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Erinnerungen

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Freigang hatte, dann wartete der in ähnlicher Funktion anwesende große Herr Ziegenbock<br />

bereits im Park auf uns, zum Kräftemessen. Zentrum der Jagd war ein damals noch vorhandenes<br />

trockenes Brunnen-Rondell mit schräg nach innen abfallendem Boden. In dessen Schräge<br />

konnten Mensch und Tier im Rundlauf große Geschwindigkeiten erreichen, wobei man bei<br />

zunehmendem Vorsprung auch schnell hinter dem Bock sein konnte. Das veranlasste diesen<br />

zu plötzlicher Kehrtwendung, worauf man hinausspringen musste und der Freund musste, um<br />

zu retten, im wahrsten Sinne des Wortes „einspringen“ und wieder vorn rennen, um den Herrn<br />

des Parks abzulenken.<br />

Mit Gottfried waren wir auch im Herbst Kartoffeln lesen. Wir waren sozusagen plötzlich<br />

gesuchte Arbeitskräfte, bekamen bei den Bauern auch Mittagessen (dabei lernten wir erstmalig<br />

die gute polnische Küche kennen), manchmal gab es auch Schnitten auf dem Feld, aber<br />

ansonsten war die Realität des Kartoffel-Auflesens dann auf dem Feld doch sehr hart. Oft<br />

haben wir die letzten Kartoffeln unseres Abschnitts direkt vor den Pferdehufen aufgelesen,<br />

dann waren die vollen Körbe bis zum Wagen zu tragen und dort in den hohen Wagen zu<br />

entleeren. Fast zuviel für so kleine Kerle, aber wir haben es geschafft. Die Härte war schnell<br />

vergessen und das Drumherum lockte immer wieder zu einem Einsatz bei einem weiteren<br />

Bauern. Als ich dann Nachricht bekam, ich solle meine Vergütung abholen, waren es auf dem<br />

Handwagen mehr als 3 Zentner Winterkartoffeln, für meine Eltern eine unerwartete Absicherung<br />

der Ernährung bis zum Frühjahr; für mich auch die erste Erfahrung, dass man durch<br />

Arbeit verdienen kann.<br />

Ansonsten hielt ich natürlich wie früher engen Kontakt zum Wierzbicki-Hof, besonders<br />

bezüglich Ausfahrten. Es gab da sozusagen ein Interessengeflecht:<br />

− Frau Wierzbicka wusste, dass sie über mich abends zumindest das Fuhrwerk wieder bekam,<br />

− der Pan wusste, dass er über mich evtl. das Fuhrwerk los wurde (nicht selbst lenken<br />

musste),<br />

− das Pferd Murdel wollte auf jeden Fall auch nach Hause,<br />

− und ich wollte unbedingt mit Pferd und Wagen durch den Ort fahren.<br />

Erinnerlich ist mir eine Fahrt zur Mühle nach Markersdorf und alleinige Rückfahrt,<br />

desgleichen auch eine Fahrt zur niederen Mühle, dort dann ein gewisses Warten mit Pferd und<br />

voll geladenem Rollwagen in Erwartung wie der innere Kampf bei Wierzbicki ausgehen<br />

würde; der trinkfeste Müller lockte und er gab das Zeichen zu meiner Abfahrt. Als ich merkte,<br />

dass ich mich der Hubbrücke näherte (am Wehr vor ehemals Preibisch), wo geheimnisvoll<br />

eine Null, ein Komma, eine 5 und ein „t“ daran standen, war der Weg schon so eng, dass eine<br />

Umkehr unmöglich war. Vor der Brücke schaute Murdel noch einmal kurz zu mir zurück,<br />

dann donnerten wir darüber und alles ging gut, eben deutsche Wertarbeit. Ansonsten war<br />

Murdel ein so kluges Pferd, dass es vor der Brückenrampe zu Hoffmanns Laden von selbst<br />

Anlauf nahm und ich hielt mich für den Rest der Fahrt auf der langsam aufsteigenden<br />

Hauptstraße und konnte dann auf dem Hofe Frau Wierzbicka alles übergeben.<br />

Am Ende dieser Jahresschilderung will ich für meine Enkel noch vermerken, wie<br />

gefährdet kleine Jungen in ihrer Unerfahrenheit manchmal sind:<br />

− In der Scheune bei Wierzbickis waren zeitweise zwei Ochsen im hinteren Teil frei laufend<br />

eingestallt. Aus Erzählung meines Vaters wusste ich, dass auf dem Rittergut in Oppelsdorf<br />

auch ein solches Zugtierpaar sich ganz eng mit einem Jungen angefreundet hatte, nur mit<br />

ihm waren sie bereit zu arbeiten. War er krank, ließen sie sich zwar vor den Wagen spannen,<br />

beim ersten Hüh liefen sie aber unabänderlich mit dem unglücklichen Kutscher bis<br />

nach Reibersdorf und zurück auf den Hof, womit die Schicht beendet war. Bei diesen<br />

Ochsen wollte ich also der befreundete unabkömmliche Junge werden. Ein verdeckter<br />

Zugang zu den Tieren war schnell gefunden und ich begann die Ochsen an mich zu gewöhnen.<br />

Die Dummheit ging nach einigen Tagen soweit, dass ich mich auf einen liegenden<br />

Ochsenfreund setzte, als der Ochse aber seinen Kopf herumschlug und das Horn neben<br />

meiner Wade seinen Körper traf, war der Verstand sofort wieder da und ich schnell vom<br />

Tier herunter und an der Wand herauf, wo das lose Brett war, und fort!<br />

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