Erinnerungen
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Beim Spiel wurde der ältere Wildner Junge etwas durch die Aufsicht über den jüngeren<br />
Bruder gebremst. Als der Kleine für mich hörbar beim Spiel im Dorfbach einmal Hilfe wegen<br />
voller Hosen anforderte, wurde er von Dieter und Wolfgang mundartlich und prompt belehrt:<br />
„Doas musste aushaln, a enner Stunde isses horte un Du merkst nischt mih“. So war auch über<br />
spät geborene Söhne das alte Reichenau damals noch anwesend. Schwester Jutta ging ab<br />
Herbst 1956 auf das neu eingerichtete Gymnasium in Reichenau. Mit ihr von Oppelsdorf noch<br />
Franek Legażynski und Rajmund Kaminski, in der Klasse traf sie auch auf Peter Ludwig.<br />
Von meinem Schuljahr ist mir erinnerlich, dass wir an der ersten mehrtägigen Wanderung<br />
in den Ostsudeten teilnahmen, d. h. am Rande des Glatzer Kessels, die Plakette habe ich<br />
noch. Erinnerlich ist mir, dass damals in den langen Gebirgsdörfern meist nur die untersten<br />
Häuser in der Nähe der Bahnstation bewohnt waren. In leer stehenden Gehöften befand sich<br />
noch viel an zweitrangigem Mobiliar und Ausrüstung.<br />
Wenn ich in den Vorkapiteln nur die sommerliche Arbeit erwähnt habe, so ist es abschließend<br />
an der Zeit, darauf hinzuweisen, dass es für uns auch ganz herzliches gesellschaftliches<br />
Leben gab. Die Schwestern Else und Margarethe verlebten in unserer Sommerfrische<br />
den Jahresurlaub, Klaus Joschko war Ferienwochen bei mir, an den Wochenenden kamen<br />
Onkel und Tante und befreundete Familien zu Besuch, bei letzteren besonders die von Rudolf<br />
Fischer und Siegfried Domagalla. Siegfried besaß ab 56 ein neues Motorrad, 350 cm³,<br />
Zweitakt, Marke russische Ischewesk. Ich wurde aufgefordert, auf dem Feldweg damit zu<br />
fahren, unvergesslich!<br />
Als neue Person erschien in unserem Kreis Direktor Markowitzsch, der mit Siegfrieds<br />
Schwester, der verwitweten Frau Lehman, verbunden war. Er stammte aus einer jüdischen<br />
Familie in Posen. Der Vater war im 1. Weltkrieg noch treu und bewusst preußischer Offizier<br />
gewesen. Als das Gebiet zu Polen kam, achtete er auf eine gleich gelagerte gute Ausbildung<br />
seines Sohnes in Deutsch, d. h. Markowitsch stand mindestens zur Hälfte im deutschen<br />
Kulturkreis. Als polnischer Soldat kam er in sowjetrussische Gefangenschaft und nach<br />
Sibirien. Von Hitlers Gesetzten und auch durch begangene Verbrechen am Judentum fühlte er<br />
sich sozusagen aus dem deutschen Kulturkreis ausgestoßen und kam als Offizier und Rächer<br />
mit der sowjetisch-polnischen Armee aus dem Osten. Als er aber in Oberschlesien sah, dass<br />
die deutschen Weberinnern genauso abgearbeitet und verbraucht an den Maschinen standen<br />
wie die in Posen und in der Sowjetunion, wusste er mit seiner Rache nichts mehr anzufangen.<br />
Er hätte ja Veranlassung gehabt, unsere Gesellschaft zu meiden, er fühlte sich aber eher zu<br />
uns hingezogen, tauschte und las wieder deutsche Literatur, unterhielt sich gern mit mir auf<br />
Spaziergängen in und um Oppelsdorf zu tiefgründigen Fragen. Ein eigener Sohn von ihm in<br />
geschiedener Ehe war in der Sowjetunion geblieben.<br />
Wie schon gesagt, die Gesellschaft traf sich ganz ungezwungen, jeder brachte einen Teil<br />
zu den Mahlzeiten mit,. aus Donaths Bierstube konnte man damals noch vom Fass einen Krug<br />
Bier holen, man tauschte Bücher und Ansichten darüber und erzählte sich Geschichten von<br />
Früher, denn Fernsehern gab es glücklicherweise damals noch nicht, dabei auch folgende<br />
Begebenheit, die ich weitergeben will:<br />
− Im alten Bad Oppelsdorf gab es den Taxi-Unternehmen Willi Schäfer mit einem alten<br />
offenen Phänomen. Ein kurender Herr mietet das Taxi an einem lauschigen Sommerabend,<br />
da er in Zittau das Nachleben wahrnehmen wollte. Man fuhr also voller Genuss und<br />
langsam im offenen Wagen durch die Natur, der Fahrgast in Frack und gestärktem weisen<br />
Hemd hatte sich eine Zigarre angesteckt, aber während der Fahrt kratzte er sich seltsam oft<br />
oder schlug sich mit der Hand auf den Frack. In Zittau angekommen, erhellte sich das<br />
seltsame Gebaren, denn vom gestärkten Hemd waren durch Funkenflug und Glimmbrand<br />
nur die Manschetten und der Kragen übrig geblieben.<br />
Zur Erheiterung der Gesellschaft gab es auch Hundefuhre-Schaufahren, d. h. unser<br />
Gespann, gehoben durch die Aufmerksamkeit der Gäste, gelenkt durch Jutta, paradierte<br />
geradezu die Villenstraße rauf und runter und alle Manöver klappten bestens.<br />
Was sonst noch alles unter den Tieren auf dem Hof geschah – nachfolgend:<br />
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