Erinnerungen

Erinnerungen Erinnerungen

03.12.2012 Aufrufe

Wasser ins Haus tragen musste und die Wäsche wurde vor allem im Erlbach auf Waschstegen gewaschen. Meine Mutter ist 1916 von einem solchen, als 4-jährige neben ihrer Mutter ins Wasser gefallen. Der Preibisch-Hof besaß von Anfang an allerdings auch schon eine selbst verlegte Wasserleitung aus einem eigenen Brunnen hinter der Oppelsdorfer Straße. 4. Reichenau 1944 Meine Erinnerungen an dieses Jahr beginnen mit hohen Schneewehen an der Oppelsdorfer Straße, auf der Lichtenberger Seite, die größere Jungens ausgehöhlt hatten und in welche sie von oben hinein rutschen konnten. Erinnerlich auch die prächtigen Pferdeschlitten, von Pferden gezogen in Prunkgeschirr mit Glöckchen, aber auch die hakenförmigen Bremse dort habe ich wahrgenommen und als technisch richtig eingeordnet. Erste eigenständige Versuche auch mit anderen Kindern von Hügeln Schlitten zu fahren und der Ärger der großen Jungs, wenn so ein kleiner in die Quere kam, stammen auch aus dieser Zeit. Wegen der Kälte stellte ich mich in der Wohnung der Scholze-Jungs so nahe zum Aufwärmen an das Feuerloch, dass mein Mantel ein Loch bekam. Das war ein Schrecken und schwerer Heimgang, denn für neue Kleidung hatten wir nur knapp Geld und außerdem gab es sogenannte „Kleiderkarten“. Aber da war auch schon der Frühling nahe bei und auf den Höfen wurde es lebendiger. Der gute Ochse Fritz, der ewig nicht aus einem Stall herausgekommen war und dessen Kräfte ungemein zugenommen hatten, der wurde unberechenbar und für friedliche Zugdienste unbrauchbar und ich durfte nicht in seine Nähe. Der Ochse bekam also eines Morgens nichts zu fressen und ein Korb mit Heu wurde vor dem Stall vor einen starken Birnbaum gestellt. Dann ging Onkel Erich in den Stall, alle Türen blieben offen, dann sauste er als erster aus dem Stall am Seil den wilden Fritz, der sich 16

ersatzweise auf den Heukorb stürzte, während Erich hinter dem Baum stehend das Seil dort befestigte. Dann schoben wir den großen schweren Ackerwagen mit den breiten Rädern von hinten an den fressenden Fritz heran und schirrten ihn an. Wir bestiegen den Wagen (ich konnte kaum über die Seitenbretter sehen), Tante Ida löste hinter dem Baum stehend das Seil und der Ochse stürmte in die Freiheit. Die wilde Fahrt ging natürlich erst mal durch den „öffentlichen Verkehrsraum“, der aber damals von KFZ wenig frequentiert war, bis man hinter der Oppelsdorfer Straße die Felder und Feldwege erreichte, immer im zügigen Ochsentrab, in einer Art hussitischen Sturmwagen, über Wiesen und durch Gräben, durch die Schläte und bis vor Lichtenberg und wieder zurück, zuletzt gemächlich, die wilde Kraft war weg, der Ochse war wieder der gute alte Fritz geworden. Schwester Jutta und im Hintergrund Urgroßvaters Patent – kohlewagen Mit Onkel Erich war ich dann oft auf den Feldern, wo es dann auch langweilig wurde für einen kleinen Jungen beim Pflügen und Eggen und wo durch die Selbstüberlassung dann die ruhige Beobachtung der Umwelt eintrat, sowohl der Landschaft als auch der Tiere bis hin zu den Kleinsten. Weniger ruhevoll war es bei der Heuernte, die sich damals selbst auf kleinen Flächen in der sogenannten „Schläte“ erstreckte, wo man altersmäßig durchaus auch schon einen Rechen handhaben konnte und auch als kleiner Junge nicht beiseite stehen konnte, wenn in Hast vor dem drohenden Gewitter das trockenen Heu auf Haufen gesetzt oder auf den Wagen geladen wurde. Die Beladung des Wagens war eine Kunst für sich. Auf dem Wagen waren meist 2 Personen, die einerseits das mit 3-zinkigen Heugabeln hochgereichte Heu von den Gabeln abnahmen, anderseits diese großen Ballen dann bis hoch über die Leitern allseits gleichmäßig einbauten. Ganz oben darauf wurde dann straff der sogenannte „Heubaum“ in Längsrichtung gebunden. Dann durfte man selbst auf die ca. 4 m hohe Fuhre und der Wagen schwankte heimwärts, um vor dem Regen noch die Tenne der Scheune zu erreichen. Einmal fiel der Wagen vor der Scheune um und Tante Edith (Erichs Tochter) darunter und musste schnell freigegraben werden und hatte sich mit der Heugabel ins Bein gestochen. Im Spätsommer lief dann die Getreideernte. Der von den Pferden gezogene Mähbinder konnte nur seitlich schneiden, weshalb um das Feld herum erst eine Breite für 3 Zugtiere von Hand gemäht werden musste, d. h. wie vor Jahrhunderten mit großen Getreidesensen, mit aufgesetzten senkrechten Bügeln, damit mit dem Schwung der Sense das geschnittene Korn 17

Wasser ins Haus tragen musste und die Wäsche wurde vor allem im Erlbach auf Waschstegen<br />

gewaschen. Meine Mutter ist 1916 von einem solchen, als 4-jährige neben ihrer Mutter ins<br />

Wasser gefallen. Der Preibisch-Hof besaß von Anfang an allerdings auch schon eine selbst<br />

verlegte Wasserleitung aus einem eigenen Brunnen hinter der Oppelsdorfer Straße.<br />

4. Reichenau 1944<br />

Meine <strong>Erinnerungen</strong> an dieses Jahr beginnen mit hohen Schneewehen an der Oppelsdorfer<br />

Straße, auf der Lichtenberger Seite, die größere Jungens ausgehöhlt hatten und in welche sie<br />

von oben hinein rutschen konnten.<br />

Erinnerlich auch die prächtigen Pferdeschlitten, von Pferden gezogen in Prunkgeschirr<br />

mit Glöckchen, aber auch die hakenförmigen Bremse dort habe ich wahrgenommen und als<br />

technisch richtig eingeordnet. Erste eigenständige Versuche auch mit anderen Kindern von<br />

Hügeln Schlitten zu fahren und der Ärger der großen Jungs, wenn so ein kleiner in die Quere<br />

kam, stammen auch aus dieser Zeit. Wegen der Kälte stellte ich mich in der Wohnung der<br />

Scholze-Jungs so nahe zum Aufwärmen an das Feuerloch, dass mein Mantel ein Loch bekam.<br />

Das war ein Schrecken und schwerer Heimgang, denn für neue Kleidung hatten wir nur knapp<br />

Geld und außerdem gab es sogenannte „Kleiderkarten“. Aber da war auch schon der Frühling<br />

nahe bei und auf den Höfen wurde es lebendiger. Der gute Ochse Fritz, der ewig nicht aus<br />

einem Stall herausgekommen war und dessen Kräfte ungemein zugenommen hatten, der<br />

wurde unberechenbar und für friedliche Zugdienste unbrauchbar und ich durfte nicht in seine<br />

Nähe.<br />

Der Ochse bekam also eines Morgens nichts zu fressen und ein Korb mit Heu wurde vor<br />

dem Stall vor einen starken Birnbaum gestellt. Dann ging Onkel Erich in den Stall, alle Türen<br />

blieben offen, dann sauste er als erster aus dem Stall am Seil den wilden Fritz, der sich<br />

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