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Erinnerungen

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Zum Hof und den Personen dort hatten wir schon immer ein enges Verhältnis (Robert<br />

Flaschner war meines Vaters guter Freund, ich und auch meine spätere Frau Karin waren bis<br />

45 dort Milch holen.) und rasch waren wir mit den neuen Wirten (dort auch die Söhne Franek<br />

und Józek im Alter meiner Schwester) gut bekannt geworden. Es war schnell zu sehen, dass<br />

die Legażynskis ordentliche und tüchtige Bauern darstellten und dass sie als Spätumsiedler<br />

nicht auf Rosen gebettet wurden, da die Höfe 1952 nach Leerständen nur sehr spärlich ausgerüstet<br />

standen und irgendeine Unterstützung wird es wohl nicht gegeben haben. Als Milchkunde<br />

habe ich diesen schweren Anfang der Familie wahrgenommen. Zu Legażynskis hatten<br />

wir schnell ein sehr gutes nachbarschaftliches Verhältnis, auch stellte man fest, dass man in<br />

der Vorgeneration gemeinsam unter Österreich war, besonders verunsicherte unglückliche<br />

Umsiedler sind ja dankbar für jedes gute Wort und für jede entdeckte Gemeinsamkeit in der<br />

neuen fremden Heimat. Erinnerlich sind mir die Schwierigkeiten, die der Bauer aus Südostpolen<br />

anfangs mit unserem schweren lehmigen Boden hatte. Der bei uns anliegende ca. 1 ha<br />

große Acker war etwas zu tief umgeackert worden und oben lagen harte ausgetrocknete<br />

Lehmschollen, von der Egge kaum zu zerstören. Legażynski ging breitbeinig die Furchen<br />

entlang und der hagere große Mann zertrümmerte in tagelanger Arbeit mit einem langstieligen<br />

schweren Hammer mit gewaltigen Schlägen die Lehmbatzen. Sein offener Kittel flatterte im<br />

Herbstwind. Das war ein Pole, wie wir einen solchen noch nicht kennen gelernt hatten, da<br />

kämpfte ein Mann um eine gute Ernte, um seine Familie durchzubringen (ein kleines Mädchen<br />

war noch dazugekommen).<br />

Im Frühjahr ergab sich in meinem inneren Leben ein Wendepunkt. Ich saß allein im<br />

Garten auf einem Holzstapel und sah über alles darüber hin. Langsam stieg in mir ein tiefes<br />

Glücksgefühl hoch, ganz unbeschreiblich. Plakativ vergleichbar, als wenn die Sonne aus<br />

dunklen Wolken über die Landschaft scheint, nur dass dieses Gefühl bis zur letzten Stunde in<br />

Oppelsdorf bei mir blieb. Ich ging also durch Haus und Garten und sah, was alles zu machen<br />

war und war froh darüber. Natürlich blieb ich auch ein 12-jähriger Junge und baute auf die<br />

Zweige des großen Ahornbaumes eine Hütte, an dem waagerechten Ast eines hohen Baumes<br />

in der anderen Gartenecke zum Feld eine Schaukel, aber ich sortierte auch auf dem Hof das<br />

Holz in brauchbar und in Feuerholz. Wir hatten ein weißes Zieg-Zickel eingestallt und ca. 6<br />

Hühner. Der Mist wurde gesammelt und kam im Herbst auf drei ca. 20 m² Gartenflächen, die<br />

ich umgrub. Im Spätherbst wurden für die heranwachsende Ziege viele Säcke mit Laub gesammelt<br />

als Einstreu. Ein Stadel mit Heu wurde auch angelegt.<br />

Die deutsche Gemeinschaft hatte sich immer mehr gefunden und gestaltete am Wachberge<br />

in Markersdorf ein Sommerfest. Bei der geringen Zahl der Deutschen und deren Verstreutheit<br />

ging das natürlich nur, wenn ca. jeder Zweite an Vorbereitung und Durchführung<br />

teilnahm, es war also ein großer Anlauf erforderlich. Für uns Kriegs-/Nachkriegskinder war<br />

dieses Fest wie ein Wunder. In der oberen Ecke des großen Gartens spielte eine deutsche<br />

Kapelle, dabei die Webmeister Wildner und Stein sowie der technische Zeichner Galenski. Es<br />

gab betreute Spiele für Kinder wie Sackhüpfen, Reifenwerfen u. a. An einer Kletterstange<br />

oben hingen Preise. An einem hohen Mast war ein stolzer Adler aus Sperrholz angebracht.<br />

Geschossen wurde unter Aufsicht mit uralten Armbrüsten, die mit Hebel von zwei Männern<br />

gespannt wurden und den mindestens 40 m entfernten stolzen Adler immer mehr Federn<br />

nahmen. Ich durfte auch schießen und habe den Vogel empfindlich getroffen (man konnte ja<br />

seit Jahren Pfeile gut berechnen). Laduschek, Vater und Sohn, spielten Szenen aus dem<br />

Volksleben, Essen und Trinken gab es reichlich. Es war ein gelungenes Heimatfest geworden,<br />

die Rest-Reichenauer hatten den Kindern und sich ein Stück gute Erinnerung vorgeführt.<br />

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