Erinnerungen
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überdeckt. Bereifte Felgen hatte ich also schon. Der Rahmen kostete 38 zł und noch heute<br />
blicke ich bei der Fahrt durch Sommerau zum Dachboden des Hauses, wo ich das Wertstück<br />
mit zitternden Händen in Empfang nahm. Der Rahmen hatte vorn eine etwas krumme Gabel<br />
und ein Tretlager ohne Pedalen, aber ich war auf dem Weg zum Fahrrad endlich über den<br />
Berg. Es dauerte noch Monate, bis alles weitere Zubehör erworben war, teils weil es nichts<br />
gab, teils weil es mir an Geld fehlte. Aber dann war der Stand erreicht, dass es eigentlich nur<br />
noch an Speichen und der Kette fehlte. Herr Jagodzinski, der nach Breslau fuhr, versprach<br />
mir, Speichen zu kaufen, was er auch einhielt, aber es gab dort aktuell nur Vorderrad-<br />
Speichen, weshalb er für beide Räder solche erwarb. So ausgestattet, begann ich in der<br />
Waschküche anhand des Speichenlaufs bei Vaters Dienstrad zuerst das Vorderrad einzuspeichen,<br />
das klappte ganz gut. Für das Hinterrad waren die Speichen natürlich etwas zu lang,<br />
evtl. wäre das durch schrägen Verlauf auszugleichen gewesen, ich hielt mich aber an das<br />
Muster des Speichenlaufs und bog die Speichen mit der Kombizange unter einfach ca. 1 cm<br />
zurück. Auch das gelang brauchbar, ich konnte das bei noch fehlender Kette bereits im Garten<br />
nach der Fußabstoß-Methode des Freiherrn von Drais erproben. Als Siegfried Domagalla den<br />
Stand der Dinge sah, spendierte er mir eine Kette. Die erste Fahrt ging zur Großmutter nach<br />
Reichenau. Bereifung, Schutzbleche, Kette, Sattel waren neu, der Rest neu angestrichen, ich<br />
fuhr in Reichenau als erfolgreicher junger Mann vor. Heute haben die einfachsten Fahrräder<br />
Gangschaltungen, damals gab es nur einen Gang und selbst der konnte in der Nachkriegszeit<br />
nicht gewählt werden, sondern er stellte sich beim Zusammenbau ein. Im Falle meines<br />
Fahrrades lag der Gang sehr niedrig, d. h. man fuhr leicht aber langsam, das war aber günstig<br />
für eine Ergänzung meiner Ausrüstung, die im Folgejahr eintrat.<br />
Im ersten Halbjahr wurden zwei junge Mädchen und vier junge Männer, darunter ich,<br />
von meiner Mutter für die Konfirmation vorbereitet. Diese fand am 5. Juni durch den Superintendenten<br />
Steckel (aus Liegnitz) statt. Nach uns wird es wohl Reichenauer Konfirmanden<br />
nicht mehr gegeben haben.<br />
Fritz Geisler, meine Person, Mädchen?, Brigitte Glaser aus Markersdorf, Horst Lindner<br />
und Felix Babitsch<br />
Steckel war wahrscheinlich Superintendant ohne unterstellte Pfarrer und so als Reisepfarrer<br />
für den ganzen Bereich Niederschlesien zuständig. Für mich war sein Erscheinen ein erster<br />
Hinweis, dass wir in der Tiefe des schlesischen Raumes verstreut mit restlicher deutschen<br />
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