Erinnerungen
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Die Geschichten von den lieben Tieren, die ich hier abschließend aufschreiben möchte,<br />
sind nur einige von vielen. Eines aber haben sie alle gemeinsam, nämlich, das Haus mit dem<br />
großen Garten, in dessen Bereich das alles geschah.<br />
Unser Grundstück lag am Fuße des Sudetengebirges, in dörflicher Einsamkeit, von Wald<br />
und Getreidefeldern umschlossen. Der Wald hatte sich von dem das Grundstück umgebenden<br />
Birkenholzzaun nicht ganz aufhalten lassen und hatte eine Vertreter bis in den Garten hinein<br />
und am Zaune entlang um das ganze Haus geschickt. So wuchsen denn am Zaune Bäume und<br />
Sträucher aller Arten, die es bei uns gibt. Neben das kleine schon über hundert Jahre alte Haus<br />
hatte sich eine Reihe mächtiger Tannen gestellt, die mit ihren untersten Ästen gerade noch<br />
über das Dach strichen. Sie schützten das kleine Haus vor Blitz und Nordwind. Es wäre<br />
müßig diesen Erdwinkel noch genauer zu beschreiben wie es wirklich war. Jeder male sich<br />
selbst aus, wie er sich ein solches Haus in der Einsamkeit wünschen würde und wird dann<br />
auch sicherlich das Richtige treffen. Der Garten umfasste ein kleines Reich der verschiedensten<br />
Tiere. Im Obstgarten hatten die Stare und die Bienen ihre Häuser. Im Hof befand sich die<br />
Hochburg des Tierreiches, nämlich der Stall. Dieser war ursprünglich ein Schuppen gewesen<br />
und mit der Zunahme derer die ihn bewohnen wollten immer größer ausgebaut worden. Die<br />
markantesten Persönlichkeiten im Stall waren Frau Ziege, ungefähr 6 Hühner, ein einsamer<br />
Erpel und eine Kaninchenfamilie. Nachts kamen noch drei pflichtvergessene Katzen, angeblich<br />
um Mäuse zu fangen, in Wirklichkeit aber um zu schlafen. Für die Sicherheit der<br />
Bewohner sorgten drei Hunde, die eine Hundehütte an den Stall angebaut hatten. In einem<br />
Separatstall befanden sich die Raben Jakob und Johann.<br />
Die Tiere besaßen eine weitgehende Selbstverwaltung. Das Amt der Polizei und des<br />
Abwehrdienstes übten die Hunde aus. Sie verjagten die Hühner aus dem Gemüsegarten und<br />
bissen manches Wiesel tot. Die Katzen, denen die Schädlingsbekämpfung oblag, waren faul<br />
und pflichtvergessen; sie führten das Leben einer Rentnerschicht. Die Mäuse mehrten sich in<br />
Haus und Garten. Im Heuschuppen schliefen die Katzen nicht mehr, weil sie dort angeblich<br />
von den Mäusen gestört wurden. Nur während der Zeit der großen Katzenhochzeiten schrien<br />
und kreischten sie so furchtbar und greulich, dass die Mäuse von selbst in den Wald<br />
auswanderten. Einen Teil dessen, was ich in dieser Tiergemeinschaft beobachtete will ich<br />
nachfolgend erzählen.<br />
August der Starke<br />
August war ein Kaninchenherr. Er hatte eine unter seinesgleichen seltene Kraft und Größe.<br />
Schließlich war er als letzter seines Stammes übrig geblieben, aber keiner wollte ihn ob seiner<br />
Schönheit schlachten. Er bekam eine Art Gnadenbrot, jedoch behagte August das einsame<br />
Rentnerdasein hinter Gittern nicht besonders. Eines schönen Tages war er jedenfalls ausgebrochen.<br />
Das erste, was in einem solchen Fall zu tun war – die Hunde, drei an der Zahl, hinter<br />
Schloss und Riegel zu setzen. Danach wurden die Nachforschungen nach dem Verbleib<br />
Augusts aufgenommen. Aber alles Rufen und mit Stöcken an die Bäume schlagen führte zu<br />
keinem Erfolg. August erschien nicht. Schließlich wurde ein Hund zum Suchen zur Hilfe<br />
geholt. Dieser erhielt vorher eine Predigt, dass er August auf keine Fall beißen oder fressen<br />
dürfe, sondern nur suchen solle. Der Hund wedelte mit dem Schwanz und spielte scheinheilig<br />
den Braven. Dann wurde er auf die Spur gesetzt und fegte sogleich wie verrückt in der<br />
Gegend umher und hatte nur noch Mord im Sinne. Vor einem Ziegelhaufen verhielt er, bellte<br />
wie toll und versuchte die Steine wegzuräumen. Während man noch überlegte, wie August<br />
unter den Ziegeln vorzuholen sei, geschah das Unerwartete. Plötzlich fuhr August wie ein<br />
Blitz unter den Steinen vor, stürzte sich auf den Hund und ohrfeigte ihn wie rasend. Der Hund<br />
machte das dümmste Gesicht, das ein Hund machen kann und dachte überhaupt nicht an<br />
Gegenwehr. Ein um sich schlagender Hase war für ihn etwas, für was er einfach kein<br />
Programm hatte. August wurde wieder eingefangen, aber die Freiheit, die er einmal gekostet<br />
hatte, konnte er nicht mehr entbehren. Er brach immer wieder aus, verließ aber dabei nie das<br />
Gebiet des Gartens. Sämtliche Hunde, die sich ihm näherten, wurden in Flucht geschlagen.<br />
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