Mainova Magazin 2008 (pdf | 5,65 MB) - Mainova AG
Mainova Magazin 2008 (pdf | 5,65 MB) - Mainova AG
Mainova Magazin 2008 (pdf | 5,65 MB) - Mainova AG
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
in der Tür. Die klebt er<br />
abends zu Hause zusammen.<br />
Basismaterial: Streichholzschachteln.<br />
Als Frankfurter sammelt er<br />
täglich Stadtimpressionen,<br />
manche fängt er mit seiner<br />
Kamera ein. Er beobachtet<br />
Baustellen, städtische Veränderungen<br />
und neue Gestaltungsideen.<br />
Und bewertet<br />
meist, was er sieht, als<br />
„langweilig“. Sein Interesse<br />
gilt der Zukunft, dem Fortschritt,<br />
der Veränderung.<br />
Unzählige Wiederholungen<br />
von Raumschiff Enterprise<br />
hat er sich angesehen. „Danach<br />
habe ich Skizzen ge-<br />
Atelier Goldstein<br />
macht und was mir davon<br />
am nächsten Morgen am<br />
besten gefallen hat, habe<br />
ich gebaut.“ Nie bilden<br />
seine Gebäudekomplexe<br />
einfache Quader. Vielmehr<br />
ragt immer wieder ein Geschoss<br />
heraus, während ein<br />
anderes für eine vorgelagerte<br />
Terrasse zurückweicht.<br />
Die Fenster stehen immer<br />
häufiger schräg in der Wand,<br />
einzelne Fassadenabschnitte<br />
kippen nach vorn. Nicht nur<br />
formal erweist sich der besessene<br />
Auto didakt als ambitioniert.<br />
Seine Gebilde gleichen<br />
den Wohn maschinen<br />
von Le Corbusier. Sie bieten<br />
Das Atelier Goldstein in Frankfurt existiert seit<br />
2001, gegründet und bis heute geleitet von der<br />
Bühnenbildnerin Christiane Cuticchio. Träger des<br />
Ateliers ist die Lebenshilfe Frankfurt, unterstützt<br />
durch zahlreiche Förderer, unter anderen auch<br />
<strong>Mainova</strong>. Die Einrichtung bietet ausgewählten<br />
Erwachsenen mit Behinderungen einen Ort, um<br />
ihr kre atives Potenzial zu entfalten. Im November<br />
2003 bestückten die Künstler des Ateliers ihre<br />
erste öffentliche Ausstellung im Alten Hauptzollamt<br />
Frankfurt. Es folgten zahlreiche Einzel- und<br />
Gruppenausstellungen. Im Jahr 2005 präsentierte<br />
das Deutsche Architektur Museum (DAM) erstmals<br />
die Zukunftsstadt von Stefan Häfner, die das DAM<br />
für seine Sammlung erworben hat und seither auf<br />
Ausstellungstournee schickt.<br />
Kontakt: Ingrid Baums<br />
info@lebenshilfe-ffm.de<br />
www.atelier-goldstein.de<br />
„Ich guck viel Forschung & Technik im Fernsehen. Einmal hab ich<br />
einen Bericht gesehen über Amerika: Die haben Wassertanks auf<br />
den Hochhäusern. Damit können sie auf Knopfdruck Brände<br />
löschen. Da habe ich gedacht, ich könnt ja Schwimmbad und Wassertank<br />
verbinden. In meiner Zukunftsstadt ist jetzt ein Schwimmbad<br />
auf dem Dach. Auf Knopfdruck kann man den Boden öffnen<br />
und damit löschen, wenn es brennt.“<br />
zahlreiche Funktionen unter<br />
einem Dach, von denen alle<br />
Bewohner profitieren sollen.<br />
Seine „Zukunftsstadt“, ein<br />
Modell aus verschiedenen<br />
Gebäudekomplexen, bietet<br />
umlaufende Terrassen und<br />
ein Schwimmbad auf dem<br />
Dach für jedermann. Funktionieren<br />
müssen die Gebilde<br />
obendrein. So ruhen<br />
sie alle auf Pfeilern. „Gegen<br />
Hochwasser“, erklärt der<br />
Baumeister. Außerdem Platz<br />
sparend. An Nottreppen im<br />
Brandfall ist immer gedacht.<br />
Jeder Raum ist mit einer<br />
Alarm anlage ausgestattet, in<br />
jedem Geschoss gibt es<br />
mehrfach Löscheinrichtungen.<br />
Das Schwimmbecken<br />
auf dem Dach bildet<br />
zugleich ein Wasserreservoir,<br />
um sich im Brandfall zum<br />
Löschen zu öffnen. Wenn<br />
ganz zum Schluss der „Bauarbeiten“<br />
sämtliche Kabel<br />
verlötet sind und ein Trafo<br />
dafür sorgt, dass die unzähligen<br />
Lämpchen alle Räume<br />
zum Leuchten bringen,<br />
scheinen die Gebilde tatsächlich<br />
zum Leben zu<br />
erwachen.<br />
Interview<br />
Welche Bedeutung hat die<br />
Zukunftsstadt von Stefan<br />
Häfner für die Sammlung<br />
des DAM?<br />
Mit den Arbeiten von Stefan<br />
Häfner haben wir zum ersten<br />
Mal ein Kunstwerk aus<br />
der Gruppe der Outsider<br />
Artists in unsere Sammlung<br />
aufgenommen. Um mit Erstaunen<br />
festzustellen: Es ist<br />
eines der am meisten ausgeliehenen<br />
und angefragten<br />
Exponate der Sammlung.<br />
Wir knüpfen an dieses Interesse<br />
jetzt an mit unserer<br />
aktuellen Ausstellung „Heterotopia“<br />
vom 31. Mai bis<br />
24. August. Dieser Begriff<br />
von Michel Foucault bedeutet<br />
so viel wie „andere Orte“.<br />
Wir zeigen ausschließlich<br />
architekturrelevante Zeichnungen<br />
und Modelle von<br />
Outsider Artists. Auch Stefan<br />
Häfner ist mit drei Bauten<br />
der Zukunftsstadt vertreten.<br />
Sie sind von Haus aus Architekt.<br />
Worin sehen Sie die<br />
Besonderheiten des „Architekten“<br />
Stefan Häfner?<br />
Stefan Häfner ist ein ausgesprochen<br />
passionierter Baumeister.<br />
Er trägt alles in sich,<br />
was einen Architekten auszeichnet,<br />
auch wenn er nie<br />
eine Ausbildung machen<br />
konnte. Ihn kennzeichnet<br />
die Lust, eine neue Welt zu<br />
schaffen. Dabei hat er interessanteKonstruktionssysteme<br />
erfunden. Er fertigt ja<br />
alles zu Hause vor. Das Besondere<br />
an ihm ist: Er lebt<br />
in seiner Welt. In seinen<br />
Augen baut er keine Modelle,<br />
für ihn sind sie echt.<br />
Das Deutsche Architekturmuseum (DAM)<br />
Er kann seine „anderen Orte“<br />
geistig durchwandern. In<br />
meinen Augen hat er also<br />
typische Eigenschaften, die<br />
denen seiner Profikollegen<br />
in nichts nachstehen. Und<br />
viele Profis nehmen ihn<br />
auch genau so ernst. Sie<br />
laden ihn auf ihre Baustellen<br />
ein, lassen ihn also ihre<br />
eigenen Werke durchwandern.<br />
So befruchten sich<br />
beide gegenseitig.<br />
Stehen Häfners Arbeiten<br />
in einer erkennbaren Tradition?<br />
Häfner selbst hat keine Vorbilder,<br />
er kennt Le Corbusiers<br />
Wohnmaschinen ja nicht.<br />
Aber eines ist sicher: Er arbeitet<br />
nicht außerhalb seiner<br />
Zeit. Auch ohne architektonische<br />
Vorbildung ist<br />
er von Zeitschriften und<br />
Fernsehen beeinflusst. Und<br />
er spaziert viel durch die<br />
Stadt. Wo er seine merkwürdig<br />
aufgeständerte Bauweise<br />
her hat, weiß niemand.<br />
Ansonsten hat er<br />
einen Bautypus geschaffen,<br />
der an die Moderne der<br />
Sechziger- und Siebzigerjahre<br />
erinnert. Und das ist<br />
auch die Zeit, in der er aufgewachsen<br />
ist. Aber aus<br />
Frankfurt kennt er diese<br />
Architektur nicht. Er nimmt<br />
schnell Einflüsse auf. Als<br />
seine Zukunfts stadt hier im<br />
DAM ausgestellt war, kam<br />
er jeden Tag ins Museum.<br />
Da hat er Dinge gesehen,<br />
die er vorher noch nie<br />
gesehen hatte. Seither baut<br />
er nicht mehr so streng<br />
rechteckig.<br />
Peter Cachola Schmal, Direktor<br />
des Deutschen Architekturmuseums<br />
(DAM), begann seine Laufbahn<br />
als freier Architekt und<br />
Architekturkritiker in Frankfurt<br />
am Main. Am DAM war er seit<br />
2000 als Kurator tätig, bevor er<br />
2006 Direktor wurde.<br />
Als erstes Architekturmuseum in Deutschland öffnete das DAM 1984 am Schaumainkai seine Pforten. Seither widmet es aktuellen<br />
Projekten der modernen Architektur im In- und Ausland jedes Jahr mehrere große Ausstellungen. Mit einer Sammlung<br />
aus 180 000 Architekturplänen und Zeichnungen sowie 600 Modellen besitzt das Haus einen beachtlichen Fundus. Stoff für<br />
Ausstellungen über Tendenzen und Perioden des 20. Jahrhunderts bieten Stiche, Skizzen und Zeichnungen von Schinkel bis<br />
Gehry, von Mies van der Rohe bis zur Architektengruppe Archigram. Eine umfassende historische Rückblende bietet die Dauerausstellung<br />
„Von der Urhütte zum Wolkenkratzer“: 24 Großmodelle veranschaulichen die Bau- und Siedlungsgeschichte von<br />
der Steinzeit bis zur Gegenwart. Architektonisch steht das DAM als Symbol für sein Thema, ist das größte Exponat in der<br />
eigenen Sammlung: Der Kölner Architekt Oswald Mathias Ungers hat das Museum als Haus-im-Haus konzipiert, realisiert in<br />
einer vollständig entkernten Gründerzeitvilla, umgeben von einer Glashalle. www.dam-online.de<br />
74 MAINOVA M<strong>AG</strong>AZIN 08<br />
VISIONEN 75