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Erinnerungen

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Klaus Joschko, der ein Jahr jünger ist als ich, begann im Herbst in der ersten Klasse des<br />

Lyzeums in Zgorzelec seine Ausbildung und wir zogen gemeinsam in ein Privatzimmer, als<br />

Untermieter bei einer deutsch/polnischen Witwe. Unser erstes Frühstück bestand immer aus<br />

einer Haferflockensuppe mit Milch, Mittagessen gab es in der Mensa und das Abendbrot<br />

bereiteten wir uns aus eigenen Vorräten, wobei durch die Fürsorge von Frau Dr. Joschko und<br />

Klausens angeborenen starken Sorgetrieb, ich irgendwie besser gestellt war als früher.<br />

Gleichfalls ließen mich meine Eltern jetzt wöchentlich nach Hause kommen, was auch der<br />

häuslichen Wirtschaft zugute kam, denn ich konnte in ½ – 1 Tag Wochenendarbeit schon<br />

vollwertige Leistungen vollbringen.<br />

In Oppelsdorf mussten die Haushalte reihum Männer stellen für nächtliche Streifgänge.<br />

Ich vertrat meinen Vater immer bei Wasilewski (früher Herwig-Bauer) mit dem wir in dieser<br />

Sache zusammengespannt waren. Wasilewski ließ es ruhig angehen. Als Imker bewirtete er<br />

mich immer zuerst in der Küche mit Weißbrot und Honig. Dann gingen wir mit Stöcken los,<br />

eine Schleife durch das schlafende friedliche Wald-Oppelsdorf und kamen nach Mitternacht<br />

dann beim Wächter im warmen Kuhstall der Kolchose (Rittergut) an, wo immer ein interessantes<br />

Erzählen begann, z. B. Märchen, Gruselgeschichten an die der alte Wächter spürbar<br />

glaubte, Erlebnisse Wasilewski mit Wölfen. Er erzählte wie er z. B. als junger Bursche bei<br />

Regen durch nächtliches Feld und Wald seinem Dorfe zustrebte und hinter sich immer ein<br />

„Tschlap-Tschlap“ zu hören glaubte, wenn er plötzlich still stand, ging es hinter ihm noch<br />

einmal „Tschlap“, dann war Ruhe. Die Gruselgeschichten des alten Wächters bezogen sich<br />

teilweise auf ganz aktuelle Vorgänge in Oppelsdorf und es war im nächtlichen Milieu und<br />

dem gefühlten Aberglauben des Erzählers ganz schwer, einen kühlen Kopf zu behalten und<br />

sich davon zu distanzieren. Dass es schnell unangenehm werden kann, erlebte ich selbst, als<br />

ich einmal erst spät abends von Zgorzelec nach Reichenau kam und aufgrund tagheller<br />

Vollmondnacht nicht bei Großmutter blieb, sondern mich auf den Fußweg nach Oppelsdorf<br />

begab. Nahe der Kreuzung mit der Lichtenberger Straße fand ich an einem Obstbaum einen<br />

dürren Ast, der mit einem Knall abbrach und eine ca. 1,50 m langen Stock von bester Festigkeit<br />

und derben Format ergab. Siegfried Domagalla, der einmal im feindlichen Hinterland<br />

notgelandet war und durch Partisanengebiet zurückgehen musste, hatte mir geraten, bei nächtlichen<br />

Alleingang immer auf der Mitte einer Straße zu bleiben, wohin ein Angreifer aus dem<br />

Graben oder aus einem Gebüsch einige Meter zurücklegen muss, Chance für eigenes<br />

Handeln. Als ich in Richtung Oppelsdorf die Schläte überquert hatte, sah ich entfernt rechter<br />

Hand auf freiem Feld 5 große Hunde mit Jagdgekläff dahinstürmen. Plötzlich raste diese<br />

Meute auf mich zu und die Hunde sprangen zu beiden Seiten von mir über die Straße, um<br />

Richtung Lichtenberg weiter zu jagen. Das war die erste unangenehme Situation. Einige<br />

hundert Meter weiter, am tiefsten Punkt der Straße, in einer Linkskurve, sah ich dann zwei<br />

große graue Schäferhunde am linken Straßenrand sitzen. Ich verblieb auf der rechten Seite<br />

und ging festen Schrittes, den Stock aufstoßend, an dem Pärchen vorbei, im Augenwinkel sah<br />

ich, dass sie sitzen blieben. Die Möglichkeit über die Wiesen, an Herfords Scheune vorbei<br />

nach Oppelsdorf zu gehen, habe ich nicht genutzt, sondern bin bis zum Bergschlösschen auf<br />

der Straße gegangen, an der damals noch beidseitig Obstbäume standen, auf die ich mich im<br />

Falle eines Angriffs schnell begeben konnte. Unterm Strich war es rückblickend wohl gut,<br />

dass ich in jener Nacht den großen festen Stock hatte.<br />

Gefährlich sind aber auch Tiere, die keine Reißzähne haben, wenn sie so heimtückisch<br />

sind, wie unsere Ziege es war. Diese durfte im Spätherbst frei im Garten herumlaufen und<br />

kein Besucher achtete auf sie, sondern mehr auf die Gunst der Hunde, wenn er unseren Garten<br />

betreten wollte, z. B. um am Haus etwas abzulegen. Auch war es kaum bemerkenswert, dass<br />

die Ziege dann vor dem Gartentor stand, durch welches man hinaus wollte. Wenn man dann<br />

aber weiter in diese Richtung ging, zeigte sich, dass eine Ziege, die sich auf die Hinterbeine<br />

stellt, bis an die Hörnerspitzen etwa so groß ist wie ein Mensch. Mit diesen Hörnern ging sie<br />

dann tief hinunter und ackerte damit ein Stück im Kiesweg, um den Kopf dann plötzlich<br />

hochzureißen, wobei Dreck und scharfkantige Kiesel auf den Besucher prasselten. Spätestens<br />

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