Erinnerungen

Erinnerungen Erinnerungen

03.12.2012 Aufrufe

Die Geschichten von den lieben Tieren, die ich hier abschließend aufschreiben möchte, sind nur einige von vielen. Eines aber haben sie alle gemeinsam, nämlich, das Haus mit dem großen Garten, in dessen Bereich das alles geschah. Unser Grundstück lag am Fuße des Sudetengebirges, in dörflicher Einsamkeit, von Wald und Getreidefeldern umschlossen. Der Wald hatte sich von dem das Grundstück umgebenden Birkenholzzaun nicht ganz aufhalten lassen und hatte eine Vertreter bis in den Garten hinein und am Zaune entlang um das ganze Haus geschickt. So wuchsen denn am Zaune Bäume und Sträucher aller Arten, die es bei uns gibt. Neben das kleine schon über hundert Jahre alte Haus hatte sich eine Reihe mächtiger Tannen gestellt, die mit ihren untersten Ästen gerade noch über das Dach strichen. Sie schützten das kleine Haus vor Blitz und Nordwind. Es wäre müßig diesen Erdwinkel noch genauer zu beschreiben wie es wirklich war. Jeder male sich selbst aus, wie er sich ein solches Haus in der Einsamkeit wünschen würde und wird dann auch sicherlich das Richtige treffen. Der Garten umfasste ein kleines Reich der verschiedensten Tiere. Im Obstgarten hatten die Stare und die Bienen ihre Häuser. Im Hof befand sich die Hochburg des Tierreiches, nämlich der Stall. Dieser war ursprünglich ein Schuppen gewesen und mit der Zunahme derer die ihn bewohnen wollten immer größer ausgebaut worden. Die markantesten Persönlichkeiten im Stall waren Frau Ziege, ungefähr 6 Hühner, ein einsamer Erpel und eine Kaninchenfamilie. Nachts kamen noch drei pflichtvergessene Katzen, angeblich um Mäuse zu fangen, in Wirklichkeit aber um zu schlafen. Für die Sicherheit der Bewohner sorgten drei Hunde, die eine Hundehütte an den Stall angebaut hatten. In einem Separatstall befanden sich die Raben Jakob und Johann. Die Tiere besaßen eine weitgehende Selbstverwaltung. Das Amt der Polizei und des Abwehrdienstes übten die Hunde aus. Sie verjagten die Hühner aus dem Gemüsegarten und bissen manches Wiesel tot. Die Katzen, denen die Schädlingsbekämpfung oblag, waren faul und pflichtvergessen; sie führten das Leben einer Rentnerschicht. Die Mäuse mehrten sich in Haus und Garten. Im Heuschuppen schliefen die Katzen nicht mehr, weil sie dort angeblich von den Mäusen gestört wurden. Nur während der Zeit der großen Katzenhochzeiten schrien und kreischten sie so furchtbar und greulich, dass die Mäuse von selbst in den Wald auswanderten. Einen Teil dessen, was ich in dieser Tiergemeinschaft beobachtete will ich nachfolgend erzählen. August der Starke August war ein Kaninchenherr. Er hatte eine unter seinesgleichen seltene Kraft und Größe. Schließlich war er als letzter seines Stammes übrig geblieben, aber keiner wollte ihn ob seiner Schönheit schlachten. Er bekam eine Art Gnadenbrot, jedoch behagte August das einsame Rentnerdasein hinter Gittern nicht besonders. Eines schönen Tages war er jedenfalls ausgebrochen. Das erste, was in einem solchen Fall zu tun war – die Hunde, drei an der Zahl, hinter Schloss und Riegel zu setzen. Danach wurden die Nachforschungen nach dem Verbleib Augusts aufgenommen. Aber alles Rufen und mit Stöcken an die Bäume schlagen führte zu keinem Erfolg. August erschien nicht. Schließlich wurde ein Hund zum Suchen zur Hilfe geholt. Dieser erhielt vorher eine Predigt, dass er August auf keine Fall beißen oder fressen dürfe, sondern nur suchen solle. Der Hund wedelte mit dem Schwanz und spielte scheinheilig den Braven. Dann wurde er auf die Spur gesetzt und fegte sogleich wie verrückt in der Gegend umher und hatte nur noch Mord im Sinne. Vor einem Ziegelhaufen verhielt er, bellte wie toll und versuchte die Steine wegzuräumen. Während man noch überlegte, wie August unter den Ziegeln vorzuholen sei, geschah das Unerwartete. Plötzlich fuhr August wie ein Blitz unter den Steinen vor, stürzte sich auf den Hund und ohrfeigte ihn wie rasend. Der Hund machte das dümmste Gesicht, das ein Hund machen kann und dachte überhaupt nicht an Gegenwehr. Ein um sich schlagender Hase war für ihn etwas, für was er einfach kein Programm hatte. August wurde wieder eingefangen, aber die Freiheit, die er einmal gekostet hatte, konnte er nicht mehr entbehren. Er brach immer wieder aus, verließ aber dabei nie das Gebiet des Gartens. Sämtliche Hunde, die sich ihm näherten, wurden in Flucht geschlagen. 62

Am Ende war es soweit, dass oftmals ein Hund mit aller Kraft um die Hausecken sauste und hinterher der streitbare Hase. Angesichts solcher Tatsachen wurde August freigesprochen. Abends suchte er selbst seinen Stall wieder auf. Er erhielt den Beinamen „der Starke“. Die Raben Jakob und Johann Letzte glückliche Zeit in Oppelsdorf An sie erinnere ich mich besonders gern. Jakob und Johann stammten aus einem Nest. Jakob war herausgefallen und hatte sich verletzt. Er fand bei uns seine Pflege. Johann rettete ich vor einem blutigen Ende. Bevor ich ihn bekam, musste ich erst einer Waldohreule nachjagen, die ihn mit sich schleppte. Die beiden Raben gewöhnten sich rasch an ihre Umgebung. Sehr bald waren sie voll ausgewachsen und hatten ein gewichtiges Wort im Garten mitzureden. Es lag wohl in ihrem Charakter, dass sie für die anderen bald der böse Geist Mephisto wurden. Sie hielten mit ihren Streichen alles in Bewegung und Aufregung. Bei diesem teuflischen Werk kamen ihnen ihre großen, spitzen Schnäbel sehr zustatten. Wie jeder ordentliche Teufel, so hatte auch jeder von ihnen einen versteckten Schatz. Alles was blinkte und glitzerte, wurde gestohlen. Beim Aufsuchen des Schatzes wurde strengste Vorsicht gewahrt. Glaubten sie sich schließlich unbelauscht, so breiteten sie wohl ihre Schätze in der Sonne aus, betrachteten sie von allen Seiten, sortierten und verstecken sie wieder beim leisesten Geräusch. Aber nicht nur solche Schätze wurden gelagert, auch Futter, Fleischstückchen, welche sie nicht mehr verschlingen konnten, wurden vergraben. Allerdings bezeigten unsere Hunde für diese fressbaren Schätze reges Interesse. Oft konnte man beobachten, wie ein Rabe zu seinem Versteck eilte, während ein Hund, von ihm ungesehen sich hinterher schlich. Nachdem der Rabe sein Vorratsmagazin verlassen hatte, fraß der Hund alles weg. Der Ärger des Raben, wenn er seine leere, verwüstete Vorratskammer bemerkte, ist unbeschreiblich. Er setzte sich ungefähr fünf Minuten an den Rand der Grube und dachte angestrengt nach, wer der Täter sein konnte. Den Rest des Tages verbrachte er unbeweglich vor sich hin brütend auf einem Baum. Die Wut in ihm musste schrecklich toben. Eine Menschenhand, die ihn streicheln wollte, bekam sofort einen fürchterlichen Schnabelhieb. Aber dann erhellte sich seine Miene, er hatte ein Objekt seiner Rache erspäht! Die Katzen bekamen ihre Milch in einer Schüssel auf einem Steinpflaster. Beim Milchtrinken haben sie die Gewohnheit den Schwanz lang auf der Erde auszustrecken. Während die Katze im Genuss ihrer Milch schwelgte, schlich sich der Rabe auf den Zehenspitzen von 63

Am Ende war es soweit, dass oftmals ein Hund mit aller Kraft um die Hausecken sauste und<br />

hinterher der streitbare Hase. Angesichts solcher Tatsachen wurde August freigesprochen.<br />

Abends suchte er selbst seinen Stall wieder auf. Er erhielt den Beinamen „der Starke“.<br />

Die Raben Jakob und Johann<br />

Letzte glückliche Zeit in Oppelsdorf<br />

An sie erinnere ich mich besonders gern. Jakob und Johann stammten aus einem Nest. Jakob<br />

war herausgefallen und hatte sich verletzt. Er fand bei uns seine Pflege. Johann rettete ich vor<br />

einem blutigen Ende. Bevor ich ihn bekam, musste ich erst einer Waldohreule nachjagen, die<br />

ihn mit sich schleppte. Die beiden Raben gewöhnten sich rasch an ihre Umgebung. Sehr bald<br />

waren sie voll ausgewachsen und hatten ein gewichtiges Wort im Garten mitzureden. Es lag<br />

wohl in ihrem Charakter, dass sie für die anderen bald der böse Geist Mephisto wurden. Sie<br />

hielten mit ihren Streichen alles in Bewegung und Aufregung. Bei diesem teuflischen Werk<br />

kamen ihnen ihre großen, spitzen Schnäbel sehr zustatten. Wie jeder ordentliche Teufel, so<br />

hatte auch jeder von ihnen einen versteckten Schatz. Alles was blinkte und glitzerte, wurde<br />

gestohlen. Beim Aufsuchen des Schatzes wurde strengste Vorsicht gewahrt. Glaubten sie sich<br />

schließlich unbelauscht, so breiteten sie wohl ihre Schätze in der Sonne aus, betrachteten sie<br />

von allen Seiten, sortierten und verstecken sie wieder beim leisesten Geräusch. Aber nicht nur<br />

solche Schätze wurden gelagert, auch Futter, Fleischstückchen, welche sie nicht mehr verschlingen<br />

konnten, wurden vergraben. Allerdings bezeigten unsere Hunde für diese fressbaren<br />

Schätze reges Interesse. Oft konnte man beobachten, wie ein Rabe zu seinem Versteck eilte,<br />

während ein Hund, von ihm ungesehen sich hinterher schlich. Nachdem der Rabe sein<br />

Vorratsmagazin verlassen hatte, fraß der Hund alles weg. Der Ärger des Raben, wenn er seine<br />

leere, verwüstete Vorratskammer bemerkte, ist unbeschreiblich. Er setzte sich ungefähr fünf<br />

Minuten an den Rand der Grube und dachte angestrengt nach, wer der Täter sein konnte. Den<br />

Rest des Tages verbrachte er unbeweglich vor sich hin brütend auf einem Baum. Die Wut in<br />

ihm musste schrecklich toben. Eine Menschenhand, die ihn streicheln wollte, bekam sofort<br />

einen fürchterlichen Schnabelhieb. Aber dann erhellte sich seine Miene, er hatte ein Objekt<br />

seiner Rache erspäht!<br />

Die Katzen bekamen ihre Milch in einer Schüssel auf einem Steinpflaster. Beim Milchtrinken<br />

haben sie die Gewohnheit den Schwanz lang auf der Erde auszustrecken. Während die<br />

Katze im Genuss ihrer Milch schwelgte, schlich sich der Rabe auf den Zehenspitzen von<br />

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