Erinnerungen

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03.12.2012 Aufrufe

Bei Joschkos zu einem Kinder – Geburstag Viel lauter ging es zu beim Fußballspielen auf dem Hofe, auch dort rang die Joschko- Mannschaft verbissen um den Sieg. Als eine zu Besuch weilende Dame eine jugendliche Anwandlung bekam, sich einmischte und auf das Joschko-Tor schoss, stellte Klaus erbittert und für die Besucherschar hörbar klar: „.. mit krummen Beinen schießt man kein Tor!“, was solange zum Spielabbruch führte, bis er sozusagen gewaschen und gekämmt sich öffentlich entschuldigte, wobei aber alle Anwesenden das alte Siebenbürger Sprichwort kannten – „Kinder und alte Leute sagen die Wahrheit“ – und die Sache zumindest im Ansatz unterschwellig bestätigt fanden. Das Leben in Bogatynia wurde in dieser Zeit durch interessante Filme aufgewertet. Der erste bewusste Kinobesuch des Lebens, mit meiner Schwester, auf den Plätzen 96 und 97 war „Tarzan“, später folgten „Zorro“ und dann „Der Graf von Monte Christo“, auch „Wolfsblut“ (von Jack London) wurde gegeben. Was die Wolfsabkömmlinge von Bogatynia, also die Hunde anbelangte, so gab es unter diesen eine große Gruppe von Freigängern, die von Hochzeit zu Hochzeit ausrückten. Wenn es bei Kora soweit war (und dazu kam noch ihre Tochter Foxine, die bei unserer Familie lebte), so waren ständig ca. 20 Freier um unser Grundstück herum, darunter auch riesengroße, die kleine Konkurrenten unwillig in den Hintern bissen und ansonsten nächtens so tief grollten, dass es klang, als belagere ein Löwenrudel unser Haus. An einem dunklen stürmischen Abend, als alle schon zur Ruhe gehen wollten, klinkte es an unserer Haustür. Von uns wurde Innen gefragt: „Wer ist denn da?“ aber Draußen herrschte Schweigen, nur die Klinke ging weiter. Großmutter schlussfolgerte, dass es verfolgte Neißegänger sein könnten, die sich nicht äußern durften und öffnete im Dunkeln die Haustür. Herein zur Tür kam würdevoll ein großer Schäferhund, der ohne sich umzusehen durch den langen Flur schritt und die Tür zur Küche öffnete, wo die heiße Braut Kora wartete. Im Kriegsrat der Männer wurde beschlossen, zur Wiedergewinnung des Heims keinen Frontalangriff zu wagen, sondern die Türen nach Außen zu öffnen und durch die Veranda mit Spießen und Stangen einzudringen. Ein diesbezügliches Handeln führte dann auch zum würdevollen Abgang des Liebespaares. Als Kurt zur Frühschicht ging, sah er im Frühnebel das Paar an der Wegkante sitzen und in die Stadt hinunter sehen, wobei Kora an die breite Brust des Geliebten anlehnte. Ansonsten ging das Leben einen ruhigen Lauf, da war es schon eine Ausnahme, wenn morgens bei Wierzbicki in der Scheune die Dreschmaschine wummernd anlief. Da ging man nebenbei nachsehen, wer wohl was machte und stellte fest, dass niemand das Stroh von der Tenne schaffte, also nahm 42

man ohne Überlegung eine Gabel, um einen Moment zu helfen, bald aber kam die Ernüchterung, weil niemand Erwachsenes kam und man einmal eingereiht schlecht weggehen konnte. Da schleppte man also und schleppte und die Dreschmaschine ging bis Mittag auch nicht kaputt. Dann war noch eine Hoffnung „Die könnten mich ja zum Mittagessen mitnehmen!“, aber dann gingen alle ohne sich umzusehen ins Haus und ich musste in meine Richtung gehen, und am Nachmittag, wenn die Maschine wieder anlief, war ich wie unter Zwang wieder dabei. In dieser Zeit begann ich mir bewusst zu werden, mit was für guten Großeltern ich bedacht war und ich machte das deutlich in dem ich deren Haushalt mit Holz und Kohle versorgte. Auch sah ich im Garten, dass die hintere Bank nur noch ein Sitzbrett besaß und zu reparieren war. Eine 2-m-Bohle war schnell gefunden, den Wierzbicki hatte eine solche an den Wegrand geworfen. Als er aber nach Tagen sein Wertstück suchte, war das bereits von mir eingebaut und jemand hatte mich wegschleppen sehen. Großvater bot finanzielle Sühne oder Rückgabe an. Als wir uns aber bei der Affäre in die Augen sahen, erließ Wierzbicki alles. Damit in etwa endet mein aktiver Lebenslauf mit ihm. In späteren Jahren, als Erwachsener zu Besuch in Bogatynia, war ich auch immer bei Wierzbickis, die dann in einer Stadtwohnung wohnten. Er arbeitete als Wache (mit Gewehr!) am Sprengstofflager der Kohlegrube. Das Jahr will ich wieder mit dem Unangenehmen beschließen: − Die ca. 200 in Bogatynia und Umgebung verbliebenen Deutschen stellten eine Liste der Verdienenden auf und eine solche von alleinstehenden Alten, die keinerlei Bezüge hatten. Es kam zu einer Umlage der Verdienenden an die Bedürftigen. Es war aber noch die Zeit des Stalinismus und ehrgeizige Geheimdienstler stellten das als eine entdeckte Verschwörung der Deutschen heraus. Da waren wir alle in großer Gefahr, aber die Anwesenheit deutscher Staaten und die Intervention der Betriebsdirektoren ließen es nicht zu einer Deportation kommen, nur verhört wurde. − Gedenken will ich hier auch der vielen polnischen Kinder, die von 45 an mit Munition spielten und zerrissen oder verkrüppelt wurden. Dabei denke ich auch an einen jungen Deutschen, der ein Maschinengewehr vergrub, mit dem Kinder gespielt hatten. Das brachte ihm Jahre schweren Straflagers ein. Er wohnt heute noch in Bogatynia. − Die Brotverteilung an die Läden erfolgte in Bogatynia durch einen gedeckten Pferdewagen, mit dessen Kutscher wir befreundet waren und auf dessen Wagen wir hinten mitfahren durften. Einmal begingen wir den Fehler, hinten aufzuspringen ohne uns bei ihm gemeldet zu haben. Er dachte es wird Brot gestohlen und schlug mit der Peitsche nach hinten. Der erste Hieb traf mich auf das linke Auge und während ich noch erstarrt saß, kam der zweite Schlag auf das rechte Auge. Ich fiel mit den Händen vor dem Gesicht vom Wagen und Gottfried führte mich, dann ich sah nichts mehr. Nach ca. 15 Minuten kam aber langsam wieder das Licht auf beide Augen. Ich glaube bei der Niederschrift heute noch meine Verzweiflung bis zum ersten Lichtschimmer zu spüren. Unglück kommt eben unverhofft oft will ich meinen Enkeln sagen und man sollte alle Handlungen im Voraus gut bedenken, um ihm zu entgehen. 13. Das Jahr 1951 Weihnachten und Wintervergnügen wie schon beschrieben. Nachzutragen wäre noch das vor allem winterliche Basteln mir Märklin- und Stabilbaukästen. Teils ererbt, teils in emsiger Suche auf Schutthalden gefunden und mit Drahtbürste und Farbe wieder aufbereitet, bauten wir mit diesem Material auf tischgroßen Holzplatten eine durchgehende Transmissionswelle auf, setzten einen E-Motor oder eine Dampfmaschine als Antrieb an diese und links und rechts angetriebene selbst gebaute Maschinen aller Art. Auf gleicher Material-Basis auch lenk- und bremsbare LKWs und Anhänger. Vor Ostern in diesem Jahr bekam unser Vater einen Hinweis, dass sein Elternhaus in Bad Oppelsdorf am Ende der Villenstraße leer stehe. Beim Osterspaziergang mit der befreundeten 43

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Viel lauter ging es zu beim Fußballspielen auf dem Hofe, auch dort rang die Joschko-<br />

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entschuldigte, wobei aber alle Anwesenden das alte Siebenbürger Sprichwort kannten –<br />

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erste bewusste Kinobesuch des Lebens, mit meiner Schwester, auf den Plätzen 96 und 97 war<br />

„Tarzan“, später folgten „Zorro“ und dann „Der Graf von Monte Christo“, auch „Wolfsblut“<br />

(von Jack London) wurde gegeben.<br />

Was die Wolfsabkömmlinge von Bogatynia, also die Hunde anbelangte, so gab es unter<br />

diesen eine große Gruppe von Freigängern, die von Hochzeit zu Hochzeit ausrückten. Wenn<br />

es bei Kora soweit war (und dazu kam noch ihre Tochter Foxine, die bei unserer Familie<br />

lebte), so waren ständig ca. 20 Freier um unser Grundstück herum, darunter auch riesengroße,<br />

die kleine Konkurrenten unwillig in den Hintern bissen und ansonsten nächtens so tief<br />

grollten, dass es klang, als belagere ein Löwenrudel unser Haus. An einem dunklen stürmischen<br />

Abend, als alle schon zur Ruhe gehen wollten, klinkte es an unserer Haustür. Von uns<br />

wurde Innen gefragt: „Wer ist denn da?“ aber Draußen herrschte Schweigen, nur die Klinke<br />

ging weiter. Großmutter schlussfolgerte, dass es verfolgte Neißegänger sein könnten, die sich<br />

nicht äußern durften und öffnete im Dunkeln die Haustür. Herein zur Tür kam würdevoll ein<br />

großer Schäferhund, der ohne sich umzusehen durch den langen Flur schritt und die Tür zur<br />

Küche öffnete, wo die heiße Braut Kora wartete. Im Kriegsrat der Männer wurde beschlossen,<br />

zur Wiedergewinnung des Heims keinen Frontalangriff zu wagen, sondern die Türen nach<br />

Außen zu öffnen und durch die Veranda mit Spießen und Stangen einzudringen. Ein diesbezügliches<br />

Handeln führte dann auch zum würdevollen Abgang des Liebespaares. Als Kurt zur<br />

Frühschicht ging, sah er im Frühnebel das Paar an der Wegkante sitzen und in die Stadt<br />

hinunter sehen, wobei Kora an die breite Brust des Geliebten anlehnte. Ansonsten ging das<br />

Leben einen ruhigen Lauf, da war es schon eine Ausnahme, wenn morgens bei Wierzbicki in<br />

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