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Erinnerungen

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jeden Waggon einer und die Fenster mussten geschlossen werden, denn die Gleise laufen<br />

teilweise auch westlich der Neiße, die Ausweise wurden während der Fahrt kontrolliert. Als<br />

die Großmutter von Klaus Joschko, die kein Wort Polnisch sprach, diese Strecke befuhr,<br />

reichte sie dem Posten in ihrer Nervosität aus der Handtasche statt Ausweis eine prachtvolle<br />

in Französisch gehaltene Speisekarte aus dem Hotel Adlon, die dieser ratlos hin und her<br />

wendete, dann mit Verbeugung zurückgab, wobei er abschließend zackig vor ihr salutierte<br />

und mit militärischer Kehrtwendung die Hacken zusammenschlagend abging. In Türchau<br />

musste man auf die Kleinbahn nach Reichenau umsteigen. Seit 1951 konnte man mit dieser<br />

auch von Reichenau bis Kleinschönau fahren. Allerdings waren die starken Lokomotiven 45<br />

im Zittauer Depot geblieben und dann durch kleinere Dampfloks von nur ca. 1/3 Leistung<br />

ersetzt worden. Die Erstfahrt 1951 nur mit Lok ließ diese in Reibersdorf über eine Straße aus<br />

den verschmutzten Schienen springen und in einen Hof hineinfahren. Indem dieser aber<br />

gepflastert war, soll man einfach rückwärts wieder auf das eigentliche Gleis gefahren sein.<br />

Die Schwäche dieser Lokomotiven machte es aber unmöglich, ohne Schwung an Brendlers<br />

Fabrik vorbei aus dem Reichenauer Tal hinauszufahren, d. h. man konnte nicht wie früher im<br />

Schritt, der Schaffner mit roter Fahne voraus, die ersten drei Straßen ab Bahnhof überqueren,<br />

sondern man musste ab Abfahrt Volldampf geben, um Geschwindigkeit zu bekommen, dabei<br />

laut pfeifen. Die Gefährlichkeit der kleinen Bahn sprach sich schnell herum und die Bäuerlein<br />

aus Za Buga waren sehr unruhig, wenn sie sich den Gleisen mit ihrem Pferdchen näherten.<br />

Wenn man dann noch 20 – 30 m entfernt war und das Ungeheuer fing zu pfeifen an, was<br />

dann? Würde das Pferdchen stehen oder durchgehen, oder was? Und da war man schon<br />

wieder ein Stück gefahren. Also Vorwärts! Vorwärts! Und so kam es zur Wettfahrt, bei denen<br />

die Bahn noch ein Stückchen vom Wägelchen erwischte, aber keiner kam zum Halten, das<br />

Pferdchen lief noch hunderte Meter weiter um sein Leben und die „Tschiuchtschia“ musste<br />

mit Schwung die Höhe nach Wald-Oppelsdorf gewinnen. Auch der Autobus wurde ab und zu<br />

gestreift. Ich habe erlebt, wie danach bei Fahrerwechsel die Gefahr eines „Feuerteufels aus<br />

dem Gebüsch“ beschrieben wurde. Einmal bekamen wir nach Zgorzelec über eine Stunde<br />

Verspätung, weil bei leichtem Frühnebel der Fahrer konsequent den Schaffner ca. 20 m<br />

voraus laufen ließ, um die Gleise zu suchen.<br />

17. Das Jahr 1955<br />

Hier wäre im Nachgang zu berichten, dass ich endlich mit Clara und Dangola in einer<br />

Klasse vereint war, wobei es in diesem Alter zwischen Jungen und Mädchen zu einer Auseinanderläufigkeit<br />

der Entwicklung kommt, d. h. die Mädchen sind einerseits biologisch weiter,<br />

anderseits sehr kompliziert und die Jungs fangen an, vom sportlichen Heldentum und sonstigen<br />

Bewährungen zu träumen und wollen ungebunden sein. Kurzum, es wurde in dieser<br />

Phase, trotz gegebenen Möglichkeiten, nichts aus uns. Als ich bei der Niederschrift des<br />

Vorkapitels bei Dangola und Clara nach dem Namen des alten Mathematikprofessors<br />

(Schlachcic) fragte, nannten beide, obwohl hunderte Kilometer getrennt sofort den Namen<br />

eines auch in meiner Erinnerung sehr gut aussehenden jungen Mathelehrers. So kommt nach<br />

50 Jahren noch an den Tag, wo die jungen Mädels ihre Augen hatten.<br />

Der Sportlehrer fand heraus, dass ich gut Hochsprung-tauglich war, sozusagen am<br />

Standort konkurrenzlos und ich wurde in die Zgorzelecer Leichtathletik-Mannschaft, einem<br />

herausgehobenen Kreis, eingereiht. Äußerer Ritterschlag war, dass man einen schicken<br />

Trainingsanzug bekam und Spikes. Nächster Vorteil war, dass man voll gesponsert (sogar mit<br />

Taschengeld) in Schlesien, nach Breslau, Hirschberg, Waldenburg, Schweidnitz, Glatz zu<br />

Wettkämpfen (mit Hotelübernachtung ) fahren konnte und so als armer Junge auch ein Stück<br />

von der Welt sah; in Schlesien auch noch Landsleute traf, so den Sprinter Peter Klose, den<br />

Kugelstoßer Martin ... und andere. Unsere Zgorzelecer Spitzenkönner war Lucjan Kijewski,<br />

der ca. 11.4 sek/100 m lief und entsprechend auch ein guter Weitspringer war, Henryk<br />

Bieniewski warf den Speer in die 60er Meter, außer ihm gab es noch einen anderen guten<br />

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