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Erinnerungen

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Rychwaĺd heißt) und bewegte sich weiter in Richtung Westen. Von Anfang an gab es einen<br />

polnischen Kampfkommandanten (Lewy?) in Rychwaĺd, von den Deutschen „Spitzbart“<br />

genannt. Indem dieser seine Schreibarbeiten in Deutsch im Büro der Firma Brendler durch<br />

meine Tante erledigen konnte und dort für Polnisch auch schon Frau Jenny Fischer zur<br />

Verfügung stand, bekam unsere Familie einen Fernkontakt zu diesem damals mächtigen und<br />

umgänglichen Mann.<br />

In dieser Zeit mussten die Deutschen bei schwerer Strafandrohung die Radioapparate und<br />

die Feldstecher abgeben. Indem das mir verständliche Wort Fernglas nicht verwendet wurde,<br />

konnte ich mir unter Feldstecher nur die wie ein langer Schuhanzieher aussehenden Distelstecher<br />

vorstellen, mit denen ins Feld gestochen wurde und ich erschrak mächtig, als ich die<br />

unsrigen Stecher noch auf dem Karnickelstall vorfand, weshalb ich diese sofort unter den<br />

Kohlen vergrub. Niemand sage, der Junge war einfältig, diese Zeit mit Krieg und Nachkrieg<br />

war für alle verrückt und unvorstellbar.<br />

Einige Wochen lag an der Oppelsdorfer Straße, nahe der Kreuzung Richtung<br />

Lichtenberg, ein „Kettenkrad“, d. h. ein kleines Fahrzeug vorn mit Rad und Lenker wie ein<br />

Motorrad, hinten beidseitig Kettenantriebe wie ein Panzer, dabei Sitze für bis 6 Soldaten und<br />

Anhängemöglichkeit für eine kleine Panzerabwehrkanone. Es war klar, es fehlte nur Benzin,<br />

aber alles kombinieren half nichts, ich war eben noch zu klein. Zuerst fehlten die Räder und<br />

irgendwann war das Ding dann ganz weg, aber auf der Siedlung nach Lichtenberg habe ich<br />

noch Jahrzehnte lang 1-achsige Handwagen gesehen, mit hartgummibereiften, kugelgelagerten<br />

Rädern vom Kettenkrad, beneidenswert; noch heute halte ich in dieser Gegen Ausschau,<br />

die Dinger waren doch unverwüstlich. (Im Heeresmuseum in Dresden aber habe ich das<br />

Kettenkrad original wiedergefunden.)<br />

7. 1945 – 22. Juni bis Jahresende<br />

Vom 22. Juni ist mir nur das Nachher bewusst, was auch logisch ist, denn die Maßnahme<br />

wurde gegenüber den Deutschen geheimgehalten (wäre wohl auch nicht geglaubt worden)<br />

und lief wie ein Donnerschlag ab ... „aufstehen, mitnehmen was man in den Händen tragen<br />

kann, den Schlüssel außen in die Tür stecken, alles sofort, bei Todesstrafe“. Allerdings hatte<br />

es auch Listen gegeben, die ca. 10 % der Deutschen von der Vertreibung zurückstellte, als<br />

erforderlich für die weitere Betreibung der Fabriken. Dort war auch mein Großvater, Edwin<br />

Preibisch, als Webmeister eingetragen, womit auch seine gesamte Familie zurückgestellt war.<br />

Vom 23. Juni ist mir erinnerlich, dass aus den deutschen Fabrik-Fachleuten Rettungstrupps<br />

zusammengestellt wurden, für das Vieh auf den verwaisten Bauernhöfen, bei den Rettern<br />

auch meine Mutter, dabei mir erinnerlich auch der Sohn von Dr. med. Hauptmann. Für mich<br />

wurde der Einsatz auf den umliegenden 3 Bauernhöfen zum großen Auftritt, denn ich wusste<br />

genau, wo etwas lag und wo es lang ging. Die Tiere waren zu füttern, zu tränken und auszumelken,<br />

allerdings waren die Kühe bei den ungeschickten Griffen der ungeübten fremden<br />

Leute ziemlich renitent. Kritisch wurde es auf Seiferts-Hof, vielleicht kamen wir dorthin<br />

etwas zu spät, jedenfalls waren die Tiere sehr unruhig. Die Pferde, zwei feurige Rappen,<br />

ließen niemand in den Stall, ständig waren die ausschlagenden Hinterhufe in der Türöffnung<br />

zu sehen. Der Ochse war in der Scheune eingesperrt und donnerte gegen das Tor. Ein Mann<br />

ging mit mir in das Innere des Hauses, wo auf dem Tisch noch die angefangene Mahlzeit<br />

stand, ein angeschnittenes Brot, ein geöffnetes Glas Leberwurst. Er bereitete mir eine<br />

Wurstschnitte, mit der ich dann vor meiner Mutter erschien, um sofort eine kräftige Ohrfeige<br />

(das Brot fiel herunter) wegen Stehlens zu bekommen. Den Erwachsenen war noch nicht<br />

bewusst, was eigentlich passiert war. In der Folge übernahm meine Mutter Erichs und<br />

Brückner-Bauers Hof. Es ist mir erinnerlich wie wir auf dem Feld die Kühe hüteten und wie<br />

diese Biester sich gegenseitig ansahen und dann die Schwänze hoben um einige hundert<br />

Meter weiter zu galoppieren. Nach ca. 1 Woche war Brückner-Bauer wieder da und übernahm<br />

seinerseits auch weitgehend die Pflege auf Erichs Hof. Bei Heidrichs kam der Sohn Walter<br />

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