Erinnerungen
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15. Das Jahr 1953<br />
Das neue Jahr begann also schulisch sehr glücklich für mich, denn ich war altersmäßig unter<br />
Meinesgleichen angekommen, dabei scheinbar auch endlich vereint in einer Klasse mit den<br />
Jarmata-Zwillingen, mit der Möglichkeit, mich in die Nähe von Dangola zu setzen. Aber das<br />
Schicksal oder die Eltern wollten, dass ab Neujahr die Töchter nach Bogatynia zur Schule<br />
gingen. Ich war mit der vorgezogenen Versetzung in der Ausbildung unter die Fittiche von<br />
Herrn Nadachowski gekommen, der die beiden letzten Klassen betreute, denn die<br />
Volksschule endete in dieser Nachkriegszeit mit der 7. Klasse. Wenn ich an diesen meinen<br />
Lehrer denke, wird mir das Herz warm. Wir waren trotz des Einzugsgebietes von Oppelsdorf,<br />
Sommerau und Lichtenberg nur 7 – 8 Schüler und es war ein sehr intensives Lernen möglich.<br />
Zumindest ich habe diesen Lehrer immer als einen älteren Freund empfunden, der mich an<br />
seinem Wissen teilhaben lässt. Ansonsten hatte uns der Winter im Griff und der gutmütige<br />
Tarzan mit seinem dicken Fell lag im Hofe auf der Seite und unsere 4 Hühner standen auf ihm<br />
und wärmten sich die Füße. Wenn zum Fressen gerufen wurde, erschien er nicht (unsere<br />
Hunde hatten es durchaus knapp) und schlug nur mit dem Schwanz auf den Schnee, denn er<br />
wurde gebraucht.<br />
Indem ich von Schlittenhunden und Skijöring gelesen hatte, schärfte sich mein Blick auf<br />
die Hundebande und ich schnitt aus einem alten Sofa auf der Schutthalde die unterseitigen<br />
Bänder heraus, für Hundegeschirre. Diese waren schnell gemacht und so jagte ich denn<br />
abends auf Skiern, die Milchkanne in der Hand, mit Hundesaus durch den Ort. Der Leithund<br />
war ohne Zweifel Foxine, in Verstand und Ehrgeiz den anderen weit überlegen, äußerlich<br />
lebenslang wie ein junger Schäferhund anzusehen. Tedda hatte soviel Verstand, dass sie sich<br />
nicht ohne Grund in die Stränge warf, sie lief also nur locker mit. Tarzan wäre bestimmt ein<br />
guter Zughund gewesen, wenn er jemals begriffen hätte, was man von ihm wollte. Alle drei<br />
waren aber in heißer Liebe zu meiner Mutter entbrannt, diese war ihr Lebensmittelpunkt und<br />
alle geschilderten Zugschwächen waren aufgehoben, wenn sie meiner Mutter nachlaufen<br />
konnten, z. B. nach Reichenau. In dem Falle konnte ich auf den Schlitten oder Leiterwagen<br />
aufladen, was ich wollte, meine Schwester kutschierte und die Meute stob davon, um Frauchen<br />
einzuholen. Foxine war beim Leiterwagen vor den Quergriff der Deichsel gespannt,<br />
denn sie reagierte auf leisen Seilzug nach links oder rechts, verstand auch „Halt“ und „Lauf“.<br />
Links und rechts der Deichsel liefen Tedda und Tarzan.<br />
In diesem Frühjahr stand ich vor ca. 60 m² Gartenfläche, die schon im Herbst mit Mist<br />
versehen, erstmalig umgegraben worden war und jetzt mit dem Handkultivator nur gelockert<br />
zu werden brauchte, um dann mit dem Eisenrechen die ca. 1 m breiten Beete anzulegen. Das<br />
Pflanzen war Sache meiner Mutter und ich war froh, das alles mit ihr gemeinsam tun zu<br />
können.<br />
Unsere Jungziege war ausgewachsen und hatte spitze Hörner bekommen, die sie auch<br />
gern einsetzte. Indem sie jetzt selbst Mutter geworden war, wurde es Zeit, sie zu melken.<br />
Diesbezügliche Versuche sich ihrem Euter zu nähern, wertete das verzogene Ding aber als<br />
unzulässige Annäherung. Meine Mutter gab schließlich auf und so kam die Reihe an mich.<br />
Ich schloss die Stalltür, sie drohte mit den Hörnern. Nach einiger Zeit des Kampfes war der<br />
Entstand so, dass sie aufrecht in der Ecke stand, von meiner Schulter hinein gedrückt, den<br />
Kopf hilflos oben, nur mit den Vorderläufen konnte sie auf meinen Rücken klopfen, unten<br />
aber hatte ich beide Hände frei zum Melken. Sie gab zwar nicht viel Milch, aber es war sehr<br />
gute, die Herkunft im Geschmack nicht anzumerken und bei der täglichen Gabe von ca. 2 l<br />
war eine Überschuss, aus dem man mittels eines Leinensäckchens wunderbaren Quark machen<br />
konnte, so fettig, dass Butter nicht dazu sein musste, mit Salz, Zwiebeln und Kräutern<br />
zur Vollendung gebracht. Später habe ich erfahren, dass es im unweiten Oderwitz den ersten<br />
Ziegenzüchter-Verein Deutschlands gegeben hat. Ein Professor auf der Grünen Woche in<br />
Berlin stellte unlängst klar, dass um 1900, als die TBC als unheilbare Krankheit grassierte, die<br />
ärmere Landbevölkerung verhältnismäßig geringe Verluste hatte, geschützt durch die gehalt-<br />
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