Erinnerungen
Erinnerungen Erinnerungen
fehlenden Holzteile an und den Abzugshahn dazu, einen Riemen fand sich auch. Mit dem fertigen Gewehr auf dem Rücken spazierte ich absichtlich über Wierzbickis Hof, der heftig erschrak und mir das Gewehr abnahm, dann aber immer wohlwollender grinste und mir das Ding zurückgab. Gegenüber meinen Eltern äußerte er sich sogar begeistert. Wenn ich wusste, dass Murdel auf der Weide war, hielt ich mich gegen Abend gern in Wierzbickis Nähe auf, der erfahrungsgemäß nach des Tages Last und Müh (oder was er dafür hielt) ungern den Weg zur Weide noch anfügte. Er sah in diesem Fall dann zufällig mich und sagte in seinen breiten z-za-Buga-Dialekt: „... Aj, Pioter, geh Du“, worauf ich natürlich nur gewartet hatte. Die Weide befand ich gleich hinter der Oppelsdorfer Straße auf einem umzäumten Wiesenstück mit einem gemauerten tiefen Brunnen (von welchem meine Vorfahren wie bereits berichtet aus Holzrohren eine Wasserleitung bis zum Hofe gelegt hatten, bevor öffentliche Wasserversorgung kam), heute ist das Grundstück bebaut. Ich wollte natürlich reiten, was nicht so einfach war, denn das große Pferd war sozusagen nackt. Das „Tor“ der Weide bestand aus einem kniehohen und einem brusthohen Stacheldraht, die jeweils mit Schlaufen an Nägeln des einen Pfahls hingen. Murdel wartete schon dort, während ich zuerst den kniehohen Draht beiseite räumte. Dann drückte ich Murdel nahe an den Pfahl und kletterte auf den Kopf des Holzes, um von dort mit einem Sprung das Pferd zu erreichen, was aber selten gelang, da Murdel meist wieder einen Schritt beiseite gegangen war. Also wieder alles von vorn, bis ich dann oben saß, wobei Murdel aber nahe am Pfahl bleiben musste, damit ich mich an der Mähne festhaltend soweit herunter beugen konnte, um ebenfalls den oberen Tordraht aus seiner Schlaufe zu heben. Dann ging es stolz heimwärts, wobei das gute Pferd wahrscheinlich absichtlich im Schritt ging. Wie bereits erwähnt, wurde Jan Janecki wegen seines Festhaltens an seiner deutschen Familie aus der Region entfernt. Der Wirt nach ihm hatte auch unser befreundetes Pferd Hans (er war 44/45 als verwundetes junges Flüchtlingspferd auf dem Heidrich-Hof geblieben) übernommen. Hans war vor einen Wagen gespannt, der schwer mit Mist beladen war und den er nicht aus der Senke raus ziehen konnte. Der unbeherrschte neue Bauer hatte schon eine Holzlatte auf ihm zerschlagen, Hans sprang nur noch in die Stränge und wurde von diesen entsprechend zurückgeworfen und drohte auf den glatten Steinen der Mistsenke zu Boden zu gehen. Wir standen entsetzt dabei. Glücklicherweise war es die Zeit, wo Alfred Scholz von der Arbeit kam, den seine Jungs sofort holten. Er durfte helfen. Hans barg geradezu seinen Kopf an ihm und wurde langsam beruhigt. Dann gingen wir alle an den Wagen, ich weiß noch wie das Pferd zu uns zurückblickte und dann ruhig, kräftig und nicht nachlassend den Wagen her auszog, von Alfred Scholz geführt. In der zweiten Hälfte des Jahres erkrankte ich schwer an Gelbsucht. Ich meine zu wissen, dass ich in einer schweren Fiebernacht nahe daran war, auf die andere Seite hinüber zugehen. Bei meiner Schwäche war es für meine Genesung eine sehr große Hilfe, zu wissen, dass wieder ein deutscher Staat gegründet war. Wir waren nicht mehr staatenloses Freiwild, es konnte nur noch besser werden. In unserem Haus und drumherum wuchs in dieser Zeit immer spürbarer die Generation der 1947 geborenen heran. Hauptversammlungsraum war wie früher Großmutters Küche. Nach der Geburt meines Vetters Dieter Stein war Kora zu uns übergegangen (bei Wierzbickis blieb eine Tochter von ihr), um sich besorgt um seine Erziehung zu kümmern. In einer Zeit, wo andere Kleinkinder noch krabbeln, lief Dieter schon, indem er sich an Kora festhielt. Wenn man ihn haben wollte, musste man nach Kora rufen, die erschien dann ganz langsam aus der damals noch dichten Bepflanzung des Gartens, mit dem angekrallten Schützling. Sie war in den Folgejahren immer in der Nähe der größer und älter werdenden Spielschar zu finden, wenn einer von diesen Kumpels ein Spielzeug mitnehmen wollte, hielt sie ihn angeblich von hinten fest. Zum Ende des Jahresberichts will ich noch den wahrscheinlich für mich gefährlichsten Vorgang bringen. Es muss im Spätherbst gewesen sein, wo ich mit Wierzbicki Mist ausbringen war. Er beauftragte mich den leeren Wagen auf den Hof zurückzufahren. Es waren 38
fremde Pferde vorgespannt, die zurückgegeben werden mussten. Ein solcher Mistwagen hatte bei der Leerfahrt keine Seitenbretter, alles wurde flach auf den Wagenboden gelegt. Als ich auf dem Feldweg war, ließ ich die fremden Pferde leichtsinnigerweise beschleunigt laufen, welche Fahrt mit den fremden Rössern immer schneller wurde, ich dabei frei stehend auf dem schmalen Bodenbrett, der Ackerwagen über Steine springend. Die Tiere ließen sich nicht zügeln und zur Oppelsdorfer Straße war es nicht mehr weit, gegenüber war der Straßengraben. Eine gewisse Ermattung und vorhandener Pferdeverstand und auch mein zügeln, ließ vor der Straße die Tiere wieder vernünftig werden, da war ich sehr froh. 12. Das Jahr 1950 Es war mein letztes Jahr nur in Reichenau und ich muss nachdenken, über was denn noch nicht berichtet wurde. Da wäre zu Jahresanfang im Winter über das Skifahren zu berichten. Noch mein Vater musste in seiner Kindheit/Jugend in Oppelsdorf nach einem alten Fass suchen, dessen Dauben mit seitlich angenagelten Riemen zu Schneeschuhen wurden. Stöcke fanden sich im Gebüsch. Da hatten wir es mit aufgefundenen Restbeständen schon besser. Weihnachten 49 war die Bescherung für mich scheinbar sehr sparsam geworden, womit ich mich schon abfinden wollte, als die Eltern mir lächelnd empfahlen, doch noch unter den Tisch zu sehen. Dort lagen ein Paar lange Skier der damaligen Spitzenklasse aus zweiter Hand. Das war ein innerer Jubel. Nicht lösbar durch meine Eltern war die Frage von Winterschuhen. Diesbezüglich versorgte ich mich immer selbst aus einem Haufen Uralt- Schuhe auf dem Hausboden von früheren Preibisch-Generationen. Gleichfalls hatte ich herausbekommen, dass Socken nicht unbedingt lebensnotwendig waren. Man konnte auch gut 39 Familie Scholz
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fremde Pferde vorgespannt, die zurückgegeben werden mussten. Ein solcher Mistwagen hatte<br />
bei der Leerfahrt keine Seitenbretter, alles wurde flach auf den Wagenboden gelegt. Als ich<br />
auf dem Feldweg war, ließ ich die fremden Pferde leichtsinnigerweise beschleunigt laufen,<br />
welche Fahrt mit den fremden Rössern immer schneller wurde, ich dabei frei stehend auf dem<br />
schmalen Bodenbrett, der Ackerwagen über Steine springend. Die Tiere ließen sich nicht<br />
zügeln und zur Oppelsdorfer Straße war es nicht mehr weit, gegenüber war der Straßengraben.<br />
Eine gewisse Ermattung und vorhandener Pferdeverstand und auch mein zügeln, ließ vor<br />
der Straße die Tiere wieder vernünftig werden, da war ich sehr froh.<br />
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Da wäre zu Jahresanfang im Winter über das Skifahren zu berichten. Noch mein Vater<br />
musste in seiner Kindheit/Jugend in Oppelsdorf nach einem alten Fass suchen, dessen Dauben<br />
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Stöcke fanden sich im Gebüsch. Da hatten wir es mit aufgefundenen Restbeständen<br />
schon besser. Weihnachten 49 war die Bescherung für mich scheinbar sehr sparsam geworden,<br />
womit ich mich schon abfinden wollte, als die Eltern mir lächelnd empfahlen, doch noch<br />
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zweiter Hand. Das war ein innerer Jubel. Nicht lösbar durch meine Eltern war die Frage von<br />
Winterschuhen. Diesbezüglich versorgte ich mich immer selbst aus einem Haufen Uralt-<br />
Schuhe auf dem Hausboden von früheren Preibisch-Generationen. Gleichfalls hatte ich<br />
herausbekommen, dass Socken nicht unbedingt lebensnotwendig waren. Man konnte auch gut<br />
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