vorarlberg
seit 1945 (Schriften des Vorarlberger Landesmuseums, Reihe B.
Kunstgeschichte und Denkmalpflege 4). Bregenz 2003.
7 Vgl. zu Konrad Honold etwa Gert Ammann, Zum Werk Honolds,
in: Konrad Honold. Schruns. Gemälde, Zeichnungen, Monotypen,
Wandbilder, Glasmalereien, Mosaiken. Katalog zur Ausstellung im
Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis. Bregenz 1979, unpag.; Andreas
Rudigier, Altobmann Konrad Honold ist 85 Jahre alt, in: Jahresbericht
der Montafoner Museen, des Heimatschutzvereins Montafon und des
Montafon Archivs 2003, S. 66-67; Wilfried Dür, Konrad Honold. Kunst
am Bau und sakrale Werke. Dipl. Arb. Innsbruck 2006, S.5-9; Bildende
Kunst in Vorarlberg 1945-2005. Biografisches Lexikon. Hohenems 2006,
S. 149.
8 Siehe dazu etwa Rudigier (wie Anm. 2), S. 217-220.
9 Konrad Honold, Ein unbekanntes Bildnis Kaiser Maximilians I. von
Bernhard Strigel, in: Tiroler Heimatblätter 42 (1967), S. 33-39.
10 Erwin Heinzle, Wolf Huber (um 1485-1553). Innsbruck 1953.
11 Konrad Honold, Die Bedeutung der Wappenrolle von Zürich für
Vorarlberg, in: Montfort 36 (1984), S. 26-233, und Konrad Honold, Die
Bedeutung der Wappenrolle von Zürich für Vorarlberg, in: Montfort 47
(1995), S. 131-144.
12 Konrad Honold, Eine vierte Nibelungenhandschrift aus dem Gebiet der
Grafen von Montfort und von Werdenberg, in: Montfort 40 (1988), S.
21-32.
13 Konrad Honold, Die Ährenmadonna von Tschagguns, in: Montfort 41
(1989), S. 223-231.
14 Konrad Honold, Gotisches Tragaltärchen aus Silbertal und die
Verbindung zu Martin Schongauer, in: Montfort 42 (1990), S. 179-194.
15 Honold, Ährenmadonna (wie Anm. 13), S. 223-224.
16 Ebenda, S. 230-231.
17 Ebenda, S. 224.
18 Ebenda.
19 Ebenda, S. 226.
20 Ebenda.
21 Vgl. Ernst Rudigier, Gaschurn und Partenen im Montafon mit seinen
Kirchen und Kapellen. Bad Buchau o.J., S. 29-30.
22 Siehe dazu auch Rudigier (wie Anm. 21), S. 30.
23 Honold, Tragaltärchen (wie Anm. 14), S. 179-180.
24 Ebenda, S. 181.
Seite 319

25 Ebenda, S. 181-182.
26 Natalie Beer, Walthers Weihnachtslied. Dornbirn 1985 (von Konrad
Honold in Zierschrift geschrieben und illustriert).
27 300 Jahre Litzkapelle. Schruns 1988 (Text von Konrad Honold).
28 Konrad Honold, 350 Jahre Kapelle Maria Schnee in Gaschurn, in:
Montfort 40 (1988), S. 222-239, und Konrad Honold, Kapelle Maria
Schnee. Gaschurn/Montafon (Schnell Kunstführer 1882). München-
Zürich 1991.
29 Die Anlage des Diebschlössles wurde nie fertig gebaut; vgl. den
Befund in Karsten Wink, Christina Kaufer und Ralf Wallnöfer, Die
archäologischen Grabungen auf dem Diebschlössle, in: Ausgrabungen
im Montafon. Diebschlössle und Valkastiel, hg. von Karsten Wink
(Montafoner Schriftenreihe 14). Schruns 2005, S. 42-45.
30 Brigitte Truschnegg, Lorüns. Dorfgeschichte in Schrift und Erzählung
(Sonderband zur Montafoner Schriftenreihe 2). Lorüns 2006, S. 35.
31 Alois Niederstätter, Das „Schloss Montafun“ – eine historische Fiktion!,
Ausgrabungen im Montafon. Diebschlössle und Valkastiel, hg. von
Karsten Wink (Montafoner Schriftenreihe 14). Schruns 2005, S. 9-12.
32 Manfred Tschaikner, Lukas Tschofen von Gaschurn – Zur Geschichte
einer Montafoner Oberschichtfamilie im 16. und 17. Jahrhundert,
in: Andreas Rudigier und Manfred Tschaikner, Lukas Tschofen und
Gaschurn (Bludenzer Geschichtsblätter 14+15). Gaschurn 1993, S. 9-86.
33 Dür (wie Anm. 7), S. 42.
34 Vgl. etwa Franz Elsensohn, Montafoner Sagenreise. Götzis 2006, S. 69-
80.
35 Siehe dazu auch Hans Jäger-Sunstenau, Der Heraldiker Konrad Honold
und seine Vorarlberger Gemeindewappen, in: Adler. Zeitschrift für
Genealogie und Heraldik 10 (1974-1977), S. 58-59.
36 Vgl. auch Dür (wie Anm. 7), passim.
37 Siehe dazu Peter Strasser, Die Schrunser Markterhebungsfeier 1928, in:
Ulrich Nachbaur und Peter Strasser, Die Markterhebung von Schruns.
Marktgemeinden in Vorarlberg (Montafoner Schriftenreihe 13). Schruns
2004S. 127-207.
Seite 320

Die Morphologie der Landschaft
Pfänderstock und Bodensee berühren sich an der Klause,
die Verkehrswege werden dort einem Fächer gleich zusammengepresst.
Die Klause begründete die strategische Bedeutung
von Bregenz, war aber gleichzeitig ein Verkehrshindernis
ersten Ranges. Der Bodensee, der jahrhundertlang
Bregenzersee hieß, wirkt auf der Landkarte wie ein Sperriegel,
der Schwaben vom Alpenraum trennt. In Wirklichkeit
verband der Bodensee seit der Antike die Menschen.
Aus der Siedlungsgeschichte
Das Rheintal wurde vor etwa 10.000 Jahren über die natürlichen
Zugänge von Norden entlang der Bodenseeufer und
von Westen über die Walenseefurche erschlossen. Für diese
Zeit lässt sich selbstverständlich noch nicht historisches
Geschehen darstellen, ebenso bleibt die ethnische Zusammensetzung
der während der sogenannten Neolithischen
Revolution sesshaft werdenden Siedler unklar. Die Zentren
früher Siedlungstätigkeit in Vorarlberg waren das Rheintal
und der Walgau. In ur- und frühgeschichtlicher Zeit waren
vor allem die Inselberge im Raum Götzis, das Vorderland
mit der Feldkircher Gegend und die Umgebung von Bregenz
und Bludenz bewohnt. Daran sollte sich bis zum Ende des
frühen Mittelalters um 1000 nur wenig ändern.
Die Räter
Ausstellung „Das Gebiet der Stadt Bregenz im Wandel der Zeiten – Von den Marken des städtischen Gerichts zu den
Grenzen der Gemeinde“; Bregenz, Magazin 4, 16. Oktober bis 7. November 2008
Thomas Klagian (geb. 1970 in Bregenz), Mag. phil., seit 1998 Stadtarchivar der Landeshauptstadt Bregenz
Das Gebiet der Stadt Bregenz im
Wandel der Zeiten
Von den Marken des städtischen Gerichts zu den Grenzen der Gemeinde
Thomas Klagian
Um ein Volk ethnisch näher bestimmen zu können, bedarf
es sprachlicher Zeugnisse, die aber aus dem Alpenraum nur
in Spuren erhalten sind. Die lateinischen und griechischen
Quellen sprechen unisono von Rätern, wann immer von den
Bewohnern des Alpenraums die Rede ist, eine Klassifizierung,
die auf mangelhaften Kenntnissen der tatsächlichen
Verhältnisse beruhte. In den Alpen lebte wohl eine Vielzahl
von kleinräumigen Ethnien mit unterschiedlichen Spra-
chen. Bis in die frühe Bronzezeit um 1.500 v. Chr. reichen
die ältesten Funde aus Bregenz zurück; sie stammen aus
der Gegend an der Kennelbacherstraße gegen die Bregenzerach
zu.
Die Kelten
Das um 400 v. Chr. einwandernde keltische Volk der Brigantier
siedelte auf der Terrasse des Ölrains. Brigantion, so
nannte Strabon um die Zeitenwende die Siedlung, war wohl
der zentrale Ort für ein Gebiet, das wesentlich größer war
als das heutige Vorarlberg.
Die Römer
Im Jahr 15 v. Chr. eroberten die Römer den Alpenraum und
somit auch Bregenz. Die Römer errichteten zunächst ein
wall- und grabengeschütztes Militärlager auf dem Ölrain,
das Mitte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts von einer
städtischen Anlage abgelöst wurde. In der Spätantike
befand sich auf dem Plateau der Oberstadt eine bescheidene,
leicht befestigte Rückzugssiedlung.
Die Alemannen
Seit dem 3. Jh. hatten die Alemannen immer wieder das
römische Grenzgebiet heimgesucht, ohne sich in Vorarlberg
niederzulassen. Erst nach dem Zusammenbruch des
Weströmischen Reiches gegen Ende des 5. Jh. wurden die
Alemannen während der beiden folgenden Jahrhunderte
bei uns sesshaft.
Das einstige alemannische Dorf Bregenz, das vor der mittelalterlichen
Stadtgründung den Kern von Bregenz gebildet
hat, lag am stadtwärts gelegenen Teil der Ölrainterrasse
und reichte vom Babenwohlweg hinter der Pfarrkirche St.
Gallus bis hinüber zur alten Landstraße – der Gallusstraße
- und bis zum Anfang der Kirchstraße hinab.
Seite 321

Die mittelalterliche Stadtgründung
Die Bregenzer Grafen beherrschten das Bregenzerland vollkommen:
jenes Gebiet, in dem das Dorf Bregenz und die
beiden herrschaftlichen Großhöfe Rieden und Steig mit ihren
zahlreichen Bauerngütern lagen.
Den entscheidenden Schritt in der Siedlungsgeschichte von
Bregenz setzte um die Mitte des 13. Jh. Graf Hugo II. von
Montfort mit der Neu-Gründung der Stadt auf dem Plateau
der Oberstadt. Die 802 urkundlich erwähnte Burg Bregenz
ist wohl hier zu suchen. In unmittelbarer Nähe dieser Burg
standen vielleicht ein paar einfache Häuser mit Wohnungen
und Werkstätten für Dienstmannen, Hofleute und Handwerker.
Die neu gegründete Stadt bestand aus etwa 60 Hofstätten
- Platz für Haus und Hof -, die Erblehen des Grafen waren.
Ihre Inhaber waren Eigenleute des Stadtherren und damit
in ihrer Freiheit eingeschränkt. Sie zahlten Hofstattzins,
lieferten Mist für die gräflichen Weinberge und verrichteten
Wachdienste; vom Todfall - einer Art Erbschaftssteuer, starb
der Familienälteste musste das beste Stück Vieh abgegeben
werden - und vom Frondienst waren sie befreit. Todfallpflicht
und der eintägige Frondienst, der Tagwan, begannen
genau an der Stadtgrenze.
Im Jahr 1260 tritt uns Bregenz in einer Urkunde zum ersten
Mal als Civitas, als Stadt im Rechtssinn entgegen.
Die Oberstadt ist eine Festung von Natur aus, auf drei Seiten
geschützt durch eine steile Halde, nur auf der Bergseite
wie über einen Flaschenhals verbunden mit dem Pfänderstock.
Dort, an der schwächsten Stelle, stand die Burg
beiderseits des Oberen Tores, das Haus der Grafen mit der
Kemenate. Beim heute noch erhaltenen Beckenturm stand
das älteste bekannte Zeughaus. Jenseits des Oberen Tores
an der Ostecke stand der Turm – der Bergfried -, das mäch-
Seite 322
tigste Bauwerk der Stadt. Nach Norden hin entlang der
Stadtmauer schlossen sich an: die Mühle, die Wette oder
Rossschwemme, die Schmiede und die Badstube. Zur Burg
gehörte der Vorplatz – der spätere Marktplatz – mit dem
Brunnen. Dieser Brunnen hatte eine eigene Zuleitung aus
einer Brunnenstube oberhalb des Stockachs (Berg Isel), die
auch des Grafen Wohnsitz vor der Stadt, das Gut Mildenberg
versorgte.
Am Unteren Tor befand sich der Hof oder das Höflin als
Sammelstelle für die herrschaftlichen Abgaben, wohl am
Standort des erst 1599/1601 als Hochwacht errichteten
Martinsturms. Außerhalb der Stadtmauer lag nach späterer
Überlieferung ein Garten mit Hundezwinger im Eigentum
des Stadtherrn.
Eine breite Gasse von Tor zu Tor halbiert die Oberstadt, ihr
parallel verlaufen zwei schmälere Gassen gegen den Terrassenrand
zu. Die mittlere Gasse hieß Vordergasse, die parallelen
hießen beide Hintere Gasse. Die Raumvorstellung
der alten Bregenzer ging von der zentralen Achse aus, sie
unterschied nicht drei Gassen wie wir, sondern nur zwei,
eine vordere und eine hintere, die sich in zwei unverbundene
Äste teilt.
An der Vordergasse, am heutigen Ehregutaplatz, befanden
sich einander gegenüber die öffentlichen Gebäude der
Metzg und der Brotlaube.
Auf den Hofstätten standen wohl einstöckige Holzhäuser,
die Traufseite zur Gasse, mit dem Stall im engen Höflein
dahinter. Auch die Burghalde wurde ausgeteilt, die langen,
schmalen Streifen – Baum- oder Rebgärten – lagen zumeist
hinter dem Haus des Besitzers, getrennt durch Mauer und
Wehrgang – die Ausgabe erfolgte also vermutlich noch vor
dem Bau der Mauer.

Der Stadtgerichtsbezirk
Graf Hugo II. von Montfort trennte den Bezirk, den er Stadtammann
und Rat zugewiesen hatte, das Stadtgericht,
durch die Vermarkung bestimmter Grenzen aus Hofrieden
heraus. Dieser Stadtgerichtsbezirk deckte sich wohl mit
dem Umfang der Siedlung, beschränkte sich anfangs also
auf die Oberstadt.
Im Stadtgerichtsbezirk galt das Stadtrecht, innerhalb dieses
Bezirks hatte der Stadtherr Zwing und Bann inne, das Recht
unter Strafandrohung verbindliche Gebote und Verbote zu
erlassen. Das Recht war aber nach mittelalterlichen Vorstellungen
nicht an das Territorium gebunden, sondern an die
Menschen, und so galt das Stadtrecht auch für Bregenzer
Bürger, die außerhalb dieses Bezirks wohnten. In Mittelalter
und früher Neuzeit war die Gerichtszugehörigkeit weniger
räumlich bestimmt als vielmehr durch die Zugehörigkeit
zu einem bestimmten Personenkreis oder Personenverband.
Da die Hofstätten Erblehen des Grafen waren, bestimmte er
allein über die Verleihung des Bürgerrechts und damit über
die Zusammensetzung der Bürgerschaft.
1250-1300: Maurach
Burg in der Oberstadt 1857,
kurz vor dem Abriss
In der zweiten Hälfte des 13. Jh. entstand unter der Stadt
eine Vorstadt, in jener Gegend, die nach den vielen Mauerresten
aus der Römerzeit Maurach hieß. Der Stadtherr gab
weitere 30 ihm zinspflichtige Hofstätten aus, die beidseits
der Maurachgasse zwischen dem Weißenreutebach und
dem Thalbach lagen.
1300-1380: gräfliches Ried, Fahrlehen, Eichholz,
Steinebach
Spätestens im 14 Jh. wurde das Maurach befestigt, am Leutbühel
stand ein Tor, wie die bis ins 17. Jh. belegte Ortsbezeichnung
„Vor dem Tor“ für die Häuser unterhalb dieses
Platzes zeigt. Der Leutbühel ist nichts Anderes als der Lückenbühel,
früher Lugbühel, weil sich dort eine Lücke, ein
Tor befand.
Ins frühe 14. Jh. fällt die Ausgabe weiterer 30 dem Grafen
zinspflichtiger Hofstätten im Bereich des Rieds (Kaiserstraße),
auf der Allmende dieses Namens, die sich dem Seeufer
entlang Richtung Mehrerau erstreckte. Das Ried war unkultiviertes,
sumpfiges und nicht selten überschwemmtes
Weideland. Die Grenze der neuen Siedlung beidseits der
Riedgasse bildeten gegen Süden hin der Thalbach und ein
zum See ziehender Graben, der als Grenzmark der Stadt Eegraben
hieß (entlang der Jahnstraße); Richtung See reichte
die Verbauung bis etwa auf die Höhe der Schulgasse.
Seit dem ausgehenden 13. Jh. war das Holzwerk ein wichtiger
Erwerbszweig. Das Holz wurde im Bregenzerwald geschlägert
und auf der Bregenzerach in die Bregenzer Bucht
geflößt. Auf dem Steinach, dem Bregenzer Kiesufer, vom
Vatzenwasen (Kornmarktplatz) stadtauswärts standen die
Hütten und Werkstätten, in denen das Holz verarbeitet wurde.
Alt sind auch die Fahrlehen, deren Inhaber verpflichtet waren,
für den Grafen Fahrdienste auf dem See zu leisten. Die
Fahrlehen finden wir auf zwei Fluren: „Vor dem Maurach“
und „Ob dem Kalkofen“. „Vor dem Maurach“ ist die Gegend
vom Beginn der Obergasse (Anton Schneiderstraße) bis
über die Brandgasse hinaus, „Ob dem Kalkofen“ liegt am
Vatzenwasen, wo heute das Hotel Messmer steht.
Holzhütten und Fahrlehen lagen ursprünglich außerhalb
des Stadtgerichts.
Seite 323

Am Eichholz – zwischen Brandgasse und Eichholzstraße –
lagen einige Hofstätten. Später unterschied man das vordere
und das hintere Eichholz, beide waren alte Lehen des
Klosters Mehrerau.
Am Steinebach, weit außerhalb der Stadt und jenseits der
Stadtgrenze auf Hofrieder Boden, standen mehrere Höfe
und Mühlen.
Die Stadt Bregenz zählte in der zweiten Hälfte des 14. Jh.
kaum mehr als 500 bis 700 Einwohner.
Exkurs Wirtschaft
Im Jahr 1330 erhielt Bregenz ein kaiserliches Privileg, das
den – wohl schon seit dem 13. Jh. bestehenden - montäglichen
Wochenmarkt mit jenen Rechten ausstattete, die
den Märkten der Reichsstädte zukamen. Im Regelfall ist der
Markt die wichtigste Einnahmequelle einer Stadt, nicht so
in Bregenz, denn die Stadt lag abseits der Handelsstraßen.
In Mittelalter und Neuzeit wählte man, wann immer es ging,
den Wasserweg; und so lief der lukrative Italienhandel von
Lindau oder Konstanz über den Bodensee nach Fußach und
dann weiter nach Feldkirch oder direkt auf dem Rhein nach
Chur.
Der Bregenzer Wochenmarkt fand auf dem kleinen Platz vor
der Burg statt. Eine gewisse Bedeutung erlangte der Markt
nur für die unmittelbare Umgebung der Stadt, sein Einzugsgebiet
war klein. Das Handwerk blieb überhaupt auf den
lokalen Bedarf beschränkt. Und so erstaunt es nicht, daß
sich der Markt weder als Marktplatz noch als Marktstraße
verewigt hat.
Weinbau und Weinhandel bildeten ursprünglich einen sehr
einträglichen Erwerbszweig der Bregenzer, wobei der Graf
selbst der größte Weinbauunternehmer war. Der Bregenzer
fürnehmste Hantierung, so Schleh in seiner Emser Chro-
Seite 324
nik aus dem Jahr 1616, war der Holzhandel. Die Bregenzer
Holzleute betrieben seit dem ausgehenden 13. Jh. das kapitalintensive
Holzwerk gemeinschaftlich, das gegen ein
jährliches Schirmgeld, die Achlöse, unter gräflichem Schutz
stand. Produziert wurden Bretter, Balken, Schindeln und
vor allem Rebstecken. Die Holzwaren wurden mit großen
Lastenseglern zu den anderen bedeutenden Bodenseeorten
verschifft.
Das „Bregenze stade“, das Bregenzer Ufergelände wird
1249 erstmals genannt, dort befand sich wohl auch die
Schiffsanlegestelle. Lastensegler aller Art durchpflügten
den See: Lädinen (Lädi leitet sich von Last her), Halblädinen,
Segmer (von lateinisch sagma, die Last), Halbsegmer,
Viertelsegmer und noch kleinere Schiffe, die man auf gut
bregenzerisch als „Gundele“ bezeichnen würde.
Im Jahr 1390 konnten Schiffe an den „Seepfahlen“, an in
Ufernähe eingerammten Pfählen anlegen. Schon 1299
scheint der Familienname Seehuser auf, der sich wohl vom
Seehaus, von der den Hafen schützenden Seeburg ableitet.
Die Seeburg wurde 1811 unter bayrischer Herrschaft abgerissen.
1380-1484: städtisches Ried, Insel, Graben, Vatzenwasen,
Kirchgasse
Ende des 14. Jahrhunderts ergriff die Stadtgemeinde die
Initiative. Sie teilte das ihr zugewiesene Allmendland unterhalb
des gräflichen Rieds an Siedler aus – in Verlängerung
der bereits bestehenden Riedgasse. Diese Hofstätten
waren doppelt zinspflichtig, sie zahlten einen Zins an die
Stadt und den üblichen Hofstattzins an den Grafen.
Etwa zeitgleich gab die Stadt vereinzelte Hofstätten im Bereich
der Insel (Inselstraße), des Grabens (Rathausstraße)
und des Vatzenvasens (Kornmarktplatz) aus. Diese Hofstätten
zahlten nur noch den städtischen Zins. Eingerahmt von

Bis 1350
Um 1409
Um 1480
Seite 325

Thalbach und Weißenreutebach verdiente die Insel ihren
Namen. Dem Vatzenwasen gab der Hofstättenbesitzer Vatz
den Namen.
Die Stadtgrenze hatte sich bereits vor 1380 vom Graben, in
dem der Weißenreutebach floß, bis zum Eichholzbach vorgeschoben.
Die Hofstätte der Seehuser (heute Hotel Messmer)
war das erste Haus jenseits der Stadtgrenze.
Seit etwa 1400 begann sich die Stadt in das Gebiet der
heutigen Kirchstraße auszudehnen. Der heutige Gasthof
Hirschen (Kirchstraße 8) ist als ältestes Haus der Kirchgasse
im Jahr 1427 belegt. Es stand damals „In der Vorstadt“
und hatte noch keine Nachbarn. Der älteste Teil der Gasse
dem Thalbach entlang hieß bezeichnend „Hinter dem Maurach“.
Der Name Kirchgasse scheint 1463 zum ersten Mal
auf. Diese Gasse war ursprünglich Teil der alten Landstraße,
die über die heutige Gallusstraße und die Riedergasse
zur Heufurt führte – das war lange vor dem Bau der Lauteracher
Brücke 1517. Zum Kirchweg wurde sie erst mit dem
Ausbau der Vorstadt, mit der Verlagerung des städtischen
Lebens Richtung See. Die Kirchgasse wuchs rasant, bereits
um 1480 standen hier in etwa ebenso viele Häuser wie heute.
Die Häuser der Kirchgasse lagen damals noch außerhalb
der Stadtgrenze, die vom Thalbach gebildet wurde.
In den 1440er-Jahren standen auf dem städtischen Ried
beim Weiher eine Mühle und eine Gerberei.
1484 setzte Bregenz im Bereich der Kirchgasse eine Stadterweiterung
auf Kosten Hofriedens durch. Die Stadtgrenze
wanderte vom Thalbach zum Thalbachgässele und zum
Weg zur Linden (die Wolfeggstraße) und verlief von dort hinter
den nordseitigen Hausgärten der Kirchgasse abwärts in
den Eegraben.
Die Stadt Bregenz hatte damals etwa 1.200 Einwohner.
Seite 326
Verfassung und Verwaltung
Bregenz hatte kein großartiges altes Stadtrecht, die Bregenzer
Bürger lebten nach Gewohnheitsrecht, und das Recht
ging vom Stadtherrn aus. Die Bregenzer Grafen sahen keine
Notwendigkeit, ihrer Stadt ein schriftlich fixiertes Stadtrecht
zu verleihen, denn so blieben ihnen mehr Möglichkeiten,
auf die Stadt und ihre Bürger Einfluss zu nehmen.
Wenn gewohnheitsrechtliche Bestimmungen aufgezeichnet
oder modifiziert werden mussten, veranlasste dies der
Stadtherr.
Bis zum Ende des Mittelalters ist über das innerstädtische
Leben, über Verfassung, Verwaltung und Rechtspflege nur
wenig bekannt. Zugleich mit der neuen Siedlung in der
Oberstadt schuf der Stadtgründer Graf Hugo II. von Montfort
die Stadtgemeinde als einen Bereich eigenen Rechts
mit einer eigenen Obrigkeit. Dem Stadtammann stand
spätestens seit 1349 ein Rat zur Seite. Der Stadtammann
war Richter in niedergerichtlichen Fällen, der Rat hatte die
Marktaufsicht inne und saß mit dem Stadtammann zu Gericht.
Stadtammann und Rat waren keine gewählten Vertreter
der Bürgerschaft, sondern wurden vom Stadtherrn
eingesetzt. Dem zwölfköpfigen Rat wurde 1436 ein Rat aus
acht Mitgliedern beigesellt. Der alte Zwölferrat saß zu Gericht
– aus ihm entwickelte sich das Stadtgericht -, der Achterrat
(der kleine Rat) besorgte die Verwaltung. Rechtsprechung
und Verwaltung lagen in einer Hand, sie waren noch
nicht im Sinn der modernen Gewaltenteilung voneinander
geschieden. Das Amt des Stadtammanns und die anderen
städtischen Funktionen waren ehrenamtlich, die Amtsinhaber
Honoratioren im eigentlichen Sinn des Wortes, ihre
Dienste blieben unbezahlt.
Teilung von Grafschaft und Stadt Bregenz – Übergang an
Österreich
1379 teilten die Bregenzer Montforter Grafschaft und Burg
Bregenz, nicht aber die Stadt und die Vogtei über das Kloster
Mehrerau. Der südliche Teil umfasste Hofsteig, Alber-

Bregenz um 1647
(Matthäus Merian)
schwende, Lingenau (und die Herrschaft Hohenegg), der
nördliche Hofrieden, Sulzberg und Oberlangenegg. 1409
teilten die Bregenzer Montforter auch die Stadt: die Teilungslinie
verlief mittendurch, vom Oberen zum Unteren
Tor, von dort durch das Maurach und das Ried bis zum See.
1451 erwarb Österreich den südlichen Teil von Grafschaft
und Stadt Bregenz, 1523 den nördlichen.
Erst in österreichischer Zeit, 1529, erhielt die Stadt Bregenz
ein eigenes Wappen und das Siegelrecht. Mit dem Übergang
an Österreich begann der langsame Aufstieg der Stadt
in rechtshistorischer Hinsicht.
Der sogenannte Stadtbrauch von 1582/90 bzw. 1594 fasste
einen Teil des geltenden Rechts zusammen, einen Teil wohlgemerkt,
nach wie vor galt auch Gewohnheitsrecht, das alte
Herkommen. Zudem griff man zur Rechtsfindung auf Gerichtsurteile,
Privilegien und Verträge zurück. 1579 wurden
die letzten Bregenzer Bürger aus der Leibeigenschaft entlassen.
Seit 1594 hatte ein Wahlmännerkollegium - bestehend
aus dem bisherigen Ammann, den Altammännern und den
ältesten Ratsmitgliedern - das Recht inne, dem habsburgischen
Vogt und den Amtleuten drei taugliche Bürger für
das Ammannamt vorzuschlagen. Vogt und Amtleute waren
freilich an diesen Dreiervorschlag nicht gebunden.
Seit 1643 schließlich durfte ein Teil der männlichen Bevölkerung
den Stadtammann und das Gericht (den großen Rat)
frei wählen, der kleine Rat, der die Verwaltung besorgte,
wurde nach wie vor von der Obrigkeit eingesetzt.
1484-1602: die große Stadterweiterung
Zweimal im 15. Jh. war die Vorstadt in Flammen aufgegangen:
1406 im Appenzellerkrieg und 1445 im Alten Zürichkrieg.
Die Jahre danach waren eine Zeit des bescheidenen
Aufschwungs, die Häuserreihen verdichteten sich, der
Leutbühel rückte ins Zentrum. Hier trafen sich die Maurachgasse,
die Riedgasse und die alte Landstraße, die von der
Kirchgasse herabführte und über die Obergasse und den
Vatzenwasen nach Schwaben weiterging. Um 1500 verlagerte
sich das Marktgeschehen von der Oberstadt auf den
Leutbühel.
Die Bregenzer Flur
Anders als viele Städte besaß Bregenz aus dem Erbe seiner
dörflichen Vergangenheit eine weitläufige fruchtbare
Ackerflur. Sie reichte von der Klause bis an den Südrand
der Ölrainterrasse. Die Auflösung des aus fränkischer Zeit
stammenden Dorfs war im 14. Jh. schon sehr weit fortgeschritten,
nur mehr wenige Häuser lagen im Dorf.
Ihre Flur bearbeiteten die Bregenzer auch nach der Stadtgründung
im gemeinsam geregelten Dreifelderbetrieb - mit
ihrem im Kreis wandernden Anbau: Im jährlichen Wechsel
wurde ein Feld mit dem vor dem Winter gesäten Wintergetreide
(Roggen, Vesen) und eines mit dem nach dem Winter
gesäten Sommergetreide (Hafer, Hirse, Gerste) bestellt. Das
dritte Feld lag brach und diente als Weide. Diese drei großen
dem Flurzwang unterliegenden Felder hießen in Bregenz
wie andernorts auch Esche:
Der Esch hinter dem Gottesacker unter dem Ölrain reichte
von den Häusern der untersten Kirchstraße und vom Beginn
der heutigen Wolfeggstraße bis zum Erawäldele, immer unterhalb
der Ölrainterrasse bleibend. Die Ölrainterrasse teilten
sich der seeseitig gelegene Esch auf dem Ölrain und der
bergwärts gelegene Bregenzer Esch. Die Etymologie des Namens
Ölrain ist nach wie vor nicht geklärt. Vielleicht verbirgt
sich dahinter die Erle aus der Familie der Birkengewächse:
aus dem Erlenrain wäre dann ein verballhornter Ölrain geworden.
1506 war das System der Dreifelderwirtschaft noch intakt,
1553 beschäftigte die Stadt drei Eschbeschauer (Feldaufseher),
einen Hirten und zwei Bannwärter (Waldaufseher);
1603 nur mehr einen Eschbeschauer. Zur selben Zeit verschwanden
die Esche aus den Urkunden. Irgendwann in der
zweiten Hälfte des 16. Jh. erhielten die Grundbesitzer von
Seite 327

der Gemeinde die Erlaubnis, ihre Gründe vom Flurzwang
losgelöst frei zu nutzen; die genossenschaftlich betriebene
Dreifelderwirtschaft wurde Geschichte.
Das andere größere Ackergebiet lag an der Obergasse (Anton
Schneiderstraße) und reichte vom Eichholzbach über
den Steinebach bis zum Tannenbach. Eine Flucht von langen
Ackerstreifen, die nie dem Flurzwang unterlagen, stieß
auf die Obergasse herab.
Ein Großteil der Bregenzer Ackerflur lag also außerhalb
des Stadtgerichts und unterlag damit der Flurhoheit des
Gerichts Hofrieden, was den Bregenzern naturgemäß nicht
schmeckte.
Die Stadt Bregenz kontrollierte ihr Umland wirtschaftlich
und politisch
Die führenden Bregenzer Geschlechter hatten gewaltigen
Grundbesitz in Hofrieden und in Hofsteig. Sie übten dort
zudem – zusammen mit dem Kloster Mehrerau - als wichtigste
Geldgeber und Geldverleiher eine regelrechte Finanzherrschaft
aus.
Die Stadt Bregenz hatte ursprünglich auch politisch das Sagen.
Die Bregenzer Montforter rekrutierten die Landammänner
von Hofrieden aus der städtischen Elite. Der erste nachweisbare
Landammann von Hofrieden, Heinrich Mülegg
(1390-1398), war ein Niederadeliger mit ländlichem Grundbesitz,
seine Nachfolger Hans Loher (1401-1403, 1410-1417)
und Heinrich vom Bach, genannt Henz (1408), waren Bregenzer
Bürger. Diese Praxis änderte sich aber 1523 mit dem
Übergang Hofriedens an Österreich. In der ersten Hälfte des
16. Jh. dominierte der österreichische Amtmann, später der
Landammann, der Vogt und Amtmann unterstellt war.
Die Stadt Bregenz übte zwar großen Einfluss auf Hofrieden
aus, aber sie beherrschte Hofrieden nicht. Und so musste
der Sinn der Stadtgewaltigen nach einer Stadterweiterung
trachten. 1526 richtete die Stadt Bregenz eine Bittschrift
Seite 328
an die österreichische Herrschaft: Der letzte Montforter
habe 1518 der Stadt eine Erweiterung ihrer Grenzen zugesagt.
Die Pfarrkirche, das Siechenhaus an der Siechensteig
und auch die Holzhütten am See stünden ohnedies bereits
unter städtischer Aufsicht, gegen eine entsprechende Erweiterung
des Stadtgerichts sei also nichts einzuwenden.
Demnach hatte man als neue Grenzen den Tannenbach und
die Siechensteig ins Auge gefasst. Ein vergeblicher Versuch,
dem 1543 oder 1546 ein weiterer folgte. Immerhin erhielt die
Stadt 1529 den Flurbann – das Recht, Gebote und Verbote
zu erlassen - auch für städtische Grundstücke, die außerhalb
des Stadtgerichts lagen.
Im Lauf des 16. Jh. stieg Bregenz merklich in seiner politischen
Bedeutung: die Stadt war den Habsburgern im
Zeitalter der Reformation ein katholisches Bollwerk gegen
die evangelischen Reichsstädte und ein Bollwerk gegen die
Eidgenossen. 1573 wurde Bregenz neben Feldkirch zweiter
Tagungsort der Vorarlberger Landstände.
Die Stadt Bregenz hatte im ausgehenden 16. Jahrhundert
etwa 1.300 Einwohner.
1594 bat die Stadt die Regierung neuerlich, den Stadtgerichtsbereich
zu erweitern: im Norden bis an die Klause,
im Süden bis zur Achbrücke und bergwärts, soweit die
städtischen Güter und Allmenden reichten. Man forderte
also mehr als 1526. Der Stadt ging es auch um Ansehen
und Prestige, wenn sie auf den gar zu kleinen, engen und
geringfügigen Stadtgerichtsbereich hinwies, der eines so
alten Städtleins unwürdig sei. Das Gericht Hofrieden erhob
heftig Einspruch. Wenn der Hofrieder Gerichtsbezirk verkleinert
würde, verlöre man auch Steuer- und Strafgelder,
auf die man nicht verzichten könne. Die Stadt entgegnete,
von den fraglichen 71 Hofstätten würden ohnedies nur 16
von Hofrieden besteuert, die anderen 55 seien Bürgergüter.
Der Stadtherr, Kaiser Rudolf II., ernannte schließlich eine
Kommission aus Vertretern der Herrschaft, der Stadt und
des Gerichts Hofrieden, die am 28. August 1598 nach viertägigen
Verhandlungen folgende Stadtgrenze festlegte: Im

Norden reicht das Stadtgericht bis zum Tannenbach, im Süden
bis an die Siechensteig. Schwer zu bestimmen ist der
Grenzverlauf am Pfänderhang. Das Gut Babenwohl (Gallusstift,
heute Landesbibliothek) gehört zur Stadt, obwohl
es außerhalb der Stadtmarken liegt. Die Pfarrkirche, der
Pfarrhof und die Pfründehäuser, die innerhalb der neuen
Stadtgrenzen liegen, bleiben beim Gericht Hofrieden. Der
Kirchweg ist für die Bewohner Hofriedens offen zu halten.
Die Hofrieder Gerichtsbesatzungen und Gerichtsverhandlungen
finden weiterhin im Gut Mildenberg statt, unbehelligt
von der Stadt Bregenz. Diesen Vertrag bestätigte Kaiser
Rudolf II. am 27. Februar 1602.
Die Stadtgrenze von 1602 hatte jahrhundertlang Bestand:
Die Nordgrenze am Tannenbach gilt noch heute, die Südgrenze
an der Siechensteig galt bis 1919, bis zur Vereinigung
der Stadt mit der Gemeinde Rieden. Die Burg Hohen-
Bregenz und der große Schlosswald am Gebhardsberg
gehörten 1602 noch nicht zum Stadtgericht.
Der bayerische Kataster von 1808/1809
Grenzbeschreibung 1856
Im Frieden von Preßburg mußte Österreich am 25. Dezember
1805 Tirol und die Vorarlberger Herrschaften an das mit Napoleon
verbündete – neu geschaffene - Königreich Bayern
abtreten. Die bayerische Herrschaft – die besser war als ihr
Ruf – brachte einen enormen Modernisierungsschub. Im
Juni 1807 ordnete König Maximilian eine Steuerreform an,
zu welchem Zweck Steuerdistrikte gebildet werden mußten.
Der bayerische Kataster war die erste flächendeckende, ins
Detail gehende Verzeichnung des Grundbesitzes. Am 28.
Juli 1808 erließ der König ein „Organisches Edikt über die
Bildung der Gemeinden“. Die Gemeindegrenzen hatten
sich nach den Steuerdistrikten zu richten. Die Grenzen des
bayerischen Steuerdistriktes Bregenz orientierten sich im
wesentlichen an der Stadtgrenze von 1602. Der Schloßwald
und der Gebhardberg kamen damals in den Bereich der
Stadt. Das bayerische Gemeindeedikt brachte den endgültigen
Übergang vom mittelalterlichen Personenverband zur
territorial begrenzten Ortsgemeinde.
Als Vorarlberg 1814 wieder zu Österreich kam, war die Regierung
weitsichtig genug, die bayerischen Reformen weitgehend
beizubehalten.
Der österreichische Grundkataster
Am 23. Dezember 1817 erließ Kaiser Franz I. das Gesetz zur
Gründung der österreichischen Katastralvermessung. Die
Vermessungsarbeiten begannen 1817 in Niederösterreich
und endeten 1861 in Tirol. In Vorarlberg arbeiteten die Vermesser
im Jahr 1856. Die Grenzen der Katastralgemeinde
Bregenz deckten sich mit den Grenzen des bayerischen
Steuerdistriktes.
Bemerkenswert ist der Verlauf der Grenze am Bodensee.
1808/1809 endeten die Gemeindegebiete von Lochau und
Bregenz gegen Westen am Ufer des Bodensees. Die Uferlinie
bildete die jeweilige Gemeindegrenze. Der Bodensee
wurde weder zu Bregenz noch zu Lochau gerechnet.
Der österreichische Kataster von 1856/1857 hingegen zählte
einen beträchtlichen Teil des österreichischen Bodensees
zum Bregenzer Gemeindegebiet. Der Bregenzer Bodenseeanteil
begann an der Gemeindegrenze zu Rieden, reichte
weit in den See hinaus und endete erst an der Leiblach. Zu
Beginn des 19. Jh. kam es zu einer Reihe von Gebietsveränderungen
im Bodenseegebiet: Reichsdeputationshauptschluss,
Rheinbundakte, Napoleonische Friedenschlüsse
und Wiener Kongress. Nirgends wurde ein Seeanteil oder
eine Seegrenze erwähnt. Offenbar gab es noch keine klare
gewohnheitsmäßige Aufteilung des Sees. In Österreich
setzte sich die Kondominiumstheorie durch: Der ufernahe
Bereich – die Halde - gehört zum Anliegerstaat. Der Rest
des Bodensees ist frei: Jeder Staat kann auf der sogenannten
Hohen See seine Gesetze anwenden, solange die Interessen
der anderen Anlieger dadurch nicht verletzt werden.
Die reale Aufteilung des Bodensees im Kataster von 1857
steht dazu interessanterweise im Widerspruch.
Seite 329

Bregenz 1810 (nach Johann Babtist Isenring)
Plan der Stadt Bregenz 1810
Seite 330

Österreichischer Grundkataster 1857 mit Stadtgrenzen von 1602
Seite 331

Die Fischereirechte verkomplizierten den Sachverhalt. Im
Jahr 1825 wurde ein Teil und 1859 der Rest der Fischerei vom
österreichischen Ärar versteigert. In der Bregenzer Bucht
besaß schließlich eine Familie alle privaten Fischereirechte.
Es folgten noch viele Streitereien, ob diese Rechte nur für
den Bereich der Halde oder auch für die Hohe See zwischen
Leiblach- und Rheinlinie gelten sollten.
Der Bau der Vorarlberger Bahn brachte eine Änderung
der Gemeindegrenze. Das Nachtrags-Protokoll zur Grenzbeschreibung
der Gemeinde Bregenz mit der Gemeinde
Lochau aus dem Jahr 1875 führt aus: [...] geht die Grenze
nach der Mitte des Tannenbachs weiter, bis zur Eisenbahn,
welche von hier aus zur Gemeinde Bregenz einbegrenzt
bleibt, [...]. Dagegen erhob die Gemeinde Lochau
Einspruch. Die Vorstehung wollte die neue Grenze nur akzeptieren,
wenn sie [die Gemeinde] alle Rechte, welche sie
beim niedersten Wasserstande auf die wasserfreien Gründe,
Kies- und Schottergruben hatte, weiter ausüben konnte.
Dem Einspruch trug man offenbar Rechnung, denn der
Übersichts-Croquis des geänderten Grenzzuges zwischen
den Gemeinden Bregenz und Lochau führt aus: [...] und
wird die Bahn durch die neue Grenze [zwischen Lochau und
Bregenz] derart durchgeschnitten, daß der von A nördlich
liegende Bahntheil, ohne Unterbrechung zur Gemeinde
Lochau, und der südlich von A liegende Bahntheil, ohne
Unterbrechung, zur Gemeinde Bregenz, einbegrenzt ist. Der
Punkt A lag etwa auf Höhe des Langen Steins.
Seite 332

An den Anfang meiner Ausführungen möchte ich – vielleicht
etwas ungewöhnlich – ein paar Sätze aus einem Brief vorlesen.
Dieser stammt von Alfred Salzgeber aus Schruns und
ist über Umwege an mich gelangt. Er schreibt, nachdem er
im Sippenbuch seine Ahnen gefunden hat, an eine Frau
Strolz in Au:
„Der Stammvater meiner mütterlichen Linie ist ein Tobias
Schwarzmann, der um 1660 in Sonntag das Licht der Welt
erblickte. Welch ein Glücksfall! Seit Jahrzehnten suchte ich
die Herkunft der Schwarzmann aus Schröcken. Dieser Fund
ist mir mehr wert als ein hoher Gewinn im Spiel.“
Wenn man jemandem eine solch große Freude bereiten
kann, lohnt sich alle Mühe! Ich hoffe, dass ich auch Ihnen
einiges bieten kann, was Sie noch nicht wissen.
Vor mir sitzt eine gemischte Zuhörerschaft. Die Mitarbeiter
des Landesarchivs wissen zum größten Teil, wie das Sippenbuch
von Schröcken zustande gekommen ist. Dennoch
muss ich jetzt ein paar Eulen nach Athen tragen, denn die
übrigen Gäste muss ich aufklären. Es ist ja einigermaßen
ungewöhnlich, dass sich ein Villacher um die Vorfahren der
Schröckener kümmert. Als ich für eine befreundete Familie
in Lustenau ein Ahnenbuch erarbeitete, stieß ich auf Anna
Maria Jochum, geboren 1786 in Schröcken.
So begann meine Beziehung zu diesem Ort. Im Laufe der
Forschungen reifte dann der Gedanke, ein ganzes Sippenbuch
zu erstellen.
Diese Anna Maria hatte übrigens 3 Geschwister, die sich
alle nach Dornbirn verheiratet hatten:
Katharina – Frau des J. Georg Spiegel
Maria Anna – Frau des Josef Thurnherr
J. Christian, Glaser – Mann der Barbara Rümmele
Elisabeth – sie heiratete den Josef Alois Schneller aus
Schröcken und übernahm den Hof. Etwas seltsam, dass
nicht der Sohn das Erbe weiterführte.
Buchpräsentation auf Einladung des Vorarlberger Landesarchivs; Bregenz, Landesarchiv, 17. Oktober 2008
Hans Matschek (geb. 1940 in Pöchlarn), AHS-Lehrer für Geographie und Englisch in Ruhe.
Das Sippenbuch von Schröcken
Hans Matschek
Dornbirn war damals schon ein Magnet für viele Bewohner
des Landes. Es ist erstaunlich, wie viele Schröckener in den
Trau- und Sterbebüchern dieser Stadt aufgestöbert werden
konnten. Erstaunlich ist aber auch, wie viele Schröckener
nach der Gründung der Valduna dort den Rest ihres Lebens
verbrachten. Innerhalb der ersten 23 Jahre waren das fünf
Personen.
Die Forschungsversuche in den Kirchenbüchern von Schrö
cken erwiesen sich zunächst als aussichtsloses Unterfangen,
denn vor 1800 sind in den Traubüchern nie die Eltern
angeführt. Zudem hießen rund 70% aller Einwohner „Jochum“.
Aber kein echter Ahnenforscher gibt schnell auf.
Ich entdeckte eine Gebetsordnung aus dem Jahr 1790. Der
Ausdruck ist irreführend, denn der Pfarrer hat eher eine
Erhebung aller Einwohner durchgeführt, beinahe eine
Volkszählung. Er hat alle Erwachsenen und Jugendlichen
aufgeschrieben und eingeteilt, sie der jeweiligen Parzelle
und Hausnummer zugeordnet und in jedem einzelnen Fall
einen verwandtschaftlichen Bezug hergestellt. Er vermerkte
entweder den Ehepartner, die Eltern oder irgendwelche
Geschwister und fügte auch noch das Lebensalter hinzu.
Genauer geht es kaum noch! Auf diese Weise ließen sich
alle Einwohner Schröckens bis etwa 1725 eindeutig identifizieren.
Einzigartig ist bezüglich Schröcken noch ein weiterer
Schatz. Meines Wissens besitzt keine Vorarlberger Pfarrei
etwas Ähnliches – nämlich eine genealogische Aufstellung
aller Familien, die 1666 in Schröcken lebten. Mit Hilfe dieser
Listen lassen sich die Vorfahren der Schröckener bis
etwa 1490 zurückverfolgen.
Schröcken ist eine winzige Pfarrei, die 1648 aus der Urpfarre
Lech entstand und 1666 genau 49 Haushalte plus den
Pfarrhof umfasste. Davon hieß in 32 Fällen der Mann „Jochum“,
in weiteren 6 trug die Frau diesen Namen. Der erste
Pfarrer hieß Sebastian Bickel. Er stammte aus Sonntag und
sah sich – so wie ich Jahrhunderte später – einem unentwirrbaren
Geflecht von Jochum-Namensträgern gegenüber.
Seite 333

Darum besuchte er zwischen dem 8. August und dem 26.
September 1666 alle Haushalte, befragte deren Vorstände
und ihre Frauen nach den familiären Verhältnissen und
schrieb alles in ein sogenanntes „Tagebuch“. Herauskam
eigentlich ein „Seelenbeschrieb“ (lat. „status animarum“)
mit ganz genauen Angaben über die Anzahl und das Alter
der Kinder, über die Eltern und Großeltern der Hausbesitzer
und in zwei oder drei Fällen auch über die Urgroßeltern.
Karl-Gernot Jochum aus Hilpoltstein in Mittelfranken, ein
Nachfahre eines Schröckener Auswanderers, unterzog sich
der Mühe, alle diese Angaben aufzuschlüsseln. Er veröffentlichte
einen höchst verdienstvollen Aufsatz im Jahrbuch
2004 des Vorarlberger Landesmuseumsvereins. Von wirklichem
Nutzen für Ahnenforscher sind alle diese Angaben
von Pfarrer Bickel aber nur, wenn man die Lücke zwischen
seinen letzten Aufzeichnungen (1679) und der Zeit um 1725
schließen könnte. Das betrachtete ich nun als meine ganz
persönliche Herausforderung.
Wie geht man da ans Werk? Zunächst galt es, alle Urkunden
im Landesarchiv aufzustöbern: Kaufbriefe, Verlassenschaften,
Heiratsverträge, Briefprotokolle und dergleichen.
Die Ausbeute erwies sich als mager, war aber doch in einigen
Fällen sehr hilfreich. Auf einer Wanderung in Schröcken
mit Albin Beiser (ich musste mich ja mit den Örtlichkeiten
vertraut machen!) führte uns die Leutseligkeit Albins auch
zu Sr. Domenica, einer Klosterschwester aus Deutschland,
die in Schröcken – so gut es geht – den Pfarrer ersetzt.
Ohne ihre Freundlichkeit und ihr Wohlwollen wäre dieses
Sippenbuch niemals entstanden. Auf unser Ersuchen zeigte
sie uns einige uralte Schriftstücke aus der Zeit vor 1700. Sie
konnte es kaum fassen, dass jemand das noch entziffern
konnte. Der langen Rede kurzer Sinn: Sie war auf Ersuchen
von Frau Albertani bereit, das gesamte Schriftgut des Pfarrhofes
dem Landesarchiv zu überlassen, damit es auf Filme
gebannt wird und somit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht
werden konnte. Es wurde auch alles in monatelanger
Arbeit gereinigt und geordnet. Das Diözesanarchiv in Feldkirch,
wo jetzt alle Bestände lagern, wird sich sehr gefreut
Seite 334
haben! Vom Umfang des Pfarrbestandes macht man sich
vielleicht ein klareres Bild, wenn ich erwähne, dass mein
Auto zweimal voll wurde, um die vielen Kisten und Schachteln
ins Landesarchiv zu verfrachten.
Was in diesem kleinen Holzhaus in Schröcken an Schätzen
lag, schien mir unfassbar. Es nährt meinen Verdacht, dass
in so manchem alten Pfarrhof noch viel zu bergen wäre.
Die Unterlagen umfassen alle Bereiche des Lebens. Von
kirchlichen Angelegenheiten über die Schule, die Schulnoten
der Kinder, die behördliche Beurteilung eines Lehrers,
weiters über die Feuerwehr, das Schicksal von Schwabenkindern,
den Briefverkehr mit Amerika-Auswanderern bis
hin zum Bau von Schi-Liften. Es ließe sich eine wunderbare
Dorfchronik erstellen, die viele Jahrhunderte abdeckt. Und
mit den Daten des Sippenbuches könnte man höchst genaue
demographische Studien anstellen.
Als die ergiebigsten Quellen im Schriftgut des Pfarrhofes
erwiesen sich für die Zwecke des Sippenbuches die sogenannten
Zunftbücher. Auch wieder ein irreführender
Begriff, denn mit dem Handwerk haben sie nichts zu tun.
Andernorts nennt man sie Stiftbücher. Darin sind die Jahrtage
vermerkt, also die jährlichen Gedenkmessen für die
Verstorbenen. Und in Schröcken haben die Pfarrer sehr oft
verwandtschaftliche Beziehungen hinzugefügt: „Des Simons
Tochter, des Leonhards Schwester“ und dergleichen.
(Nebenbemerkung: In der Pfarre Au reichen solche Stiftbücher
ebenfalls weit zurück. Weil sie aber keine solchen Hinweise
enthalten, sind sie für eine genealogische Forschung
eigentlich wertlos. Zum Glück sind dort aber Familienbücher
erhalten, die hervorragend angelegt sind und von den
Pfarrern fortlaufend bis in die Gegenwart ergänzt wurden.
Ihre Genauigkeit ist darum unübertroffen. Diese Bücher
sind ja nicht im Nachhinein geschrieben, sondern während
der Amtszeit des jeweiligen Pfarrers verfasst worden. Bei
Unklarheiten konnte man sofort nachfragen. Diese Bücher
wurden 1789 begonnen und reichen mit ihren Angaben bis
etwa 1730 zurück).

Schröcken um 1900
1721 verstarb der langjährige Schröckener Pfarrer Christian
Jochum. Er war so etwas wie die rechte Hand des ersten
Pfarrers Sebastian Bickel gewesen und hatte als Teil seiner
Ausbildung eine kurze Zeit sogar in Linz verbracht. 1680
folgte er seinem Vorbild und wurde sein unmittelbarer
Nachfolger. Bevor er starb, brachte er rund 2000 Gulden
in eine Stiftung ein, deren Nutznießer die Nachkommen
seiner Geschwister sein sollten. Offenbar hatte man dann
irgendwann einmal den Überblick verloren und beschloss
darum 1824, sämtliche Pfarrer der näheren und auch ferneren
Umgebung (Holzgau im Lechtal!) zu bitten, die Verwandten
dieses Pfarrers aufzuspüren. In einer sieben
Meter langen Stifterrolle, die auch in den Schränken des
Pfarrhofes dahinschlummerte, sind sie alle fein säuberlich
aufgezeichnet. Auch dieses Schriftstück trug entscheidend
dazu bei, dass fast alle verwandtschaftlichen Beziehungen
erhellt werden konnten. Es war dann auch leicht, die Sterbedaten
dieser ausgewanderten Schröckener in den jeweiligen
Pfarreien ausfindig zu machen.
Einen ganz wesentlichen Beitrag zur richtigen Zuordnung
der Ehepaare lieferten die sogenannten Dispens-Ehen. In
diesen Fällen erteilte die Kirche, die ja das Standesamt
darstellte, eine bischöfliche oder gar päpstliche Ausnahmegenehmigung
wegen bestehender Verwandtschaft.
Rund 36 Prozent aller Ehen wurden in Schröcken über die
Jahrhunderte hinweg auf diese Weise geschlossen. Das ist
ein hoher Anteil, aber in einem so kleinen Dorf ist das nicht
anders zu erwarten. Die Gebühren waren beträchtlich und
eine nicht zu unterschätzende Einnahmequelle der Kirche.
Um 1666 zahlte man bei einer Mehrfachverwandtschaft 22
Gulden. Davon konnte man sich eineinhalb Kühe kaufen!
Man unterscheidet grundsätzlich zwei Dispensgründe –
Blutsverwandtschaft und Verschwägerung (consanguinitas
und affinitas). Die Verschwägerung kommt zum Tragen,
wenn zumindest 1 Ehepartner im Witwenstand heiratet und
der zweite Ehepartner mit dem ersten in einem verwandtschaftlichen
Verhältnis steht. Es gibt vier Grade:
1. Grad: Kommt nicht vor, weil in diesem Fall Geschwister
heiraten würden.
2. Grad: Es heiraten Vetter und Base (Cousin und Cousine).
3. Grad: Es heiraten Großcousin und Großcousine.
4. Grad: Es heiraten Urgroßcousin und Urgroßcousine.
Ab dem 5. Grad gilt man nicht mehr als verwandt. Man
pflegt mit jemandem dann eben Ahnengemeinschaft. Die
Verwandtschaftsverhältnisse können sich nun in gerader
Linie darstellen oder in ungerader. Man kann zudem mit
einem Ehepartner bloß einmal verwandt sein, aber auch
dreimal. Und damit wird die Sache etwas verwickelt und sogar
verworren. Zwei Beispiele mögen das veranschaulichen.
Fall 1
Jodok Alois Jochum heiratet 1863 Theresia Jochum. Es liegt
eine dreifache Verwandtschaft vor – einmal im 2. Grad (der
Bräutigam war somit der Vetter der Braut) und eine doppelte
im dritten Grad. An Gebühren fielen damals 200 Gulden
Reichswährung an (heute rund 2000 Euro). Der Pfarrer
schrieb in einer privaten Briefvorlage: Freut mich, dass sie
wacker zahlen mussten. Das geradezu Unglaubliche an diesem
Fall ist die Tatsache, dass alle 8 Großeltern den Namen
„Jochum“ trugen. Und sogar von den 16 Urgroßeltern hießen
noch 12 „Jochum“.
Fall 2
Matthias Jochum heiratet 1691 die Katharina Jochum mit
Dispens im 3. Grad (in gerader Linie) sowie im 3. und 4.
Grad (in ungerader Linie). Die gemeinsamen Vorfahren
müssen somit in 2 verschiedenen Generationen vorkommen.
Tatsächlich trifft das auf Matthias Jochum und Christina
Schneider im 3. Grad sowie auf Jakob Jochum und Ursula
Schuler im 3. und 4. Grad zu.
Wie verlässlich sind nun die Berechnungen der Pfarrer in
Hinblick auf diese Dispensen? Sie sind erstaunlich genau!
Von 1906 zurückgerechnet bis 1776 erwiesen sie sich in
Seite 335

Schröcken alle als richtig. Einen Knackpunkt galt es allerdings
zu überwinden. Er zeigt, wie sich auch bei größter
Sorgfalt Missverständnisse einschleichen können. 1814
heiratete Matthias Jochum in 2. Ehe die Theresia Schwarzmann.
Der Pfarrer vermerkte bloß, dass eine Dispens im 3.
Grad vorliege. Weil es die 2. Ehe war, stand auch eine Verschwägerung
im Raum. Die Angaben vor allem zum Bräutigam
waren überaus genau – sogar sein Geburtsdatum war
angeführt. Trotzdem ließen sich die verwandtschaftlichen
Verhältnisse in keiner Weise ermitteln. Nach Wochen plötzlich
das Aha-Erlebnis! 3 Geschwister aus der Jochum-Sippe
waren mit 3 Geschwistern der Schwarzmann-Familie verehelicht.
Es lag also eine dreifache Verschwägerung vor. Der
Pfarrer hatte sich nur etwas ungeschickt ausgedrückt.
Dennoch scheint es, dass der eine oder andere Pfarrer in
Sachen Dispensen nicht so sattelfest war. In Schröcken
wirkte zwischen 1733 und 1736 Pfarrer Weißenbach. Er
nahm insgesamt sechs Trauungen vor. In fünf Fällen scheint
ein Dispensvermerk auf. Vier ließen sich nicht nachvollziehen.
Im Namenswirrwarr der Jochums scheint Pf. Weißenbach
gänzlich verstrickt worden zu sein. In 2 Fällen löst sich
die Sache, wenn man annimmt, dass er den Georg Jochum
aus Schröcken mit dem Georg Jochum aus Lechleiten (Pfarrei
Warth) verwechselt hat. Aber nachweisen lässt sich das
nicht. Im Fall der Cleopha Jochum, die 1735 heiratete, hat
er sich ganz sicher geirrt. Nach seinen Angaben war sie mit
ihrem Mann Josef im 3. Grad verwandt. Mit sämtlichen drei
in Frage kommenden Josef bestand aber eine Verwandtschaft
im 2. Grad. Sie waren alle ihre Vettern. Das Sterbebuch
brachte die Lösung. Denn der damalige Pfarrer, selbst
ein Schröckener, führte das Lebensalter mit 56 genau an,
ebenso die Parzelle, in der die Familie wohnte. Damit war
alles klar!
Im Landesarchiv lagern seit kurzem auch die Filmrollen der
Bestände des Pfarramtes Au. Darunter befinden sich Aufstellungen
der Pfarrer, richtige Stammbäume, aus dem 19.
Jahrhundert, um die Notwendigkeiten von Dispensen nachzuweisen.
Leider muss man feststellen: Auch da haben sich
Pfarrer in Einzelfällen geirrt.
Seite 336
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch kurz auf die unglaubliche
Leistung des ehemaligen und nun verstorbenen
Gastwirtes Willi von der Thannen aus Egg eingehen. Was
er vollbracht hat, lässt sich gar nicht wirklich ermessen.
Er schaffte es jedenfalls, die Namen und Daten sämtlicher
Tauf- und Traubücher des Bregenzerwaldes, zudem noch
der jüngeren Sterbebücher, in seinen PC einzuspeisen.
Dazu kommen noch die Kirchenbücher von Warth, Lech,
Damüls und Fontanella. Wie er das alles zuwege gebracht
hat, scheint ein Rätsel. Dazu kommen noch unzählige Steuerbücher
fast aller Gemeinden (zurückreichend bis 1617
und in Einzelfällen noch weiter) und eine riesige Sammlung
aller Urkunden, die im Landesarchiv hinsichtlich des
Bregenzerwaldes aufbewahrt werden. Das ist aber immer
noch nicht alles: Es finden sich lange Listen von Pfarrern
und Klosterschwestern des Gebietes, lange Bibliographien
betreffend den Bregenzerwald, Aufstellungen über die
Barockbaumeister und ihre Bauten (einmal nach Namen,
einmal nach Orten gegliedert) und anderes mehr. Als der
Gastwirt starb, ist es – trotz des seltsamen Programms, das
er verwendete - gelungen, die Daten zu retten und auf eine
CD zu brennen. Ich schätze mich überaus glücklich, dass
mir Dr. Ambros Nussbaumer aus Mellau alle diese Daten
zur Verfügung gestellt hat.
Doch wie steht es hier mit der Zuverlässigkeit und Genauigkeit?
Vorsicht ist geboten! Die Taufbücher weisen eine
bemerkenswerte Genauigkeit auf. Vor allem vermitteln sie
einen schnellen Überblick über die Zahl der Kinder. Das ist
bei Frauen sowohl für die Ermittlung des Geburts- wie auch
des Sterbedatums wichtig. Die Traubücher weisen in jenen
Pfarreien, in denen die Eltern nicht genannt werden, viele
Fehler auf. Das gilt besonders für Au. Dennoch sind diese
Unterlagen für mich eine außerordentliche Hilfe gewesen.
Ich bereite mich zu Hause vor und überprüfe dann alle Daten
im Landesarchiv. Die Forschungsarbeit erfährt dadurch eine
ganz wesentliche Beschleunigung. Und in einem Fall haben
die Angaben von der Thannens sogar einen ganz wunderlichen
Fall gelöst. In Schnepfau heiratete am 16.8.1815 der
Josef Matthäus Zünd die Theresia „Battig“. Diese wurde am

21.11.1788 in Valdojol geboren – als Tochter von Johann Battig
und Agatha Gattad. So die Angaben im Traubuch.
Mir drängte sich bald der Verdacht auf, dass dem Pfarrer
allerlei „Verstümmelungen“ gelungen sind. Er hatte ja alles
bloß nach dem Gehör niedergeschrieben. Könnten das
nicht Jean Patique und Agathe Gatard gewesen sein? Über
das Internet fand ein mir bekannter Ahnenforscher bald heraus,
dass es in den südlichen Vogesen tatsächlich den Ort
„Val d`Ajol“ gibt! Und jetzt passten auch folgende Angaben
bestens dazu:
– Im Sterbeeintrag des Josef Matthäus Zünd steht, dass er
viel in der Weltgeschichte herumgekommen sei.
– Und in den Listen der Maurer, Zimmerer und Stukkateure
bei Willi v.d. Thannen fand ich einen Josef Anton
Zünd, der 1818 geboren wurde und später in Cemboing/
Vesoul künstlerische Arbeiten ausführte. Und dieser Ort
liegt ebenfalls ganz in der Nähe der südlichen Vogesen.
– Merkwürdig war ferner, dass das besagte Ehepaar zwar
1815 eine Ehe einging, aber erst 1823 das erste Kind taufen
ließ. Da hat das Paar die ersten Jahre wohl in Frankreich
verbracht.
Ahnenforscher sollten jede denkbare Quelle auswerten.
Als Beispiel nenne ich hier das Schaffbuch von Schnepfau
(1786-1806)! Es ging um zwei tote Punkte – um die Herkunft
des Stukkators Josef Feuerstein und um Anna Maria
Wüstner, die Frau des J. Michael Hager. Des einen Geburt
und der anderen Trauung waren weder in Schnepfau noch
in den Nachbarpfarreien zu finden. Über das Schaffbuch,
in welchem Käufe und Verkäufe vermerkt sind, wurden
alle Unklarheiten beseitigt. Die Eltern des Josef Feuerstein
haben auswärts geheiratet und das vermutlich erste Kind
auch auswärts taufen lassen und die Trauung Hager/Wüstner-Trauung
hat der Pfarrer wohl einzutragen vergessen. Die
Suche nach der Geburt des Josef Feuerstein in Nachbarpfarreien
hätte vollkommen in die Irre geführt!
Am Schluss noch ein Hinweis auf kuriose Fälle. In der Ahnenforschung
(so wie in allen menschlichen Bereichen)
muss man auch mit den unglaublichsten Fällen rechnen,
auch wenn sie einem nicht in den Kopf gehen wollen.
1. Der Schröckener Gregor Anton Walch (zum Glück eine Namensverbindung,
die einzigartig ist und somit nicht verwechselt
werden kann) wurde am 19.12.1726 geboren.
1743 heiratete er – noch nicht 17-jährig – in Lingenau die
Witwe (!) Katharina Heidegger. Nach ihrem Tod ging er
1762 in Au eine zweite Ehe ein und starb dort auch. Der
Grund dieser seltsamen ehelichen Verbindung lässt sich
nicht mehr ermitteln.
2. In Schoppernau heiratete 1727 Josef Moosbrugger zum
dritten Mal. Der Pfarrer nahm, wohl um der Nachwelt
alles glaubhaft erscheinen zu lassen, eine überaus genaue
Eintragung vor. Er führte nicht nur die Eltern der
Brautleute an, sondern auch das Alter: Der Bräutigam
war 76, die Braut 27. Der Unterschied betrug fast 49 Jahre!
3. Am 23.4.1956 ließen sich in Au drei Paare gleichzeitig
trauen. Die Bräutigame hießen Erwin Moosbrugger,
Kaspar Berlinger und Josef Greber. Über ihre Bräute war
jeder mit jedem verschwägert. Und 2006 haben alle
gemeinsam auch die goldene Hochzeit gefeiert. Pfarrer
Fässler erzählte mir in einem persönlichen Gespräch,
dass in seiner eigenen Verwandtschaft ein noch seltenerer
Fall auftrat. Vier Brüder haben vier Schwestern
geheiratet. Ob das in 300 Jahren noch jemand glauben
wird?
Seite 337

Landammännertafel aus Andelsbuch: Landammänner des Hinterbregenzerwaldes 1400 bis 1773
Seite 338

I.
Das Thema, dem im Folgenden näher nachgegangen werden
soll, ist aus mehrerlei Gründen nicht einfach zu behandeln. 1
Das liegt zum einen an der großen zeitlichen Erstreckung,
die durchmessen werden muss. Inklusive der frühesten
greifbaren Quellen zur Vorgeschichte der Hinterbregenzerwälder
Gerichtsgemeinde, die uns vorliegen, sollte im Idealfall
ein Zeitraum von über 700 Jahren abgedeckt werden.
Das allein wäre aber ein Problem, das sich wohl in einer
klug konzipierten systematischen Darstellung, die weiß,
über welche Einzelthemen getrost hinweggegangen werden
darf, ohne dass das größere Ganze aus den Augen verloren
ginge, doch bewerkstelligen ließe. Wenn man zeitlich
derart aus dem Vollen schöpfen kann und das vorhandene
historische Material halbwegs kennt, dann müsste es doch
ein Leichtes sein, so möchte man annehmen, wenigstens
die Highlights der geschichtlichen Entwicklung zu verfolgen
und miteinander in eine möglichst spannende Erzählung
zu packen. Aber gerade an diesem Punkt schließt sich unmittelbar
das zweite und eigentliche Problem der Auseinandersetzung
mit unserem Thema an. Die sachgerechte
Erforschung der Entwicklung der politischen Strukturen
des Bregenzerwaldes vom Mittelalter bis zum Beginn des
19. Jahrhunderts ist nämlich bis heute über weite Strecken
ungenügend geblieben. Damit sollen selbstverständlich die
Leistungen der Regionalgeschichte und Heimatkunde nicht
abgestritten werden – ganz im Gegenteil: gerade der als
Landeshistoriker bestens bekannte Benedikt Bilgeri, der in
drei größeren Arbeiten aus den 1930er, 2 1940er 3 und 1960er
Jahren 4 über den Bregenzerwald gearbeitet hat, hat die
überlieferten Urkunden und Handschriften intensivst studiert
und dabei das vorhandene Quellenmaterial praktisch
zur Gänze gesichtet und ausgewertet. Allerdings ist bei
ihm – und in seinem Windschatten auch bei den meisten
anderen Historikern und Heimatkundlern – ein diffuser Lokalpatriotismus
überdeutlich spürbar, der seine Interpretationen
sehr belastet, da sie einer kritischen Prüfung an
den Quellen oft nicht standhalten. 5 Bilgeri hat den meisten
Raum in seinen einschlägigen Aufsätzen darauf verwendet,
Vortrag auf Einladung der Volkshochschule Bregenzerwald-Egg, Egg, Gymnasium, 7. November 2008
Mathias Moosbrugger (geb. 1982 in Au), Dr. phil., Studienassistent an der Universität Innsbruck
Jenseits von Bauernrepublik und Bezegg
Neue Perspektiven auf die Geschichte der Gerichtsgemeinde im Hinteren Bregenzerwald
Mathias Moosbrugger
zu beweisen, dass der Hintere Bregenzerwald eben zu allen
Zeiten und von allem Anfang an ein Land der Freiheit
gewesen sei – die Bregenzerwälder seien ähnlich den
Schiller‘schen Urschweizern ein „einzig Volk von Brüdern“
gewesen, das sich gegen die ungerechte Tyrannei durch
ausländische Adelsgeschlechter über Jahrhunderte hinweg
erfolgreich gestemmt habe. Die hier ansässigen selbstbewussten
„freien Bauern“ hätten dabei in einer freien Bauernrepublik
– eben der Gerichtsgemeinde im Hinteren Bregenzerwald
– eine Form von Demokratie entwickelt, die im
gesamten Alten Europa ihresgleichen gesucht und letztlich
nicht nur die antike griechische, sondern auch die moderne
liberale Demokratie an Gehalt bei weitem übertrumpft
habe. Nicht nur hätten die Bregenzerwälder alle wichtigen
Verwaltungsangelegenheiten in Eigenregie ausgeführt, vor
allem hätten sie auch untereinander keine Standesdünkel
aufkommen lassen. 6 Denn immerhin seien die dem Gericht
vorstehenden Ammänner und die ihm beigesellten Räte
und Geschworenen ja von den Bregenzerwäldern selbst
gewählt worden – und zwar in aller Freiheit und ungeachtet
von Vermögen und Stand, sondern allein auf Grund der
persönlichen Tüchtigkeit.
Bilgeri war jedoch nicht der erste, den die Auseinandersetzung
mit der Zeit der Gerichtsgemeinde im Hinteren Bregenzerwald
vor 1808, also vor der radikalen Umgestaltung des
politischen Systems durch die Bayern, zu romantisierenden
Höhenflügen angeregt hat. In diesem Zusammenhang darf
an das bekannte Diktum Franz Michael Felders aus den
1860er Jahren erinnert werden: „Sie ist nun vorüber, jene
Zeit, wo aus dem Auge jedes jungen ‚Wälders‘ die stolze
Hoffnung, einmal Landammann zu werden, herauszuleuchten
schien, doch lebte die Erinnerung an sie immer
im Gedächtnis und noch mehr im Wesen der Besten des
Volkes fort.“ 7 Bereits wenige Jahrzehnte nach dem Ende
der Gerichtsgemeinde war diese zu einer willkommenen
Projektionsfläche politischer Idealisten geworden. War
aber bei Felder die „Bauernrepublik“ noch ein Symbol für
notwendige soziale und politische Veränderungen seiner
Gegenwart gewesen, so wurde die Erinnerung an diese
Seite 339

vermeintliche Vergangenheit bald zu einem Instrument,
um durch vermeintlich uralte Traditionen den politischen
Veränderungswillen in der Region trockenzulegen. In diesem
Zusammenhang wurde 1871 in Erinnerung an die sogenannte
„Bauernrepublik“ auf der Bezegg die Bezegg-Sul
errichtet, die an das einst in der Nähe gelegene Rathaus
erinnern sollte. 8 Hier nämlich habe das eigentliche Herz der
demokratischen Gerichtsgemeinde geschlagen: ein echtes
Parlament, wo sich die in freier Wahl ausgeschossenen
Räte und Geschworenen alljährlich versammelt hätten, um
über die Befolgung des alten Herkommens zu wachen und
keine Abweichung von den von den Vätern ererbten Sitten
und Bräuche zu dulden – und genau daran sollten sich die
Bewohner des Bregenzerwaldes auch in Zukunft halten. Die
Wunschvorstellung einer einstigen „Bauernrepublik“ wurde
– im Kontext des politischen wie sozialen Durchbruchs
des Konservativismus in Vorarlberg 9 – von einem dynamischen
zu einem konservativen Prinzip. Allerdings: bei
beiden Varianten des Umgangs mit dem historischen Erbe
des Hinteren Bregenzerwaldes handelte es sich letztlich um
Projektionen.
Im Folgenden soll versucht werden, durch einen mehr
schlaglichtartigen Überblick zu zeigen, dass die Entwicklung
der politischen Organisation im Hinteren Bregenzerwald erheblich
komplexer gewesen ist, als die bisherige Forschung
angenommen hat, und dass noch einige Wissenslücken bestehen,
über die wir nicht einfach mit dem Verweis auf die
freiheitlich-demokratische Kraft des Bregenzerwälders hinweggehen
können. Besonderes Augenmerk soll dabei der
Grundlegung der gerichtsgemeindlichen Verfassungsstruktur
im Mittelalter gewidmet werden – hier gingen die entscheidenden
strukturgenetischen Prozesse vonstatten, die
für die Ausgestaltung der konkreten gerichtsgemeindlichen
Verfassungselemente von nachhaltiger Bedeutung werden
sollten. 10 Im Anschluss daran soll dann – aufgrund des unbefriedigenden
Forschungsstandes noch kursorischer – die
Entwicklung ab dem 16. Jahrhundert unter die Lupe genommen
werden.
Seite 340
II.
Noch bis vor wenigen Jahren hätte man auf relativ bündige
Weise schildern können, wie vom 11. bis 14. Jahrhundert
der Bregenzerwald im Rahmen der mittelalterlichen Binnenkolonisierung
des Deutschen Reiches erstmals stufenweise
besiedelt worden sei. 11 Die frühesten schriftlichen
Zeugnisse berichten nämlich davon, dass diese Besiedlung
noch im ausgehenden 11. Jahrhundert kaum eingesetzt
habe. Bekannt ist diesbezüglich die berühmte Petershauser
Chronik, 12 die schildert, wie das Kloster Mehrerau in
Andelsbuch gegründet wurde, bevor es aus infrastrukturellen
Gründen an den Bodensee verlegt werden musste.
Der Chronist schreibt:
„Von Andelsbuch. In dem Waldgebiet von Andelsbuch lebte
ein Einsiedler namens Diedo, der sich dort eine Kapelle und
eine Wohnstatt gebaut und ringsum Äcker gerodet hatte,
da ihm dieser Ort zum Dienst des Herrn geeignet schien.
Nachdem aber dieser Einsiedler im Herrn entschlafen war,
bat der Graf Odalrich den ehrwürdigen Abt Theoderich, er
möge dort ein Klösterchen erbauen und das klösterliche Leben
einrichten. […] Später übergab er den Ort Andelsbuch
und eine andere Besitzung mit dem Namen Hasenau dem
Kloster Petershausen zum ewigen Eigentum […]. Nachdem
sie eine Weile dort oben gelebt hatten und sich die Zahl
der Brüder vermehrte, die Lebensmittel und die anderen
notwendigen Dinge wegen der Länge und Beschwerlichkeit
des Weges jedoch kaum herangebracht werden konnten,
da das Kloster zu weit in den Wäldern lag, beschlossen die
Brüder die Verlegung des Klosters nach Bregenz, wo sie
leichter und bequemer ihren Bedarf decken konnten.“ 13
Andelsbuch, das klimatisch und topographisch wohl günstigste
Gebiet des Bregenzerwaldes, sei also mitten in
tiefsten Wäldern gelegen, nur ein einsamer Einsiedler
habe sich schon vor der missglückten Klostergründung dort
aufgehalten. Dieser Diedo ist nun jedem Bregenzerwälder
allzu bekannt: gemeinsam mit seinem Bruder Merbod, der
in Alberschwende gewirkt habe und von den Alberschwen

dern erschlagen worden sei, und seiner Schwester Ilga, die
bis heute in Schwarzenberg verehrt wird, hätten diese drei
seligen Geschwister aus gräflichem Hause in der zweiten
Hälfte des 11. Jahrhunderts die Einsamkeit des noch unerschlossenen
Bregenzerwaldes gesucht. Eine auf den ersten
Blick glaubwürdige Geschichte, denn sie passt ausnehmend
gut ins Hochmittelalter, das von einer sich beschleunigenden
Rodung der noch unermesslich großen Wälder
des damaligen Deutschen Reiches geprägt war. Allerdings
– so kann es nicht gewesen sein. Nicht nur sind nämlich
jüngst eindrückliche Hinweise zusammengestellt worden,
die die Existenz aller drei Einsiedler überhaupt sehr fraglich
machen 14 – vor allem haben naturwissenschaftliche Untersuchungen
der letzten Jahre für den noch weiter im Talhintergrund
liegenden Bezauer Raum wirklich spektakuläre
Ergebnisse erzielt. Hier hat die Analyse von Polleneinlagerungen
eines Bohrkerns aus dem „Grebauer Moos“, einem
Moorgebiet nahe dem heutigen Dorfzentrum, gezeigt, dass
mit einer Siedlungskontinuität bis über die Zeitenwende
hinaus gerechnet werden muss. 15 Es gibt also eindeutige
Beweise für permanente Siedlungen im Bregenzerwald seit
weit über 2000 Jahren – und doch findet sich vor dem 12.
Jahrhundert nicht ein einziger schriftlicher Hinweis darauf.
Alles deutet darauf hin, dass das von daher kommt, dass
erst mit der herrschaftlichen Erfassung des Tales von außen
vor allem während des späten Mittelalters überhaupt die
Notwendigkeit einer schriftlichen Verwaltung und Beanspruchung
von bestimmten Besitztiteln aufgekommen ist.
Und gerade deshalb haben wir erst dann Nachrichten über
den Bregenzerwald, als dieser zwischen grundherrschaftlichen
und landesherrschaftlichen Kräften umstritten war
– derartige Etablierungsbestrebungen setzten faktisch erst
im 12. Jahrhundert ein.
Ein wichtiges Eckdatum ist für die weitere Entwicklung des
Bregenzerwaldes ist das Jahr 1290. Bis zu diesem Zeitpunkt
hatte das Reich vor Ort über die entscheidenden Rechte verfügt.
So sind beispielsweise Egg und Schwarzenberg schon
allein aufgrund der spärlich vorhandenen Quellen eindeutig
als Reichskirchen zu identifizieren, aber auch Andelsbuch,
das bis heute als Pfarrgebiet gilt, das von der Mehrerau erschlossen
worden sei, dürfte tatsächlich kirchlich ursprünglich
vom Reich kontrolliert worden sein. 16 Erstmals hören
wir von einer vom Kloster Mehrerau beanspruchten Kirche
in Andelsbuch bezeichnenderweise in einem päpstlichen
Schutzbrief von 1249, 17 als die kaiserliche Macht im Südwesten
des Reiches schon kollabiert war 18 und die Mehrerau
während der folgenden Jahrzehnte des sogenannten Interregnums
– also der Zeit, als es im Reich keinen allgemein
anerkannten König oder Kaiser gab – die eigene Position
in der Region nachhaltig festigen konnte. Alle weiteren
Gründungen von Pfarren im hinteren Talbereich waren an
diese drei Kirchen in Egg, Andelsbuch und Schwarzenberg
gebunden. Von daher kann man also sagen, dass das Reich
grundsätzlich zur Gänze über die kirchlichen Rechte im gesamten
Tal verfügt hat. 19 Aber auch die anderen Rechtstitel
wurden bis ins ausgehende 13. Jahrhundert prinzipiell vom
Reich beansprucht. Ein schöner Beleg dafür ist, dass die
Ritter und späteren Grafen von Ems den Wildbann, genauer
gesagt das Jagdrecht auf Rotwild im ganzen Bregenzerwald
besaßen. 20 Als ehemalige Dienstmannen des Reiches können
sie diesen aber nur erlangt haben, wenn das Reich
Rechte im gesamten Bregenzerwald – also nicht, wie Bilgeri
angenommen hat, nur in einem Teil des Bregenzerwaldes 21
– innegehabt hat.
Aber wie auch immer – jedenfalls löste sich das Reich 1290
von allen seinen Rechten in der Region, indem es diese an
die Grafen von Montfort-Bregenz verpfändete, 22 die damit
zu den maßgeblichen herrschaftlichen Akteuren im Wald
wurden. Dieses Pfand wurde vom Reich nie mehr eingelöst.
Während allerdings die Montfort-Bregenzer im vorderen
Bregenzerwald ein stabiles grund- und leibherrschaftliches
Netz aufbauen konnten, 23 gelang das im Hinteren Bregenzerwald
nicht und zwar nicht deshalb (wie gerne behauptet
wird), weil dort die Bauern ihre Freiheit und Autonomie
erfolgreicher verteidigen hatten können, sondern weil die
Grafen von Montfort-Bregenz sich schon nach nur wenigen
Jahrzehnten von diesem Gebiet hatten trennen müssen.
1338 war der Bregenzer Zweig der großen Montforter Familie
Seite 341

nämlich ausgestorben. Die darauffolgende Erbteilung 24 zwischen
den Montfort-Feldkirchern und den Montfort-Tettnangern
25 zerriss auch den Bregenzerwald. Während das Gebiet
rechts der Subersach an die Tettnanger fiel, die eine jüngere
Linie Montfort-Bregenz gründeten, wurde der Hintere
Bregenzerwald (diese Bezeichnung bezieht sich historisch
betrachtet auch auf den heutigen Mittelwald, also Egg,
Schwarzenberg und Andelsbuch) zur Grafschaft Feldkirch
geschlagen. Nur eine kleine Exklave im Vorderwälder Gebiet,
Krumbach und Unterlangenegg, sollte an der Wende
zum 15. Jahrhundert wieder unmittelbar mit dem Hinteren
Bregenzerwald verbunden werden. 26
III.
Nun ist ungünstigerweise auch das 14. Jahrhundert noch
äußerst quellenarm – vor allem, was seine Auskunftsfreudigkeit
bezüglich des politischen Verfassungs- und
Verwaltungslebens im Hinteren Bregenzerwald betrifft.
Wir kommen von daher ohne die Auseinandersetzung mit
etwas komplexeren verfassungstheoretischen Fragen nicht
aus, um zu verstehen, wie überhaupt ein talschaftsübergreifendes
Gemeinwesen entstehen konnte, 27 obwohl doch
der Hintere Bregenzerwald sowohl grundherrschaftlich als
auch was seine Siedlungsgeographie und Topographie
betrifft äußerst zergliedert war und bis heute ist. Viel einleuchtender
wäre es von daher auf den ersten Blick eigentlich
gewesen, wenn sich wie beispielsweise im Vorarlberger
Oberland kleinräumige, relativ autonome Gemeinden auf
der Ebene der Siedlungsgenossenschaften gebildet hätten,
die nachträglich und in bestimmten Bereichen als Gerichtssprengel
zusammengeschlossen waren. 28 Aber gerade das
unterscheidet den Bregenzerwald vor dem bayerischen Gemeindegesetz
von 1808 von dem danach: es gab schlicht
keine Gemeinden im Bregenzerwald, der Hintere Bregenzerwald
als ganzer war eine Gemeinde – eben eine sogenannten
Tal- oder Samtgemeinde, die alle politisch-rechtliche
Agenden auf einer überlokalen Ebene organisierte. 29
Seite 342
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass es ein weitverbreiteter
Mythos ist, dass der Hintere Bregenzerwald als Gerichtsgemeinde
eigentlich von den Hinterbregenzerwäldern
selbst geschaffen worden sei. In die gleiche Richtung geht
es, wenn in den meisten einschlägigen Untersuchungen zu
lesen ist, dass das kommunale Landammannamt bereits in
der Mitte des 14. Jahrhunderts voll ausgebildet greifbar sei,
so wie die Gemeinde überhaupt schon seit dem Ende des
13. Jahrhunderts als eine solche auftrete. Von daher wird
in der Regel davon ausgegangen, dass der Landammann
bereits in montfortischer Zeit, also vor dem Ende des 14.
Jahrhunderts, schon als gewähltes Vertretungsorgan der
Gerichtsgemeinde vorhanden gewesen sei und als Vertreter
der Gemeinde grundsätzlich über alle Kompetenzen verfügt
habe, wie sie uns in der Neuzeit in den bekannten Landsbräuchen
entgegentreten. Alle diese Annahmen finden jedoch
in den Quellen faktisch keinerlei Stütze. Eine angebliche
Urkunde von 1344, in der der Kaiser den Staufnern die
Rechte und Privilegien der Bregenzerwälder verliehen habe
und die gerne als Beweis für die Existenz einer organisierten
Gerichtsgemeinde herhalten muss, ist nicht nur nicht
original überliefert, sondern höchstwahrscheinlich auch
inhaltlich gefälscht. 30 Überhaupt ist es kaum möglich, von
einer Einzelurkunde auf den kommunalen Entwicklungsgrad
einer Gemeinde zu schließen. Und auch bei dem 1353
im liber taxationis, einem Abgabenverzeichnis der Diözese
Konstanz, genannten minister im Bregenzerwald, 31 der
meist unbedenklich als Ammann eines mutmaßlich bereits
vorhandenen Gerichtssprengels im Hinteren Bregenzerwald
übersetzt und verstanden wird, 32 kann es sich um alles
Mögliche gehandelt haben – wahrscheinlich um einen Verwalter
der Grafen von Montfort oder unter Umständen auch
des Klosters St. Gallen, da er lediglich in der Funktion eines
Einziehers einer Abgabe der St. Galler Kirche am Schwarzenberg
erscheint. 33 Dass er unmittelbar in die amtliche
Genealogie der späteren gerichtsgemeindlichen Landammänner
gehört, ist reine Spekulation und sachlich mehr als
nur unwahrscheinlich.

Vorarlbergkarte 1783
Seite 343

Es ist jedenfalls außerordentlich auffallend, dass ein
kommunal organisiertes Gemeinwesen mit einer entsprechenden
Autorität im ganzen Talbereich des Hinteren Bregenzerwaldes
erstmals im Jahr 1380 in Zusammenhang mit
der Übergabe der Besitzungen Rudolfs V. von Montfort-Feldkirch,
des letzten Feldkircher Grafen, 34 an die Habsburger
auftaucht. Hier tritt uns in der entsprechenden Huldigungsurkunde
vom 9. Januar 35 auch ein Ammann entgegen, der
gemeinsam mit den Land Lüt gemeinlich in dem Pregentzerwald
dem neuen Herrn huldigt. Mindestens so bemerkenswert
ist, dass an die entsprechende Huldigungsurkunde
sogar ein Siegel des „Landes“ Bregenzerwald gehängt
wurde. 36 Gerade dieser Umstand hat immer wieder als
vermeintlich schlagender Beweis dafür gedient, dass der
Bregenzerwald eben doch schon viel früher ein eigenständiges
Gemeinwesen gewesen sei, dessen Autonomie so
weit gegangen sei, dass es sogar ein eigenes Siegel geführt
habe. 37 Ein genauerer Blick in die Urkunde selbst zeigt allerdings,
dass dieses Siegel hier noch nicht von der Gemeinde
selbst, sondern von einer externen Autorität, wohl der
neuen Herrschaft, lediglich im Namen des Landes geführt
wurde. 38 Die Frage ist nun naheliegend: Warum sollte es im
Interesse der Herrschaft liegen, dass im Hinteren Bregenzerwald
eine Gemeinde bestand, die über ein so wichtiges
Instrument wie das Siegel verfügte? Nun, gerade dadurch,
dass die Herrschaft dem Hinteren Bregenzerwald ein Siegel
verlieh und ihn damit zum juristischen Subjekt machte,
konnte sie einen Vertragspartner schaffen, der sich auf die
Unterordnung unter die neue österreichische Herrschaft
überhaupt erst verpflichten konnte. Der österreichische
Herzog hatte nämlich das Problem, dass er zur Etablierung
seiner Macht im Hinteren Bregenzerwald über keinen
rechtsfähigen und umfassend vertretungsbefugten Vertragspartner
vor Ort verfügte, der notwendig war, damit die
rechtskonforme Huldigung und Unterwerfung der dort ansässigen
Leute vollzogen werden konnte. Ein solcher rechtskonformer
Huldigungsakt aber war nicht nur im Verständnis
der Zeit nötig, damit es zur Aufrichtung von Herrschaft
kommen konnte, sondern musste für die Habsburger auch
deshalb wichtig sein, weil sie ihre neue Autorität in der Re-
Seite 344
gion nicht auf eine althergebrachte Tradition zurückführen
konnten. Sie mussten ihre Autorität also in einem neugeschaffenen
rechtlich-verbindlichen Kontext absichern. Der
dazu notwendige Vertragspartner musste allerdings erst
geschaffen werden, damit sich die Bregenzerwälder überhaupt
rechtsgültig unterwerfen konnten – aus diesem
Grund wurde die politische Gerichtsgemeinde im Hinteren
Bregenzerwald konstruiert. Diese Interpretation wird massiv
dadurch gestützt, dass wir vor 1380 keinerlei Hinweise
aus dem internen Rechtsleben der Hinterbregenzerwälder
darauf haben, dass es ein politisch organisiertes Gemeinwesen
im Hinteren Bregenzerwald überhaupt gegeben hat.
In den 1380er Jahren allerdings, also unmittelbar anschließend
an diesen urkundlichen Huldigungsakt, tauchen bezeichnenderweise
erstmals Urkunden auf, die zeigen, dass
mit einem Mal die anfallenden Rechtsgeschäfte unter den
Hinterbregenzerwäldern von einem talschaftsübergreifend
agierenden Ammann besiegelt wurden, der offenbar nunmehr
als eine Autorität galt, die allgemein als rechtsschaffend
bzw. -sichernd anerkannt wurde. 39 Auch aus dieser
Perspektive ist also der Schluss naheliegend, dass erst die
rechtsverbindliche Unterwerfung unter die Herrschaft von
Österreich die notwendige Initialzündung dafür war, dass
sich ein politisches Gemeinwesen im Hinteren Bregenzerwald
überhaupt erst entwickeln konnte. Kaum überspitzt
kann man sagen, dass der eigentliche Motor der Entstehung
einer politisch verfassten Gerichtsgemeinde im Hinteren
Bregenzerwald nicht die Bregenzerwälder, sondern
die Habsburger als ihre Landesherren gewesen sind. So
wurden also erst durch diesen Unterwerfungsakt von 1380
die Hinterbregenzerwälder zu einer vertragsfähigen und
politischen Gemeinde verbunden, die als ganze dem neuen
Landesherrn gegenüberstand und die im Ammann, der
seine Autorität in jedem von ihm besiegelten urkundlichen
Akt eben auf den Landesherrn zurückführte, ein Organ besaß,
das das Rechtsleben innerhalb der Gemeinde ordnen
und damit verrechtlichen konnte. Es gab nunmehr im Ammann
jemanden in der Region, der im mächtigen Herzog
von Österreich die notwendige Rückendeckung besaß, um
gegenüber den Bregenzerwäldern als einigendes Element

aufzutreten – und wie hätte das besser gehen können, als
über die Regulierung des agrarisch-ökonomischen Alltags:
plötzlich mussten die Bregenzerwälder Verträge und Abmachungen
untereinander vom Ammann besiegeln lassen,
damit diese überhaupt Rechtskraft besaßen – der Hintere
Bregenzerwald wurde so zu einer Gemeinde, in der eine gemeinsame
rechtlich-politische Kultur gepflegt wurde.
IV.
Halten wir also fest: den Hinteren Bregenzerwald als politische
Gerichtsgemeinde hat es tatsächlich vor der offiziellen
Inbesitznahme durch die Habsburger so nicht
gegeben. Diese waren daran interessiert, dass es zu einer
stabilen Vereinigung der Hinterbregenzerwälder in einer
solchen politischen Gemeinde komme, da dadurch die
dortigen Leute zu einem „politischen Subjekt“ wurden, das
von einem Ammann vertreten werden konnte – das heißt
vor allem: rechtsgültig die Herrschaft des Habsburgerherzogs
anerkennen konnte. Durch solche Aktionen gelang
es den Habsburgern gleichzeitig auch, die Bindungen der
Bregenzerwälder an andere Herrschaftsträger zu unterminieren.
Die Bevölkerung war grundherrschaftlich betrachtet
sehr fragmentiert, d.h. die Bauern waren zu Zinsen und
Todfällen 40 – oft waren diese Abgaben schon im ausgehenden
Mittelalter nicht mehr in Naturalien, sondern in
Form von Bargeld abzuliefern – an verschiedenste Herren
verpflichtet. So war beispielsweise ein Teil der Bizauer hohenemsisch,
während die anderen zur Grundherrschaft des
Klosters Mehrerau gehörten, 41 lange Zeit verfügte das Kloster
St. Gallen über den größten Teil von Schwarzenberg, 42
während vermögende Bregenzer und auch Einheimische
grundherrschaftliche Rechte auf einzelnen Höfen im Tal für
sich beanspruchten. Indem der Herzog von Österreich, also
der Landesherr, die Bregenzerwälder zu einer einheitlichen
Gemeinde machte, löste er sie in gewisser Weise von den
freilich unausgebauten, mehr potenziellen politischen Bindungen
an diese vereinzelten Grundherren – diese sollten
in Zukunft nur noch rein abgabenorientiert in der Region aktiv
sein können. Dadurch stärkte er aber gleichzeitig auch
das politische Selbstbewusstsein der entstehenden Gemeinde
gegenüber den grundherrschaftlichen Herrschaftsträgern,
die vor Ort über diverse Rechtstitel und Abgabenansprüche
verfügten. Besonders gut wird das im 1465/66
ausgetragenen Streit um die Todfallpflichtigen zwischen
den Bregenzerwäldern und dem Kloster Mehrerau greifbar,
in dessen Verlauf der Landesherr eine Schiedsrichterfunktion
einnahm, das heißt von beiden Seiten ohne Weiteres
als die entscheidende politische Kraft vor Ort anerkannt
wurde. 43 Es lässt sich zeigen, dass auch das hohe politische
Selbstverständnis der Gemeinde gegenüber dem Landesherrn,
wie es in den reicher fließenden Quellen der frühen
Neuzeit durchaus greifbar wird, nicht das Ergebnis einer
angeblich ursprünglich demokratisch-republikanischen
Gesinnung der dortigen Bauern gewesen ist, sondern sich
– auf den ersten Blick paradoxerweise – vielmehr einer
ordnenden Intervention durch den Herzog von Österreich
verdankt hat.
Die Fortführung dieses Prozesses der Herrschaftsverdichtung
mit einer damit einhergehenden Vertiefung des politischen
Selbstverständnisses der Gemeinde lässt sich
während des 15. Jahrhunderts anhand mehrerer Beispiele
nachvollziehen. Im Folgenden soll exemplarisch der Bereich
der Hoch- und Blutgerichtsbarkeit herausgegriffen
werden. 44 Dieser nimmt sich im Hinteren Bregenzerwald
tatsächlich sehr eigen aus und zwar vor allem deshalb, weil
wir nirgendwo sonst in ganz Vorarlberg während des Mittelalters
und darüber hinaus eine solche Fülle an Urkunden
finden, die die Vollstreckung von Todesurteilen bzw. die
Begnadigung von Verbrechern bezeugen – und das noch
dazu auf bemerkenswert hohem juristischem Niveau. In
aller Regel wurde es im Mittelalter nämlich gar nicht für
nötig erachtet, über solche Verurteilungen dokumentierende
Urkunden anzufertigen. Bei handhafter Tat, das heißt
wenn man auf frischer Tat beispielsweise beim Diebstahl
erwischt wurde, genügte mitunter der nächste Baum. Ein
solches spontanes Erhängen war durchaus konform mit
den Rechtsvorstellungen der damaligen Zeit. 45 Und auch
bei einem offiziellen Todesurteil war es sachlich gesehen
Seite 345

kaum nötig, eine sowohl in der Herstellung als auch in der
rechtsgültigen Ausfertigung teure Urkunde auszustellen –
außer, sie wurde eben weniger als objektive Feststellung
ausgestellt, dass man jemanden zum Tode verurteilt habe,
als vielmehr mit dem Ziel, zu dokumentieren, dass die konkret
vorgenommene Fällung eines entsprechenden Urteils
tatsächlich rechtens gewesen sei. Solche Absichten lassen
sich im Hinteren Bregenzerwald nun eindeutig erheben. Ein
Durchgang durch die einschlägigen Urkunden zeigt, dass
die konkrete Gestalt der Ausübung der Hochgerichtsbarkeit
in der Region eben nicht selbstverständlich war, sondern
erst urkundlich durchgesetzt werden musste. Dieser Vorgang
lässt sich bereits am ersten überlieferten Todesurteil
vom 10. Februar 1400 nachvollziehen. 46 Dieser Prozess mit
der anschließenden Exekution ist anscheinend hochdramatisch
verlaufen: unter dem Vorsitz von Landammann Wilhelm
von Fröwis kam es zur Vollstreckung des Urteils wegen
Diebstahls an den drei Söhnen des Heinrich Knechtenhofer,
der nicht nur materiell gesehen zur Bregenzerwälder
Oberschicht gehörte, sondern sogar über ein eigenes
Siegel verfügte, also rechtsfähig war. Die Vollstreckung
klappte allerdings nicht wie beabsichtigt: während der erste
Sohn tatsächlich erhängt wurde, brach beim zweiten
der hälsling – das wurde als Gottesurteil interpretiert, woraufhin
die Begnadigung der beiden noch lebenden Söhne
ausgesprochen wurde, die Urfehde leisten, das heißt das
eidliche Versprechen abgeben mussten, keine Rache an
denen zu nehmen, die den Prozess gegen sie angestrengt
und durchgeführt hatten. 47 Dieser Prozess dient bis heute
als angeblicher Beweis, dass der Hintere Bregenzerwald
schon im 14. Jahrhundert selbständig über das Recht der
Blutgerichtsbarkeit verfügt habe. Tatsächlich zeigt die fragliche
Urkunde aber vielmehr, dass der Landammann als
Richter vollkommen im Namen des Herzogs von Österreich
handelte – von einer besonderen Kompetenz der Gerichtsgemeinde
ist hier nicht die Rede. Diese war zwar für die
eigentliche Verurteilung des Angeklagten zuständig – aber
sie hatte der Urkunde nach keine Kompetenz, dieses Urteil
auch zu vollstrecken. Dieses Vorrecht stand allein Ammann
Wilhelm von Fröwis zu, und zwar „von gnaden und gewaltes
Seite 346
wegen der duluchten hochgebornen fürsten miner gnädiger
herrschafft von Osterrich“. 48
Die außergewöhnlich zahlreichen offiziellen blutgerichtlichen
Urkunden aus dem ausgehenden Mittelalter sind
also – so zeigt schon der Blick auf die erste entsprechende
Urkunde aus dieser Gattung – alles andere als ein Beweis
für die selbständige Verwaltung der hohen Gerichtsbarkeit
durch die Hinterbregenzerwälder. Sie zeigen vielmehr genau
das Gegenteil an: die Dokumentation dieser gerichtlichen
Akte diente tatsächlich dem Landesherrn, der im Ammann
sein entscheidendes herrschaftspolitisches Instrument besaß,
dazu, seine Kompetenz in diesem Bereich festzuschreiben
und sich damit als entscheidende politische Größe in
der Region präsent zu halten. Zwar konnte die Gemeinde
die formelle Verurteilung vornehmen, aber vollstreckt werden
durfte sie nur im Namen des Landesherrn. Die zahlreichen
weiteren einschlägigen Urkunden des 15. Jahrhunderts
können hier nicht näher behandelt werden, aber auch
bei ihnen lässt sich ganz deutlich der sich beschleunigende
Prozess der Festschreibung des landesherrschaftlichen
Einflusses auf die Blutgerichtsbarkeit nachvollziehen. Mit
der Zeit wurde beispielsweise das gerichtsgemeindlich
verantwortete Übersagungsverfahren immer stärker in
rechtlich-verbindliche Formen transponiert und damit aus
der unmittelbaren, nicht näher geregelten Verantwortlichkeit
der Gemeinde gelöst 49 – ein definitiv festgeschriebenes
Recht verpflichtete auch die Gemeinde und machte so die
gemeindliche Übersagung von Verbrechern prinzipiell zu
einem Bereich, in das von herrschaftlicher Seite mit juristischen
Mitteln eingegriffen werden konnte. 50 Im 15. Jahrhundert
wurde allerdings der Ammann immer mehr auch
zu einem Organ der Gemeinde, bei dessen Bestellung die
Hinterbregenzerwälder – zumindest in gewisser Weise
– mitzureden hatten. 51 So verschmolz das hohe Selbstbewusstsein
des Ammanns als herrschaftlicher Blutrichter mit
dem politischen Selbstverständnis der Gemeinde, das im
Ammann in erster Linie seinen Vertreter sah. Und so kam
es schließlich dazu, dass die Gemeinde paradoxerweise
nunmehr gerade im Bereich der Blutgerichtsbarkeit, der ei

gentlich ursprünglich ein Einfallstor landesherrschaftlicher
Macht gewesen war, eine besondere Kompetenz für sich
selbst sah. Deshalb konnte im Landsbrauch von 1744 stehen:
„Erstlich hat der Bregenzerwald Hoch u. Niedergericht
über Leib und Blut zu richten, u. abzustrafen jeden nach
seinem Verbrechen, mithin unter die löbl. Oberämter nicht
gehörig, noch deren Befehl anzunehmen hat, außer solche
kommen von unsrem allergnädigsten Landesfürsten als natürlichen
Herren“. 52
Das Beispiel der Blutgerichtsbarkeit zeigt also, dass die
Ausgestaltung zentraler Bereiche der Verwaltung und Verfassung
des Hinteren Bregenzerwaldes – und zwar gerade,
was seine weitreichenden Privilegien in so wichtigen Bereichen
wie eben dem der Gerichtsbarkeit betrifft – nicht
eine ureigene Schöpfung der sogenannten „freien Bregenzerwälder“,
sondern vielmehr das Ergebnis eines vielschichtigen
kommunikativen Verhältnisses zum Landesherrn
bzw. dem herrschaftlichen Vogt in Feldkirch gewesen
sind. Dasselbe ließe sich auch in anderen Bereichen zeigen,
beispielsweise im Kontext der Entwicklung des Steuersystems,
53 aber wohl auch im Kontext der Gestaltung der
freiwilligen Gerichtsbarkeit bzw. der Zivilgerichtsbarkeit.
Letztere wurde vor allem auf den drei jährlichen Zeitgerichten,
den sogenannten „ehehaften Gerichten“ – so wurden
die Rechtstage der ordentlichen Fasnacht-, Märzen- und
Herbstgerichte genannt – ausgeübt. Diese fanden bis 1522
nur in Egg, Andelsbuch und Schwarzenberg statt, bis in
diesem Jahr auch ein Gerichtstag für Bizau und damit den
hintersten Bregenzerwald dazukam. Hier wurden vor allem
Streitigkeiten im agrarischen und ökonomischen Bereich
unter den Bregenzerwäldern selbst gelöst und urkundlich
dokumentiert. 54 Der Ammann führte dabei den Vorsitz und
wurde bei der Rechtsfindung von einer bestimmten Anzahl
von Ratsherren als gerichtlichen Beisitzern unterstützt. Von
ihnen gab es zumindest Anfang des 16. Jahrhunderts 24,
also jeweils sechs pro Viertel: sechs aus Egg (Egger Viertel),
sechs aus Schwarzenberg, Hof, Baien und Mellau (Schwarzenberger
Viertel), sechs aus Andelsbuch, Krumbach und
Bezau (Andelsbucher Viertel) und weitere sechs aus dem
hintersten Bregenzerwald, also Bizau, Reuthe, Schnepfau,
Au und Schoppernau (Bizauer Viertel). 55 Gerade die Entwicklungen
im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit sind aber
noch sehr schlecht erforscht – ihnen näher nachzugehen
wäre eine lohnende Aufgabe.
V.
Wir können also das nervöse Zentrum der Entwicklung
zentraler Elemente der Verfassung des Hinteren Bregenzerwaldes,
das späte Mittelalter, mit der Feststellung hinter
uns lassen, dass die Anfänge und weitere Entwicklung der
Gerichtsgemeinde auf einer sehr starken herrschaftlichen
Einflussnahme durch die Habsburger beruht hat. Gerade
dadurch aber kam es auch – wie wir am Beispiel der Blutgerichtsbarkeit
gesehen haben – zur Ausbildung der weitreichenden
Privilegien und Rechte des Hinteren Bregenzerwaldes
in Angelegenheiten der Selbstverwaltung und der
Gerichtsbarkeit.
Mit dieser zentralen Feststellung können wir den Schritt in
das 16. Jahrhundert und damit in die Neuzeit tun. Es bietet
sich hier an, unseren mehr kursorischen Überblick, der
ungünstigerweise nicht an einen ausgearbeiteten verfassungsgeschichtlichen
Forschungsstand anschließen kann,
auf das Phänomen hin zu fokussieren, das das Bild von
der Hinterbregenzerwälder Gerichtsgemeinde in der Neuzeit
am entscheidensten geprägt hat: die Bezeggversammlung
und ihre Rolle im Rahmen der gerichtsgemeindlichen
Verfassung. Klare Antworten können wie gesagt aufgrund
fehlender Vorarbeiten vorläufig nur bedingt formuliert werden;
es soll hier mehr eine erste kritische relecture dieses
geschichtlichen Komplexes und Erinnerungsortes versucht
werden.
Besonders patriotische Historiker wollten die Anfänge
der Bezeggversammlung in die früheste Zeit der Gerichtsgemeinde
zurückdatieren und ihr damit einen von allem
Anfang an zentralen Platz bei der Entwicklung dieser Gerichtsgemeinde
zuweisen. 56 Tatsächlich aber taucht die
Bezeggversammlung erstmals am 4. April 1522 auf, als
Seite 347

dem Bizauer Viertel, wie bereits angesprochen, ein eigener
Gerichtstag zugesprochen wurde. 57 Werfen wir einen genaueren
Blick auf diese Erstnennung:
„Wir landamman unnd ratt unnd gannze gemaind des hinderen
taillß des Bregennzerwalldß bekennend offenlich mit
disem brieff unnd thund khund kunnd [!] allermengklich,
alls wier by renngyrung der durchluchtigesten unnd großmechtigesten
fürsten unnd herren her Karls des fünfften […]
uff der Bazen Egg inmergklich anzall mit ratt unnd gemaind
anstatt unnd inamen gemainer lannzlüt samet und sonnder
mit folkomem gewallt erschienen sind, habennd demnach
mit verainntem willen der nochturfft nach mit merer ainheliger
hannd fur uffgenomen unnd gesezt furnemlich das
nun hinfür […] die nach angezaigten unnd geschrybnen
punnghten unnd artigkel von allen unnd yegklichen virden
taylen, stürzen unnd achtennd tailen unnd allermegklich
gehallten folzogen unnd trüelich unnd unngeferlich nachkomen
werde alls dann sich deshallben gepür […]“.
Es handelte sich bei der Bezeggversammlung demnach
also um ein Gremium, das aus dem Landammann, den 24
Ratsherren und Vertretern der ganzen Gerichtsgemeinde
gebildet wurde, und das die bis zu diesem Zeitpunkt übliche
Landsgemeinde – also die Versammlung der ganzen
Gemeinde im Hinteren Bregenzerwald – als maßgebliches
Beschlussorgan in Selbstverwaltungsangelegenheiten
ablöste. Diese Landsgemeinde, die ursprünglich in Andelsbuch
getagt hatte, dürfte aufgrund des Bevölkerungswachstums
des ausgehenden Mittelalters verwaltungstechnisch
nicht mehr praktikabel gewesen sein. Da aber in der
Selbstrechtfertigung der Bezeggversammlung auf diese
Landgemeinde noch direkt Bezug genommen wird, muss
wohl angenommen werden, dass diese in diesem Jahr 1522
erstmals durch diesen Ausschuss auf der Bezegg abgelöst
worden ist. 58 Es fällt auf, dass von einem Rathaus auf der
Bezegg keine Rede ist. Auch über die Art der Beschickung
und die Anzahl der Vertreter der ganzen Gemeinde wissen
wir aus dieser Zeit noch überhaupt nichts. Erst sehr
viel später erfahren wir, dass neben dem Landammann
Seite 348
und den 24 Ratsherren 48 Vertreter der Gemeinde selbst
als stimmberechtigte Teilnehmer dabei waren, die in den
einzelnen Orten selbst nach verschiedenen Mustern ausgeschossen
wurden. Bemerkenswert ist aber immerhin,
dass der erste Akt, der von der angeblich so demokratischrepublikanischen
Bezeggversammlung beschlossen wurde,
lediglich die Ratifikation eines Beschlusses zur Neuregelung
der Gerichtsverfassung gewesen ist, der im Februar
desselben Jahres 1522 unter dem Vorsitz des herrschaftlichen
Vogtes in Feldkirch zustande gekommen war. 59 Es
ist durchaus mit der Möglichkeit zu rechnen, dass die Bezeggversammlung
ursprünglich lediglich eine verwaltungstechnische
Verlegenheitslösung war, um die nicht mehr
beschlussfähige Landsgemeinde bei dieser wichtigen Frage
nach der Neugestaltung der Verteilung der Gerichtstage auf
die einzelnen Viertel abzulösen. Und doch sollte diese „Verlegenheitslösung“
in Zukunft als diejenige Instanz, die die
„Landsbräuche“ festzustellen bzw. überhaupt erst zu beschließen
und schriftlich festzulegen hatte, eine zumindest
in gewissen Phasen nicht unwichtige Rolle spielen. 60 Dass
es im Hinteren Bregenzerwald ein Gremium gab, das die
diffusen lokalen Bräuche und Gewohnheiten festschrieb,
lag vor allem im Interesse der Herrschaft Österreich, denn
mit geschriebenem Recht konnte man als Landesfürst leichter
umgehen, als mit einer Gerichtsgemeinde, die im Konfliktfall
immer behaupten konnte, sie habe recht, denn ihre
Meinung beziehe sich auf einen uralten Brauch – wir haben
diese Logik schon im Bereich der Entwicklung der Hochgerichtsbarkeit
im ausgehenden Mittelalter festgestellt. Wenn
solche zentralen Strukturen aber einmal schriftlich fixiert
waren, konnte man sich von gerichtsgemeindlicher Seite
zumindest in gewissen Fragen nicht mehr auf eine möglicherweise
zweifelhafte alte Gewohnheit beziehen. Leider
ist ein erstes Exemplar dieser so zusammengestellten
Landsbräuche aus dem Jahr 1544, das noch 1970 erwähnt
wird, 61 seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr auffindbar.
Es soll hier keine katalogartige Aufzählung derjenigen Gegenstände
angeführt werden, die in diesen Landsbräuchen
geregelt wurden – sie umfassten in kaum näher systematisierbarer
Weise nahezu sämtliche Bereiche des sozialen

und politischen Lebens in der Gerichtsgemeinde. Hier interessierte
beispielsweise die Frage, wie viele Leute man zu
seiner Hochzeit einladen dürfe genauso wie die Frage, wie
der genaue formelle Ablauf der Gerichtstage auszusehen
hatte. Die Bezeggversammlung war ganz eindeutig nicht
dazu geschaffen worden, eine geschlossene geschriebene
Verfassung von der Machart für die Gerichtsgemeinde im
Hinteren Bregenzerwald zu setzen, wie wir sie im Kontext
moderner Staatlichkeit gewohnt sind – systematisch Recht
gesetzt wurde auf der Bezegg ursprünglich nicht, sondern
nur bei Notwendigkeit in verschiedenste soziopolitische
Bereiche regulierend eingegriffen. Die Tendenz zu einer
relativen Zentralisierung und Verrechtlichung des gesellschaftlichen
Zusammenlebens lag ganz im Zug der Zeit und
wurde vor allem von den Landesfürsten forciert, die sich dadurch
eine Vereinfachung der Verwaltung und eine bessere
Disziplinierung der Untertanen erhofften und auch erreichten.
62 Es ist von daher nicht außergewöhnlich, dass eine
der ersten überlieferten umfangreicheren Beschlüsse der
Bezeggversammlung aus dem Jahr 1555 eine sogenannte
Polizeiordnung war, die für den sozialen Frieden sorgen und
Verstöße unter strenge Strafe stellen sollte. Diese rechtfertigt
sich bezeichnenderweise mit den Worten:
„Nachdem sich lange Zeitt her das Gotzlesteren, Fridbrechen,
Rotten, vechten, Auch andere unzüchtig Handlung,
unnd wesen über Hannd genomen, Das guott geminderet,
unnd das Böß gehauffet, und will Niemantz kain straff mer
haben, soliches ain Erberer aman und Rath, weder gegen
Gott noch der Oberkait mer verandtwurtten könen, Derwegen
mit hilff ainer Ersamen Gemaind diese Artickhel und
Poleyzey geordnet und gesetzt […]“. 63
Nur nebenbei sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass
über das Prozedere innerhalb der Bezeggversammlung aus
der Zeit der Gerichtsgemeinde selbst praktisch nichts bekannt
ist. Die bekannte Geschichte von der Leiter, die vom
auf Säulen stehenden Rathaus weggezogen wurde, damit
die Versammelten bis zur Beschlussfassung das Gebäude
nicht mehr verlassen konnten, ist ein Element, das erst im
19. Jahrhundert greifbar wird und das Entstehen des Mythos‘
„Bezegg“ sehr begünstigte – ob es tatsächlich so gewesen
ist, ist zumindest zweifelhaft; es klingt mehr nach einer legendarischen
Übertragung des Papstwahlgewohnheiten im
Konklave auf die Lokalgeschichte. Überhaupt ist es kaum
zu sagen, ab wann wir überhaupt mit dem Bestehen eines
Rathauses auf der Bezegg zu rechnen haben – die Quellen
lassen uns diesbezüglich nahezu gänzlich im Stich. In den
Urkunden ist erstmals im Jahr 1780 (!) von einem solchen
die Rede – und das noch dazu nicht im Zusammenhang
mit einem politisch relevanten Ereignis, sondern nur im
Kontext der Lokalisierung von Holzriesen auf der Bezegg; 64
von der Möglichkeit einer auch nur annähernd genauen Rekonstruktion
des Gebäudes sind wir jedenfalls meilenweit
entfernt. 65
Um auf die weitere Entwicklung zu sprechen kommen zu
können, machen wir hier einen größeren Sprung ins 18.
Jahrhundert. Das ist unter verwaltungs- und verfassungsgeschichtlicher
Rücksicht deshalb möglich, weil die Gerichtsstruktur
des Hinteren Bregenzerwaldes selbst sich über
nahezu drei Jahrhunderte nicht mehr massiv verändert
hat: die kommunalen Organe – der Landammann, der Rat
und die Bezeggversammlung – waren bis ins 16. Jahrhundert
grundsätzlich ausgebildet worden. Der Landammann
besiegelte die notwendigen Urkunden bei Nachbarschafts-
oder Erbstreitigkeiten, die Räte agierten als Gerichts- und
Gemeinderepräsentanten in den einzelnen Orten und
die jährlichen drei Gerichtswochen in Andelsbuch, Egg,
Schwarzenberg und Bizau waren die Anlaufstellen zur
Austragung aller möglichen Konfliktfälle. Es gab daneben
natürlich noch viele Details, die es wert wären besprochen
zu werden, was in diesem kurzen Überblick leider nicht
geschehen kann. Um nur einige Beispiele zu nennen: es
wurden eigene Kundschaftsgerichte in Angelegenheiten abgehalten,
die die Präsenz von Gerichtsleuten vor Ort erforderten,
die Wahl des Landammanns, die auf Vorschlag des
herrschaftlichen Vogtes seit spätestens dem ausgehenden
15. Jahrhundert anfangs jährlich, dann in einem längeren
Turnus durch die hausbesitzenden Bregenzerwälder er-
Seite 349

folgte, musste immer wieder neu geregelt werden, es kam
zu strukturell bedingten Eifersüchteleien zwischen dem
hintersten Wald und dem Mittelwald, weil sich die Hinterwälder
durch die Konzentration der wichtigsten Ämter in
den Händen der Mittelwälder übervorteilt fühlten 66 usw.
Die weitere Entwicklung während des 18. Jahrhunderts und
darüber hinaus muss allerdings noch ausdrücklich thematisiert
werden, weil es hier zu wichtigen Neufassungen der
gerichtsgemeindlichen Struktur gekommen ist.
Es sei diesbezüglich eingangs angemerkt, dass der umfangreiche
Bestand an Gerichtsprotokollbüchern und ähnlichem
Verwaltungsschriftgut, wie es seit der Mitte des 17. Jahrhunderts
(zum Teil sogar noch früher) systematisch angelegt
worden ist, immer noch einer entsprechenden Bearbeitung
harrt. Gerade diese intensive, eigenständig dokumentierte
und archivierte Verwaltungstätigkeit der Gerichtsgemeinde
im Hinteren Bregenzerwald ist etwas wirklich Besonderes
und zeichnet diese Gemeinde unter den ländlichen Vorarlberger
Gerichtssprengeln aus, von denen die meisten von
den nahegelegenen Städten aus massiv kontrolliert und
verwaltet wurden. 67 Aber bevor eine solche Bearbeitung
dieses umfangreichen Verwaltungsschriftguts geleistet ist,
lässt sich hierzu kaum etwas Verlässliches sagen. Was sich
allerdings bereits jetzt feststellen lässt, ist, dass es im Laufe
des 18. Jahrhunderts zu einer geradezu galoppierenden
Verrechtlichung und Durchdringung der Bräuche und Gewohnheiten
des Hinteren Bregenzerwaldes durch die Prinzipien
des modernen Staates gekommen ist – Effizienz und
Einheitlichkeit in der Verwaltung waren gefragt, nicht mehr
die bloße Berufung auf die althergebrachte, traditionelle
Verfasstheit. Es hat eine gewisse Ironie, dass es eigentlich
nicht der Versuch Maria Theresias zur Schaffung solcher
Verwaltungsänderungen von oben war, 68 der in der Mitte
des 18. Jahrhunderts modernere Verwaltungsstrukturen in
der Region konstruierte, sondern die Hinterbregenzerwälder
selbst dieser „Verstaatlichung“ vorarbeiteten und damit
den landesfürstlichen Wünschen letztlich entgegenkamen
– und zwar nicht zuletzt dadurch, dass im Jahr 1744 auf
der Bezegg ein neu überarbeiteter Landsbrauch den über
Seite 350
zweihundert Jahren hinweg zusammengestückelten alten
Landsbrauch ablöste. 69 Das heißt aber nichts anderes, als
dass die Bregenzerwälder selbst von ihrem alten Brauch
abkamen, einfach bei dringender Notwendigkeit Beschlüsse
in verschiedensten Bereichen zu fassen und nunmehr
ähnlich einem modernisiertes Gesetzgebungsorgan ganz
im Sinne der von oben gewünschten Verrechtlichung eine
systematische Verfassung erließen, die möglichst alle zentralen
Bereiche auf politischer Ebene regeln sollte. Der
primäre fundamentale Einbruch in die alterhergebrachte
Verfassung des Hinteren Bregenzerwaldes geschah also
nicht, wie oft zu lesen ist, durch die Reformen unter Kaiser
Joseph II. oder während der Bayernherrschaft, sondern
begann letztlich von innen her, indem die Bezeggversammlung
schon während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
zu etwas gemacht wurde, was sie vorher eigentlich nicht
gewesen war: zu einem quasi verfassungsgebenden Organ
mit Ähnlichkeiten zu einem modernen Parlament, dem mit
dem neuen Landsbrauch ein verfassungsähnliches Werk
zur Seite gestellt wurde.
Schauen wir uns bei dieser Gelegenheit an, welche Bedeutung
der Bezeggversammlung von der Gerichtsgemeinde
selbst zugestanden wurde. 70 Sehr bemerkenswert ist dabei
der Anhang des Landsbrauches von 1744, der über die Vorgeschichte
der Redaktion dieses Landsbrauches berichtet.
Hier können wir folgende Aussagen lesen:
„Bevor man dises geschäfft würkhlich angriff, so hatt sich
ein anstandt und respective zwispalt eraignet wer nemblichen
des gemainen mann auff die Bezegg auszuziehen
und zuschiessen habe: indem einige von alter (in specie
Baltasar Hartmann rath von Andelspuch als welcher schon
2 mahl vorhero auf der Bezegg gewesen war) bey ihren gewissen
und pflichten den sichern bericht ertheilt, die räth
nemblich jeder habe 2 von gemainen mann vor sich selbsten
hierzu ernenth, und außgezogen. Dargegen suchte sonderbahr
aus denen 3 pfareyen Egg, Andelspuch und auch
Schwarzenberg zu behaubten, dieses ausziehen des gemainen
manns sehe den bauren gleich und folglich denen
ein solches zuständig seye.“ 71

Wäre die Bezegg tatsächlich bis zu diesem Zeitpunkt für die
Gerichtsgemeinde so wichtig gewesen, wie bis heute in der
regionalgeschichtlichen Literatur angenommen wird, dann
ist es doch allzu seltsam, dass die politischen Vertreter
des Hinteren Bregenzerwaldes 1744 nicht einmal wussten,
wie die Besetzung durch die Gemeindevertreter in den
einzelnen Orten zu geschehen hatte – ganz zu schweigen
davon, dass jemand, der zweimal auf der Bezegg gewesen
war, schon als erfahren galt. Die Räte waren ja auf Lebenszeit
gewählt 72 – die Tagungen auf der Bezegg müssen
also sehr selten gewesen sein und haben allem Anschein
nach für das institutionelle Leben der Gerichtsgemeinde
keine sehr nachhaltige Rolle gespielt. Deshalb hatte man
offenbar auch keine Ahnung, wie man regelkonform die Abstimmungen
zu handhaben hatte und stellte deshalb 1744
pragmatisch fest:
„Ohneracht zwar von ehewig hergangen der Bezeggischen
zusammenkunfften nichts bekanth oder geschribens vorhanden,
so hatt mann im sizen und umbfrag folgende ordnung
gebraucht: […]. “73
Die Bezeggversammlung hatte also nicht nur im kollektiven
politischen Bewusstsein der Gerichtsgemeinde keine
wichtige Rolle gespielt, sondern auch in der schriftlichen
Verwaltung offenbar keinen nachhaltigen Niederschlag
gefunden. 74 Die Ausarbeitung von Beschlüssen des neuen
Landsbrauchs geschah noch dazu nicht einmal auf der Bezegg
selbst, sondern musste im Haus des Landammanns in
Bezau vorgenommen werden – erst danach begab man sich
auf die Bezegg um dort die entsprechenden Beschlüsse zu
fassen. 75
Offensichtlich also spielte die Bezeggversammlung – von
Ausnahmen abgesehen – keine zentrale Rolle im Verwaltungsleben
des Hinteren Bregenzerwaldes. Man traf sich
zwar schon seit Jahrhunderten dort, um falls notwendig
Beschlüsse zu fassen, aber offenbar faktisch so selten,
dass die Beteiligten 1744 noch nicht einmal wussten, wie
die Geschworenen zu bestellen oder wie das Abstimmungs-
Bezeggsul
(Josef Feuerstein 1871)
prozedere zu handhaben war. Es scheint sogar so gewesen
zu sein, dass die Versammlung nach der Kodifizierung des
Neuen Landsbrauches kaum noch irgendeine Bedeutung
gehabt hat – es war ja sozusagen alles geregelt. Von daher
ist es kein Wunder, dass beim Abriss des Rathauses 1807
keinerlei Proteste durch die Bregenzerwälder aufgekommen
sind 76 – es war ganz einfach zu unwichtig gewesen.
VI.
Die Auflösung der althergebrachten Struktur der Gerichtsgemeinde
im Hinteren Bregenzerwald war also schon mindestens
seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts von innen
her geschehen. Da waren die Reformen unter Joseph
II. von 1786, die neben dem Landammann und dem Rat ein
separates Landgericht mit beamteten Mitgliedern einrichteten,
was bereits 1790 zurückgenommen werden musste,
und die Tatsache, dass der Landammann nicht mehr von
allen Bregenzerwäldern, sondern von einem 66-köpfigen
Ausschuss gewählt wurden, nur eine Beschleunigung jenes
Vorganges, der sowieso schon lange eingesetzt hatte. Bei
der Auflösung des behördlichen Landgerichts 1790 stellte
die Regierung sogar fest, dass diese Gewaltenteilung vier
Jahre zuvor ja auf Wunsch der Bregenzerwälder selbst erfolgt
sei – und Landammann Josef Anton Metzler zeigte sich
in einem Brief an Angelika Kauffmann sogar froh darüber,
dass er mit der Einführung des Landgerichtes nicht mehr
über Leben und Tod zu richten hatte. 77 Da war die vollständige
Abschaffung der Gerichtsgemeinde und die Einführung
des neuen Gemeindegesetzes von 1808 unter den Bayern
nur noch der Schlussstein unter eine lange Entwicklung. 78
Nunmehr wurden große Landgerichtssprengel eingerichtet,
die sich nicht an die alten Gerichtsgrenzen hielten. Die einzelnen,
kleinräumigeren Gemeinden, wie sie heute im Bregenzerwald
im Wesentlichen noch bestehen, traten als die
untersten Glieder der staatlichen Verwaltung an die Stelle
der alten Talgemeinde – auch wenn das im Hinteren Bregenzerwald
lange nicht sehr gut funktionierte.
Seite 351

Es kam allerdings noch zu einem Nachspiel der alten Organisationsformen
der Gerichtsgemeinde, das bis heute anhält.
Die Gerichtsgemeinde hatte ja Vermögen gehabt, das
auch weiterhin verwaltet sein wollte. Dazu gehörten unter
anderem Waldungen, das Gerichtsgebäude und das Kapuzinerkloster
in Bezau – für dessen Besetzung übrigens bis
heute der Stand zuständig ist –, aber auch die Verwaltung
zweier Schulstipendien war beispielsweise zu besorgen. So
existierte der „Stand Bregenzerwald“ als Vereinigung der
Gemeinden Krumbach, Unterlangenegg (heute Langenegg),
Egg, Andelsbuch, Schwarzenberg, Reuthe, Bezau, Bizau,
Schnepfau, Mellau, Au und Schoppernau notgedrungen
weiter, spielte allerdings politisch gesehen praktisch keine
Rolle mehr. Beschickt wurde der koordinierende Standesausschuss
durch die Vorsteher dieser Gemeinden, die
einen Standeskassier, der ab den 1890er Jahren Standesrepräsentant
genannt wurde, wählten und von denen ein
jährlicher Rechnungsabschluss erarbeitet wurde. 79 1895
wurde erstmals ein eigenes Statut erlassen, um die institutionellen
Unsicherheiten auszuräumen. 80 Der „Stand Bregenzerwald“
führt ein eigenes Wappen 81 und ist – nachdem
1998 eine neue Vereinbarung unter den Standesgemeinden
getroffen wurde – bis heute für die Verwaltung des Standesvermögens
zuständig. Mit der alten politischen Gerichtsgemeinde
im Hinteren Bregenzerwald hat er allerdings sachlich
nichts mehr zu tun. Nichtsdestotrotz ist er bis heute ein
Zeuge der einstigen talschaftsübergreifenden Gemeinde im
Hinteren Bregenzerwald, die bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts
die entscheidende Akteurin bei der Gestaltung
des soziopolitischen Lebens vor Ort gewesen ist.
1 Der Vortragscharakter der folgenden Ausführungen wurde weitgehend
beibehalten. Der ursprüngliche Vortragstitel lautete: „Der Hintere
Bregenzerwald als Gerichtsgemeinde und Stand – Politische
Organisation in vormoderner Zeit.“
2 Benedikt Bilgeri, Die Besiedlung des Bregenzerwaldes in ihren
Grundzügen. Dornbirn 1936.
3 Benedikt Bilgeri, Die Anfänge des freien Hinterbregenzerwaldes, in:
Montfort 1 (1946) 1/2, S. 6-15. 73-87. 121-131.
Seite 352
4 Benedikt Bilgeri, Der Bregenzerwald in der ländlichen
Verfassungsentwicklung Vorarlbergs, in: Montfort 21 (1969) 3/4,
S. 282-334.
5 Das schlagendste Beispiel dafür ist die extrem sozialromantisch
angelegte Dissertation von Rudolf Fischer, Die Rechte der Bauernschaft
im Innerbregenzerwald seit der örtlich bedingten Frühzeit bis zur
bayrischen Fremdherrschaft (1805/06). Ein Beitrag zur Rechtsgeschichte
Vorarlbergs. Masch. phil. Diss. Graz 1950; vgl. kritisch zu dieser
Methodik Alois Niederstätter, „Wenn ich mich mit Geschichte befasse,
mache ich mich zum Sprecher früherer Zeiten. Da gibt es keine
Korrektur.“ Bemerkungen zur Vorarlberger Landesgeschichtsschreibung
nach 1945, in: Aufbruch in eine neue Zeit. Vorarlberger Almanach zum
Jubiläumsjahr 2005, hg. von Alois Niederstätter/Ulrich Nachbaur.
Bregenz 2006, S. 209-217. Vgl. allgemein weiters die kritische
Untersuchung von Markus Barnay, Die Erfindung des Vorarlbergs.
Ethnizitätsbildung und Landesbewußtsein im 19. und 20. Jahrhundert
(Studien zur Geschichte und Gesellschaft Vorarlbergs 3). Bregenz 1988.
6 Vgl. dazu v.a. Bilgeri (wie Anm. 4), S. 282-284; vgl. weiters Bilgeri (wie
Anm. 3), S. 6-10.
7 Franz Michael Felder, Gespräche des Lehrers Magerhuber mit seinem
Vetter Michel, in: Ders., Vermischte Schriften, ediert von Walter Methlagl
(Sämtliche Werke Bd. VIII). Bregenz 1979, S. 155-185, hier S. 155 f.
8 Zur Denkmalenthüllung und ihrer Vorgeschichte vgl. Rudolf Fischer,
Die Bezegg-Sul. Sinnbild demokratischer Gemeinschaft, in: Jahrbuch
Vorarlberger Landesmuseumsverein 115 (1971), S. 11-19, hier S. 17 f.
9 Vgl. Leo Haffner, Die Kasiner. Vorarlbergs Weg in den Konservativismus.
Bregenz 1977, S. 18-26.
10 Zu diesem Gesamtkomplex vgl. Mathias Moosbrugger, Untersuchungen
zur Verfassungsgeschichte des Hinteren Bregenzerwaldes.
Strukturgeschichtliche Bewegungen vom Mittelalter zur Neuzeit. Masch.
phil. Diss. Innsbruck 2008, S. 167-180 und S. 206-327.
11 Der Entwurf dieses Modells wurde vorgenommen von Bilgeri
(wie Anm. 2).
12 Die Chronik des Klosters Petershausen, hg. von Otto Feger (Schwäbische
Chroniken der Stauferzeit 3). Sigmaringen 1978.
13 Ebenda, S. 147.
14 Vgl. Alois Niederstätter, Zur Konstruktion von Geschichte(n): die „seligen
Geschwister“ Diedo, Merbod und Ilga, in: Montfort 60 (2008) 3, S. 139-
155.

15 Vgl. Christine Tschisner, Pollenanalytische Untersuchungen zur
Vegetationsgeschichte von Bezau anhand des Profiles Grebauer Moos
[unveröffentlichte Studie]. o.O. 1997, S. 5-7; vgl. weiters Anton Pfeifer,
Fenster in die Vergangenheit. Neue Erkenntnisse zur Frühgeschichte des
Bregenzerwaldes, in: Bregenzerwald-Heft 23 (2004), S. 6-10.
16 Vgl. dazu Moosbrugger (wie Anm. 10), S. 94 f.
17 Urkunde bei Joseph Bergmann, Früheste Kunde über den Bregenzerwald
und die Stiftung des Klosters Mehrerau, so wie auch über das Erlöschen
der alten Grafen von Bregenz im zwölften Jahrhunderte, in: Anzeige-Blatt
für Wissenschaft und Kunst Nr. 128 (Jahrbücher der Literatur 118 [1847]),
S. 1-54, hier: S. 27-30; Regest der Urkunde in: Regesten von Vorarlberg
und Liechtenstein bis zum Jahre 1260, bearb. von Adolf Helbok (Quellen
zur Geschichte Vorarlbergs und Liechtensteins 1). Innsbruck 1920-1925,
Nr. 445.
18 Karl Siegfried Bader, Der deutsche Südwesten in seiner
territorialstaatlichen Entwicklung. Sigmaringen 21978, S. 48 hält fest:
„Man übertreibt nicht, wenn man sagt, daß die staatliche Gewalt
im deutschen Südwesten von etwa 1240 an in ein Stadium völliger
Zerrüttung geraten war.“
19 Vgl. Moosbrugger (wie Anm. 10), S 121 f. 152-158.
20 Die Aufarbeitung dieses Themas stellt eines der dringendsten
Desiderate der Bregenzerwälder Strukturgeschichte dar – die
Rekonstruktion des Beziehungsgeflechtes zwischen den Reichsrittern
von Ems und dem Bregenzerwald gerade im Mittelalter dürfte
einiges Licht auf die Frühzeit der Region werfen; das Jagdrecht im
Bregenzerwald war einer der kontroversiellsten Bereiche zwischen
den Bregenzerwäldern und den Rittern bzw. Grafen von Ems, vgl. dazu
exemplarisch die entsprechende Korrespondenz aus dem Jahr 1528
mit dem Landesfürsten in den Büchern Walgau, Tiroler Landesarchiv,
Bücher Walgau Bd. 1, fol. 64r . 87r . 94r .
21 Vgl. Bilgeri (wie Anm. 2), S. 46; vgl. Bilgeri (wie Anm. 3), S. 14.
22 Abdruck in: Jahrs-Bericht des historischen Vereins im Oberdonau-Kreise
für das Jahr 1834. Augsburg 1836, S. 70-71.
23 Vgl. dazu Elmar Haller, Geschichte Sulzbergs (Vorarlberg). Dornbirn
1961.
24 Urkunde abgedruckt in Johann Nepomuk Vanotti, Geschichte der
Grafen von Montfort und Werdenberg. Ein Beitrag zur Geschichte
Schwabens, Graubündens, der Schweiz und Vorarlbergs. Bregenz 1988
(= Unveränderter Nachdruck der Ausgabe Belle-Vue bei Constanz 1845),
S. 550-551.
25 Ein kurzer Überblick bei Alois Niederstätter, Die Besiedlung des
Bregenzerwaldes und seine wirtschaftliche und politische Entwicklung,
in: Aus der Wälder Geschichte. Dokumentation der Vortragsreihe
„Wälder Geschichtstage“ im März 1998, Dornbirn 1998, S. 9-25, hier: S.
18. Zu den dynastieinternen Geschehnissen vgl. Karl Heinz Burmeister,
Geschichte Vorarlbergs. Ein Überblick (Geschichte der österreichischen
Bundesländer, hg. von Johann Rainer). Wien 41998, S. 74 f.
26 Vgl. Bilgeri (wie Anm. 3), 78 f.
27 Karl Siegfried Bader, Dorfgenossenschaft und Dorfgemeinde (Studien
zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes II). Weimar 1962,
S. 251 stellt fest, dass die Entwicklung von Tal- bzw. Samtgemeinden
– anders als die auf ökonomisch-agrarischen Notwendigkeiten
beruhenden dörflichen Zusammenschlüsse – von einem jeweils eigenen
„Rechtsvorgang besonderer Art“, der je einzeln aufgedeckt werden
müsse, abhängig gewesen sei.
28 Vgl. den materialreichen, allerdings höchst einseitigen Aufsatz von
Benedikt Bilgeri, Die Vorarlberger Landgemeinden bis zur bayrischen
Zeit, in: Jahresbericht des Realgymnasiums Bregenz (1953), S. 6-21.
29 Karl Heinz Burmeister, Die ländliche Gemeinde in Vorarlberg bis 1800,
in: Die ländliche Gemeinde. Historikertag in Bad Ragaz 16. – 18. X.
1985 (Schriftenreihe der Arge Alp). Bozen 1988, S. 139-157, hier S.
152 bestimmt den Hinteren Bregenzerwald als eine eigene Kategorie
innerhalb der Gemeindetypen Vorarlbergs und bezeichnet ihn als
„Gericht mit Ausübung der Funktionen der Gemeinde“.
30 Vgl. den Verweis auf diese angebliche Urkunde in einer Urkunde von
1467, behandelt bei Otto Rieder, Urkundenkuriosa des k. Allgemeinen
Reichsarchivs, insonderheit der Gerichtsbrief über die Leibeigenschaft
der Staufner v. J. 1467, in: Archivalische Zeitschrift (1906), S. 103-159, hier
S. 117. Zur Kritik an der Stichhaltigkeit dieses Belegs vgl. Moosbrugger
(wie Anm. 10), S. 164 f.
31 Vgl. Liber taxationis ecclesiarum et beneficiorum in Dioecesi
Constantiensi de anno 1353, hg. von Wendelin Haid, in: Freiburger
Diöcesan-Archiv (1870), S. 3-118, hier S. 26 f.
32 Vgl. Karl Heinz Burmeister, Die Vorarlberger Landsbräuche und ihr
Standort in der Weistumsforschung (Forschungen zur Geschichte
Vorarlbergs 1). Zürich 1970, S. 90: „Erstmals begegnet uns ein Ammann
an der Spitze des Niedergerichts […] 1353 im Bregenzerwald“.
Seite 353

33 Erstmals ist das Kloster St. Gallen in den 1270er Jahren als Inhaber des
Schwarzenberger Kirchensatzes bezeugt, vgl. z.B. den entsprechenden
Vermerk im diözesanen Abgabenverzeichnis von 1275, des liber
decimationis: Gerlinde Person-Weber, Der Liber decimationis des
Bistums Konstanz. Studien, Edition und Kommentar (Forschungen zur
oberrheinischen Landesgeschichte 44). München 2001, S. 264.
34 Zu ihm vgl. Karl Heinz Burmeister, Rudolf V. von Montfort. Der letzte
Graf von Feldkirch (ca. 1320-1390), in: Ders., Die Grafen von Montfort.
Geschichte, Recht, Kultur. Festgabe zum 60. Geburtstag, hg. von Alois
Niederstätter (Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs N.F. 2). Konstanz
1996, S. 209-211.
35 Urkunde abgedruckt bei: Joseph Bergmann, Urkunden der vier
vorarlbergischen Herrschaften und der Grafen von Montfort mit
topographisch-historischen Erläuterungen, in: Archiv für Kunde
österreichischer Geschichtsquellen 3. Wien 1849, S. 120-122.
36 Eine Abbildung des (NB: späteren) Landessiegels bei Benedikt
Bilgeri, Das Siegel des Landes Bregenzerwald um 1380, in: Jahrbuch
Vorarlberger Landesmuseumsverein 115 (1971), S. 30-31, hier: S. 31.
Zum Begriff des „Landes“ vgl. Alois Niederstätter, Bäuerliche ‚Länder‘
im alemannischen Südwesten. Beobachtungen zur Verwendung
des Begriffs ‚Land‘ im Spätmittelalter in: Tirol – Österreich – Italien.
Festschrift für Josef Riedmann zum 65. Geburtstag, hg. von Klaus
Brandstätter/Julia Hörmann (Schlern-Schriften 330). Innsbruck 2005, S.
483-492.
37 Vgl. ebd.; vgl. auch Bilgeri (wie Anm. 3), S. 10 und 129.
38 Zur ausführlichen Argumentation vgl. Moosbrugger (wie Anm. 10), S. 174
f.
39 Die erste entsprechende Urkunde stammt aus dem Jahr 1386,
Vorarlberger Landesarchiv (fortan: VLA), Urk., Nr. 5093; vgl. dazu
Moosbrugger (wie Anm. 10), S. 187-189.
40 Der Todfall war eine Abgabe des Grundholden an seinen Grundherrn,
die beim Tod des jeweiligen Haushaltsvorstandes fällig wurde und
ursprünglich meist in Form des besten Stücks Vieh geleistet werden
musste.
41 Vgl. dazu Ludwig Welti, Fallbuch der hohenemsischen
Grundherrschaft 1596-1653. Abschnitt Bizau, in: Jahrbuch Vorarlberger
Landesmuseumsverein 96 (1953), S. 30-51, hier S. 32; vgl. den
auszugsweisen Faksimiledruck des Fallbuchs in: Dokumente zur Bizauer
Geschichte, hg. von Alois Niederstätter. Bizau 1997, S. 9; vgl. Volaucnik,
Geschichte des Klosters Mehrerau im Mittelalter. Masch. Univ.
Diplomarbeit. o. O. o. J., S. 282 f.
Seite 354
42 Vgl. Alois Niederstätter, St. Galler Klosterbesitz Klosterbesitz im
heutigen Vorarlberg während des Mittelalters. Ein Überblick, in:
Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner
Umgebung 103 (1985), S. 1-32, hier: S. 26.
43 Vgl. zu Verlauf und Deutung dieses Streits Moosbrugger (wie Anm. 10),
S. 72-87; vgl. einen nacherzählenden Überblick des Konflikts bei Franz
X. Moosmann, Das Recht des Todfalls, in: Bregenzerwälder-Blatt Nr. 23
(1. Dezember 1875), S. 93-94; Nr. 24 (15. Dezember 1875), S. 97-98; Nr. 4
(5. Februar 1876), S. 16; Nr. 5 (1. März 1876), S. 20; Nr. 6 (15. März 1876),
S. 23-24; Nr. 7 (1. April 1876), S. 27-28.
44 Einzelthemen aus diesem Gesamtkomplex behandelt bei: Markus
Bartholomäus Fink, Regionale Strafrechtsgeschichte des ehemaligen
Landgerichtes Hinterbregenzerwald unter besonderer Berücksichtigung
der Auswirkungen der Peinlichen Halsgerichtsordnung Karls V. von
1532 auf die Strafrechtspflege dieses Gerichtes. Masch. jur. Diss. o. O.
1997; Andreas Bauer, Das Gnadenbitten in der Strafrechtspflege des 15.
und 16. Jahrhunderts. Dargestellt unter besonderer Berücksichtigung
von Quellen der Vorarlberger Gerichtsbezirke Feldkirch und des
Hinteren Bregenzerwaldes (Rechtshistorische Reihe 143). Frankfurt a.
Main u.a. 1996; Hermann Sander, Ueber das Begnadigungsrecht der
Stadt Feldkirch und des hintern Bregenzerwaldes. Innsbruck 1883; für
die ausführliche Nachzeichnung der Hoch- und Blutgerichtsbarkeit
als eines wichtigen Moments beim Ausbau der Herrschafts- und
Verwaltungsstrukturen in der Region vgl. Moosbrugger (wie Anm. 10), S.
206-257.
45 Vgl. Arno Borst, Lebensformen im Mittelalter. Hamburg 2004, S. 59.
46 VLA, Urk., Nr. 3749.
47 VLA, Urk., Nr. 3750; Regest bei Alois Niederstätter, Vorarlberger
Urfehdebriefe bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Eine
Quellensammlung zur Rechts- und Sozialgeschichte des Landes
(Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs 6). Dornbirn 1985, S. 24 f.
Zur Interpretation der verunglückten Vollstreckung als Gottesurteil vgl.
ebenda, S. 16.
48 VLA, Urk., Nr. 3749.
49 Die diesbezüglich wichtigste Urkunde stammt vom 10. März 1460, wo
in einem weistumsartigen Abschnitt das Übersagungsverfahren fixiert
worden ist, VLA, Urk., Nr. 8783; abgedruckt bei Sander (wie Anm. 44),
Fußnote 12.

50 Schlagend sollte das beispielsweise im Kontext der Verfolgung der
Täufer in Au und Schoppernau werden. Der Prozess gegen Jos Wilhalm
und seine Frau Elisabeth Moosbruggerin aus dem Jahr 1618 hatte
nämlich vorläufig mit einem Todesurteil geendet – das Gericht hatte
allerdings vorgehabt, dieses Urteil nachträglich zu mildern, d.h. von
seinem Begnadigungsrecht Gebrauch zu machen. Der anwesende
landesfürstliche Kommissär verhinderte jedoch mit Berufung auf eine
landesfürstliche Entscheidung das Ergehen eines Begnadigungsurteils,
vgl. dazu Hildegund Gismann-Fiel, Das Täufertum in Vorarlberg
(Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs 4). Dornbirn 1982, S. 82-84.
51 Der erste bekannte Hinweis auf ein „Wahlrecht“ der Bregenzerwälder
stammt aus dem Jahr 1497, VLA, Urk., Nr. 3815. König Maximilian I. hält
hier fest, das ein yegklicher lanndtaman so dann eines yeden jars aus
den vieren, die unser vogt zu Veldkirch fürslecht und anzaigt und von
den obgemelten unnsern leuten des hintern teils des Pregenntzerwalds
wie von alter herkomen ist angenomen und erwelt wirdet. Solche
Bezugnahmen auf ein angebliches altes Herkommen waren übrigens
sehr oft reine Phrase, hinter denen meist tatsächlich Neuerungen
steckten, die durch diese Formel legitimiert werden sollten, vgl. Simon
Teuscher, Erzähltes Recht. Lokale Herrschaft, Verschriftlichung und
Traditionsbildung im Spätmittelalter (Campus Historische Studien 44).
Frankfurt a. Main/New York 2007, S. 204; vgl. besonders eindeutig
Otto Brunner, Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen
Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter. Wien/Wiesbaden
1959 4 , S. 138 f.
52 Vgl. Wilhelm Meusburger, Die Landammänner des Hinteren
Bregenzerwaldes. Ein Beitrag zur Geschichte des Bregenzerwaldes.
Masch. phil. Diss. masch. Innsbruck 1981, 488.
53 Vgl. dazu Moosbrugger (wie Anm. 10), S. 298-324.
54 Eine systematisch erarbeitete Zusammenstellung einschlägiger
Urkunden, die den Raum Au-Schoppernau betreffen, bei Gerhard
Feuerstein, Urkunden zur Agrargeschichte des Bregenzerwaldes
(Forschungen zur Geschichte des Bregenzerwaldes 5). Dornbirn 1983.
55 Vgl. dazu die Darstellung des Forschungsstandes bei Wilhelm
Meusburger, „Die Wälderrepublik“?, in: Aus der Wälder Geschichte.
Dokumentation der Vortragsreihe „Wälder Geschichtstage“ im März
1998. Dornbirn 1998, S. 27-38.
56 Vgl. Fischer (wie Anm. 5), S. 110 [Fußnote 1]: „Bezau liegt am Fuße
jener erhabenen, von feierlichster Alpenlandstimmung umfangene
‚Bezegg’, die durch ein halbes Jahrtausend hindurch unser heroisches
‚Wälderparlament’ trug, in dem Landamann [!] und Rat und noch einmal
so viele Abgeordnete der Gemeinden zum tunlichen Wohle des Landes
‚das Recht wiesen’.“ Vgl. ebenda, S. 111: „Werfen wir erst einen Blick
hinein in die Zusammensetzung der Hinterwälder Volksvertretung, so
nehmen wir in ihr wohl so recht das ideale Spiegelbild einer Demokratie
wahr. Und berief der Wälder Magistrat eine Ratsversammlung ‚auf die
Bezegg’ ein, was mindestens einmal im Jahr, nach Bedarf mehrmals der
Fall war, so kam es zunächst zum sogenannten ‚Auszug’.“ Vgl. ebenda,
S. 75: „Sie, diese bäuerliche Volksvertretung ‚auf der Bezegg’ als die
oberste richterliche und administrative Instanz der Landgemeinde
des H.Br.Ws., hat sie diese Friedensordnung nicht in idealster Weise
verkörpert?“
57 VLA, Urk., Nr. 3854; näher behandelt bei Moosbrugger (wie Anm. 10), S.
328-332.
58 Übrigens bestand die Landgemeinde als Wahlveranstaltung weiter – die
Bestellung des Landammannes geschah auch weiterhin in Andelsbuch
durch Wahl durch die hausbesitzenden Bregenzerwälder. Zum Prozedere
nach neuzeitlichen Quellen vgl. Meusburger (wie Anm. 55), S. 31 f.
59 VLA, Urk., Nr. 3853.
60 Sammlungen der „alten Landsbräuche“ (d.h. derjenigen vor der
Neuredaktion von 1744): VLA, Gericht Bregenzerwald, Hss. 2 und 3.
61 Vgl. Burmeister (wie Anm. 32), S. 51.
62 Vgl. zu diesen Prozessen Winfried Schulze, Einführung in die Neuere
Geschichte (UTB für Wissenschaft: Uni-Taschenbücher 1422). Stuttgart
31996, S. 80-86.
63 Abgedruckt: Der Landsbrauch im innern Bregenzerwalde, in:
Vorarlberger Volks-Kalender (1855), o. S. Das Original dieses
Beschlusses ist verschollen.
64 Urkunde vom 18. April 1780: VLA, Urk., Nr. 6301: das anderte [Holzries]
durch den tiefen graben gegen dem rathshaus.
65 Trotzdem gibt es bis heute Versuche der Rekonstruktion dieses
Gebäudes, vgl. z.B. Franzmichel Willam, Das Rathaus auf der Bezegg, in:
Vorarlberger Volkskalender (1961), S. 54-58.
66 Vgl. Bilgeri (wie Anm. 4), S. 308 f.
Seite 355

67 Vgl. z.B. das Montafon, das verwaltungstechnisch stark an Bludenz
gebunden war, vgl. Alois Niederstätter, Bludenz im Mittelalter (bis 1420),
in: Geschichte der Stadt Bludenz. Von der Urzeit bis zum Beginn des 20.
Jahrhunderts, hg. von Manfred Tschaikner (Bodensee-Bibliothek 39).
Sigmaringen 1996, S. 53-100, hier S. 64 f; vgl. dazu auch Nicole Diana
Ohneberg, So geschaehe darum, das recht sye. Rechtsprechung und
Konfliktbewältigung im Montafon anhand der Märzengerichtsprotokolle
(1490-1506). Masch. phil. Diss. Innsbruck 2003. Vgl. weiters Anita
Muther, Das Gericht Rankweil-Sulz (15. bis Ende 17. Jahrhundert). Masch.
phil. Diss. Innsbruck 2005.
68 Vgl. dazu Benedikt Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs, Bd. 4: Zwischen
Absolutismus und halber Autonomie. Wien/Köln/Graz 1982. S. 73-87.
69 Abgedruckt ist eine Abschrift des „Neuen Landsbrauchs“ bei
Meusburger (wie Anm. 52), S. 431-490.
70 Um diesbezüglich absolut verlässliche Antworten zu liefern, müsste
faktisch das gesamte umfangreiche Quellenmaterial der frühen Neuzeit
untersucht werden, was allerdings aus den mehrfach genannten
Gründen im Rahmen dieses kleinen Aufsatzes nicht möglich ist. Es soll
deshalb hier lediglich die Wahrnehmung der Bezeggversammlung in der
Mitte des 18. Jahrhunderts thematisiert werden, was aber doch erste
Rückschlüsse auf die prinzipielle Bedeutung der Bezeggversammlung
im Gesamt der Gerichtsgemeinde ermöglicht und jedenfalls neue
Perspektiven eröffnet.
71 VLA, Gericht Bregenzerwald, Hs. 6, S. 140.
72 Vgl. Karl Heinz Burmeister, Die Verfassung der ländlichen Gerichte
Vorarlbergs vom Spätmittelalter bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in:
Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 19 (1971) 1, S. 26-39,
hier: S. 32.
73 VLA, Gericht Bregenzerwald, Hs. 6, S. 142.
74 Hier ist daran zu erinnern, dass die oben erwähnten älteren
Landsbrauchkompilationen letztlich private Zusammenstellungen
waren, die wohl zwar im gerichtlichen Kontext von Einzelpersonen
verwendet wurden, aber offenbar nicht als offizielle Redaktionen der
Landsbräuche der Gerichtsgemeinde galten.
75 Vgl. VLA, Gericht Bregenzerwald, Hs. 6, S. 142: und ward die ganze
manschaft unterm 30. July 1744 zue Bezau in H. landamman Feürsteins
behausung zuesammen getretten um praeliminaria zuemachen, und
sich ein und anderern nothwendigkeithen halber zu underreden wo
mann auch schon damahl einige schlus abgefaßet, und hernach auff
der Bezegg bestätiget.
Seite 356
76 Vgl. Meusburger (wie Anm. 55), S. 37.
77 Vgl. ebenda, S. 36 f.
78 Vgl. dazu Ulrich Nachbaur, Von den Ständen zu den Gemeinden (Verba
volant 42, www.landesarchiv.at, urn:nbn:de:0198-03426).
79 Vgl. die entsprechenden Akten in: VLA, Landesausschuss 2/1868-1918,
Gemeindefinanzen Stand Bregenzerwald [Sch. 257]. Die Rechnung für
das Jahr 1876 auch in: Bregenzerwälder-Blatt (1877), S. 78-80.
80 In: VLA, Landesausschuss 2/1868-1918, Gemeindefinanzen Stand
Bregenzerwald [Sch. 257].
81 Vgl. Cornelia Albertani/Ulrich Nachbaur, Vorarlberger
Gemeindewappenregistratur (Kleine Schriften des Vorarlberger
Landesarchivs 6). Bregenz 2007, S. 51.

HeimatGemeinde
Gedanken zum Begriffspaar Heimat - Gemeinde
Petra Walser
Man würde meinen, eine Eröffnungsrede zum Thema Gemeinde
fördert sicherlich keine neuen Erkenntnisse zutage.
Denn der Begriff Gemeinde scheint im ersten Moment doch
sehr leicht fassbar zu sein. In der Öffentlichkeit oft strapazierte
Definitionen stempeln die Gemeinde zum bloßen
Verwaltungsapparat. Andere Betrachtungsweisen eröffnen
zwar Assoziationen die höchst komplexe Fragen aufwerfen,
werden aber nur sehr selten analysiert oder gar in ihrer Gesamtheit
untersucht.
Es genügt nicht, einen Ort und seine Menschen, die normativ
verbunden sind und dazu innerhalb einer politischen
Verwaltungseinheit erfasst werden, als Gemeinde zu definieren.
Denn allein die Komponenten Raum und Mensch
bilden ein Spannungsfeld, das eine nahezu unerschöpfliche
Fülle an Forschungsmaterial in sich birgt.
Zunächst also ist da der Raum, ein Ort, wo wir hingehören
und der uns räumlich bindet. Wenn wir Teil eines Raumes
sind, dann liegt also etwas Erfahrbares vor, etwas, das wir
kennen. Erste Voraussetzung dafür ist, dass der Mensch
mit einem Sinnesapparat ausgerüstet ist, der ihm das dreidimensionale
Wahrnehmen seiner Umgebung erst ermöglicht.
Dabei sind es nicht allein materielle Eigenschaften
der umgebenden Landschaft, die sich einprägen, sondern
entsprechend der Einzigartigkeit, die jedem Wesen zu eigen
ist, wird der Raum immer als komplexe, individuelle
Sinneserfahrung erlebt. Die Reize, die dabei von der Umwelt
ausgesendet werden, stimulieren unser Bewusstsein
von einer Orientierungs- und Strukturierungsebene bis hin
zu einer Gefühlsebene mit verschiedensten Ausprägungen.
Die Beziehung Raum – Mensch ist also von höchster Komplexität,
in der verschiedenste Faktoren den Umgang des
Menschen mit seiner Umgebung beeinflussen, indem er
mentale Landkarten als kognitive Karten erstellt. Wir haben
eine Strategie parat, um diesen Raum kennen zu lernen. Diese
Strategien und die daraus resultierende Fähigkeit sich
orientieren zu können, sind für das menschliche Überleben
im Alltag eine Voraussetzung. So lernen auch Kinder nach
Eröffnung der Ausstellung „Gemeinde Lech 1808 bis 2008“; Lech, Museum Huberhus, 28. November 2008
Petra Walser (geb. 1971 in Bludenz), Mag. Dr. phil., von 1995 bis Oktober 2008 Gemeindearchivarin der
Gemeinde Lech
und nach Raum zu erfassen. Dies hängt vor allem mit der
Entwicklung der Sinnesorgane und mit der körperlichen
Reichweite zusammen. Zunächst beschränkt sich der Blickwinkel
auf unser Zuhause – auf unsere Gemeinde, doch
spätestens mit dem Eintritt in die Schule wird die Perspektive
unserer Umwelt unwiderruflich erweitert. Wir verlassen
unsere Gemeinde, unsere gewohnte Umgebung. 1
Gemeinde ist demnach eben nicht nur eine politische Einheit
eines Staatsgebildes sondern Heimat. Der Begriff an
sich beschreibt eine Dreiheit von Gesellschaft, Raum und
Tradition, was bedeutet, dass Heimat die „[…] menschliche,
landschaftliche und gesellschaftliche Umwelt, in der
sich der Mensch identifiziert, rational und emotional bindet
und sichert.“ 2 Wenn man so will, so ist diese ursprüngliche
Definition von „Heimatgemeinde“ im 21. Jahrhundert durch
modernste Kommunikationstechnik ins Wanken geraten.
Bedenkt man, dass es heute sogar möglich ist, Gegenden
zu kennen, ohne zumindest physisch dort gewesen zu sein,
so fragt man sich, ob diese Räume jemals zur Heimat werden
können. Eine Frage, die sich auch Max Frisch stellt,
indem er den Satz formuliert: „Ist Ihnen schon einmal der
Gedanke gekommen, sie hätten sich für eine andere Heimat
möglicherweise besser geeignet?“ 3
Die Möglichkeit einer anderen und damit weiteren Heimat
mutet surreal an, denn um dies zu wissen oder zu erfahren,
müsste man sich zuerst eine neue Heimat schaffen.
Doch sind wir überhaupt in der Lage zwei oder mehrere
„Heimaten“ zu haben? Haben wir in unserer schnelllebigen
Welt überhaupt Zeit an einem Ort „Heimat zu leben“? Wird
Heimat in Zukunft noch eine Rolle spielen, wenn uns durch
modernste Technik selbst die Fremde vertraut ist. Eines ist
sicher, das Wortpaar Heimat - Fremde hat in seiner Konnotation
als „gegensätzliches Wortpaar“ viel eingebüßt. Der
Gegenpol Fremde wurde durch Globalisierung ersetzt: Die
Welt ist vernetzt wie nie zuvor, wir können uns quasi überallhin
„einloggen“, und doch verteidigen wir paradoxerweise
unsere „Scholle“, unsere Heimat, wie nie zuvor, wenn es
sein muss, sogar mit Gewalt.
Seite 357

Das Begriffspaar Heimat - Gemeinde ist demnach nichts
anderes als eine tragende Säule unserer menschlichen
Identifikation – eine lebenslange Auseinandersetzung mit
Mensch und Raum, die uns zu dem macht, was wir sind.
1 Vgl. Petra Walser, Lech. Namen einer Landschaft. Untersuchungen zur
Mikrtoponymie. Lech 2004, S. 51 f.
2 Michael Neumeyer, Heimat. Zu Geschichte und Begriff eines Phänomens
(Kieler geographische Schriften 84). Kiel 1992, S. 64.
3 Max Frisch, Heimat – Ein Fragebogen, in: Analysen, Themen,
Perspektiven - Bundeszentrale für politische Bildung 249/I (1990), S.
243.
Seite 358

Gemeinde Lech
Vor rund 200 Jahren zählte „Lech“ 445 Einwohner und damit
etwa ein Viertel der heutigen Bevölkerung. Die Bezeichnung
„Lech“ trug bis dahin jedoch lediglich der Fluss und
nicht die Ortschaft selbst, welche „Tannberg“ oder auch
„Tannberg am Lech“ genannt wurde. Bis zur Auflösung im
Jahr 1808 war „Tannberg“ zudem der Name des Gerichts,
dem neben Lech auch Warth, Schröcken und Hochkrumbach
angehörten. Nicht Teil des Gerichts waren die Parzelle
Omesberg, Zürs und die Leute des Älpele. Sie unterstanden
der Herrschaft Sonnenberg und wurden erst im Jahr 1844
der Gemeinde Lech eingegliedert. 1
Der Name der Ortschaft änderte sich später in „Lech am
Tannberg“ und als „Lech am Arlberg“ wurde die Ortschaft
erstmals in einem im Jahr 1921 erschienenen Alpinführer
beworben. Der Herausgeber des Alpinführers war der Kronenwirt
Wilhelm Pfefferkorn, der die Bezeichnung „Lech
am Arlberg“ vornehmlich aufgrund des besseren Werbeeffektes
verwendete und Lech als den Mittelpunkt des Arlberggebietes
darstellte. 2 Bis heute definiert sich Lech als
dem Arlberggebiet zugehörig und bildet zusammen mit
St. Anton, St. Christoph, Stuben und Zürs eine Tourismusregion.
3 Die ursprüngliche Bezeichnung „Tannberg“ blieb
dennoch erhalten und zwar als Bezeichnung für die in der
Gemeinde Lech unterhalb der Rudalpe gelegene Parzelle.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte am Tannberg,
wie auch in anderen Berggemeinden Vorarlbergs,
eine starke Abwanderung ein. Insbesondere in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts verließen viele Menschen
die Ortschaft und zogen einen Arbeitsplatz in der aufstrebenden
Textilbranche der Arbeit eines Bergbauern vor. Vom
Rheintal ausgehend wanderten wiederum einige hundert
Personen in die USA aus, darunter einige Lecherinnen und
Lecher. Auch die Familie des Josef Anton Jochum (geboren
1848) und seiner Frau Veronika Wolf (geboren 1851), wohnhaft
in Tannberg 5/62, wanderte um 1889 nach Idaho in die
USA aus. In den USA brachten es die Auswanderer zu einer
eigenen Farm. 4
Ausstellung „Gemeinde Lech 1808 bis 2008“; Lech, Museum Huberhus, 28. November 2008 bis 19. April 2009
Birgit Ortner (geb. 1982 in Wien), Mag. phil. BSc, seit Oktober 2008 Gemeindearchivarin der Gemeinde Lech
Ein Querschnitt aus 200 Jahren Gemeindegeschichte
Birgit Ortner
Bis zum Jahr 1900 sank die Bevölkerung der Gemeinde Lech
auf 339 Personen. 5 Eine Trendumkehr der Bevölkerungsentwicklung
erfolgte schließlich mit dem Bau der Flexenstraße
gegen Ende des 19. Jahrhunderts, die die notwendige infrastrukturelle
Voraussetzung für das Aufkommen des Fremdenverkehrs
darstellte.
Vor Errichtung der Flexenstraße, bis etwa 1850, erfolgte der
Handel der Gemeinde mit Bayern. Ein Weg führte ursprünglich
über die Lechleitner Alpen durch das Rappenalp- und
Stillachtal nach Oberstdorf. Durch den Ausbau des Saumpfades
über den Flexen zu einem Karrenweg 1856 nahm der
Verkehr am Flexen weiter zu und die Handelsroute nach Bayern
verlor allmählich an Bedeutung. Der Handel verlagerte
sich in das übrige Vorarlberg, die Schweiz, nach Tirol und
Italien. Mit der Eröffnung der Arlbergbahn 1884 erfolgte der
Warenbezug in Langen am Arlberg, wodurch der Weg von
Stuben nach Lech erneut an Bedeutung gewann. Der Weg
war jedoch im Sommer durch Steinschlag und im Winter
durch Lawinen stark gefährdet. 6 Am 21. Dezember 1886
wurde der Frächter und Postbote Franz Josef Mathies, der in
die Geschichte als „Lawinen-Franz-Josef“ einging, im Kurzkehrtobel
von einer Staublawine erfasst. Schwer verletzt
konnte der Verschüttete geborgen werden. Am 29. Dezember
1891 kam der Lecher Josef Anton Walch, Vater von sechs
Kindern, an der gleichen Stelle ums Leben. Der Bruder des
Verunglückten, der damalige Gemeindevorsteher Sebastian
Walch, wurde zur treibenden Kraft für den Bau der Flexenstraße.
1895 wurde der Bau in Angriff genommen und zwei
Jahre später, 1897, wurde die Errichtung des Teilstücks Stuben-Flexenpass
abgeschlossen. Die Fertigstellung der Straße
nach Lech erfolgte bis 1900. 1909 war die Verbindung
von Lech nach Warth und weiter bis an die Landesgrenze
fertig gestellt. 7 Die bessere Erreichbarkeit von Zürs und Lech
machte sich bereits um die Jahrhundertwende bemerkbar,
als die ersten Gäste kamen. Den ersten Skikurs hielt Viktor
Sohm 1906 in Zürs ab. Mit Einsetzen des Fremdenverkehrs
stieg auch die Bevölkerungszahl leicht an. Zwischen 1910
und 1923 dürften bereits erstes Gast- und Gewerbepersonal
Seite 359

sowie Straßenarbeiter nach Lech gekommen sein. Zwischen
1923 und 1934 verdoppelte sich die Einwohnerzahl auf 751
Personen. 8
Neben dem Bau der Flexenstraße war auch der Ausbau
der kommunalen Infrastruktur für den wachsenden Fremdenverkehr
von Bedeutung. Erwähnt sei an dieser Stelle
die Elektrifizierung von Lech, die in den 1920er-Jahren erfolgte.
Als erstes Elektrizitätswerk entstand im Sommer
1924 das Mühlewerk. Es folgten die Errichtung eines Elektrizitätswerkes
in Zürs und des Elektrizitätswerks Walkerbach
bei der Stubenbacher Brücke. Noch im Jahr 1954 gab
es Schwierigkeiten mit der Stromversorgung. Wie aus der
Schulchronik hervorgeht, fiel am 11. Jänner 1954 in Lech die
gesamte Stromversorgung aus. Der Grund für den Ausfall
waren die starken Schneefälle. 65 und 90 cm lockerer Neuschnee
waren bei starkem Westwind gefallen. Die einzige
Zuleitung über die Auenfelder war durch die Schneefälle
und den Sturm zerstört worden. Die Gemeinde war ohne
Strom. Ganz Lech blieb im Dunkeln und wie in alten Zeiten
flackerten Kerzenlichter in den Stuben auf. Die Elektrogeräte
und die Wasserpumpen standen still. Aufgrund des
Fremdenverkehrs und der vielen Skigäste war rasches Handeln
angesagt. Nach zwei Tagen konnte im Elektrizitätswerk
Walkerbach eine Notstromversorgung eingerichtet werden.
Das kleine Kraftwerk war jedoch nicht in der Lage, den gesamten
Ort zu versorgen. Die einzelnen Ortsteile wurden
daher abwechselnd mit Strom versorgt. 9
Mit weiteren infrastrukturellen Einrichtungen, wie dem
Bau einer Kleinkabinen-Seilbahn zur Erschließung von
Oberlech 1947, dem Ausbau der Wasserversorgung in den
1950er-Jahren, dem Baubeginn der Ortskanalisation 1966,
der Errichtung der Mühlegarage 1968, der Einführung eines
Ortsbusses 1997 und einer Vielzahl an neuen Liftanlagen
wandelte sich die Gemeinde Lech fortlaufend von einem
von der Landwirtschaft geprägten Dorf zum internationa-
Seite 360
Lech 1907
len Wintersportort. Zu Beginn des neuen Jahrtausends
verbuchte Lech knapp eine Million Nächtigungen jährlich.
Rund 93,4 Prozent der erwerbstätigen Personen waren im
Dienstleistungsbereich Tourismus beschäftigt. 10
1 Andreas Ulmer, Topographisch-historische Beschreibung des
Generalvikariates Vorarlberg. Bd. VI: Dekanat Sonnenberg, 1. Teil.
Dornbirn 1937, S. 9-14.
2 Georg Sutterlüty, Die Bedeutung des alpinen Skilaufs für die
wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde Lech von seinen Anfängen bis
zum Beginn des Massentourismus. phil. Dipl.-Arb. Innsbruck 1999,
S. 33.
3 Petra Walser, Lech. Namen einer Landschaft. Untersuchungen zur
Mikrotoponymie. Lech 2004, S. 14.
4 Petra Walser, „The American Dream“ – Lecher Auswanderer und ihre
neue Heimat in den USA, unveröffentlichtes Manuskript, Lech o.J.;
Gemeindearchiv Lech, Historisches Häuserverzeichnis, Tannberg 5/62.
5 Sutterlüty (wie Anm. 2), S. 6
6 Ebenda, S. 12-13.
7 Ulmer (wie Anm. 1), S. 9.
8 Sutterlüty (wie Anm. 2), S. 6-7.
9 Gemeindearchiv Lech, Schulchronik.
10 Walser (wie Anm. 3), S. 14, S. 31.

Heinrich Heine, der oft gnadenlose Spötter, glaubte, die
Ursache für den Aufstand der Tiroler im denkwürdigen Jahr
1809 zu kennen: „Von der Politik wissen sie nichts, als daß
sie einen Kaiser haben, der einen weißen Rock und rote Hosen
trägt; das hat ihnen der alte Ohm erzählt, der es selbst
in Innsbruck gehört von dem schwarzen Sepperl, der in
Wien gewesen. Als nun die Patrioten zu ihnen hinaufkletterten
und ihnen beredsam vorstellten, daß sie jetzt einen
Fürsten bekommen, der einen blauen Rock und weiße Hosen
trage, da griffen sie zu ihren Büchsen und küßten Weib
und Kind und stiegen von den Bergen hinab und ließen sich
totschlagen für den weißen Rock und die lieben alten roten
Hosen.“ 1
Dass Andreas Hofer und die Seinen damals nicht allein geblieben
waren, dass auch die Vorarlberger sich gegen die
weißen Hosen und den blauen Rock erhoben hatten, war für
Heine offenkundig ohne Belang. Nach dem Sieg Napoleons
in der Dreikaiserschlacht von Austerlitz hatte Österreich gemäß
dem Pressburger Frieden vom 26. Dezember 1805 nämlich
nicht nur Tirol mit den Hochstiften Trient und Brixen,
die Markgrafschaft Burgau, die Grafschaft Königsegg-Rothenfels
im Allgäu, die Herrschaft Tettnang-Argen sowie die
ehemalige Reichsstadt Lindau mit ihrem Gebiet an Bayern
abtreten müssen, sondern auch die „sieben Herrschaften
im Vorarlbergischen mit ihren Inklavierungen“ samt der
Grafschaft Hohenems – kurz gesagt: etwa das Gebiet des
heutigen österreichischen Bundeslandes Vorarlberg.
Es handelte sich um kleine, reichsfreie Herrschaften, die
nach und nach in habsburgische Hand gekommen waren:
1363 Neuburg, 1375/90 Feldkirch, 1394/1420 Bludenz, 1451
und 1532 die beiden Hälften der Herrschaft Bregenz samt
Hohenegg, 1474 Sonnenberg. Hohenems und Blumenegg
folgten 1765 bzw. 1804. 2 Diese Sprengel waren einzig durch
die Person des gemeinsamen Landesfürsten verbunden,
in Bregenz, Feldkirch und Bludenz entstanden einander
gleichgeordnete Vogteiämter. Eine Zentralbehörde für die
österreichischen Gebiete auf Vorarlberger Boden wurde erst
im 18. Jahrhundert eingerichtet. 3 Herrschaftsübergreifend
Vortrag bei der Präsentation dieses Almanachs; Bregenz, Landhaus, 17. Juni 2009
Alois Niederstätter (geb. 1955 in Bregenz), Dr. phil., a. o. Univ.-Prof., leitet seit 2001 das Vorarlberger
Landesarchiv
Die Bayernzeit in der Vorarlberger
Historiografie
Alois Niederstätter
wirkten die Landstände. Vor allem zur Genehmigung außerordentlicher
Steuern sowie zur Organisation der Landesverteidigung
berief der Landesfürst die Repräsentanten der
ländlichen und städtischen Gerichtssprengel der österreichischen
Gebiete des nachmaligen Vorarlberg zu Landtagen
zusammen. Eine Adels- und eine Prälatenkurie existierte
nicht. Erst als Folge dieser seit der Wende vom 15. zum 16.
Jahrhundert allmählich greifbaren Zusammenfassung der
Untertanen zu einer eigenen, von den anderen vorderösterreichischen
Ständen getrennten Körperschaft entstand das
spätere Land Vorarlberg. Auch der Name „Vorarlberg“ fand
erst im 18. Jahrhundert Verwendung. 4
Noch zu Weihnachten 1805 rückte eine kleine bayerische
Truppe als Vorbote des Herrschaftswechsels in Bregenz
ein, am 19. Januar 1806 empfing König Maximilian I. eine
Delegation der Vorarlberger Stände zur Huldigung, die
formelle Übergabe des Landes erfolgte am 13. März 1806.
Die Trennung vom Haus Österreich, einer verhältnismäßig
fernen und daher milden Herrschaft, schmerzte. Bis dahin
hatten sich die Vorarlberger Stände gegen gelegentlich geplante
Änderungen der Herrschaftsverhältnisse erfolgreich
zur Wehr gesetzt.
In das arrondierte, souverän gewordene Königreich Bayern
integriert, wurde Vorarlberg von einem ungestümen Modernisierungsschub
erfasst, der keinen Stein auf dem anderen
beließ: Am 26. April 1806 erfolgte die Eingliederung Vorarlbergs
in die Provinz Schwaben, am 1. Oktober der Erlass
der bayerischen Gerichtsordnung, am 26. November traten
an die Stelle der bisherigen 24 Gerichtssprengel mit ihren
völlig unterschiedlichen Strukturen und Kompetenzen sieben
gleichartige Landgerichte mit beamtetem Personal für
Jurisdiktion, Verwaltung und öffentliche Wohlfahrt. Mit der
Einführung der allgemeinen Wehrpflicht am 15. November
1806 verloren die Landstände ihre Kompetenzen auf dem
Gebiet der Landesverteidigung, im folgenden Jahr auch das
Recht der Steuereinhebung. Gemäß der Verfassung vom 1.
Mai 1808 wurden mit allen Sonderverfassungen im Königreich
Bayern die Vorarlberger Stände aufgehoben. Zuletzt
Seite 361

Bregenz 31. August 1909:
Defilee des Festzugs vor Kaiser Franz Josef
verschwand Vorarlberg, das eben erst zu einem Land geworden
war und ein Landesbewusstsein entwickelt hatte,
mit der Beseitigung des kommissarischen Kreisamtes und
der Zuweisung der sieben Landgerichte zum Illerkreis und
seinem Generalkommissär in Kempten von der Karte.
Als Vorbote einer allgemeinen Insurrektion gilt der „Weiberaufstand“
von Krumbach, der sich 1807 gegen die Aushebung
von Rekruten richtete. 5 Im Frühjahr 1809 erhoben sich
bald nach der österreichischen Kriegserklärung an Frankreich,
die den Fünften Koalitionskrieg auslöste, die Tiroler
unter Andreas Hofer mit Waffengewalt. Wenig später folgten
die Vorarlberger. Hier stand der Advokat Dr. Anton Schneider
(1777 bis 1820), gebürtig aus dem damals vorarlbergischen
Weiler im Allgäu (heute Landkreis Lindau) an der
Spitze der Bewegung, die reaktivierten Stände wählten ihn
am 19. Mai 1809 zum Landeskommissär. Weil in Vorarlberg
kein Militär stationiert war, kam es zunächst nicht zu Kampfhandlungen.
Als aber bayerische und württembergische
Verbände ins Rheintal vorrückten, wurden diese von der
Vorarlberger Miliz geschlagen und über die Landesgrenze
zurückgeworfen. In Anbetracht der allgemeinen politischen
und militärischen Lage brach der Vorarlberger Aufstand
allerdings bereits im Juli 1809 zusammen, nachdem es zu
heftigen Kontroversen zwischen Friedenswilligen und den
Befürwortern einer Fortsetzung des Krieges gekommen war.
Vorarlberg wurde besetzt, in allen Landesteilen erfolgten
Geiselaushebungen. Dr. Anton Schneider und andere Anführer
wurden zwar gefangen genommen, von Württembergern
und Bayern jedoch nicht an Frankreich ausgeliefert.
Sie entgingen so dem Schicksal Andreas Hofers. 6
Während der Aufstand der Tiroler schon bald als Freiheitskampf
Berühmtheit erlangt hatte und zu einer Ikone der
deutschen Nationalbewegung geworden war, musste auf
jenen der Vorarlberger erst hingewiesen werden. Den Anfang
machte im Jahr 1820 der Bregenzer Stadtarzt Johann
Gunz. 7 Bereits ihm galten der Entzug „heiliger, ererbter,
garantierter“ Rechte sowie „unkluge und vorschnell betriebene
Neuerungen“ als Auslöser. Hier wie in den folgenden
Seite 362
Darstellungen standen die militärischen Ereignisse des
Jahres 1809 im Vordergrund, so auch bei Robert Byr 8 oder
dem späteren österreichischen Ackerbauminister Alfred
Ebenhoch, der eine Festschrift zum 75-jährigen Jubiläum
„der ruhmvollen Erhebung Vorarlbergs für Oesterreich“
verfasste, in patriotischer Geste Napoleon einen „neuen
Attila“ nannte und der bayerischen Herrschaft jene Charakteristik
gab, die fortan zum Stereotyp werden sollte: „Die
Willkür der unfähigen und rücksichtslosen bayerischen Beamten,
die Einführung der Conscription, die Härte und Ungerechtigkeit
der Steuern, die rohe Art ihrer Einhebung, die
Einschränkung in der Ausübung der religiösen Pflichten,
die Verhöhnung alles Katholischen von Seiten der königlichen
Beamten, die Aufhebung der Klöster und insbesondere
des Stiftes Mehrerau bei Bregenz, die Niederreißung
der schönen Stiftskirche dortselbst und die Benützung ihrer
Mauersteine zur Erbauung des Seehafens in Lindau, die
Vergewaltigung und schlechte Behandlung der Priester des
Landes – und noch viele derartigen Umstände erhalten den
Keim zur Abwerfung des fremden Joches wach und rege.“ 9
Mit der Eingliederung Vorarlbergs in das Königreich Bayern
beschäftigte sich 1902 Landesarchivar Viktor Kleiner
– vor allem, um den Wortbruch König Maximilians zu dokumentieren.
Dieser hatte den Deputierten der Vorarlberger
Stände im Reskript auf deren Huldigung die Beibehaltung
ihrer Verfassung zugesichert, ein Versprechen, das freilich
angesichts der Notwendigkeit, für das neue, aus verschiedenartigen
Territorien erwachsene Königreich Bayern ein
einheitliches Staatsrecht zu schaffen, allenfalls vorläufigen
Charakter haben konnte. 10 Breiten Raum nimmt außerdem
die schon unter Joseph II. erwogene Aufhebung des ältesten
und bedeutendsten Vorarlberger Klosters, des Benediktinerstifts
Mehrerau, ein, der darauf zurückgehende
Verlust ihrer Bibliothek sowie der Abriss der Klosterkirche,
eines Rokokobaus von 1743.
Erster mit einer Monographie geehrter Vorarlberger „Kriegsheld“
von 1809 war nicht Dr. Anton Schneider, sondern der
Bludenzer Wirt und Schützenmajor Bernhard Riedmiller,

dem 1905 ein Denkmal gesetzt und eine Festschrift gewidmet
wurde. Auch für ihren Verfasser Josef Zösmair, einem
prononciert liberalen Historiker, stand Vorarlberg damals
unter einer Fremdherrschaft, die immer unerträglicher geworden
sei. 11
Als etwa zur selben Zeit liberale Kreise Vorarlbergs daran
gingen, die Errichtung eines Denkmals für Anton Schneider
in Angriff zu nehmen, setzte eine heftige Gegenkampagne
aus dem katholisch-konservativen Lager ein. Die Schriftstellerin
Anna Hensler unterstellte Schneider – zu Unrecht 12
– finanzielle Unregelmäßigkeiten und einen unmoralischen
Lebenswandel. Eigentlicher Grund war aber ohne Zweifel,
dass Schneider, im Grunde genommen ein „Josephiner“,
seinerzeit an der Zerstörung der Mehrerauer Klosterkirche
mitgewirkt hatte. 13 Zu einem Freiheitshelden vom Kaliber
eines Andreas Hofer eignete sich der akademisch gebildete,
aufgeklärte Advokat, der den Aufstand zu allem Überfluss
auch noch überlebt hat, eben nicht. Wegen dieser Widerstände
konnte das Anton-Schneider-Denkmal erst 1910, im
Jahr nach den pompösen Feierlichkeiten zum 100-Jahr-Jubiläum
der Erhebung, enthüllt werden. Es wurde später vom
zentralen Bregenzer Kornmarktplatz an einen wesentlich
weniger prominenten Standort verlegt.
Die Jahrhundertfeier der Erhebung im Jahr 1909 stand
schließlich ganz im Zeichen des Wunsches der Vorarlberger
nach einer eigenen Landesverwaltung. Nach der Rückkehr
von Bayern an Österreich mit Tirol vereinigt, hatte Vorarlberg
zwar 1861 einen eigenen Landtag erhalten, verwaltungsmäßig
blieb das Land aber der Statthalterei in Innsbruck
unterstellt. Im ausgehenden 19. und zu Beginn des
20. Jahrhunderts bildeten daher die Bemühungen um eine
Trennung von Tirol eine Konstante der Vorarlberger Politik.
Auch die höchst aufwändigen Feierlichkeiten zum Jubiläum
von 1809 sollten diesem Zweck dienen: Es galt zu zeigen,
dass Vorarlberg – bei aller innigen Verbundenheit mit Österreich
und dem Erzhaus – eine eigenständige, von Tirol
unterschiedliche Geschichte habe. Eine gemeinsame Feier
mit Tirol kam folglich nicht Frage: „[…] und mit voller Berech-
12. Hauptgruppe b:
Einzug der siegreichen Landesverteidiger
tigung feiert Vorarlberg ebenso wie sein Nachbarland das
Zentenarium der Freiheitskämpfe von 1809“. 14 Im Zentrum
des Gedenkens stand ein Festzug, der vor dem Publikum
annähernd 2000 Jahre Landesgeschichte Revue passieren
und den eigentlichen Anlass des Jubiläums zur Episode
werden ließ: Nur die Gruppen „Anmarsch der Feinde auf
Bregenz“ und „Einzug der siegreichen Landesverteidiger“
widmeten sich ihm. Zuvor hatte die Statthalterei in Innsbruck
dringend empfohlen, alles zu vermeiden, was in Bayern
Anstoß erregen könnte. 15
Die historische Aufarbeitung der Erhebung überließen die
Vorarlberger einem Tiroler, dem an der Realschule in Dornbirn
wirkenden Ferdinand Hirn. 16 Er sah die Vorgänge auf
wesentlich breiterer Quellenbasis differenzierter als seine
Vorgänger. Der Vorwurf das Bruchs der ursprünglichen Zusage,
die althergebrachte Verfassung zu belassen, blieb. Allerdings
sei es Minister Montgelas gewesen, der im Patent,
mit dem der König von Bayern Vorarlberg in Besitz nahm,
den Wortlaut der Friedensurkunde „ins Gegenteil verdreht“
habe. Er „wollte freie Hand, um auch in diesen Gebieten
seine völkerbeglückenden, aufgeklärten Reformen ungehindert
durchführen zu können.“ 17 Veränderungen im
Sinn der Aufklärung hatten auch am Vorabend des Ersten
Weltkriegs im konservativ gewordenen Westen Österreichs
einen schalen Beigeschmack. Dass die „althergebrachte
Verfassung“ Vorarlbergs zu Beginn des 19. Jahrhunderts
ein durch die Reformen in maria-theresianischer und josephischer
Zeit bereits weitgehend ausgehöhltes Auslaufmodell
war, mochte dabei nicht ins Gewicht zu fallen – ebenso
wenig wie die Tatsache, dass die Vorarlberger 1809 mit
Waffengewalt gegen ihre nach allen Rechtsnormen legitime
Herrschaft vorgegangen waren. Man musste folgerichtig
den Aufstand zu einer „patriotischen“, von der „Liebe zum
angestammten Herrscherhaus“ 18 getragenen Erhebung stilisieren
und darüber hinaus als einen Akt der Notwehr gegen
bayerische Willkür rechtfertigen.
Erst der Zusammenbruch der Donaumonarchie machte eine
andere Sichtweise möglich: 1925 publizierte Adolf Helbok,
Seite 363

damals außerordentlicher Professor für Österreichische
Geschichte und Wirtschaftsgeschichte an der Universität
Innsbruck, eine Vorarlberger Landesgeschichte. 19 Dem
liberal-deutschnationalen Lager zugehörig, waren ihm die
Reformen Montgelas ein Erfordernis der Zeit, die im Spätmittelalter
fußenden landständischen Strukturen hingegen
ein Anachronismus. Helbok wies erstmals sowohl auf die
Errungenschaften der Verfassung von 1808 als auch auf
den Zusammenhang zwischen der Aufhebung aller Sonderverfassungen
und dem Vorhaben der Schaffung einer
bayerischen Nationalrepräsentation hin. Von der Einmütigkeit
der Vorarlberger bei der Ablehnung der Neuerungen
war Adolf Helbok nicht überzeugt: „Was in Tirol leicht gelang,
wollte aber in Vorarlberg zunächst nicht gehen. Dort
waren die maßgebenden Kreise in den Städten vor allem
sehr zurückhaltend. Selbst als österreichische Truppen aus
Tirol ins Land kamen, blieb es beim alten. Die Meinungen
gingen sogar bei den Bauern durcheinander. War man zwar
gegen die im französischen Vasallentum stehenden „fränkischen“
Bayern erbost und mit dem Grundsätzlichen der
neuen Dinge unzufrieden, so entzog man sich je länger je
mehr doch nicht der stillen Ueberzeugung vom Werte der
einzelnen Einführungen. Dann war die Anhänglichkeit an
Oesterreich nie so stark wie in Tirol gewesen und hatte in
den Kriegsereignissen der letzten anderthalb Jahrhunderte
manchen Stoß erlitten.“ 20 Mit dieser Sicht der Dinge blieb
Helbok allerdings isoliert, zumal wegen seiner späteren
Engagements für den Nationalsozialismus auch sein historisches
Oeuvre in Misskredit geriet. 21
Vor allem weil Vorarlberg während der NS-Herrschaft seine
Selbständigkeit neuerlich verloren hatte und zu Tirol
geschlagen worden war, sah sich die „offiziöse“ Landesgeschichtsschreibung
nach 1945 in besonderem Maß bemüht,
identitätsstiftend zu wirken: Vorarlberg, so wurde
argumentiert, sei seit undenklichen Zeiten eine mit besonderen
Rechten und Freiheiten ausgestattete geopolitische
Einheit; die Vorarlberger seien – da anders als ihre Nachbarn
– eine eigene Nation, die sich stets in einem Abwehrkampf
gegen die Bedrohung von Einheit und Freiheit befun-
Seite 364
den habe – gegen die Römer, das fränkische Königtum, die
Staufer, die Habsburger und schließlich gegen den Wiener
Zentralismus der Republik Österreich. Durch die vom Land
Vorarlberg finanzierte, von 1971 bis 1987 in fünf Bänden
erschienene „Geschichte Vorarlbergs“ von Benedikt Bilgeri
fand dieses Geschichtsbild weite Verbreitung. Die Vorgänge
der Jahre von 1806 bis 1814 mussten ihm folgerichtig als unerträgliche
Kulmination von Fremdbestimmung erscheinen.
Bilgeri nahm alle bereits im 19. Jahrhundert formulierten
Vorwürfe wieder auf, benannte das einschlägige Kapitel seiner
Landesgeschichte „Die bayerische Knechtschaft“ und
charakterisierte das „verhaßte Polizeiregime“ als „rücksichtslose“,
als „ungeheuerliche“„Zwingherrschaft“, getragen
von einer korrupten Beamtenschaft sowie von einigen
wenigen Spitzeln und Kollaborateuren aus der Priester- und
Lehrerschaft. Was nicht in dieses Bild passte, verschwieg
Bilgeri konsequent. 22 Im Ton moderater, aber mit gleicher
Tendenz hatten zuvor schon Arthur Schwarz und Ludwig
Welti gewertet. 23
Bezeichnenderweise fehlt in Benedikt Bilgeris Literaturverzeichnis
die 1977 bei Hans Wagner in Salzburg verfasste
Hausarbeit von Klaus Gnaiger mit dem Titel „Vorarlberg zur
Bayernzeit“. Sie zieht ein insgesamt positives Resümee,
verweist auf die historische Relevanz der Neuordnung des
Verwaltungs- und Gerichtswesens, vor allem aber auf die
Fortschritte im sozialen Bereich und hält fest, dass ein Gutteil
der Reformen nach der Rückkehr an Österreich beibehalten
wurde. 24 Diesem Urteil schließt sich auch Karl Heinz
Burmeister an: Zwar seien die bayerischen Reformen „für
ein konservatives Volk zu radikal, zu schnell“ gekommen,
man möge aber nicht vergessen, dass sie getragen waren
„von den Grundsätzen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit,
die durch die Französische Revolution zum Allgemeingut
der Menschheit geworden sind.“ 25 Erst im letzten
Viertel des 20. Jahrhunderts durfte sich in der Vorarlberger
Historiographie die bayerische Verfassung von 1808, die
unter anderem Gleichheit vor dem Gesetz und Gewissensfreiheit
gewährte, als ein relevantes Kriterium der Bewertung
dieser Jahre etablieren.

Dennoch: Die Geschichte Vorarlbergs zur „Bayernzeit“ ist
nach wie vor noch nicht geschrieben, allenfalls die Faktenlage
zum Aufstand von 1809 einigermaßen gesichert.
Selbst der 115 Schachteln umfassende, aus verschiedenen
Provenienzen zusammengeflossene Bestand „Bayerische
Akten“ im Vorarlberger Landesarchiv harrt bis heute einer
systematischen Durchsicht und der Auswertung. Indem die
regionale Historiographie die bayerische Verwaltungstätigkeit
– so wie die Zugehörigkeit zum Königreich Bayern – zur
bloßen Episode machte, verkannte sie deren enorme Bedeutung
für die weitere Entwicklung des Landes. Dass Österreich
fast alles, was die Bayern zwischen 1806 und 1814
eingeführt hatten, beibehielt, machte das Westende der
Donaumonarchie für mehr als ein halbes Jahrhundert zu
ihrem weitaus modernsten Teil. Die Sprengel der heutigen
Bezirksgerichte lassen sich auf die der bayerischen Landgerichte
zurückführen, die meisten Gemeinden Vorarlbergs
können 2008 ihr zweihundertjähriges Bestehen feiern, der
„Bayerische Kataster“ wurde bis weit über die Mitte des 19.
Jahrhunderts fortgeführt. Ähnliches gilt für das Sanitäts-,
das Stiftungswesen und andere Bereiche des öffentlichen
Lebens. Es würde nicht verwundern, sollten künftige, vielleicht
sogar grenzüberschreitende Forschungen ergeben,
dass ausgerechnet die „Revolution von oben“, 26 die Montgelas
den Vorarlbergern verordnet hatte, die Weichen für
die weitere wirtschaftliche, politische und kulturelle Entwicklung
des Landes stellte und die von der Historiographie
als Grundlage ihrer fast durchwegs negativen Charakteristik
herangezogenen Äußerungen von Zeitgenossen in erster Linie
mit einem Elitenwechsel als Folge der Professionalisierung
von Rechtswesen und Verwaltung zusammenhängen.
1 In: Die Bäder von Lucca, Kapitel 12, Reisebilder 3, 1829.
2 Überblick bei Karl Heinz Burmeister, Geschichte Vorarlbergs. Wien
4 1998, S. 74–106.
3 Alois Niederstätter, Beiträge zur Verfassungs- und
Verwaltungsgeschichte Vorarlbergs (14.–16. Jahrhundert), in: Montfort
39 (1987) 1/2, S. 53–70. – Anton Bundsmann, Die Entwicklung der
politischen Verwaltung in Tirol und Vorarlberg seit Maria Theresia bis
1918. Dornbirn 1961.
4 Alois Niederstätter, Bürger und Bauern – Die Vorarlberger Stände,
in: Landschaften und Landstände in Oberschwaben (Oberschwaben
– Geschichte und Kultur 5), hg. von Peter Blickle. Tübingen 2000, S.
119–131. – Ders., Von den „Herrschaften enhalb des Arlbergs“ zum
Land Vorarlberg – Bemerkungen zum Landesnamen und zur Funktion
Vorarlbergs als Land, in: Montfort 56 (2004) 1/2, S. 17–23.
5 Karl Heinz Burmeister, Die rechtliche und soziale Stellung der Frau im
Zeitalter der Aufklärung in Vorarlberg, in: Hexe oder Hausfrau. Das Bild
der Frau in der Geschichte Vorarlbergs, hg. von Alois Niederstätter/
Wolfgang Scheffknecht. Sigmaringendorf 1991, S. 110–131, hier S.
126–128.
6 Volksheld oder Verräter? Dr. Anton Schneider 1777–1820 (Schriften des
Vorarlberger Landesarchivs 1), hg. von Karl Heinz Burmeister. Bregenz
1985.
7 Johann Gunz, Der Krieg der Vorarlberger i. J. 1809, in: Der Gesellschafter
oder Blätter für Geist und Herz, Nr. 80–84/1820, nachgedruckt in: Archiv
für Geschichte und Landeskunde Vorarlbergs 7 (1907) 3, S. 13–17 und
35–40.
8 Robert Byr, Anno Neun und Dreizehn. Biographisches Gedenkblatt aus
den deutschen Freiheitskämpfen. Innsbruck 1865.
9 Alfred Ebenhoch, Vorarlberg im Jahre 1809. Zur 75. Gedenkfeier der
ruhmvollen Erhebung Vorarlbergs für Oesterreich im Jahre 1809. Bregenz
[1884], S. 10.
10 Viktor Kleiner, Der Uebergang Vorarlbergs an Bayern 1806, in:
Katholischer Volks-Kalender (1902) S. 121–125.
11 Josef Zösmair, Festschrift zur feierlichen Denkmals-Enthüllung in
Bludenz am 25. Juni 1905 für Bernhard Riedmiller, Kronenwirt zu
Bludenz, Schützenhauptmann in den Kriegsjahren 1796–1800 und
Landesverteidigungs-Major von Vorarlberg und Tirol anno 1809. Bludenz
1905.
12 Karl Heinz Burmeister, Dr. Anton Schneider – der Vorarlberger „Andreas
Hofer“? In: Burmeister, Volksheld (wie Anm. 6) S. 11–31, hier S. 25–29.
Seite 365

13 Anna Hensler, Memorandum in Sachen der Errichtung eines Anton
Schneider-Denkmals, Bregenz [wohl 1907].
14 Festschrift zur Jahrhundertfeier 1809–1909 des Landes Vorarlberg in
Bregenz, 30.–31. August, Bregenz [1909], unpag.
15 Alois Niederstätter, Das Jahr 1809 im Wandel geschichtlicher
Betrachtung, in: Gerhard Wanner (Hrsg.), Neue Perspektiven 1809,
Lochau 1985, S. 87–91.
16 Als Hauptwerk: Ferdinand Hirn, Vorarlbergs Erhebung im Jahr 1809.
Bregenz 1909. Des Weiteren von besonderer Bedeutung: ders.,
Vorarlbergs Herrscherwechsel vor hundert Jahren, Dornbirn 1906.
17 Hirn, Herrscherwechsel (wie Anm. 16), S. 23.
18 Festschrift (wie Anm. 14).
19 Adolf Helbok, Geschichte Vorarlbergs von der Urzeit bis zur Gegenwart,
Wien u.a. 1925.
20 Ebd. S. 171.
21 Helbok, geb. 1883 in Hittisau (Vorarlberg), gest. 1968 in Götzens (Tirol),
wurde 1934 aufgrund seines Eintretens für den Nationalsozialismus von
der Universität Innsbruck beurlaubt. 1935 folgte er, nach Wahrnehmung
einer Gastprofessur in Berlin, der Berufung als Professor für Geschichte
an das „Institut für Deutsche Landes- und Volksgeschichte“ nach
Leipzig. 1941 erhielt er in Innsbruck den neu geschaffenen Lehrstuhl für
Volkskunde, 1945 wurde Adolf Helbok aus dem Dienst ausgeschieden.
22 Benedikt Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs. 5 Bde., Wien u.a. 1971–1987,
zur bayerischen Zeit Bd. 4: Zwischen Absolutismus und halber
Autonomie, Wien u.a. 1982, S. 204–243.
23 Ludwig Welti, Landesgeschichte, in: Landes- und Volkskunde,
Geschichte, Wirtschaft und Kunst Vorarlbergs, hg. von Karl Ilg, Bd. 2:
Geschichte und Wirtschaft, Innsbruck 1968, S. 151–343, hier S. 283–292.
– Heimatkunde von Vorarlberg, hg. von Arthur Schwarz. Bregenz 1949,
S. 339–345.
24 Klaus W. O. Gnaiger, Vorarlberg zur Bayernzeit. Masch. phil. Hausarbeit,
Salzburg 1977.
25 Karl Heinz Burmeister, Die bayerische Verwaltung in Vorarlberg, in:
Wanner (wie Anm. 15) S. 57–65, hier S. 65. Ähnlich in seiner Geschichte
Vorarlbergs (wie Anm. 2) S. 150–159.
26 Handbuch der Bayerischen Geschichte, Bd. 4/1: Das neue Bayern 1800
bis zur Gegenwart, begr. von Max Spindler, neu hrsg. von Alois Schmid.
München 22003, S. 45.
Seite 366

Die Bildung des Bestandes an Vorarlberger Ortsgemeinden
und seine Veränderungen vor der Reorganisation auf
der Grundlage des österreichischen Gemeindegesetzes von
1849 bleibt genauer abzuklären. Für die Zeit danach gilt das
noch für Nofels: 1849 wurde Nofels als separate Ortsgemeinde
(LGBl. Nr. 1/1850), 1854 als Ortsteil der Gemeinde
Tosters dem Bezirksgericht Feldkirch zugeteilt (LGBl. II Nr.
22/1854); in anderen Verzeichnissen ist Nofels zeitgleich
bereits als Ortsteil der Gemeinde Altenstadt ausgewiesen
. Eine Sonderkonstruktion war die „Judengemeinde“ Hohenems,
die bis 1878 als politische Personalgemeinde neben
der politischen Territorialgemeinde Hohenems („Christengemeinde“)
bestand.
Zahl der Gemeinden
1850 *104/106
1900 103
1937 99
1946 90
seit 1947 96
* ohne/mit Nofels und Judengemeinde Hohenems
In der folgenden Aufstellung sind die 2008 bestehenden
Ortsgemeinden in Fettdruck, nicht mehr bestehende Ortsgemeinden
in Normaldruck und Namensänderungen in
Kursivdruck ausgewiesen.
Alberschwende
Altach
Altenstadt 1925 zu Feldkirch
Andelsbuch
Au
Batholomäberg
Bezau: 1938 bis 1946 Vereinigung mit Reuthe
(LGBl.Nr. 15/1938, 13/1946)
Bildstein führte bis 1857(?) den Namen Steußberg
Bizau
Ulrich Nachbaur (geb. 1962 in Feldkirch), Dr. iur., M.A., seit 1997 Mitarbeiter im
Vorarlberger Landesarchiv
Vorarlberger Gemeinden 1849 bis 2008
Eine Bestandsaufnahme
Ulrich Nachbaur
Blons
Bludenz 1938 bis 1946 Vereinigung mit Stallehr
(LGBl.Nr. 9/1938, 13/1946)
Bludesch
Blumenegg siehe Thüringerberg
Bolgenach 1938 zu Hittisau
Brand
Bregenz 1919 Vereinigung mit Rieden (LGBl.Nr.
43/1919), 1938 mit Fluh (LGBl.Nr. 7/1938,
13/1946), 1938 bis 1946 mit Eichenberg,
Kennelbach und Lochau (LGBl.Nr.
7/1938, 13/1946)
Buch
Bürs
Bürserberg
Dalaas
Damüls
Doren
Dornbirn 1932 Vereinigung mit Ebnit (LGBl.Nr.
6/1931)
Düns
Dünserberg
Ebnit 1932 zu Dornbirn
Egg
Eichenberg 1922 Trennung von Möggers (LGBl.Nr.
46/1922), 1938 bis 1946 bei Bregenz
Feldkirch 1925 Vereinigung mit Altenstadt, Tosters
(LGBl.Nr. 23/1925) und Tisis (LGBl.Nr.
31/1925)
Fluh 1938 zu Bregenz
Fontanella
Frastanz
Fraxern
Fußach 1938 bis 1946 bei Rheinau
Gaißau 1938 bis 1946 bei Rheinau
Gaschurn
Göfis
Götzis
Hard
Seite 367

Hittisau 1938 Vereinigung mit Bolgenach (LGBl.
Nr. 14/1938)
Hochkrumbach 1885 zu Warth-Hochkrumbach
Höchst 1938 bis 1946 bei Rheinau
Hohenems („Christengemeinde“): 1878
Inkorporierung der „Judengemeinde“
Hohenems „Judengemeinde“: siehe Einleitung
Hohenweiler
Hörbranz
Innerbraz
Kennelbach 1911 Trennung von Rieden (LGBl.Nr.
132/1911), 1938 bis 1946 bei Bregenz
Klaus
Klösterle
Koblach
Krumbach
Langen bei Bregenz
Langenegg 1924 Vereinigung von Oberlangenegg
und Unterlangenegg (LGBl.Nr. 66/1923)
Laterns
Lauterach
Lech
Lingenau
Lochau 1938 bis 1946 bei Bregenz
Lorüns
Ludesch
Lustenau
Mäder
Meiningen
Mellau
Mittelberg
Möggers 1922 Abtrennung Eichenbergs
Nenzing
Nofels siehe Einleitung
Nüziders
Oberlangenegg 1924 zu Langenegg
Raggal
Rankweil
Reuthe 1938 bis 1946 bei Bezau
Seite 368
Vorstehertafel Lorenz Burtscher,
Nenzing 1828
Rheinau 1938 Vereinigung von Fußach, Gaißau
und Höchst ((LGBl.Nr. 8/1938), Auflösung
31.12.1946 (LGBl.Nr. 13/1946)
Rieden 1911 Abtrennung Kennelbachs, 1919 zu
Bregenz
Riefensberg
Röns
Röthis
St. Anton im Montafon
St. Gallenkirch
St. Gerold
Satteins
Schlins
Schnepfau
Schnifis
Schoppernau
Schröcken
Schruns
Schwarzach
Schwarzenberg
Sibratsgfäll
Silbertal
Sonntag
Stallehr 1938 bis 1946 bei Bludenz
Steußberg siehe Bildstein
Sulz
Sulzberg
Thüringen
Thüringerberg (Kreis Bludenz) siehe Thüringerberg
Thüringerberg 1938 Umbenennung in Blumenegg (LGBl.
Nr. 8/1938), 1939/40 in Thüringerberg
(Kreis Bludenz), 1945 in Thüringerberg
Tisis 1925 zu Feldkirch
Tosters 1925 zu Feldkirch
Tschagguns
Übersaxen
Vandans
Unterlangenegg 1924 zu Langenegg
Viktorsberg

Warth 1885 Vereinigung mit Hochkrumbach zu
Warth-Hochkrumbach (LGBl.Nr. 9/1885),
1924 Umbenennung in Warth
Warth-
Hochkrumbach siehe Warth
Weiler
Wolfurt
Zwischenwasser
Gerichtsbezirk Bregenz 1849 bestehend aus einer
Stadt- und 17 Landgemeinden (Jacob Schuchter)
Seite 369

Seite 370

Auswirkungen der bayerischen Reformen
von 1806 bis 1814 auf die Vorarlberger
Verwaltungsstrukturen
Ulrich Nachbaur
Bei dieser Arbeit handelt es sich um den Versuch, einen
ersten Überblick über die Veränderungen der Verwaltungsstrukturen
von 1805 bis 1814 zu gewinnen, die einzelnen
Ämter zeitlich und räumlich abzugrenzen. Verständlich werden
die Maßnahmen nur in der Zusammenschau der ganz
Bayern umfassenden Staats- und Verwaltungsreformen, die
in München nicht erfunden wurden, um gezielt die Vorarlberger
zu pflanzen und zu knechten.
1. Bayerns territoriale Ansprüche 1805/06
Im Zuge der napoleonischen Neuordnung Europas entschädigten
sich die weltlichen Fürsten des Heiligen Römischen
Reichs deutscher Nation für ihre linksrheinischen Gebietsverluste
großzügig mit der Mediatisierung und Säkularisierung
geistlicher Fürstentümer sowie der Mediatisierung
weltlicher Reichsfürsten, -grafen und -ritter, von Reichsstädten
und -dörfern. Nach dem Reichsdeputationshauptschluss
von 1803 begann ein großes Feilschen und Tauschen,
das für Österreich eine neue vorderösterreichische
Perspektive eröffnete. Den Breisgau und die Ortenau musste
es an die Nebenlinie Habsburg-Este abtreten. Gleichzeitig
baute Österreich zielstrebig seine Position in Schwaben
und Vorarlberg aus.
Das Haus Oranien-Nassau-Dillenburg war 1802 unter anderem
mit dem Territorialbestand der aufgehobenen Abtei
Weingarten entschädigt worden. Österreich zwang es zu
Teilverkäufen und erwarb 1804 auf diesem Weg endlich
die Vorarlberger Enklaven Blumenegg und St. Gerold und
weitere kleinere „Lückenfüller“. Hinzu kamen Stadt und
Stift Lindau, eine Landbrücke zwischen Vorarlberg und der
seit 1780 österreichischen Herrschaft Tettnang und Argen,
sowie die im Nordosten an Vorarlberg angrenzende Reichgrafschaft
Rothenfels. Territorial gestärkt sollten Schwäbisch-Österreich
und Vorarlberg unter einer neuen vorderösterreichischen
Landesstelle in Günzburg reorganisiert
werden. 1 Übrigens ersuchten im März 1803, der Reichsun-
Ulrich Nachbaur (geb. 1962 in Feldkirch), Dr. iur., M.A., seit 1997 Mitarbeiter im
Vorarlberger Landesarchiv
Vorarlberg um 1783: Gerichte und Herrschaften (Grenzziehungen zum Teil fehlerhaft)
mittelbarkeit und ihrer Landesherrin überdrüssig, auch die
Untertanen des Reichshofes Lustenau Kaiser Franz, sein
österreichisches Vorarlberg um ihr kleines, benachteiligtes
Grenzterritorium zu arrondieren. 2
1.1. Friede von Pressburg 26. Dezember 1805: „Die sieben
Herrschaften im Vorarlbergischen mit ihren Inklavirungen,
die Grafschaft Hohenembs“
Doch der Friedensvertrag von Pressburg am 26. Dezember
1805 bereitete der Provinz Vorderösterreich endgültig ein
Ende. Als Folge des Dritten, erneut verlorenen Koalitionskrieges
gegen Frankreich musste der Kaiser von Österreich
an den mit Napoleon verbündeten König von Bayern abtreten
„die Markgrafschaft Burgau und was dazu gehört,
das Fürstenthum Eichstädt, denjenigen Theile des Gebietes
von Passau, der Sr. königlichen Hoheit, dem Kurfürsten von
Salzburg gehörte, und zwischen Böhmen, Oesterreich, der
Donau und dem Inn gelegen ist, ferner die Grafschaft Tyrol
mit Inbegriff der Fürstenthümer Brixen und Trient; die
sieben Herrschaften im Vorarlbergischen mit ihren Inklavirungen,
die Grafschaft Hohenembs, die Grafschaft Königsegg-Rothenfels,
die Herrschaften Tetnang und Argen und
die Stadt Lindau nebst ihrem Gebiete“. 3
Im Folgenden geht es um „die sieben Herrschaften im Vorarlbergischen
mit ihren Inklavirungen“ und „die Grafschaft
Hohenembs“.
1.1.1. FELDKIRCH-NEUBURG, SONNENBERG, BLU-
DENZ-MONTAFON, BREGENZ-HOHENEGG
Wie die Vertragsparteien auf „sieben“ Herrschaften vor
dem Arlberg kamen, bliebe zu klären. Dass es sich bei der
siebten Herrschaft um die Herrschaft Gutenberg in Liechtenstein
gehandelt haben soll, 4 überzeugt nicht. Es ging um
die alten „vier Herrschaften vor dem Arlberg“: um die Herr-
Seite 371

schaft Feldkirch einschließlich der Herrschaft Neuburg, die
Herrschaften Bludenz und Sonnenberg sowie die Herrschaft
Bregenz einschließlich der Herrschaft Hohenegg. Gelegentlich
wurde schon früher das Tal Montafon als Attribut der
Herrschaft Bludenz miterwähnt. Seit der Errichtung eines
separaten Gerichts für das Montafon (1775) wurde jedenfalls
zwischen der „Herrschaft Bludenz“ (heutiges Stadtgebiet)
und der „Herrschaft Montafon“ unterschieden. 5
Mit Feldkirch, Neuburg, Sonnenberg, Bludenz, Montafon,
Bregenz und Hohenegg kämen wir auf sieben Herrschaften.
Diese Kernterritorien, die Habsburg-Österreich zwischen
1363 und 1523 erworben hatte, zählten innerhalb der Organisation
des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation
zum Österreichischen Reichskreis.
1.1.2. HOHENEMS
Die Reichsgrafschaft Hohenems, der Reichshof Lustenau,
die Reichsherrschaften Blumenegg und St. Gerold sowie die
Reichsrittergüter Laubenberg („Schinau“) und Waltrams,
die im Organisationsreskript vom 16. November 1806
(Edition im Anhang) angeführt werden, gehörten dagegen
zum Schwäbischen Reichskreis. Von ihnen hatte auf den
Kreistagen allerdings nur Hohenems Sitz und Stimme. Die
Kreisstandschaft könnte der Grund sein, weshalb die Grafschaft
Hohenems ausdrücklich angeführt wurde, obwohl
sie Österreich bereits 1765 erfolgreich vereinnahmt hatte.
Bei der Neuorganisation der Verwaltung, im Organisationsentwurf
wie im Reskript, wurde die Grafschaft Hohenems
ohne Kommentar und damit wohl selbstverständlich als Teil
des „Landes Vorarlberg“ behandelt und nicht etwa mit den
„sieben Herrschaften“ fusioniert.
Als „Inklavierungen“ sollten im Organisationsreskript
Lustenau, Blumenegg und St. Gerold im heutigen Vorarlberg
aufgezählt werden, zudem Laubenberg (hier Schönau),
Waltrams und Ellhofen im historischen Norden des
Landes. In einem ersten Schritt konnte sich Bayern aber nur
Blumenegg und St. Gerold einwandfrei sichern.
Seite 372
1.1.3. BLUMENEGG, ST. GEROLD, „BENDERN“
Im Reichsdeputationshauptschluss von 1803 wurde das
Haus Oranien-Nassau-Dillenburg unter anderem „die Abtey
Weingarten, die Abteyen und Probsteyen Hofen, St. Gerold
im Weingartischen, Bandern [sic!] im Lichtensteinischen
Gebiete“ zugesprochen. 6 Das Reichsstift Weingarten wurde
mediatisiert und säkularisiert. Zu ihm gehörte seit 1612/14
die hier nicht genannte Herrschaft Blumenegg oder das angeführte
Priorat Hofen (heute Stadtteil von Friedrichshafen).
Landesherr der Propstei St. Gerold hingegen war nicht der
Abt von Weingarten, sondern der Abt des Klosters Einsiedeln,
das 1648 mit der Eidgenossenschaft de facto aus dem
Reichsverband ausgeschieden war, deren Äbte damit bis
1803 nur noch dem Titel nach Reichsfürsten waren, mit St.
Gerold aber spätestens seit Verleihung der Hochgerichtsbarkeit
1718 über eine reichsunmittelbare Herrschaft verfügten,
die im Kreistag weiterhin von Weingarten mitvertreten
wurde. Nun kassierte sie Oranien-Nassau. 7 Denn die in
Regensburg tagende Reichsdeputation stellte sich auf den
Standpunkt, dass alles, was der Bischof von Chur, der Abt
von St. Gallen und alle Schweizer Stifte im Reich besitzen,
Reichsgut sei. 8
So kam auch der nicht minder fragliche Erwerbstitel für
Bendern („Bandern“) zustande, womit Oranien-Nassau
kein Territorium, sondern nur die Rechte und das Vermögen
der ausgedehnten Pfarrei Bendern in Liechtenstein erwarb,
die auch Besitz in Vorarlberg hatte. 9 Die Pfarrei war dem
Churer Kloster St. Luzi inkorporiert, dessen Konvent von
1538 bis 1624 in Bendern Zuflucht gesucht hatte, wo er nach
seiner Rückkehr nach Chur eine Statthalterei unterhielt.
Sie wird in den Quellen auch als „Pflegei“ bezeichnet, im
bayerischen Organisationsreskript von 1806 (Anhang) als
„Rezeptur“ (Einnehmerei). St. Luzi war kein Reichsstift,
Bendern lag aber im Reichsfürstentum Liechtenstein und
wurde als selbständige Statthalterei oder Abtei behandelt
und Oranien-Nassau zugesprochen.

1804 erwarb Österreich von Oranien-Nassau neben den
Herrschaften Blumenegg und St. Gerold auch die Pflegei
Bendern. 1805 trat Bayern in diese Rechte ein. 10
1.2. Übergabe des „Landes Vorarlberg“ 13. März 1806
In Vorarlberg traf bereits zu Weihnachten 1805 eine kleine
militärische Abordnung ein. Am 19. Januar 1806 empfing
König Maximilian I. in München eine Delegation der Vorarlberger
Landstände zur Huldigung, die offizielle Übernahme
der österreichischen Herrschaften wurde am 13. März 1806
in Bregenz zelebriert. 11 Die formelle Übergabe erfolgte nicht
durch Österreich. Es war vielmehr ein französischer Bevollmächtigter,
der „im Namen seiner Majestät des Kaisers und
Königs Napoleon“ an Maximilian von Merz, den die Landesdirektion
in Schwaben mit der Organisation der neuen
Gebiete beauftragt hatte, „die sieben vorarlbergischen
Herrschaften mit den darin inklavirten Gebieten nebst der
Herrschaft Hohen-Embs, so wie sie dermal bestehen mit allen
Rechten, welche daran kleben und den Bürden, welche
darauf haften,“ übergab. 12
Am 18. März versandte Kreishauptmann Vintler an die
nachgeordneten Ämter Drucke des königlichen Besitzergreifungspatents
vom 30. Jänner 1806, die gemeinsam mit
einem beigelegten bayerischen Wappen an den Amtshäusern
zu affichieren waren. 13
1.2.1. UMFANG UND GRENZEN
Gedenktafel im "Löwen" in Bregenz (nach 1863)
„Was den Umfang und die Gränzen der sieben vorarlbergischen
Herrschaften mit den darin inklavirten Gebieten
und der Graffschafft Hohen-Embs betrift,“ wurde im Übergabeprotokoll
festgehalten, „so sollen sie die nämlichen
seyn und verbleiben, wie bey Entstehung des gegenwärtigen
Krieges waren; Seine Majestät der König von Baiern
soll diese Herrschaften, welche ihm hiemit überlassen werden,
in dem Maaße mit der Souverainität, und allen davon
abhangenden Rechten, Titeln und Vorrechten besitzen, wie
seine Majestät der Kaiser von Deutschland und Oesterreich
selbe besessen hatten.“ 14
Betrachten wir die Landesherrschaft der Vorarlberger Herrschaften
und ihrer Enklaven, so bot sich 1805 folgendes
Bild: Habsburg-Österreich war unbestritten Landesherr von
Feldkirch-Neuburg, Sonnenberg und Bludenz-Montafon,
Bregenz-Hohenegg und Hohenems, von Blumenegg und
St. Gerold. – Ob es über Ellhofen tatsächlich eine Landeshoheit
behauptete, ist mehr als fraglich. – Den Reichshof
Lustenau hatte Österreich als Teil der Herrschaft Hohenems
beansprucht, 1789 jedoch der Erbtochter Rebecca von Harrach-Hohenems
die Landeshoheit weitgehend zugestehen
müssen, sich vertraglich allerdings die Ausübung einiger
Hoheitsrechte in Lustenau gesichert (unter anderem die
Werbung zum Militär, ein Besatzungsrecht im Kriegsfall);
zudem hatte Habsburg-Österreich Lustenau als Graf von
Hohenems im schwäbischen Kreistag mitvertreten. 15 – Laubenberg
und Waltrams waren Reichsrittergüter. – Die feierliche
Übergabe des österreichischen „Landes Vorarlberg“
am 13. März 1806 konnte sich daher formal gesehen jedenfalls
nicht auf Laubenberg und Waltrams beziehen, wahrscheinlich
auch nicht auf Ellhofen. Lustenau war ebenfalls
noch nicht einbezogen. Hier ist die Chronologie zu beachten.
1.3. Ergänzungen
1.3.1. REICHSRITTERGÜTER LAUBENBERG, WALTRAMS
Bei Laubenberg und Waltrams handelte es sich um kleine
reichsritterliche Herrschaften der Pappus von Tratzberg
bzw. der Hundbiß (Humpis) von Waltrams. Sie zählten zum
Ritterbezirk Allgäu-Bodensee des Kantons Hegau-Allgäu-
Bodensee der Reichsritterschaft, die von den süddeutschen
Fürsten gewaltsam mediatisiert, ihrer Landeshoheit
unterworfen wurde. Der Ritterbezirk Allgäu-Bodensee
blieb dank seiner nicht uneigennützigen kaiserlichen und
Seite 373

österreichischen Schutzmacht länger verschont. 16 Sein
Schicksal wurde, wie jenes Vorarlbergs, erst am 2. Dezember
1805 auf dem Schlachtfeld bei Austerlitz entschieden.
Unter dem Vorwand, die Reichritter hätten den Kaiser unterstützt,
befahl Napoleon am 19. Dezember 1805 seinen
französischen Truppenkommandanten, den verbündeten
Fürsten bei der Besetzung der reichsritterlichen Gebiete zu
helfen. Der bayerische Kurfürst und spätere König ließ am
27. Dezember von der Ritterkanzlei Allgäu-Hegau-Bodensee
in Wangen Besitz nehmen und den Bezirksvorstand für aufgelöst
erklären. Am folgenden Tag wurden alle Orte des Ritterschaftsbezirks
durch zwei Infanteristen besetzt und die
Lokalbeamten dem neuen Landesherren verpflichtet.
Dazu zählten die Rittergüter Laubenberg (heute in der
Gemeinde Grünenbach, Landkreis Lindau) und Waltrams
(heute in der Gemeinde Weitnau, Landkreis Oberallgäu),
Enklaven der Herrschaften Bregenz und Hohenegg, die in
Pressburg gleichzeitig Bayern zugesprochen wurden. Der
Zugriff auf die Reichsrittergüter sollte dagegen erst im Juli
1806 durch die Rheinbundakte „legalisiert“ werden.
1.3.2. REICHSHOF LUSTENAU
Seite 374
Laubenberg und Waltrams im
Ritterbezirk Allgäu-Bodensee
Die bayerischen Entscheidungsträger wurden im Februar
auf den Vertrag von 1789 aufmerksam, der Österreich einige
Hoheitsrechte in Lustenau garantiert hatte. 17 Am 31.
März erhielt der Vorarlberger Kreishauptmann Vintler den
allerhöchsten Auftrag, sogleich Maßnahmen zu treffen, um
diese Rechte auszuüben. 18 Neben diesem Vertrag hätte der
bayerische König noch ins Treffen führen können, dass nun
ihm das Recht zustehe, als Reichsgraf von Hohenems auch
Lustenau im schwäbischen Kreistag zu vertreten.
Am 18. April 1806 starb Reichsgräfin Maria Rebecca von
Harrach-(Hohenems). Lustenau ging damit an ihre Tochter
Maria Walburga über, die mit Graf Clemens Truchsess von
Waldburg-Zeil-Trauchburg verheiratet war. Das Paar hatte
sich jedoch bereits vor vielen Jahren getrennt. Sie lebte in
Kunewald (Mähren), er auf Schloss Zeil, später in Kempten. 19
Am 26. April wurden die Vorarlberger Herrschaften der
schwäbischen Landesdirektion unterstellt. Zu diesem
Schritt hatte Minister Montgelas seinem König nicht zuletzt
deshalb geraten, weil von Ulm aus die Einziehung
der Reichsunmittelbarkeit einiger Besitzer in diesen Herrschaften
schlagkräftiger besorgt werden könne als von
Innsbruck aus. 20
Am 28. April ließ das Haus Waldburg-Zeil Lustenau durch
einen Beamten und einen Notar im Namen der Erbtochter
und ihres Gemahls in Zivilbesitz nehmen und die Beamten
in Hohenems vereidigen, nachdem es den bayerischen Behörden
diesen Schritt angekündigt hatte. 21 Ob dieser Schritt
mit Gräfin Walburga abgesprochen war, bliebe zu klären.
Abgesehen davon war es mit der Autorität des Hauses
Waldburg-Zeil auch nicht mehr weit her; es erwartete selbst
Napoleons Entscheidung über sein Schicksal. 22
Am 10. Mai versiegelten königliche Beamte das Archiv des
gräflichen Oberamts in Hohenems und erklärten, dem bayerischen
König die vormals Österreich zugestandenen Gerechtsamen
und Hoheitsrechte vorzubehalten. 23
Da sie aufgrund der verarmten Lage Lustenaus nicht in der
Lage seien, das Reisegeld für eine Deputation (nach Mähren)
aufzubringen, versicherten Hofammann und Gericht
Gräfin Walburga am 2. Juni schriftlich, dass es der einheilige
Wunsch der ganzen Gemeinde sei, „ewige Untertanen“
ihrer „Landesmutter“ zu bleiben, ersuchten sie aber gleichzeitig
erneut um Hilfe in ihrer materiellen Not. 24
Die Gründung des Rheinbundes bereitete einige Wochen
später dem Reich und damit auch dem Reichshof Lustenau
ein Ende.

1.3.3. RHEINBUNDAKTE 12. JULI 1806
Am 12. Juli 1806 schloss sich Bayern unter Napoleons Druck
mit anderen süddeutschen Staaten zu einem „Rheinbund“
zusammen. In ihrem Konföderationsvertrag, der Rheinbundakte,
einigten sich auch auf die Bereinigung offener
Territorialfragen, nicht zuletzt auf eine Abrundung ihrer
Fürstentümer um weitere bisher reichsunmittelbare Territorien.
25 Dabei unterschieden sie rechtlich in drei Kategorien:
Erstens in Gebiete, die der begünstigte Rheinbundfürst
„mit allen Eigenthums- und Souverainitäts-Rechten“ in
Besitz nahm und mit seinem Staat vereinigte; der bayerische
König zum Beispiel die Reichsstadt Nürnberg und
zwei Deutsch-Ordens-Kommenden (Art. 17). Zweitens in
Gebiete, in über die der begünstigte Rheinbundfürst „nur“
„alle Souverainitäts-Rechte“ auszuüben berechtigt wurden;
der König von Bayern zum Beispiel in Schwaben über Besitzungen
der Grafen Fugger (Weißenhorn, Kirchheim), die
sich bereits „freiwillig“ Bayern unterworfen hatten, des
Fürsten Fugger (Babenhausen), der Ostein (Buxheim), Oettingen-Wallerstein
(St. Mang), Lobkowitz-Sternstein (Weißenau),
Stadion (Thannhausen), Esterhazy (Edelstetten)
und Sinzendorf (Winterrieden), die erst 1803 mit diesen
Besitzungen entschädigt worden waren, sowie über die gesamte
Heerstraße von Memmingen nach Lindau (Art. 24). 26
Drittens sollte jeder Rheinbundfürst die in seinen Territorien
„inklavierten“ ritterschaftlichen Güter „mit voller Souveränität“
besitzen. Die zwischen zwei Staaten gelegenen
Rittergüter sollten aufgeteilt werden (Art. 25).
1.3.3.1. Laubenberg und Waltrams legalisiert
Bayern und Württemberg einigten sich mit Vertrag vom 13.
Oktober 1806 über die Aufteilung der Reichsrittergüter. 27
Damit waren die Fälle Laubenberg und Waltrams geklärt.
1.3.3.2. Streitfall Ellhofen
Probleme bereitete nun aber die Herrschaft Ellhofen (heute
Teil der Gemeinde Weiler-Simmerberg, Landkreis Lindau). 28
Bayern hatte sie am 26. März 1806 Besitz genommen und
seine Gebietsansprüche in Schwaben am 3. Juni durch einen
Vertrag mit Württemberg abgesichert. Ellhofen hatte
1577 der Deutsche Orden erworben. Es hatte zur Landkomturei
Altshausen gehört, die Ellhofen über ihren Obervogt
der Herrschaft Achberg verwalten hatte lassen. Durch die
Rheinbundakte wurde nun dem König von Württemberg die
Kommende Altshausen als Eigentum zugesprochen (Art.
18), dem Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen die Herrschaft
Achberg (Art. 19), worauf beide Anspruch auf Ellhofen
erhoben.
Bayern sollte sich in diesem mehrjährigen Rechtsstreit mit
dem Argument durchsetzen, Ellhofen habe stets zu dem
ihm zugesprochenen Vorarlberg gehört. 29 Dagegen hatte
eine Innsbrucker Gubernialkommission Ellhofen 1792 in einer
Kreis- und Landesbeschreibung neben Blumenegg, St.
Gerold, Lustenau, Laubenberg und Waltrams ausdrücklich
zu den sechs „Reichsherrschaften“ gezählt, die mitten im
Kreis Vorarlberg lägen, aber nicht der österreichischen Landeshoheit
und damit auch nicht dem Kreis- und Oberamt
unterstünden. Zum „Reichslehen Schloßalt-Laubenberg“
merkten die Beamten an, dass es „im österreichischen
Lehendorf Schinau“ liege, bei der „Herrschaft Waltrams“,
dass es ein „Fürstlich Würzburgisches Lehen“ sei, dagegen
nur: „Herrschaft Ellhofen des Teutschen Ordens in Simmerberg“.
30
Die bayerische Organisationskommission für Vorarlberg
ging schlicht davon aus, dass sich Ellhofen zur „Sequestration“
(Zwangsverwaltung) eigne, zumal die Rheinbundakte,
die Achberg dem Fürst von Sigmaringen zugesprochen
habe, auf diese vollständig vom Vorarlberger Gebiet umschlossene
„selbständige Herrschaft“ keine Anwendung
finden könne. 31 Jedenfalls wurde sie im November 1806
ausdrücklich in das Organisationsreskript aufgenommen
(Anhang).
Seite 375

1.3.4. 1. August 1806: Ende des Alten Reichs
Lustenau wurde von der Rheinbundakte nicht unmittelbar
erfasst. Allerdings wurde seine ohnmächtige „Schutzmacht“
Waldburg-Zeil zugunsten des Königs von Württemberg
mediatisiert. 32
Am 1. August 1806 erklärten die Rheinbundstaaten den
Austritt aus dem Heiligen Römischen Reich. Am 6. August
1806 ließ Kaiser Franz die Niederlegung der römischen Kaiserkrone
verkünden, womit das Alte Reich de facto erlosch.
Damit gab es keinen übergeordneten römischen Kaiser
mehr, waren alle ehemals reichsunmittelbaren Landesherren
mit ihren Territorien voll souverän geworden – zumindest
theoretisch, Lustenau nicht einmal das.
1.3.4.1. 1. September 1806: Annexion des „österreichischen“
Lustenau
Dass Lustenau am 6. August 1806 „jedenfalls ein vollkommen
selbständiger Staat“ geworden sei, 33 trifft schon
in rechtlicher Hinsicht nicht zu. Seine Souveränität war
vertraglich nach wie vor eingeschränkt, und zwar seit dem
Pressburger Frieden zugunsten Bayerns, dem Gräfin Walburga
auch faktisch ausgeliefert war. An einem selbständigen,
isolierten Lustenau hätten wohl auch ihre Untertanen
kein Interesse gehabt.
Am 1. September 1806 erfolgte in Lustenau eine separate
Landeshuldigung. Am Tag darauf wurden die königlich-bayerischen
Wappen angeschlagen.
Am 30. Juni 1809 machte das Landgericht Dornbirn kund, der
König habe alle Besitzungen der Gräfin Waldburg-Zeil(-Harrach)
eingezogen und unter Sequestration genommen, weil
sie ihren Wohnort nicht in einem Bundesstaat aufgeschlagen
habe. 34 Art. 31 der Rheinbundakte billigte den durch diesen
Vertrag mediatisierten Landesherren und deren Erben nur
die Freizügigkeit innerhalb der Rheinbundstaaten zu. 35 Die
Berufung auf die Rheinbundakte war ein fadenscheiniges Argument.
Das Haus Harrach-Hohenems oder sein Reichshof
Seite 376
Lustenau hatten in ihr keine Erwähnung gefunden. Die Regelung
der künftigen Verhältnisse, der der königlichen Souveränität
unterworfenen Fürsten, Grafen und Herren vom März 1807
bezog sich ausdrücklich nur auf die „staatsrechtlichen Verhältnisse
dieser [sic!] mediatisierten Gebiete und ihrer Besitzer“. 36
In territorialer Hinsicht wäre das einerlei gewesen, denn auch
die Gebiete dieser von „Landesherren“ zu „Standesherren“
degradierten Grafen und Fürsten wurden voll in das Königreich
Bayern integriert. 37 Der Konflikt mit Gräfin Walburga sollte erst
1811 durch einen Vergleich beigelegt werden. 38
Die habsburg-österreichischen Herrschaften vor dem Arl
berg einschließlich Reichsherrschaften Hohenems, Blumenegg
und St. Gerold gingen 1805 einfach von einem
Reichsfürsten an einen anderen Reichsfürsten über, ohne
dass sich dadurch an ihrer Reichsunmittelbarkeit etwas
geändert hätte. Sie erlosch erst mit dem Alten Reich im
August 1806. Laubenberg und Waltrams wurden durch die
Rheinbundakte vom 12. Juli 1806 noch kurz zuvor ausdrücklich
mediatisiert. Lustenau hätte dagegen am 1. September
1806 seine Reichsunmittelbarkeit nicht mehr verlieren können.
Zumindest in diesem engeren Sinn kann bei Lustenau
von einer Mediatisierung keine Rede mehr sein.
Bayern stützte sich bei der Annexion Lustenaus am 1. September
1806 nicht auf die Rheinbundakte, sondern auf
den Friedensvertrag von Pressburg, kassierte es formell
als Enklave der Vorarlberger Herrschaften, und zwar als
ehedem österreichisches Territorium mit beschränkten
Hoheitsrechten der Hohenemser Allodialerbin und nicht
umgekehrt. Das wird im Organisationsentwurf für Vorarlberg
deutlich, mit dem die Organisationskommission den
Reichshof Lustenau zur Einverleibung vorschlug, „worüber
das Hauß Oesterreich der Hohenemsischen Erbtochter Gräfin
von Harrach eine beschränkte Landeshoheit eingeräumt
hatte, dessen Subjection aber in Folge der neuesten öffentlichen
Traktaten vollkommen gerechtfertigt ist.“ 39 Beim
künftigen Landgericht Dornbirn wurde „der dazu gefallene“
Reichshof Lustenau ausgewiesen. 40

Als Patrimonialrichter Seewald den Lustenauern im Februar
1807 die Auflösung ihres Hofgerichts mitteilte, berief er sich
schlicht auf die am 1. September 1806 „apprehendierte“
(ergriffene) Landeshoheit und auf das Organisationsreskript
vom 16. November 1806; 41 in der der „so genannte“ Reichshof
Lustenau zu den Enklaven gezählt und – im Unterschied zu
Laubenberg und Waltrams – nicht ausdrücklich entsprechend
der Rheinbundakte als Patrimonialgericht der bayerischen
Landeshoheit unterworfen wurde (Anhang, Pkt. 3 e, d).
Das Zugeständnis einer Patrimonialgerichtsbarkeit musste
im Übrigen keineswegs eine Folge der Mediatisierung sein,
ein Relikt landesherrlicher Rechte. Das macht auch das
Beispiel der Grafen Wolkenstein oder der Freiherren von
Sternbach in Vorarlberg deutlich. Die Patrimonialgerichtsbarkeit
war grundsätzlich mit dem Besitz einer gewissen
Art von Gütern oder eines bestimmten Gutes verbunden
und konnte auch mit diesem Gut (patrimomium) erworben
werden. 42 1813 sollte sich Seewald für Lustenau auf einen
vom „vorgängig Souverän in Vorarlberg“ anerkannten „Titulo
oneroso“ berufen. 43
1.4. Erfolglose Ansprüche
1.4.1. LIECHTENSTEIN
Wie Liechtenstein bildete Lustenau am Rhein streng genommen
keine Vorarlberger Enklave, sondern ein benachbartes
Territorium an der Grenze zur Schweizerischen Eidgenossenschaft.
Bayern versuchte nachdrücklich, Liechtenstein
ebenfalls zu annektieren. 44 Einen Ansatzpunkt wären ähnlich
wie bei Lustenau Militär- und Hoheitsrechte gewesen,
die Österreich mit Duldung des Hauses Liechtenstein ausgeübt
hätte. Doch die Nachforschungen verliefen ergebnislos.
Vor allem aber stand Liechtenstein unter Napoleons
Schutz, der den Fürsten Johann I. als General bei Austerlitz
und als österreichischen Verhandlungsführer in Pressburg
schätzen gelernt hatte. So wurde das kleine Fürstentum
ohne Zutun seines Landesherrn Gründungsmitglied des
Rheinbundes. Im Organisationsreskript für Vorarlberg vom
16. November 1806 (im Anhang) erkannte der bayerische
König die „fürstlich-Lichtensteinische Herrschaft Vaduz“ als
souveränes Gebiet an (Pkt. 4). Zu prüfen bliebe, ob er sich
dabei absichtlich auf die Herrschaft Vaduz beschränkte und
die an Vorarlberg angrenzende Herrschaft Schellenberg nur
vergaß, die 1719 mit zum Fürstentum Liechtenstein vereint
worden war.
1.4.2. RHÄZÜNS
Umstritten war auch die österreichische Herrschaft Rhäzüns
in Graubünden, die seit 1497 habsburgisch war, Österreich
aber nicht mit voller Landeshoheit besaß. 45 Rhäzüns
war Mitglied des Oberen oder Grauen Bundes und damit
des Freistaates Gemeiner Drei Bünde. Die Herrschaft war
wirtschaftlich eher ein Verlustgeschäft, aber politisch interessant,
weil der habsburgische Inhaber als Freiherr von
Rhäzüns die Politik der Drei Bünde mitbestimmen konnte.
Deshalb wurde Rhäzüns 1696 in unmittelbare landesfürstliche
Verwaltung genommen. Der jeweilige Verwalter war
meist zugleich österreichischer Gesandter bei den Drei
Bünden. Er verwaltete die kleine „Herrschaft“ Gutenberg,
einen Güterkomplex in Liechtenstein, mit und unterstand
nach einem vorderösterreichischen Zwischenspiel (1752 bis
1782) wieder der oberösterreichischen Regierung in Innsbruck.
Von 1798 bis 1800 war das umkämpfte Bündnerland je
zweimal von österreichischen und französischen Truppen
besetzt. Napoleon behielt die Oberhand und integrierte
den 1803 geschaffenen Kanton Graubünden in die Schweizerische
Eidgenossenschaft. In dieser Kriegszeit besorgten
vorläufig Beamte des Kreis- und Oberamtes in Bregenz die
Verwaltung der Herrschaft Rhäzüns.
Seite 377

Als sein Vorgänger Oberamtsprotokollist Seraphin Schedler
im Jänner 1805 starb, 46 wurde Kreis- und Oberamtspraktikant
Joachim Bergmann zum provisorischen Verwalter der
Herrschaft Rhäzüns bestellt; 47 der 1806 offenbar mit der
bay erischen Organisationskommission davon ausging,
dass Rhäzüns mit Vorarlberg an Bayern übergangen sei.
Wien hatte 1803 alle Schweizer Besitzungen in Österreich
beschlagnahmt und zum Teil vereinnahmt. 48 Die Regierung
Graubündens hoffte, im Gegenzug nun endlich die Herrschaft
Rhäzüns zu erhalten. Im März 1806 erwog sie eine
eigenmächtige Besitznahme, um auch allfälligen bayerischen
Ansprüchen zuvorzukommen. Doch der Landmann
der Schweiz hatte dringend abgeraten. Sollte Bayern versuchen,
Rhäzüns in Besitz zu nehmen, solle Graubünden
sich mit dem Hinweis widersetzen, dass in Pressburg eine
solche Besitzveränderung nicht verfügt worden sei.
Am 13. Juni teilten die österreichischen Behörden der Regierung
des Kantons Graubünden mit, dass Bergmanns
aufgrund der veränderten Umstände die Weisung habe,
wieder zum Kreisamt nach Bregenz zurückzukehren. Die
Verwaltung übernehme August von Wolf, bis die Verhandlungen
mit der Eidgenossenschaft abgeschlossen seien.
Doch Bergmann räumte seinen Posten nicht, sondern holte
offenbar eine Weisung aus Bregenz ein, die ihm Organisationskommissär
Merz am 2. Juli unmissverständlich erteilte:
Da die österreichischen Behörden dem Vernehmen nach
versuchen wollten, sich in die Administrationsgeschäfte
und andere Verhältnisse der Herrschaft Rhäzüns einzumischen
und die Untertanen in ihren Pflichten gegen den
König von Bayern und dessen höchsten Stelle irre zu machen,
habe Bergmann ein wachsames Auge darauf zu haben,
die Untergebenen zur „strengen Treue“ gegen seine
königlich bayerische Majestät zu ermahnen, und im Fall,
dass ein österreichischer Kommissär weitere Versuche
unternehmen sollte, gegen diesen vorzugehen wie gegen
Seite 378
jeden, der sich unbefugt einmengt. Dem Auftrag, sich mit
einer beigelegten Eidesformel dem bayerischen König zu
verpflichten, kam Bergmann am 4. Juli nach. 49 Die Weisung
teilte er den Gemeindeleuten mit und erinnerte sie vergeblich,
dass sie ihre Abgaben nun dem König von Bayern
schuldeten. 50 Nachdem sich Bergmann ihr gegenüber nicht
als bayerischen Verwalter legitimiert habe, erkannte ihn
die Bündner Regierung nicht an. Bayern vermochte seine
Ansprüche nicht durchzusetzen, sofern Merz überhaupt auf
höhere Weisung gehandelt hatte. Der kinderreiche Bergmann,
dem Österreich sein Gehalt schuldig geblieben sei,
bedachte Bayern mit einer Pension. 51 Ansonsten kam Rhäzüns
im Organisationsentwurf für Vorarlberg nicht mehr zur
Sprache.
1809 bis 1814 musste Österreich die Herrschaft Rhäzüns vorübergehend
an Frankreich abtreten. Der Wiener Kongress
sprach sie Graubünden zu. Die Übergabe erfolgte 1819.
1.4.3. GUTENBERG
Auch auf die Güter der kleinen Schlossherrschaft Gutenberg
bei Balzers, die 1314 an Habsburg gelangt war, sprach
Bayern „infolge der Acquistion von Vorarlberg […] als Pertinenzen
an.“ 52 Österreich erhob Protest. Die liechtensteinische
Regierung ließ von 1806 an die Erträgnisse dieser
Güter sowie die Gefälle der Herrschaft Rhäzüns in Vaduz
deponieren. Als der österreichische Gesandte in Bern 1813
die Ausfolgung der Gutenberger Erträge verlangte, wandte
sich das liechtensteinische Oberamt an die bayerischen
Finanzbehörden. Inzwischen hatte sich das Kriegsglück
und damit das politische Blatt zugunsten Österreichs gewendet.
Minister Montgelas gab am 23. Februar 1814 die
Anweisung, Vaduz die weitere Verfügung zu überlassen.
1824 sollte Österreich seine Besitzungen an die Gemeinde
Balzers verkaufen.

1.5. Exkurs zum Begriff „Herrschaft“
Wenn von „Herrschaft“ die Rede ist, müssen wir auch berücksichtigen,
dass der Begriff inzwischen vielschichtig Verwendung
fand. 53
Zum einen wurde damit immer noch der Bezirk bezeichnet,
über den die Landesherrschaft reicht; im neueren Verständnis
ein „Territorium“.
Daneben dürfte mit „Herrschaft“ auch der Sprengel eines
landesfürstlichen Amtes verstanden worden sein.
Zudem wurde „Herrschaft“, und das ist verwirrend, weitgehend
losgelöst von Hoheitsrechten zu einem Begriff der
Domänenverwaltung. Dies war wohl eine Folge der zahlreichen
Verpfändungen, die Österreich mitunter durch Belehnungen
bekräftigte: Der Landesherr behielt sich die Landeshoheit
und mehr oder weniger die daraus erfließenden
Hoheitsrechte vor, trat aber die Verwaltung einer Herrschaft,
eines Gerichts oder auch nur einzelner „Staatsgüter“ samt
Rechten und Einkünften als Pfand (und Lehen) an einen
Kreditgeber ab. Dessen Recht, der „Fruchtgenuss“, wurde
nun ebenfalls als „Herrschaft“ bezeichnet, und abgeleitet
davon auch der betreffende Güterkomplex, auch wenn es
sich nur um eine Burgruine samt zugehörigen Grundstücken
und Abgaben handelte, manchmal verbunden mit der
niederen Gerichtsbarkeit, wie das bei der kleinen „Herrschaft
Neuburg“ im Rheintal mit dem „Pfandgericht Neu-
burg“ der Fall war, die seit 1777 im Besitz der Tiroler Grafen
Wolkenstein-Rodenegg war. Eine ungleich bedeutender
Pfandschaft und seit 1744 sogar erbliches Lehen der Freiherren
von Sternbach waren die Herrschaften Sonnenberg
und Bludenz-Montafon, die ungefähr ein Drittel neuen bayerischen
„Landes-Bezirks“ abdeckten.
Ob sich Lehen im Lauf der Zeit zu einer Landeshoheit verdichteten,
war letztlich eine Frage der Macht, eine Frage der
tatsächlichen Durchsetzung von Herrschaftsansprüchen.
2. Verwaltungsorganisation bei der Übernahme
durch Bayern
2.1. „Land Vorarlberg“, „Kreis Vorarlberg“
Wenn im März 1806 von der Übergabe des „Landes Vorarlberg“
die Rede ist, wird damit bereits ein Gebiet beschrieben
und nicht mehr die „Landschaft“ im herkömmlichen
Sinn, die Vereinigung der Landstände als eine Art Selbstverwaltungskörper
(„landschaftliche Korporation“), die in
der Frühen Neuzeit gemeinsam mit dem Landesfürsten das
„Land“ gebildet hatte. Die österreichischen „Stände des
Landes Vorarlberg“, wie sie sich ab ungefähr 1780 bezeichneten,
vertraten aber nur die Bevölkerung der Herrschaften
Feldkirch, Sonnenberg, Bludenz und Bregenz. Hohenems,
Blumenegg, St. Gerold und Lustenau gehörten nie zu diesem
„Land Vorarlberg“ im historischen, engeren Sinn.
Seite 379

Grafik 1: Verwaltungsorganisation des österreichischen
Kreises und Landes Vorarlberg 1786 bis 1805
Landesfürstliche Verwaltung
K. k. Kreisamt für Vorarlberg
und Oberamt Bregenz
Seite 380
Grafschaft Bregenz
K. k. Amt Hohenegg
Herrschaft Hohenegg
K. k. Administration Hohenems
(Reichsgrafschaft Hohenems)
K. k. Vogteiamt Feldkirch
Grafschaft Feldkirch
K. k. lehenbares Vogteiamt Bludenz
Grafschaft Bludenz
Grafschaft Sonnenberg
Landschaftliche Verwaltung
K. k. Kreishauptmann und landständischer Präses
2. Landständische Kanzlei Bregenz
Untere Stände
– Bregenz
– Hohenegg
– Altenburg
– Hofsteig
– Sulzberg
– Lingenau
– Hofrieden
– Simmerberg
– Grünenbach
– Alberschwende
– Tannberg
– Mittelberg
– Kellhöf
1. Landständische Kanzlei Feldkirch
Obere Stände
– Feldkirch
– Rankweil-Sulz
– Bregenzerwald
– Neuburg
– Dornbirn
– Jagdberg
– Höchst-Fußach
– Damüls
Innere Stände
– Bludenz
– Sonnenberg
– Montafon

Kreisamtssiegel mit Herrschaftswappen
Das „Land Vorarlberg“ deckte sich deshalb auch nicht mit
dem „Kreis Vorarlberg“, mit dem landesfürstlichen Verwaltungsbezirk.
Der „Kreis Vorarlberg“ war zunächst in drei gleichrangige
landesfürstliche Verwaltungsbezirke gegliedert: Ein Vogt in
Feldkirch verwaltete die Herrschaft Feldkirch mit Neuburg,
ein Vogt in Bludenz die Herrschaften Sonnenberg und Bludenz-Montafon,
ein Vogt in Bregenz die Herrschaft Bregenz
mit Hohenegg, wobei für Hohenegg eine Administration
in Weitnau beibehalten wurde. Dem Oberamt Bregenz,
wie das Vogteiamt seit 1726 bezeichnet wurde, war zudem
die Administration der 1765 beanspruchten Herrschaft Hohenems
nachgeordnet. Ab 1786 erfüllte das Oberamt dieser
Herrschaften zusätzlich die Funktion eines Kreisamtes für
Vorarlberg, dem die Vogteiämter Feldkirch und Bludenz in
Verwaltungsangelegenheiten (nicht aber hinsichtlich der
Rechtssprechung) unterstellt wurden. Damit griffen die
landesfürstlichen Oberbehörden immer stärker in die Geschäfte
des „k. k. lehenbaren Vogteiamts Bludenz“ der Freiherren
von Sternbach ein.
Ziel der Reformen auf allen Ebenen war eine effektivere
Staatsverwaltung durch eine Professionalisierung, Vereinheitlichung
und klare Aufbauorganisation. Dem entsprach
ein neues staatsrechtliches Konzept: „die monarchische
Union von Ständestaaten wandelt sich in einen föderativen
Staat um, der ab 1804 die Bezeichnung ‚Kaisertum’ Österreich
trägt.“ 54 Das vom Landesfürsten und den Landständen
gemeinsam gebildete Land war passee.
2.2. Österreichische Landschaft vor dem Arlberg
Ab dem ausgehenden Mittelalter bildeten die drei Städte
Feldkirch, Bregenz und Bludenz mit letztlich 23 „ländlichen“
Gerichten eine Landschaft der österreichischen
Herrschaften vor dem Arlberg. 55 Sie setzte sich also
ausschließlich aus Gerichts- und Verwaltungsgenossenschaften
zusammen. Das verbindende Element war der
Landschaftssiegel mit Städtewappen
gemeinsame Landesfürst. Kernaufgaben der „Landstände“
waren die Landesverteidigung sowie die Bewilligung von
Hilfstruppen oder –geldern, wozu sie der Landesfürst bei
Bedarf zu Landtagen einberief. Aus der Finanzierung und
Verumlagung der Hilfsgelder (außerordentlichen Steuern)
entwickelte sich eine landständische Finanzverwaltung, die
auch für die Einkassierung und Ablieferung der jährlichen
Herrschaftssteuer an die landesfürstliche Finanzverwaltung
zuständig wurde.
Die Landstände waren nicht in Kurien geschieden, aber
regional untergliedert. Die Gerichte der Herrschaft Bregenz-Hohenegg
bildeten die „unteren Stände“, jene der
Herrschaften Feldkirch sowie Bludenz und Sonnenberg
die „oberen Stände“. Dabei bildeten die drei Gerichte der
Herrschaften Bludenz und Sonnenberg als „innere Stände“
noch eine Untergruppe der oberen Stände. Diese regionale
Gliederung entsprach nicht zufällig den landesfürstlichen
Verwaltungsstrukturen. Die Rechtssprechung und Selbstverwaltung
der einzelnen Gerichte war vom Landesfürsten
abgeleitet.
Das Haupt der Stände war zunächst unbestritten die Stadt
Feldkirch, deren Kanzlei die landschaftlichen Geschäfte
mitbesorgte. Sie berief auch die allgemeinen Ständeversammlungen
ein. Doch nach 1640 vermochte sich die Stadt
Bregenz als zweiter „ausschreibender Ort“ zu etablieren,
teilten sich die beiden Städte die Führung der Landschaft.
Die Stände hatten ihren Zenit allerdings bereits überschritten
und wurden im Zeitalter des Absolutismus von der
landesfürstlichen Verwaltung immer fester an die Kandare
genommen.
Auch wenn Feldkirch die Nummer Eins blieb, fungierte
nun die Bregenzer Stadtkanzlei als zweite landschaftliche
Kanzlei mit einer separaten „unterständischen“ Kassa.
Die Kanzleigeschäfte besorgte jeweils der rechtskundige
Stadtschreiber, später als Syndikus bezeichnet. Die beiden
Kassen führten die Bürgermeister, die Kassiere beauftragten.
Die ständische Originalregistratur wurde in Feldkirch
Seite 381

geführt. Entsprechend ist später in den Schematismen für
Feldkirch eine landständische Buchhaltung ausgewiesen.
Von den Landständen als landschaftliche Korporation
sind begrifflich die einzelnen Stände zu unterscheiden,
die gewissermaßen Mitglied der Landschaft waren. Ihre
Verfassung und Rechtsstellung war sehr unterschiedlich.
Weil die meisten Anteil an der landesfürstlichen Gerichtsbarkeit
hatten, wurden sie auch als „Gerichte“ bezeichnet.
Doch seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert waren sie immer
mehr auf staatlich kontrollierte Verwaltungsgenossenschaften
zurückgestutzt worden, die auch landesfürstliche
Aufgaben zu besorgen hatten. Spätestens mit der modernen
Straf- und Zivilrechtskodifikation – mit der Österreich
Bayern weit voraus war – erodierten die gewohnheitsrechtlichen
„Landsbräuche“. Gericht und Ammannschaft
wurden getrennt, die Rechtssprechung endlich professionalisiert.
Nach den josefinischen Regulierungen verfügten
1790 von den 24 Gerichten noch 14 über eine niedere Zivilgerichtsbarkeit,
vier hatten zudem beschränkten Anteil
an der Strafgerichtsbarkeit (Hinterbregenzerwald, Bregenz,
Feldkirch, Hohenegg). 56
Mögen uns die Landstände vor dem Dreißigjährigen Krieg
noch als „Länderbund“ entgegentreten, erscheinen sie im
18. Jahrhundert immer mehr in der Rolle eines „Gemeindeverbandes“.
Überspitzt formuliert: „Die Stände blieben
äußerlich gleich, hatten aber keine Bedeutung mehr.“ 57 Für
Österreich galt allgemein: „Der dualistische Ständestaat“
– beherrscht vom Dualismus Landesfürst–Landstände –
„wird zur autonomen, von den Landständen allein vertretenen
Gebietskörperschaft, die, ohne selbst Staat zu sein,
im Rahmen des Staates der Länderverbindung einige wenige
obrigkeitliche Aufgaben besorgt.“ 58
Die absolutistischen Reformschritte ab 1726 galten nicht
nur der landesfürstlichen, sondern ebenso der landschaftlichen
Verwaltungsorganisation. 59 Seit 1750 fungierte der
Landvogt als „Direktor“ der Stände; ab 1786 der Kreishauptmann
als „Präses“. Ohne sein Wissen durften sich
Seite 382
die Stände nicht mehr versammeln. Wer den Behördenschematismus
zu Rate zog, sah die Vorarlberger Landschaft faktisch
auf ein landesfürstliches Instrument beschränkt: Unter
der Überschrift „Vorarlberg-ständisches Direktorium und
Landesausschuß“ sind (erstmals 1777) nur der Landvogt als
„Director der vorarlbergischen Stände“ und namentlich nur
die „Deputati conferentialis“, die Vertreter der so genannten
„Konferentialstände“ (Feldkirch, Bregenz, Bludenz, Hohenegg,
Sonnenberg, Rankweil-Sulz, Hinterbregenzerwald,
Montafon, Hofsteig, Hofrieden) ausgewiesen; zudem die
„Landständische Directorial-Kanzlei“ (die Syndici der Städte
Feldkirch und Bregenz), eine „Ständische Einnehmerey“
(der ober- und der unterständische Kassier), eine „Ständische
Buchhaltung“ in Feldkirch sowie der Bregenzer
Stadtarzt zugleich als „Landschafts-Physicus“. 60 Während
1803 rund 60 Bedienstete im Sold der Tiroler Landschaft
standen, sind für Vorarlberg gerade sechs ausgewiesen,
wovon wenigstens die Hälfte als städtische Beamte die
landschaftlichen Geschäfte im Nebenamt besorgten. Das
galt allerdings noch für weiteres städtisches Personal.
Seit den 1720er Jahren ist in Form von Kanzleisiegeln ein
„Landeswappen“ überliefert, seit den 1780er Jahren zeichnete
ihre Vertreter für die „Stände des Landes Vorarlberg“.
Neben dieser österreichischen Landschaft vor dem Arlberg
ist noch die Landschaft der kleinen Reichsherrschaft Blumenegg
in enger Verbindung mit der Reichspropstei St.
Gerold zu beachten, die 1804 ebenfalls österreichisch wurden;
zudem die Selbstverwaltung und Beteiligung an der
Rechtssprechung im Reichshof Lustenau und in der Reichsgrafschaft
Hohenems.
2.3. Von Oberösterreich wieder zu Vorderösterreich
Die österreichischen Ämter und Stände vor dem Arlberg
waren traditionell der oberösterreichischen Regierung in
Innsbruck unterstellt, nur 1752 bis 1782 vorübergehend der
vorderösterreichischen Regierung in Konstanz, ab 1759 in
Freiburg im Breisgau. Als Österreich am 1. November 1804

die Herrschaften Blumenegg und St. Gerold von Oranien-
Nassau übernahm, wurde deren Oberamt in Thüringen,
dem auch die Pflegei Bendern unterstand, nicht mehr dem
Kreisamt in Bregenz nachgeordnet, sondern direkt der neuen
vorderösterreichischen Regierung in Günzburg, die zum
Zentrum der neu geformten Provinz Vorderösterreich auserkoren
war. Das Kreisamt samt nachgeordneten Ämtern war
bereits mit Dekret vom 13. Juni 1804 Günzburg zugewiesen
worden. Der Vollzug dieser Hofresolution wurde jedoch ausgesetzt,
womit es vorläufig noch der oberösterreichischen
Regierung in Innsbruck zugeordnet blieb, 61 die nun die Bayern
übernahmen.
3. 26. April 1806: Vorläufige Zuweisung zur
Provinz Schwaben
Mit dem Frieden von Pressburg im Dezember 1805 war Vorderösterreich
Geschichte. Statt Schwäbisch-Österreich wurde
Vorarlberg nun Bayerisch-Schwaben zugeteilt.
In Kurbayern waren 1799 als Verwaltungssprengel die drei
Provinzen Bayern, Oberpfalz und Neuburg eingerichtet
worden, die von Landesdirektionen dirigiert wurden. 62
Nach diesem Muster wurden auch die zahlreichen Neuwerbungen
organisiert, die schwäbischen Gebiete 1803 zu
einer Provinz Schwaben mit einer Landesdirektion in Ulm
zusammengefasst. 63
Im Besitzergreifungspatents vom 30. Jänner 1806 teilte König
Maximilian mit, dass er Karl Graf von Arco mit der provisorischen
Administration Vorarlberg beauftragt habe, 64
der wenige Tage später die Leitung des Guberniums in
Innsbruck übernahm. Nun sah sich der König aus mehreren,
nicht weiter genannten Gründen bewogen, mit Verordnung
vom 26. April 1806 die Vereinigung der ihm durch
den Pressburger Frieden zugewiesenen „vorarlbergischen
Herrschaften“ in allen Zweigen der Verwaltung mit seiner
„schwäbischen Provinz“ zu vereinigen und von Tirol, „wie
unter der kaiserlich-österreichischen Regierung auch schon
mehrmal geschehen war“, zu trennen. 65 Minister Montgelas
führte dafür nicht nur die besseren Zugriffsmöglichkeiten
auf die Enklaven an. Der Bevölkerung sei es ziemlich gleichgültig,
ob sie Ulm oder Innsbruck unterstünden, zumal die
Verfassung Vorarlbergs mit jener Tirols nicht analog sei. Zudem
sei das Gubernium in Innsbruck vergreist und ohnehin
über seine Kräfte beschäftigt. 66
Diese Verfügung bedeutete zunächst nur, dass die Ämter
der zuvor österreichischen Herrschaften, offenbar mit 1. Juni
1806, 67 der Landesdirektion in Ulm unterstellt wurden, mit
1. September 1806 zudem Lustenau.
4. 16. November 1806: Neuorganisation
des „Landesbezirks“
Dem Organisationskommissär von Merz waren Abraham
Kutter und für die Finanzen Oberamtsrat Höcht zugeteilt.
Dieses Trio erwies sich als erheblich korrupt; nach dem
Vorarlberger Aufstand von 1809 sollte ihnen schonungslos
der Prozess gemacht werden. 68
In ausführlichen Beschreibungen ließ sich die Organisationskommission
die Verhältnisse in den Herrschaften Bregenz,
Feldkirch und Bludenz (inklusive Sonnenberg und
Montafon) darstellen. 69 Im Vorarlberger Landesarchiv ist
im Konzept ein 87 Seiten starker „Organisationsentwurf“
für das „Land Vorarlberg“ überliefert, der leider weder gezeichnet
noch datiert ist. Er entstand wahrscheinlich nach
dem 1. September 1806. Das Original war vermutlich als
Motivenbericht für die Entscheidungsträger in München
bestimmt. Soweit er in Ichform gehalten ist, dürfen wir die
Aussagen Merz zuschreiben. Für die Vorschläge waren als
„vorzügliche Gesichtspunkte“ bestimmend:
„I. Die Vereinigung der bisher als ganz fremde Gebietstheile
behandelten Inclaven, und ihre Assimilirung mit dem allgemeinen
Regierungs-Systeme. [Blumenegg, St. Gerold, Schinau
(Laubenberg), Ellhofen und Lustenau.]
Seite 383

II. Die Auflösung der bisher bestandenen Justiz-, Polizey-
und Kameral-Behörden und ihrer untergeordneten Ämter
und Rezepturen.
III. Die neue Eintheilung des Landes in eine verhältnismäßige
Anzahl von Landgerichte und Rentämter, in Folge der
systematischen Trennung der Justiz von den Cameral- und
Administrations-Geschäften.“ 70
Die Einteilung des Landes in Justiz- und Kameralämter habe
aufgrund seiner geographischen Beschaffenheit, seiner
Landesverfassung und aus finanziellen Rücksichten große
Schwierigkeiten bereitet.
Geographie und Klima des gebirgigen Landes ließen keine
wirklich befriedigende Organisationsstruktur zu, zumal
die Gerichte Mittelberg, Tannberg und Damüls im Winter
zum Teil völlig isoliert seien. Für sie wurden administrative
Sonderregelungen getroffen.
Die Landesverfassung räume den Landammännern und
Dorfgerichten einen aktiven Wirkungskreis und Amtsbefugnisse
zu, die mit dem „Geist des neuen Organismus“
und dem allgemeinen Staatsverwaltungsgrundsatz ganz
unvereinbar seien und den neuen königlichen Beamten
eingeräumt werden müssten. Ein zweites konstitutionelles
Hindernis, vor allem für die Arrondierung der Landgerichtsbezirke,
bestehe im engen Verband der verschiedenen
Gemeinden, aus denen ein Gericht bestehe, in allen administrativen
Gegenständen, wodurch jeder Gerichtsbezirk
zum „selbständigen Ganzen“ gebildet worden sei, dessen
Trennung mit großen Schwierigkeiten verknüpft und in ihren
Folgen von unübersehbaren Verwirrungen begleitet
sein würde. Ein weiteres staatsrechtliches Hindernis sei die
Ausübung verschiedener Hoheits- und Jurisdiktionsrechte,
die der Lehensbesitzern der Herrschaft Bludenz in den
Gerichten Sonnenberg, Montafon und der Stadt Bludenz
bisher unter ständigen Widersprüchen dieser Gerichte und
zum Nachteil der Justizpflege ausgeübt habe. Das mittel-
Seite 384
fristige Ziel müsse es sein, Sternbachs Rechte abzulösen.
Der Reichshof Lustenau werde im Entwurf als „ein seiner
Reichsunmittelbarkeit beraubtes und den unbeschränkten
Landeshoheit ganz unterworfenes Patrimonialgericht“ behandelt.
Hinsichtlich der Herrschaften Vaduz und Schellenberg
habe die Kommission aufgrund der immer noch
zweifelhaften „Subjections-Ansprüche“ und da der Fürst
von Liechtenstein als Mitglied des Rheinbundes seine
Souveränität behauptete, „Anstand genommen“, dieses
Fürstentum als einen Landesteil Vorarlbergs zu behandeln.
Die finanziellen Verhältnisse bildeten bei weitem das wesentlichste
Organisationshindernis, stünden die geringen
„revenuen“ (Erträge) dieses Landes in keinem Verhältnis
mit den „ungeheuren Besoldungen“ und Regiekosten,
wenn diese nach den allgemeinen Vorschriften reguliert
werden sollten. 71 Entsprechend einer Bevölkerungszahl von
90.000 Seelen müssten neun Landgerichte und neun Rentämter
errichtet werden. Die Kommission schlug vor, sowohl
hinsichtlich der Zahl der Ämter als auch der Besoldung von
der allgemeinen Organisationsnorm abzuweichen. 72
Auf dieser Entscheidungsgrundlage verfügte König Max
mit Reskript vom 16. November 1806 eine Neuorganisation
der Verwaltung und Rechtssprechung in dem „unter dem
Namen der vorarlbergischen Herrschaften begriffene[n]
Landes-Bezirk“ (siehe Edition im Anhang). 73 Sie erfasste
die landesfürstliche wie die landschaftliche Verwaltung. Es
wurde ein Provisorium geschaffen. Die endgültige Regelung
sollte im Rahmen der beabsichtigten Staatsreform getroffen
werden. Wenige Tage später erging eine gleichartige
Regelung für Tirol. 74
Das Vorarlberger Organisationsreskript wurde am 3. Dezember
im Königlich-Baierischen Regierungsblatt kundgemacht.
75 Die Zeitschrift „Der Rheinische Bund“ konnte die
Neuorganisation 1807 bereits mit statistischen Angaben
mitteilen. 76

Siegel Landgericht Dornbirn
4.1. 1. Jänner 1807: Ein Kreiskommissariat, sieben
Landgerichte, zwei Rentämter
Das Ober- und Kreisamt in Bregenz wurde aufgelöst. Die
Aufgaben des Oberamtes gingen an die Landgerichte über.
Als untere Mittelbehörde wurde die Errichtung eines reinen
Kreisamtes in Bregenz angeordnet, „um das nöthige Mittelorgan
zwischen der Landesstelle, und den unteren Aemtern
herzustellen“ (Pkt. 34). Der bisherige Kreishauptmann
Franz von Vintler wurde in dieser neuen Funktion bestätigt,
damit auch als Präses der Landstände. Organisationskommissär
Merz hielt ihn für den geeigneten Mann, solange,
und nur solange, die systematischen Reformen auf dem
Weg der Güte und ohne Widerstand von Seiten der Landstände
durchgesetzt werden können. 77 Als Vintler am 22.
April 1807 starb, wurde er durch Merzens „Kompagnon“
Abraham Kutter ersetzt.
Wie in allen neu erworbenen Gebieten sollten auch in
Vorarlberg nach altbayerischem Vorbild flächendeckend
„Landgerichte“ als erstinstanzliche Gerichte und Administrativbehörden
sowie „Rentämter“ als Finanzbehörden
eingerichtet werden.
Bei der Einteilung ihrer Bezirke setzte die Organisationskommission
voraus: die „Einheit und Untheilbarkeit des
Landes Vorarlberg“ und dass folglich seine bisherigen
Grenzen fortbestehen und kein Landesteil einem fremden
Landgericht zugeteilt werde; dass auch die bisherigen
Vorarlberger Gerichte nicht zerstückelt, sondern immer
ganze Gerichtsbezirke nach der örtlichen Beschaffenheit
zusammengelegt ein neues Landgericht bilden sollen; dass
die neu einverleibten Enklaven den nächstgelegenen Rentämtern
und Landgerichten zugeschlagen und grundsätzlich
nach gleichen Verwaltungsnormen behandelt werden;
dass bei der Neueinteilung dieses Gebirgslandes nicht so
sehr auf gleich große Verwaltungsgebiete Rücksicht genommen
werden kann, sondern mehr auf annähernd gleich
große Bevölkerungszahlen zu achten ist.
Wie von Merz vorgeschlagen, wurde die Errichtung von sieben
Landgerichten – Montafon, Sonnenberg, Feldkirch,
Dornbirn, Innerbregenzerwald, Bregenz und Weiler – angeordnet
(Pkte. 10, 13—28); zudem von Rentämtern in Feldkirch
und Bregenz errichtet, die jeweils für mehrere Landgerichtsbezirke
zuständig wurden (Pkte. 12, 32, 33).
Um den Standort dieser Ämter hatten sich die Stände und
Gemeinden einen Wettbewerb geliefert, zum Teil angeboten,
für die Unterbringung zu sorgen, und vereinzelt noch
mehr.
Als Sitz eines Landgerichts im Norden gab die Kommission
dem Markt Weiler gegenüber dem entlegenen Weitnau
den Vorzug, das bisher Sitz der Administration der Herrschaft
Hohenegg gewesen war. – Im Gericht Innerbregenzerwald
wetteiferten die Gemeinden vor und hinter der
Bezegg um die Zentralfunktion. Die vorderen Gemeinden
stritten für Schwarzenberg, „den Geburtsort [sic!] der berühmten
Angelika Kaufmann,“ die sich am 13. August von
Rom aus in einem Brief an Merz für ihr Bregenzerwälder
„Vatterland“ und besonders für die „bitte der einwohner“
Schwarzenbergs verwendete. 78 Doch die hinteren Gemeinden
setzten sich erfolgreich für Bezau ein, wo vor einigen
Jahren ein neues Gerichtshaus errichtet worden war. Als
Ausgleich schlug die Kommission vor, dafür der Sitz der
Landammannschaft nach Schwarzenberg zu verlegen und
den Landammann jederzeit aus einer Gemeinde außer
der Bezegg zu nehmen, die ohnehin über die Mehrheit der
Stimmen verfügten; die Kommission zeigte sich gerade in
diesem traditionell sehr privilegierten und sensiblen Gericht
um Ausgleich bemüht. – Der Sitz des Landgerichts und
des Rentamtes Bregenz sollte, sofern die Stadt ein Gebäude
stellt, Bregenz sein, sonst allenfalls das im Gericht Hofrieden
gelegene Kloster Mehrerau. Die zum Landgericht vereinigten
Stände ließen sich schließlich dazu bewegen, sich
am Ankauf eines Landgerichtsgebäudes in Bregenz finanziell
zu beteiligen, nicht aber am Rentamt, nachdem es dem
Stadtmagistrat freigestellt gewesen sei, die Amtshäuser
Seite 385

Einteilung in Herrschaften und Gerichte bis 1806
Seite 386

Einteilung in Landgerichte ab 1807 (von den Patrimonialgerichten ist nur Lustenau eingezeichnet)
Seite 387

zur Verfügung zu stellen, wovon die Stadt und ihre gewerbetreibende
Bürgerschaft allein den Nutzen zögen. 79 – Im
unteren Rheintal bewarben sich Dornbirn und Hohenems
(„und hier vorzüglich die Jüdische Gemeinde“) um den Sitz
des Landgerichts; die Kommission befand sie für gleichwertig
und überließ die Wahl der allerhöchsten Entscheidung.
Sie fiel auf Dornbirn. – Im Süden anschließend lagen das
große Gericht Rankweil-Sulz und die kleine Stadt Feldkirch
im Wettstreit. Die späteren Volkshelden Josef Siegmund
Nachbaur und Andreas Watzenegger sollen vergeblich eine
Bestechungsaktion organisiert haben, damit Rankweil Sitz
des neuen Landgerichts werde, wo bisher das Ortsgericht
Rankweil-Sulz und das alte freie Landgericht Rankweil-
Müsinen getagt hatten, nicht zum finanziellen Nachteil
der Schöffen Nachbaur und Watzenegger. 80 Doch die landschaftliche
Direktorialstadt Feldkirch setzte sich durch. –
Die Blumenegger Gemeinden blitzten mit dem Vorschlag
ab, ihr Amtshaus in Thüringen als Sitz des Landgerichts zu
verwenden; einerseits wegen der schwierigen Erreichbarkeit
aufgrund einer fehlenden Illbrücke, andrerseits weil
das weit größere Gericht Sonnenberg den Sitz für seinen
Hauptort Nüziders reklamierte. [In Nüziders besaß der
Stand Sonnenberg ein Gerichtshaus mit einem Stall, der
provisorisch als Gefängnis dienen sollte.] 81 Die Kommission
schlug Nüziders vor, bis durch eine gütliche Übereinkunft
mit Freiherrn von Sternbach eine Verlegung in das schöne
Schloss in Bludenz möglich werde. Bis dahin werde von einer
Verlegung nach Bludenz auch deshalb abgeraten, „da
den Sonnenbergern jede Abhängigkeit von Bludenz seinem
Dynasten lästig ist.“ – Für das Montafon stand der Hauptort
Schruns außer Diskussion. 82
Die Generalzuständigkeit der Landgerichte wurde durch
zwei Einrichtungen durchbrochen, durch Stadtgerichte und
durch Patrimonialgerichte.
Königlich Baierisches Regierungsblatt 1806
Seite 388

Seite 389

4.2. 1. Jänner 1807: Stadtgerichte Bregenz, Feldkirch,
Bludenz
Im März 1806 war für die Provinzen Bayern, Oberpfalz, Neuburg,
Schwaben und Franken eine Verfassung der kleineren
Munizipalstädte und Märkte ergangen, 83 die unter anderem
eine Professionalisierung der Gerichtsbarkeit zum
Ziel hatte, soweit sie diesen Kommunen durch Privilegien
übertragen war, was in Feldkirch und Bregenz, theoretisch
auch in Bludenz, der Fall war. Mit der Gerichtsbarkeit waren
rechtskundige, geprüfte und besoldete Richter zu betrauen.
Wo das unterlassen wird oder die Gemeinde dazu nicht im
Stand ist, geht sie an das Landgericht über. Diese Stadtgerichte
waren auf die Gerichtsbarkeit beschränkt.
In Vorarlberg sollte der Stadtrichter aber zugleich zum
Stadt- und Polizeikommissär ernannt werden. Das dürfte
auch der Grund sein, weshalb die Städte Bregenz, Feldkirch
und Bludenz durch das Organisationsreskript nicht ausdrücklich
in die Landgerichtssprengel einbezogen wurden.
Für Bregenz und Feldkirch wurde die Errichtung von Stadtgerichten
angeordnet (Pkte. 11, 29, 30), für Bludenz in Aussicht
genommen (Pkte. 31, 34).
Bei Bregenz war die Sache für die Organisationskommission
klar: 84 Sie war eine landschaftliche Direktoralstadt, verfügte
bereits über eine Gerichtsbarkeit, überschritt die geforderte
Bevölkerungszahl bei weitem, entlastete mit einem
Stadtgericht das Landgericht, zumal wenn die Landrichter
zugleich zum Stadtkommissär (Polizeikommissär) ernannt
würde, womit die Hälfte der Besoldung der Stadt überbürdet
werden könnte, die dafür ihren Syndikus einspart.
Dieselben Gründe sprachen für Feldkirch. Es hatte zwar ein
Drittel weniger Einwohner, kein Gebiet, einen geringen Umfang,
aber große Privilegien.
Die Vorschläge der Kommission begnügten sich vorerst mit
der Verstaatlichung der kommunalen Justiz- und Polizeigewalt,
während die übrige Verwaltung einstweilen den bis-
Seite 390
herigen Magistraten überlassen bleiben sollte, da in München
noch nicht bestimmt worden sei, ob in Bregenz und
Feldkirch der Magistrat wie bei den ehemaligen Reichsstädten
neu organisiert oder die Normalverordnung über die
kleineren Munizipalstädte zur Anwendung gebracht werden
solle; das letztere allfällig mit geeigneten Modifikationen,
da es sich um landständische Direktoralstädte handle.
In Bludenz hatte der Dauerstreit zwischen den Bürgern
und dem Pfandinhaber bereits 1785 zur Einsetzung eines
landesherrlichen Administrators anstelle des Stadtrats
geführt, dem die Stadtverwaltung, die zivile Gerichtsbarkeit
und die niedere Polizei unterstanden. 85 Damit, so die
Organisationskommission, sei in Bludenz bereits von der
alten Regierung die Funktion eines Stadtrichters und Stadtkommissärs
vereinigt worden. Die Strafgerichtsbarkeit übte
allerdings das Vogteiamt Bludenz der Freiherren von Sternbach
aus. Seit der Errichtung eines separaten Sternbachschen
Gerichts für das Montafon (1775) wurde zwischen der
„Herrschaft Bludenz“ und der „Herrschaft Montafon“ unterschieden.
Die Herrschaft Bludenz umfasste das heutige
Stadtgebiet, das ins Klostertal ausufert. Beim Anschluss
an Bayern zählten der befestigte Stadtkern 807, die zwölf
„Dörfer“ im Weichbild 698 Einwohner. Die Kommission
schlug vor, das Stadtgericht zu belassen, ihm eventuell
aber auch die Kriminaljustiz zuzuerkennen, jedenfalls aber
den Wirkungskreis des Stadtrichters als Administrator auf
die höheren Polizeigegenstände auszudehnen, weil in der
Polizei und Verwaltung eine geteilte Zuständigkeit zwischen
Sternbach und Stadt zu Unordnung und Spaltung führe.
Das Gesuch der Stadt Bludenz, ihre Magistratsverfassung
wieder herzustellen, dürfte auf jeden Fall so lange auf sich
beruhen, bis sehr zerrütteten Stadtfinanzen wieder geordnet
seien. Für diese dringende Aufgabe besitze der Administrator
Joseph Hilar Dialer allerdings nicht genügend „Thätigkeit“
und persönliches Ansehen. 86
Der König behielt sich in Bezug auf das Stadtgericht Bludenz
das Weitere vor; zunächst gelte es, die Rechte und
Privilegien des Freiherrn von Sternbach abzuklären (Pkt. 31;

vgl. auch 34). Die Administration der Stadt Bludenz wurde
Landgericht Sonnenberg unterstellt, das als „Stadtkommissariat“
waltete. Administrator Dialer wurde durch Theodor
Fritz, ehedem Landschreiber des Montafon, abgelöst. 87
Auch die Stadtgerichte Feldkirch und Bregenz dürften letztlich
auf die Gerichtsbarkeit beschränkt worden sein. Der
Feldkircher Stadtrichter Alois Eberlin wurde erst am 27.
August 1807 in sein Amt eingesetzt, am 12. Oktober 1807
Landrichter Christoph von Gugger als Stadtkommissär und
Polizeidirektor eingeführt. 88
4.3. Patrimonialgerichtsbarkeit
Ausgangspunkt einer gesamtbayerischen Regelung der
Patrimonialgerichte war die Rheinbundakte vom 12. Juli
1806. 89 Den durch diesen Vertrag zu Lasten Dritter mediatisierten
Fürsten, Grafen und Herren – den künftigen „Standesherren“
– wurde Schonung in Aussicht gestellt, der mediatisierten
Reichsritterschaft von vornherein weit weniger
garantiert. 90
Als den neuen Landesherren vorbehaltene Souveränitätsrechte
wurden die Gesetzgebung, die obere Gerichtsbarkeit
und Oberpolizei, militärische Konskription oder Rekrutenzug
und das Recht der Auflagen definiert (Art. 26). Zu den
garantierten Herrschafts- und Feudalrechten zählte eine
Patrimonialgerichtsbarkeit, die im Rahmen der allgemeinen
Durchführungsverordnungen zur Rheinbundakte geregelt
wurde, für die ehemalige Reichsritterschaft und ihre
„Hintersassen“ mit einer Deklaration vom 31. Dezember
1806. 91 Ihnen wurde die Zivil- und Kriminalgerichtsbarkeit
auf unterer Ebene zugestanden, soweit Rittergüter bereits
bisher damit privilegiert gewesen waren. In Justizsachen
sollten diese Patrimonialgerichte ausnahmslos unmittelbar
den königlichen Hofgerichten unterworfen sein (für Schwaben
in Memmingen). Soweit sie über einen geschlossenen
Distrikt verfügten, konnten sie die Kriminalgerichtsbarkeit
beibehalten; wo das nicht der Fall war, stand sie den Landgerichten
zu. Sofern der Gerichtsherr die Gerichtsbarkeit
selbst ausüben wollte, musste er sich einer Prüfung durch
die zuständige Landesstelle unterwerfen. Das galt auch
für einen von ihm bestellten „Gerichtshalter“, den er nicht
mehr eigenmächtig entlassen konnte.
Im März 1807 folgte die Regelung der künftigen Verhältnisse
der „Standesherren“, die allerdings nicht so großzügig ausfiel,
wie es die Rheinbundakte hatte erwarten lassen. 92
Mit Verordnung vom 6. Juni 1807 wurden nach dem Vorbild
der Patrimonialgerichtspflege in den neu erworbenen Gebieten
die Guts- oder Hofmarksgerichtsbarkeit in den Provinzen
Bayern, Oberpfalz und Neuburg geregelt; 93 und im
Juli klargestellt, dass diese Verordnung auch für Franken,
Schwaben und Tirol, ergänzend und erläuternd zu den individuellen
Verordnungen, als „Normalgesetz“ zu gelten
habe. 94 Dadurch wurde dem Gerichtsherren bei Strafe und
Nichtigkeit untersagt, sich in die Gerichtsbarkeit seines Gerichtshalters
einzumischen. Der Gerichtsherr musste diesen
ordentlich bestallen, also ein fixes Gehalt zahlen, und
konnte den Dienstvertrag nur kündigen, wenn er selbst die
Rechtssprechung unternahm oder der Gerichtshalter wegen
einer „administrativen oder organischen Änderung“ entlassen
werden muss. Der Wohnsitz des Gerichtherrn oder seines
Gerichtshalters soll von den „Gerichtsholden“, über die
er seine Gerichtsbarkeit ausübt, nicht über drei Meilen entfernt
sein, und das Gericht, wenn kein besonderes Amtshaus
dazu bestimmt ist, in der Wohnung des Gerichtsherrn
oder Gerichtshalters gehalten werden.
Die Patrimonialgerichtsbarkeit war vom Staat delegiert und
seiner Regelungskompetenz und Aufsicht unterworfen. Den
Gerichtshaltern konnten neben der Gerichtsbarkeit auch
Verwaltungsangelegenheiten übertragen werden, die allerdings,
soweit es nicht nur die Vermögensverwaltung des Patrimonialherrn
betraf, durch die Generalzuständigkeit und
Aufsicht der Landgerichte beschränkt war.
Seite 391

4.4. Pappus: Patrimonialgericht Laubenberg
Entsprechend der Rheinbundakte bestimmte bereits das
Organisationsreskript vom November 1806, dass die ritterschaftlichen
Besitzungen Laubenberg (hier „Schinau“) und
Waltrams im Landgericht Weiler „in der Eigenschaft von Patrimonial-Gerichten
der Landeshoheit unterworfen werden“
(Anhang, Pkt. 3.c).
Mit dem österreichischen Lehen Schloss Altlaubenberg
war die niedere Gerichtsbarkeit und das Fischereirecht im
„Schinauischen Distrikt“ verbunden. 95 Beim Übergang an
Bayern stand dem belehnten Geschlecht der Freiherrn Pappus
von Tratzberg Anton Remigius Pappus (1756 bis 1810)
vor, 96 ehedem Kemptischer Erbhofmarschall, geheimer Rat
und Pfleger zu Kemnat und Apfeltrang, Trierischer Kämmerer,
Ritterrat und Ausschuss des Kantons Hegau-Allgäu-Bodensee,
Herr der Herrschaften Laubenberg und Rauhenzell
– kurz: ein schwäbischer Reichsritter und vormals Beamter
in kirchenfürstlichen Diensten, der seine kleinen Patrimonialgerichte
Lauberberg (41 Familien) und Rauhenzell (24
Familien) durch Obervogt Johann Nepomuk Nipp zu Wangen,
später zu Rauhenzell, verwalten ließ, der ihm auch
als Patrimonialrichter diente. 97 Der Sprengel des Patrimonialgerichts
Laubenberg umfasste die Dörfer Motzgadsried
(7 Familien) und Schönau (32 Familien) und die Einöde
Laubenberg (2 Familien) bei der Burgruine Altlaubenberg
(heute alle Gemeinde Grünenbach, Landkreis Lindau). 98
1810 erbte der minderjährige Sohn Anton Remigius II. Pappus
(1797 bis 1810) die Herrschaften, der es im bayerischen
Heer zum Rittmeister bringen sollte.
4.5. Hundbiß: Patrimonialgericht Waltrams
Im ärmlichen Patrimonialgericht Waltrams der Herren von
Hundbiß (Humpis), das aus dem Dorf Waltrams (20 Familien,
heute Gemeinde Weitnau, Landkreis Oberallgäu) bestand,
fungierte ein Herr von Hundbiß zu Kempten selbst
als Patrimonialrichter. 99
Seite 392
4.6. Wolkenstein-Rodenegg: Patrimonialgericht Neuburg
Pfandherren der so genannten „großen Pfandschaft Neuburg“
mit den Burgruinen Neuburg, Alt- und Neumontfort,
Tosters und Jagdberg samt Zubehör waren seit 1777 die Tiroler
Grafen Wolkenstein-Rodenegg. 100 Ab 1795 hatten die Brüder
Josef und Wenzel von Wolkenstein diese und weitere Pfandschaften
in Tirol inne. Mit der Pfandschaft Neuburg war als
österreichisches Lehen die Niedergerichtsbarkeit im landschaftlichen
Gericht (Stand) Neuburg verbunden, das deshalb
in der Landesbeschreibung von 1792 auch als das „Graf Wolkensteinische
Pfandgericht Neuburg“ bezeichnet wurde, allerdings
ausdrücklich als Bestandteil der Herrschaft Feldkirch. 101
Wie bereits in den österreichischen Behördenschematismen
fand die Herrschaftsverwaltung der Pfandschaft Neuburg
auch im bayerischen Organisationsreskript von 1806 keine
Erwähnung, sehr wohl aber im Organisationsentwurf: Die
114 Familien der Herrschaft Neuburg seien so lange noch als
„mittelbare Familien“ zu betrachten, bis dem Pfandinhaber
die Verbindlichkeit auferlegt werde, seine niedere „Jursidictions-Gerechtsame“
dem königlichen Landrichter zu delegieren,
was er sich wahrscheinlich eher gefallen lasse dürfte, als
die Verpflichtung, einen eigenen Justizbeamten zu unterhalten,
die dem Dynasten auferlegt werden könnte. 102
Bayern, wie später auch Österreich, war nicht willens oder
in der Lage, die Jurisdiktionsrechte finanziell abzulösen.
Sie bauten mit Erfolg darauf, dass den „Dynasten“ die verpflichtende
Professionalisierung ihrer Gerichte mit der Zeit
zu kostspielig werde. Die Grafen von Wolkenstein gaben
aber nicht so schnell auf. Ihr Gericht Neuburg wurde am 10.
Dezember 1807 als Patrimonialgericht bestätigt, als reine
Justizbehörde. 103 Im Übrigen unterstand auch die Gemeinde
Neuburg (Koblach) dem Landgericht Feldkirch. Patrimonialrichter
Johann Georg Herburger war weiterhin auch als
Herrschaftsverwalter tätig. Seine Grafen bezogen Dominikalrenten
aus halb Vorarlberg. 104 Herburger residierte zunächst
in Dornbirn. 1812 verlegte er den Gerichtssitz nach
Feldkirch. 105

Patrimonialgericht und Steuerdistrikt Neuburg 1813 (Josef Ellensohn)
Den 1807 verstorbenen Graf Wenzel beerbte seine Witwe
Gräfin Therese von Wolkenstein-Rodenegg, die mit ihrem
Schwager Josef 1811 die Pfandschaften teilte, wodurch sie
Alleinbesitzerin von Neuburg wurde. Als Wohnsitz der Patrimonialherrschaft
ist Innsbruck angegeben. 106
Im ab 1809 erscheinenden „Adresskalender oder Taschebuch
des Illerkreises“ sind das Patrimonialgericht Neuburg
am Rhein und das gleichnamige Patrimonialgericht
Neuburg an der Kamel als einzige als „landesherrliches
Pfandlehen“ (Rhein) bzw. als „königlich baierisches Lehen“
(Kamel) ausgewiesen. 107
Aus dem 1813 angefertigten Eingabeplan für die Bestätigung
als Ortsgericht erfahren wir, dass der Gerichtsbezirk
im Südosten und im Nordwesten nicht den ganzen Steuerdistrikt
Neuburg umfasste, 108 der im Wesentlichen mit heutigen
Gemeinde Koblach (10 km²) identisch sein dürfte. Zum
Sprengel zählten die Dörfer Au (25 Familien), Koblach (47),
Neuburg (29) und Straßenhausen (8), die Weiler Bromach
(4) und Dürne (3) sowie die Einöden Birken (2) und In der
Rütte (1). 109 Möglicherweise unterstanden dem Patrimonialgericht
Neuburg zudem einige Lehenhöfe in der benachbarten
Pfarre Götzis (Gericht Rankweil-Sulz). 110
Seite 393

4.7. Harrach-Hohenems: Patrimonialgericht Lustenau
Das „gräflich Harrachische Obervogtey-Amt“ in Hohenems
wurde zwar nicht aufgelöst, aber den verordneten Veränderungen
unterworfen (Pkt. 7b). Es hatte als landesherrliche
Behörde des Reichshofes Lustenau gedient, zudem zur Verwaltung
der Hohenemser Allodien.
Am 5. Februar 1807 betraute die Organisationskommission
den bisherigen Oberamtmann Franz Xaver Seewald
mit der Patrimonialgerichtsbarkeit. 111 Am 16. Februar 1807
teilte er dem Gerichtsammann in Lustenau mit, der gräflichen
Herrschaft sei gemäß der am 1. September 1806 vom
bayerischen König „apprehendierten“ Landeshoheit, der
allgemeinen Landesorganisation und der Errichtung des
Landgerichts Dornbirn die bürgerliche und peinliche Gerichtsbarkeit
mit mehreren Polizeigegenständen als Patrimonialgericht
zugedacht worden. Das bisherige Hofgericht
zu Lustenau sei damit wie alle Ortsgerichte aufgelöst und
werde auf die Verwaltung der ökonomischen Verhältnisse
reduziert. 112
Am 25. Mai 1807 ordnete die Landesdirektion an, dass sich
das Amt künftig nicht mehr als „Gräflich Waldburgisch-
Truchsessisches Patrimonialgericht“ bezeichnen dürfe,
sondern künftig den Titel „K. b. gräflich von Harrachisches
Patrimonialgericht“ zu führen habe, wobei es die Landesdirektion
für nicht dienlich erachtete, die Beweggründe für
diesen Erlass jetzt näher anzugeben. 113
Der Durchschnitt der 19 im Adresskalender des Illerkreises
zu Jahresbeginn 1809 ausgewiesenen Patrimonialgerichte
betrug 52 Familien, die kleinsten zählten 2 und 3 Familien.
Mit 459 Familien lag Lustenau mit großem Abstand an der
Spitze (vgl. auch Tab. 2). 114
Seite 394
Kloster Mehrerau mit der 1740 abgebrochenen romanischen Kirche
4.8. Sternbach: „Patrimonialkriminalgericht“ zu Bludenz
Die Autorität der Freiherren von Sternbach als Lehensinhaber
hatte bereits in österreichischer Zeit stark gelitten. Das
Vogteiamt sei nur mehr ein „Schattenbild“, klagte Vogteiverwalter
Platzer dem Kreisamt im Juni 1806. Die Gerichte
Sonnenberg, Bludenz und Montafon gestünden ihm nur
noch die „odiosen“ (verhassten) Polizei- und Kriminaluntersuchungen
zu. 115 Mehr hatte Sternbach auch von den
Bayern nicht zu erwarten, die Auskunft über die Rechtsverhältnisse
verlangten. 116
Das „Obervogtey-Amt des Freiherrn von Sternbach“ in Bludenz
blieb im November 1806 unter den geänderten Bedingungen
bestehen (Pkt. 7a). Es wurde durch die Errichtung
der Landgerichte Sonnenberg und Montafon in seinen Kompetenzen
radikal beschnitten, ohne den Lehensinhaber zuvor
zu konsultieren oder zu informieren, wie sich Ludwig
Franz Freiherr von Sternbach beklagte. 117 Die Administration
der Stadt (= „Herrschaft“) Bludenz wurde kommissarisch
dem Sonnenberger Landrichter unterstellt.
Zum Sitz des Landgerichts Sonnenberg war vorläufig Nüziders
bestimmt worden, seine Verlegung ins Schloss Bludenz
aber bereits geplant (Pkt. 25). Seinem Sprengel wurden außer
Sonnenberg noch Blumenegg, St. Gerold, Damüls und
Tannberg und letztlich auch die Stadt Bludenz zugeschlagen.
Das neue Landgericht Sonnenberg war damit um gut
ein Drittel größer als Sternbachs Herrschaft Sonnenberg.
Die Landgerichte Sonnenberg und Montafon sollten 1808
zu den größeren des Illerkreises zählen (vgl. Tab. 1). Kein
Patrimonialgericht reichte auch nur annähernd an sie heran
(vgl. Tab. 2). Der bayerische Staat wollte und konnte die
Herrschaften Sonnenberg und Bludenz-Montafon nicht dem
Freiherrn von Sternbach überlassen, zumal dieser mit der
Finanzierung des professionalisierten Behördenapparats
wohl auch überfordert gewesen wäre. Die Patrimonialgerichtsbarkeit
war auf kleinere Herrschaften zugeschnitten.

Mit Schreiben vom 29. Dezember 1806 teilte die Einweisungskommission
dem „K. b. Freiherr von Sternbachischen
Patrimonialvogteiamt zu Bludenz“ mit, dass sie die Landrichter
der Landgerichte Sonnenberg und Montafon mit
voller Polizeigewalt in ihre Funktion eingewiesen und das
Vogteiamt ihnen die entsprechenden Akten zu übergeben
habe. 118 Wir dürfen annehmen, dass das Schreiben Vogteiverwalter
Platzer anlässlich der Einführung des Sonnenberger
Landrichters in Nüziders ausgehändigt wurde, zu der er
ein- oder vorgeladen war.
In München wurde die finanzielle Ablösung der Rechte
des Lehensinhabers geprüft, vorläufig aber ein merkwürdiges
Arrangement getroffen: Die Verwaltung und Justiz in
den bisher „mittelbaren“ Herrschaften Sonnenberg und
Bludenz-Montafon besorgten ab 1. Jänner 1807 die landesfürstlichen
Behörden grundsätzlich wieder unmittelbar,
mit einer Einschränkung: Sternbach wurde provisorisch
noch die Kriminalgerichtsbarkeit in den Landgerichten
Sonnenberg und Montafon belassen, allerdings sinngemäß
nach den für Tirol erlassenen Bestimmungen ohne
Entscheidungsrecht. 119 Dort durften Landgerichte und Patrimonialgerichte,
die nicht vorschriftsmäßig besetzt waren,
nur noch die Untersuchungen führen, um anschließend
die Akten zur Urteilssprechung an das Appellationsgericht
zu senden. Die Landgerichte hatten die Patrimonialrichter
zu beaufsichtigen. 120 Es bliebe zu klären, inwieweit diese
Regelung in Vorarlberg auch sonst zur Geltung gebracht
wurde. Für Sternbach bedeutete sie die Beibehaltung des
Status quo.
Vogteiverwalter Platzer wurde am 7. Jänner von der Organisationskommission
und am 25. Mai 1807 von der Landesdirektion
in Ulm als Patrimonialgerichtshalter bestätigt. 121
Viel dürfte er nicht zu tun gehabt haben. Für das vierte
Quartal 1808 legte er ein Verzeichnis seiner Kriminaluntersuchungen
vor, in dem acht Fälle bis Oktober 1807 rückerfasst
sind. 122 Das Sternbachsche Vogteiamt sei „bis zu
einem blosen partiellen Patrimonialkriminalgericht zusam
organisieret, und als solches wegen verschiedenen Modifikationen
beinahe nur ein Scheingericht“, schrieb der Platzer
im Dezember 1807 an die Landesdirektion nach Ulm und
wies damit den Auftrag zurück, ein Inventar des Stiftungs-
und Kommunalvermögens zu erstellen. 123 Nur die „onerose
Kriminaljurisdiktion“ scheine ihm noch belassen worden zu
sein. 124 „Oneros“ war das Gegenteil von „lukrativ“.
4.9. Eingliederung ehemals kirchlicher
Vermögensverwaltungen
Mit dem Organisationsreskript von 1806 (Anhang, Pkt.
6) wurden auch ein „Oberamt des Stiftes Mehrerau“,
eine „Administration des Priorats St. Johann“, „Amts-
Ammannschaften der St. Gallischen und Stift-Churischen
Besitzungen“ und die „Rezeptur zu Bendern“ aufgelöst.
Es handelte sich dabei durchwegs um ehemals kirchliche
Vermögensverwaltungen, deren Güter und Rechte sich der
Staat bereits angeeignet hatte, um „Sequestrations-Recepturen“,
125 die nun durch die Rentämter in direkte Staatsverwaltung
übernommen wurden und zu einem guten Teil
unter den Hammer kommen sollten.
Die Abtei Mehrerau (Benediktiner) bei Bregenz, in der Organisationskommissär
von Merz residierte, hob die bayerische
Regierung mit 1. September 1806 auf; den Konventualen
räumte sie nur noch ein Bleiberecht bis Ende
Februar 1807 ein. 126 Im Juni 1808 erwarb der nachmalige
Generallandeskommissär Dr. Anton Schneider den Klosterkomplex
am See, im Dezember 1808 wurden die Kirche
und ihr Turm abgebrochen und als Steinbruch für den Bau
der Hafenmauer in Lindau verwendet. 1810, nach dem gescheiterten
Aufstand, machten auf Initiative des Generalkreiskommissärs
Reisach die „Unterthanen Vorarlbergs“
Königin Carolina das Klosteranwesen zum Geschenk. 127 Die
Mehrerau wurde in „Carolinenau“ umbenannt, ebenso die
Gemeinde Vorkloster. 128 Königin Carolina zeigte kaum Interesse
daran.
Seite 395

Das Reichsstift Ottobeuren (Benediktiner) war bereits 1802
zu Gunsten Bayerns mediatisiert und aufgehoben worden,
wobei die Rechtsverhältnisse seines Priorats St. Johann in
Feldkirch zunächst unklar blieben. 129 Schließlich hatte es
sich der österreichische Ärar einverleibt. Die Bayern verwendeten
den Klosterbau und seine Kirche für das Gymnasium,
der Rest wurde versilbert. 130
Die Fürstabtei St. Gallen (Benediktiner) hatte in Feldkirch
ein Amtshaus (heute: Neustadt Nr. 8) zur Verwaltung ihrer
Güter und Rechte in Vorarlberg unterhalten. 131 Ihre Landeshoheit
übernahm 1803 endgültig der neu geschaffene
Kanton St. Gallen, der 1805 die Aufhebung des Klosters
verfügte.
Der Süden Vorarlbergs gehörte zum Bistum Chur, das in
Vorarlberg über bedeutende Besitzungen und Patronate
verfügte, die vom Feldkircher Domkapitelhaus (heute: Neustadt
Nr. 12) aus verwaltet wurden, ohne dass der Fürstbischof
in Vorarlberg über Hoheitsrechte verfügt hätte. Der
Reichsdeputationshauptschluss von 1803 bereitete seiner
seit langem eingeschränkten Landeshoheit auch formell
ein Ende und sprach das Bistum Chur der Helvetischen Republik
zu, die auf das Verlustgeschäft einer Säkularisierung
verzichtete.
Österreich beschlagnahmte im Frühjahr 1803 sämtliche
verbliebenen Liegenschaften, Kapitalien und Rechte der
schweizerischen Stifte in Tirol und Vorarlberg und ließ am
3. Dezember 1803 ein Inkammerationsdekret folgen, mit
dem sie zugunsten der Staatskassa eingezogen wurden. 132
Bayern behielt diese Anordnung aufrecht, gestand dem
Bischof von Chur aber eine jährliche Entschädigung von
6.000 Gulden zu. 133 Die Verwaltung der St. Galler und Churer
Besitzungen übernahm das Rentamt Feldkirch. 134
Das galt auch für die Statthalterei Bendern, die bis 1803
dem Kloster St. Luzi in Chur (Prämonstratenser) inkorporiert
gewesen war.
Seite 396
4.10. Integration zu einem Landesteil Bayerns
Im Register des Königlich-Baierischen Regierungsblattes für
1806 sind die einzelnen Schritte der Integration der Vorarlberger
Herrschaften und ihrer Enklaven ausgewiesen:
26. Dezember 1805: „als konstitutiver Landestheil dem Königreiche
Baiern einverleibt“;
26. April 1806: „Vereinigung derselben mit der königlichen
Provinz Schwaben“;
16. November 1806: „Organisirung und Gleichstellung derselben
mit der Staatsverfassung in den übrigen königlichen
Landen.“
1806 unterstanden sämtliche ehemaligen Herrschaften
erstmals einem gemeinsamen, zudem souveränen Landesfürsten.
Durch das Organisationsreskript vom 16. November
wurden sie zu einem staatlichen Verwaltungskreis
zusammengeschlossen und damit wohl auch territorial
integriert. Dem Regierungsblatt wurde ein topographischer
Ausweis „königlich-baierischen Landes Vorarlberg“ beigegeben.
135 Das geeinte Vorarlberg war nun ein Landesteil
des bunt zusammengewürfelten Königreichs Bayern, das
unter Federführung des Ministers Maximilian Freiherr (ab
1809 Graf) von Montgelas binnen weniger Jahre im Geist
des aufgeklärten Absolutismus zu einem zentralistischen
und bürokratischen Einheitsstaat reformiert wurde. „Der
Souveränitäts- und Einheitsanspruch des rational durchgegliederten
Staates duldete keine Enklaven, keine Ausnahmestellungen
kraft eigenem, nicht vom Staat übertragenen
Rechtes, keinen ‚Staat im Staate’.“ 136 Dieser Integrationsprozess
wurde durch die Konstitution für das Königreich
Bayern vom 1. Mai 1808 abgeschlossen. Vorarlberg ging in
einem modernen Flächenstaat auf.

4.11. Stände minimiert, Landschaft in Liquidation
Die landständischen Sonderverfassungen, die nur noch
in Alt-Bayern, Neuburg, Tirol und Vorarlberg eine Rolle
spielten, passten nicht in dieses Reformkonzept. 137 Die
Aufgaben der „landschaftlichen Korporationen“ wurden
schrittweise staatlichen Behörden übertragen, auch in
Vorarlberg.
Vielfach lesen wir in der landesgeschichtlichen und heimatkundlichen
Literatur, durch das Organisationsreskript von
1806 seien die Vorarlberger Stände und ihre Landschaft
aufgelöst worden. Das trifft nicht zu.
Sämtliche „Landammanschaften und Dorfgerichte“ blieben
ausdrücklich bestehen, ihr Wirkungskreis wurde aber auf
die „ökonomische[n] Verhältnisse ihres Bezirks, und der
landständischen Repräsentation“ zurückgeführt, dagegen
die hohe und die niedere Gerichtsbarkeit – soweit noch
gegeben – und die Polizeigewalt auf die landesfürstlichen
Landesgerichte übertragen (Anhang, Pkt. 7c). – Diese Anordnungen
galten auch für die Verwaltungs- und Gerichtgenossenschaften
in den bisherigen Herrschaften Hohenems,
Blumenegg, St. Gerold und Lustenau, deren Bevölkerung
nicht in der österreichischen Landschaft vor dem Arlberg
vertreten gewesen war.
Noch waren die staatlichen Behörden, zumal die Finanzbehörden,
auf die Gerichtsgemeinden angewiesen. Allerdings
trachtete die Organisationskommission danach, sie
noch stärker in den Griff zu bekommen. Sie suspendierte
fällige Neuwahlen in der Landammannschaft Blumenegg
und im Gericht Sonnenberg und schlug vor, die direkte
Volkswahl der Ammänner (durch Zulauf) abzuschaffen:
„Daß diese tumultarischen Wahlen immer für den Neugewählten
sehr kostspielig und manchmal für die öffentliche
Ruhe gefährlich geworden, ist leicht zu erachten.“ Deshalb
finde die Landammannwahl im Innerbregenzerwald schon
seit geraumer Zeit nur noch unter behördlicher Aufsicht
statt. Anstelle dessen sollte das Recht, die Kandidaten
vorzuschlagen, künftig generell nur noch den staatlichen
Behörden zustehen und nur noch ein Ausschuss wahlberechtigt
sein. 138
Mit der Liquidierung der „landständischen Repräsentation“
wurde sofort begonnen. 139 Als klar war, dass es nicht
bei der Doppelverwaltung bleiben würde, überboten sich
Feldkirch und Bregenz mit Bestechungen. 140 Die beiden
landständischen Kanzleien in Bregenz und Feldkirch wurden
durch ein staatliches, „Königlich bairisches Vorarlbergisches
landständisches Central-Bureau“ in Feldkirch
ersetzt, das dem Kreiskommissär als landständischem
Präses unterstand und noch im Dezember 1806 seinen
Dienst aufnahm. Zum Leiter wurde Ignaz Rederer bestellt,
der bisherige Syndikus der Stadt Feldkirch und Kanzleileiter
der oberen Stände. Der landschaftliche Buchhalter
Leopold von Gugger (Gugger von Staudach) diente sich
der Organisationskommission mit vertraulichen Informationen
über das Finanzwesen an und wurde später
beschuldigt, sie sogar mit veruntreuten Landschaftsgeldern
zu seinen und seiner Brüder Gunsten bestochen zu
haben. 141
Im Juni 1807 verordnete der König eine gesamtbayerische
Steuerreform. Der Staat zog die Einhebung der Staatsabgaben
wieder an sich, alle landschaftlichen Steuereinnehmer
und Kassen wurden abgeschafft. Am 22. Juni 1807 erfolgten
in Bregenz, tags darauf in Feldkirch der Rechnungsabschluss
und der Kassasturz, die beiden Kassen der Vorarlberger
Landschaft wurden in die direkte Staatsverwaltung
überführt. 142 „Was die ständische Verfassung selbst, ihre
Erhaltung, oder ihre Umformung nach den Erfordernissen
höherer Staatszwecke, und der Einheit des Reiches betrifft;“
kündigte König Max in seiner Verordnung an, „so behalten
Wir uns vor, diese wichtige Materie, worauf die Wohlfarth
des Staates, und seine Stärke beruhet, in die reifste Ueberlegung
zu nehmen, und hiernach Unsere Entschließung
darüber zu fassen.“ 143
Seite 397

Die Steuerreform zielte die auf eine Beseitigung der Steuerprivilegien
des Adels ab. Im österreichischen Vorarlberg
war der bescheidene geistliche und adelige Grundbesitz
bereits 1769/70 durch eine Reform steuerpflichtig geworden,
die nicht nur mehr Geld in die leeren Staatskassen
spülen sollte, sondern ebenfalls bereits auf eine gerechtere
und gleichmäßige Vermögensbesteuerung abgezielt und
damit die privilegierten Stände, vor allem die Städte, getroffen
hatte, und innerhalb der einzelnen Gerichte die mit
den größten Misthaufen. 144 Der Adel und die Geistlichkeit
waren in der Landschaft gar nicht vertreten.
Mit der „Steuerpacht“ wurde nun den Landständen das
wichtigste politische Gestaltungsinstrument genommen;
die alte Landesverteidigungsordnung war bereits aufgehoben.
Ihr Schicksal war besiegelt und das war ihnen auch
bewusst. Nachdem die Landschaft in Vorarlberg aufgelöst
werde, wies die Landesdirektion Schwaben im Jänner 1808
das ständische Zentralbureau in Feldkirch an, ein Verzeichnis
der Aktiva und Passiva der Landschaft an die staatlichen
Liquidationskommissionen einzusenden. 145
4.12. Berufsbeamtentum
Voraussetzung für eine moderne Bürokratie war ein Beamtentum
neuen Typs, waren professionelle Staatsdiener, die
Abschaffung der Käuflichkeit (z.B. Pfandgericht Neuburg)
und Erblichkeit (z.B. Vogtei Bludenz) der Ämter und der
Bezahlung von Beamten über eine „Umsatzbeteiligung“
an den Gebühren, die Überlassung der Siegeltaxen usw.
Darum hatte sich die österreichische Regierung mit mehr
und weniger Erfolg bereits seit Jahrzehnten bemüht, diesen
Weg beschritt nun auch Montgelas mit dem Ziel, ein qualifiziertes,
nicht mehr korruptes, leistungsbereites und gegenüber
dem Staat und dem Monarchen loyales Beamtentum
zu schaffen. 146
Die bayerische Staatsdienerpragmatik von 1805 garantierte
zu diesem Zweck eine angemessene, für jede Funktion ge-
Seite 398
nau festgesetzte Besoldung mit Pensionsberechtigung und
Hinterbliebenenversorgung als Rechtsanspruch und die
Entlassbarkeit nur auf Grund eines Gerichtsurteils, forderte
eine festgelegte Vorbildung, Staatsprüfungen und laufende
Qualifikationen und Visitationen. Aufgrund der explodierenden
Personalkosten wurde die Pragmatik jedoch schon
bald auf eine schmale Schicht von Führungskräften beschränkt.
Das Urteil der bayerischen Organisationskommission
über das angetroffene Verwaltungspersonal fiel nicht
schmeichelhaft aus: „Unter dem ganzen Vorarlbergischen
Dienstpersonale […] findet sich kaum ein ausgezeichnetes
Subject, und es scheint überhaupt, daß der indolente
Geschäftsgang, der in den letzten Jahren bei den österreichischen
Oberbehörden sichtbar ward, in diesem Lande
ganz besonders nachtheilig auf die Amtsverwaltung und
Dienstaktivität der Unterbehörden gewirkt habe, und dort
die Amtsgebrechen und Geschäftsrückstände, die sich unter
der äußerst schlechten Administration des im vorigen
Jahr verstorbenen Landvogts von Vicari beträchtlich angehäuft
hatten, durch die nicht zu verkennende Thätigkeit des
jezigen Kreishauptmanns von Vintler noch nicht ganz beseitigt
werden konnten.“ 147
Besonders die Finanzverwaltung müsse geschickteren und
zuverlässigeren Beamten anvertraut werden als bisher. Der
am 27. Juni 1806 mit der Untersuchung der Vorarlberger Kameralämter
beauftragte Kommissär Höcht habe, ohne vom
Innsbrucker Gubernium die nötigen Vorakten erhalten zu
haben, durch seinen kritischen Scharfblick „bereits mehrere
tausend Gulden theils ganz unbekannter, theils vernachlässigter
äraralischer Gefälle zu Tage gebracht, wovon die
bisherigen Kameralbeamten gar nichts ahndeten.“ 148 Den
neuen Rentbeamten wurde zusätzlich zum fixen Gehalt
noch ein Prozent vom „Brutto-Ertrag“ als Erfolgsvariable
in Aussicht gestellt (Anhang, Pkt. 42), eine bedenkliche
Durchbrechung des Fixbesoldungssystems. Organisationskommissär
Merz schlug vor, den landfremden Höcht noch
so lange mit der Führung des neuen Rentamts Bregenz zu

etrauen, bis alle Außenstände liquidiert und beide Rentämter
vorschriftsmäßig organisiert sind.
Im Übrigen machte die Kommission fast ausnahmslos Beamte
der bisherigen Staats-, Landschafts- und Standesverwaltung
als Führungskräfte namhaft und lobte sie in hohen
und, je nach Obolus, auch in höchsten Tönen. Sie habe sich
bei der Personalauswahl vom allgemeinen Grundsatz leiten
lassen, „daß derjenige der Lokalgesetze und des Landbrauchs
kundige Beamte daselbst belassen oder dahin
versetzt werde, wo er das Vertrauen der Gemeinde genießt,
wenn gegen seine absolute Amtsfähigkeit, seine Thätigkeit
und seinen moralischen Charakter keine gegründete Einwendung
stattfindet.“ 149
Zur Besetzung der Führungspositionen empfahl die Organisationskommission
auch Gerichtschreiber, die bisher
die „eigentlichen äußern Justizbeamten“ gewesen seien,
nicht zuletzt zur Schonung der Staatskassa, käme ihr eine
Pensionierung auf Staatskosten doch teurer; zudem fehle
es an unmittelbaren landesherrlichen Justizbeamten. 150
Es mag auch an geschulten bayerischen Personalressourcen
gemangelt haben, zumal in den neuen Provinzen rund
200 Landgerichte eingerichtet wurden. Am 12. Jänner 1807
sollten allerdings an alle Vorarlberger Landgerichte, ausgenommen
Feldkirch, Aktuare aus anderen Teilen Bayerns
versetzt werden. 151 Als wenig attraktiv stufte die Kommission
die Landrichterstellen in Bezau und Schruns ein. Kein
älterer Beamter würde sich gerne in die „raue Gegend“ des
Hinterwaldes versetzt sehen; geschweige denn an die Spitze
des Montafoner Volkes, „dessen Entlegenheit und verschlagener
rachsüchtiger Charakter eine besonders kluge
Behandlung erfordert.“ 152
Von den neun Landrichter- und Stadtrichterposten wurden
fünf mit einer bisher ständischen oder landschaftlichen
Führungskraft besetzt (Landgerichte Montafon, Sonnenberg,
Feldkirch, Dornbirn, Stadtgericht Bregenz), vier mit
bisher landesfürstlichen Beamten der zweiten Ebene
(Landgerichte Bregenz, Weiler, Bregenzerwald, Stadtgericht
Bregenz) (vgl. Anhang), wobei die Kommission, soweit wir
ihrem Bericht Glauben schenken können und wollen, meist
auf Vorschläge der betroffenen Stände einging. Vier der
Landrichter (Beer, Weiler; Christoph von Gugger, Feldkirch;
Maximilian von Gugger, Montafon; Vonbun, Sonnenberg)
sollen Schmiergeld an Organisationskommissär von Merz
bezahlt und nur wenige, vor allen Kreiskommissär Franz
von Vintler sowie die Landrichter Dr. Josef von Ganahl und
Johann Georg Bereitter, auf Bestechungsversuche verzichtet
haben. 153
Vor diesem Hintergrund sind sämtliche Einschätzungen,
Vorschläge und Maßnahmen der Organisationskommission
auf ihre Objektivität kritisch zu hinterfragen. Merz
avancierte 1808 zum ersten Generalkreiskommissär des
Illerkreises, Kutter zu seinem Kanzleidirektor. Während des
Aufstandes 1809 flüchteten beide aus Kempten. Merz wurde
provisorisch nach Augsburg versetzt, wo er sich 1810 im
Lech ertränkte, als der Prozess gegen ihn eröffnet wurde. 154
Das Schmieren war keine neue bayerische Mode, sondern
schon eine österreichische Tradition, aber es trug nicht
dazu bei, das Ansehen der neuen Königs und die Autorität
seiner Beamten zu fördern, wie 1810 im Prozess gegen Dr.
Anton Schneider, der Vorarlberg während des Aufstands als
Generalkommissär angeführt hatte, unangenehm öffentlich
wurde. „Wenn das Schicksal die Leitung dieses Landes einer
des Vertrauens der Regierung würdigeren Hand zugeteilt
hätte,“ berichtete August Graf Reisach nach München,
„so würde die Anhänglichkeit an König und Vaterland früher
Wurzeln geschlagen haben; jetzt aber werden Jahre nötig
sein, um das Vertrauen des schwierig gemachten Volkes
wieder zu gewinnen.“ 155 Reisach, der Merz als Generalkreiskommissär
gefolgt war, sollte später allerdings ebenfalls
wegen Veruntreuungen in großem Stil zur Rechenschaft
gezogen werden. 156
Aber auch tadellose Beamte hatten nicht nur mit einer „Revolution
von unten“ zu kämpfen, sondern nicht weniger
mit einer „Revolution von oben“, wurden sie, von den Mi-
Seite 399

nisterien bis hinunter zu den Landgerichten, vom Staccato
an Reformen überfordert, die sie zudem in einer Kriegszeit
umzusetzen hatten.
Die am 16. November 1806 verfügte Neuorganisation der
Verwaltung und Justiz sollte bis 1. Jänner 1807 vollzogen
sein. Diese Zielvorgabe war nicht einmal der Form nach
einzuhalten. Mit Datum 2. Dezember 1806 ließ die „Königlich
Bayerischen Organisationskommission von Vorarlberg“
eine „Bekanntmachung“ drucken, die mit übersichtlichen
Zwischentiteln das Reskript ohne die Personalverfügungen
wiedergab (Pkte. 1 bis 33) und den Behörden „zur Wissenschaft,
Nachachtung und Kundmachung“ zugeschickt wurde.
157 Darin teilte von Merz mit, dass die „Einweisungen“
der Landgerichte, Rentämter und Stadtgerichte dem neu
ernannten Kreiskommissär von Vintler übertragen, dem zur
schleunigen und systematischen Einhaltung der Formalien
Rechnungskommissär Durocher beigeordnet werde.
Der Sonnenberger Landrichter Andreas Vonbun wurde von
der Einweisungskommission immerhin noch am 29. Dezember
in Nüziders und sein Montafoner Kollege Maximilian
von Gugger am 30. Dezember 1806 in Schruns vorgestellt
und offiziell in ihr Amt eingesetzt, 158 der Bregenzer Landrichter
Johann Moz dagegen erst am 10. Februar 1807. 159 Dabei
wurden nicht nur die Beamten in ihre Rechte und Pflichten
eingewiesen, sondern auch die weltlichen und kirchlichen
Mandatare des Landgerichtsprengels ausdrücklich der neuen
Autorität unterstellt. 13 Geistliche und 36 Standesrepräsentanten
unterzeichneten das Installationsprotokoll des
Bregenzer Landrichters. 160 Die Beamten wieder hatten in
einem Verpflichtungsprotokoll ihren Amtseid auf den König
zu bestätigen. 161
1808 sollte erst noch eine große Staats- und Verwaltungsreform
folgen. Nun wurden die bayerischen Beamten primär
auf die Verfassung eingeschworen, hatten sie einen
„Konstitutionseid“ zu leisten. 162 Fürstendiener wurden zu
Staatsdienern.
Seite 400
5. 1. Mai 1808: Konstitution und Organische Edikte
5.1. Konstitution für das Königreich Bayern
Am 1. Mai 1808 erließ König Max eine Konstitution für das
Königreich Bayern, 163 aus mehreren Beweggründen: „1. Die
Notwendigkeit, ein neues, einheitliches Staatsrecht für das
aus einer großen Zahl von Territorien zusammengesetzte
neue Bayern zu schaffen. 2. Die Konsequenzen aus der
Abschaffung der alten Ständeverfassungen in Bayern, Neuburg,
Tirol und Vorarlberg mit ihrem Dualismus zwischen
Fürst und Landschaft und ihrer Zementierung ständischer
Privilegien zu ziehen. 3. Die bereits durch die vorangegangenen
Reformgesetze hergestellten ‚bürgerlichen Freiheiten’
und Grundrechte verfassungsmäßig zu verankern
und auf die neu erworbenen Gebiete auszudehnen. 4. Eine
größere Effektivität der Verwaltung und eine Verbesserung
der Finanzlage des Staates als Folge der Aufhebung aller
Sonderrechte, insbesondere des landschaftlichen Steuerwesens,
zu erreichen. 5. Einer zentralistischen Gestaltung
des Rheinbundstatuts und einer Einmischung Napoleons in
die inneren Angelegenheiten Bayerns zuvorzukommen.“ 164
Bayern wollte seine Souveränität, die es durch den Untergang
des Alten Reichs gewonnen hatte, nicht wieder an den
Rheinbund verlieren, soweit sie durch die militärischen
Beistandsverpflichtungen in der Rheinbundakte nach außen
nicht ohnehin schon beschränkt war. In Eile wurde
deshalb eine knappe, auf das Grundsätzliche konzentrierte
Konstitution auf den Weg gebracht, die durch 13 „Organische
Edikte“ und zahlreiche weitere Vollzugsvorschriften
ausgestaltet werden sollte. 165 – Wie wirkten sie sich auf die
Verwaltungsorganisation in Vorarlberg aus?

5.2. 1. Mai 1808: Auflösung der Landschaften
Bereits im zweiten Paragraphen der Konstitution wurde
bestimmt: „Alle besonderen Verfassungen, Privilegien, Erbämter
und Landschaftliche Korporationen der einzelnen
Provinzen sind aufgehoben.“ 166 Dafür wurden „Kreisversammlungen“
und eine „Nationalrepräsentation“ in Aussicht
gestellt.
Gleichzeitig erging am 1. Mai 1808 eine Verordnung, mit der
König Max alle bisherigen landschaftlichen Korporationen
„hierdurch als aufgehoben“ erklärte. 167 Die landschaftlichen
Archive, Registraturen und Gebäude hatten umgehend
an die Staatsverwaltung übergeben zu werden.
In Vorarlberg trug das „Königlich bairische Kreiskommissariat
und landständische Präsidium“ diesem Auftrag Rechnung.
168 Kreiskommissär Kutter bestellte für den 16. Mai
1808 die Standesrepräsentanten ins Feldkircher Rathaus
ein und teilte ihnen in aller Ruhe die Auflösung mit. Das
Archiv und die Registratur der oberständischen wie der
unterständischen Kanzlei wurden in Feldkirch eingelagert
und versiegelt. 169 Das landschaftliche Zentralbureau hatte
bis Ende Februar 1809 noch die Vermögensliquidation zu
besorgen. 170
Durch die Konstitution vom 1. Mai 1808 wurden nur die
„landschaftlichen Korporationen“ aufgehoben, also die
Landschaften selbst, die Vereinigungen der Landstände zu
einer Selbstverwaltungskörperschaft, aber nicht die einzelnen
bisherigen Landstände; sie verloren dadurch nur
die Landstandschaft. Größtenteils handelte es sich ja um
Adelige, Klöster, Bistümer oder Städte und nur zum Teil um
„bäuerliche“ Genossenschaften. Die einzelnen Vorarlberger
Stände oder Gerichte lösten sich, sofern überhaupt, freiwillig
und erst als Folge der neuen Gemeindeorganisation auf.
Eine formelle Auflösung der kleinen Blumenegger Landschaft
wurde offenbar nicht mehr als notwendig erachtet. 171
Die Aufhebung der Landschaften war vorrangig gegen den
Adel gerichtet, traf in Vorarlberg aber protodemokratische
Strukturen, die freilich mit einem absolutistischen Einheitsstaat
auch nicht vereinbar waren.
5.3. 1. Oktober 1808: Generalkommissariat Illerkreis
Mit der Einrichtung von Fachministerien hatte Bayern bereits
vor Jahren auf der Ebene der Zentralbehörden vom Regional-
auf das Ressortsystem umgestellt. Einschneidende
Änderungen brachte die Konstitution von 1808 vor allem
auf der Ebene der Mittelbehörden: Die historisch gewachsenen
Provinzen wurden in arithmetisch berechnete Kreise
aufgeteilt. 172 Generalkreiskommissäre lösten Provinzdirektoren
ab. Sie verwalteten nicht mehr ehemals eigenständige
Territorien, sondern gleichförmige Verwaltungsbezirke
eines Einheitsstaates. Nach dem Vorbild der französischen
Departements wurden die neuen Kreise nach Flüssen benannt.
Ein erster Vorschlag vom Februar 1807 hatte die Gliederung
in vier Teile mit Unterbezirken vorgesehen. „Südbayern“
mit der Hauptstadt Innsbruck hätte die Bezirke „am Rhein“
(200.500 Einwohner), „am Inn“ (212.500), „am Eisack“
(194.500) und „an der Etsch“ (222.000) umfasst. Das ehemalige
Vorarlberg wäre also wieder einer oberen Mittelbehörde
in Innsbruck unterstellt worden, mit ihm aber auch
weitere große Gebiete der Provinz Schwaben. Denn die sieben
Vorarlberger Landgerichte zählten zusammen nur gut
79.000 Einwohner. An „Südbayern“ hätte „Westbayern“
mit den Bezirken „an der oberen Donau“, „am unteren
Lech“ und „am oberen Lech“ angeschlossen. 173
Seite 401

Seite 402
Bayern: Kreise und Landgerichte 1808 (Bayerische Staatsbibliothek)

Schließlich verfügte König Max am 21. Juni 1808 eine Territorialeinteilung
in 14 Kreise, um seine „lieben und getreuen
Unterthanen aller Theile des Reiches mit dem wohlthätigen
Bande eines gemeinsamen Vaterlandes zu umfassen,“
wobei er gleichzeitig danach getrachtet habe, ihnen die
Vorteile einer näher gelegenen unmittelbaren Administra-
Tabelle: Illerkreis 1808
Landgerichte
Leutkirch
Stadt Leutkirch
Grönenbach
Ober-Günzburg
Oberdorf
Schongau
Amt Vils
Füssen
Sonthofen
Kempten
Stadt Kempten
Immenstadt
Weiler
Wangen
Stadt Wangen
Ravensburg
Stadt Ravensburg
Tettnang
Stadt Buchhorn
Lindau
Stadt Lindau
Bregenz
Inner-Bregenzerwald
Dornbirn
Feldkirch
Sonnenberg
Montafon
Quelle: RBl. 1808, Sp. 1500.
tionsbehörde zu verschaffen und jene Bezirke, „welche
durch gleichere Sitten und die Gewohnheit langer Jahre,
oder durch die von der Natur selbst bezeichnete Lage näher
mit einander verbunden sind,“ in ihrer engeren Vereinigung
zu belassen. 174
Quadratmeilen
1,5
5,75
5
3,75
20
1
7,25
5,5
7
0,25
5,25
4,75
0,75
0,25
1
0,25
3
1,5
3,25
8,25
3,5
5,25
15
9
118
Seite 403
Seelenzahl
6.679
1.300
11.492
8.921
7.795
15.661
794
12.806
14.358
20.000
2.704
12.051
13.975
1.785
1.485
1.777
3.233
11.416
361
6.316
2.701
15.770
13.758
12.186
14.391
13.627
9.755
237.097

Illerkreis 1809 (Bayerische Staatsbibliothek)
Die sieben Vorarlberger Landgerichte wurden dem „Illerkreis“
mit der Hauptstadt Kempten zugeschlagen. Mit 49
Quadratmeilen machten sie 41,5 Prozent des Kreisgebietes,
mit 93.462 Einwohnern 39,4 Prozent der Bevölkerung aus.
Mit großem Pomp wurde am 26. September 1808 in Kempten
das Generalkreiskommissariat installiert. 175
Das Kreiskommissariat in Bregenz hatte sich damit erübrigt;
am 30. September 1808 wurden die letzten Geschäftsstücke
in das Einlaufprotokoll eingetragen. 176
Seite 404
Erneute Territorialveränderungen 1809/10 erforderten eine
Überarbeitung der Kreiseinteilung. Ein Vorschlag mit 14
Kreisen hätte eine Verkleinerung des Illerkreises und seine
Umbenennung in „Lechkreis“ bedeutet. 177 Letztlich wurde
am 23. September 1810 eine Neueinteilung in nur noch
neun Kreise verkündet. Es blieb beim Illerkreis, der im Westen
Gebiete an Württemberg verloren hatte, dafür Teile des
aufgelösten Lechkreises (Hauptstadt Augsburg) und des
Ober-Donaukreises erhielt, zudem das Landgericht Reutte
im Außerfern (bisher Innkreis) (vgl. Tab. 2). 178

Die Finanzverwaltung wurde 1808 auch auf Kreisebene von
der allgemeinen Verwaltung getrennt. 179 Die Rentämter Bregenz
und Feldkirch unterstanden damit der Kreisfinanzdirektion
in Kempten.
5.4. 24. Juli 1808: Organisches Edikt über die
Gerichtsverfassung
Zur Organisation der Gerichtsbarkeit bestimmte die Konstitution
nur: „Die Justiz wird durch die, in geeigneter Zahl bestimmten
Ober- und Untergerichte verwaltet. Für das ganze
Reich besteht eine einzige oberste Justizstelle.“ 180
Als Ergänzung erging am 24. Juli 1808 ein Organisches Edikt
die Gerichtsverfassung betreffend. 181 Das bisherige schwäbische
Hofgericht in Memmingen wurde zum Appellationsgericht
für den Iller- und den Lechkreis bestimmt. Bei den Untergerichten
sollte es bei den Land-, Stadt- und Patrimonialgerichten
bleiben, den Patrimonialgerichten hinsichtlich der Strafjustiz
aber nur noch die Ergreifung und Verwahrung Verdächtiger zukommen.
Sonderregelungen wurden zum Teil für Patrimonialgerichte
der mediatisierten „Standesherren“ verfügt. Die neue
Gerichtsorganisation trat mit 1. Jänner 1809 in Kraft.
Die Konstitution und dieses Organische Edikt wurden noch
durch weitere Verordnungen ergänzt.
5.4.1. 31. DEZEMBER 1808: AUFLÖSUNG DER DREI
STADTGERICHTE
Am 3. Dezember 1808 erging eine Neuregelung der Stadtgerichte,
die in drei Klassen abgestuft wurden. Alle nicht namentlich
neu hergestellten Stadtgerichte wurden mit Jahresende
aufgelöst. 182 Am 28. Dezember wurden im Regierungsblatt die
Personalernennungen sämtlicher Stadtgerichte und damit
wohl auch die neuen oder reformierten Stadtgerichte selbst
kundgemacht. Im Illerkreis blieb nur ein Stadtgericht dritter
Klasse für die Hauptstadt Kempten übrig. 183
Die 1806 provisorisch errichteten oder bestätigten Stadtgerichte
Bregenz und Feldkirch wurden aufgelöst. Als Stichtag
der Auflösung des Stadtgerichts Feldkirch und der Geschäftsübergabe
an das Landgericht Feldkirch wurde der 11.
Jänner 1809 bestimmt. 184
Für die Stadt Bludenz wurde ebenfalls definitiv das Landgericht
Sonnenberg zuständig.
5.4.2. BEIBEHALTUNG DER SIEBEN LANDGERICHTE
Die sieben Landgerichte Bregenz, Weiler, Innerbregenzerwald,
Dornbirn, Feldkirch, Sonnenberg und Montafon blieben
bestehen. Im Sommer 1809 verlegte das Landgericht
Sonnenberg seinen Sitz von Nüziders nach Bludenz. 185
Offenbar hatte nur in Tirol, in Vorarlberg und in einzelnen
schwäbischen Distrikten in Strafgerichtsbarkeit bisher ein
Instanzenzug über drei Instanzen bestanden oder fortbestanden.
Mit Verordnung vom 30. Dezember 1808 wurde
den Landgerichten dieser Regionen die Zuständigkeit
genommen, in Kriminalsachen Recht zu sprechen. 186 Sie
wurden nun generell auf Kriminaluntersuchungsgerichte
(„inquirierende Unterbehörden“) reduziert und hatten die
Untersuchungsakten an die Appellationsgerichte einzusenden,
die dann in erster Instanz Urteile sprachen, die Landgerichte
zu vollstrecken hatten.
Im März 1809 wurden als Folge der neuen Gerichtsverfassung
sämtliche Landgerichte mit zwei „Assessoren“ ausgestattet;
Landgerichte mit über 18.000 Einwohner erhielten
zusätzlich einen „Aktuar“. 187 Überhaupt waren die Behörden
einer enormen Personalfluktuation unterworfen. Dazu
trug auch die Rebellion von April bis August 1809 bei, in
denen die Beamten einen schweren Stand hatten und übereifrige
oder korrupte Staatsdiener spätestens nach einem
misslungenen, hinterhältigen Mordanschlag auf Landrichter
Kuttner in Nüziders auch um ihr Leben fürchteten. Wie
Kuttner flüchteten die Gugger-Brüder, der Feldkircher Rent-
Seite 405

Bayern: Kreise und Landgerichte 1812
beamte Fritschner oder der ehemalige ständische Syndikus
Rederer außer Landes. Die meisten führenden Beamten
setzten sich vorübergehend ab. 188
Von den sieben 1806 ernannten Landrichter waren 1812
Joseph Gebhard Beer (Weiler), Dr. Joseph von Ganahl (Dornbirn)
und Johann Georg Bereitter (Innerbregenzerwald) noch
und Christoph von Gugger (Feldkirch) wieder im Amt. 189 Als
Folge des Aufstandes musste im Frühjahr 1810 der überforderte
Johann Moz (Bregenz) mit seinem Ravensburger Kollegen
Karl Friedrich Weber tauschen, Christoph von Gugger
(Feldkirch) mit Johann Albrecht Wohllaib (Geislingen), Max
von Gugger (Montafon) mit Hermann Gram (Tettnang) , der
Seite 406
jedoch nur wenige Wochen später durch Christoph von Kahler
(Silian) ersetzt wurde. 190 Christoph von Gugger konnte
Ende August 1811 wieder als Landrichter nach Feldkirch zurückkehren.
191 Dem Landgericht Sonnenberg standen gleich
vier Landrichter vor: Andreas Vonbun starb in Februar 1808;
es folgten im April 1809 Johann Georg Kuttner (Aktuar Innerbregenzerwald,
davor Ottobeuren), im Dezember 1809
Joseph Anton Hauber (2. Assessor in Tettnang); im Juni 1813
Joseph von Gimmi (Assessor in Türkheim). 192 Unmittelbar
vor der Rückkehr Vorarlbergs zu Österreich im Juli 1814 wurde
der tüchtige Altbayer Gimmi mit dem Landgericht Weiler
betraut, das bei Bayern bleiben sollte; Weber wurde von
Bregenz nach Roggenburg versetzt. 193

5.4.3. 31. DEZEMBER 1808: BESCHRÄNKUNG DER
PATRIMONIALGERICHTE
Bereits am 8. September 1808 erging ein Organisches Edikt
über die Patrimonialgerichtsbarkeit, 194 mit dem weitere Verschärfungen
und Einschränkungen verfügt wurden.
Der Wirkungskreis in Justizsachen wurde im Wesentlichen
auf die nicht streitige Gerichtsbarkeit beschränkt. Zudem
hatte der Patrimonialrichter als Zivilstandesbeamter zu
fungieren, durfte er Hypothekarbücher führen. In allen Zivilrechtstreitigkeiten
und Polizeisachen waren künftig ausschließlich
die Land- und Stadtgerichte zuständig; ebenso
hinsichtlich der Strafgerichtsbarkeit, abgesehen vom Recht
zur Verhaftung und Arretierung von Verdächtigen. Alle weitere
Kriminalverfahren, demnach auch Kriminaluntersuchungen,
sollten ihnen für immer verboten sein. Zudem
verblieb den Patrimonialgerichten die „niedere Polizei“. 195
Auch diese Beschränkungen traten mit 1. Jänner 1809 in
Kraft. 196 Das Patrimonialgericht Lustenau der Gräfin Waldburg-Zeil(-Harrach)
mit Sitz in Hohenems trat die entsprechenden
Verfahren an das Landgericht Dornbirn ab, 197 das
Patrimonialgericht Neuburg der Grafen Wolkenstein-Rodenegg
mit Sitz in Dornbirn an das Landgericht Feldkirch. 198
Für das Patrimonialgericht Laubenberg der Pappus und das
Patrimonialgericht Waltrams der Hundbiß wurde das Landgericht
Weiler zuständig.
Damit war der Bestand der Patrimonialgerichte aber noch
nicht gesichert. Bis 1. Oktober 1809 hatten sie vom Landgericht
beglaubigt nachzuweisen, dass sie die Kriterien
des Organischen Edikts erfüllen, 199 vor allem die Regeln für
den geographischen Zuschnitt. Ihre Bildung bedurfte der
Genehmigung des Königs, die er für Lustenau und Neuburg
offenbar erteilte, ebenso für Laubenberg und Waltrams.
Durch das antifeudale Verfassungswerk von 1808 wurden
insgesamt adelige Vorrechte massiv beschnitten und zurückgedrängt.
200 Doch schon ab 1809 erfolgte eine kon-
servative Wende in der Adelspolitik, die unter anderem
in einem Organischen Edikt vom 16. August 1812 über die
gutsherrliche Gerichtsbarkeit beredten Ausdruck fand, 201
mit dem den Gerichtsinhabern große Zugeständnisse gemacht
wurden; bis hin zur Möglichkeit, sich zur Erweiterung
ihrer Gerichtsbezirke mit landesfürstlichen Gerichtsuntertanen
belehnen zu lassen. Die neuen Gerichte schieden sich
in sehr privilegierte „Herrschaftsgerichte“ und in „Ortsgerichte“,
wobei die Herrschaftsgerichte wieder in zwei Klassen
unterteilt waren: die erste Klasse war den mediaten
Fürsten, Grafen und Herren vorbehalten sowie jenen, die
der König ihnen gleichstellte; die zweite Klasse den Majoratsbesitzern
und den ihnen gleich gehaltenen adeligen Vasallen.
Bis 1. Oktober 1813 hatten die Gerichtsinhaber ihre
Voraussetzungen nachzuweisen und um die Genehmigung
ihres Gerichts anzusuchen.
Für die Herren von Hundbiß (Waltrams), die Freiherren von
Pappus (Laubenberg) und die Gräfin von Wolkenstein (Neuburg)
kamen jedenfalls nur „Ortsgerichte“ in Frage.
Für Neuburg suchte im Auftrag der Gräfin Wolkenstein ihr
neuer Verwalter Anton von Reinhard im Juli 1813 um ein
Ortsgericht an. 202 Das Generalkreiskommissariat ließ offenbar
aber auch eine Einbeziehung der Untertanen in das
Landgericht Feldkirch prüfen. 203 Ob das neue Ortsgericht
Neuburg tatsächlich noch konstituiert wurde, bliebe zu klären;
204 kundgemacht wurde seine Bewilligung bis zur Rückkehr
zu Österreich im Juli 1814 jedenfalls nicht mehr.
Für Laubenberg – nun „Altlaubenberg“ – wurde die Bewilligung
offenbar erst 1816 formell erteilt; 1831 sollte das
Ortsgericht aufgelöst und dem Landgericht Weiler zugewiesen
werden. 205 Auch das Ortsgericht Waltrams dürfte noch
einige Zeit bestanden haben. 206
Auch Lustenau war bereits bisher ein normales Patrimonialgericht
gewesen. So war dem Lustenauer Patrimonialrichter
Seewald 1808 ausdrücklich beschieden worden, dass ihm
keine Uniform eines standesherrlichen Beamten zustehe. 207
Seite 407

Gemeinde und Patrimonalgericht Lustenau 1813 (Josef Ellensohn) (Staatsarchiv Augsburg)
Seite 408

Andrerseits hatte der König 1809 Art. 31 der Rheinbundakte
zum Vorwand genommen, die Besitzungen der Gräfin Waldburg-Zeil(-Harrach)
sequestrieren zu lassen, obwohl sich
diese Beschränkungen der Freizügigkeit ausdrücklich nur
auf die durch die Rheinbundakte mediatisierten Fürsten,
Grafen und Reichsritter bezog. Mit Verordnung vom 13. November
1810 räumte der König den säumigen, im Ausland
wohnhaften Mediatisierten bis 1. Juli 1811 eine Frist ein,
sich zu erklären und allenfalls aus seinem Untertanenverband
auszutreten. In diesem Fall hatten sie ihre in Bayern
gelegenen Besitzungen binnen sechs Jahren mit vollem Eigentum
an ein Familiemitglied abzutreten, das bayerischer
Untertan ist; wobei sich der König im Fall eines Verkaufs auf
sein Vorkaufsrecht gemäß Rheinbundakte verwies. 208
Mit Gräfin Walburga Waldburg-Zeil geborene Harrach verglich
er sich 1811. 209 Sie lebte von Geburt an in Mähren und
stattete Lustenau nur im August 1808 und im Jänner 1809
einen Besuch ab, bei dem sie der Gemeinde beinahe alle
ihre dortigen Einkünfte und Renten für Bildungszwecke
stiftete. 210 Ihren Wohnsitz nach Hohenems zu verlegen wird
ihr wenig attraktiv erschienen sein. Jedenfalls verkaufte
sie, ohnehin in Geldnöten, rückwirkend mit 1. Jänner 1813
ihre Besitzungen in Vorarlberg an ihren formell noch angetrauten
Gatten Graf Clemens Waldburg-Zeil-Trauchburg,
der in Kempten wohnte, samt allen Rechten und Pflichten,
damit auch die Patrimonialgerichtsbarkeit für Lustenau. 211
Ob er tatsächlich die Voraussetzungen für ein Herrschaftsgericht
erster oder zweiter Klasse erfüllt hätte, 212 ist mehr
als fraglich. Jedenfalls ließ Graf Waldburg-Zeil nur die
Sparvariante eines Ortsgerichts beantragen, das ihm mit
allerhöchstem Reskript vom 24. Dezember 1813 bewilligt
wurde. 213 Der Dornbirner Landrichter Ganahl wies den bisherigen
Patrimonialrichter Seewald am 7. Februar 1814 in
aller Form als „Ortsrichter“ in seine gewandelte Funktion
ein. Die weiterhin den Landgerichten unterstellten Ortsgerichte
mussten sich im Wesentlichen mit einer Ausweitung
ihrer Polizeibefugnisse begnügen.
5.4.4. 1809: AUFLÖSUNG DES PATRIMONIALGERICHTS
DER STERNBACH
Das Patrimonialgericht des Freiherrn von Sternbach mit Sitz
in Bludenz war auf Kriminaluntersuchungen in den ehemaligen
Herrschaften Sonnenberg, Bludenz und Montafon
beschränkt. Die übrigen Geschäfte hatten bereits die Landgerichte
übernommen. Für eine Bestätigung des Patrimonialgerichts
hätte es schon am eigenen Sprengel gemangelt.
Patrimonialrichter Platzer soll noch bis März 1809 als Patrimonialkriminalrichter
tätig gewesen sein. 214 Vieles spricht
jedoch dafür, dass Sternbachs Patrimonialgericht formell
bereits mit dem Inkrafttreten der neuen Gerichtsverfassung
am 1. Jänner 1809 seine Berechtigung verlor.
Anfang März 1809 wurde Platzer in den Staatsdienst übernommen
und zum ersten Assessor des Landgerichts Sonnenberg
ernannt, 215 der frühere Montafoner Landschreiber
und Bludenzer Administrator Theodor Fritz zum zweiten
Assessor. 216 Die beiden näherten sich in Nüziders den „Unzufriedenen“
an. Bei seinem Abgang zu Beginn des Aufstandes
im April 1809 betraute Landrichter Kuttner dieser
seine beiden Assessoren mit der Führung der Geschäfte. 217
Nur kurzfristig konnte im Sommer 1809 Ludwig Franz Freiherr
von Sternbach hoffen, von der österreichischen Intendantschaft
wieder in seine alten Rechte eingesetzt zu
werden. 218 Nun zog das Landgericht Sonnenberg in sein
Bludenzer Schloss um. Fritz wurde nach dem Scheitern des
Aufstandes inhaftiert und pensioniert, Platzer 1810 nach
Landsberg am Lech versetzt. 219
Seite 409

Tabelle 2: Umfang des Illerkreises und
Bevölkerung desselben 1812
Benennung Städte Märkte Dörfer Weiler Einöden Familien
Polizei-Distrikte:
1. Kempten 2 – 1 76 77 2.373
2. Memmingen 1 – – – – 1.603
3. Lindau 1 – – – – 639
Landgerichte:
1. Babenhausen – 1 13 2 4 1.706
2. Bregenz 1 – 165 – 317 3.226
3. Buchloe – 3 17 9 13 1.318
4. Dornbirn – 1 36 29 10 2.129
5. Feldkirch 1 2 62 32 63 3.400
6. Füssen 2 1 17 100 110 2.903
7. Grönenbach – 4 13 144 159 2.468
8. (Ober-)Günzburg – 3 15 101 26 1.977
9. Illertissen – 1 13 9 5 1.290
10. Immenstadt 1 1 35 116 23 2.221
11. Innerbregenzerwald – – 35 173 67 2.996
12. Kaufbeuren 1 1 19 21 4 2.718
13. Kempten – – 18 299 107 3.066
14. Lindau – – 65 42 12 1.383
15. Mindelheim 1 2 35 17 25 3.177
16. Montafon – – – 3 1.839 2.375
17. Oberdorf – 1 25 61 19 1.974
18. Ottobeuren – 2 36 59 67 3.134
19. Reutte – 1 49 78 46 3.522
20. Roggenburg 1 – 24 21 14 2.058
21. Schongau 1 – 33 124 134 3.345
22. Schwabmünchen – 1 13 7 11 2.362
23. Sonnenberg 1 – 28 62 33 3.076
24. Sonthofen – 3 22 119 47 3.382
25. Türkheim – 4 22 20 22 2.100
26. Ursberg – 2 15 14 4 2.045
27. Weiler – 4 182 84 43 2.999
Mediatgerichte:
1. Buxheim – – 1 1 – 75
2. Edelstetten – – 2 4 3 208
3. Kirchheim – 1 5 5 7 614
4. Weißenhorn – – 23 9 2 1.552
5. Thannhausen – 1 1 – – 410
Seite 410

Patrimonialgerichte:
1. Aitrang – – 2 12 1 234
2. Bedernau – – 1 2 2 165
3. Beuren – – 1 – – 82
4. Blumenried – – – 1 – 3
5. Eisenberg – – 2 26 6 159
6. Eisenburg – – 3 1 – 130
7. Fellheim – – 1 – – 109
8. Ferthofen – – – 1 – 20
9. Gutenberg – – 1 – – 24
10. Hohenraunau – – 1 – – 67
11. Hopferau – – – 25 3 119
12. Illereichen – 1 5 – 1 296
13. Illerfeld – – – – 1 2
14. Kellmünz – 1 1 – – 116
15. Klein-Kitzighofen – – 1 – – 35
16. Kronburg – – 2 4 4 127
17. Laubenberg – – 2 – 1 41
18. Lustenau – – 1 6 – 459
19. St. Mang – – 1 30 31 273
20. Mickhausen – 2 3 4 3 366
21. Neuburg am Rhein – – 4 2 2 120
22. Neuburg an der Kamel – 1 4 4 1 457
23. Niederraunau – – 2 2 1 285
24. Obenhausen – – 1 – – 65
25. Osterberg – – 1 1 – 175
26. Rauhenzell – – 1 4 2 24
27. Steinbach – – 1 3 – 63
28. Trunkelsberg – – 1 – – 112
29. Waal – 1 2 – – 314
30. Waltrams – – 1 – – 20
31. Wespach – – – 1 – 5
32. Winterrieden – – 1 – – 42
33. Wollmetshofen – – – 1 1 24
34. Ziemetshausen – 1 6 9 2 609
14 47 1.093 1.980 3.275 81.061
Tatsächliche Summen 14 47 1.093 1.980 3.275 80.966
Quelle: Adresskalender Illerkreis 5 (1813), S. 113-115 (Vorwort 25.01.1813)
Seite 411

5.5. 28. Juli 1808: Organisches Edikt über die Bildung von
Gemeinden
„Für eine jede Städtische- und Rural-Gemeinde wird eine
Lokal-Verwaltung angeordnet werden,“ kündigte die Konstitution
am 1. Mai 1808 an. 220 Am 28. Juli 1808 ließ König
Maximilian ein Organisches Edikt über die Bildung der Gemeinden
folgen:
„Die Gestaltung der Gemeinden ist eine notwendige Maßregel
sowohl zur organischen Ausbildung des Staatskörpers
und seiner Theile, als zur Vereinfachung und Erleichterung
der Staats-Verwaltung, deren Zweige sich größtentheils in
den Gemeinden, dem eigentlichen Inbegriffe der Verwaltungs-Gegenstände,
enden.“ 221
Ziel war die weitgehende Überwindung der vielgestaltigen,
sich häufig überschneidenden genossenschaftlichen Personalgemeinden
und die Schaffung territorialer Einheitsgemeinden,
die für alle Bereiche der Kommunalverwaltung
– also zugleich für die politischen, ökonomischen, finanziellen,
kirchlichen, schulischen und sonstige Zwecke – zuständig
ist.
Die Gemeinden sollten in zwei Klassen gebildet und geschieden
werden, in Städte und größere Märkte sowie in
kleinere Märkte und Dörfer, vereinfacht in Städte und Ruralgemeinden
(Landgemeinden). Die Grenzziehung sollte sich
grundsätzlich an den Steuerdistrikten orientieren, deren
Bildung bereits mit Verordnung vom 13. Mai 1808 angeordnet
worden war, die eine Instruktion zur Bildung der Steuerdistrikte
enthielt. 222 Binnen Jahresfrist hatten die Landgerichte
und Generalkreiskommissariate Gemeindegrenzen zu
entwerfen und zu beschreiben und die Bildung der Gemeinden
in Plänen darzustellen, wobei für Vorarlberg auf die Karte
Blasius Huebers von 1783 verwiesen wurde. Nach erfolgter allerhöchster
Genehmigung sollten abermals binnen Jahresfrist
die Gemeindegrenzen vermarktet werden.
Seite 412
5.6. 24. September 1808: Edikt über das Gemeindewesen
Am 24. September 1808 wurde mit einem Edikt über das
Gemeindewesen eine für ganz Bayern verbindliche, einheitliche
Gemeindeverfassung erlassen, 223 mit der die Reste der
kommunalen Selbstverwaltung beseitigt wurden. Die Reform
zielte nur auf staatliche Verwaltungssprengel auf unterster
Ebene ab.
Die Gemeinden wurden unter die strenge „Kuratel“ der übergeordneten
Behörden gestellt, die sich um Kompetenzen
stritten. Die Klasse der Städte und größeren Märkte wurde
gegen über den Ruralgemeinden etwas freier gestellt. Sie
konnten unter staatlicher Aufsicht wenigsten noch Munizipalräte
wählen, während den Gemeindeversammlungen der
Ruralgemeinden bei der Bestellung eines Gemeindevorstehers
nur ein Vorschlagsrecht zukam; ihm waren zur Aushilfe
und Beratung die zwei ältesten Gemeindemitglieder beigegeben,
„welchen das Alter den Dienst dazu nicht versagt.“ 224
Wohl nicht nur der Dornbirner Landrichter Ganahl gab zu
bedenken, die ältesten Männer in der Gemeinde seien „wegen
ihren erschlaften Sinneskräften, ihrer Unbeugsamkeit
und Unempfänglicheit für jede Neuerung die unbrauchbarsten.“
225 Jede wichtigere Amtshandlung der Kommunalorgane,
auch der Munizipalräte, musste durch eine im Innenministerium
zentralisierte staatliche Kuratel geprüft und
genehmigt werden. Besonders verheerend wirkte sich die
Entziehung der Vermögensverwaltung aus.
Diese Gemeindeverfassung erwies sich als undurchführbar
und sollte in Bayern zehn Jahre später reformiert werden.

5.7. Gemeindebildung in den Vorarlberger Landgerichten
Grundsätzlich dürfte das ehemalige Vorarlberg vergleichsweise
gute Voraussetzungen für die Gemeindebildung geboten
haben. Sie ist allerdings noch kaum erforscht. Im Wesentlichen
orientierte sich die Bildung der Steuerdistrikte
und Gemeinden an den Grenzen der Pfarreien, Gerichte und
ehemaligen Herrschaften.
5.7.1. REGIONAL UNTERSCHIEDLICHE
VORAUSSETZUNGEN
Die Abgrenzung gegen die weiter bestehenden Adelsgerichte,
die andernorts große Schwierigkeiten bereiteten, 226
war in Vorarlberg kein Problem. Zudem gab es hier weithin
bereits landschaftliche „Gerichtsgemeinden“, die in
einem Verband verschiedener Gemeinden bestünden, wie
die Organisationskommission 1806 feststellte, der für die
„Subreparation“ der Steuern und Anlagen und die Gemeindekonkurrenz
zu Kriegserlittenheiten, zu Straßen- und Wasserbaukosten,
zu Mildtätigkeits- und Unterrichtsanstalten
und überhaupt alle Lasten zuständig sei, wodurch jeder Gerichtsbezirk
zum „selbständigen Ganzen“ gebildet worden
sei, dessen Trennung mit großen Schwierigkeiten verknüpft
und in ihren Folgen von unübersehbaren Verwirrungen begleitet
sein würde. 227 Die Voraussetzungen für die Auflösung
der Gerichtsgemeinden in Ortsgemeinden waren jedoch regional
unterschiedlich.
Neben den drei Städten gab es auch Landgemeinden, die
ab dem 14. Jahrhundert ein Stück weit eine demokratische
Selbstverwaltung erlangten, die über Zwing und Bann, also
über ein Satzungsrecht und Polizeibefugnisse verfügten,
vor allem über den Flurzwang. 228 Diese frühen Gemeinden
entstanden vor allem im länger rätoromanischen Oberland.
Diese Dorfgemeinden bestanden hier neben den Gerichten.
Hier kam die Gerichtsgemeinde fast einem Gemeindeverband
gleich, der sich zum Teil bereits vor der Bayernzeit
mehr oder weniger in Gemeinden auflöste; wie zum Beispiel
das kleine Gericht Jagdberg, das den Behörden 1772
zu verstehen gab, dass es mit den neuen Staatsaufgaben
intellektuell und finanziell überfordert sei. 229 Im übrigen
Vorarlberg nahm die Gerichtsgemeinde dagegen sämtliche
Gemeindefunktionen wahr, bildeten sich kaum zusätzliche
Gemeindestrukturen aus; sehen wir von den Pfarrgemeinden
ab.
5.7.2. ENTSCHEIDENDE ROLLE DER
PFARRSTRUKTUREN
Die Pfarrstruktur dürfte für die künftige Kommunalstruktur
entscheidend gewesen sein. 230
Als sich König Max entschloss, ab 1. Jänner 1806 seine landesherrlichen
Verordnungen für ganz Bayern authentisch
in einem allgemeinen, offiziellen Regierungsblatt kundmachen
zu lassen, „um nicht nur allen Landesstellen, sondern
auch Unsern getreuen Unterthanen eine genauere Uebersicht
aller Landesgesetze zu verschaffen,“ verpflichtete er
nicht nur alle Gemeindevorsteher, sondern auch alle Pfarrer,
das Regierungsblatt zu abonnieren und unter Aufsicht
der königlichen Behörden sorgfältig zu sammeln, binden
zu lassen und gehörig aufzubewahren. 231 Beim Aufbau einer
professionellen Staatsverwaltung hatte bereits die österreichische
Regierung zunehmend die Pfarrer eingespannt.
Denken wir nur an das 1784 „verstaatlichte“ Matrikenwesen,
das, wie die Einführung der Hausnummerierung, auch
der Rekrutierung für das stehende Heer diente. 232
Um diese Zeit setzte sich zunächst im Kirchenbereich allmählich
das Wohnsitzprinzip und damit die Territorialgemeinde
durch. Deutlich wird das etwa bei Konflikten um
die Pfarrzugehörigkeit zwischen den Pfarren Fontanella und
Sonntag im Großen Walsertal, wo die Pfarrgrenze sogar für
den Verlauf der Staatsgrenze zwischen Österreich (Herrschaft
Feldkirch) und Weingarten (Herrschaft Blumenegg)
Seite 413

maßgebend wurde. 233 Aber auch die Gerichtsgemeinde Damüls
war schon weitgehend in die Pfarrgemeinden Damüls
und Fontanella zerfallen.
Die Pfarreien und Lokalkaplaneien boten nicht nur eine
territoriale Grundstruktur, sondern vielfach auch einen Ansatzpunkt
zur finanziellen Integration und Abgrenzung, zur
Bildung politischer Territorialgemeinden. Patronatsrechte,
Schul- und Armenstiftungen oder Konkurrenzen führten übrigens
dazu, dass auch innerhalb einer politischen Gemeinde
noch bis ins 20. Jahrhundert Ortschaften (Fraktionen)
Träger von Sondervermögen sein konnten, zum Beispiel
Marul innerhalb der Gemeinde Raggal. 234
5.7.3. INVENTARISIERUNG DES GEMEINDEVERMÖGENS
1807
Das Stiftungs- und das Kommunalvermögen sollten rückwirkend
mit dem Etatjahr 1807/08, das am 1. Oktober 1807
begann, in staatliche Verwaltung übergehen. 235 Die Landgerichte
erhielten daher im Herbst 1807 den Auftrag, das
Stiftungs- und Kommunalvermögen ihrer Städte, Märkte
und Dörfern zu erheben und in Tabellen genau zu inventarisieren.
Dabei orientierte sich der Sonnenberger Landrichter Kuttner,
und wohl nicht nur er, an der Pfarrstruktur seines Bezirks.
„Ohne alle Vorarbeit mußte man sich lediglich mit
dem begnügen, was die Gemeindsvorsteher mit den Gemeindskassiren
und Buchhaltern einreichten, indem bei
der Organisazion des hiesigen Landgerichts weder liquid
noch illiquid in Hinsicht des Kommunal-Vermögens etwas
zur Hand gestellt wurde.“ Bei mehreren Gemeinden seien
vorher nur „Tischrechnungen mit der Kreide“ üblich gewesen,
„und die Revision machte der rasche Finger“. 236 So ließ
der Landrichter vom 21. bis 24. Dezember 1807 die Gemeindevorsteher
und Geschworenen der Pfarreien Brand, Braz,
Bürs, Bürserberg, Dalaas, Frastanz, Klösterle, Nenzing,
Nüziders und Stuben der ehemaligen Herrschaft Sonnenberg,
Damüls und Fontanella aus der bisherigen Herrschaft
Seite 414
Feldkirch, Bludesch, Raggal mit dem Ort Marul (Kuratie), Ludesch,
Sonntag mit der Pfarre Buchboden, Thüringen und
Thüringerberg der ehemaligen Herrschaft Blumenegg und
St. Gerold mit der Pfarre Blons der ehemaligen Herrschaft
St. Gerold antreten, um sie das Inventar der Passiva und
Aktiva unterzeichnen zulassen; zudem den ehemaligen
Gerichtskassier des Gerichts Tannberg (ehemals Herrschaft
Bregenz). 237
Der Feldkircher Landrichter Gugger konnte seine Inventarliste
seiner 25 Gemeinden erst im März 1808 liefern. Er
hatte den Vorteil, dass in seinem Sprengel auf Ebene der
Ruralgemeinden bereits eine kommunale Finanzverwaltung
bestand. In der Rubrik „Administratoren“ verwies er
für die Ruralgemeinden auf die „Säckelmeister“ genannten
Gemeindevorsteher mit den beigegebenen Geschworenen
und Ausschüssen, die nach der bisherigen Verfassung jährlich
gewählt würden. 238
5.7.4. BILDUNG DER STEUERDISTRIKTE 1808
Die Bildung der Vorarlberger Steuerdistrikte (der späteren
„Katastralgemeinden“) wurde ebenfalls 1808 in Angriff genommen
und 1810/11 mit der Anlegung der Steuerkataster
abgeschlossen (vgl. Tab. 3). Damit konnte das bayerische
Steuerprovisorium in Kraft gesetzt werden, 239 das in Vorarlberg
bis 1881 in Geltung bleiben sollte. 240 Leider kamen die
Bayern, die führenden Landvermesser ihrer Zeit, nicht mehr
dazu, die entsprechenden Katasterpläne zu erstellen. Die
Grenzen der Steuerdistrikte und der Gemeinden durften
sich nicht überschneiden. Einzelne Steuerdistrikte wurden
in der Praxis aber wieder in mehrere politische Gemeinden
unterteilt. So bildeten die Gerichte Damüls (Damüls,
Fontanella) oder Tannberg (Lech, Warth, [Hoch-]Krumbach,
Schröcken) weiterhin Steuerdistrikte, oder Vandans mit
Lorüns, Bartholomäberg mit St. Anton und Stallehr, Bürs
mit Bürserberg, St. Gerold mit Blons, Bludesch mit Thüringen,
Schnifis mit Düns und Dünserberg, Schlins mit Röns
und andere mehr.

Tabelle 3: Steuerdistrikte der Vorarlberger Landgerichte 1811
Landgericht Steuerdistrikte (100)
Bregenz (18) Alberschwende, Bregenz, Carolinenau, Hinterberg, Hintertobel, Hard, Hohenweiler, Hörbranz,
[Ober-]Langenegg, Lauterach, Lochau, Möggers, Riefensberg, Reute, Schwarzach, Steißberg,
Sulzberg, Wolfurt
Dornbirn (7) Dornbirn, Ebnit, Hohenems, Fußach, Gaißau, Höchst, Lustenau
Feldkirch (18) Altenstadt, Feldkirch, Fraxern, Göfis, Götzis, Klaus, Laterns, Mäder, Meiningen, Neuburg,
Nofels, Rankweil, Satteins, Schlins, Schnifis, Sulz, Übersaxen, Zwischenwasser
Innerbregenzerwald (15) Andelsbuch, Au, Bezau, Bizau, Egg, Hittisau, Krumbach, [Unter-]Langenegg, Lingenau, Mellau,
Mittelberg, Reuthe, Schnepfau, Schoppernau, Schwarzenberg
Montafon (7) Bartholomäberg, Gaschurn, St. Gallenkirch, Schruns, Silbertal, Tschagguns, Vandans
Sonnenberg (17) Bludenz, Bludesch, Brand, Braz, Bürs, Dalaas, Damüls, Frastanz, St. Gerold, Klösterle,
Ludesch, Nenzing, Nüziders, Raggal, Sonntag, Tannberg, Thüringerberg
Weiler (18) Ebratzhofen, Ellhofen, Gestratz, Grünenbach, Harbatshofen, Heimenkirch, Lindenberg,
Niederstaufen, Oberreute, Opfenbach, Röthenbach, Scheffau, Scheidegg, Schönau,
Simmerberg, Weiler, Weitnau, Wilhams
Quelle: Adresskalender Illerkreis 4 (1812), S. 120-132 (Vorwort 30.01.1812); „Montgelas-Statistik“ 1811/12 (BSB: Dt Hss Cgm 6844/21 Lit. A).
5.7.5. VERMÖGENSAUSEINANDERSETZUNG
ALS HEMMSCHUH
Wo bereits Stadt- und Dorfgemeinden bestanden hatten,
ging die Gemeindebildung relativ leicht vonstatten. Andernorts
wurden Gerichtsgemeinden zum Teil einfach auf eine
Dorfgemeinde reduziert.
Topographische Verzeichnisse können nur bedingt Hinweise
auf Fortschritte bei der Gemeindebildung bieten, da sie
Ortschaften (Städte, Märkte, Dörfer, Weiler, Einöden) nach
ihrem Erscheinungsbild beschreiben und nicht nach ihrem
Rechtscharakter klassifizieren. Zuverlässiger sind Verzeichnisse,
die auf das Vermögen oder die Finanzen abstellen.
Denn die Vermögensauseinandersetzung war bei der Bildung
neuer politischer Gemeinden im Rahmen der alten
Gerichtsgemeinden vielfach ein entscheidender Punkt.
Hier bietet sich die so genannte „Montgelas-Statistik“ für
einen Überblick an; das Innenministerium in München ließ
die statistischen Berichte der Landgerichte nach Kreisen zu
Folianten binden. Ziehen wir die „Übersicht des Zustandes
des Gemeindevermögens“ heran, die für den Illerkreis für
die Etatjahre 1809/10 und 1811/12 überliefert ist, gewinnen
wir folgendes Bild: Die Landgerichte Montafon, Sonnenberg
(mit Ausnahme des Gerichts Tannberg), Feldkirch und
Dornbirn (mit Ausnahme der Herrschaft Hohenems) wiesen
bereits in der Gemeindevermögensstatistik für 1809/10
die neue Gemeindeeinteilung aus. Für 1811/12 war auch
das Landgericht Bregenz soweit, während die Landgericht
Innerbregenzerwald und Weiler immer noch auf der Ebene
der Gerichte (Stände) abrechneten.
Anstatt der für 1808/09 vorgesehenen Gemeindeformierung
„kam die unselige Insurrektion, welche die frühere
Schuldenlast ungemein erhöhte“, rechtfertigte sich der Innerbregenzerwälder
Landrichter Bereitter im Oktober 1810:
Die „Insurrektions-Kosten und andere Kriegserlittenheiten“
seien noch nicht einmal völlig „liquidiert“ und auch keine
Seite 415

estimmte Grundsätze darüber von höchster Stelle ausgesprochen.
Bei der neuen „Gemeinde-Formation“ werde erst
das Gemeindevermögen ordentlich inventarisiert werden
müssen. 241
Zu Jahresende 1812 berichtete Landrichter Weber, dass im
Landgericht Bregenz das Grundvermögen und die Passiva
der drei vorherigen Gerichte Hofrieden, Hofsteig und Sulzberg
noch nicht verteilt seien. 242
Wenig zu verteilen gab es wohl im Gericht Tannberg. Da es
seit zwanzig Jahren keine Rechnung gestellt habe, entschuldigte
sich der Sonnenberger Landrichter Hauber, konnte für
1811/12 nicht einmal eine Rechnungsübersicht angegeben
werden. 243
Kollege Beer musste aus Weiler melden, obwohl den Vorstehern
der „Distrikte“ Altenburg, Grünenbach, Hohenegg, Kellhöfe,
Simmerberg und Weiler mehrmals der amtlichen Auftrag
erteilt worden sei, Gemeinderechnungen einzuliefern,
sei dies noch nicht geschehen – 244 ein Beispiel dafür, dass
die vermeintliche Allmacht der Landrichter faktisch auch
durch das „Engagement“ der kommunalen Eliten beschränkt
war, denen gerade die zentralisierte staatliche Vermögensverwaltung
wenig Anreiz zu übertriebener Initiative bot.
Doch das Landgericht Weiler zeigt, dass die politische Gemeindebildung
im Zuge der Bildung der Steuerdistrikte der
Vermögensauseinandersetzung weit voraus sein konnte. Es
lieferte bereits am 31. Dezember 1808 eine Übersicht seiner
„Unter-Atbtheilungen“ mit 18 „Distrikten“ samt ihren
„Distrikts-Vorstehern“ liefern und bemerkte dazu: „Bei der
Formirung der künftigen Gemeinden wird diese Distriktseintheilung
einige, aber nicht bedeutende Abänderungen unterliegen
dürfen.“ 245 Inklusive Schönau und Waltrams dürften
es schon bald 19 Gemeinden geworden sein. 246
1814 konnte das Landgericht Sonnenberg endlich auch die
Passiva und Zinsausstände des „Gerichts Thannberg oder
vielmehr der kombinirten Gemeinde Lech-Warth, Schrecken
Seite 416
und Krumbach“ ausweisen, unterschrieben von den Ortsvorstehern.
247 Die fünf Gemeinden, denen Pfarrgemeinen
entsprachen, schienen bereits seit November 1808 in den
Finanzaufsichtstabellen auf, allerdings ohne Zahlen. Noch
in einer Zusammenstellung des Grund- und Häusersteuerkapitals
für 1813/14 scheint deshalb unter den zwanzig Gemeinden
des Landgerichts nur „Tannberg“ auf. 248 Auch für
die „combinirten Gemeinden“ St. Gerold und Blons zeichneten
spätestens ab 1812 zwei Vorsteher das gemeinsame
Schuldeninventar. 249
5.7.6. IM SCHATTEN DER KIRCHTÜRME –
BEISPIEL LANDGERICHT BREGENZ
Im Landgericht Bregenz dürfte die Gemeindebildung grundsätzlich
ebenfalls entlang den Pfarrgrenzen erfolgt sein.
Aus dem Gericht Hofrieden gingen die Gemeinden Hörbranz,
Hintertobel (später „Langen“) und Möggers hervor, die bereits
Pfarreien waren. – Eichenberg (1842 Expositur, 1873
Pfarre) sollte 1922 die Trennung von Möggers ereichen. – Vom
verbleibenden Gerichtssprengel, der noch zur Pfarre Bregenz
gehörte, wurde Lochau im Leiblachtal abgetrennt, das bereits
seit längerem eine Pfarrei anstrebte und über einen eigenen
Geistlichen verfügte. Der Rest wurde zur Gemeinde Vorkloster
zusammengefasst. „Vorkloster“ als ursprünglicher Name des
Steuerdistrikts und der Gemeinde könnte daher rühren, dass
die Errichtung einer Pfarrei mit Zentrum im aufgehobenen
Kloster Mehrerau geplant war. 1810 wurde die Gemeinde in
„Carolinenau“, 1814 wieder in „Vorkloster“, dann in „Rieden“
umbenannt. Von Rieden spalteten sich zwischen 1817
und 1820 Fluh (1820 Expositur, 1872 Pfarre) 250 und 1911 Kennelbach
(1801/02 wieder Expositur, 1863 Pfarre) als selbständige
Gemeinden ab. Die „Restgemeinde“ Rieden fusionierte
1919 mit Bregenz, Fluh 1938/1946.
Das Gericht Hofsteig wurde in die Gemeinden Hard, Lauterach,
Steißberg, Schwarzach und Wolfurt geteilt. Steißberg (ab
1857 „Bildstein“) bestand aus den Pfarrgemeinden Bildstein

Pfarre Sulzberg 1812: Steuerdistrikte Sulzberg und Hinterberg (Leonard Fink)
und Buch, für die 1818/19 für separate Schuldentilgungspläne
ausgehandelt wurden. 251 1817 und 1820 ersuchten die
Bucher um die Loslösung als selbständige politische Gemeinde;
252 vermutlich erfolgte die Trennung 1820/21. 253
Aus dem Gericht Sulzberg schieden Reute (später „Bolgenach“)
und die Exklave Langenegg (später „Oberlangenegg“)
aus, die zur Pfarre Lingenau gehörten, zudem das
Pfarrdorf Riefensberg. 254 Die Pfarre Sulzberg wurde gegen
den Wunsch der Bewohner in die Gemeinden Sulzberg und
Hinterberg getrennt. Ein Ersuchen Hinterbergs, dem Landgericht
Weiler zugeteilt zu werden, blieb 1812 erfolglos. Die
beiden Gemeinden wurden 1819 wieder zu Sulzberg fusioniert.
Dafür begann die 1822 errichtete Kuratie Doren mit
dem Kirchenbau (1853 Pfarre) und erreichte 1846/47 die
Abspaltung als politische Gemeinde.
Seite 417

5.7.7. ZUR ENTFLECHTUNG VON STREITPARTEIEN –
BEISPIEL LANDGERICHT DORNBIRN
Gut unterrichtet sind wir über die Motive der Gemeindebildung
im Landgericht Dornbirn, das die Gerichte Dornbirn
und Höchst-Fußach, die Herrschaft Hohenems und den Hof
Lustenau umfasste. Auf Weisung des Generalkreiskommissariats
reichte am 18. Dezember 1808 Landrichter Ganahl
seine Vorschläge mit einem detaillierten „tabellarischem
Konspekt“ und einer geographischen Handzeichnung
ein. 255 In diesen Plänen mussten gemäß Edikt mit verschiedenen
Linien die bisherige Gemeindegrenze, die Grenze
der Steuerdistrikte, des Pfarrsprengels, des Schulbesuches
und die künftige Gemeindegrenze deutlich eingezeichnet
werden. Für die Pfarre Sulzberg (Steuerdistrikte Sulzberg
und Hinterberg) ist so ein Sprengelplan aus dem Jahr 1812
in schönen Ausführungen erhalten. 256
Dornbirn und Lustenau sollten unversehrt bleiben, Ebnit
und die Judengemeinde aber erwarteten „sehnlichst“ ihre
Trennung von „Ems“, wie Fußach und Gaißau von Höchst,
„denn Ems und Höchst hatten meistens die Hauptvorsteher,
welche die übrigen stets ignorirten, mehr das Interesse der
Haupt- als der untergeordneten Gemeinden beförderten. Daher
entstanden Mißtrauen, Uneinigkeiten und Prozesse.“ 257
Jede der vorgeschlagenen Gemeinden hatte ebenfalls ihre
eigene Pfarrkirche bzw. Synagoge, eigene Schulen und war,
mit Ausnahme der Judengemeinde, als eigener Steuerdistrikt
konzipiert.
Dornbirn (5.167 Seelen) sei zwei groß, habe aber seit jeher
eine Gemeinde gebildet – ebenso Lustenau (2.005 Seelen),
das in seinem „Arrondissement“ ein Patrimonialgericht bilde.
Von Hohenems (2.632 Seelen) seien dagegen Ebnit und
die Judengemeinde, die zum Teil mit Ems verbunden sei,
zu trennen. – Die Judengemeinde (426 Seelen) liege zwar
mitten im Steuerdistrikt Hohenems, ihr „Reale“ bestehe
aber meistens in Häusern, die Hebräer wohnten bereits
Seite 418
Landrichter Josef von Ganahl
alle beisammen und hätten bisher mit der Christengemeinde
wegen den kumulativen Abgaben, die teils auf Realitäten,
teils auf das Kapitalvermögen geschlagen wurden,
beständige Streitigkeiten. Deshalb sei es notwendig ihre
Verbindung ganz aufzuheben, was auch dem Wunsch der
Juden entspreche. – Ebnit (155 Seelen) werde durch eine
Gebirgskette von Ems getrennt, liege zwei Stunden entfernt,
im Winter werde die Kommunikation ganz unterbrochen
und auch zwischen Ems und Ebnit obwalteten wegen
Konkurrenzleistungen beständig Streitigkeiten, die durch
die Separation, um die Ebnit schon so oft gebeten habe,
ganz behoben würden.
Höchst (1.266 Seelen), Fußach (452 Seelen) und Gaißau
(343 Seelen) seien zuvor zum Teil vereinigt gewesen, doch
sie wünschten die völlige Trennung. Sie hätten nun auch
ihren eigenen Steuerdistrikte, die durch natürliche Gräben
und Straßen geschieden seien, und sich seit mehr als 50
Jahren durch beständige Prozesse, besonders Höchst und
Fußach, ganz entzweit. 258
Dornbirn zählte 15-mal mehr Einwohner als Gaißau, Landrichter
Ganahl zählte den Markt trotzdem zu den „Ruralgemeinden“.
Für ihn waren offenbar weniger statistische
Fragen maßgebend, als die Hoffnung, Streitparteien trennen
zu können. Signifikant ist auch hier, dass bereits alle
Gemeinden in Pfarrgemeinden geschieden waren. Das
kleine Gericht Höchst-Fußach war seit Jahrhunderten durch
komplizierte Hoheitsverhältnisse gespalten. Der Vorschlag
wurde verwirklicht, wenn auch nicht umgehend. Landrichter
Ganahl bemerkte im September 1810 zur Vermögensstatistik,
dass Höchst, Fußach und Gaißau mit Jahresbeginn
getrennt worden, Ems und Ebnit in zwei Steuerdistrikte geteilt,
aber hinsichtlich der übrigen Kommunalverwaltungen
noch nicht geteilt worden seien. 259 Zur Frage der Judengemeinde,
die dem Prinzip der Territorialgemeinde widersprach,
merkte er nichts an.
Die jüdische Gemeinde in Hohenems hatte traditionell
auch politisch-administrative Funktionen. Im November

1806 war noch in der k. b. Administrationskanzlei im Palast
die Vorsteherwahl über die Bühne gegangen. 260 Ganahls
Begründung widerspricht Aron Tänzers Darstellung, die
Juden hätten sich vom Übergang zu Bayern eine politische
Vereinigung mit der Christengemeinde erhofft, die dann das
Edikt über die Verhältnisse der jüdischen Glaubenskongregation
im Königreich Bayern vom 10. Juni 1813 schließlich
allgemein vorschrieb, mit dem eine neue und gesegnete Periode
für die Hohenemser Juden an[brach]“, sie von vielen
der „drückenden Fesseln“ befreite. 261 König Max bestimmte
unter anderem: „Die im Königreiche wohnenden Juden, sei
ihr Gewerbe welches immer, bilden keine eigenen Judengemeinden
mehr, sondern bilden mit den christlichen Bewohnern
eine Gemeinde. Sie teilen mit diesen die Gemeinderechte
und Verbindlichkeiten […]“. 262
De facto wurde diese Eingemeindung in Hohenems aber
nicht oder nicht vollständig durchgeführt, vielmehr sollte
1849 die Judengemeinde als politische Personalgemeinde
konstituiert werden und sich 1878 vor dem Verwaltungsgerichtshof
schließlich die Vereinigung mit der territorialen
Christengemeinde erstreiten. Ebnit sollte 1932 hoch verschuldet
Anschluss an Dornbirn finden, die 1938 verfügte
Vereinigung von Höchst, Fußach und Gaißau zur Gemeinde
„Rheinau“ 1946 durch Volksabstimmungen wieder ein
Ende finden. 263
5.7.8. DEFINITIVE BESTELLUNG DER
GEMEINDEORGANE
Wie viele politische Gemeinden bis 1814 tatsächlich gebildet
wurden, lässt sich bisher nur abschätzen, weil in den
Statistiken nicht immer sauber zwischen Gemeinden und
Ortschaften unterschieden wird. Es dürften, mit dem Landgericht
Weiler, gegen 120 gewesen sein. 1817 wurden 105
„Gemeinden und Ortschaften“ den verbliebenen sechs
Landgerichten und dem Patrimonialgericht Lustenau zugewiesen.
264
Erst im Frühjahr 1813 dürften nach Jahren provisorischer Regelungen
allenthalben die Gemeindeorgane entsprechend
dem Edikt für das Gemeindewesen eingesetzt worden sein,
was zur gereizten Stimmung im Land erheblich beigetragen
haben soll. 265 Zum Teil wurde dabei entschieden, welcher
Gemeindeklasse die Märkte zugeordnet werden sollen. So
hätte der Feldkircher Landrichter den Rankweilern einen
„Bürgermeister“ samt fünf „Munizipalräten“ zugestanden,
die für größere Märkte vorgesehen waren, das Generalkreiskommissariat
hielt jedoch einen „Gemeindevorsteher“,
beraten durch die zwei Gemeindeältesten für ausreichend,
wie das für kleinere Märkte und Dorfgemeinden bestimmt
war. 266 Nur neun Städten – darunter Bregenz, Feldkirch und
Bludenz – sowie vier Märkten des Illerkreises bestätigte der
König die gewählten Munizipalräte. 267
5.8. Keine behördliche Auflösung der einzelnen „Stände“
Die ehemaligen Gerichtsgemeinden oder Stände, die die
Vorarlberger Landschaft gebildet hatten, wurden nicht behördlich
aufgelöst. Soweit sie noch Anteil an der landesfürstlichen
Gerichtsbarkeit hatten, das war bei rund der
Hälfte der 24 Stände der Fall, waren sie funktionell und organisatorisch
in Ortsgerichte und Ammannschaften geteilt.
Durch die Einrichtung der Landgerichte mit 1. Jänner 1807
wurden die Ortsgerichte aufgelöst. Die Ammannschaften
verloren ihre vom Landesherrn (Staat) übertragenen Verwaltungsfunktionen.
Durch die Auflösung der Landschaft
mit 1. Mai 1808 büßten sie ihre Landstandschaft ein. Durch
die Einrichtung der politischen Gemeinden wurden sie
letztlich ab 1808 mehr oder weniger rasch auf Vermögensgemeinschaften
der Nachfolgegemeinden reduziert. Auch
die ehemalige Landschaft Blumenegg mit St. Gerold lebte
als „Gericht“ oder „Stand Blumenegg“ noch einige Zeit fort.
Nicht nur die neuen Gemeinden, auch die alten „Gerichte“
hatten den Behörden monatlich ihre Finanzen auszuweisen.
In den ersten Listen des Landgerichts Sonnenberg, die
ab November 1808 ausgewiesen sind, finden wir auch „Ge-
Seite 419

ichtsrechnungen“ für Blumenegg mit St. Gerold, Damüls,
Sonnenberg und Tannberg eingetragen. In späteren, nicht
datierten Konspekten ist übrigens auch Bludenz nicht unter
den Gemeinden, sondern unter den Gerichten aufgelistet.
268 Der Damülser Gerichtskassier teilte dem Landgericht
zu Jahresbeginn 1809 mit, dass die Rechnung bereits vor
einem Jahr gelegt und das Gericht aufgelöst worden sei. 269
Die Gemeinsamkeiten der Gemeinden Damüls und Fontanella
hatten sich erschöpft. Anders sah es bei Ständen aus,
die gemeinsames Vermögen und gemeinsame Schulden
hatten. Vielfach waren Stände untereinander sowie Stände
und Gemeinden über Kredite miteinander verknüpft, die es
zu entwirren, zu tilgen oder umzuschulden galt.
Wie der Reichshof Lustenau blieben sieben der 24 österreichischen
Stände – die Städte Bregenz, Feldkirch und
Bludenz, zudem Dornbirn, Alberschwende, Neuburg und
Mittelberg – in Form politischer Gemeinden bestehen.
Die meisten der übrigen Stände, ebenso die Blumenegger
Landschaft und der Herrschaftsverband Hohenems, lösten
sich auf, sobald die Vermögensfragen geklärt waren.
Die 18 Gemeinden des Standes Rankweil-Sulz rechneten
1816 ab: Aktiva im Wert von 31.506 Gulden (davon 4.050
Gulden für Liegenschaften), standen Passiva von 31.470
Gulden gegenüber; die Verteilung erfolgte nach dem ehemaligen
Steuerfuß. 270
Das ehemalige Gerichtshaus der „Standesgemeinde“ Lingenau
wurde 1829 nach längerem Zwist versteigert, der
Erlös auf die Nachfolgegemeinden Lingenau, Hittisau und
Sibratsgfäll aufgeteilt. 271
Die Aktiva des Standes Sonnenberg bestanden zuletzt nur
noch in Obligationen. Der jährliche Zinsertrag wurde nach
Abzug der Verbindlichkeiten je zur Hälfte nach Seelenzahl
und Grundsteuerkapital auf zehn „ständischen Gemeinden“
aufgeschlüsselt und zugeteilt, zu denen auch die der
Gemeinde Lech zugeschlagene Fraktion Omesberg zählte.
Der Stand Sonnenberg legte dem Landesausschuss jeden-
Seite 420
falls bis einschließlich 1883 Standesrechungen vor. Die Aufteilung
des Standesvermögens wurde durch den jährlich an
Baron Sternbach zu leistenden Lehenkanon und die „Almosenabgabe“
an das Kapuzinerkloster Bludenz behindert,
die es zuerst abzulösen galt. 272
In den Gemeinderechnungen und -inventaren, die der Landesausschuss
als Gemeindefinanzaufsicht zu prüfen hatte
und die ab 1865 vorliegen, sind nur noch Rechnungen des
Standes Sonnenberg überliefert sowie der Stände Montafon
und (Hinter-)Bregenzerwald, die heute noch bestehen,
wobei die Montafoner Standesverwaltung auch die Verwaltung
von Waldungen und „Konkurrenzen“ übernahm, an
der nicht alle zehn Standesgemeinden oder auch Nicht-
Montafoner Gemeinden beteiligt waren.
Die Konkurrenzen – es handelt sich um Lastenverbände –
verschiedener Stände und verschiedener Gemeinden dauerten
fort oder wurden neu begründet, wie Straßen-, Brücken-,
Wuhr-, Marsch- oder Schulkonkurrenzen. Sie sind
Vorläufer der heutigen Gemeindeverbände.
6. Im Ergebnis
Als Napoleon 1813 die Fortune verließ, wechselte Bayern
noch rechtzeitig an Österreichs Seite. Am Rande der Friedensverhandlungen
in Paris gestand es in einem Geheimvertrag
vom 3. Juni 1814 zu, Vorarlberg ohne das Landgericht
Weiler wieder an Österreich zurückzustellen. 273 Am 7.
Juli gab Generalkreiskommissär Joseph von Stichaner im Auftrag
seines Königs in der Bregenzer Stadtkanzlei dem österreichischen
Hofkommissär und provisorischen Landeschef von
Tirol Anton von Roschmann feierlich „das Land Vorarlberg mit
Ausnahme des Landgerichts Weiler, wie ein anvertrautes Pfand
wieder zurück“ und entband die Beamten, Gemeindevorsteher
und Pfarrer des Treueids auf Bayern. 274 Vergeblich versuchte
Bayern, weiterhin Ansprüche auf Hohenems und Lustenau
durchzusetzen, die in diesem Vertrag nicht ausdrücklich erwähnt
waren. Umgekehrt erfüllten sich die Hoffnungen der

Bewohner des Landgerichts Weiler, wieder zu Österreich zurückkehren
zu können, ebenfalls nicht.
Die Vertreter der übrigen ehemaligen Stände, die am 13. Juli
1814 in Feldkirch tagten, hofften nicht nur, das Westallgäu
zurückzugewinnen. Sie waren gerne bereit, die neuen Landesteile
Lustenau, Hohenems, Blumenegg und St. Gerold
in ihre Landschaft aufzunehmen, die in Feldkirch bereits
vertreten waren. Dasselbe stellten sie den Bewohnern der
Herrschaften Vaduz und Schellenberg in Aussicht, sofern
Liechtenstein an Österreich fiele. 275
Das Fürstentum Liechtenstein sollte jedoch als einziger
ehemaliger Rheinbundstaat die Zeiten als mehr oder weniger
souveräner Staat überdauern, während Bayern 1871
(vollends 1919) im Deutschen Reich aufging. 1844/1850
legten Österreich und Bayern ihren genauen Grenzverlauf
in Vorarlberg vertraglich fest.
Die alten Eliten hofften vergeblich auf eine Restauration
der ständischen Verfassung. Die Vorarlberger Landstände
wurden 1817 nur auf dem Papier wiedererrichtet, ohne
Einbeziehung der neuen Landesteile Lustenau, Hohenems,
Blumenegg und St. Gerold. Erst im Revolutionsjahr 1848
sollte erstmals ein Landtag tagen, auf dem ganz Vorarlberg
vertreten war.
Bis dahin garantierte die staatliche Verwaltungsorganisation
die Landeseinheit. Bei der provisorischen Neuorganisation
der Verwaltung übernahm Österreich in Vorarlberg die
bayerischen Strukturen. 276 Anstelle des 1808 aufgelösten
Kreiskommissariats wurde, ebenfalls als reine Verwaltungsbehörde,
wieder ein Kreisamt für Vorarlberg errichtet
und der Regierung in Innsbruck unterstellt. Im Rahmen der
Staats- und Verwaltungsreform von 1849 wurden die Kreisämter
abgespeckt und 1860 ganz aufgelöst.
Auf der unteren Behördenebene blieb es bei den sechs
Landgerichten. Eine Initiative zur Errichtung eines eigenen
Landgerichts für das ehemalige Blumenegg, St. Gerold und
König Maximilian gibt die Vorarlbergischen Herrschaften an
Österreich zurück, München 19. Juni 1814
Damüls (alle Landgericht Sonnenberg) mit Sitz in Thüringen
blieb 1817 erfolglos; 277 ebenso ein Antrag des Kreisamtes
von 1827, die Gemeinden Lustenau (Patrimonialgericht
Lustenau), Hohenems und Ebnit (Landgericht Dornbirn),
Altach, Mäder, Götzis und Koblach (Landgericht Feldkirch)
zu einem Landgericht mit Sitz in Hohenems zusammenzufassen.
278 1835 unternahm die Gemeinde Egg einen Vorstoß,
den Sitz des Landgerichts Bregenzerwald von Bezau nach
Egg zu verlegen. 279 1839 lehnte des Appellationsgericht
Innsbruck die Errichtung eines weiteren Landgerichts für
den äußeren Bregenzerwald mit Sitz in Hittisau ab. 280
Justiz und Verwaltung wurden auf Bezirksebene erst 1850
getrennt (in Bayern 1862), 1854 wieder zusammengeführt
und 1868 endgültig Bezirksgerichten und Bezirkshauptmannschaften
übertragen. Noch heute verfügt Vorarlberg
über die sechs Gerichtssprengel aus der Bayernzeit, auch
wenn sie zum Teil etwas verändert wurden. Die bayerischen
Rentämter Bregenz und Feldkirch bestehen bis heute als
Finanzämter fort.
Ob die Gräfin Wolkenstein um eine Wiedererrichtung ihres
Patrimonialgerichts Neuburg ansuchte, bliebe zu prüfen.
Die forschen Erwartungen des jungen Ludwig Anton Freiherr
von Sternbach erfüllten sich nicht. 281 Nur das Patrimonialgericht
Lustenau der Grafen Waldburg-Zeil wurde 1817 mit
Sitz in Hohenems wiedererrichtet, und als Verlustgeschäft
schließlich heimgesagt und 1830 voll in das Landgericht
Dornbirn integriert. 282
Auch die neuen Gemeindestrukturen behielt die österreichische
Verwaltung wohl gerne bei. Mit der Zentralisierung
des Stiftungs- und Kommunalvermögens übernahm sie jedoch
eine schwere Hypothek, die es mühsam abzutragen
galt. 1817 ließ die Zentral-Organisierungs-Hofkommission
im Zusammenhang mit der Gemeinderegulierung und der
Vorsteherwahl die Natur und Beschaffenheit der ehemals
bestandenen Ammannschaften prüfen. 283 Die Gemeinderegulierung
für Tirol und Vorarlberg knüpfte 1819 im Wesentlichen
jedoch an die bayerischen Reformen an; 284 weiterhin
Seite 421

unter den Vorzeichen eines zentralistischen Absolutismus,
den 1848 bürgerliche Revolutionen ins Wanken brachten.
Das Provisorische Gemeindegesetz von 1849 gab schließlich
für ganz Österreich den Anstoß zur Bildung von Ortsgemeinden
mit einem „natürlichen“ und einem vom Staat
„übertragenen“ Wirkungskreis. Es dauerte aber noch geraume
Zeit, bis der vielbemühte Artikel I – „Die Grundfeste
des freien Staates ist die freie Gemeinde“ – Gestalt annehmen
konnte, 285 denn dieses Gesetz wurde nach drei Jahren
wieder aufgehoben. Der 1861 errichtete konstitutionelle
Vorarlberger Landtag nahm sofort Beratungen über eine
neue Gemeindeordnung auf der Grundlage des Reichsgemeindegesetzes
von 1862 auf, die Kaiser Franz Joseph 1864
schließlich genehmigte.
1817 zählte Vorarlberg knapp 100 Gemeinden, 1838 und 1917
waren es jeweils 104, 1937 99 und 1945 90 Gemeinden. Die
1938, zu Beginn der nationalsozialistischen Diktatur, unsystematisch
verfügten Zusammenlegungen wurden 1946 durch
Volksabstimmungen großteils wieder rückgängig gemacht.
Im bei Bayern verbliebenen Westallgäuer „Vorarlberg“ wurde
die Zahl der Gemeinden halbiert, in Österreich war das insgesamt
allein seit 1945 der Fall. In Vorarlberg dagegen blieb es
seit 1947 unverändert bei 96 Gemeinden, mit dem höchsten
Anteil an Klein- und Kleinstgemeinden aller Bundesländer. 286
Eine Kommunalstrukturreform war in Vorarlberg seit 1808 nie
mehr ein ernsthaftes Thema. Hier blieben weitgehend die alten
Kirchtürme bestimmend.
Im Ergebnis kehrten die ehemaligen österreichischen Herrschaften
vor dem Arlberg und Lustenau nach der bayerischen
Metamorphose als staatrechtlich integriertes Land
Vorarlberg zu Österreich zurück, in seinen heutigen Grenzen.
„Jetzt beschäftiget das Landgericht Bregenz schon mehr
Beamte als damals das ganze Kreis- und Oberamt hatte,“
klagte der Kreisamtskanzlist Gebhard Roder, „so daß man
sagen kann, daß mit dem Jahr 1806 als Vorarlberg bayerisch
wurde, der Segen Gottes gewichen, Unheil eingetreten ist
Seite 422
und auch fortgepflanzt wurde bis auf die gegenwärtige Zeit
1848.“ 287 Nüchtern betrachtet dürfte Vorarlberg von der Professionalisierung
seiner Verwaltung sehr profitiert haben.
Die bayerischen Reformen prägten nachhaltig die territorialen
Organisationsstrukturen der Vorarlberger Verwaltung
auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene – und damit
nicht zuletzt die lokalen und regionalen Identitäten. Mit
dieser modernen Verwaltungsstruktur war Vorarlberg bei
seiner Rückkehr 1814 den meisten österreichischen Kronländern
um mindestens eine Generation voraus. Wir dürfen
sie zu den günstigen Voraussetzungen zählen, die den wirtschaftlichen
Aufschwung im Industriezeitalter ermöglichten
und letztlich auch zur Modernisierung der Gesellschaft beitrugen.
Anhang:
Allerhöchstes Reskript vom 16. November 1806 die
Organisation von Vorarlberg betreffend
Quelle: RBl. 1806, S. 433-441 (49. Stück, 03.12.1806).
Wir Maximilian Joseph, von Gottes Gnaden König von
Baiern.
Wir haben uns über die Verhältnisse Unserer vorarlbergischen
Herrschaften umständlichen Vortrag erstatten lassen,
und hierauf folgende Bestimmungen zu treffen, für gut
befunden:
1. Der bisher unter dem Namen der vorarlbergischen
Herrschaften begriffene Landes-Bezirk bleibt Unserer
Provinz Schwaben zugetheilt, bis Wir im Allgemeinen
wegen Eintheilung der Bezirke Unseres Reiches eine
andere Verfügung treffen.
2. Die in diesem Landestheile gelegenen bisher fremdartig
behandelten Inklaven werden mit demselben vereiniget,
und sind in der allgemeinen Aemter-Organisation
mit begriffen.

3. Diesemnach werden folgende Gebieths-Theile vollkommen
einverleibt:
a. die Herrschaft Blumenegg;
b. die Probstey St. Gerold,
c. die ritterschaftlichen Besitzungen Schinau und
Waltrams, welche in der Eigenschaft von Patrimonial
-Gerichten der Landeshoheit unterworfen werden,
d. die Herrschaft Ettenhofen [richtig: Ellhofen], und
e. der sogenannte Reichshof Lustenau.
4. 288289Die fürstlich-Lichtensteinische Herrschaft Vaduz
ist als souveränes Gebieth außer Verbindung mit
der gegenwärtigen Organisation.
5. Die bisher in Vorarlberg bestandenen Ober- und Unter-
Aemter werden, als mit dem in Unseren übrigen Staaten
eingeführten Verwaltungs-Systeme unvereinbarlich,
gänzlich aufgelöset, um einer assimilirten Einrichtung
Platz zu geben.
6. Dem zu Folge zessiren 288 in Zukunft folgende Aemter
und Rezepturen 289 :
a. das vorarlbergische Kreis- und Ober-Amt Bregenz,
b. das Obervogtey-Amt zu Feldkirch,
c. das Ober-Amt der Herrschaft Hohenegg,
d. das Obervogtey-Amt der Herrschaften Blumenegg,
und St. Gerold,
e. das Administrations-Amt zu Hohenems,
f. das Oberamt des Stiftes Mehrerau,
g. die Administration des Priorats St. Johann, und die
Amts-Ammanschaften der St. Gallischen und Stift-
Churischen Besitzungen, und die Rezeptur zu Bendern,
h. das ehemalige kaiserliche freye Landgericht in
Mysinen. 290
7. Den aus den neuen Verhältnissen hervorgehenden Modifikationen
werden unterworfen: 291
a. das Obervogtey-Amt des Freyherrn von Sternbach zu
Pludenz,
b. das gräflich Harrachische Obervogtey-Amt zu
Hohenems,
c. sämmtliche Landammanschaften und Dorfgerichte,
deren Wirkungskreis, bey Uebertragung der hohen
und niederen Gerichtsbarkeit und Polizey-Gewalt
an die Landgerichte, auf die ökonomische Verhältnisse
ihres Bezirkes, und der landständischen Repräsentation
zurückzuführen ist.
8. Die Verwaltung des ganzen Bezirkes wird, nach dem
Vorgange in Unseren übrigen Staaten, abgesonderten
Justiz- und Kameral-Aemtern übertragen.
9. Hiezu bestimmen Wir, nach den Uns vorgelegten statistischen
Notizen, sieben Landgerichte, zwey Stadtgerichte
und zwey Rentämter.
10. Die sieben Landgerichte sollen seyn: Weyler, Bregenz,
Inner-Bregenzer-Wald, Dornbirn, Feldkirch, Sonnenberg
und Montafon.
11. Die zwey Stadtgerichte werden angeordnet in Bregenz
und Feldkirch.
12. Die zwey Rentamts-Bezirke sind: Bregenz und Feldkirch,
welche jedoch alle ihre Gefäll-Register und Rechnungen
nach den sieben Landgerichten separirt halten sollen.
13. Das Landgericht Weyler enthält die vormals allgäuische
Gerichte: Altenburg, Grünenbach mit Schinau, die Herrschaft
Hohenegg mit Waltrams, Kellhöf, und Simmerberg.
14. Zum Sitze des Landgerichtes bestimmen Wir den Marktflecken
Weyler. Da aber in demselben kein Aerarial-
Gebäude 292 vorhanden ist, so ist es Uns genehm, daß
die betheiligten Gemeinden, nach ihrem Anerbiethen,
eine angemessene Amtswohnung ankaufen; wogegen
Wir die Herstellung eines Gefängnißortes auf Unsere
Kosten übernehmen, wozu der Erlös aus dem auf geeignetem
Wege zu verkaufenden Amtshause zu Weitenau
zu verwenden ist. 293
15. Das Landgericht Bregenz besteht aus dem vormaligen
Gerichten Alberschwende, Hofrieden, Hofsteig und
Sulzberg.
16. Der Sitz des Landgerichts ist in der Stadt Bregenz, indem
Wir erwarten, daß der Magistrat daselbst die
nöthigen Amts-Gebäude auszeigen werde. Sollte dieß
mit Anstände verbunden seyn, so ist der Sitz des Landgerichts,
und des Rentamts in das zunächst gelegene
Stift Mehrerau zu versetzen. Der Thurm der Altstadt Bregenz
ist zum Gefängnisse zu verwenden. 294
Seite 423

17. Das Landgericht Inner-Bregenzer-Wald enthält folgende
Bestandtheile: den Inner-Bregenzer-Wald, das Gericht
Lingenau, das Gericht Mittelberg.
18. Zum Sitze des Landgerichts bestimmen Wir den Ort
Betzau, wo sich bereits ein taugliches Amts-Gebäude
befindet. Jedoch haben die hinterbetzeckischen Gemeinden
auf ihre Kosten die erforderlichen Gefängnisse
in Betzau herzustellen. 295
19. Da das zu diesem Landgerichts-Bezirke gehörige, und
einem andern Landgerichte dermal nicht wohl zuzutheilende
isolirte Gericht Mittelberg manchmal, besonders
in den Wintermonaten, auf längere Zeit durch die
Unzugänglichkeit der Wege von dem Landgerichtssitze
ganz getrennt ist; so genehmigen Wir, daß für jenen Zeitraum,
wo durch Schnee und Witterung die Kommunikation
mit Betzau abgeschnitten ist, dem in Mittelberg
dermal bestehenden, von der Gemeinde besoldeten
Gerichtsschreiber die unverschieblichen Landgerichts-
Geschäfte, mit Vorbehalt der definitiven Entscheidung
und Bestätigung des Landrichters, welche nach wiederhergestellter
Kommunikation sogleich zu erholen ist,
zur provisorischen Verhandlung übertragen werden.
20. Das Landgericht Dornbirn ist zusammengesetzt aus
dem Gerichte Dornbirn, dem Gerichte Höchst und Fussach,
Hohenems, und dem Reichshof Lustenau.
21. Der Sitz des Landgerichts ist in Dornbirn, wo bereits ein
taugliches Amtshaus vorhanden ist; und die nöthigen
Gefängnisse, wenn sie nicht schon bestehen, hergestellt
werden sollen.
22. Das Landgericht Feldkirch hat folgende Bestandtheile:
das Gericht Rankweil und Sulz, das Gericht Neuburg,
und das Gericht Jagdberg.
23. Der Sitz des Landgerichts ist in der Stadt Feldkirch, wo
die angemessenen Amtswohnungen und Gefängnisse
unter den ärarialischen Gebäuden 296 auszuwählen
sind.
24. Das Landgericht Sonnenberg besteht aus nachfolgenden
Gerichten: Sonnenberg, Damils, Thannberg,
dann der Herrschaft Blumenegg, und St. Gerold.
Seite 424
25. Für den Sitz des Landgerichts wird der Ort Nuziders
[richtig: Nüziders] bestimmt, bis die Verhältnisse die
angemessene Verlegung nach Pludenz räthlich machen.
Die bereits in Nuziders bestehende Amtswohnung ist
jedoch zum Gebrauche des Landgerichts zu überlassen;
so wie die Gemeinden nach ihrem Anbiethen die
noch abgängigen Gebäude herzustellen haben. 297
26. Da die Berggerichte Damils und Thannberg manchmal,
besonders im Winter, längere Zeit gar keine Kommunikation
mit dem Gerichtssitze haben, so gestatten Wir, daß
für diese Zeit die bereits dort bestehenden brauchbaren
Gerichtschreiber in dringenden Fällen die Kontrakte und
Verlassenschafts-Inventarien, auch Pfändungs- und
Einschätzungs-Verhandlungen aufnehmen können;
jedoch mit der Verbindlichkeit, dieselbe, sobald die
Kommunikation mit dem Landgerichte Sonnenberg wieder
offen ist, zur Revision und definitiven Berichtigung
dahin einzusenden. Die von diesen Gerichtsschreibern
interimistisch aufgenommene Vertrags-Notirungen und
Aufzeichnungen dürfen auch niemal[s] das Mutter-Protokoll
bilden; sondern müssen erst in das Briefs-Protokoll
des Landgerichtes eingetragen, und von diesem
die Vertrags-Urkunden aus demselben für die Theile
ausgezogen werden. Diese Verfügung gilt auch für den
Gerichtsschreiber in Mittelberg (§. 19.) 298
27. Das Landgericht Montafon enthält die bisherige
Landammanschaft Montafon.
28. Der Sitz des Landgerichtes ist in dem Orte Schruns, wo die
Landammanschaft, nach ihrem Anerbiethen, die erforderlichen
Amtsgebäude auf ihre Kosten herzustellen hat. 299
29. Das Stadtgericht Bregenz, welches jedoch seinen Wirkungskreis
nicht weiter, als auf die Gemarkung der
Stadt erstrecket, erhält einen eigenen Stadtrichter,
welchem Wir zugleich die Funktionen eines Stadt- und
Polizey-Kommissärs übertragen wollen.
30. Auf gleiche Art wird die Stadt-Markung von Feldkirch
ein Stadtgericht aufgestellt, und demselben ein eigener
Stadtrichter vorgesetzt, welchem Wir zugleich die Stellen
eines Stadt- und Polizey-Kommissärs anvertrauen.

31. Wegen des Stadtgerichtes in Pludenz behalten Wir Uns,
nach näher hergestellten Verhältnissen der Baron-Sternbachischen
Rechte und Privilegien, das Weitere bevor.
32. Das Rentamt in Bregenz erstrecket seinen Wirkungskreis
auf die Landgerichts-Bezirke von Weyler, Bregenz,
Inner-Bregenzer-Wald, und Dornbirn, dann das Stadtgericht
Bregenz.
33. Das Rentamt in Feldkirch bereitet sich aus über die
Landgerichte Feldkirch, Sonnenberg und Montafon,
dann die Stadtgerichte Feldkirch, und Pludenz.
34. Ueber diesen ganzen Landestheil, welcher nunmehr in
sieben Landgerichte, – zwey, respektive drey Stadtgerichte,
– und zwey Rentämter eingetheilt ist, wollen Wir,
um das nöthige Mittelorgan zwischen der Landesstelle,
und den unteren Aemtern herzustellen, ein eigenes
Kreisamt anordnen, welches seinen Sitz in Bregenz hat,
und aus einem Kreis-Kommissär, und Kreisamts-Aktuar
bestehen soll.
35. Bis hierüber eine allgemeine nähere Instruktion erfolgt,
ist dem Kreisamte insbesondere die Einweisung der
neuen Aemter; – die Zurechtweisung und beständige
Aufsicht über die Beamte zur richtigen Befolgung der
allerhöchsten Verordnungen; – die Oberaufsicht über
die Wirkungen der Gesetze; – die Besorgung der Militär-
Konscription; – die höhere Polizey, und die Erhaltung
der öffentlichen Ruhe im Allgemeinen zu übertragen.
36. Jedes Landgericht besteht aus einem Landrichter, einem
Aktuar, nebst dem nöthigen Schreiber-Personal, einem
Landgerichts-Arzte, und einem Langerichts-Diener.
37. Wegen der Organisation der Stadtgerichte, rücksichtlich
des Personals, behalten Wir Uns die weitere Bestimmung
vor, und wollen dermal nur festsetzen, daß
den Stadtrichtern und Stadt-Kommissären ein Stadtgerichts-Aktuar,
und ein Polizey-Kommissions-Aktuar
beygegeben werden sollen.
38. Jedem Rentamte wird, außer dem nöthigen Schreiber-
Personal, ein Rentamts-Bothe beygegeben.
39. Wegen den Besoldungen des Kreisamtes sind die allgemeinen
Bestimmungen zu erwarten.
40. Die Besoldungen bey den Landgerichten werden folgendermassen
bestimmt:
a. Ein Landrichter erhält fixen Gehalt 1000 fl., und als
Zulage 16 Kreuzer von jeder Familie seines Landgerichtes.
300 Für Haltung eines Reitpferdes 124 fl.; für
die Behölzung 301 per aversum 302 115 fl., dann ein
Drittheil der ersten beyden Besoldungs-Rubriken für
das Schreiber-Personal.
b. Der Aktuar erhält das Drittheil der beyden ersten
Gehalts-Rubriken des Landrichters.
c. Ein Landgerichts-Arzt erhält, nebst der Belassung
der bisherigen Emolumente, 303 welche jedoch einer
förmlichen Revision zu unterwerfen sind, eine jährliche
Besoldung von 400 fl.
d. Ein Gerichts-Diener erhält zum fixen Gehalte 300 fl.;
für die Haltung eines Reitpferdes und die Kleidung
130 fl.; für den Unterhalt eines jeden Knechtes 110 fl.,
und für die Kleidung der Knechte 40 fl.
41. Was die Besoldungen bey den Stadtgerichten betrifft,
folgt späterhin bey den Personal-Bestimmungen.
42. Ein Rentbeamter erhält zum fixen Gehalte 1200 fl.; ein
Prozent vom Bruto-Ertrage; ein Drittheil dieser beyden
Rubriken für das Schreiber-Personal, dann für Holz ein
Aversum 304 von 115 fl.
Da es übrigens, bey der großen Ausdehnung der Rentamts-Bezirke,
einigen Unterthanen zu beschwerlich
wäre, einen so entfernten Ort für die Einhebung der
Gefälle 305 bestimmt zu sehen, so wollen Wir zur Erleichterung
derselben verordnen, daß der Rentbeamte von
Bregenz jene Gefälle des Landgerichtes Inner-Bregenzer-Wald,
deren Einnahme auf gewisse Tage fixirt werden
kann, in dem Orte Betzau, – und der Rentbeamte
von Feldkirch jene Gefälle des Landgerichtes Montafon,
welche auf gleiche Art bestimmt werden könne, in dem
Orte Schruns einnehmen soll.
Anstatt der Diäten 306 wollen Wir denselben hiefür, so
lange diese entfernte Einhebung dauert, für Haltung
eines Reitpferdes jährlich 124 fl. bewilligen.
Ein Rentamts-Bothe erhält zur jährlichen Besoldung
200 fl., und zur Kleidung 28. fl.
Seite 425

43. Zum Kreiskommissär über die sieben Landgerichte,
Weyler, Bregenz, Inner-Bregenzer-Wald, Dornbirn,
Feldkirch, Sonnenberg und Montafon, ernennen Wir
den bisherigen Kreishauptmann und Landvogt, Franz
von Vintler, 307 mit dem Titel, Range und Uniform eines
Landesdirektions-Rathes, wobey derselbe zugleich
ständischer Präses bleibt, und seine bisherige Gehaltsbezüge
behält.
Zum Kreisamts-Aktuar ernennen Wir den bisherigen
provisorischen Oberamts-Protokollisten zu Bregenz,
vormals Baron Sternbachischen Obervogt zu Pludenz,
Johann Peter Vögel, mit einstweiliger Belassung seiner
bisherigen Taggebühren von 2. fl. – Nach den von
demselben angerühmten vorzüglichen Eigenschaften
behalten Wir Uns dessen weitere angemessene Anstellung
bey schicklicher Gelegenheit bevor. 308
44. Zum Landrichter zu Weyler ernennen Wir den bisherigen
Oberbeamten und Rentmeister in Hohenegg, Joseph
Gebhard Beer. 309
Wegen der Stelle des Landgerichts-Aktuars wird Unsere
weitere Entschließung nächstens folgen.
Zum Landgerichts-Arzte ernennen Wir den bereits zu
Weyler wohnenden Doktor Madlener. 310
Die Landgerichts-Dienststelle ist dem bisherigen Gerichtsdiener,
Johann Georg Imler, 311 zu übertragen.
45. Zum Landrichter in Bregenz ernennen Wir den dortigen
provisorischen Oberamtsrath, Johann Nepomuk Moz. 312
Als Landgerichts-Aktuar ist dermal der provisorische
Amts-Sekretär, Gebhard Aberer, 313 zu verwenden. Demselben
ist jedoch eben so, wie andern ehemaligen
wirklichen Staatsdienern, welche dermal als Aktuare
gebraucht werden, die Fortdauer ihrer Existenz, als
wirklichen Staatsdienern mit den aus der Dienstpragmatik
für sie, ihre Wittwen und Kinder hervorgehenden
Wirkungen zu versichern. 314
Die Stelle eines Landgerichts-Arztes übertragen Wir dem
bisherigen Kreisarzte, Rosenstiel in Bregenz, 315 dem Wir
neben seiner Besoldung auch das bisher von dem Stifte
Mehrerau genossene Salarium dergestalt belassen wollen,
daß er auch in Kreisärztlichen Geschäften sich von
Seite 426
Landgerichtsarzt Franz Josef Griß
dem Kreiskommissär gebrauchen lassen soll.
Als Landgerichtsdiener ist der bisherige Kanzleydiener
bey dem Kreis- und Oberamte zu Bregenz, Jakob Walser,
zu verwenden.
46. Zum Landrichter des Inner-Bregenzer-Waldes ernennen
Wir den bisherigen provisorischen Administrator von
Hohenems, Johann Georg Bernuter [richtig: Bereitter]. 316
Ueber die Besetzung der Landgerichts-Aktuars-Stelle
wird Unsere Entschliessung nachfolgen.
Als Landgerichts-Arzt soll der bereits in Schwarzenberg
angestellte Doktor, Winkler [richtig: Winder], verwendet
werden. 317
Als Landgerichtsdiener ist der bisherige Gerichts- und
Landammansdiener zu Betzau, Metzler, aufzustellen. 318
47. Zum Landrichter in Dornbirn ernennen Wir den bisherigen
Syndikus der untern Landschaft und der Stadt
Bregenz, von Ganal. 319
Als Landgerichts-Aktuar ist der provisorische Kreisamts-Protokollist,
Joseph Ignaz Matt, zu gebrauchen. 320
Zum Landgerichts-Arzte ernennen Wir den bisher in Hohenems
angestellten Doktor Holstein [richtig: Hollenstein].
321
Die Gerichtsdieners-Stelle hat der bisherige Gerichtsdiener,
Vogel zu Hohenems, 322 provisorisch zu versehen.
48. Zum Landrichter in Feldkirch ernennen Wir den bisherigen
Landschreiber von Rankweil, Christoph von Gugger,
323 so wie zum Landgerichts-Aktuar den Kreisamts-
Praktikanten, und vormaligen Obervogt in Großkötz,
von Funkner. 324
Als Landgerichts-Arzt wird der Stadtrath, Doktor Gries
[richtig: Griß], zu Feldkirch angestellt. 325
Als Gerichtsdiener ist der bisherige Gerichtsdiener und
Waibel zu Rankweil, Erne, 326 zu verwenden.
49. Zum Landrichter des Gerichtes Sonnenberg ernennen
Wir den bisherigen Landschreiber, von Buun [Vonbun]
zu Nuziders. 327
Wegen der Besetzung der Landgerichts-Aktuars-Stelle
folgt Unsere Entschließung nach.
Die Stelle eines Landgerichts-Arztes wollen Wir dem

Doktor Ganal zu Pludenz übertragen. 328
Als Gerichtsdiener ist ein bereits besoldetes, taugliches
Subjekt anzustellen.
50. Zum Landrichter des Gerichtes Montafon ernennen Wir
den vormaligen Landschreiber des Inner-Bregenzer-
Waldes, Maximilian von Gugger. 329
Die Landgerichts-Aktuarsstelle werden Wir nächsten
besetzen.
Zum Landgerichts-Arzte wollen Wir den bisher in Satteins
wohnhaften Doktor Bertsch ernennen. 330
Als Gerichtsdiener wird der bisherige Kerkermeister in
Bregenz, Wilhelm Schmidt, angestellt.
51. Zum Stadtrichter und Stadt- und Polizeykommissär in
Bregenz ernennen Wir den bisherigen Landschreiber
des Inner-Bregenzer-Waldes, Moßbrugger. 331
Die Besoldung dieses Beamten wird auf jährliche 1200
fl. dergestalt festgesetzt, daß hievon 600 fl. aus der
Staatskasse, und 600 fl. von dem städtischen Aerar gegeben
werden.
Die Stadt hat zugleich für eine angemessene Amtswohnung
zu sorgen; wogegen Wir die Behölzung mit jährlichen
18 Klaftern auf ärarialische Kosten übernehmen.
Als Aktuar des Stadtgerichts ist der Kanzellist und städtische
Quartiermeister Schneider, 332 der von der Stadt
besoldet wird, anzustellen.
Ueber die Ernennung des Polizey-Aktuars, welcher, wie
die Polizeydiener, seine Besoldung ebenfalls aus dem
städtischen Aerar erhält, wird Unsere Entschließung
nachfolgen.
52. Zum Stadtrichter und Stadt- und Polizeykommissär in
Feldkirch ernennen Wir den bisherigen Rentmeister bey
dem Obervogtamte in Feldkirch, Aloys Eberlin, 333 dessen
Besoldung auf 1200 fl. festgesetzt wird, wovon die
eine Hälfte das Staats-Aerar, und die andere Hälfte die
städtische Kasse zu tragen hat. – Die Stadt wird für eine
angemessene Amtswohnung sorgen. – Die Behölzung
mit 18 Klaftern übernehmen Wir auf ärarialische Kosten.
Die Stellen des Stadtgerichts- und Polizey-Aktuars werden
Wir nächstens besetzen.
53. Die Administration in Pludenz hat einstweilen fortzubestehen,
bis, nach den mit dem Baron von Sternbach
berichtigten Verhältnissen, eine definitive Organisation
eintreten kann.
54. Das Rentamt in Bregenz hat der bisher als Kommissär
gebrauchte Oberamtsrath Höcht noch ferner provisorisch
zu versehen, 334 bis dasselbe ebenfalls definitiv
organisirt wird.
Als Rentamtsbothe ist der bisherige Oberamtsbothe,
Joh. Adam, anzustellen.
55. Zum Rentbeamten in Feldkirch ernennen Wir den bisherigen
Obervogt von Blumenegg, Fr. Anton Fritscher
[richtig: Fritschner], 335 – und zum Rentamtsbothen den
bisherigen Kanzleydiener, Joseph Zipper. 336
56. Ueber das noch übrige, bisher in Vorarlberg angestellte
Personal wollen Wir folgende Bestimmungen treffen:
a. Der erste Oberamtsrath in Bregenz, Ludwig Isfordink
wird, mit Beybehaltung seines Ranges und vollen
Gehaltes, dergestalt in den Ruhestand versetzt, daß
er die rückständigen Arbeiten bey dem Oberamte
noch erledigen, und dann auf die Anweisung des
Kreiskommissärs sich zu denjenigen Geschäften ge
brauchen lassen soll, welche ihm besonders anvertrauet
werden. 337
b. Dem provisorischen Landschreiber zu Feldkirch, Georg
Feuerstein, wollen Wir mit einem Quieszenten-
Gehalte von 900 fl. den Acceß 338 bey Unserm Hofgerichte
zu Memmingen bewilligen, bis sich für denselben
eine schickliche Gelegenheit zur definitiven Anstellung
in Tyrol oder in Schwaben ergeben wird. 339
c. Der bisherige Rentamts-Kontrolleur und Registrator,
Karl Fidel Flatz, 340 ist, bis zur neuen Maut-Einrichtung,
auf das eröffnete Oberzollamt Feldkirch zu versetzen.
d. Bis auf diesen Zeitpunkt bleibt auch das sämmtliche
Zoll- und Weggelds-Personal in seinem dermaligen
Stande.
e. Der Oberamtmann des Stiftes Mehrerau, Franz Anton
Einser, ist, nach vorschriftmäßiger Revision seiner
Dienstesfassion, bis auf weiters zu quiesziren; 341 so wie
Seite 427

f. der vorige Administrator Bergmann zu Razins, 342 der
einen Quieszenten-Gehalt von 400 fl. zu beziehen
hat, bis er in eine angemessene Stelle einrücken
kann.
g. Wegen der successiven Einreihung der einstweilen
zu quieszirenden Oberamts-Kanzellisten haben Wir
Unserm General-Landes-Kommissariat zu Ulm eine
angemessene Weisung ertheilt.
h. Der bisherige Oberamtmann des Domkapitels zu
Chur, Adrian von Häusler ist mit einer Pension von
500 fl. in die Ruhe zu setzen. 343
i. Dem St. Gallischen Amtmann, Joseph Anton Meißburger,
wird ein Quieszenten-Gehalt von 200 fl. bis
zu seiner ferneren Anstellung bewilliget. 344
57. In Rücksicht der Gerichtsprokuratoren behalten Wir Uns
Unsere allerhöchste Entschließung noch bevor.
58. Die durch gegenwärtige allerhöchste Entschließung
ernannten Landrichter, Stadtkommissäre, und Rentbeamte
haben unter sich durchaus gleichen Rang. – Ueber
die Uniform, welche bey den Landrichter, und den
Stadtkommissären völlig gleichförmig ist, erfolgt eine
weitere Bestimmung.
59. Ueber die Anwendung der für die kleinere Munizipalstädte
im Allgemeinen ertheilten Organisations-Vorschriften
auf die Städte Bregenz und Feldkirch; dann
über die Wahlart der Land- und Gerichts-Ammänner, behalten
Wir Uns die Entschließung bevor. Indessen sollen
die neuen Wahlen einstweilen suspendirt bleiben.
60. Endlich verordnen Wir hiemit, daß die neue Einrichtung
in allen ihren Zweigen den 1. Jänner 1807 vollständig in
Ausübung gebracht werden sollen.
München den 16. November 1806.
Max Joseph
Freyher von Montgelas
Auf königlichen allerhöchsten Befehl.
von Flad.
Seite 428
1 Franz Quarthal/Georg Wieland/Birgit Dürr, Die Behördenorganisation
Vorderösterreichs von 1753 bis 1805 und die Beamten in Verwaltung,
Justiz und Unterrichtswesen (Veröffentlichungen des Alemannischen
Instituts Freiburg i. Br. 43). Bühl/Baden 1977, S. 130-169.
2 Vorarlberger Landesarchiv [fortan: VLA]: Reichshof und
Patrimonialgericht [fortan: RH/PG] Lustenau, Sch. 1, Nr. 1:
Bittschrift, Lustenau 02.03.1803. Vgl. Ludwig Welti, Geschichte der
Reichsgrafschaft Hohenems und des Reichshofes Lustenau. Ein Beitrag
zur Einigungsgeschichte Vorarlbergs (Forschungen zur Geschichte
Vorarlbergs und Liechtensteins 4). Innsbruck 1930, S. 261; Wolfgang
Scheffknecht, Reichspräsenz und Reichsidentität in der Region:
Der Reichshof Lustenau, in: Das Reich in der Region während des
Mittelalters und der Frühen Neuzeit (Forum Suevicum. Beiträge zur
Geschichte Ostschwabens und der benachbarten Regionen 6). Konstanz
2005, S. 307-340, hier S. 339-340. – Im selben Jahr versuchte ein
gräflicher Kommissär, die Einkünfte genauer zu untersuchen und zu
erhöhen und Klagen und Prozesse der Lustenauer beizulegen (Joseph
Bergmann, Die Reichsgrafen von und zu Hohenembs in Vorarlberg.
Dargestellt und beleuchtet in den Ereignissen ihrer Zeit, vom Jahre
1560 bis zu ihrem Erlöschen 1759. Mit Rücksicht auf die weiblichen
Nachkommen beider Linien von 1759-1860. Sonderdruck aus
Denkschriften der philosophisch-historischen Classe der kaiserlichen
Akademie der Wissenschaften 11. Wien 1861, S. 85.)
3 Friedenstraktat zwischen Sr. Majestät dem Kaiser der Franzosen, König
von Italien und Sr. Majestät dem Kaiser von Österreich vom 16.12.1805,
RBl. 1806, S. 50, Art. VIII.
4 So Elmar Grabherr, Die äußere politische Entwicklung Lustenaus. Ein
bemerkenswerter Abschnitt in der Vorarlberger Geschichte, in: Montfort
31 (1979) 2/3, S. 178-185, hier S. 183.
5 Vgl. z. B. VLA: Vogteiamt [fortan: Vogta] Bludenz Nr. 788: Platzer an
Landgericht [fortan: LG] Sonnenberg als Stadtkommissariat, Bludenz
19.05.1808.
6 Hauptschluß der außerordentlichen Reichsdeputation vom 25.02.1803
(Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in
Mittelalter und Neuzeit, bearb. von Karl Zeumer. Tübingen 1913, S. 509-
528), § 14.
7 Hans Ulrich Rudolf, Die Reichsabtei Weingarten und die reichsfreie
Herrschaft Blumenegg 1614-1804, in: 200 Jahre Blumenegg bei
Österreich. Beiträge zur Regionalgeschichte, hg. von Manfred Tschaikner
(Bludenzer Geschichtsblätter [2004] 72-74), S. 202-226, hier S. 213-214;

Rudolf Henggeler, Geschichte der stifteinsiedlischen Propstei St. Gerold,
in: Montfort 13 (1961) 1/2, S. 3-90; Wolfgang Scheffknecht, Reichsfreie
Territorien im frühneuzeitlichen Vorarlberg: Blumenegg, St. Gerold,
Hohenems und Lustenau, in: 200 Jahre Blumenegg bei Österreich.
Beiträge zur Regionalgeschichte, hg. von Manfred Tschaikner (Bludenzer
Geschichtsblätter [2004] 72-74), S. 110-144.
8 Vgl. Blasius Caliezi, Der Übergang der Herrschaft Räzüns an den Kanton
Graubünden. Chur 1920, S. 69-92.
9 Zum Folgenden: Johann B. Büchel, Die Geschichte der Pfarrei
Bendern (Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum
Liechtenstein 23). Vaduz 1923, S. 72-115; Andreas Ulmer, Die Klöster
und Ordensniederlassungen in Vorarlberg einst und jetzt, in:
Veröffentlichungen des Vereines für christliche Kunst und Wissenschaft
in Vorarlberg und im Westallgäu (1925/26) 14/15, S. 3-196, hier S. 104-
105. Zu den Verlusten der Schweizer Klöster: Caliezi, Räzüns (wie Anm.
8), S. 73-74.
10 Über die einzuziehenden Besitzungen und Gefälle des Fürsten Oranien-
Nassau betreffend gibt ein Akt in VLA: Bayerische Akten [fortan: BA],
Sch. 87, Auskunft.
11 Die Landesübernahme aus Sicht der Landstände ist dokumentiert in:
VLA: Landstände, Sch. 83, D 38.
12 Ebenda: Übergabeprotokoll, Bregenz 13.03.1806, abgedruckt in:
Beschreibung der unterm 13ten Merz 1806 erfolgten feyerlichen
Uebergabe des Landes Vorarlberg an Seine Majestät der König von
Baiern Maximilian Joseph. Bregenz 1806.
13 VLA: Administration [fortan: Adm] Hohenems Nr. 42, 61/1806; VLA:
Patente 1806/01/20.
14 Wie Anm. 12.
15 Welti, Reichsgrafschaft (wie Anm. 2), S. 199-262.
16 Zum Folgenden: Michael Puchta, „Indessen tritt hier nicht der Fall ein,
wo Gewalt vor Recht gehet.“ Die Mediatisierung der schwäbischen
Reichsritterschaft am Beispiel des Bezirks Allgäu-Bodensee, in: Adel
im Wandel. Oberschwaben von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart,
hg. von Mark Hengerer/Elmar L. Kuhn in Verbindung mit Pater Blickle,
Bd. 2. Ostfildern 2006, S. 591-604. Vgl. auch Michael Puchta, Der
bayerische Adel und die Konstitution von 1808, in: Bayerns Anfänge
als Verfassungsstaat. Die Konstitution von 1808. Eine Ausstellung im
Bayerischen Hauptstaatsarchiv (Ausstellungskataloge der Staatlichen
Archive Bayerns 49). München 2008, S. 271-296, hier S. 280.
17 Zu Lustenau vgl. Grabherr, Lustenau (wie Anm. 4), S. 182-184;
Welti, Reichsgrafschaft (wie Anm. 2), S. 263-286; Ludwig Welti, Vom
karolingischen Königshof zur größten österreichischen Marktgemeinde,
in: Lustenauer Heimatbuch, Bd. 1. Lustenau 1965, S. 81-525, hier S. 311-
316; Bergmann, Reichsgrafen (wie Anm. 2), S. 83-94.
18 Grabherr, Lustenau (wie Anm. 4), S. 182.
19 Bergmann, Reichsgrafen (wie Anm. 2), S. 86-93.
20 Benedikt Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs, Bd. 4: Zwischen Absolutismus
und halber Autonomie. Wien/Köln/Graz 1982, S. 206-207.
21 Bergmann, Reichsgrafen (wie Anm. 2), S. 91-92.
22 Rudolf Beck, „Als unschuldiges Staatsopfer hingeschlachtet …“
Die Mediatisierung des Hauses Waldburg, in: Adel im Wandel.
Oberschwaben von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, hg. von
Mark Hengerer/Elmar L. Kuhn in Verbindung mit Pater Blickle, Bd. 2.
Ostfildern 2006, S. 265-286.
23 VLA: Adm Hohenems Nr. 42: Akt 100/1806. – Selbstverständlich wurde
kein Archiv in Lustenau versiegelt, wie Grabherr, Lustenau (wie Anm. 4),
S. 182, irrtümlich schrieb.
24 VLA: RH/PG Lustenau, Sch. 1, Nr. 1: Hofammann und Gericht an
Walburga Reichsgräfin von Harrach-Truchsess-Zeil, Lustenau 02.06.1806.
25 Konföderations-Akte der rheinischen Bundes-Staaten vom 12.07.1806,
Königlich-Baierisches Regierungsblatt [fortan: RBl.] 1807, Sp. 97.
26 Vgl. Eberhard Weis, Die Begründung des modernen bayerischen
Staates unter König Max. I. (1799-1825), in: Handbuch der Bayerischen
Geschichte, begründet von Max Spindler, in Verbindung mit Dieter
Alberecht u.a. hg. von Alois Schmid. München, Bd. 4/1: Das neue
Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart. Staat und Politik. München 22003, S. 3-126, hier S. 27 Anm. 25.
27 Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Handbuch der Geschichte der souverainen
Staaten des Rheinbundes, Bd. 1. Leipzig 1811, S. 173.
28 Zum Folgenden am ausführlichsten: Michael Raich, die Geschichte
der Herrschaft Ellhofen, 42. Fortsetzung und Schluss, in: Westallgäuer
Heimatblätter Bd. 1 (1921-1924) S. 209-211 u. 213-214.
29 Franz Ludwig Baumann, Geschichte des Allgäus, Bd. 3. Kempten 1894,
S. 309-310.
30 VLA: Lichtbildserie 3 (Original im Tiroler Landesarchiv): Geographische,
Politische, und Oekonomische Landes- dann Individuale Domainen-
Beschreibung des Kreises und Landes Vorarlberg. Aufgenommen durch
die zur Untersuchung des Domainen-Standes dahin abgeordnete
Gubernial-Kommission. Im Jahre 1792, S. 29.
31 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806).
Seite 429

32 Beck, Waldburg (wie Anm. 22), S. 265-286.
33 Grabherr, Lustenau (wie Anm. 4), S. 183.
34 Bergmann, Reichsgrafen (wie Anm. 2), S. 93.
35 Vgl. auch Ausführungsbestimmungen in Verordnung 17.03.1807
die Bestimmung der künftigen Verhältnisse, der der königlichen
Souveränität unterworfenen Fürsten, Grafen und Herren zu den
verschiedenen Zweigen der Staatsgewalt betr., RBl. 1807, Sp. 466, Pkte
7, 8.
36 Ebenda, Pkt. 14.
37 Welti, Reichsgrafschaft (wie Anm. 2), S. 264-265 u. 288, stellte
unzulässig auf die Rheinbundakte ab und begründete damit seine
selbst unter dieser Voraussetzung nicht stichhaltige Meinung, der
Hof Lustenau nur mittelbar (mediat) durch seine Besitzerin, Gräfin
Truchsess-Zeil-Harrach, der bayerischen Souveränität unterworfen
worden und nicht wie die nicht mediatisierte Grafschaft Hohenems
restlos im bayerischen Staat aufgegangen.
38 Bergmann, Reichsgrafen (wie Anm. 2), S. 93; Welti, Reichsgrafschaft
(wie Anm. 2), S. 265.
39 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806).
40 Ebenda.
41 Wie Anm. 113.
42 Vgl. A. Erler, Patrimonialgerichtsbarkeit, in: Handwörterbuch zur
Deutschen Rechtsgeschichte, hg. von Adalbert Erler/Ekkehard Kaufmann
[…], red. von Dieter Werkmüller, Bd. 3. Berlin 1984, Sp. 1547-1549.
43 VLA: Reichsgrafschaft Hohenems [fortan: HoA] 52,21: Konstitution
der Ortsgerichtsbarkeit zu Lustenau 1813: Seewald an
Generalkreiskommissariat, Hohenems 26.09.1813.
44 Georg Schmidt, Fürst Johann I. (1760-1836): „Souveränität und
Modernisierung“ Liechtensteins, in: Liechtenstein – Fürstliches Haus
und staatliche Ordnung. Geschichtliche Grundlagen und moderne
Perspektiven, hg. von Volker Press/Dietmar Willoweit, München/Wien
1987, S. 383-418, hier S. 387-397. Vgl. u.a. auch Brigitte Mazohl-Wallnig,
Sonderfall Liechtenstein – Die Souveränität des Fürstentums zwischen
Heiligem Römischem Reich und Deutschem Bund, in: Bausteine
zur liechtensteinischen Geschichte. Studien und studentische
Forschungsbeiträge, Bd. 3: 19. Jahrhundert: Modellfall Liechtenstein, hg.
von Arthur Brunhart Zürich 1999, S. 7-42.
45 Sigis Rageth, Die Rechtsgeschichte der Herrschaft Rhäzüns von der
Übernahme durch Österreich (1497) bis zur kantonalen Verfassung von
1854. Zürich 1981; Caliezi, Räzüns (wie Anm. 8).
Seite 430
46 VLA: Vogteiamt, Ober- und Kreisamt [fortan: VOKA], Sch. 272: Herrschaft
Rhäzüns 1805.
47 1806 rechnete Bergmann Diäten und Reisegelder ab, für die Zeit vom
21.11.1804 bis 15.01.1815 in seiner vorübergehenden Eigenschaft als
politischer Sanitätskommissär in Balzers (Gelbfieber-Gefahr) und
für 1805 als provisorischer Verwalter der Herrschaft Rhäzüns (VLA:
Vorarlberger Akten Nr. 149 u. 264).
48 Caliezi, Räzüns (wie Anm. 8).
49 VLA: Vorarlberger Akten Nr. 583: Bergmann an Rentamt Bregenz,
Bregenz 10.08.1807, in Abschrift beigelegt Kommissionserlass, Bregenz
02.06.1806.
50 Caliezi, Räzüns (wie Anm. 8), S. 113-114.
51 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806). Vgl. Anhang.
52 Finanzdirektion Kempten an König Maximilian, Kempten 15.10.1813,
zitiert nach Johann Baptist Büchel, Gutenberg bei Balzers. Geschichte
der Feste und Herrschaft Gutenberg, in: Jahrbuch des Historischen
Vereins für das Fürstentum Liechtenstein 14 (1914), S. 18-98, hier S. 97;
zum Folgenden ebenda, S. 97-98.
53 Vgl. Ulrich Nachbaur, Kanzleisiegel landesfürstlicher und
landschaftlicher Ämter in Vorarlberg vor 1806. Ein Beitrag zur
Verwaltungsgeschichte, in: Montfort 59 (2007) 2, S. 134-167, hier S. 139;
Ulrich Nachbaur, Delikater Archivschutz und Sicherung des Bludenzer
Vogteiamtsarchivs, in: Manfred Tschaikner, Schloss Gayenhofen
in Bludenz – eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, in: Bludenzer
Geschichtsblätter (2009) 93 (im Druck).
54 Wilhelm Brauneder, Österreichische Verfassungsgeschichte. Wien
102005, S. 79.
55 Anton Brunner, Die Vorarlberger Landstände von ihren Anfängen
bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts (Forschungen zur Geschichte
Vorarlbergs und Liechtensteins 3). Innsbruck 1929; Benedikt Bilgeri,
Vorarlberger Demokratie vor 1861, in: Landstände und Landtag in
Vorarlberg. Geschichtlicher Rückblick aus Anlaß der Wiedererrichtung
einer Volksvertretung vor hundert Jahren (1861-1961). Bregenz 1961, S.
11-90; Alois Niederstätter, Bürger und Bauern – Die Vorarlberger Stände,
in: Landschaften und Landstände in Oberschwaben, hg. von Peter
Blickle (Oberschwaben – Geschichte und Kultur 5). Tübingen 2000, S.
119-131.
56 Landesbeschreibung 1792 (wie Anm. 30), S. 76-89.
57 Bilgeri, Demokratie (wie Anm. 55), S. 71.
58 Brauneder, Verfassungsgeschichte (wie Anm. 54), S. 96.

59 Nachbaur, Kanzleisiegel (wie Anm. 53), S. 155-159.
60 Vorder-Österreichischer Schematismus 1779. Vgl. Quarthal/Wieland/
Dürr, Vorderösterreich (wie Anm. 1), S. 422-425.
61 Quarthal/Wieland/Dürr, Vorderösterreich (wie Anm. 1), S. 156.
62 Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799-
1980, in Verbindung mit Richard Bauer u.a. hg. von Wilhelm Volkert.
München 1983, S. 35-36; Nicola Schümann, Die Konstitution von
1808 und die innere Verwaltung in Bayern, in: Bayerns Anfänge als
Verfassungsstaat. Die Konstitution von 1808. Eine Ausstellung im
Bayerischen Hauptstaatsarchiv (Ausstellungskataloge der Staatlichen
Archive Bayerns 49). München 2008, S. 149-171, hier S. 149-151.
63 Generale 15.09.1803, Regierungsblatt für die Kurpfalzbaierische Provinz
in Schwaben 1803, Sp. 5.
64 VLA: Adm Hohenems Nr. 42, Akt 61/1806.
65 Verordnung 26.04.1806 die Vereinigung der vorarlbergischen
Herrschaften mit der schwäbischen Provinz betr., RBl. 1806, Sp. 199.
66 Bilgeri, Vorarlberg 4 (wie Anm. 20), S. 206-207.
67 Laut Mitteilung an das Vogteiamt Bludenz (Ludwig Welti,
Bludenz als österreichischer Vogteisitz 1418-1806. Eine regionale
Verwaltungsgeschichte [Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs 2].
Zürich 1971, S. 208).
68 Ferdinand Hirn, Vorarlbergs Erhebung im Jahre 1809. Bregenz 1909, S.
23, 30, 68, 384.
69 Liegen ein in VLA: BA Sch. 84.
70 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806).
71 Die Besoldung aller bisherigen Ämter und Gerichte wurden detailliert
erhoben und sind in VLA: BA Sch. 84, dokumentiert.
72 Alle Zitate VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806).
73 Zum Folgenden vgl. u.a. Hirn, Erhebung (wie Anm. 68), S. 19-72.
74 Verordnung 21.11.1806 die Organisation der Landgerichte und
Rentämter in Tirol betr., RBl. 1806, S. 451.
75 RBl. 1806, S. 433.
76 K. baierische Organisation der vorhin österreichischen Provinz Tirol
und Vorarlberg, in: Der Rheinische Bund. Eine Zeitschrift historischpolitisch-
statistisch- geographischen Inhalt, Bd. 2, Heft 4. Frankfurt am
Main 1807, S. 28-41 u. 153, zu Vorarlberg S. 37-41.
77 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806).
78 Kauffmann an Joseph Kleber, Rom 13.08.1806, zitiert nach: Angelika
Kaufmann. Briefe einer Malerin. Ausgewählt, kommentiert und mit
einer Einleitung versehen von Waltraud Maierhofer (Excerpta classica
17). Mainz 1999, S. 182-183, und Angelica Kauffmann, „Mir träumte vor
ein paar Nächten, ich hätte Briefe von Ihnen empfangen“. Gesammelte
Briefe in den Originalsprachen, hg., kommentiert und mit einem
Nachwort versehen von Waltraud Maierhofer. Lengwil 2001, S. 74. Um
welche konkrete „Bitte“ der Schwarzenberger es sich handelte, geht
aus dem Brief nicht hervor. Laut Claudia Helbok, Miss Angel. Angelika
Kauffmann – Eine Biographie. Wien 1968, S. 239, soll Merz Kauffmann
von London her bekannt gewesen sein und seine nichtssagende Antwort
bereits am 16.08.1806 in Rom eingelangt sein. – Für diese Hinweise
danke ich Dr. Ulrike Längle, Franz-Michael-Felder-Archiv.
79 Ulrich Nachbaur, Amtshäuser der Bregenzer
Bezirksverwaltungsbehörden. Ein historischer Überblick von 1453 bis
2009 (Kleine Schriften des Vorarlberger Landesarchivs 10). Bregenz
2008, S. 14.
80 Ludwig Welti, Die kaiserlichen Freilandrichter von Rankweil und deren
Familien ab 1500, in: Heimat Rankweil, hg. von Josef Bösch. Rankweil
1967, S. 146-152, hier S. 152. – Die Erhebungen über die Entlohnung der
Funktionäre der Stände und Gerichte von 1806 sind dokumentiert in
VLA: BA Sch. 84.
81 VLA: BA Sch. 11: Generalkonspekt Stand Sonnenberg 1813; Tschaikner,
Gayenhofen (wie Anm. 53).
82 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806).
83 Verordnung 20.03.1806 die Verfassung der kleineren Munizipalstädte
und Märkte betr., RBl. 1806, S. 129.
84 Zum Folgenden VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806).
85 VLA: LG Bregenz Commun. III-6/1817-1819: Administrator Fritz an LG
Sonnenberg, Bludenz 26.06.1808; Wolfgang Scheffknecht, Bludenz
im Jahrhundert der Aufklärung (1730-1814), in: Geschichte der Stadt
Bludenz. Von der Urzeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, hg. von
Manfred Tschaikner (Bodensee-Bibliothek 39). Sigmaringen 1996, S.
281-421, hier S. 409-415.
86 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806) – Dialer wurde im März
1809 als erster Assessor an das LG Weiler versetzt (RBl. 1809, Sp. 467),
im August 1813 an das Landgericht Ebersberg (RBl. 1813, Sp. 1140,
Ferdinand Hirn, Vorarlberg vor dem Heimfalle an Österreich, in: Archiv
für Geschichte und Landeskunde Vorarlbergs 11 [1915], S. 1-19, hier S. 8).
87 VLA: LG Bregenz Commun. III-6/1817-1819: Administrator Fritz
an LG Sonnenberg, Bludenz 26.06.1808 (ohne Nennung des
Bestellungsdatums).
88 Vgl. Christoph Volaucnik, Feldkirch in der Bayernzeit, in diesem Band.
Seite 431

Landrichter Gugger ersuchte bereits am 20.04.1807 vergeblich um die
Zuerkennung einer entsprechenden Uniform für sich und seinen Aktuar
(VLA: BA Nr. 1013).
89 RBl. 1807, Sp. 97. Zur Adelsrechtsreform 1806/07 u.a. Marcus D. Ernst,
Der bayerische Adel und das moderne Bayern. Die Gesetzgebung
und Debatte über die persönlichen Privilegien des in Bayern
immatrikulierten Adels (1808-1818). Masch. Diss. Universität Passau
2002, S. 11-32.
90 Das verdeutlicht auch der Schimmel für das bayerische
Übergabeprotokoll von 1806, abgedruckt in: Die Rheinische
Conföderations-Acte oder der am zwölften Julius 1806 zu Paris
abgeschlossene Vertrag […], hg. von Peter Adolph Winkopp. Frankfurt
am Main 1808, S. 115 (documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://
www.documentArchiv.de/nzjh/1806/rheinbundsakte.html, Stand:
13.03.2009).
91 Verordnung vom 31.12.1806 die der königlichen Souveränität
unterworfene Ritterschaft und ihre Hintersassen betreffend, RBl. 1807,
S. 193, zum Folgenden lit. B Zl. 2.
92 Verordnung 17.03.1807 die Bestimmung der künftigen Verhältnisse der
der königlichen Souveränität unterworfenen Fürsten, Grafen und Herren
zu den verschiedenen Zweigen der Staatsgewalt betr., RBl. 1807, Sp.
466. Vgl. Puchta, Adel und Konstitution (wie Anm. 16), S. 281-282.
93 Verordnung 06.06.1807 die Patrimonialgerichtspflege in Altbayern, der
oberen Pfalz und Neuburg betr., RBl. 1807, Sp. 1001.
94 Verordnung 23.07.1807 die Patrimonialgerichtspflege in den königlich
bayerischen Landen in Franken, Schwaben und Tirol betr., RBl. 1807, Sp.
1253.
95 Landesbeschreibung 1792 (wie Anm. 30), S. 28.
96 Zum Folgenden: Andreas Schmid, Die Freiherren v. Pappus zu
Rauhenzell. Eine Adelsgeschichte (Bilder aus dem Allgäu 6). Immenstadt
1904, S. 38-43 u. 89-91.
97 Nipp diente bis zur Auflösung des Patrimonialgerichts Altlaubenberg
1831 als Patrimonialrichter (ebenda, S. 91).
98 Addreßkalender oder Taschenbuch des Illerkreises [fortan:
Adresskalender Illerkreis] 1 (1809), S. 122. Der Adresskalender wurde
von Kreisrat Christian Jakob Wagenseil verfasst und herausgegeben.
Ab Jahrgang 1811 ist bei Nipp nicht mehr Wangen, sondern Rauhenzell
angegeben.
99 Im Adresskalender Illerkreises 1 (1809) bis 5 (1813) ist unter
Patrimonialherrschaft „Herr von Hundbiß zu Kempten und Sonthofen“
Seite 432
angegeben, als Patrimonialrichter „von Hundbiß zu Kempten“. In der
direkten Waltramser Linie käme einer der Brüder Dominik (1770 bis
1841) oder Franz Anton von Hundbiß auf Waltrams (1772 bis 1851) in
Frage ( www.vonhumpis.de (Abfrage 12.03.2009); Gerd Schreyer, Das
Geschlecht der Hundbiß auf Walltrams, in: Martin Müller, Das Weitnauer
Tal. Geschichte, Geschichten und Sagen. Bergatreute 1983, S. 143-150).
Das Lehen sollen aber zwei Linien gemeinsam innegehabt zu haben.
Zumindest beanspruchte Anton Remigius I. Pappus als Vormund für
die Kinder des 1797 verstorbenen Dominikus Freiherrn von Hundbiß,
geheimer Rat und Obervogt in der Reichenau, den Hälfteanteil, den
Pappus, der 1810 starb, noch durchgesetzt haben soll (Schmid, Pappus
[wie Anm. 96], S. 86-89).
100 Josef Zösmair, Zur Geschichte von Tosters und seiner gleichnamigen
Burg, in: 43. Jahresbericht Vorarlberger Museums-Verein 1905, S. 47-78,
hier S. 70-74. Zur Genealogie: Heimatbuch Rodeneck. Geschichte und
Gegenwart, hg. von Alois Rastner/Ernst Delmonego. Rodeneck 1986, S.
54.
101 Landesbeschreibung 1792 (wie Anm. 30), S. 26, 27 u. 37.
102 Zum Folgenden VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806).
103 VLA: BA Sch 6, Nr. 539: Patrimonialgericht [fortan: PG] Neuburg an
Generallandeskommissariat, 03.01.1808. Die Bestätigung Herburgers
als Patrimonialrichter lässt sich aus VLA: LG Feldkirch Rep. 8/9 mit
Hinweis auf Einlaufzahlen 1601, 1835, schließen; das Einlaufprotokoll ist
nicht erhalten. – Das PG Neuburg dürfte von der Geschichtsschreibung
bisher völlig ausgeblendet worden sein. So ging Andreas Ulmer, Die
Burgen und Edelsitze Vorarlbergs und Liechtensteins. Dornbirn 1925, S.
314, davon aus, dass das Gericht 1806 ein Ende fand. Die archivalische
Überlieferung ist unbefriedigend. Das Vorarlberger Landesarchiv verfügt
über einen wenig ergiebigen Bestand PG Neuburg (3 Schachteln).
Die Überlieferung des LG Feldkirch aus der Bayernzeit ist lückenhaft
und zum Großteil im Bestand Bayerische Akten (BA) „versteckt“.
Ich bediente mich für eine erste Sondierung der Findbücher und
Einlaufprotokolle des LG Feldkirch.
104 1808 aus den Steuerdistrikten Neuburg, Klaus, Schnifis,
Zwischenwasser, Meiningen, Altenstadt, Rankweil, Götzis, Nofels,
Fraxern, Feldkirch, Sulz, Mäder, Fußach, Höchst, Lustenau, Egg (VLA:
Bayerischer Steuerkataster 3/6).
105 VLA: LG Dornbirn EProt 6/6: 204/1812, Mitteilung des
Generalkreiskommissariats vom 08.03.1812.
106 Im Adresskalender Illerkreis, allerdings erst 4 (1812) und 5 (1813),

als Therese nach der Teilung eigentlich allein Pfandherrin gewesen
sein müsste. Bis dahin lautete der Eintrag „Graf von Wolkenstein zu
Innsbruck“.
107 Adresskalender Illerkreis 5 (1813), S. 109.
108 VLA: Kartensammlung 01/197: Situations Carte über den Gerichts- und
Steuerdistriktsbezirk Neuburg am Rhein, samt dessen Umgebungen
und innern Gegenständen. gezeichnet von Josef Ellensohn 1813,
bestätigt vom LG Feldkirch 09.02.1814. Abgebildet in: Koblach. Koblach
1995, S. 91.
109 Adresskalender Illerkreis 1 (1809), S. 125. Entsprechend auch VLA: PG
Neuburg, Sch. 1: Einwohnertabelle, Feldkirch 20.06.1813 (hier statt
„Neuburg“ „Mäder“ für „Neuburg-Mäder“).
110 So Ulmer, Burgen (wie Anm. 103), S. 313-314. Die Landesbeschreibung
1792 (wie Anm. 30), S. 26, gibt nur die Gebietsbegrenzung an.
111 VLA: BA Sch. 84: Seewald an Kreiskommissariat, Hohenems 02.03.1807.
112 VLA: RH/PG Lustenau, Sch. 1, Nr. 1: Seewald an Gerichtsammann,
Hohenems 16.02.1807.
113 VLA: BA Nr. 3220.
114 Adresskalender Illerkreis 1 (1809), S. 127.
115 VLA: BA Sch. 84: Platzer an Kreisamt, Bludenz 02.06.1806. Vgl. Welti,
Bludenz (wie Anm. 67), S. 205-206.
116 Platzer (wie Anm. 115) und Administrator zu Bludenz Dialer erstatteten
Bericht (VLA: BA Sch. 84).
117 VLA: Vogta Bludenz Nr. 788: Mehrere undatierte Konzepte des Freiherrn
von Sternbach. – Zum Folgenden vgl. Welti, Bludenz (wie Anm. 67), S.
206-210; Tschaikner, Gayenhofen (wie Anm. 53). Ich danke Manfred
Tschaikner herzlich für wertvolle Auskünfte und Diskussionen zum
Thema.
118 VLA: Vogta Bludenz Nr. 788: Spezialkommission an Vogta Bludenz,
Nüziders 29.12.1806.
119 VLA: BA Sch. 84: [Organisationskommission] an Vogta Bludenz, LG
Sonnenberg und LG Montafon, Bregenz 02.01.1807.
120 Verordnung 21.11.1806 die Organisation der Landgerichte und
Rentämter in Tirol betr., RBl. 1806, S. 451. Pkte. 6-7.
121 VLA: Vogta Bludenz Nr. 788: Besoldungsverzeichnis Platzer LG
Sonnenberg an Landesdirektion in Schwaben, Nüziders 09.01.1808.
122 VLA: Vogta Bludenz Nr. 909: Tabellarisches Verzeichnis, Bludenz
01.01.1809.
123 VLA: BA Sch. 11, Nr. 667: Platzer an Generallandeskommissariat,
Bludenz 24.12.1807.
124 VLA: Vogta Bludenz Nr. 788: Platzer an LG Sonnenberg als
Stadtkommissariat, Bludenz 19.05.1808.
125 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806), in Bezug auf die Churer
und St. Galler Verwaltung.
126 Ulmer, Klöster (wie Anm. 9), S. 35-36.
127 VLA: Rentamt Bregenz Nr. 1/3: Schenkungserklärung, n.d. (24.07.1810)
– Zur Auflösung und Vermögensverwertung der Mehrerau finden sich in
diesem Bestand zahlreiche Akten. Vgl. Otto Rieder, Karl August Graf von
Reisach, der ehemalige Generalkommissär des Lech- und Illerkreises
etc., in: Oberbayerisches Archiv (1915) 59, S. 189-382 [hier S. 278-297],
und (1916) 60, S. 263-445; Ferdinand Hirn, Der Aufenthalt Dr. Schneiders
in Vorarlberg im Jahre 1811, in: Forschungen und Mitteilungen zur
Geschichte Tirols und Vorarlbergs 2 (1905), S. 29-43.
128 Vgl. z.B. Bayerische Staatsbibliothek [fortan: BSB]: Deutsche
Handschriften [fortan: Dt Hss] Cgm 6844/20 und 6844/21: Lit. A
Topographie-Spezial-Tabellen des Illerkreises 1809/10 und 1811/12,
LG Bregenz: Steuerdistrikt Carolinenau, u.a. mit Carolinenau, Fluh,
Kennelbach, Rieden. 1809 hieß dieser große Steuerdistrikt noch
„Vorkloster“ (VLA: Bayerischer Steuerkataster 5/93).
129 Ulmer, Klöster (wie Anm. 9), S. 36-41 u. 111-112; Alois Niederstätter,
Feldkirch, St. Johann, in: Die Benediktinischen Mönchs- und
Nonnenklöster in Österreich und Südtirol, bearb. von Ulrich Faust/
Waltraud Krassnig (Germania Benedictiona 3/1). St. Ottilien 2000, S.
411-433.
130 Zur Verwertung des Vermögens vgl. VLA: Rentamt Feldkirch Nr. 19/1 bis
19/6, 20/2, 41/1, 46/1, 46/2 und wahrscheinlich weitere Akten.
131 Zu den Erwerbungen St. Gallens in Vorarlberg vgl. Ulmer, Klöster (wie
Anm. 9), S. 99-101, ohne Hinweis auf ihr Schicksal.
132 Caliezi, Räzüns (wie Anm. 8), S. 91-105.
133 Johann Georg Mayer, Geschichte des Bistums Chur, Bd. 2. Stans 1914,
S. 552-556; Ulmer, Klöster (wie Anm. 9), S. 96-97. – Zur Verwertung des
Vermögens vgl. VLA: Rentamt Feldkirch Nr. 9/2, 13/1 bis 13/4, 16/1 und
wahrscheinlich weitere Akten.
134 VLA: Bayerischer Steuerkataster 3/1 (1812).
135 RBl. 1808, beigebunden nach S. 448.
136 Weis, Begründung (wie Anm. 26), S. 46.
137 Ebenda S. 64-65 u. 80.
138 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806).
139 VLA: Landstände, Sch. 83, D 38; zudem Nachbaur, Kanzleisiegel (wie
Anm. 53), S. 155.
Seite 433

140 Hirn, Erhebung (wie Anm. 68), S. 31-32.
141 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806); Hirn, Erhebung (wie
Anm. 68), S. 33.
142 VLA: Landstände, Sch. 83, D 38: Protokoll, Bregenz/Feldkirch
22./23.06.1807.
143 Verordnung 08.06.1807 die Gleichheit der Abgaben, Steuerrektifikation
und Aufhebung der besonderen landschaftlichen Steuerkassen betr.,
RBl. 1807, Sp. 969, Pkt. III.
144 Vgl. Bilgeri, Vorarlberg 4 (wie Anm. 20), S. 95-96 u. 107-108.
145 VLA: Landstände, Sch. 83, D 38: Landesdirektion an Zentralbureau
Feldkirch, Ulm 13.01.1808.
146 Weis, Begründung (wie Anm. 26), S. 74-75.
147 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806).
148 Ebenda.
149 Ebenda.
150 Ebenda.
151 RBl. 1808, Sp. 188-189.
152 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806).
153 Hirn, Erhebung (wie Anm. 68), S. 32-34. – In VLA: BA Sch. 84, liegen
einige Bewerbungen von Kandidaten ein, die nicht zum Zug gekommen
sein dürften.
154 Rieder, Reisach 1915 (wie Anm. 127), S. 246-249.
155 Am 15.10.1809, zitiert nach: Hirn, Erhebung (wie Anm. 68), S. 34.
156 Rieder, Reisach 1915 (wie Anm. 127), S. 248-250 u. 306-322. Vgl. auch
Ferdinand Hirn, Die Aushebung der Geisel in Vorarlberg 1813, in:
Jahresbericht der k. k. Oberrealschule Dornbirn 1912/13, S. 3-31, hier S.
8-9.
157 VLA: Adm Hohenems Nr. 42: Kreiskommissariat an Adm Hohenems,
Bregenz 09.10.1806 (Bekanntmachung liegt ein); VLA: Patente
1806/12/02.
158 VLA: Vogta Bludenz Nr. 788: Mehrere undatierte Konzepte des Freiherrn
von Sternbach und „Amtsextraktions- und Organisationskommission in
Vorarlberg“ an Vogteiamt Bludenz, Nüziders 29.12.1806.
159 Am 24. 02.1807 konnte das Kreiskommissariat der Landesdirektion
hinsichtlich der Landgerichte Vollzug melden (VLA: BA Nr. 3775). Das
aufgelöste Rentamt der Herrschaft Bregenz übergab seine Akten erst
am 07.03.1807 an das neue Rentamt Bregenz. (VLA: Rentamt Bregenz Nr.
5/1). Das Einreichungsprotokoll der Administration Hohenems endet mit
9. Jänner 1807 (VLA: Adm Hohenems Nr. 42).
160 VLA: BA Sch. 85 und Sch. 87: Installationsprotokoll, Bregenz 10.02.1807
Seite 434
(jeweils Abschriften).
161 VLA: BA Sch. 87: Verpflichtungsprotokoll Moz, Bregenz 10.02.1808;
zudem Landrichter Georg Ignaz Kuttner, Nüziders 30.05.1808;
Stadtrichter Georg Feurstein, Feldkirch 09.06.1808.
162 Schümann, Konstitution (wie Anm. 62), S. 168.
163 RBl. 1808, Sp. 985. – Eine gute Textedition bietet Bayerns Anfänge
als Verfassungsstaat. Die Konstitution von 1808. Eine Ausstellung im
Bayerischen Hauptstaatsarchiv (Ausstellungskataloge der Staatlichen
Archive Bayerns 49). München 2008, S. 324-334.
164 Weis, Begründung (wie Anm. 26), S. 65-66. Vgl. dazu die Beiträge in:
Bayerns Anfänge als Verfassungsstaat (wie Anm. 163).
165 Eine Auflistung bietet: Bayerns Anfänge (wie Anm. 163), S. 332-333.
166 RBl. 1808, Sp. 985, 1. Titel § 2..
167 Verordnung vom 01.05.1808 die Auflösung der dermaligen
landschaftlichen Korporationen betreffend, RBl. 1808, Sp. 961.
168 VLA: VOKA, Sch. 159, Nr. 24/22.
169 VLA: Landstände Sch. 83 D 38: Übergabeprotokoll, Feldkirch
16.05.1808.
170 VLA: Landstände Sch. 112: Einlaufprotokoll 1807-1809. Zur Liquidation
vgl. VLA: Landstände, Sch. 83, D 38; VLA: VOKA, Sch. 159 Nr. 24/22: VLA:
BA Sch. 87.
171 Josef Grabherr, Die reichsunmittelbare Herrschaft Blumenegg.
Geschichtliche Studie. Bregenz 1907 (Veröffentlichungen des Vereines
für christliche Kunst und Wissenschaft in Vorarlberg 3), S. 222-223,
geht auf diese Frage nicht ein, weist aber (S. 219, 220) bis 1805 einen
Blumenegger Landammann und bis 1806 einen Walser Gerichtsammann
aus.
172 Zum Folgenden: Till Strobel, Territorium und Kreiseinteilung Bayerns
seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert, in: Bayerns Anfänge als
Verfassungsstaat. Die Konstitution von 1808. Eine Ausstellung im
Bayerischen Hauptstaatsarchiv (Ausstellungskataloge der Staatlichen
Archive Bayerns 49). München 2008, S. 81-103.
173 Entwurf Aretin 16.02.1807, Faksimile in: Strobel, Territorium (wie Anm.
172), S. 96.
174 Verordnung 21.06.1808 die Territorial-Einteilung des Königreichs Bayern
betr., RBl. 1808, Sp. 1481.
175 (Christian Jakob Wagenseil,) Nachricht von der feyerlichen Installation
des Königlich Baierischen General-Kommissariats des Illerkreises
zu Kempten, am 26. September 1808, in: Adresskalender Illerkreis 1
(1809), S. 128-133.

176 VLA: Kreiskommissariat EProt 1/50.
177 Entwurf Aretin 26.06.1810, Faksimile in: Strobel, Territorium (wie Anm.
172), S. 97.
178 Verordnung vom 23.09.1810 die Territorial-Einteilung des Königreichs
betreffend, RBl. 1810, Sp. 809.
179 Organisches Edikt 08.08.1808 die Anordnung der
Kreisfinanzdirektionen betr., RBl. 1808, Sp. 1869.
180 RBl. 1808, Sp. 985, 5. Titel § 1.
181 RBl. 1808, Sp. 1785. Vgl. Monika von Walter, Konstitution und Justiz, in:
Bayerns Anfänge als Verfassungsstaat. Die Konstitution von 1808. Eine
Ausstellung im Bayerischen Hauptstaatsarchiv (Ausstellungskataloge
der Staatlichen Archive Bayerns 49). München 2008, S. 249-270.
182 Verordnung 03.12.1808 die Anordnung der neuen Stadtgerichte betr.,
RBl. 1808, Sp. 2803, Pkt. 26.
183 RBl. 1808, Sp. 3015.
184 VLA: LG Feldkirch EProt 8/15: 91/1809, Eingang 11.01.1809. Vgl.
Volaucnik, Feldkirch (wie Anm. 84).
185 Tschaikner, Gayenhofen (wie Anm. 53).
186 Verordnung 30.12.1808 das veränderte Instanzenverhältnis in
Kriminalsachen betr., RBl. 1809, Sp. 53.
187 Verordnung 04.03.1809 die Ernennung der Landgerichtsassessoren
und Aktuare für das gesamte Königreich betr., RBl. 1809, Sp. 441, die
Ernennungen im Illerkreis, Sp. 465-467.
188 Hirn, Erhebung (wie Anm. 68), u.a. S. 85, 88, 91-94, 170-171, 184,
201, 339, 365-366; Gebhard Blank, Die Vorarlberger Studenten an
der Universität Innsbruck von 1756 bis 1817, ihr Studiengang, ihr
Berufsleben. Masch. Hausarbeit Universität Innsbruck 1956, S. 13, 165-
166. – Bei Peter Bußjäger, Gemeindebuch Nüziders. Nüziders 1994, S.
57, dürfte zum Teil eine Verwechslung mit Abraham Kutter vorliegen.
189 Organisationsreskript 1806 (im Anhang).
190 RBl. 1810, Sp. 235 (Bregenz), 334 (Montafon, Feldkirch), 422 (Montafon).
Vgl. Hirn, Erhebung (wie Anm. 68), S. 32.
191 VLA: LG Feldkirch EProt 8/16: 239/1811, 283/1811 Anzeige
des Dienstantritts an Finanzdirektion (30.08.1811) und
Generalkreiskommissariat (04.09.1811).
192 Kuttner: RBl. 1808, Sp. 821 (RBl. 1807, Sp. 189), RBl. 1809, Sp. 1918
(Versetzung nach Simbach am Inn); Hauber: RBl. 1809, Sp. 1957.
193 Hirn, Heimfall (wie Anm. 88), S. 18-19. – Generalkommissär Stichaner
hatte Landrichter Beer von Weiler im Dezember 1813 aufgefordert, sich
für einige Zeit von seinem Amt zurückzuziehen (ebenda, S. 8). Vgl.
ebenda auch zur Haltung der Beamten 1813/14.
194 RBl. 1808, Sp. 2245.
195 Geregelt im Organischen Edikt 28.07.1808 über die gutsherrliche
Gewalt, RBl. 1808, Sp. 1833
196 Ebenda findet sich diesbezüglich nicht ausdrücklich eine Frist. De
Einschränkung der Kriminalgerichtsbarkeit war allerdings bereits im
Organischen Edikt über die Gerichtsverfassung, RBl. 1808, Sp. 1785, §
16, verfügt worden.
197 Bergmann, Reichsgrafen (wie Anm. 2), S. 92.
198 VLA: LG Feldkirch EProt 8/15: 91/1809 Eingang 11.01.1809; 267/1808
Eingang 31.01.2009; zudem 327/1809 Eingang 05.02.1809 (Erledigung
mit Übergabeprotokoll 22.03.1809).
199 Zu Neuburg vgl. VLA: LG Feldkirch EProt 8/14: EProt 2243/1808; zu
Dornbirn VLA: BA Nr. 3221 (Zeugnisse Seewald).
200 Puchta, Adel und Konstitution (wie Anm. 16), S. 271-296; Ernst, Adel
(wie Anm. 89), S. 45-257.
201 RBl. 1812, Sp. 1505.
202 VLA: LG Feldkirch EProt 8/19: 2181/1813 Eingang 26.07.1813.
203 Ebenda: 2499/1813 Eingang 23.08.1813.
204 Vgl. VLA: LG Feldkirch EProt 8/19: 4129/1813, 4381/1813; EProt 8/20:
500/1814, 730/1814, 1445/1814.
205 Schmid, Pappus (wie Anm. 96), S. 90-91.
206 1845 wurde es als „ruhend“ bezeichnet: Volkert, Handbuch (wie Anm.
62), S. 617.
207 VLA: BA Nr. 3221. Zur privilegierten Uniform: RBl. 1807, Sp. 486-487. –
Für Lustenau fehlen wesentliche Attribute, die zumindest der Form nach
den Begriff „Unterlandesherrschaft“ rechtfertigen würden (vgl. Heinz
Gollwitzer, Die Standesherren. Die politische und gesellschaftliche
Stellung der Mediatisierten 1815-1918. Ein Beitrag zur deutschen
Sozialgeschichte. Wien 1957, S. 16-20 u. 72-77).
208 Verordnung 13.11.1810 die der königlichen Souveränität unterworfenen,
bisher aber im Auslande domilizierenden Fürsten, Grafen und ehemals
unmittelbaren adeligen Gutsbesitzer betr., RBl. 1810, Sp. 1241.
209 Für den Vertrag werden drei Daten angegeben: 01.04.1807 (Welti,
Reichsgrafschaft [wie An. 2], S. 265), 07.04.1811 (VLA: HoA 52,21;
Abschrift nicht beigebunden), 30.09.1811 (Bergmann, Reichsgrafen [wie
Anm. 2], S. 93).
210 Bergmann, Reichsgrafen (wie Anm. 2), S. 92-93.
211 VLA: HoA 52,21; Bergmann, Reichsgrafen (wie Anm. 2), S. 93.
212 Davon ging Welti, Reichsgrafschaft (wie Anm. 2), S. 267-268, aus.
Seite 435

213 VLA: HoA 52,21: Konstitution der Ortsgerichtsbarkeit zu Lustenau 1813;
RBl. 1814, Sp. 10; Königlich-Baierisches Intelligenzblatt des Illerkreises
1814, Sp. 55. – Der abgebildete Einreichplan des Patrimonialgerichts
Lustenau liegt in Staatsarchiv Augsburg: Regierung 3084a, ab. Für
diesen Hinweis und die Überlassung einen Scans danke ich Dr.
Wolfgang Scheffknecht, Historisches Archiv der Marktgemeinde
Lustenau.
214 Welti, Bludenz (wie Anm. 67), S. 209, begründet die Auflösung des
Patrimonialgerichts mit der Errichtung eines Kriminalgerichts für ganz
Vorarlberg in Feldkirch (leider wie üblich ohne Quellenhinweis). Die
Errichtung eines sprengelübergreifenden Kriminalgerichtsbezirks
konnte ich bisher nicht verifizieren.
215 RBl. 1809, Sp. 209.
216 Vgl. Anm. 219 und 329.
217 Hirn, Erhebung (wie Anm. 68), S. 85 u. 88.
218 Welti, Bludenz (wie Anm. 67), S. 210.
219 Ebenda, S. 209-210. Zu Fritz zudem Ferdinand Hirn, Das Spezialgericht
in Lindau. Ein Nachspiel zu Vorarlbergs Erhebung im Jahre 1809, in:
Jahresbericht der k. k. Oberrealschule Dornbirn 1910/11, S. 3-30, hier S.
19, 21-22 u. 26.
220 RBl. 1808, Sp. 985, 3. Teil § 5.
221 RBl. 1808, Sp. 2789.
222 Verordnung 13.05.1808 das allgemeine Steuer-Provisorium für die
Provinz Baiern
betr., RBl. 1808, Sp. 1089, Anhang Nr. 1; Verordnung 13.05.1808 das
allgemeine Steuer-Provisorium für die Provinz Schwaben betr., RBl.
1808, Sp. 1089.
223 RBl. 1808, Sp. 2405.
224 Ebenda, Anhang: Instruktion der Gemeindevorsteher, § 5.
225 VLA: Gericht, Landgericht und Bezirksamt [fortan: G/LG/BA] Dornbirn
Polit. 1539/1808: LG Dornbirn an Generalkreiskommissariat, Dornbirn
18.12.1808.
226 Vgl. Volkert, Handbuch (wie Anm. 62), S. 88.
227 VLA: BA Sch. 84: Organisationsentwurf (1806).
228 Alois Niederstätter, Von Dorfvögten und Bannwarten. Die Entwicklung
„kommunaler“ Strukturen in Vorarlberg seit dem Mittelalter, in
diesem Band; Karl Heinz Burmeister, Die ländliche Gemeinde in
Vorarlberg bis 1800, in: Die ländliche Gemeinde (Schriftenreihe der
Arbeitsgemeinschaft Alpenländer). Bozen 1988, S. 139-157.
229 Manfred Tschaikner, Das Gericht Jagdberg in der frühen Neuzeit, in:
Seite 436
Das Gericht Jagdberg. Von der Einrichtung 1319 bis zur Aufhebung 1808,
hg. von Alois Niederstätter/Manfred Tschaikner (Elementa Walgau
Schriftenreihe 4). Nenzing 2007, S. 49-114, hier S. 74.
230 Zur Pfarrbildung: Andreas Ulmer, Erläuterungen zum Historischen
Atlas der österreichischen Alpenländer, 2. Abt.: Die Kirchen- und
Grafschaftskarte, 2. Teil: Vorarlberg. Wien 1951. Vgl. den Beitrag von
Manfred Tschaikner, Herrschaft, Gericht, Steuergenossenschaft,
Kirchspiel und Gemeinde. Zur Verwaltungsgeschichte des Großraums
Bludenz in der Frühen Neuzeit, in diesem Band.
231 Verordnung 01.01.1806 das Regierungsblatt betr., RBl. 1806, S. 1.
232 Vgl. den Beitrag von Alois Niederstätter, Die kirchliche Matrikenführung,
in diesem Band.
233 Ulrich Nachbaur, Das Feldkircher Walsergericht Damüls an der
„Staatsgrenze“ zu Blumenegg, in: 200 Jahre Blumenegg bei Österreich.
Beiträge zur Regionalgeschichte, hg. von Manfred Tschaikner (Bludenzer
Geschichtsblätter 72-74). Bludenz 2004, S. 25-109.
234 Zuletzt wurde dies in § 70 der Gemeindeordnung 1935 (LGBl. Nr.
25/1935) geregelt, der 1945 an sich wieder in Kraft trat und bis
1965 in Geltung blieb. Allerdings waren die Ortschaften 1938 mit
der Einführung der Deutschen Gemeindeordnung (RGBl. 1938, I,
S. 237, Art. II § 1; GBlfLÖ Nr. 408/1938, Art. II § 1) aufgelöst und die
Gemeinden zu ihren Rechtsnachfolgern bestimmt worden. Eine
Vermögensauseinandersetzung wurde nach 1945 zumindest diskutiert.
235 Verordnung 30.12.1807 die Generaladministration des Stiftungs- und
Kommunalvermögens im Königreiche Bayern betr., RBl. 1808, Sp. 209,
mit 11 Beilagen. Vgl. bereits: Verordnung 29.12.1806 die Verwaltung der
Stiftungen betr., RBl. 1907, Sp. 49.
236 VLA: BA Sch. 11, Nr. 667: Kuttner an Generallandeskommissariat,
Nüziders 26.12.1807.
237 VLA: BA Sch. 11, Nr. 667: Inventarium, Nüziders 21.-24.12.1807.
238 VLA: BA Sch. 6, Nr. 539: Inventarisation Kommunalvermögen
Landgericht Feldkirch 1808. Vgl. Niederstätter, Dorfvögte (wie Anm. 229);
Tschaikner, Jagdberg (wie Anm. 229), S. 80-85.
239 Edikt 30.09.1811 über die Reklamationen wider das allgemeine
Steuer-Provisorium, RBl. 1811, Sp. 1521; Verordnung 22.11.1811 das
allgemeine Steuer-Mandat für das Etatsjahr 1811/12 betr., RBl. 1811,
Sp. 1745. – Leider verfügt das Vorarlberger Landesarchiv nicht für alle
Steuerdistrikte über die Häuser- und Rustikalsteuerkataster, noch
seltener über Gewerbe- und Dominikalsteuerkataster (VLA: Findbehelf
Rep. 14/16). Allgemein vgl. Josef Heider, Das bayerische Kataster.

Geschichte, Inhalt und Auswertung der rentamtlichen Kataster,
Lager- und Grundbücher sowie der zugehörigen Flurkarten (Bayerische
Heimatforschung 8). München 1954.
240 Karl Lego, Geschichte des Österreichischen Grundkatasters. Wien
1968, besonders S. 25, 31, 42, 45-46 u. 51-52; Ulrich Nachbaur, Die
Hypothekenbank des Landes Vorarlberg 1897 bis 1925, in: Montfort 60
(2008) 1/2, S. 52-81, hier S. 56.
241 BSB: Dt Hss Cgm 6861/19: Lit. S Vermögen der Gemeinden 1809/10, LG
Innerbregenzerwald, Bezau 31.10.1811.
242 BSB: Dt Hss Cgm 6861/20: Lit. S Vermögen der Gemeinden 1811/12, LG
Bregenz, Bregenz 31.12.1812.
243 Ebenda, LG Sonnenberg, Bludenz 10.01.1813.
244 Ebenda, LG Weiler, Weiler 31.05.1813.
245 Staatsarchiv Augsburg: Bezirksamt Lindau 1050, Übersicht über die
Unterabteilungen im k. b. LG Weiler, Weiler 31.12.1808. – Freundliche
Mitteilung des Staatsarchivs Augsburg vom 24.03.2005 an Dr. Hermann
Stoller (Lindenberg), dem ich für eine Fotokopie der Übersicht danke.
246 Staatsarchiv Augsburg: Bezirksamt Lindau 1052 (wie Anm. 245):
Fotokopie einer Gemeindeliste, Datierung der Fotokopie nicht
entnehmen, Laufzeit des Aktes: 1808-1813.
247 VLA: BA Sch. 11, Nr. 667: Konspekt, Bludenz 18.01.1814.
248 VLA: LG Sonnenberg, Sch. 8, Nr. 123; VLA: BA Sch. 11, Nr. 667:
Summarische Zusammenstellung Rentamt Feldkirch, Feldkirch
24.03.1814.
249 VLA: BA Sch. 10, Nr. 667: Verzeichnis der Schulden, St. Gerold
07.09.1812. 1810 hatte nur ein Vorsteher gezeichnet (ebenda).
250 Karl Heinz Burmeister, Politische und Rechts-Geschichte, in: 50 Jahre
Rieden-Vorkloster bei Bregenz 1919-1969 Festschrift und Katalog der
Ausstellung. Bregenz 1969, S. 43-46, hier S. 43, erweckt den Eindruck,
Fluh sei gleich 1814, nach der Rückkehr zu Österreich, selbständig
geworden. Das trifft nicht zu. In einem Generalkonspekt über die
Bevölkerung der 18 Gemeindedistrikte des LG Bregenz 31.12.1814
scheint nur „Vorkloster“ (VLA: Kreisamt I [fortan: KA I], Sch. 339) auf. Am
04.05.1816 erstattet Gemeinderat Konrad Herlemann aus Fluh für die
Gemeinde Vorkloster Bericht und bemerkt, dass unter der bayerischen
Regierung die vier Gemeinden von Fluh, Kennelbach, Rieden und
Vorkloster zu einer Gemeinde oder einem Distrikt zusammengezogen
worden seien (VLA: LG Bregenz Commun. II-1307 u. 2413/1816). Bis April
1817 stellte Fluh mit Herlemann den Vorsteher des „Distrikts“ Vorkloster
und Rieden ((VLA: LG Bregenz Commun. III-4/1817). Im September 1820
handelt die Gemeinde Fluh selbständig (VLA: LG Bregenz Commun. VI-
37/1820). Am 14.12.1822 fanden in der Gemeinde Fluh Wahlen statt, weil
der Vorsteher, die Ausschüsse und der Kassier um Entlassung ersucht
hatten (VLA: LG Bregenz Commun. VIII 2112/1822) 2413/1816).
251 VLA: LG Bregenz, Commun. III-39/1818-19.
252 Am 23.05.1817 suchten Vertreter der Pfarre Buch um die Trennung an,
am 26.09.1817 beschied ihnen das Landesgubernium, sich in Geduld
zu üben (VLA: KA I EProt 2840, 3786, 4366, 501/1817). Am 07.01.1820
ersuchte die Pfarrgemeinde Buch erneut, eine eigene Gemeinde bilden
zu dürfen; das Landgericht Bregenz riet davon ab (VLA: KA I EProt
1/82-1 100, 183/1820). Ewald Hopfner, HeimatBuch. Geschichte und
Porträt der Kleingemeinde Buch im Bezirk Bregenz. In alten Zeiten dem
Gericht Hofsteig zugehörig. Buch 2000, S. 163, geht davon aus, dass die
Gemeindetrennung wahrscheinlich 1818 erfolgte.
253 1817 und 1818 zeichnete Martin Schelling als Gemeinderat der
Gemeinde Steißberg (wie Anm. 251). Am 24.03.1824 ersuchte er als
Vorsteher der Gemeinde Buch das Landgericht Bregenz um seine
Entlassung, nachdem er das Amt bereits während der bayerischen
Regierung 5 1/2 Jahre und in österreichischer Zeit erneut 4 Jahre und 3
Monate ausgeübt habe; gleichzeitig ersuchte auch Gemeindekassier
Baltus Böhler nach über vier Jahren um Entlassung (VLA: LG
Bregenz, Commun. X-569/1824). Das könnte auf eine Wahl im Jahr
1820 hindeuten. In einem Konspekt über die Schuldentilgung der
Vorarlberger Gemeinden von 1821 scheinen Steißberg und Buch
getrennt auf (VLA: KA I, Sch. 436). In der Gemeinde Steißberg fanden
1821 und 1822 Wahlen statt, bei denen Schelling und Böhler nicht unter
den Wählern aufgelistet sind (VLA: LG Bregenz, Commun. VIII-14/1821-
22).
254 Als einer von sehr wenigen geht Elmar Haller, Geschichte Sulzbergs.
Dornbirn 1961, S. 163-166 u. 175-177, auf die Gemeindebildung ein;
zudem Gebhard Blank u.a., Sulzberg. Stationen der Geschichte.
Sulzberg 1999, S. 52-59.
255 VLA: G/LG/BA Dornbirn Polit. 1539/1808. Der hier einliegende Konspekt
datiert vom 12.02.1809.
256 VLA: Kartensammlung 15/54-1 (30.08.1812), 15/54-2 (30.08.1812);
abgedruckt in Blank u.a., Sulzberg (wie Anm. 254), S. 53.
257 VLA: G/LG/BA Dornbirn Polit. 1539/1808: LG Dornbirn an
Generalkreiskommissariat, Dornbirn 18.12.1808.
258 VLA: G/LG/BA Dornbirn Polit. 1539/1808: Erläuterungen zum Konspekt,
n.d.
Seite 437

259 BSB: Dt Hss Cgm 6861/20: Lit. S Vermögen der Gemeinden 1811/12,
Tabelle LG Dornbirn, Dornbirn 06.01.1813.
260 VLA: BA Sch. 85: Protokoll, Hohenems 03.11.1806.
261 Aron Tänzer, Die Geschichte der Juden in Hohenems (Geschichte der
Juden in Tirol und Vorarlberg 1+2). Meran 1905, S. 196; zum Folgenden
ebenda S. 164-207. Vgl. auch Harald Walser, Emanzipation und
Ausgrenzung. Die Hohenemser Judengemeinde im 19. Jahrhundert,
in: Antisemitismus in Vorarlberg. Regionalstudie zur Geschichte einer
Weltanschauung, hg. von Werner Dreier (Studien zur Geschichte und
Gesellschaft Vorarlbergs 4). Bregenz 1988, S. 84-131.
262 RBl. 1813, Sp. 921, § 22.
263 Vgl. Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Gemeinden 1849 bis 2008, in diesem
Band.
264 VLA: KA I Sch. 341, Mappe Einteilung der Ortschaften: Ausweis über
die gemischten Gerichte in Tyrol und Vorarlberg, wie solche vom 1.
Mai 1817 an, in Gemäßheit des allerhöchsten Patents vom 14. März
1817 zu bestehen haben, und über die ihren Bezirken zugewiesenen
Gemeinden.
265 Hirn, Aushebung (wie Anm. 156), S. 5 u. 13.
266 Benedikt Bilgeri, Ein Gang durch die ältere Geschichte Rankweils, in:
Heimat Rankweil, hg. von Josef Bösch. Rankweil 1967, S. 66-120, hier S.
117. Vgl. Ulrich Nachbaur, „Marktgemeinde Rankweil“. Zum Werden und
Wesen von Marktgemeinden in Vorarlberg, in diesem Band.
267 Am 6. April 1813 (RBl. 1813, Sp. 581).
268 VLA: LG Sonnenberg, Sch. 8, Nr. 123.
269 Ebenda: Konspekt Jänner 1808/09, Nüziders 11.02.1809. Vgl. Nachbaur,
Damüls (wie Anm. 234), S. 30.
270 VLA: Gemeindearchiv Röthis Nr. 2: Inventarium der Verteilung
17.05.1816.
271 VLA: KA I Publ. 612/1830.
272 VLA: Landesausschuss: Gemeindefinanzen Stand Sonnenberg.
Zum früheren Standesvermögen vgl. VLA: BA Sch. 11, Nr. 667:
Generalkonspekt Stand Sonnenberg 1813. Vgl. z.B. Tschaikner, Jagdberg
(wie Anm. 229), S. 75.
273 Vgl. im Überblick Ulrich Nachbaur, Vorarlberger Territorialfragen 1945
bis 1948. Ein Beitrag zur Geschichte der Vorarlberger Landesgrenzen seit
1805 (Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs 8). Konstanz 2007, S. 19-
21; zu Hohenems und Lustenau vgl. Welti, Reichsgrafschaft (wie Anm. 2),
S. 268-286. Zu den Landgerichten Weiler, Sonthofen und Immenstadt:
VLA: KA I Präsid. III-3/1815.
Seite 438
274 Königlich-Baierisches Intelligenzblatt des Illerkreises 1814, Sp. 611-616
(Zitat Sp. 612).
275 Bilgeri, Vorarlberg 4 (wie Anm. 20), S. 267-270.
276 Vgl. Egon Koler, Die Wiedererrichtung der österreichischen Verwaltung
in Tirol und Vorarlberg in den Jahren 1814-1821. Masch. Diss. Universität
Innsbruck 1937.
277 VLA: KA I Publ. Commun. 156/1818; Welti, Bludenz (wie Anm. 67), S. 202-
204; VLA: Vogta Bludenz Nr. 1015; VLA: LG Sonnenberg Nr. 323 (Sch. 15).
278 VLA: KA I Publ. 96/1830; Welti, Reichsgrafschaft (wie Anm. 2), S. 296-
299. Vgl. auch VLA: KA I Bau 1012/1843 (Landgerichtsgebäude Dornbirn).
279 VLA: KA I Präsid. XXI-160/1835.
280 VLA: KA I Präsid. XXII-140/1837-1838.
281 Welti, Bludenz (wie Anm. 67), S. 210-211; VLA: Vogta Bludenz Nr.
1015.
282 VLA: KA I Publ. 96/1830; Welti, Reichsgrafschaft (wie Anm. 2), S. 287-
302.
283 VLA: KA I Publ. Commun. 1820: Organisation des Gemeindewesens.
284 Ebenda; Entschließung 14.08.1819 die Regulirung der Gemeinden
und ihrer Vorstände in Tyrol und Vorarlberg betreffend, Provinzial-
Gesetzsammlung von Tyrol und Vorarlberg für das Jahr 1819, S. 755.
285 Provisorischen Gemeindegesetz 17.03.1849, RGBl. Nr. 70/1849.
286 KA I Publ. 779/1838 (1838 mit Stuben und Hohenems Judengemeinde;
ohne Nofels); Nachbaur, Gemeinden (wie Anm. 263); Ulrich Nachbaur,
Gesetzgebung und Verwaltung, in: Vorarlberg. Zwischen Fußach und
Flint, Alemannentum und Weltoffenheit, hg. von Franz Mathis/Wolfgang
Weber (Geschichte der österreichischen Bundesländer seit 1945,
Schriftenreihe des Forschungsinstitutes für politisch-historische Studien
der Dr. Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Salzburg 6/4). Wien/Köln/Weimar
2000, S. 464-522, hier S. 496.
287 Josef Gebhard Roder, Bregenz vor 50 Jahren (Separatabdruck
aus Vorarlberger Volksblatt). Bregenz 1902, S. 41. – Roder hatte
Generallandeskommissär Schneider als Schreiber gedient (Hirn,
Aufenthalt [wie Anm. 127], S. 32).
288 Hören auf, fallen weg.
289 Einnehmereien.
290 Das ins Mittelalter zurückreichende kaiserliche Landgericht zu Rankweil
(Müsinen) hatte bereits stark an Bedeutung eingebüßt (Karl Heinz
Burmeister, Rankweil als Gerichtstätte, in: Heimat Rankweil, hg. von
Josef Bösch. Rankweil 1967, S. 131-145).
291 Dieser Punkt ist in der Bekanntmachung der Organisationskommission

vom 02.12.1806 (wie Anm. 158) mit „Modification der Patrimonial und
Dorfgerichte“ übertitelt.
292 Gebäude in Staatseigentum.
293 Das Amtshaus der Herrschaft Hohenegg in Weitnau wurde samt
Amtsgut am 27.07.1807 um 4.300 Gulden an Private verkauft, die
„Amtstaferne“ in „Adler“ umbenannt (Karl Heinz Burmeister, Das
Amtshaus Hohenegg, seine Entwicklung und seine Bedeutung, in:
Allgäuer Geschichtsfreund (2007) 107, S. 14-48).
294 Die Stadt Bregenz erwarb am 01.12.1806 für das Landgericht ein Haus
am Graben (heute Rathausstraße 27). 1808, nach der Auflösung des
Kreiskommissariats, übersiedelte es ins ehemalige Kreisamtsgebäude
am Leutbühel. Als Gefängnis diente der weiterhin ein Teil des
ehemaligen gräflichen Amtshauses in der Oberstadt (Nachbaur,
Amtshäuser [wie Anm. 79], S. 11-17).
295 Der Stand Bregenzerwald hatte 1789 den Bau eines Gerichtsgebäudes
in Bezau in Auftrag gegeben, das nun vergrößert, um ein Gefängnis
(Fronfeste) erweitert wurde (Wilhelm Meusburger, Bezau. Geschichte,
Gesellschaft, Kultur. Bezau 1995, S. 48). Da sich damit die hinter der
Bezegg gelegenen Gemeinden durchsetzten, wurden ihnen offenbar die
Kosten allein auferlegt (vgl. Darstellung 4.1.).
296 Gebäude in Staatseigentum.
297 In Nüziders stand das Gerichtshaus des Standes Sonnenberg. Es fiel
1865 einem Dorfbrand zum Opfer (vgl. Anm. 81; Bußjäger, Nüziders [wie
Anm. 189], S. 57).
298 Am 06. 03.1807 wurde für das Gericht Sulzberg eine ähnliche Regelung
getroffen (Haller, Sulzberg [wie Anm. 254], S. 162-163).
299 Ab 1810 diente das ehemalige „Marentische Gasthaus“ als
Gerichtsgebäude (Montafoner Heimatbuch. Schruns 21980, S. 480).
300 Nach den im Organisationsentwurf 1806 (VLA: BA Sch. 84) [fortan: OE
1806] ausgewiesenen Familienzahlen bedeutete das für die Landrichter
von Weiler 978, Feldkirch 804, Innerbregenzerwald 686, Bregenz 685,
Sonnenberg 674, Dornbirn 638, Montafon ca. 533 Gulden Zulage.
301 Brennholz.
302 Als Abfindungssumme.
303 Vorteile, Nutzen, Vergütungen.
304 Abfindungssumme.
305 Gefälle war bis in die Frühe Neuzeit ein Sammelbegriff für verschiedene
obrigkeitliche, kirchliche oder gerichtliche Erträge, Einkünfte oder
Angaben.
306 Taggelder.
307 Mit Franz von Vintler (1768-1807) wurde der bisherige Kreishauptmann
zum Kreiskommissär bestellt. Er starb am 22.04.1807 (Nachruf, RBl.
1807, Sp. 884-886).
308 Johann Peter Vögel aus Sulzberg dürfte zu den Proteges des
Organisationskommissärs und späteren Generalkreiskommissärs von
Merz gezählt haben. Vögel war 1801 bis 1803 Administrationsgehilfe
der k. k. Administration Hohenems, 1803 bis 1804 Vogteiamtsverwalter
in Bludenz und von Freiherr von Sternbach entlassen worden; laut
Organisationskommission deshalb, weil Vögel ihm keinen Einfluss
auf dessen Richteramt gewährt habe. Vögel fand als Protokollist
Anstellung beim Kreis- und Oberamt in Bregenz. Merz hielt ihn für
eine Landrichterstelle fähig und ersuchte darum, Vögel im Hinblick
auf dessen zahlreiche Familie und des unter der vorigen Regierung
erlittenen Unrechts das Gehalt nicht zu kürzen. Vom Kreisamt muss
Vögel schon bald in die Landesdirektion nach Ulm gewechselt haben.
Im Juni 1807 begleitete er Merz als Landesdirektionssekretär zur
Übernahme der landschaftlichen Kassen nach Vorarlberg. Von 1808 bis
1813 ist er als Sekretär der Finanzdirektion des Illerkreises ausgewiesen.
Von 1819 bis 1832 ist er als 2. Kreiskommissär im Kreisamt Bruneck
ausgewiesen (OE 1806 [wie Anm. 300]; Blank, Studenten [wie Anm.
188], S. 79; Welti, Bludenz (wie Anm. 67), S. 201; Hermann Sander,
Die österreichischen Vögte von Bludenz, in: Programm der k. k. Ober-
Realschule Innsbruck für das Studienjahr 1898/99. Innsbruck 1899, S.
3-92, hier S. 85; VLA: Landstände, Sch. 83, D 38: Protokoll, Bregenz/
Feldkirch 22./23.06.1807; OE 1806 [wie Anm. 300]).
309 Joseph Gebhard Beer war 1784 bis 1789 Oberamtsprokurator und
170 Akzessist beim Oberamt Bregenz, dann Amtmann der kleinen
Herrschaft Hohenegg, 24 Dienstjahre, Jahresgehalt 1.500 Gulden.
Die Organisationskommission pries ihn als einen der „vorzüglichen
Vorarlbergischen Staatsdiener“, der bei seinen Untertanen sehr beliebt
sei. Beer soll seiner Ernennung durch Bestechung nachgeholfen haben
(OE 1806 [wie Anm. 300]; Blank, Studenten [wie Anm. 188], S. 13; Hirn,
Erhebung (wie Anm. 68), S. 32 und passim). Siehe Darstellung 4.13.
310 Johann Michael Madlener (1764-1813) aus Sulz, hochfürstlicher Leibarzt
in Buchau, Gerichtsphysikus des Gerichts Rankweil-Sulz, zuletzt des
Gerichts Kellhöfe (VLA: BA Sch. 84: Ausweis der in der Provinz Vorarlberg
befindlichen Ärzte und ihre Gehalte, n.d. [1806]); Blank, Studenten
[wie Anm. 188], S. 140; J. K. Hueber-Florsperg, Vorarlberg in seinen
wappenfähigen Familien dargestellt, Bd. 3. Bregenz 1881, S. 137).
311 Immler war Gerichtsdiener der Herrschaft Hohenegg.
Seite 439

312 Moz (Motz) war 1803 Oberbeamter und Landschreiber des
Vogteiamts Feldkirch, später Kreis- und Oberamtsrat in Bregenz,
seit 18 Jahren im Staatsdienst, Jahresgehalt 1.573 Gulden. Für die
Organisationskommission hatte Moz für diese Stelle „sowohl durch
die Bestimmungen seiner bisherigen Dienstskategorie als seine
moralischen und intellektuellen Eigenschaften den ersten Anspruch.“
Der „gutmeinende, aber schwache Landrichter“ wurde nach dem
Aufstand 1809 nach Ravensburg versetzt (Hirn, Erhebung (wie Anm. 68),
S. 392; OE 1806 [wie Anm. 300]; Instanzen-Schematismus für Tyrol und
Vorarlberg 1803, S. 105). Siehe Darstellung 4.13.
313 Gebhard Aberer war 1796 bis 1804 Kreis- und Oberamtspraktikant,
1805 Oberamtsprotokollist in Bregenz, 11 Dienstjahre, 675 Gulden. Er
wäre laut Organisationskommission gemäß seiner Dienstkategorie
zu einer höheren Anstellung berufen gewesen, die ihm aber derzeit
nicht zugewiesen werden könne. Während des Aufstandes 1809 diente
Aberer Generallandeskommissär Schneider als Sekretär. Anschließend
wurde er nach Ravensburg versetzt, später offenbar pensioniert. Er
hielt zu Anton Schneider Kontakt. 1813 war er bei den Landrechten in
Brünn angestellt. 1819 scheint er als Landrichter im Bregenzerwald auf
(Hirn, Erhebung [wie Anm. 68], S. 392; OE 1806 [wie Anm. 300], Hirn,
Aufenthalt [wie Anm. 127], S. 32 u. 40-41; Rieder, Reisach 1915 [wie Anm.
130], S. 299; Blank, Studenten [wie Anm. 188], S. 2; Schematismus der
Provinz Tyrol und Vorarlberg 1819; VLA: Vorarlberger Akten Nr. 555).
314 Zur Staatsdienerpragmatik von 1805 siehe Darstellung 4.13.
315 Dr. Wunibald Rosenstiel (1758-1816) war seit 1784 Kreis-, Stadt- und
Landschaftsphysikus in Bregenz. Die Organisationskommission lobt
ihn als „ein Mann von ausgezeichnetem verdienten Ruf im In- und
Auslande, würdig in jedem Betracht, daß ihm noch ferner eine Art
von Oberaufsicht über die Sanitätsanstalten des Landes […] belassen
werde.“ (OE 1806 [wie Anm. 300]; Instanzen-Schematismus für Tyrol und
Vorarlberg 1803, S. 149 u. 192; Walter Zirker, „Allein der Patient starb,
vor er geheilt war“. Ärzte und Wundärzte in Vorarlberg von 1814 bis 1914
[Alemannia Studens Sonderbd. 3]. Regensburg 1998, S. 163).
316 Johann Georg Bereitter (1775-1833) aus Buch war 1803 Kreis- und
Oberamtspraktikant in Bregenz, dann Administrator der Herrschaft
Hohenems, 31 Jahre alt, 4 Dienstjahre, Jahresgehalt 759 Gulden.
Ein großer Teil der Gemeinden des Innerbregenzerwaldes habe sich
laut Organisationskommission Bereitter anstelle des bisherigen
Landschreibers Jakob Moosbrugger gewünscht. Er galt bald
unbestritten als einer der fähigsten Beamten. 1815 wurde er Richter,
Seite 440
1817 bis 1826 Präsident des Kollegialgerichts Feldkirch, anschließen
Appellationsgerichtsrat in Innsbruck (OE 1806 [wie Anm. 300]; Hirn,
Erhebung (wie Anm. 68), S. 16, 32 und passim; Blank, Studenten [wie
Anm. 188], S. 16-18). Siehe Darstellung 4.13.
317 Balthasar Winder aus Buch, Orts- und Gerichtsphysikus des Gerichts
Innerbregenzerwald, Promotion 1804 (OE 1806 [wie Anm. 300]; VLA: BA
Sch. 84: Ausweis der in der Provinz Vorarlberg befindlichen Ärzte und
ihre Gehalte, n.d. [1806]; Blank, Studenten [wie Anm. 188], S. 231).
318 Andreas Metzler (OE 1806 [wie Anm. 300]).
319 Dr. Joseph von Ganahl (1759-1833) aus Tschagguns, 1803 nobilitiert,
1789 bis 1804 Landadvokat, Gerichtschreiber, Oberamtsadvokat
und Prokurator in Dornbirn, seit 1805 Syndikus der Stadt Bregenz
und der unteren Stände, gemäß Organisationskommission „ein
Mann von überwiegendem Ansehen in diesem Lande, einer
der ersten Rechtsgelehrten, von unbescholtenem Ruf, strengen
Sitten, und unermüdeter Thätigkeit“. 1815 wechselte Ganahl als
Appellationsgerichtsrat nach Innsbruck, 1818 als Präsident des
Kollegialgerichts nach Bozen (OE 1806 [wie Anm. 300]; Alois
Niederstätter, Dr. Joseph Ganahl von Zanzenberg (1759-1833), in:
Dornbirner Schriften (1988) 5, S. 31-35; Blank, Studenten [wie Anm.
188], S. 87-93).
320 Matt, 3 1/2 Dienstjahre, Jahresgehalt 256 Gulden „ein junger Mann von
vorzüglichen Anlagen“ (OE 1806 [wie Anm. 300]).
321 Dr. Johann Karl Hollenstein (1760-1810) aus Lustenau war
von der Christen- und der Judengemeinde Hohenems als
Gemeindearzt angestellt. Große Verdienste erwarb er sich um die
Pockenschutzimpfung (OE 1806 [wie Anm. 300]; VLA: BA Sch. 84:
Ausweis der in der Provinz Vorarlberg befindlichen Ärzte und ihre
Gehalte, n.d. [1806]; Tänzer, Juden [wie Anm. 261], S. 325 Anm. 2).
322 Wohl Peter Vögl (Vögel), der 1803 als Administrationsgehilfe der k. k.
Administration Hohenems ausgewiesen ist (Instanzen-Schematismus
für Tyrol und Vorarlberg 1803, S. 104).
323 Die Brüder Leopold, Christoph und Maximilian Gugger von Staudach
sollen ihre Ernennung mit bedeutenden Schmiergeldzahlungen
an Organisationskommissär Merz nachgeholfen haben. Laut
Organisationskommission entsprach sie mit der Bestellung des Christoph
von Gugger dem Wunsch der Gerichte Rankweil-Sulz, Jagdberg und
Neuburg und war sich sicher, dass „die gründliche wissenschaftliche
Bildung, die unbestechliche Gerechtigkeitsliebe, und die rastlose
Thätigkeit dieses geprüften und klugen Geschäftsmannes die allerhöchste

Entschließung ohnehin zu seinen Gunsten bestimmen würde.“ Nach
dem Aufstand von 1809 wurde er nach Geislingen versetzt, konnte aber
1811 wieder nach Feldkirch zurückkehren (OE 1806 [wie Anm. 300]; Hirn,
Erhebung (wie Anm. 68), S. 32, 392). Siehe Darstellung 4.13.
324 Franz Ferdinand Funkner von Funken (1778-1838), Sohn des
Oberamtmanns von Hohenems, 1790-1791 Kreisamtspraktikant in
Bregenz, stand 1794 bis 1797 als Akzessist und Praktikant im Dienst des
Oberamtes der Markgrafschaft Burgau zu Günzburg, das in Großkötz ein
Pflegamt unterhielt, zuletzt als Beamter im Breisgau, bis dieser an das
Haus Habsburg-Este fiel (OE 1806 [wie Anm. 300]; Quarthal/Wieland/
Dürr, Vorderösterreich [wie Anm. 1], S. 347 u. 359-360; Blank, Studenten
[wie Anm. 188], S. 87).
325 Dr. Franz Josef Griß (1761-1847) aus Rankweil, praktizierte seit 1791 in
Feldkirch, wurde 1797 in den Stadtrat gewählt und zeichnete sich 1799
als Hauptmann der Feldkircher Scharfschützenkompanie aus. Er war
1806 bis 1817 Landgerichtsarzt in Feldkirch, anschließend bis 1823
Kreisphysikus in Bregenz (OE 1806 [wie Anm. 300]; Andreas Ulmer/
Christoph Vallaster, Bedeutende Feldkircher. Von Hugo von Montfort bis
zur Gegenwart. Bregenz 1975, S. 220-221; Blank, Studenten [wie Anm.
188], S. 104-105).
326 Erne, bisheriges Jahresgehalt 500 Gulden inklusive Beteiligung an den
Taxen (OE 1806 [wie Anm. 300]).
327 Andreas Vonbun, Landschreiber des Gerichts Sonnenberg, 1803
kurzzeitig provisorischer Vogteiverwalter in Bludenz, soll seiner
Bestellung mit Schmiergeld nachgeholfen haben. Die künftigen
Gemeinden des Landgerichts, so die Organisationskommission,
ersuchten schriftlich um seine Ernennung: „Er hat den Ruf eines
gerechten und fleißigen Justizbeamten, verwaltet bereits seit 13 Jahren
alle Justiz- und Polizeygeschäfte dieses sehr ausgebreiteten Gerichts zu
allgemein erklärten Zufriedenheit, sowohl desjenigen Gerichts, dessen
Angelegenheiten er besorgte, als auch der benachbarten Gemeinden
[…].“ Vonbun starb am 11.02.1808 mit 48 Jahren (OE 1806 [wie Anm.
300]; Hermann Sander, Die österreichischen Vögte von Bludenz, in:
Programm der k. k. Ober-Realschule Innsbruck für das Studienjahr
1898/99. Innsbruck 1899, S. 3-92; Hirn, Erhebung (wie Anm. 68), S. 32;
VLA: Sterbebuch Nüziders [Mikrofilm]). Siehe Darstellung 4.13.
328 Johann Josef von Ganahl, Stadt- und Landphysikus in Bludenz, 17
Dienstjahre (VLA: BA Sch. 84: Ausweis der in der Provinz Vorarlberg
befindlichen Ärzte und ihre Gehalte, n.d. [1806]).
329 Laut Organisationskommission ersuchten der Landammann und
die Geschworenen des Gerichts Montafon um Maximilian von
Gugger als Landrichter, da der Montafoner Landschreiber Theodor
Fritz (hier irrtümlich „Frick“), „ein Mann von Thätigkeit und guter
wissenschaftlicher Bildung“, das Vertrauen nicht besitze und von
„zu reizbarer Gemüthsart“ für dieses Volk zu sein scheine. Gugger,
ehemals Landschreiber des Innerbregenzerwaldes, einen „wegen seiner
juridischen Kenntnisse, seiner erprobten Klugheit und reinen Moralität
sehr zu empfehlenden Beamten“, habe sich Landesgouverneur
Ferdinand Graf Bissingen-Nippenburg 1802 bei seiner Versetzung
als Generalgouverneur nach Venedig als Präsidialsekretär erbeten.
Nicht lange vor dem Ausbruch des letzten Krieges sei Gugger zum
Polizeikommissär von Udine ernannt worden, wo ihm das Klima
zugesetzt habe. Seit Ausbruch des letzten Krieges sei er ohne
Anstellung in Vorarlberg und nun bereit, „diesen etwas gefährlichen
Posten anzunehmen.“ Gugger soll Merz bestochen haben. Nach dem
Aufstand von 1809 wurde er nach Tettnang versetzt (OE 1806 [wie Anm.
300]; Hirn, Erhebung (wie Anm. 68), S. 32, 392).
330 OE 1806 [wie Anm. 300]: „Da sich kein berühmter Arzt in diesem
abgelegenen Gebirgstheil niederzulassen entschließen dürfte, so
glaubt der königliche Kommissär, den bisher in Satteins wohnhaft und
geprüften Doctor Medicinae Bertsch, der sich vorzüglich bis nun mit
der Geburtshilfe abgegeben, in gehorsamsten Vorschlag bringen zu
dürfen.“ – Wohl Dr. Johann Bertsch (1775-1863) aus Schnifis, Promotion
1801, bis 1822 Landgerichtsarzt in Schruns, 1822 bis 1825 Distriktsarzt
in Lermoos, 1826 bis 1827 Bezirksarzt in Weißenbach, 1828 bis 1830
Bezirksarzt in Prutz, 1830 bis zumindest 1849 Bezirksarzt in Bludenz,
scheint ab 1858 in Rankweil auf (Blank, Studenten [wie Anm. 188], S.
19; Zirker, Ärzte [wie Anm. 315], S. 37, 47, 69, 138).
331 Jakob Moosbrugger, bisher Landschreiber des Innerbregenzerwaldes,
„besitzt gründliche juridische Kenntnisse, und den unbezweifelten
Ruf eines sehr rechtschaffenden Mannes,“ sei aber bei einem großen
Teil der Bregenzerwälder Gemeinden nicht beliebt, argumentierte
die Organisationskommission. Er sei 1799 als Hauptmann der
Landesschützen verwundet worden und seither im Gebrauch des
rechten Arms beeinträchtigt, was ihn zu einer angestrengten Arbeit
untauglich mache. Deshalb wurde vorgeschlagen, ihn zum Stadtrichter
und Stadtkommissär in Bregenz zu ernennen (OE 1806 [wie Anm. 300]).
Er führte als Major auch das Bürgermilitär im Landgericht Bregenz
(Adresskalender Illerkreis 2 (1810), S. 20.) Bei der Auflösung des
Stadtgerichts Ende 1808 wurde Moosbrugger zum Stadtgerichtsassessor
Seite 441

in Neuburg an der Donau ernannt (RBl. 1808, Sp. 3008).
332 Gebhard Schneider, bisher Kanzlist und Quartiermeister der Stadt
Bregenz (OE 1806 [wie Anm. 300]).
333 Da der Feldkircher und oberständische Syndikus Ignaz Rederer als
Leiter des landschaftlichen Zentralbureaus in Aussicht genommen
sei, schlug die Organisationskommission Alois Eberlin, den
bisherigen Rentmeister des Vogteiamts Feldkirch als Stadtrichter und
Stadtkommissär vor, „weil derselbe ungeachtet seiner nicht bezweifelten
Treue und Redlichkeit in dem Kameralfache nimmermehr den strengen
Erfordernissen des Dienstes Genüge leisten dürfte, im Justizfache
hingegen als sehr brauchbarer Beamter bekannt ist, und sich bereits
die Achtung und das Vertrauen der Bürgerschaft dieser Stadt in hohem
Grade eigen gemacht hat.“ (OE 1806 [wie Anm. 300]). Im September
1807 wurde Eberlin zum Rentbeamten in Oberdorf ernannt (RBl. 1807,
Sp. 1601). Ihm folgte im Oktober 1808 bis Jahresende provisorisch noch
Georg Feurstein (RBl. 1808, Sp. 759). Feurstein musste sich nach dem
Aufstand von 1809 vor dem Spezialgericht in Lindau verantworten (Hirn,
Spezialgericht [wie Anm. 219], S. 19 u. 22; vgl. auch Hirn, Aushebung
[wie Anm. 156], S. 7 u. 29); zu Rederer: Blank, Studenten [wie Anm. 188],
S. 165-166.
334 Zu Höcht siehe Darstellung 4.13. Im September 1807 wurde Höcht
als Rentbeamter nach Günzburg versetzt. Ihm folgte der bisherige
Rechnungskommissär David Asmus (RBl. 1807, Sp. 1602).
335 Organisationskommissär Merz traute sich nicht, seinen Konfidenten,
den landschaftlichen Buchhalter Leopold von Gugger vorzuschlagen.
Gugger wurde Rentmeister in Immenstadt (Hirn, Erhebung [wie Anm.
68], S. 32). Zweite Wahl war Franz Anton Fritschner , der bereits
Weingarten als Oberamtmann der Herrschaft Blumenegg diente, dann
ab 1803 Oranien-Nassau, ab 1804 Österreich als Oberamtmann der
Herrschaften Blumenegg und St. Gerold, Jahresgehalt 1.176 Gulden, der
„sein Amt bis nun mit aller Treue, Ordnung und Pünktlichkeit geführt zu
haben scheint, und die Gefälle, die er bisher administriert, den größten
Theil der Kameralgefälle des künftigen Rentamts Feldkirch ausmachen.“
(OE 1806 [wie Anm. 300]). Siehe Darstellung 4.13.
336 Josef Zipper war elf Jahre Kanzleidiener beim Vogteiamt Feldkirch,
Jahresgehalt 256 Gulden (OE 1806 [wie Anm. 300]).
337 Isfordink war bereits 64 Jahre alt, hatte 34 Jahre gedient, und schien
der Organisationskommission deshalb zum Antritt der neuen Laufbahn
eines sehr anstrengenden Staatsdienstes nicht mehr tauglich zu sein
(OE 1806 [wie Anm. 300]).
Seite 442
338 Zulassung.
339 Georg Feurstein aus Andelsbuch, diente seit 14 Jahren, war bis 1806
Landschreiber beim Vogteiamt Feldkirch, wurde im Oktober 1808 zum
provisorischen Stadtgerichtsverwalter in Feldkirch bestellt (OE 1806
[wie Anm. 300], RBl. 1808, Sp. 759; Blank, Studenten [wie Anm. 188], S.
70-71).
340 Flatz war Registrator und Taxator beim Kreis- und Oberamt in Bregenz.
Die Organisationskommission schätzte ihn als rechtschaffenen und
fleißigen Beamten ein, allerdings von zu beschränkten Fähigkeiten für
das neue Rentamt (OE 1806 [wie Anm. 300]).
341 Einser hatte bereits dem 1806 aufgehoben Benediktinerstift Mehrerau
als Oberamtmann gedient und administrierte die Gefälle bis 20.01.1807.
Er war von der Organisationskommission als Nachfolger Höchts in der
Leitung des Rentamtes Bregenz vorgesehen, wurde aber im September
1807 zum Kastenbeamten in Kempten ernannt. Später diente er als
Regierungssekretär in Linz (Rieder, Reisach 1915 [wie Anm. 130], S. 278
Anm. 1; OE 1806 [wie Anm. 300], RBl. 1807, Sp. 1602).
342 Joachim Bergmann aus Bregenz war 1798-1799 Administrationsgehilfe
in Hohenems, dann Kreis- und Oberamtspraktikant in Bregenz, 1805/06
provisorischer Verwalter der österreichischen Herrschaft Rhäzüns. Er
könne seinen Posten wegen Schulden solange nicht verlassen, bis
Österreich ihm nicht den Rückstand seines verdienten Gehalts nicht
vergüte (OE 1806 [wie Anm. 300]; Blank, Studenten [wie Anm. 188], S.
20). Siehe Darstellung 4.13.
343 Adrian von Häusler/Häußler (1742-1820) war, wie bereits sein Vater,
seit 1768 Amtmann des Reichsstiftes Chur gewesen, Jahresgehalt 850
Gulden. Seit 1771 war er zudem Postmeister in Feldkirch und blieb dies
auch in bayerischen Diensten. Nach dem Aufstand von 1809 musste
sich Häusler vor dem Spezialgericht in Lindau verantworten (OE 1806
[wie Anm. 300]; Ulmer/Vallaster, Feldkircher [wie Anm. 317], S. 219-220;
Blank, Studenten [wie Anm. 188], S. 121-123; Hirn, Spezialgericht [wie
Anm. 219], S. 19).
344 Meißburger (Meusburger), Jahresgehalt 358 Gulden (OE 1806 [wie Anm.
300]).
Historischer Atlas von Bayerisch-Schwaben.
Augsburg 1955 (Wolfgang Zorn)

Seite 443

Seite 444

Seite 445

Fotonachweis
Amt der Vorarlberger Landesregierung, Landespressestelle,
Bregenz: S. 18, 20, 21, 22, 23, 24, 26, 27, 28, 30,
31 (Arno Meusburger), 76, 79, 81, 83, 85, 89, 92, 93, 96
(Alexandra Serra).
Amt der Vorarlberger Landesregierung, Schulmediencenter,
Bregenz: 395, 426.
Archiv der Landeshauptstadt Bregenz: S. 198, 323, 325,
327, 329, 330, 331.
Bayerische Staatsbibliothek (Kartensammlung), München:
S. 402 (Mapp. XI,48), 406 (Mapp. XI,50 0-12)
Benedikt Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs, Bd. 4. Graz 1982:
S. 117, 118, 119, 418.
Burmeister. Die Gemeindewappen von Vorarlberg. Sigmaringen
1975: S. 206, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 213, 214,
215, 216, 217.
Festschrift zur Jahrhundertfeier 1809-1909 in Bregenz.
Bregenz 1909: S. 363.
Gemeindearchiv Lech: S. 360.
Güfel, Gisingen. Feldkirch 2005: S. 253.
Hauptschützengilde Feldkirch: S.124, 125, 141.
Hirn, Vorarlbergs Erhebung 1809. Bregenz 1909: S. 365.
Historischer Atlas von Bayerisch-Schwaben. Augsburg
1955: S. 374, 443, 444, 445.
Karlinger/Holböck, Die Vorarlberger Bistumsfrage. Graz
u.a. 1963: S. 187
Marktgemeindearchiv Nenzing: S. 110, 112, 368.
Montafoner Museen, Schruns: 272, 273, 274, 275, 276, 278,
302, 314, 315, 316, 317, 318, 319.
Schloss Hofen, Zentrum für Wissenschaft und Weiterbildung,
Lochau: 167, 170, 174, 175.
Staatsarchiv Augsburg: S. 408 (Regierung 3084a).
Stadtarchiv Feldkirch: S. 126, 144, 220, 227, 231, 232, 235,
236, 239, 240, 245, 246, 249, 251, 254.
Stadtbibliothek Feldkirch: S. 122, 128, 129, 151.
Tosters. Eine Dorfgeschichte. Feldkirch 2002: S. 246.
Seite 446
Vorarlberger Landesarchiv, Bregenz: S. 115, 116, 158, 161,
164, 188, 190, 194, 199, 200, 201, 202, 203, 218, 222, 223,
224, 229, 233, 237, 242, 243, 247, 260, 261, 262, 263, 264,
267, 270, 280, 283, 285, 287, 289, 290, 293, 302, 303, 304,
305, 306, 307, 308, 309, 335, 343, 351, 362, 369, 370, 381,
385, 386, 387, 388, 393, 401, 404, 417, 421.
Vorarlberger Landesmuseum, Bregenz:
S. 142, 152, 338, 373.
Vorarlberger Landtag, Landtagsdirektion, Bregenz:
S. 36, 38 (Harald Pfarrmaier).
Winkler, Gruß aus Alt-Feldkirch. Bregenz 1990:
S. 221, 225, 234.
Wirtschaftsarchiv Vorarlberg, Feldkirch:
S. 133, 145.
Z’Hard am See. Hard 1990: S. 265.

Orts- und Personenregister
Bei den Orten sind Bayern, Österreich und Vorarlberg aufgrund
der Häufigkeit nicht und bei den Personen nur natürliche
Personen berücksichtigt.
Aberer, Gebhard 426, 440
Achberg, Herrschaft 375
Adam, Johann 427
Adegold, Maria Elisabeth 145
Aitrang 411
Alberschwende 206, 340, 367
Gericht 326, 380, 415, 420
Albertani, Cornelia 334
Albrecht von Werdenberg-Heiligenberg, Graf 293
Alfenz (Bach) 281, 283, 290-295, 299
Allgäu 123, 262
Allgäu-Bodensee, Ritterbezirk 372 f.
Allgäuer, Andreas 222
Allgäuer, Karl 250
Allgäuer, Stefan 231, 233, 247, 250
Alt St. Johann 254
Altach 160, 206, 367, 421
Altenburg, Gericht 380, 416, 423
Altenstadt siehe Feldkirch
Altlaubenberg siehe Laubenberg
Altshausen, Landkomturei 375
Alvier (Bach) 283
Amann, Andreas 314
Amann, Bartholomä 142
Amann, Franz Anton 274
Amann, Gerold 13, 73, 91, 93
Amann, Johann 147
Amann, Joseph 139
Andelsbuch 87, 206, 338, 340-342, 347 f., 350, 352, 355,
367, 415, 442
Bezegg 206, 339 f., 347-351, 355 f., 385, 424
Annaberg 186
Apfeltrang 392
Arco, Karl Graf von 383
Arlberg (Pass) 116, 198, 260, 269, 301, 359, 371, 381 f.,
396, 422
Athen 193
Au 188, 206, 333 f., 336, 337, 339, 347, 352, 355, 367, 415
Augsburg 125, 186, 399, 404
Diözese 136, 188
Augustinus, hl. 185
Augustus, Kaiser 193
Außerfern 404
Austerlitz/Slavkov u Brna (Tschechien) 114, 123, 361,
372, 377
Azmoos 145
Baal, Johann Josef 136
Babenhausen 375, 410
Bachmann, Ferdinand 128 f., 160
Bachmann, Markus 304, 305, 317, 319
Bachstein, Kuno 9
Baden, Großherzogtum 114, 143
Baden-Württemberg 165
Bäder, Bernhard 138
Bahl, Erwin 103
Baier, Franz Josef 139
Baier, Xaver 139
Balzers 378, 430
Bamberg 148
Bartholomäberg 97, 102 f., 108 f., 206, 271, 290, 304-306,
317 f., 367, 414 f.
Steuerdistrikt 293, 414 f.
Bartholomäus, hl. 206, 305
Basel 186
Batlogg, Helmut 72
Batlogg, Ignaz (Lorüns) 297
Batlogg, Ignaz (St. Anton) 102 f., 308
Batlogg, Johann Joseph 275 f.
Bayern, Provinz 383, 390 f. 397, 400
Beck, Gebhard 226, 243
Beer, Joseph Gebhard 399, 406, 416, 426, 439
Beer, Natalie 316
Beiser, Albin 334
Belrupt-Tissac, Carl Graf 225
Bedernau 411
Seite 447

Bendern 372, 383, 395 f., 423
Benedikt XIV., Papst 189
Benzer, Arnulf 308
Berchtel, Johann Josef 287
Berchtold, Wilfried 7, 10, 13, 15, 17, 26, 33, 35, 37 f.
Bereitter, Johann Georg 399, 406, 415, 426, 440
Berghofer-Weichner, Mathilde 25
Bergmann, Joachim 378, 428, 430, 442
Bergmann, Joseph 294
Bergmeister, Johann 225 f., 228, 242 f.
Berlin 10, 78, 84, 314, 329, 339, 359, 366
Berlinger, Kaspar 337
Bern 83, 378
Bertle, Hans 272, 302, 313 f., 319
Bertsch, Jakob 72
Bertsch, Johann 427, 441
Bertsch, Rosina 147
Bertschler, August 231
Bertschler, Johann 220-223
Besançon 186
Besserer, Lietfriedus 316
Beuren 411
Bezau 116, 138, 188, 206, 266, 341, 347, 352, 356,
367 f., 385, 399, 415, 421, 424-426, 439
Bezegg siehe Andelsbuch
Bickel, Sebastian 333-335
Biedermann, Josef 222
Bildstein (früher: Steißberg) 159, 206, 367 f., 415 f., 437
Bilgeri, Benedikt 119, 121, 364, 202, 268, 292, 307, 309,
339
Bissingen-Nippenburg, Ferdinand Graf 124, 441
Bitschnau, Eduard 103
Bitschnau, Franz Josef 102
Bitschnau, Hans 232 f.
Bitschnau, Josef 109
Bitschnau, Maria Josefa 275
Bizau 207, 345, 347 f., 352, 367, 415
Blaickner, Elfriede 48
Blons 207, 367, 414, 416
Seite 448
Bludenz 11 f., 39, 57, 97, 99, 114, 116, 139, 147, 152, 157, 188,
193, 197-200, 207, 219, 224, 237, 239, 259, 267, 275 f.,
282-288, 291-298, 300-302, 304, 306 f., 313, 321, 356
f., 361 f., 367 f., 380-382, 384, 388-390, 394 f., 405,
409, 415, 418, 420, 423-425, 427, 441
Außerbraz 282 f.
Bings 239, 286, 300
Brunnenfeld 286, 290, 300
Gasünd 300
Grubs 300
Radin 300
St. Leonhard 300
Gerichtsbezirk 281, 296
Herrschaft 20, 114, 199, 260, 282 f., 287, 293 f., 305,
309, 361, 371-373, 379, 380 f., 383 f., 389, 394, 395,
398, 423, 426, 439, 441
Kirchspiel 282-287, 290
Region 281, 289, 294,
Verwaltungsbezirk 199, 302, 441
Bludesch 157, 188, 207, 290, 367, 414 f.
Blum, Oswald 230
Blumenegg, Herrschaft, Landschaft 19 f., 114, 296, 361,
371-373, 375 f., 379, 382 f., 388, 396, 401, 413 f.,
419-421, 423 f., 427, 434, 442
Gemeinde (Thüringerberg) 368
Blumenried 411
Bodensee 19, 123, 144, 151, 165, 209, 259, 321, 324, 329,
340
Böhler, Baltus 437
Böhler, Georg 233
Böhmen 113, 134, 371
Bosch, Otto 228
Bösch, Robert 42
Bourbon-Parma, Sixtus von 77
Bozen 126, 235, 440
Gries 235
Brand 207, 281, 296, 367, 414 f.
Brandis, Freiherr Ulrich von 162
Brandnertal 284
Bredschneider, Joseph 147, 148

Braz siehe Innerbraz
Bregenz 11-13, 19 f., 31, 33, 35, 37, 39, 46, 49, 57, 73, 75-79,
81-83, 87, 91 f., 95 f., 113 f., 123-126, 133, 137-139, 141-
143, 150-152, 157, 182 f., 185, 187, 197-199, 207, 219,
224, 228, 237, 243, 254, 259, 267, 301, 321-332, 340,
361-363, 367 f., 377 f., 380-383, 385, 390 f., 395, 397-
399, 405, 415 f., 419 f., 423-428, 439 f., 442
Fluh (Eingemeindung 1938/1946) 182, 367, 416, 433,
437
Rieden (früher: Vorkloster, Karolinenau, Eingemeindung
1919) 117, 243, 329, 367 f., 395, 415 f., 433, 437
Kloster Mehrerau 117 f., 135, 137, 314, 323 f., 326, 328,
340 f., 345, 362 f., 385, 395, 416, 423, 426 f., 433, 442
Herrschaft 20, 114, 116-119, 198 f., 322, 326, 341, 361,
371-374, 379-381, 383, 414, 423, 434, 440
Landgericht 23, 142, 385, 399, 400, 403, 404, 405,
406, 410, 414, 416, 422, 425, 426, 439
Landkreis 201
Verwaltungsbezirk 199
Bregenzerach (Fluss) 321, 323
Bregenzerwald 13, 77, 165, 254, 266, 323, 336, 339-353, 355
Gericht (Hinterbregenzerwald) 13, 21, 23, 197 f., 201,
206, 301, 303, 338, 339-353, 380, 382, 397, 420, 424,
427, 439-441
Verwaltungsbezirk 199
siehe auch Innerbregenzerwald
Breisgau, Herrschaft 371, 441
Brentano, Joseph Anton Bonifaz 133
Breuss, Ulrich 149
Briem, Wunibald 135
Brixen, Diözese 234
Hochstift 114, 361, 371
Brünn 117, 147, 440
Brüssel 28
Brugger, Anton 306
Brugger, Hermann 304
Bruneck 439
Buch (bis ca. 1820 bei Steißberg, siehe Bildstein) 159, 207,
367, 416, 437
Buchau, Reichsstift 439
Buchhorn 403
Buchloe 410
Buchs 248, 256
Büchel, Basil 247
Büchel, Paul 236, 244
Bürkle, Ludwig 227, 229-231, 234, 246
Bürs 64, 162, 188, 207, 281, 283-285, 291, 367, 414 f.
Galvina-Alpe 291
Bürserberg 207, 281, 294, 296, 367, 414
Bunschi, Eleonore 10, 112
Buol, Georg Andreas 275
Buol-Schauenburg, Karl Rudolf von 136
Burgau, Markgrafschaft 114, 361, 371, 441
Burmeister, Karl Heinz 121, 364, 203, 205, 309
Bußjäger, Peter 9, 12, 33, 35, 37-39, 51, 97
Buxheim 375, 410
Buzíens siehe Gaschurn
Byr, Robert 362
Caldonazzi, Martin 203
Camichel, Johann 116
Campo Formio (Italien) 114
Cemboing/Vesoul 337
Chur 237, 324, 372
Kloster St. Luzi 372, 396
Hochstift, Diözese 137, 187 f., 372, 395 f., 423, 428, 442
Clessin, Karl Fidel 147
Dajeng, Heinrich 100, 102
Dalaas 64, 188, 207, 283, 291, 294, 300, 367, 414 f.
Dalmatien 114
Damüls 188, 201, 208, 303, 336 f., 384, 414 f., 420
Gericht 380, 414, 420, 424
Danielsi, Daniel 145
Daubrawa, Franz Anton von 274
Davos 313
Deutschland 66, 82 f., 87, 95 f., 105, 116, 140, 194, 200,
219, 303, 315, 334, 421
Dialer, Joseph Hilar 390
Diedo, sel. 340
Seite 449

Dieterle, Franz 229
Dörler, Simon 12 f., 73, 93
Domenica, Sr. 334
Donau (Fluss) 19, 371
Doren 208, 367, 416
Dornbirn 10, 20, 23, 25, 75, 79, 92, 95, 141 f., 147, 169,
198 f., 202, 208, 249, 259, 261-265, 267, 301, 333, 363,
367, 380, 388, 392, 407, 415 f., 418-420, 424, 440
Ebnit (Eingemeindung 1932) 367, 415, 417 f., 421
Hof 159
Landgericht 23, 376, 399, 403, 405-407, 409 f., 415 f.,
421, 423-426, 439
Verwaltungsbezirk 199
Dresden 84
Drexel, Mathias 101
Drexel, Matthias 276
Düns 157, 162, 206, 367, 414
Dünser, Niklas 146
Dünserberg 162, 208, 284, 318, 367, 414
Futsch 162
Dür, Wilfried 318
Durig, Johann 136
Durig, Theodor 109
Durocher, Rechnungskommissär 400
Ebenhoch, Adolf 117
Ebenhoch, Fidel 145
Ebenhoch, Joseph Fidel 225
Eberlin, Alois 126, 127, 391, 427
Ebersberg 431
Ebner, Johann von 271
Ebnit siehe Dornbirn
Ebratzhofen 415
Edelstetten 375, 410
Egg 13, 92, 188, 208, 336, 339, 341 f., 347, 350, 352, 367,
415, 421, 432
Egger, Franz Jonas 136
Ehbach (Bach) 254
Eichenberg 208, 318, 367, 368, 416
Eichenhofer, Johann 148
Seite 450
Eichstädt 371
Einser, Franz Anton 427, 442
Einsiedeln, Kloster 159, 372
Eisenberg 411
Eisenburg 411
Eisenegger, Anton 229
Elbs, Benno 18
Ellensohn, Josef 314
Ellhofen 415
Herrschaft 372 f., 375, 383, 423
Ender, Johann 143
Ender, Otto 75, 79, 82-84, 250
Ermacora, Felix 51
Erne, Gerichtsdiener 426, 441
Esterbauer, Fried 51
Europäische Union 28, 50 f., 68, 88, 92, 166, 172
Faé, Hans 258
Fahrenschon, Georg 10, 18, 25,
Fässler, Pius 337
Feierle, Peter 143
Felder (Beamter) 150
Felder, Franz Michael 339
Feldkirch 9, 11-13, 18, 20 f., 37, 114, 122-130, 132-152, 188,
197-256, 258-261, 267, 269, 275, 288, 301, 321, 324,
328, 334, 361, 367, 380-382, 385, 388, 390-392, 396-
398, 401, 405, 415, 419-421, 423-428, 432, 436, 440-
442
St. Johann 395, 396, 423
Altenstadt (Vereinigung 1925) 135 f., 138-140, 143, 148,
157, 160 f., 218-237, 241, 244-248, 250-252, 254, 256,
258, 367, 415, 432
Gisingen (bis 1925 Gemeinde Altenstadt) 139, 143, 219,
228 f., 231, 234-237, 245, 247, 249 f., 252 f.
Gisingen Kapf 224
Levis (bis 1925 Gemeinde Altenstadt) 137, 219-234, 237,
243 f., 246, 250, 254
Nofels (bis 1925 Gemeinde Altenstadt) 139, 142 f., 219,
225, 228 f., 234, 245, 247, 249 f., 254 f., 367 f., 415,
432, 437

Bangs 139, 228, 236, 249, 252, 254 f.
Fresch 131, 228, 255
Matschels 139
Tisis (Vereinigung 1925) 139 f., 142, 160, 188,
218 f., 241-245, 250-252, 254, 367 f.
Galmist 294
Heiligkreuz, Reichenfeld (Eingemeindung 1896)
241, 242, 243, 244, 245, 260
Tosters (Vereinigung 1925) 139, 142, 160, 218 f.,
236-241, 244-247, 249-252, 254, 367 f., 392
Breiter Wasen 237, 240
Hub 139, 142, 238, 249
Tostnerau 238, 240
Diözese 18
Herrschaft 20, 114, 162, 198, 262, 269, 296, 342, 344,
348, 361, 371-373, 379-381, 383, 392, 413- 415, 419,
421, 423, 439, 442
Landgericht 23, 132 f., 135, 140, 142, 149, 151 f., 264,
385, 392, 399, 403, 405-407, 410, 414 f., 423-427, 432,
439
Verwaltungsbezirk 199, 264
Fellheim 411
Ferdinand I., Erzherzog 198, 301
Ferthofen 411
Feuerle, Peter 138
Feuerstein, Georg 126, 427, 442
Feuerstein, Josef 337
Feuerstein, Max 12, 13, 73, 93
Figl, Wolfgang 13
Fink, Jodok 71, 77-81, 84, 87
Flatz, Karl Fidel 427, 442
Fleisch, Eduard 293
Flexen (Pass) 359 f.
Florenz 186
Flür, Isidor 294
Fluh siehe Bregenz
Fontanella 208, 336, 367, 413 f., 420
Frank, Karl 236, 244
Franken (Bayern) 19
Franken, Provinz 390 f.
Frankreich 19, 113 f., 116, 123, 133, 137, 140, 143, 145, 185 f.,
189, 193, 272, 275, 337, 362, 364, 371, 373 f., 377 f.,
401
Franz I., König 189
Franz II./I., Kaiser 114, 116, 124, 134, 151, 329, 371
Franz Joseph I., Kaiser 24, 77, 199, 362, 422
Frastanz 10, 12, 111, 157, 162, 188, 208, 225, 266, 367, 414 f.
Felsenau 225
Saminatal 229
Fraxern 209, 367, 432
Frei, Anton 296
Freiburg im Breisgau 269, 382
Friaul 145
Frick, Josef 222
Fridl, Nikolaus 149
Friedrichshafen 372
Frisch, Max 88
Fritsch, Anton 244, 250, 254
Fritschner, Franz Anton 406, 427, 442
Fritz, Ernst 106
Fritz, Theodor 391, 409, 441
Fritz, Thomas 294
Fritz, Wilhelm 73
Froschauer, Sebastian von 220
Fröwis, Wilhelm von 346
Füssen 140, 403, 410
Funkner von Funken, Franz Ferdinand 426, 441
Furtenbach, Anton von 228
Fußach 88, 182, 209, 324, 367 f., 415, 418 f., 432
Gabriel, Ferdinand 13
Gaißau 182, 209, 367 f., 415, 418 f.
Gallus, hl. 214, 318
Galtür 292
Gamon, Thomas 9 f., 111 f.
Ganahl, Arnold 225, 243 f.
Ganahl, Carl 221-223, 242
Ganahl, Franz (Feldkirch) 222
Ganahl, Franz (Schruns) 274
Ganahl, Johann Josef 124, 133, 137, 143, 151 f.
Seite 451

Ganahl, Johann Josef von 427, 441
Ganahl, Josef von 124, 399, 406, 409, 412, 418 f., 426, 440
Ganahl, Karl 234
Ganahl, Philipp 228
Ganahl, Rudolf 221
Ganner, Kristina 13, 93
Gardasee 19
Gaschurn 11, 97, 102 f., 107, 109, 209, 271 f., 304, 306, 316-
318, 367, 415
Buzíens 281, 288, 292-295
Maria Schnee 316, 318
Partenen 315-318
Partenen Loch 316
Silvrettaspeicher 316
Zeinisjoch 294
Gasser, Siegfried 46
Gatard, Agathe 337
Geiger, Rupert 237-239, 247, 250, 254
Geislingen 406, 441
Gelasius I., Papst 185
Gellert, Christian Fürchtegott 144
Geßner, Salomon 144
Gestratz 415
Getzner, Albert 225
Giacometti, Zaccaria 51
Gilm, Johann Nepomuk von 126, 141
Gimmi, Joseph von 406
Ginthör, Gebhard 228
Gisingen siehe Feldkirch
Glarus, Kanton 254
Gnaiger, Klaus 121, 364
Göfis 147, 157, 160, 209, 367, 415
Tufers 160
Gögele, Rainer 48
Gohm, Anton 231 f., 234-237, 240 f., 246 f., 250, 254
Gopp, Josef 240
Götzens 366
Götzis 10, 15, 17, 19, 25, 29, 75, 95, 135, 160 f., 164, 209,
259, 261-265, 267, 304, 321, 367, 392, 415, 421, 432
Grabherr, Elmar 202, 307 f.
Seite 452
Graff, Kaspar 133 f.
Gram, Hermann 406
Grass, Josef 111
Graubünden 275, 316
Kanton 377, 378
Grauer Bund 377
Gemeine Drei Bünde 377
Gravenreuth, Karl Ernst Freiherr von 123, 125, 136
Greber, Josef 337
Greber, Maria Christine 274
Griss, Alois 239, 240
Griß, Andreas 147
Griß, Franz Josef 426, 441
Grönenbach 403, 410
Großbritannien 116, 145
Großes Walsertal 165, 187, 293, 413
Großkötz 426, 441
Gruber, Wilhelm 247
Grünenbach 374, 392, 416
Gericht 380, 415, 423
Gsteu, Emil 244
Günzburg 371, 383, 403, 410, 441, 442
Gugger von Staudach, Christoph 124, 126, 127, 130, 132,
142, 146f., 391, 399, 405 f., 414, 426, 440
Gugger von Staudach, Leopold 153, 397, 440, 442
Gugger von Staudach, Maximilian 153, 273, 399 f., 405,
406, 427, 440 f.
Gugger von Staudach, Cölestin 142
Gunz, Gebhard Wendelin 201, 254, 303
Gunz, Johann 117, 362
Gut, Andre 243
Gutenberg (Bayern) 411
Gutenberg (Liechtenstein) 371, 377 f.
Häfele, Arnulf 72
Hagen, Moses 187
Hager, J. Michael 337
Halder, Gebhard 18, 35
Hall (Tirol) 49
Haller, Carl 229

Hanau 140
Harbatshofen 415
Hard 87, 159, 165, 199 f., 209, 264, 301, 367, 415 f.
Hartmann von Werdenberg-Sargans, Graf 291
Hartmann, Georg 187 f.
Hartmann, Hans 294
Hauber, Joseph Anton 406, 416
Hauser, Johann Nepomuk 77 f.
Häusle, Josef 229
Häusle, Josef Anton 146
Häusler, Adrian von 125, 428, 442
Häusler, Elmar 12, 33, 35, 38, 57
Häusler, Laura 13, 93
Hefel, Martin 147
Hegau-Allgäu-Bodensee, Ritterkanton 373
Heidegger, Christina 115
Heidegger, Katharina 337
Heimenkirch 415
Heine, Heinrich 117, 361
Helbok, Adolf 119, 363 f., 366
Henggi, Hans 294
Hensler, Anna 118, 363
Herburger, Hubert 73, 89, 96
Herburger, Johann Georg 392
Herburger, Josef 250
Herder, Johann Gottfried von 144
Herlemann, Konrad 437
Hilbe, Ferdinand 229
Hinterberg siehe Sulzberg
Hinterbregenzerwald siehe Bregenzerwald Gericht
Hinterobel siehe Langen bei Bregenz
Hipoltstein 334
Hippolyt (Gegenbischof von Rom) 185
Hirn, Ferdinand 119, 125, 362
Hittisau 116, 182, 210, 366-368, 415, 420 f.
Bolgenach (früher: Reute, Eingemeindung 1938) 182,
367 f., 415 f.
Hochkrumbach siehe Warth
Höchst 10, 182, 210, 368, 415, 418 f., 432
Höchst (St. Johann-Höchst, Höchst-Fußach), Gericht,
Hof 23, 158 f., 380, 423
Höcht, Oberamtsrat 383, 398, 427, 442
Hörbranz 210, 266 f., 415 f.
Hofen, Priorat 159, 372
Hofer, Andreas 116 f., 123, 134, 361-363
Hofer, Otto 12
Hofrieden, Gericht 323 f., 326-329, 380, 382, 385, 416, 423
Hofsteig, Gericht 159 f., 326, 329, 380, 382, 416, 423
Hohenegg, Herrschaft, Gericht 114, 310, 327, 361, 371-374,
380 f., 385, 423, 426, 439,
Hohenems 10, 12, 23, 91, 96, 188, 210, 259, 262-267, 368,
374, 388, 407, 409, 415, 418 f., 421, 426, 440
Judengemeinde 23, 367 f., 388, 418 f., 438, 440
Herrschaft 19 f., 114, 199, 259, 261, 306, 361, 371-373,
376, 379-382, 397, 418, 420 f., 423 f., 426, 430, 439-
442
Hohenraunau 411
Hohenweiler 210, 368, 415
Hoinkes, Theodor 247, 250
Hollenstein, Johann Karl 426, 440
Holzgau 335
Honold, Konrad 12, 202, 304-309, 313-319
Hopferau 411
Huber, Erwin 18, 25
Huber, Josef 108
Huber, Primus 9, 111
Huber, Wolf 314
Hueber, Blasius 286, 412
Hueber, Jakob 102
Hugo II. von Montfort, Graf 322 f.
Hundbiß auf Waltrams, Dominik 432
Hundbiß auf Waltrams, Franz Anton 432
Ilga, sel. 341
Ill (Fluss) 236, 237 f., 246, 249, 252 f., 281, 283 f., 290 f.,
293-295, 309, 388
Illereichen 411
Illerfeld 411
Illerkreis 20, 115, 129, 133, 151, 392, 403-406, 410, 439
Seite 453

Illertissen 410
Immenstadt 153, 403, 410, 442
Immler, Johann Georg 426, 439
Imst 201
Indermauer, Ignaz Anton von 275
Inn (Fluss) 371
Innerbraz 210, 281-284, 291, 296, 368, 414 f.
Innerbregenzerwald, Landgericht 23, 138, 385, 399, 403,
405 f., 410, 415, 421, 423-426, 439 f.
Innonzenz III., Papst 185
Innsbruck 12, 35, 39, 49, 97, 117-119, 124, 126, 136, 148,
151 f., 200 f., 224, 269, 271 f., 274, 276, 286, 294, 314,
339, 363 f., 366, 374, 377, 382 f., 392, 398, 401, 421,
433, 440
Interlaken 313
Isenring, Johann Baptist 330
Isfordink, Joseph 427, 442
Istrien 114
Italien 77, 83, 91, 114, 140, 144 f., 185, 324, 359,
Jagdberg, Gericht 22, 260 f., 268, 287, 380, 413, 424, 440
Jakob Hannibal von Ems, Graf 260
Januschke, Oskar 11
Jochum, Anna Maria 333
Jochum, Christian 335
Jochum, Cleopha 336
Jochum, Elisabeth 333
Jochum, Georg 336
Jochum, J. Christian 333
Jochum, Jakob (Schruns) 101
Jochum, Jakob (Schruns) 274
Jochum, Jakob (Schröcken) 335
Jochum, Jodok Alois 335
Jochum, Josef 336
Jochum, Josef Anton 359
Jochum, Josef Georg 101, 103
Jochum, Karl-Gernot 333
Jochum, Katharina 333
Jochum, Katharina 335
Jochum, Maria Anna 333
Seite 454
Jochum, Matthias 335, 336
Jochum, Theresia 335
Johann I. von Liechtenstein, Fürst 377
Johann, Erzherzog 116
Johannes der Täufer, hl. 211
Johannes XXIII., Gegenpapst 310
Joseph II., Kaiser 21, 113, 119, 124, 189 f., 193, 262, 351, 363
Jungblut, Stefan 13, 93
Jussel, Anton 222
Justinian, Kaiser 193
Kahler, Christoph von 406
Karl I., Kaiser 77, 81
Kärnten 82, 91, 114
Karolina, Königin 395
Karolinenau siehe Begenz-Rieden
Karthago 185
Kaspar von Ems, Graf 259-261
Kasper, Michael 11, 271
Kaufbeuren 410
Kauffmann, Angelika 150, 351, 385
Kauffmann, Josef Anton 150
Kaufmann, Johann Caspar 230
Keck, Franz Josef 237, 238
Keckeis, Günter 47, 72
Kellhöfe, Gericht 380, 416, 423, 439
Kellmünz 411
Kelsen, Hans 51
Kemnat 392
Kempten 123 f., 130, 132-134, 138, 142, 148, 151 f., 264, 374,
392, 399, 403-405, 409 f., 432, 442
Kennelbach 64, 210, 367 f., 416, 433, 437
Keßler, Herbert 18
Kessler, Josef 102 f.
Keßler, Josef Melchior von 124, 126, 152
Kinz, Ferdinand 79
Kiraly, Peter 13, 93
Kirchheim 375, 410
Klagian, Thomas 12, 321
Klaus 160, 211, 368, 415, 432

Kleiner, Viktor 118, 199 f., 302 f.
Klein-Kitzighofen 411
Kleinwalsertal 186
Klösterle 145, 188, 211, 283, 368, 414 f.
Alpe Maroi 277
Burtschajoch 294
Burtschakopf 294
Langen 359
Stuben 145, 359 f., 414, 437
Klostertal 165, 255, 281 f., 290-292, 390
Knapp, Georg 237 f.
Knechtenhofer, Heinrich 346
Kneringer, Aloys 150
Koblach (früher: Neuburg) 210, 368, 392 f., 415, 420 f., 432
Koch, Jakob 139
Kommingen 160
Königsegg-Rothenfels, Herrschaft 19, 114, 361, 371
Konstanz Stadt 116, 141-143, 169, 276, 324, 382
Diözese 185-189, 342
Kloster Petershausen 340
Kopf, Rudolf 45
Köppl, Josef 10
Kraft, Philipp 241
Krapf, Philipp 257
Kräutler-Berger, Jutta 48
Kriessern 160
Kroha, Robert 13
Kronburg 411
Krumbach 115, 138, 203, 210, 342, 347, 352, 362, 368, 415
Kühne, Johann 247, 249 f., 254
Kunewald/Kunín (Tschechien) 374
Kutter, Abraham 132, 383, 385, 399 f.
Kuttner, Johann Georg 405 f., 414
Ladner, Otto 309
Lampert, Günter 48
Landquart (Fluss) 294
Landsberg am Lech 409
Landshut 144
Langen bei Bregenz (früher: Hintertobel) 211, 368, 415, 416
Langenegg (Vereinigung Ober- und Unterlangenegg 1924)
211, 352, 368
Oberlangenegg 327, 368, 415 f.
Unterlangenegg 342, 352, 368, 415
Längle, Joseph 147
Längle, Ulrike 138, 431
Laterns 188, 211, 303, 368, 415
Laubenberg, Altlaubenberg, Schönau, Reichsrittergut,
Patrimonialgericht 372-378, 383, 392, 407, 413, 423, 432
Laurentius von Schnifis 215
Lauterach 159, 188, 200, 211, 266, 368, 415 f.
Lech (Fluss) 399
Lech 13, 186, 212, 255, 333, 336, 357, 359 f., 368, 414, 416
Omesberg 359
Zürs 359, 360
Lechkreis 404 f.
Lehár, Franz 15, 17
Leiblach 329
Leiblachtal 266, 416
Leipzig 366
Leo, Peter 149 f.
Leone, Josef Peter 243
Leopold II., Kaiser 113
Lermoos 140, 441
Leu, Franz Anton 136
Leutkirch 403
Levico 264
Levis siehe Feldkirch
Liechtenstein 95, 127, 135, 169, 243, 295, 371 f., 377 f., 384,
421, 423
Lindau 18 f., 25, 114, 116, 118, 123, 136, 139, 222, 224, 235,
245-247, 256, 324, 361, 371, 375, 395, 403, 410, 442
Aeschach 235, 245, 247
Hoyren 235, 245, 247
Reutin 235, 245, 247
Landgericht 403, 410
Landkreis 116, 173, 362, 374 f., 392
Lindenberg 262, 415, 437
Seite 455

Lingenau 116, 187, 212, 262, 337, 368, 415 f.
Gericht 21, 259, 327, 380, 420, 424
Lins, Ferdinand 247
Lins, Michael 231
Linz (Oberösterreich) 335, 442
Lissabon 28
Litz (Fluss) 316
Loacker, Franz 244
Lochau 10, 11, 64, 165, 169, 183, 212, 329, 332, 367, 368,
415 f.
Loher, Hans 328
Lombardei 114
Lorinser, Friedrich Wilhelm 309
Lorüns 97 f., 109, 212, 271, 281, 285-288, 290, 292, 294,
297, 304, 308 f., 317, 368, 414
Egge 281, 288, 291 f.
Galvinatobel 291
Leuetobel 291
Ragenner-Joch 291
St. Nikolaus 281, 288-291, 295
Ludesch 136, 147, 188, 212, 368, 414 f.
Ludescher, Harald 12
Lueger, Johann Mathias 148
Lueger, Matheus 143
Lunéville 114
Lustenau 11 f., 95, 115, 199, 212, 259, 264 f., 301, 333, 368,
409, 415, 418, 421, 428, 429, 432
Reichshof 11, 20, 371-377, 379, 382-384, 394, 397, 418,
420, 422-424, 430, 435
Patrimonialgericht 11, 377, 387, 394, 407-409, 411,
418 f., 421,
Luzern, Kanton 188
Maastricht 306
Mäder 12, 160, 161, 212, 368, 415, 421, 432
Madlener, Johann Michael 426, 439
Mähr, Alfons 250
Mähr, Josef 244
Mähren 374, 409
Mailand 315
Seite 456
Main (Fluss) 19, 141
Maklott, Franz Josef 109
Maklott, Peter 109
Manahl, August 304
Manahl, Christian 274
Maria Rebecca von Harrach-Hohenems, Gräfin 374
Maria Theresia, Kaiserin 119, 124, 126, 262, 363
Maria Walburga, Gräfin von Waldburg-Zeil-Trauchburg,
geb. Harrach-Hohenems 374, 376, 409, 430
Martin, Gebhard 101
Marx, Elisabeth 73, 75 f., 95
Mäser, Michael 9, 111
Mathies, Franz Josef 359
Mathis, Gerald 10, 169, 174
Mathis, Martin 145, 148, 151 f.
Matrei (Osttirol) 186
Matschek, Hans 12, 333
Matt, Joseph Ignaz 426
Maximilian I., Kaiser 314
Maximilian I., König 9, 19, 21 f., 26, 114, 118, 124 f., 151,
147, 263, 271, 329, 361 f., 373, 383 f., 397, 400 f., 403,
412 f., 419, 422, 428
Maximilian III., Erzherzog 260
Mayer, Fritz 46
Mayer, Johann Conrad 122
Mayer, Josef 222 f.
Mayer, Lorenz 142
Mayer, Philipp 143
Mayr, Josef Anton 136
Mehrerau siehe Bregenz
Meiningen 160, 212, 227, 255, 368, 415, 432
Meißburger (Meusburger), Joseph Anton 428, 442
Mellau 212, 336, 347, 352, 368, 415
Memmingen 375, 391, 405, 410, 427
Meran 137, 231, 256
Merbod, sel. 340
Merian, Mathäus 327
Merk Sittich von Ems, Graf 291
Merz, Maximilian von 373, 378, 383, 385, 398 f., 439, 440,
442

Metternich, Clemens Wenzel Lothar Graf (ab 1813 Fürst) 117
Metzler, Andreas 426, 440
Metzler, Josef Anton 351
Meusburger, Bertram 10, 174, 183
Meusburger, Johann Caspar 230
Meyer, Raimund 305-308
Mickhausen 411
Mindelheim 410
Mittelberg 83, 186, 198, 213, 301, 368, 415
Riezlern 188
Gericht 19, 198, 259, 301, 380, 384, 420, 424
Mittelberger, Johann Josef 72, 75, 80, 95
Mödlhammer, Helmut 18
Möggers 188, 213, 367, 368, 415 f.
Mohr, Erwin 11, 174
Montafon 9, 10, 11, 12, 99, 108, 142, 165, 201, 271-277, 281,
283-295, 298 f., 301-310, 313-319
Außerfratte 103
Innerfratte 103
Dekanat 286
Herrschaft 287, 371-373, 381, 383, 390, 409
Landgericht 23, 142, 276, 281, 285 f., 297, 385, 388,
394 f., 399 f., 403, 405 f., 410, 415, 423-427, 439, 441
Stand, Gericht 23, 44, 97-107, 109, 198, 295, 301, 303,
313, 356, 380, 382, 384, 390 f., 394, 420, 424, 441
Verwaltungsbezirk 199
Montgelas, Maximilian Joseph Freiherr (ab 1809 Graf) von
19, 21, 114, 124, 135, 365, 374, 378, 383, 396, 398, 428
Montlingen 157, 160
Moosbrugger, Elisabeth 355
Moosbrugger, Erwin 337
Moosbrugger, Jakob 427, 440 f.
Moosbrugger, Josef 337
Moosbrugger, Mathias 13, 339
Moosbrugger, Pius 47
Moritsch, Julia 13, 93
Motzgadried 392
Moz (Motz), Johann Nepomuk 400, 406, 426, 440
Mülegg, Heinrich 328
Müller, Christian 116, 118
Müller, Stefan 294
München 19, 21, 84, 124, 130, 133, 137 f., 148, 151, 256,
302, 309, 371, 373, 394, 399, 428
Mürzzuschlag 271
Nachbauer, Josef Sigmund 116, 388
Nachbaur, Ulrich 9-12, 15, 17-19, 29, 37, 73, 76 f., 87, 89, 91,
197, 301, 313, 367, 371
Nafla (Bach) 254
Nägele, Andreas 143
Napoleon I., Kaiser 19, 114, 116 f., 123, 138, 140, 145, 361,
371, 374, 377, 420
Nasahl, Theres 222, 255
Natter, Franz 80
Nenzing 9 f., 10, 100-113, 151, 157, 161 f., 202, 213, 238,
266, 368, 414 f.
Beschling 157, 238
Netzer, Otwin 304
Neuburg (Vorarlberg), Herrschaft 114, 259, 361, 371-373,
379, 381, 392 f.
Patrimonialgericht 392 f., 407, 411, 421, 432
Gericht, Stand 379 f., 392, 398, 424, 440
Gemeinde siehe auch Koblach
Neuburg an der Donau 442
Neuburg an der Kamel 393, 411
Neuburg, Provinz 383, 390 f., 397, 400
Neyer, Georg 296
Neyer, Johann Baptist 138
Neyer, Johann Christian 136
Niederer, Stefan 13, 93
Niederlande 114
Niederösterreich 77, 96, 267, 329
Niederraunau 411
Niederstätter, Alois 9-11, 111-113, 157, 185, 361
Niederstaufen 415
Nikolaus, hl. 290
Nipp, Johann Nepomuk 392, 432
Nofels siehe Feldkirch
Nördlingen 150
Nürnberg 145, 375
Seite 457

Nüziders 64, 157, 213, 281-283, 288, 368, 388, 394 f., 400,
405, 409, 414 f., 424, 426, 439
Guggais 282
Nussbaumer, Ambros 336
Nußbaumer, Gabriele 33, 35, 38, 73, 75
Oberallgäu, Landkreis 18, 374, 423
Oberdonaukreis 404
Oberdorf 403, 410
Obergünzburg 403, 410
Oberhausen 411
Oberlangenegg siehe Langenegg
Oberösterreich
Hausruckviertel 117
Innviertel 117
Oberpfalz, Provinz 383, 390 f.
Oberreute 415
Oberriet 138
Oberstaufen 342
Oberstdorf 359
Odalrich, Graf 340
Opfenbach 415
Ortenau, Herrschaft 371
Ortner, Birgit 13, 359
Ossi, Batolome 139
Osterberg 411
Ottobeuren, Landgericht 406, 410
Reichsstift 396
Pappus von Tratzberg, Anton Remigius I. Freiherr 392
Pappus von Tratzberg, Anton Remigius II. Freiherr 392
Pappus, David von 293
Paris 151, 420
Partenen siehe Gaschurn
Passau 19, 371
Patique, Jean 337
Paznauntal (Tirol) 294
Peer, Josef 227-229
Perathoner, Julius 235
Pernthaler, Peter 51
Seite 458
Peter, Walter 47, 48
Pfeffel, Gottlieb 144
Pfeifer, Ernst 103
Pferscher, Markus 15
Pflumern, Freiherr von 142
Pius VII., Papst 136
Piz Buin 313
Platzer, Johann 394 f., 409
Pöchlarn 333
Polat, Serpil 12, 13, 73, 93
Polen 96
Porrentruy/Pruntut 186
Prättigau 273, 276, 284, 290, 294, 300, 316
Preiß, Fritz 71, 79, 80
Pressburg/Bratislava (Slowakei) 114, 123 f., 272, 329, 361,
371, 374, 376-378, 383
Preußen 113, 142
Prutz 441
Pümpel, Hans 229, 239
Pümpel, Johann 143
Pümpel, Seraphin 240
Purtscher, Martin 18, 48
Raggal 188, 213, 290, 368, 414 f.
Marul 414
Rankweil 10 f., 116, 135, 147, 151, 157, 160-163, 203, 213,
247, 250, 255, 259, 261-, 267-269, 295, 368, 388, 415,
419, 432, 441
Brederis 160, 265
Valduna 261, 333
Rankweil-Müsinen, Landgericht 423, 438
Rankweil-Sulz, Gericht 124, 139, 160, 260-262, 267 f., 380,
382, 388, 393, 420, 424, 426, 439 f.
Ratz, Gerold 72, 204
Rauhenzell 392, 411, 432
Rauscher, Franz 232 f., 237, 247
Ravensburg 314, 316, 403, 440
Rederer, Ignaz 406
Redler, Ferdinand 72
Reichart, Johann Georg 143

Reichenau, Kloster 432
Reinhard, Anton von 142, 407
Reisach, August Graf 399
Renner, Karl 81 f.
Rettenbach am Auersberg 11
Reute siehe Hittisau-Bolgenach
Reuthe 213, 347, 352, 367 f., 415
Baien 347
Hof 347
Reutte (Tirol) 202, 410
Landgericht 404
Reuz, Bartholomä 294
Rhäzüns, Herrschaft 377 f., 428, 442
Rhein 141, 160, 259, 324, 377
Rheinau, Gemeinde 202, 367, 368, 418
Rheinberger, Josef 227, 230
Rheinbund 374 f., 376 f., 384, 391, 400, 409, 430
Rheintal (Vorarlberg, Schweiz) 25 f., 145, 158, 165-167,
236 f., 254, 259, 275, 294, 321, 362, 388
Rhomberg, Adolf 79, 84, 226
Rieden siehe Bregenz
Rieden, Hof 322
Riedl, Alois 221
Riedmiller, Bernhard 116-118, 362
Riefensberg 213, 368, 415, 416
Ritsch, Michael 254
Roder, Gebhard 422, 438
Roggenburg 406, 410
Rom 185
Romanshorn 222
Röns 213, 368, 414
Rorschach 254
Rorschacherberg 254
Roschmann, Anton von 151 f., 420
Rosenstiel, Wunibald 426, 440
Röthenbach 415
Röthis 157, 160, 214, 368
Rovereto 126
Rudigier, Andreas 12, 313
Rudigier, Franz-Josef 316
Rudigier, Fritz 103
Rudigier, Johann Ulrich 274 f.
Rudolf II., Kaiser 328, 329
Rudolf V. von Montfort-Feldkirch, Graf 160 f., 344
Rümmele, Barbara 333
Rüthi 237
Russland 23, 117, 140
Salzburg 121, 364
Fürstbistum, Herzogtum 117, 371
Land 87
Salzgeber, Alfred 333
Sander, Hermann 290, 292 f.
Sander, Ignaz 274
Sandrell, Heinrich 103
St. Anton am Arlberg (Tirol) 359
St. Christoph 359
St. Anton im Montafon 97, 102 f., 109, 214, 271, 275, 285 f.,
290, 308, 318, 368, 414
St. Antönien (Schweiz) 283
St. Gallen 116
Kanton 202, 254, 396
Kloster 159, 342, 345, 354, 372, 395 f., 423, 428
St. Gallenkirch 97, 101-103, 109, 214, 308, 318, 368, 415
Gargellen 292
Gortipohl 290, 318
St. Gerold 214, 368, 414-416, 420
Hof, Herrschaft 19 f., 159, 293, 371-373, 375 f., 379,
382 f., 394, 396, 414, 419, 421, 423 f., 442
St. Mang (Füssen) 375, 411
St. Margrethen (Schweiz) 159, 237, 256
St. Pölten 235
Satteins 157, 162, 188, 214, 368, 415, 441
Sausgruber, Herbert 7, 10 f., 13, 15, 18, 29
Sauther, Anton 144
Schaan 136
Schatzmann, Albert 225
Schedler, Seraphin 378
Scheffau 415
Scheffknecht, Wolfgang 11
Seite 459

Scheidbach, Julius 231, 246
Scheidegg 415
Scheier, Quido 104
Schellenberg, Herrschaft 259, 377, 384, 421
Schelling, Martin 437
Schiller, Friedrich von 144
Schimper, Wilhelm 233
Schlins 157, 161, 188, 200, 214, 301, 368, 414 f.
Schmidt, Karl von 272
Schmidt, Wilhelm 427
Schmiedle, Josef 252
Schmutzer, Anton 15, 73
Schneider, Anton 116-118, 362 f., 399, 438, 440
Schneider, Christina 335
Schneider, Gebhard 427, 442
Schneller, Josef Alois 333
Schnepfau 188, 214, 337, 347, 352, 368, 415
Schnifis 157, 162, 188, 215, 296, 368, 414 f., 432
Gampelin 162, 296
Schnifnerberg 284
Schöch, Franz 139
Schöch, Franz 247
Schoch, Magdalena 116
Schönau 372, 374 f., 383, 392, 415 f., 423
siehe auch Laubenberg
Schongau 403, 410
Schoppernau 214, 337, 347, 352, 355, 368, 415
Schreiber, Martin 233, 236 f.
Schröcken 12, 30, 186, 215, 333-337, 368, 414, 416
Schruns 10, 97, 99-103, 109, 111, 113, 153, 200 f., 215, 262,
266, 271-274, 276, 288, 302 f., 309, 313 f., 316, 319,
333, 368, 388, 399 f., 415, 424, 425, 441
Schuler, Ursula 335
Schwaben 145, 271, 321, 371, 375
Schwaben (Bayern) 19, 20
Schwaben, Provinz 20, 115, 125, 146, 149, 361, 383, 390 f.,
396, 398, 401, 405, 422, 427
Schwabmünchen 410
Schwarz, Karl von 221
Schwarzach 13, 159, 215, 368, 415 f.
Seite 460
Schwarzenberg 188, 215, 341 f., 345, 347, 350, 352, 354,
368, 385, 415, 426, 431
Schwarzmann, Theresia 336
Schwarzmann, Tobias 333
Schwaz 201
Schweden 20
Schweiz 20, 81-83, 87 f., 116, 137, 139, 144-146, 219, 224,
231, 233, 243, 256, 271, 313, 328, 339, 359, 372, 377 f.,
396
Seebacher, Alois 239, 240
Seeberger, N. 293
Seewald, Franz Xaver 394, 409
Seidl, Josef 11, 193
Selb, Josef 244
Sibratsgfäll 215, 368, 420
Siebert, Ludwig 246 f., 250, 257
Sigmund von Tirol, Herzog 161
Silbertal 97, 108 f., 215, 271, 290-292, 303 f., 307, 314,
316-318, 368, 415
Kristberg 291, 292, 300
Silian 406
Simmerberg 262, 415
Gericht 380, 416, 423
Simon, Franz 232, 233, 254
Sippelius, Johann 148
Sitten/Sion 201
Sohm, Viktor 359
Sonnenberg, Herrschaft 114, 198 f., 281-287, 291-296, 298,
300, 303, 309, 359, 361, 371-373, 379-381, 383 f., 391,
394 f., 409, 414
Gericht 295 f., 379 f., 382, 388, 397, 419, 424, 439, 441
Landgericht 23, 288, 385, 394 f., 399 f., 403, 405 f.,
409 f., 414-416, 419, 423-426, 439
Dekanat 286
Sonntag 187 f., 215, 318, 333, 368, 413-415
Buchboden 414
Sonthofen 403, 410, 432
Spanien 116
Speckle, Christian 140
Spiegel, J. Georg 333

Stallehr 11, 97 f., 101 f., 109, 216, 271, 281, 285-288,
290-299, 304 f., 317, 367 f., 414
Davenna 290, 292, 295, 317
Diebsschlössle 304 f., 317, 320
Lärchenbühel 290, 292
Schlosskopf 304
Steck, Hermann 236, 244, 247
Stegmann, Elmar 18
Steiermark 82, 91, 114
Steinbach 411
Steißberg siehe Bildstein
Stemer, Franz Josef 101
Stemer, Jakob 101, 103
Stemer, Siegmund 103
Sternbach, Ludwig Anton Freiherr von 421
Sternbach, Ludwig Franz Freiherr von 394 f., 409, 427
Stey, Johann Josef 135 f.
Stichaner, Joseph von 420
Stieger, A. 247
Strigel, Bernhard 314
Sturn, Franz Xaver 142
Stuttgart 314
Stutz, Francisca 242
Subersach (Fluss) 342
Sudentenland 82
Südtirol 82, 114
Sulz 157, 160, 161, 216, 368, 415, 432, 439
Sulzberg 188, 216, 368, 416 f., 439
Hinterberg 415-417
Gericht 259, 327, 380, 416 f., 439
Sulzer, Mathias 145
Sutterlüty, Anton 72
Talleyrand, Charles-Maurice de 123
Tannberg Gericht 23, 186, 380, 384, 394, 414-416, 420, 424
Tansania 95
Tänzer, Aron 419
Tarter, Augustin 236 f., 244, 247
Tettnang 403, 406, 442
Tettnang-Argen, Herrschaft 19, 114, 342, 361, 371
Thannhausen 375, 410
Theoderich, Abt 340
Thevenet, Fritz 73
Thoma, Margot 10, 112
Thüringen (Vorarlberg) 157, 216, 368, 383, 388, 414, 421
Thüringerberg 216, 368, 414 f.
Thurnher, Thomas 73, 75, 76, 95
Tiefenthaler, Alois 227
Tiefenthaler, Andreas 143
Tiefenthaler, Meinrad 305
Tirol 19, 21, 24, 75, 79 f., 84, 87, 92, 114, 116-119, 123-126,
136-138, 140 f., 143, 149, 152, 165, 199 f., 202, 219,
244, 262, 264, 273, 291, 316, 318, 329, 359, 361-364,
371, 379, 383 f., 392, 396, 405, 421
Provinz 391, 397, 400, 427
Tisis siehe Feldkirch
Tizian, Karl 46
Tosters siehe Feldkirch
Trient 186, 187, 193, 225,
Hochstift 114, 361, 371
Trier 392
Trojer, Arnold 13, 93
Trunkelsberg 411
Tschagguns 12, 97, 101, 109, 216, 271, 301, 303 f., 306, 307,
313-315, 317 f., 368, 415, 440
Latschau 314 f.
Tschaikner, Manfred 11, 268, 281, 312, 318
Tschavoll, Carl von 228, 231
Tschavoll, Josef Andreas von 221, 224
Tschechien 96
Tschofen, Lukas 306, 317 f.
Tschohl, Alois 132,
Tschohl, Franz 274
Tschohl, Johann Alois 148
Tschohl, Oswald 274 f., 277
Tschohl, Peter 274
Tsohataridis, Leandros 13, 93
Türkheim 406, 410
Udine 441
Übersaxen 216, 368, 415
Seite 461

Uecker, David 13, 93
Ulm 123, 315 f., 374, 383, 394, 428, 439
Ulmer, Andreas 282, 285 f., 290, 294
Ulrich, hl. 213
Ungarn 77, 82, 96, 134
Unterberger, Franz 230 f., 234 f., 237-240
Unterlangenegg siehe Langenegg
Uri 202
Ursberg 410
USA 77, 359
Vaduz 378
Herrschaft 259, 377, 384, 421, 423
Val d’Ajol 337
Vallaster, Adolf 12
Vallaster, Eduard 225, 242
Vallaster, Erwin 103
Vallaster, Johann 108,
Vandans 97, 101, 102, 107, 109, 216, 271, 275, 290, 304 f.,
317, 368, 414 f.
Valkastiel 317
Venedig 441
Venezien 114
Verwall (Gebirge) 294
Vicari, Johann Jakob von 398
Vidal, Babette 145
Vidal, Felix 145
Viktorsberg 157, 216, 368
Villach 333
Vils 403
Vinschgau 186
Vintler, Franz von 124, 127, 134, 373 f., 385, 399 f., 426, 439
Vinzenz, Franz Josef 147
Vögel, Adolf 47
Vögel, Johann Peter 426, 439
Vogelweide, Walther von der 316
Vogesen 337
Vögl (Vögel), Peter 426, 440
Volaucnik, Christoph 9, 11, 123, 219
Vom Bach, Heinrich 328
Seite 462
Von der Thannen, Willi 336, 337
Vonbun, Andreas 399 f., 406, 426, 441
Vonier, Franz Joseph 276
Vonier, Johann Ignaz 273 f., 276 f.
Vonier, Josef 276
Vorderland 255, 321
Vorderösterreich 20, 114, 269, 371, 377, 382, 383
Vorkloster siehe Bregenz-Rieden
Waal 411
Wachter (Lehrer) 242
Wachter, Burkhard 103
Wachter, Franz 101-103, 109
Wachter, Ludwig 241, 243
Wachter, Peter 102
Wachter, Raimund 103
Wagenseil, Christian Jakob 432
Wagner, Hans 121, 364
Wagner, Martin 242
Wagram (Niederösterreich) 116
Waitz, Sigismund 81
Walch, Gregor Anton 337
Walch, Sebastian 359
Waldburg, Otto Tuchseß von 186
Waldburg-Zeil-Trauchburg, Graf Clemens Truchseß von 374,
409
Walderdorf, Johann Graf 79
Walensee (See) 321
Walgau 165, 266, 294-296, 321
Walk, Joseph 142
Wallis 201, 303,
Walser, Alfons 240 f.
Walser, David 231
Walser, Harald 10
Walser, Jakob 426
Walser, Petra 13, 357
Waltrams 392, 416
Reichsrittergut, Patrimonialgericht 372-378, 392, 407,
411, 423
Wangen 374, 392, 403, 432

Warschau 138
Warth 30, 186, 216, 336, 369, 414, 416
Hochkrumbach (Vereinigung 1885) 368 f., 414, 416
Warth-Hochkrumbach 368 f.
Watzenegger, Andreas 388
Weber, Franz Xaver 140
Weber, Karl 12, 33, 35, 38, 49
Weber, Karl Friedrich 406, 416
Weber, Wolfgang 12
Wegeler, Andreas 143
Wegeler, Franz Xaver 141, 148
Weiler (Vorarlberg) 160, 216, 368
Weiler im Allgäu (heute: Weiler-Simmerberg) 116, 262, 362,
375, 385, 415 f., 423, 426
Landgericht 20, 117, 151, 385, 399, 403, 405-407, 410,
415, 417-419, 423, 425 f., 431, 435, 439
Weimar 82
Weingarten 314
Reichsstift 159, 371, 372, 414, 442
Weinzierl, Anton 228, 242, 256
Weinzierl, Ernest 221-223
Weinzierl, Josef Anton 147
Weis, Eberhard 123
Weiß, Alois 147
Weiss, Jürgen 10, 12, 73, 87, 165
Weißenau 375
Weißenbach am Lech 441
Weißenbach, Johann Matthäus 336
Weißenhorn 375, 410
Weitnau 262, 374, 381, 385, 392, 415, 423, 439
Welti, Ludwig 287, 292, 304-308
Weltin, Hans 296
Werber, Christine 48
Westallgäu (Bayern) 17, 23, 173, 177, 180, 264, 421
Wiederin, Eduard 227
Wien 21, 51, 77, 81, 87 f., 95, 117, 237, 272, 304, 308, 378
Schönbrunn 117
Wildhaus 254
Wilfling, Rosemarie 13
Wilhalm, Jos 355
Willams 415
Willi, Herbert 95
Wimmer, Dr. Christian 227, 242, 243
Winder, Balthasar 426, 440
Winder, Xaver 145
Winter, Gabriel 161
Winterrieden 375, 411
Wohllaib, Johann Albrecht 406
Wolf, August von 378
Wolf, Benedikt 152
Wolf, Veronika 359
Wolfurt 159, 217, 266, 368, 415, 416
Wolkenstein-Rodenegg, Graf Josef von 393
Wolkenstein-Rodenegg, Graf Wenzel von 393
Wolkenstein-Rodenegg, Gräfin Therese von 393, 421
Wollmetshofen 411
Würbel, Florinus 274
Württemberg, Königreich 114, 116 f., 123, 133, 134, 362,
375 f., 404
Würzburg 147, 375
Wüstner, Anna Maria 337
Zangerl, Christian 225, 227
Zeil, Schloss 374
Ziehrer, Carl Michael 15
Ziemetshausen 411
Zimmermann, Andreas 139
Zimmermann, Johann Georg 146
Zipper, Josef 427, 442
Zita von Bourbon-Parma, Kaiserin von Österreich 77
Znaim/Znojmo (Tschechien) 116
Zösmair, Josef 118, 291, 363
Zünd, Josef Anton 337
Zünd, Josef Matthäus 336 f.
Zürich 314
Zumtobel, Dominik 136
Zwischenwasser 160, 217, 368, 415, 432
Seite 463