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Erinnerungen

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− Leubners wohnten weiter in ihrem Haus, mit Schwiegersohn Heinz Jirch.<br />

− Bei ehemalig Brocksch-Hermann wohnte eine polnische Familie, dahinter der Zimmermann-Maler.<br />

− Bei Heidrich-Bauer lebte deutsch und polnisch einvernehmlich durcheinander, nur die<br />

Mutter von Jan Jackiewicz war mit der Situation nicht so richtig einverstanden. Inge<br />

Heidrich war von Jan hoch in anderen Umständen.<br />

− Im Nebenhaus, bei ehemals Otto Preibisch, wohnte jetzt ein kinderloses polnisches Ehepaar<br />

namens Artelt, von ihm nahmen wir immer an, dass er deutscher war, als er zugab.<br />

− Für mich war ganz maßgeblich, dass zwischen Artelt und Heidrich/Jackiewicz meine<br />

Scholz-Freunde wohnten, wie seit alten Zeiten.<br />

Hier noch ein kleines Erlebnis, was alles wechselseitig passieren kann, wenn man als<br />

kleiner Junge nur eine Viertel-Portion ist in der Welt der Erwachsenen. Wir waren auf der<br />

Rückfahrt auf einem staubigen Weg bei Bräuers Fabrik. Es war in der warmen Mittagszeit,<br />

das Pferd Murdel ging halb schlafend, Wierzbicki und ich saßen ebenfalls dösend in großer<br />

Ruh auf dem schmalen Ackerwagen auf einer Bohle, die quer über den Wagen gelegt war.<br />

Nur, dass es eben von unten stuckerte und Wierzbicki auf seiner Seite auf der Bohle über den<br />

Wagenrand hinaus gerutscht war; so begann für mich plötzlich ein wundersames Schweben<br />

mit immer schnellerer Luftfahrt, am Ende ein weiter Freiflug in den Straßengraben.<br />

Wierzbicki rutschte entsprechend unter den Wagen und das Hinterrad lief über seinen Fuß. Da<br />

war wirklich eine plötzliche Situationsänderung aus heiterem Himmel und Halbschlaf. Als ich<br />

aus dem Graben kroch, sah ich Murdel in einer Staubwolke davon preschen, Wierzbicki lief<br />

humpelnd hinterher und rief: „Br, br“.<br />

Weihnacht 46 haben wir in einem deutlich volleren Hause gefeiert als im Vorjahr,<br />

dadurch auch alles viel geborgener und wärmer für uns Kinder und wie immer mit dem<br />

Klavierspiel von Großvater. Die Kirche wird wohl verwaist und aufgegeben gestanden haben.<br />

9. Das Jahr 1947<br />

Es fing gut an, wie ein echtes Friedensjahr, und die jungen Erwachsenen, die wir in Gestalt<br />

von Kurt und Ilse im Haus hatten, beschlossen hineinzufeiern. Staunend sahen wir Kinder,<br />

was ausgelassene Erwachsene im Vorfeld zustande bringen. Da war die Jahreszahl 1947 in<br />

vier fröhlich hereintanzende große Figuren aufgelöst, die Zahlen mit Armen, Beinen und<br />

Gesichtern versehen. Über den Kreis der Gäste kann ich nur mutmaßen:<br />

− War Webmeister Kurt Lachmann mit Frau schon dabei, oder der junge Webmeister Kurt<br />

Beyer mit polnischer Freundin Lydia, oder gar schon Rudi Fischer mit Warschauer Freundin<br />

Jenny, der aus Buchenwald zurückgekehrt war und mit Ilse und Jenny bei ehemals<br />

Brendler arbeitete, oder Rudi Serebtz mit polnischer Freundin, später ein Fußballstar von<br />

Bogatynia, oder Ulla Zosel mit ihrem polnischen Freund und späteren Ehemann; sicher<br />

aber Gerhard Hirsch, der einarmig zeitig aus dem Krieg zurückgekehrt war und seine<br />

Versehrtheit bei Sport und Arbeit mit Fassung trug, als Chemiker eher ein Mann des<br />

Geistes als welcher er auch später in Deutschland weiter studierte. Ein liebenswerter<br />

vornehmer Mensch, den ich 2000 leider zum letzten Mal begegnet bin. Seine ältere<br />

Schwester und meine Mutter waren eng befreundet.<br />

Das Leben normalisierte sich auch auf anderen Gebieten, Kinder kamen zur Welt, zuerst<br />

bei Jan Jackiewicz und Inge Heidrich deren Sohn Siegmund war eigentlich der natürliche<br />

Erbe auf dem Heidrich-Hof, aber alle Tragödien haben Scheinlösungen eingebaut.<br />

Ende Februar wurde in unserem Haus mein Vetter Dieter Stein geboren, als Geburtshelfer<br />

der alte Dr. Hauptmann, den mein Vater und Kurt Stein nebst Utensilien auf einem<br />

Hörerschlitten herbei zogen. (Vorweggenommen: – Siegmund und Dieter waren 10 Jahre<br />

später in Zittau wieder zusammen in einer Schulklasse.)<br />

Ich selbst wurde an diesem Tage zur Familie von Großvaters Schwester ausquartiert und<br />

habe dort auch übernachtet, dabei sicher auch Christine angetroffen, die als Weberin arbeitete<br />

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