Mainova Magazin 2008 (pdf | 5,65 MB) - Mainova AG
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Klasse statt Masse<br />
Antonio Gaudi stützte seine<br />
weltberühmte Kathedrale<br />
„Sagrada Familia“ mit<br />
schlanken, baumartigen<br />
Pfeilern. Frei Otto plante<br />
grazile „Baumstützen“ für<br />
das Dach des Stuttgarter<br />
Flughafens. Bäume sind ein<br />
ideales Vorbild für Architekten:<br />
Stabil und leicht<br />
zugleich trotzen sie selbst<br />
schweren Unwettern. An<br />
einer 25 Meter hohen Pappel<br />
wirken bei Sturm bis zu<br />
180 Tonnen Zuglast – das<br />
Gewicht von 45 Elefanten.<br />
Trotzdem knicken nur<br />
wenige Bäume um. Der<br />
Grund: Bäume verteilen die<br />
Angriffslasten gleichmäßig.<br />
An Stellen mit höherer<br />
Spannung bilden sie einfach<br />
dickere Jahresringe aus und<br />
entschärfen damit die Belastung.<br />
Ebenso wie Bäume<br />
funktionieren Knochen,<br />
Zähne oder Geweihe: Sie<br />
lagern genau an den Stellen<br />
Material an, wo die Belastung<br />
am stärksten ist. Den<br />
spanischen Architekten und<br />
Ingenieur Santiago Calatrava<br />
inspiriert das zu ebenso effizienten<br />
wie eleganten Entwürfen:<br />
Fische verwandeln<br />
sich dabei in Brücken,<br />
Augen werden zu Torbögen,<br />
Skelette zu Tragwerken.<br />
Das Skelett eines Seeigels<br />
stand Pate beim<br />
Entwurf des Architekten<br />
Göran Pohl für die Eisschnelllaufhalle<br />
in Erfurt.<br />
Die tragenden Rippen<br />
ähneln Knochenstrukturen<br />
aus dem Tierreich.<br />
Bild oben: das filigrane<br />
Tragwerk im Detail.<br />
Am seidenen Faden<br />
Das Dach des Münchner<br />
Olympiastadions sollte zum<br />
Symbol werden für heitere<br />
und unbeschwerte Spiele.<br />
Sein lichtes Tragwerk sieht<br />
aus wie von der Natur selbst<br />
entworfen: Zeltförmig überspannt<br />
es das Stadion, ragt<br />
weit in den Park, die Streben<br />
hangeln sich hinab bis<br />
zum Boden. Architekt Frei<br />
Otto ließ sich bei seinem<br />
Entwurf vom Netz der Zitterspinne<br />
inspirieren.<br />
Kein Wunder: Spinnennetze<br />
sind nicht nur ästhetische,<br />
sondern auch technische<br />
Meisterwerke. Ihre hauchdünnen<br />
Seidenfäden sind so<br />
reißfest, dass sie eine Biene<br />
in vollem Flug stoppen. Die<br />
Bewegungsenergie, die der<br />
Faden dabei aufnimmt, ist<br />
vergleichbar mit dem Aufprall<br />
eines Düsenjets in die<br />
Halteseile eines Flugzeugträgers.<br />
Viele Netze verfügen<br />
über Seidenfäden<br />
unterschiedlichster Qualität:<br />
steife Fäden als Gerüst, elastische<br />
Fangseide zum Abfedern<br />
der Bewegungsenergie<br />
beim Aufprall, Seiden zum<br />
Umherwandern oder zum<br />
Einspinnen der Beute.<br />
Für ihre Netze nutzt die<br />
Spinne Zugkonstruktionen,<br />
denn die verbrauchen weniger<br />
Material. Die Spinnfäden<br />
sind so dünn, dass<br />
ein einziger Faden, um den<br />
Äquator gewickelt, nicht<br />
mehr als 300 Gramm wiegen<br />
würde.<br />
Bei seinem Entwurf für<br />
das Münchner Olympia-<br />
stadion ließ sich Architekt<br />
Frei Otto vom Netz<br />
der Zitterspinne inspirieren.<br />
Denn Spinnennetze<br />
sind nicht nur bildschön<br />
– sie gelten auch technisch<br />
als Meisterwerke.<br />
66 MAINOVA M<strong>AG</strong>AZIN 08<br />
BIONIK 67