01 titel - u4.indd - Bucerius Law School
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01 titel - u4.indd - Bucerius Law School
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vision<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZIN 2009<br />
re
LIEBE FREUNDE DER BUCERIUS LAW SCHOOL,<br />
mit re.vision halten Sie den neuen Jahresbericht der <strong>Bucerius</strong><br />
<strong>Law</strong> <strong>School</strong> in den Händen. Wir haben uns entschlossen, statt<br />
eines nüchternen Zahlen- und Faktenwerkes ein Magazin aufzulegen,<br />
das ein akademisches Jahr an unserer Hochschule<br />
Revue passieren lässt und gleichzeitig als Geschäft sbericht gelesen<br />
werden kann. Wir haben uns dazu mit guten Bekannten<br />
zusammengetan: Unser Partner ist der Zeitverlag.<br />
Die Redaktion des Magazins hat ihren eigenen Blick auf unsere<br />
Hochschule geworfen und wurde dabei von Studierenden<br />
und Alumni der <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong> unterstützt.<br />
Wir wollen mit dem von nun an jährlich erscheinenden<br />
Magazin aber nicht nur Rechenschaft ablegen, sondern vor<br />
allem berichten, wie sich das akademische, das studentische<br />
und das soziale Leben auf dem Campus entwickelt, welche<br />
Th emen und Ereignisse die <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong> beschäft igt<br />
haben. Und wir wollen – das geben wir ganz unumwunden<br />
zu – Sie für uns einnehmen und für uns gewinnen. Nichts<br />
ist so bunt wie das Leben selbst, und das gilt gerade auf<br />
einem so lebendigen Campus wie dem der <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong><br />
<strong>School</strong>. Menschen aller Lebensalter, von allen Kontinenten,<br />
unter schiedliche wissenschaft liche Strömungen, vielseitige<br />
Begabungen und ein Geist des miteinander Arbeitens, Diskutierens,<br />
Forschens und Feierns sind Attribute, die es uns<br />
wert waren, darüber in dieser Form zu berichten.<br />
Wir hoff en, dass Ihnen die Lektüre dieses neuen Magazins<br />
Freude macht, und würden uns über eine Rückmeldung an<br />
re.vision@law-school.de sehr freuen.<br />
Herzlichst<br />
Prof. Dr. Dres. h.c. Karsten Schmidt<br />
Präsident<br />
Dr. Hariolf Wenzler<br />
Geschäft sführer<br />
2OO9<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZIN<br />
Fotos: Odile Hain.
REPORT<br />
06 24 Stunden: Das Campus-Leben<br />
in Bildern<br />
14 Mitreden: Wie <strong>Law</strong>-<strong>School</strong>-Studenten<br />
sich für ihre Hochschule engagieren<br />
20 Was bleibt: 2009 war auch ein Jahr<br />
trauriger Nachrichten<br />
31 Feldforschung: So funktioniert<br />
das Kapitalmarktrecht in Europa<br />
RUBRIKEN<br />
10 STUDENTENLEBEN<br />
Die Mensa Top-Five<br />
Kolumne: „Ist das gerecht, Recht oder richtig?“<br />
Campus-Wissen: Phi Delta Phi<br />
12 Aufgeschnappt: Fashion-Statements vom Campus<br />
26 Auslandsstudium: Hier kann man was erleben<br />
36 ARBEITSLEBEN<br />
Die Feierabend Top-Five<br />
Geständnis: „Das habe ich noch nie verstanden“<br />
Compliance Check: <strong>Bucerius</strong> Conference & Event<br />
41 Glosse: Der etwas andere Jahresrückblick aus<br />
der Sicht einer Statue<br />
FAKTEN<br />
42 Geschäftsbericht<br />
49 Kalender/Impressum<br />
INHALT<br />
RE.VISION 2009<br />
PORTRÄT<br />
24 Lieblingsprofessor: Florian Faust ist der erste<br />
Preisträger des Röhrenden Hirschen<br />
28 Outlaw: Max Fischer hat nach dem<br />
Jura-Studium ein Internet-Start-up gegründet<br />
38 Master-Absolventen: Karrieren in Peru,<br />
Tansania und China<br />
50 Und, wie war ich? – Malte Thies erzählt von<br />
seiner Premiere bei Gericht<br />
DISKUSSION<br />
22 An der <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong> studieren:<br />
Wenn Erwartung auf Erfahrung trifft<br />
34 Von Krisen und Piraten: Da sind Juristen<br />
als Experten gefragt<br />
36 Pro & Contra: Sollen wir den Kompromiss<br />
suchen? Oder meiden?<br />
46 Früher Bürgermeister, heute Notar:<br />
Henning Voscherau im Interview<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZIN 5
Fotoreportage: Kai Kullen.<br />
7:00<br />
6 RE.VISION 2009<br />
13:16<br />
8:11<br />
14:52<br />
9:08<br />
15:39
10:28<br />
16:44<br />
11:25<br />
17:32<br />
24<br />
STUNDEN<br />
DIE BUCERIUS LAW SCHOOL IN 24 BILDERN<br />
12:04<br />
18:02<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZIN 7
18:59<br />
8 RE.VISION 2009<br />
1:37<br />
20:45<br />
2:30<br />
21:12<br />
3:17
22:36<br />
4:42<br />
23:09<br />
5:07<br />
0:00<br />
6:28<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZIN 9
„ Der ehemalige Geschäftsführer der <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong>, Markus<br />
Baumanns, hat einmal versprochen, dass Kinder, die aus einer Verbindung<br />
von zwei erfolgreichen Absolventen hervorgehen, bei späterem eigenem<br />
Studium an unserer Hochschule von den Gebühren befreit sind.<br />
IST DAS GERECHT, RECHT<br />
ODER RICHTIG?“<br />
fragt Hartmut Henninger, Absolvent des Jahrgangs 2000<br />
DR. PETER RAWERT ANTWORTET: „Es ist legitim, durch die Erhebung oder<br />
den Erlass von Studiengebühren Steuerungsfunktionen auszuüben –<br />
zumindest wenn man, wie die <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong>, eine privatrechtlich<br />
organisierte Einrichtung ist. Also „Recht“ ist es gewiss, eine solche Art<br />
von „Preisgeld“ auszuloben. Und Ziele, die kinderfreundlich sind, haben<br />
doch wohl die Vermutung für sich, auch „richtig“ zu sein? Oder zweifeln<br />
Sie daran?<br />
Mir scheint, Sie wollen hier eher auf den Aspekt der Gerechtigkeit<br />
abzielen: Zwei erfolgreiche Absolventen der <strong>Law</strong> <strong>School</strong> werden es später<br />
gewiss nicht nötig haben, solche Wohltaten in Anspruch zu nehmen. Und<br />
überdies: Wer stellt sicher, dass der Zeugungseifer übermütiger Studiosi<br />
nicht am Ende das (Finanzierungs-)Konzept der gesamten Hochschule<br />
sprengt? Man denke an endlose Generationen von sich reproduzierenden<br />
Mitgliedern der großen <strong>Bucerius</strong>-Familie im von Geldsorgen freien<br />
Verdrängungswettbewerb mit den nicht Ebenbürtigen!<br />
Ich kann Sie beruhigen, lieber Herr Henninger: Es drohen weder<br />
Ungerechtigkeit noch andere Gefahren. Meine Recherchen haben zwar<br />
ergeben, dass es die „Baby-Prämie“ tatsächlich gibt. Sie entsprang off enbar<br />
dem noblen Bestreben, den anfangs durch bauliche Umstände noch arg<br />
gebeutelten Pionierjahrgängen der <strong>Law</strong> <strong>School</strong> das notwendige „Zusammenrücken“<br />
etwas leichter zu machen. Und mag sie womöglich auch einer<br />
Bierlaune entsprungen sein: Sie gilt. Allerdings: Sie bezieht sich allein auf<br />
das erste Kind, welches den Schößen zweier erfolgreicher Bucerianer<br />
entspringt. Außerdem muss der hoff nungsvolle Nachwuchs selbstverständlich<br />
dieselben Aufnahmehürden nehmen, die für Sprösslinge<br />
anderer Eltern bestehen. Sollten Ihre Erwägungen ganz praktischer Natur<br />
sein, gebe ich Ihnen aber auch Folgendes zu bedenken: Wer weiß schon,<br />
ob nicht gerade dieses kleine Wesen am Ende lieber Pädagogik, Ethnologie<br />
oder Kommunikationsdesign studiert?<br />
Stellen Sie mir doch im nächsten Jahr vielleicht folgende Frage: Von zwei<br />
erfolgreichen Absolventen der <strong>Law</strong> <strong>School</strong> zum Juristen erzogen zu<br />
werden – ist das gerecht, Recht oder richtig?“<br />
Peter Rawert (50) arbeitet als Notar in Hamburg. Er lehrt an der Universität Kiel und an der<br />
<strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong>. Sie können die Urteilskraft unseres Kolumnisten gerne herausfordern:<br />
Schreiben Sie unter dem Stichwort „Gerecht, Recht oder richtig“ an: re.vision@law-school.de<br />
10 RE.VISION 2009<br />
Was machen Sie da, Herr Hauser?<br />
„Jetzt bekomme ich gleich eine Ohrfeige:<br />
In dieser Szene aus „Top Dogs“ spiele ich<br />
Michael Neuenschwander, den gerade<br />
entlassenen Freizeit-Koordinator eines<br />
Großkonzerns. Der Projektleiterin Julika<br />
Jenkins, gespielt von Julia Hornung, erklärt<br />
er die richtige Vorhand nur, um ihr auf die<br />
Pelle rücken zu können. Im Buch steht dieser<br />
Vorfall nicht – wir haben ihn für unsere<br />
Inszenierung erarbeitet.“<br />
LAW-SCHOOL-SPIRIT IST…<br />
…länger als eine<br />
Viertelstunde für ein<br />
Mittagessen auf den<br />
andern zu warten<br />
STUDENTEN | LEBEN<br />
EINSICHTEN AUS 365 TAGEN
PATRICK HAUSER, JAHRGANG 2006, spielt in der Th eatergruppe<br />
mit. Oft bis tief in die Nacht haben der 22-Jährige<br />
und seine Mitstreiter im letzten Sommer gearbeitet, damit<br />
rechtzeitig zur Premiere von „Top Dogs“ die Scheinwerfer<br />
mit Starkstrom versorgt, die Kostüme beschafft und das<br />
Bühnenbild gefertigt waren – von den Proben-Wochenenden<br />
für das Stück ganz zu schweigen. „Wir sind auf dem<br />
Zahnfl eisch gegangen. Aber wenn es dem Publikum Spaß<br />
macht“, sagt Hauser, „dann hat sich alle Mühe gelohnt.“<br />
Seit drei Jahren leitet Liz Rech, freie Regisseurin aus<br />
Hamburg, die Th eatergruppe der <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong>.<br />
Hauser war von Beginn an dabei, wegen seines Examens<br />
will er im kommenden Jahr etwas kürzer treten. Kein<br />
Problem – seit Oktober bereichern gleich 15 neue<br />
Schau spieler die Gruppe. Bis Januar werden sie entscheiden,<br />
welches Stück auf „Top Dogs“ folgen soll. Die<br />
wöchentlichen Proben dauern dann, mit zunehmender<br />
Intensität, bis in den Juni.<br />
Für Hauser bedeutet das Th eater inzwischen einen<br />
unverzichtbaren Ausgleich zum Studienalltag: „Mit Liz<br />
Rech kann ich in eine ganz andere Welt hineinschauen, in<br />
die von Kunst und Kultur.“ Richter, Paragrafen und<br />
Prozesse haben in dieser Welt bislang nichts zu suchen:<br />
„Nur einmal“, erinnert sich Hauser, „hat jemand vorgeschlagen,<br />
die ‚12 Geschworenen’ zu inszenieren.“ Die<br />
Schauspieler haben abgelehnt.<br />
KULINARISCHE ELITE<br />
DIE MENSA TOP-FIVE*<br />
1 Currywurst mit Pommes Frites und Grillsoße<br />
2 Pizza Salami<br />
3 Cheeseburger mit Pommes Frites<br />
4 Spaghetti Bolognese<br />
5 Hamburger mit Pommes Frites<br />
OHNE WERTUNG:<br />
Vegetarische Gemüsesuppe mit Gefl ügelwiener<br />
Text: Tilman Botzenhardt. Foto: Nele Bull.<br />
*beliebteste Gerichte 2008 laut Studierendenwerk Hamburg<br />
DER ERSTE SATZ<br />
„ICH BIN AN DIESEM<br />
MORGEN ZUSTÄNDIG<br />
FÜR DEN<br />
REALITÄTSSCHOCK.“<br />
So begann Lena Färber, Generalsekretärin der Studierenden, bei<br />
der Akademischen Feier 2008 ihre Rede an die Studienanfänger.<br />
Text: Thomas Röbke.<br />
CAMPUS-WISSEN<br />
WAS IST<br />
PHI DELTA PHI?<br />
? Klingt kryptisch, aber diese drei griechischen<br />
Buchstaben, ΦΔΦ, sind der Name<br />
einer internationalen Juristenvereinigung, die<br />
1869 von vier Studenten an der Universität von<br />
Michigan gegründet wurde. Die Abkürzung<br />
steht für das Motto: Philous Dikaiooi Philosophoi<br />
– Freunde von Justiz und Weisheit. Phi<br />
Delta Phi sieht sich als unpolitisch und nichtreligiös<br />
und hat mit hiesigen Studentenverbindungen<br />
wenig gemeinsam. Sie ist für Männer<br />
wie Frauen offen, die sich beruflich weiterbilden<br />
und gegenseitig unterstützen wollen –<br />
möglichst ein Leben lang. Während der 140<br />
Jahre ihres Bestehens hat keine andere<br />
Studentenverbindung in den USA so viele<br />
Mandatsträger hervorgebracht, darunter<br />
mehrere US-Präsidenten, zahllose Supreme<br />
Court Richter, Senatoren und Kongressabgeordnete.<br />
Die erste deutsche Phi-Delta-Phi-Gruppe<br />
wurde am 30. Oktober 2006 an der <strong>Bucerius</strong><br />
<strong>Law</strong> <strong>School</strong> gegründet: The Roman Herzog Inn,<br />
benannt nach dem ehemaligen Bundespräsidenten,<br />
der übrigens regelmäßig vorbeischaut.<br />
Inzwischen existiert mit dem Richard<br />
v. Weizsäcker Inn an der Universität Tübingen<br />
eine zweite deutsche Gruppe.<br />
Mitglied kann werden, wer einen Antrag an den<br />
Vorstand des Inns richtet, in dem man unter<br />
anderem erläutern sollte, warum man sich für<br />
Phi Delta Phi interessiert und deren Werte teilt.<br />
Ein- bis zweimal jährlich findet dann eine<br />
Zeremonie zur Aufnahme der neuen Mitglieder<br />
statt. Bislang sind es rund 100, von denen 90<br />
noch an der <strong>Law</strong> <strong>School</strong> studieren. !<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZIN 11
Wer hat das Zeug zum Juristen?<br />
Hier ist alles echt, was<br />
glänzt: Fellkragen sind der<br />
Trend im Winter. Es<br />
empfi ehlt sich allerdings,<br />
vor dem Tragen eine<br />
Vorlesung zum Th ema<br />
„einstweilige Verfügung“ zu<br />
besuchen, um sich eventuell<br />
aufgebrachte Tierschützer<br />
vom Hals halten zu<br />
können.<br />
Ein dezenter Hinweis, dass die<br />
Kommilitonin aus ihrem Landhaus<br />
zur <strong>Law</strong> <strong>School</strong> anreist?<br />
Nein, diese Stiefel kamen mit einer<br />
Gaststudentin direkt aus New<br />
York. Ob Jeans oder Minikleid,<br />
dieses Styling passt perfekt – nicht<br />
nur bei Hamburger Wetter…<br />
So leicht kann man auch schon vor<br />
dem Eintritt in die Großkanzlei<br />
zum Partner gemacht werden:<br />
Man nehme zwei Kaschmirpullover,<br />
dazu Gürtel, auf denen das<br />
Logo nicht zu übersehen ist, und<br />
Fransenschals mit dem berühmten<br />
Karomuster – fertig ist der<br />
Partner-Look.<br />
Die Zeiten sind vorbei, da Anwälte<br />
überwiegend durch vorbildlich<br />
gewichste Budapester auffi elen – wer<br />
möglichst mit 23 die Berufserfahrung<br />
eines Verfassungsrichters besitzen soll,<br />
muss jetzt off enbar auf allen Ebenen<br />
beweisen, dass er schon Patina hat.<br />
Das klassische Verlegenheitsgeschenk?<br />
Von wegen:<br />
Seit Bundespräsident<br />
Horst Köhler bei seiner<br />
Wiederwahl die <strong>Law</strong>-<br />
<strong>School</strong>-Krawatte trug,<br />
fühlen sich nicht nur<br />
Gastredner durch dieses<br />
Accessoire geehrt. So<br />
macht man Kult.<br />
Die Brille als Haarreif, dazu eine<br />
wuschelige Out-of-Bed-Frisur:<br />
Dieser Look ist eigentlich nicht<br />
mehr angesagt, aber Gesetze zu<br />
ändern dauert ja lang… Modisch<br />
ganz vorn liegt jetzt die Nerd-<br />
Brille, die schon durch ihren fernsehergroßen<br />
Rahmen klarmacht,<br />
dass wir es mit einem Durchblicker<br />
zu tun haben.<br />
LOSE STOFFSAMMLUNG<br />
RE.VISION ZEIGT MODE-SCHNAPPSCHÜSSE VOM CAMPUS<br />
12 RE.VISION 2009<br />
Inspiration für kühle<br />
Köpfe: Buntes Denken ist<br />
erwünscht an einem Ort,<br />
wo Studierende aus vielen<br />
Nationen zusammenkommen.<br />
Oder geht es<br />
womöglich bald zum<br />
Auslandstrimester in<br />
den Himalaya?<br />
Text: Susanne Knigge. Fotos: Odile Hain.
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14 RE.VISION 2009<br />
REGIEREN GEHT<br />
ÜBER<br />
AN<br />
STUDIEREN<br />
DER LAW SCHOOL HABEN AUCH STUDENTEN DAS SAGEN
Streikende Studenten, endlose AStA-Debatten<br />
und ideologische Grabenkämpfe?<br />
Nicht an der <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong>: Kein<br />
einziges Flugblatt musste gedruckt werden,<br />
damit die Studierenden erreichten, dass ihr<br />
Curriculum reformiert wurde.<br />
Dies ist möglich, weil sich ihre gewählten<br />
Vertreter nicht nur in Konfl iktzeiten mit der<br />
Hoch schulleitung austauschen<br />
Text: Sven Stillich. Illustration: Anja Maria Eisen.<br />
Im Besprechungsraum 0.39 hängt ein Gemälde an der<br />
Wand. Es zeigt einen weiten Horizont: Braunrote Erde<br />
wird zu blauem Himmel, dazwischen verläuft ein weißer<br />
Strich. Wenn das Bild ein Sinnbild sein soll für das, was in<br />
diesem Zimmer geschieht, dann ist dieser Strich kein<br />
trennender. Denn in Raum 0.39 trifft sich jeden Dienstagnachmittag<br />
die Hochschulleitung mit den Vertretern der<br />
Studentenschaft , und dann gibt es kein unten und kein<br />
oben: Kanzler und Kommilitonen begegnen sich auf<br />
Augenhöhe, wenn sie um Kompromisse und Lösungen<br />
ringen, die möglichst alle zufriedenstellen. Zu diskutieren<br />
gibt es immer etwas – schließlich werden hier Juristen<br />
ausgebildet, und Streiten gehört zum Beruf.<br />
Geschäft sführer Hariolf Wenzler nimmt neben Prokurist<br />
Benedikt Landgrebe auf einem der schwarzmetallenen<br />
Konferenzstühle Platz, beide tragen Anzug und Krawatte.<br />
Wenzler legt sein Blackberry auf den Tisch; Anja Frahm,<br />
die Leiterin des Studentensekretariats, ordnet ihre<br />
Papiere. Um die drei herum sitzen zehn Jura-Studentinnen<br />
und -Studenten in Bluse oder Pullover. Es sind die<br />
gewählten Vertreter ihrer Jahrgänge, die Anwälte der<br />
Studierenden in der <strong>Law</strong> <strong>School</strong>. Lena Färber klappt ihr<br />
Notebook auf, als Generalsekretärin der Studierendenvertretung<br />
eröff net sie die Sitzung. Am Tag zuvor hat die<br />
Gruppe gemeinsam beschlossen, welche Th emen zur<br />
Sprache kommen sollen, Färber hat daraus eine Tagesordnung<br />
gemacht: „Punkt 1: unsere Party Ende der Woche“,<br />
sagt sie, „da könnten wir noch einen Getränkesponsor<br />
gebrauchen.“ Wenzler grinst und notiert etwas auf einem<br />
Blatt Papier. „Ich telefoniere mal rum“, sagt er, „ich kenne<br />
da jemanden.“ – „Sehr gut. Punkt 2: die Rückzahlung von<br />
Studiengebühren für Bafög-Empfänger.“ – „Da hatten wir<br />
ja bereits drüber gesprochen. Ich werde nachdenken, wie<br />
wir eine vernünft ige Lösung fi nden – machen wir dazu<br />
einen gesonderten Termin?“ – „Gute Idee“, sagt die 24-<br />
Jährige und folgt weiter ihrer Agenda: „Einige Dozenten<br />
benoten Klausuren viel zu spät.“ Nun schaltet sich auch<br />
Christian Süß ein, der den Jahrgang 2005 vertritt: „Es<br />
dauert ewig, bis die Ergebnisse im Intranet stehen“,<br />
unterstützt er Färbers Kritik. Dabei ist sein Ton nicht<br />
scharf, aber bestimmt. „Das geht natürlich nicht“,<br />
antwortet Hariolf Wenzler, „der Sache werde ich nachgehen.“<br />
Wieder macht er sich Notizen. Eine Stunde dauert<br />
die Sitzung. Es gibt keine Rednerliste. Jeder kann etwas<br />
sagen, wenn er etwas sagen will.<br />
Doch nicht immer geht es harmonisch zu – in Raum 0.39<br />
wurden auch schon härtere Nüsse geknackt. Das beherrschende<br />
Th ema des vergangenen akademischen Jahres war<br />
das Examensvorbereitungsprogramm (EVP). Das EVP ist<br />
ein internes Repetitorium, in dem der Inhalt des Studiums<br />
vor der entscheidenden Prüfung wiederholt wird. Das<br />
Problem: Einige Professoren nahmen nach Ansicht der<br />
Studierenden zu wenig Rücksicht auf deren Bedürfnisse –<br />
die Lehrer wollten ihre persönliche Meinung zu strittigen<br />
Rechtsauslegungen diskutieren, statt einfach nur den<br />
Stoff zu repetieren. Die Studierendenvertretung forderte<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZIN 15
konkrete Verbesserungen. „Diese Zeit war kritisch, weil es<br />
oft sehr hitzig zuging“, erinnert sich Geschäft sführer<br />
Wenzler, „niemand hört es gerne, wenn seine Arbeit nicht<br />
geschätzt wird.“ Der Konfl ikt eskalierte, als eine größere<br />
Anzahl von Studenten mit Exmatrikulation drohte. „Das<br />
war eine ernste Situation“, sagt Studentin Lara Friederichs,<br />
für die das Th ema besonders aktuell war, weil sie<br />
mitten in den Vorbereitungen für ihr Staatsexamen steckt.<br />
Die Studierenden riskierten eine direkte Konfrontation<br />
mit der <strong>Law</strong> <strong>School</strong>. Nicht aus Lust am Protest, sondern<br />
weil ihrer Meinung nach ihre berufl iche Zukunft auf dem<br />
Spiel stand: Eine effi ziente Vorbereitung ist der Schlüssel<br />
für eine herausragende Note – und ein Prädikatsexamen<br />
die Grundlage für die weitere Karriere. Die Nerven lagen<br />
blank.<br />
Dass selbst in diesem Härtefall eine Lösung gefunden werden<br />
konnte, liegt auch daran, dass es die Hochschüler<br />
nicht dabei belassen haben, nur gegen etwas zu sein: Die<br />
Studierendenvertretung entwickelte ein eigenes Konzeptpapier<br />
zur Reform des EVP, über das in den Gremien<br />
der <strong>Law</strong> <strong>School</strong> beraten wurde. „Das war sehr viel<br />
Aufwand“, meint Christian Süß, „aber es hat sich<br />
gelohnt.“ Zwar wurde nicht jede Forderung der Studenten<br />
erfüllt, aber alle Professoren haben die Veränderungen<br />
mitgetragen. Geschäft sführer Wenzler befand sich in<br />
einer schwierigen Rolle: „Es war schwer, beiden Seiten<br />
gerecht zu werden und zu vermitteln.“ Umso mehr sind<br />
selbst die Studierenden beeindruckt von dem, was sie im<br />
Dialog erreichen konnten: „Dass unsere Vertreter das so<br />
gut durchbekommen würden, hätten wir nicht gedacht“,<br />
sagt Studentin Friederichs. Doch das Th ema ist noch<br />
nicht ganz abgeschlossen, auch an diesem Dienstagabend<br />
in Raum 0.39 kommt das EVP zur Sprache: „Wir müssen<br />
dranbleiben“, erklärt Christian Süß.<br />
Immer wieder reden, Probleme früh erkennen und sie<br />
gemeinsam lösen: Darauf basiert die Zusammenarbeit<br />
zwischen Studierenden, Lehrenden und Leitenden der<br />
<strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong>. In den verschiedensten Runden und<br />
Kommissionen sitzen Studenten mit am Tisch: Im Senat,<br />
dem höchsten Gremium der Universität, sind die<br />
Repräsentanten der Jahrgänge genauso wie Professoren<br />
und Mitarbeiter vertreten, in der Bibliotheks-Kommission<br />
bestimmen die Studierenden über anzuschaff ende<br />
Bücher mit, auch in der Mensa-Kommission gibt es<br />
Abgesandte. Über die Gerichte im „Food Court“<br />
entscheiden sie zwar nicht, aber sie schauen den Köchen<br />
zum Beispiel auf die Finger, wenn es um die Verkaufspreise<br />
16 RE.VISION 2009<br />
Immer wieder reden, Konfl ikte fr üh<br />
er kennen und sie gemeinsam lösen:<br />
Auch im Senat sitzen alle an einem Tisch<br />
geht. Und jedes Trimester gibt es eine Klausurtagung, bei<br />
der Hochschulleitung, Professoren und Studierendenvertreter<br />
sich gemeinsam außerhalb Hamburgs zurückziehen,<br />
um abseits des straff en Alltags Strategien zu besprechen<br />
und Standpunkte auszuloten. „Dort geht es um<br />
größere Th emen“, sagt Christian Süß, „zum Beispiel, wo es<br />
in Zukunft hingehen soll mit der <strong>Law</strong> <strong>School</strong>. Und auch<br />
da wird uns zugehört.“<br />
Für den stetigen Dialog ist eines unerlässlich: Jeder der<br />
Studierenden kann, wenn er will, im Besprechungsraum<br />
0.39 mit am Tisch sitzen – es fi ndet sich dort kein Zirkel<br />
von „Besserstudierenden“ zusammen, der wöchentlich<br />
geheime Absprachen trifft . Jeder, der es sich zutraut, kann<br />
sich darum bewerben, egal wie lange oder erfolgreich er<br />
studiert. Die Wahl wird online durchgeführt. Einmal im<br />
Jahr stellen sich die Kandidaten auf einer Vollversammlung<br />
persönlich vor – und zwar als Privatpersonen. Denn<br />
an der <strong>Law</strong> <strong>School</strong> gibt es keinen Wahlkampf wie an<br />
staatlichen Universitäten, die Bewerber sind an keine<br />
politische Hochschulgruppe gebunden. Es existieren zwar<br />
RCDS, Jusos, Grüne und eine Linke, doch diese Gruppierungen<br />
haben keinen Einfl uss auf den Kurs der Hochschule.<br />
Niemand verteilt in der „Coff ee Lounge“ Flugblätter<br />
mit Parolen gegen die Hochschulleitung, es gibt keinen<br />
zerstrittenen AStA. Parteipolitik ist Privatsache oder<br />
dient zum Netzwerken: Die Studierenden laden sich<br />
Redner ein, diskutieren Gesamtgesellschaft liches oder<br />
treff en sich – wie der RCDS – mit Hamburgs CDU-<br />
Bürgermeister Ole von Beust, um sich die Wissenschaft s-<br />
und Forschungspolitik der Stadt darlegen zu lassen.<br />
Die unparteiische „Studierendenvertretung“ ist dagegen<br />
das Herz der Zusammenarbeit zwischen <strong>Law</strong> <strong>School</strong> und<br />
Studenten. Sie besteht aus dem Repräsentanten jedes
„Viele unserer Probleme hier<br />
sind vergleichsweise<br />
Luxusprobleme“, meinen die<br />
Studenten<br />
Jahrgangs und seinem Stellvertreter, zwei Masterstudenten,<br />
einem Schatzmeister und einem direkt gewählten<br />
Generalsekretär – oder, wie in den vergangenen drei<br />
Jahren, einer Generalsekretärin. Diesen Titel trägt das<br />
Amt noch nicht lange. Früher hieß die Bezeichnung<br />
„Sekretärin der Studierendenvertretung“. „Darüber<br />
haben die AStA-Vorsitzenden der anderen Unis immer<br />
gelächelt“, sagt Lena Färber, „das klang, als würde ich für<br />
die Studenten am Kopierer stehen.“ Dreimal hintereinander<br />
wurde sie inzwischen gewählt – auch, weil sich keine<br />
Gegenkandidaten fanden. „Auf denjenigen, der die<br />
Aufgabe übernimmt, wartet eine Menge Arbeit“, sagt sie.<br />
Allein jeden Montag müssen die Treff en mit der Hochschule<br />
vorbereitet werden – ein Abend, den andere<br />
Studierende frei haben oder zum Lernen nutzen können.<br />
Andererseits bringt das Engagement auch etwas für den<br />
späteren Beruf: „Ich habe gelernt, Standpunkte öff entlich<br />
zu vertreten und diplomatisch zu agieren“, sagt Lena<br />
Färber, „außerdem werden Kompetenzen abgefragt, die<br />
mir später von Nutzen sein können: Leadership zum<br />
Beispiel, Teamplay oder Beharrlichkeit.“ Jeder Amtsinhaber<br />
hat seine Gründe, sich neben dem Studium zu<br />
engagieren: weil er ein Faible für Organisatorisches hat,<br />
weil es gut aussieht im Lebenslauf, oder weil „es wichtig<br />
ist, Dinge zu hinterfragen und Interessen zu vertreten“,<br />
wie Christian Süß seine Motivation beschreibt.<br />
Die Dienstagstreff en selbst sind einst auf Initiative der<br />
Studenten entstanden. „Heute sind die regelmäßigen<br />
Zusammenkünft e eine Quelle vieler Weiterentwicklungen<br />
an der <strong>Law</strong> <strong>School</strong>“, sagt Geschäft sführer Wenzler.<br />
„Es ist ein befruchtendes Wechselspiel: Manchmal<br />
erscheint mir etwas unwichtig, bis die Studenten mich<br />
darauf aufmerksam machen – und umgekehrt.“ Das Gute<br />
an den Treff en sei, meint auch Prokurist Landgrebe, „dass<br />
vieles so früh auf den Tisch kommt, dass es nicht hoch<br />
kocht.“<br />
Viele Konfl ikte werden sogar noch früher entschärft , und<br />
zwar im Büro von Professorin Anne Röthel. Sie ist<br />
Vertrauensdozentin – ein Amt, dass auf Anregung<br />
ehemaliger Studierender geschaff en wurde, des Alumni-<br />
Vereins. Bei Dissonanzen zwischen Studierenden und<br />
Professoren hört sie sich beide Seiten an. „Ich verstehe<br />
mich als diplomatischen Puff er, bevor es knallt“, sagt sie,<br />
„denn meistens handelt es sich lediglich um Missverständnisse,<br />
bei denen nur ein unvoreingenommener Zuhörer<br />
vonnöten ist.“ Manchmal müssten die Studierenden auch<br />
einsehen, „dass es eine Grenze gibt zwischen mitgestalten<br />
wollen und mitgestalten dürfen“, meint Röthel. Aber auch<br />
dank ihrer Arbeit befi nde sich die Hochschule in einem<br />
ständigen Reformprozess. „Wir haben Studierende, die<br />
von sich aus sehr engagiert sind“, sagt die Vertrauensdozentin<br />
– „und gerade deswegen haben wir sie unter den<br />
Studienbewerbern ausgewählt.“<br />
Wer am Konferenztisch in Raum 0.39 seine Ansichten<br />
vorzutragen und durchzusetzen vermag, der lernt eben<br />
nicht nur für seine berufl iche Zukunft – und das sei ganz<br />
im Sinne der Hochschule, heißt es in deren Eigendarstellung:<br />
Die <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong> wolle „hervorragend<br />
ausgebildete Persönlichkeiten hervorbringen, die ihre<br />
Fähigkeiten in den Dienst der Gesellschaft stellen und<br />
Verantwortung für andere übernehmen“. Generalsekretärin<br />
Färber bestätigt das: „Es wird hier sehr wohlwollend<br />
betrachtet, wenn jemand über den Tellerrand des Jura-<br />
Studiums hinausblickt“ – das heißt: wenn man sich neben<br />
dem strikten Stundenplan Zeit nimmt für etwas anderes<br />
als Jura. Schließlich geht es an der Hochschule zunächst<br />
vor allem um den Stoff .<br />
Doch die <strong>Law</strong> <strong>School</strong> will keine seelenlose Juristenmaschine<br />
sein. Sie versteht sich als „universitas“, als<br />
„intellektuelle Gemeinschaft zwischen Lehrenden und<br />
Lernenden“. Aus gemeinsamer Anstrengung soll in den<br />
ehemaligen Gebäuden der Hamburger Botanischen<br />
Institute etwas wachsen. Die Hochschule erwartet nicht<br />
nur von ihren Studenten ein „überdurchschnittliches<br />
Maß an Leistungsbereitschaft “; jeder, der hier manchmal<br />
bis tief in die Nacht über Gesetzestexten brütet, soll auch<br />
jederzeit fachliche Unterstützung fi nden. „Die Lehrenden<br />
engagieren sich sehr“, sagt Studentin Lara Friederichs.<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZIN 17
Die 24-Jährige erlebt ihre Hochschule als „serviceorientiert“<br />
– ein Wort, das Geschäft sführer Wenzler jedoch<br />
kritisch sieht: „Wir wollen vermeiden, dass an der <strong>Law</strong><br />
<strong>School</strong> eine Konsumenten- oder Dienstleistungsmentalität<br />
um sich greift “, sagt er. „Jeder, der hier studiert, hat das<br />
Recht darauf, dass sich alle bestmöglich um ihn kümmern.<br />
Aber alleine aus dem Grund, dass er hier ist – nicht<br />
weil er Studiengebühren zahlt.“<br />
Und doch macht es einen Unterschied, dass die <strong>Law</strong><br />
<strong>School</strong> keine anonyme Massenuniversität, sondern privat<br />
organisiert ist. „Wir raufen uns hier sicher genauso viel mit<br />
der Hochschulleitung wie die Studierenden staatlicher<br />
Universitäten“, sagt Lena Färber, „aber wenn es bei denen<br />
darum geht, dass der Verkehrsverbund die Tickets<br />
verteuert, betrifft uns das nicht – das ist bei uns von den<br />
Studiengebühren abgedeckt.“ Überhaupt, fügt sie hinzu,<br />
„viele unserer Probleme hier sind Luxusprobleme“: Die<br />
Nutzer der hauseigenen Kindertagesstätte parken auf dem<br />
Campus; das Tor zum benachbarten Park „Planten un<br />
Blomen“ soll nach Meinung der Studenten länger geöff net<br />
sein. „In solchen Fällen können wir meist auf kurzem<br />
18 RE.VISION 2009<br />
Wer seine Ansichten vortragen und<br />
durchsetzen kann, lernt nicht nur<br />
für den späteren Beruf<br />
Wege etwas regeln“, sagt Lena Färber. Natürlich kommen<br />
Studierende und Hochschulleitung auch mal nicht auf<br />
einen Nenner. „Dann müssen wir aushalten, wenn einer<br />
auf Granit beißt“, sagt Geschäft sführer Wenzler. „Aber<br />
das Wichtigste ist, dass wir den Dialog in Gang halten,<br />
dass wir uns immer wieder begegnen und dass der eine den<br />
anderen braucht.“ Und auch Generalsekretärin Färber<br />
fi ndet ihre Aufgabe meistens „befriedigend, weil wir sehr<br />
viel erreichen und bewegen können“. Das Amt mache ihr<br />
großen Spaß – „manchmal sogar mehr als Jura“, sagt sie<br />
und lacht.<br />
An diesem Mittwochnachmittag ist Vollversammlung im<br />
Auditorium, jedes Trimester fi ndet dort eine „VV“ statt.<br />
Die Veranstaltung ist durchschnittlich besucht, viele sind<br />
in der Bibliothek, um für die anstehenden Klausuren zu<br />
lernen. Heute stimmen die Studierenden über ihren Etat<br />
ab, über den sie frei verfügen können – mehr als 20 000<br />
Euro pro Jahr. Es werden Anträge gestellt, es wird darüber<br />
abgestimmt, Vorschläge angenommen oder abgelehnt. Es<br />
geht um Zuschüsse für eine Sportgruppe und um ein<br />
Notfall-Notebook für die Studierenden, falls drei Tage<br />
vor Abgabetermin der eigene Rechner zusammenbrechen<br />
sollte. Für viele hier ist es die erste Vollversammlung, der<br />
neue Jahrgang ist gerade angekommen. Christian Süß<br />
steht vorne am Pult und stellt das Konzept für die<br />
Kennenlernparty vor, die Ende der Woche steigen soll.<br />
Plötzlich wird er von Applaus unterbrochen: Geschäft sführer<br />
Hariolf Wenzler hat für die Studierenden 82<br />
Kästen Bier bei der Holsten-Brauerei locker gemacht – wie<br />
in der Dienstagssitzung besprochen. Christian Süß grinst,<br />
Lena Färber lehnt sich entspannt zurück.
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DAS JAHR BEGANN MIT EINER GROSSEN HOFFNUNG: 5 500 HAMBURGER STANDEN<br />
AM 13. FEBRUAR 2009 AUF DEM CAMPUS DER BUCERIUS LAW SCHOOL SCHLANGE,<br />
UM DEM AN LEUKÄMIE ERKRANKTEN BABY HELENE ZU HELFEN. IM SCHNEE -<br />
TREIBEN WARTETEN SIE STUNDENLANG, UM SICH FÜR DIE DEUTSCHE KNOCHEN-<br />
MARKSPENDERDATEI (DKMS) REGISTRIEREN UND BLUT ABNEHMEN ZU LASSEN.<br />
AM ENDE BLEIBT HILFLOSE TRAUER: HELENE STARB AM 7. SEPTEMBER.<br />
NICHT MÜDE WERDEN<br />
DER CAMPUS ZEIGT SICH NACHDENKLICH<br />
20 RE.VISION 2009
Text: Alexandra Werdes. Foto: Thies Ibold.<br />
Helene war wenige Wochen alt, als die Ärzte einen<br />
aggressiven Blutkrebs bei ihr feststellten. Sie brauchte<br />
dringend eine Knochenmarktransplantation, doch in der<br />
Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) gab es<br />
keinen passenden Spender. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete<br />
Helenes Mutter als Juniorprofessorin an der <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong><br />
<strong>School</strong>, und auch ihr Onkel, Jan-Philip Wilde, promovierte<br />
dort. Als er seinen Freunden aus demselben <strong>Law</strong>-<br />
<strong>School</strong>-Jahrgang von der Not seiner kleinen Nichte<br />
erzählte, ließen sie alle ihre Promotionsarbeiten liegen.<br />
Stattdessen bereiteten Sebastian Fontaine, Nikolaus<br />
Föbus, Elisabeth Kreuzer, Philip Liebenow und Neele<br />
Christiansen zusammen mit Wilde zwei Monate lang eine<br />
der bislang größten Typisierungsaktionen für die DKMS<br />
vor: Mithilfe des <strong>Law</strong>-<strong>School</strong>-Netzwerkes fanden sie nicht<br />
nur Unterstützung von Sponsoren und Hamburger<br />
Medien, sondern warben auch 120 Blutabnehmer und 150<br />
freiwillige Helfer an. „Als ich dann morgens aus dem<br />
Fenster sah, hätte ich heulen können“, erzählt Nikolaus<br />
Föbus. Wenn es regne, würden erfahrungsgemäß nur halb<br />
so viele kommen, hatten die DKMS-Leute gesagt. Am 13.<br />
Februar stürmte und schneite es in Hamburg.<br />
Was dann passierte, fällt selbst jenen schwer zu beschreiben,<br />
die die Abläufe vorher bis ins Detail durchgespielt<br />
hatten: Nach kurzer Zeit standen die Wartenden bis auf<br />
die Straße, doch niemand drehte um; alle stellten sich zwei<br />
Stunden an, selbst als es schon dunkel wurde. „Als wir mit<br />
dem Registrieren nicht mehr nachkamen“, erinnert sich<br />
Philip Liebenow, „sind viele, die ihre Blutprobe abgegeben<br />
hatten, einfach dageblieben, um zu helfen.“ Und tatsächlich<br />
wurde zunächst das Unwahrscheinliche wahr: Helene<br />
fand einen Spender. Doch die Folgen der Behandlung<br />
schwächten die Abwehrkräft e des Babys: Helene bekam<br />
eine Lungenentzündung, die sie nicht überlebte. Sie wurde<br />
zehn Monate alt.<br />
Es war nicht die einzige traurige Nachricht, die die<br />
<strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong> in diesem Jahr erreichte.<br />
In dem Air-France-Flugzeug, das am 1. Juni über dem<br />
Atlantik abstürzte, kamen auch zwei Alumni des<br />
<strong>Bucerius</strong>/WHU-Masterprogramms ums Leben: Júlia<br />
Chaves de Miranda Schmidt und Alexander Crolow,<br />
beide 27 Jahre alt. Die Brasilianerin und ihr deutscher<br />
Freund hatten gemeinsam eine Hochzeit besucht und sich<br />
auf dieser Reise verlobt.<br />
Nur zwei Monate später erschütterte ein weiterer<br />
Trauerfall: <strong>Law</strong>-<strong>School</strong>-Absolventin Eva-Lotta Rohde<br />
verunglückte kurz nach dem Examen bei einem Ausfl ug<br />
mit dem Motorrad. Die 25-Jährige wollte im November<br />
als wissenschaft liche Mitarbeiterin bei Professor Karsten<br />
Th orn anfangen und genoss gerade ihre freie Zeit.<br />
„Das ist so eine Ungerechtigkeit.“ Justus Linz spricht aus,<br />
was viele <strong>Law</strong>-<strong>School</strong>-Studenten in diesem Moment<br />
dachten. „Man ist hier an der Uni, lernt die ganze Zeit, um<br />
ins Leben entlassen zu werden – und dann wird das so<br />
gekappt.“<br />
Hilfl osigkeit und Wut – darüber, dass Leben nicht zu<br />
Ende gelebt werden durft en: Dieses Gefühl teilen alle.<br />
Hinzu kommen Gedanken, die von der eigenen Lebenssituation<br />
abhängen. „Ich kannte bisher niemanden, der in<br />
jungen Jahren gestorben ist“, sagt Daniel Wernicke. Der<br />
23-Jährige ist zur Trauerfeier für Eva-Lotta Rohde<br />
gegangen – eine spontane und improvisierte Andacht in<br />
der Rotunde. Dass dafür auch die Vorlesungen unterbrochen<br />
wurden, hatte „was Schönes“, meint er: „Weil man<br />
denken konnte, die Uni würde das für einen selbst auch so<br />
tun – einmal die Zeit anhalten.“<br />
Sich plötzlich bewusst werden, dass es einen selbst hätte<br />
treff en können… Im Moment des Innehaltens tauchen<br />
Fragen auf, Fragen an das eigene Leben. Daniel Wernicke<br />
sitzt mit Ingmar Krohm im Arbeitsraum ganz hinten in<br />
der Bibliothek. Die beiden lernen für ihr Examen, zurzeit<br />
gibt es nichts anderes für sie. Sein Vater, erzählt Ingmar<br />
Krohm, habe gesagt, er solle nicht vergessen, jetzt zu leben,<br />
nicht immer alles nur für die Zukunft tun. „Aber man<br />
wischt das wieder weg“, sagt der 24-Jährige.<br />
Was könnte man auch anderes tun als weitermachen?<br />
„Gerade weil das Leben so schnell vorbei sein kann, sollte<br />
man schauen, dass man das Beste daraus macht“, sagt<br />
Franca Biallas, und damit meint die 19-Jährige ihr<br />
Studium an der <strong>Law</strong> <strong>School</strong>. „Ich habe gerade im Praktikum<br />
wieder gemerkt, wie sehr mir das alles Spaß macht –<br />
ich könnte mir nichts vorstellen, womit ich lieber meine<br />
Zeit verbringen würde.“<br />
Sich die Zeit nehmen, um das Richtige zu tun: Das haben<br />
auch Jan-Philip Wilde, seine Freunde und alle Helfer bei<br />
der DKMS-Aktion für Helene getan. Vielen an der <strong>Law</strong><br />
<strong>School</strong> geht es jetzt noch so wie Ingmar Krohm: Der<br />
Flugzeugabsturz, sagt der Student, mache ihm Angst.<br />
„Mit Helene, das war anders. Da hat man um das Leben<br />
gekämpft . Und da hat man immer noch den Eindruck,<br />
dass man helfen kann.“ Die Knochenmarkspenderdatei<br />
wurde durch die bundesweiten Aktionen für Helene um<br />
mehr als 20 000 Einträge bereichert.<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZIN 21
22 RE.VISION 2009<br />
Liebe Claire,<br />
im September habe ich, zusammen mit 112 Kommilitonen, das Jurastudium an der <strong>Law</strong><br />
<strong>School</strong> begonnen. Ich fühle mich wohl, ich habe das Gefühl, es passt zusammen. Und doch<br />
frage ich mich, woran ich merke, ob Jura das richtige Fach für mich ist. Was muss ich sonst<br />
noch alles wissen, was nicht in den Gesetzen zu fi nden sein wird? Reicht mein Faible für die<br />
deutsche Sprache, für das Interpretieren und Analysieren, wie ich es im Deutsch-Leistungskurs<br />
gerne gemacht habe?<br />
Du merkst, meine Erwartungen sind gemischt: Da ist Vorfreude auf die neuen Herausforderungen,<br />
auf das für mich immer noch relativ unbekannte Terrain der Rechtswissenschaft en.<br />
Aber ich wünsche mir auch sehr, dass ich meine Interessen neben dem Studium an der BLS<br />
weiterverfolgen kann. Ich möchte auch noch ein Leben zum Studium haben und nicht nur ein<br />
Studium zum Leben...<br />
Einer meiner Lebenswünsche ist es, noch viele Gesellschaft en intensiv kennenzulernen –<br />
nicht nur als Touristin, sondern um wirklich vertraut mit dem Fremden zu werden. Nach<br />
meinem Abitur bin ich für ein Jahr nach China gegangen, in die noch sehr ländliche, dafür<br />
aber umso hinreißendere Provinz Yunnan im Südwesten dieses riesigen Landes. Ich habe neun<br />
Monate in einem Dorf in den Bergen gelebt und Englisch unterrichtet. Wir Lehrer haben<br />
direkt neben den Klassenräumen gewohnt.<br />
Durch diesen engen Kontakt mit den Menschen ist das abstrakte Bild, das ich von China<br />
hatte, für mich lebendig geworden. Im alltäglichen Umgang auch mit kleinen Dingen konnte<br />
ich ihre Werte und Maßstäbe erkennen. Ich würde gerne an der <strong>Law</strong> <strong>School</strong> mein Chinesisch<br />
noch verbessern und hoff e, dass das Auslandstrimester Chancen bietet, solche kulturellen<br />
Kompetenzen weiter zu trainieren. Oder werden wir zu sehr mit Lernen beschäft igt sein? Wie<br />
hast Du den Auslandsaufenthalt erlebt?<br />
Manchmal habe ich Angst, dass ich mit dem Jurastudium vielleicht einen Teil meiner<br />
Persönlichkeit unterdrücke. Ich habe immer gerne geschrieben und gemalt, etwas Freies,<br />
Kreatives gemacht. Andererseits habe ich Jura gerade gewählt, weil es so viele Möglichkeiten<br />
off enhält. Ich denke, ich stehe nicht alleine, wenn ich mich noch nicht entschieden habe, ob<br />
ich Anwältin, Richterin oder doch lieber Managerin werden möchte. Oder hast Du Deine<br />
Wunsch-Karriere schon am Anfang vor Augen gehabt? Wo liegen die wichtigen Weggabelungen<br />
in unserer Ausbildung?<br />
Als ich im Juli meine Zusage bekommen habe, war mir klar, dass das kein Spaziergang wird<br />
wie durch die Schule. Aber ich bin damit ja nicht allein. Schon beim Auswahlverfahren habe<br />
ich tolle Leute kennengelernt. Ich bin gespannt, was entstehen kann, wenn 113 ehrgeizige,<br />
hoch motivierte und einigermaßen clevere Menschen gemeinsam diesen sicher auch mal<br />
steinigen Weg begehen.<br />
Mir fallen dazu die Worte eines großen Juristen ein: „Kein festeres Band der Freundschaft als<br />
gemeinsame Pläne und gleiche Wünsche.“ Das hat Cicero gesagt. Was meinst Du?<br />
Annelie Siemsen, 21, ist<br />
gerade aus Eckernförde<br />
nach Hamburg gezogen,<br />
um an der <strong>Law</strong> <strong>School</strong> zu<br />
studieren. Sie beschreibt<br />
ihre Erwartungen und<br />
Sorgen.<br />
GIPFELTREFFEN<br />
FRAGEN EINER STUDENTIN IM ERSTEN TRIMESTER
Liebe Annelie,<br />
als ich an der <strong>Law</strong> <strong>School</strong> anfi ng, habe ich mir ganz ähnliche Fragen gestellt wie Du.<br />
Nach fünf Jahren Höhen und Tiefen weiß ich, dass es für mich die richtige Entscheidung war,<br />
Jura an dieser Hochschule zu studieren.<br />
Das Schwierigste war es wohl, mit dem Gefühl leben zu lernen, niemals all das wissen zu können,<br />
was man wissen zu müssen meint. Und sich nicht unterkriegen zu lassen und die Freude<br />
am Fach nicht zu verlieren, wenn man nur gelernt hat, und sich am Ende vielleicht nicht der<br />
erhofft e Erfolg zeigt.<br />
Du hast recht: Gemeinsame Pläne und Ziele bringen einen zusammen, was ich besonders<br />
intensiv während der Hausarbeiten und der Seminararbeiten erlebt habe. Ich habe es so<br />
empfunden, dass wir in diesen anstrengenden Wochen alle an einem Strang gezogen haben<br />
– selbst wenn man sonst nicht immer einer Meinung war! Ich habe an der <strong>Law</strong> <strong>School</strong> viele<br />
interessante Menschen kennengelernt und einige wirklich gute Freunde gewonnen.<br />
Natürlich beneidet man oft die Studenten an der staatlichen Universität um ihre langen<br />
Semesterferien. Aber mir ist es durch die verschulte Struktur an der <strong>Law</strong> <strong>School</strong> leichter gefallen,<br />
mich in der Fülle an Stoff nicht zu verlieren. Auch dass man vier Jahre lang mit denselben<br />
hundert Leuten „in einem Boot sitzt“ und Professoren, Assistenten und wissenschaft liche<br />
Mitarbeiter sich wirklich bemühen, einen auf dem Weg zum Examen zu unterstützen, ist in<br />
meinen Augen ein großer Vorteil. Und keine Sorge: Es bleibt noch genug Zeit für das Leben<br />
neben dem Studium – wenn man sie sich nehmen möchte!<br />
Trotzdem habe ich mich nach zwei Jahren, als die Hälft e bis zum Examen geschafft war, sehr<br />
auf das „Bergfest“ Auslandstrimester gefreut. Ich habe mich ganz spontan entschieden, nach<br />
Indien zu gehen, und genau wie Du es von China beschreibst, war diese Zeit für mich unglaublich<br />
faszinierend und schön!<br />
Wie man sich Studium und Freizeit im Ausland einteilt, ist jedem selbst überlassen. Die<br />
Minimalanforderung ist, einen Kurs zu bestehen. Ich habe mich bewusst dafür entschieden,<br />
den Schwerpunkt mehr auf freie Zeit zu legen, weil ich zusammen mit indischen Freunden<br />
unterwegs sein wollte. Trotzdem war auch die Studienzeit interessant: Ich habe hauptsächlich<br />
Kurse belegt, in denen es um Völkerrecht ging. Daran hat mir besonders gefallen, einmal die<br />
Perspektive eines „nicht westlichen“ Landes kennenzulernen.<br />
Ich fi nde, es gibt in unserer Ausbildung nicht die eine entscheidende Weichenstellung. Man<br />
hat fünf Jahre Zeit, im Rahmen der Praktika, des Schwerpunktstudiums oder eventuell eines<br />
Nebenjobs langsam herauszufi nden, welche Art von Arbeit und welche Rechtsgebiete einen<br />
interessieren. Ich bin immer noch nicht ganz sicher, welchen Beruf ich später ergreifen will,<br />
und bin deshalb gespannt, welche neuen Erfahrungen ich im Referendariat machen werde!<br />
Wie Du siehst, liegt eine anstrengende, aber auch aufregende Zeit vor Dir! Ich wünsche Dir<br />
alles Gute und viel Erfolg!<br />
IM JURAGEBIRGE<br />
UND ANTWORTEN EINER ABSOLVENTIN<br />
Claire Proebstle, 24, hat<br />
gerade ihr Erstes Staatsexamen<br />
gemacht. In ihrer<br />
Antwort auf Annelies Brief<br />
erzählt sie, wie sie die<br />
vier Jahre Jura-Studium<br />
erlebt hat.<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZIN 23
Mit dem „<strong>Bucerius</strong> Alumni Preis für<br />
hervorragende Lehre“ – wegen des Pokals<br />
auch „Röhrender Hirsch“ genannt – würdigt<br />
der Alumni-Verein herausragende Leistungen<br />
und außergewöhnliches Engagement<br />
von Lehrenden an der <strong>Law</strong> <strong>School</strong> – von<br />
Professoren, aber auch von wissenschaftlichen<br />
Assistenten. 2009 wurde die künftig<br />
jährliche Auszeichnung zum ersten Mal<br />
verliehen. Über die Vergabe entscheidet<br />
eine fünfköpfige Jury, in der drei Mitglieder<br />
von <strong>Bucerius</strong> Alumni e.V. sowie zwei Studierendenvertreter<br />
sitzen. Die wichtigsten<br />
Kriterien für die Vergabe sind die Qualität<br />
der Lehrveranstaltungen sowie der<br />
begleitenden Lehrmaterialien und die<br />
Einsatzbereitschaft der Lehrenden.<br />
Florian Faust ist seit sieben Jahren<br />
Professor für Bürgerliches Recht, Handels-<br />
und Wirtschaftsrecht und Rechtsvergleichung<br />
an der <strong>Law</strong> <strong>School</strong>. Die Jury hob<br />
seine Bereitschaft hervor, Fragen „tatsächlich<br />
jederzeit geduldig zu beantworten“<br />
sowie Kritik von Studierenden anzunehmen<br />
und in seine Lehre einfließen zu lassen.<br />
Darüber hinaus führte sie seine „auf sehr<br />
hohem Niveau verständlichen“ Vorlesungen<br />
und Skripte an. Auch Fausts Lehrbuch zum<br />
Allgemeinen Teil des BGB trug wegen<br />
seiner „Kürze und hoher Durchdringung des<br />
Stoffes“ zur Zuerkennung des Preises an<br />
ihn bei. Das Votum für Faust war einstimmig.<br />
GEKOMMEN,<br />
UM ZU BLEIBEN<br />
24 BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZINE 2009<br />
24 RE.VISION 2009<br />
Florian Faust hätte auch einem Ruf in seine Heimatstadt<br />
Regensburg folgen können. Statt dessen richtet sich der<br />
Bayer nun dauerhaft in Hamburg ein.<br />
DER ERSTE PREISTRÄGER DES RÖHRENDEN HIRSCHEN
Text: Olaf Tarmas. Foto: Odile Hain.<br />
WAS FÜR EIN NAME – Doktor Faust! So einer, könnte man<br />
meinen, ist eine Grüblernatur. Doch wer Florian Faust<br />
gegenübersitzt, merkt schnell, dass der 45-Jährige mit der<br />
Goethe’schen Gelehrtengestalt nur wenig gemein hat.<br />
„Jura ist nichts für Leute, die sich gerne in einen Elfenbeinturm<br />
zurückziehen“, lautet das Credo des Professors.<br />
„Man muss wissen wollen, wie es draußen, im ‚wahren<br />
Leben’ zugeht.“<br />
Schon als Student ließ Faust die Möglichkeit ziehen, in<br />
Harvard oder Yale einen Master zu machen, weil ihm die<br />
Elite-Unis „zu abgehoben“ erschienen. Lieber schrieb er<br />
sich an der bodenständigen University of Michigan in<br />
Ann Arbor ein. Die Studienzeit in den USA war für ihn<br />
ein „fachliches Ur-Erlebnis“, von dem er bis heute zehrt:<br />
„Die fallorientierte Herangehensweise, die bei der<br />
Entscheidungsfi ndung auch viele außerjuristische<br />
Faktoren berücksichtigt, habe ich als intellektuell äußerst<br />
stimulierend empfunden. Gleichzeitig habe ich aber das<br />
systematische, deduktive Vorgehen deutscher Juristen erst<br />
so richtig schätzen gelernt.“<br />
Der Schlüsselbegriff dafür, wie Faust Jura betreibt, lautet:<br />
„Diskussion“. Leidenschaft lich setzt er sich mit Kollegen<br />
und Studenten über Fälle, Gesetze, Gerichtsurteile<br />
auseinander – „durchaus hitzig, man steigert sich ja hinein,<br />
wenn es Spaß bringt.“ Von einer Juristerei, die sich hinter<br />
Regelwerken verschanzt, hält er dagegen nichts: „Es gibt<br />
Studierende, die wollen Patentrezepte, mit denen sie die<br />
Fälle in der Klausur schnell ‚totmachen’, erledigen können.<br />
Das gibt es bei mir nicht“, sagt der Professor. „Mein<br />
Alptraum wäre es, hier lauter kleine Fausts heranzuzüchten.“<br />
Er wünsche sich, dass seine Studenten zu jedem Fall<br />
eine eigene Haltung entwickeln, nur logisch schlüssig muss<br />
sie sein.<br />
„Es ist extrem schwer, Herrn Faust zu überzeugen“, seufzt<br />
sein wissenschaft licher Assistent Volker Wiese. Für ihn ist<br />
Faust gleichwohl ein „Genius“: brillant in der Sache – und<br />
äußerst zugänglich für seine Studenten. „Ich wünschte, es<br />
würden noch mehr von der Möglichkeit zum Nachfragen<br />
Gebrauch machen“, sagt der Professor, „gerade auch<br />
diejenigen, die sich scheuen, weil sie tatsächlich Schwierigkeiten<br />
haben.“ In Fausts Büro gibt es keine Sprechzeiten,<br />
sondern eine „open-door-policy“. Und sogar von unterwegs<br />
antwortet er per Blackberry.<br />
Nach Feierabend lässt der Professor jedoch auch Jura Jura<br />
sein. „Wenn ich abschalte, dann total“, sagt Faust – und das<br />
rät er auch seinen ambitionierten Studenten: „Macht euch<br />
nicht verrückt, es gibt noch anderes im Leben als Jura.“<br />
Professor Florian Faust wurde vom Alumni-Verein für<br />
hervorragende Lehre ausgezeichnet. An der <strong>Law</strong> <strong>School</strong> gilt<br />
er als herausfordernder Gegner in juristischen Debatten –<br />
privat ist er ein Genießer<br />
Die Oper zum Beispiel. Über achtzigmal besuchte<br />
Florian Faust bereits die Hamburgische Staatsoper –<br />
viermal allein Francis Poulencs „Gespräche der Karmeliterinnen“.<br />
Die „unaufdringlich moderne Inszenierung“<br />
mit ihren gekonnten Eff ekten und ergreifend dargestellten<br />
Gewissenskonfl ikten habe ihm „so manchen Schauer<br />
über den Rücken gejagt“, schwärmt er.<br />
In der Wohnung, die er gerade in Lokstedt bezogen hat,<br />
freut Faust sich am meisten auf die neue Küche. Gut<br />
möglich, dass er dort wieder öft er sein Kochbuch zücken<br />
und Schweinelendchen mit Avocado-Schafskäse-<br />
Füllung zubereiten wird. Und das nicht für sich allein:<br />
Denn Faust wird gemeinsam mit seiner Partnerin Anja<br />
Frahm einziehen. Kennen gelernt haben sich die beiden<br />
an der <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong>, sie leitet die Abteilung für<br />
studentische Angelegenheiten, zwei Stockwerke unter<br />
ihm. Gefunkt hat es, als Faust sich ein Herz nahm und<br />
sie einlud, mit ihm ein Benjamin-Britten-Konzert in der<br />
Staatsoper zu besuchen. Für den 10. Dezember, den<br />
zweiten Jahrestag des Konzerts, ist nun die standesamtliche<br />
Trauung angesetzt – allerdings nicht in Hamburg,<br />
sondern in Regensburg.<br />
In Regensburg wurde Florian Faust geboren, dort hat er<br />
Abitur gemacht und die ersten Semester Jura studiert.<br />
Heute noch reist er häufi g dorthin, um seinen Vater zu<br />
sehen. Oder um „heikle Entscheidungen“ zu treff en, wie<br />
seine Mitarbeiter wissen: sich eine neue Brille zulegen<br />
etwa, oder zum Haareschneiden. Schließlich – wer hat<br />
schon den gleichen Friseur wie der Papst? Mit Joseph<br />
Ratzinger und dessen Regensburger Zeit verbindet ihn<br />
aber noch mehr: Fünf Jahre lang war er Messdiener beim<br />
damaligen Kardinal. Als „freundlich, aber sehr zurückhaltend“<br />
hat der junge Faust ihn wahrgenommen – und<br />
als „brillanten Rhetoriker“. Letzteres eine Eigenschaft ,<br />
die auf den späteren Professor abgefärbt haben mag –<br />
und für die ihn seine Studenten heute besonders<br />
schätzen.<br />
Faust wiederum legt Wert auf den guten Kontakt zu<br />
Studierenden, Mitarbeitern und zur Hochschulleitung –<br />
weshalb der Bayer 2007 sogar der Versuchung widerstand,<br />
einem Ruf an die Universität seiner geliebten<br />
Vaterstadt Regensburg zu folgen. Damals texteten die<br />
<strong>Law</strong>-<strong>School</strong>-Studenten: „Wir freuen uns ’nen Keks,<br />
wenn Sie bleiben!“, und schenkten ihrem Lieblingsprof<br />
selbst gebackene Butterkekse. Faust hat nicht alle<br />
gegessen, sondern bewahrt einige bis heute in seinem<br />
Büroschrank auf.<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZIN 25
MARCUS LERCH (24) WAR IN NEW YORK<br />
„Ich war dabei, als Arbeiter das riesige Firmenschild<br />
der Lehmann Brothers abgeschraubt haben.<br />
Ehemalige Angestellte im Anzug verließen mit<br />
Pappkartons das Gebäude: Sie trugen nur noch den<br />
Inhalt ihres Büroschranks bei sich. Als wir abends<br />
unterwegs waren, hielt einmal eine Limousine<br />
neben uns. Der Chauff eur fragte, ob er uns<br />
mitnehmen könnte. Das war ein entlassener Fahrer,<br />
der mit Taxifahrten Geld verdienen wollte. Wie die<br />
Finanzkrise in den Alltag einbricht, habe ich erst in<br />
New York gespürt.“<br />
Protokolle: Jenny Niederstadt. Illustration: Erika Vareschka.<br />
26 RE.VISION 2009<br />
EMILY HABERSHON (21) CAME FROM BRISBANE<br />
„I can still remember my arrival in Hamburg. Aft er<br />
a horrible 20-hour-fl ight I drove to my apartment<br />
in Winterhude and I was simply surprised while<br />
looking out of the window: Before my stay I<br />
thought Germany was somewhat of a cold, harsh<br />
country. But instead my fi rst and strongest<br />
impression of Hamburg was how beautiful the city<br />
was, I loved the buildings and the gardens around<br />
my apartment in Winterhude. And I made so many<br />
good friends who I am still in contact with. I simply<br />
loved everything and could see myself living there.“<br />
NUR WER SICH INS UNBEKANNTE WAGT, KANN<br />
SEINE VORSTELLUNG VON DER WELT ÜBERPRÜFEN:<br />
JEDES HERBSTTRIMESTER REIST EIN LAW-SCHOOL-<br />
JAHRGANG ZUM STUDIUM INS AUSLAND, GLEICH-<br />
ZEITIG SIND MEHR ALS HUNDERT AUSLÄNDISCHE<br />
STUDENTEN AUF DEM HAMBURGER CAMPUS ZU<br />
GAST. JE DREI VON IHNEN ERZÄHLEN, WAS SIE<br />
BEEINDRUCKT ODER VERWUNDERT HAT<br />
DIE WELT IST EINE<br />
SCHEIBE<br />
ABENTEUER AUSLANDSTRIMESTER
JIAOJIAO PENG (22) CAME FROM SHANGHAI<br />
„In Germany, friends talk about politics. It seems to<br />
be a normal topic for Germans, and many of them do<br />
like paying attention to how the government is<br />
running. For example, my host had many meetings<br />
with his party members. He would also tell me<br />
something about German politics when we were<br />
chatting. People’s attitude towards politics is totally<br />
diff erent in China. Most of us do not care at all how<br />
the government is running. It is not a hot issue for<br />
family get-togethers or friends’ parties. We do not<br />
have the passion for politics generally speaking. But<br />
we would also make jokes on it.“<br />
OREN HOGERY (26) CAME FROM TEL AVIV<br />
„I kind of knew it beforehand, but I didn’t know<br />
that it was to this extent: the fact that German<br />
people like to schedule everything in advance,<br />
even just a friendly gathering. All my German<br />
friends needed to know in advance – even a week<br />
before! – when we will meet and what we will do.<br />
In Israel we never schedule unless it’s business, so<br />
it took me some time to get used to it.“<br />
FRIEDERIKE DUSCHA (22) WAR IN BANGALORE<br />
„Ich wollte auf keinen Fall in ein Industrieland und dachte,<br />
das wäre ein Abenteuer. Aber als ich angekommen war,<br />
fühlte ich mich furchtbar. Ich war anderthalb Monate lang<br />
krank, habe das Essen nicht vertragen und zehn Kilo<br />
abgenommen. Mein Zimmer war winzig, die Uni chaotisch,<br />
die Stadt laut. Vor allem aber hat mich das Elend überfordert.<br />
Die Bettler auf den Straßen, kleine Kinder, die schon<br />
hart arbeiten müssen, Mädchen, die zur Prostitution<br />
gezwungen werden. Doch kaum war ich wieder zu Hause,<br />
habe ich Indien vermisst. Die Inder sind so off en und<br />
freundlich, dass man sich wirklich willkommen fühlt.“<br />
INGA RUCK (21) WAR IN ISTANBUL<br />
„Anfangs hat mich das türkische Nachtleben verwirrt.<br />
Anders als bei uns gibt es nur ganz wenige Kellerclubs. Wer<br />
in Istanbul ausgeht, steigt die Treppen rauf. Denn die<br />
meisten Clubs liegen in den oberen Stockwerken. Das<br />
wirkte auf mich anfangs irgendwie uncool. Aber dann war<br />
ich sehr schnell begeistert, weil viele Läden dadurch einen<br />
Dachgarten haben. Da habe ich meine Freunde getroff en,<br />
gefeiert und konnte nebenbei über die Stadt schauen.<br />
Wunderschön!“<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZIN 27
Jenseits der klassischen<br />
Juristen-Karriere ist<br />
<strong>Law</strong>-<strong>School</strong>-Absolvent<br />
Max Fischer als Unternehmer<br />
erfolgreich – mit einem<br />
Internetportal für Vereine<br />
Text: Thomas Röbke. Foto: Odile Hain.<br />
28 RE.VISION 2009<br />
ES GIBT SIE NOCH, die erfolgreichen Internet-Start-ups mit<br />
einer Handvoll kreativer junger Menschen, die eine<br />
Hinterhofetage bevölkern. In diesem Fall ist es ein<br />
renovierter Altbau mit Holzfußboden in einer versteckten<br />
Seitenstraße im Hamburger Stadtteil St. Georg – zu<br />
einem der »365 Orte 2009« gewählt von der Initiative<br />
»Deutschland – Land der Ideen«. Einer der Geschäft sführer<br />
ist Max Fischer, 28, groß gewachsen, praktische<br />
Kurzhaarfrisur, sportlich: Er hat mal geboxt und Tennis<br />
gespielt. Schon während seines Studiums an der <strong>Bucerius</strong><br />
<strong>Law</strong> <strong>School</strong> hatte er gemeinsam mit seinem alten Schul-<br />
freund und heutigen Co-Geschäft sführer Axel Kmonitzek<br />
die Idee zum Online-Portal meinverein.de: »Ich war<br />
durch den Sport immer in Vereinen aktiv. Und bekam<br />
mit, dass die größten Defi zite dort in der Kommunikation<br />
und Organisation liegen.« Von den aufk ommenden<br />
sozialen Netzwerken wie Xing oder Facebook war es nur<br />
ein kleiner Schritt zum Vereinsportal. Das Entscheidende<br />
an diesem kleinen Schritt: meinverein.de bietet nicht nur<br />
eine Plattform zur Selbstdarstellung der Vereine, sondern<br />
auch einen internen Raum für die Vernetzung untereinander.<br />
Wer zum Beispiel in eine fremde Stadt zieht, kann<br />
DER<br />
VEREINSMEIER<br />
OUTLAW: MAX FISCHER
dort Gleichgesinnte fi nden, Mitglieder können sich aber<br />
auch Spielpläne herunterladen, den alten Tennisschläger<br />
zum Verkauf anbieten oder ganze Mannschaft en mit<br />
einem Klick über veränderte Trainingszeiten informieren;<br />
selbst Vorstandswahlen lassen sich online durchführen.<br />
Ein virtuelles Vereinsheim also, in dem die Mitglieder ihre<br />
Kommunikation eff ektiver gestalten können als mit<br />
einem Schwarzen Brett – bislang machen schon mehr als<br />
10 000 Vereine davon Gebrauch.<br />
In die Selbstständigkeit wagte Max Fischer sich noch vor<br />
Ende des Studiums. Nachdem die Sparkasse nicht einmal<br />
ein Geschäft skonto gewähren wollte, geschweige denn<br />
einen Existenzgründungskredit, fand sich der erste<br />
Investor, als Fischer gerade in den Vorbereitungen zum<br />
Staatsexamen steckte. Durch Zufall: Matthias Nixdorf,<br />
Sohn des Computerpioniers Heinz Nixdorf, sah bei einem<br />
Freund den Businessplan auf dem Schreibtisch liegen. Er<br />
warf einen Blick hinein und war sofort vom Erfolg der Idee<br />
überzeugt – der erste Investor war gefunden.<br />
Der zweite Geldgeber ist ein gemeinsamer Bekannter von<br />
Nixdorf und Fischer, der als Jura-Student bei einer Agentur<br />
gejobbt hatte, die VIPs betreut. Dabei hatte Fischer öft er<br />
mit einem ehemaligen Tennisstar zu tun: Michael Stich.<br />
»Wir haben uns mit Matthias Nixdorf zusammengesetzt<br />
und überlegt, ob wir Stich mit ins Boot holen. Und der<br />
fand das tatsächlich genauso spannend wie Nixdorf.«<br />
Am Tag von Fischers mündlicher Abschlussprüfung ging<br />
die Internetseite online. Von der Idee bis zur Realisierung<br />
sei es eine Zitterpartie gewesen, erinnert er sich: »Jeden<br />
Morgen, wenn wir den Computer anschalteten, mussten<br />
wir befürchten, dass uns jemand zuvorgekommen ist.«<br />
Doch dem war nicht so. Nun ist meinverein.de bereits seit<br />
zwei Jahren auf dem Markt – und trotz des einen oder<br />
anderen Nachahmers mit Abstand der größte Anbieter<br />
dieser Art. »Natürlich kann immer noch einer kommen<br />
und uns mit einer genialen Idee überrunden. Aber aus<br />
dem Gröbsten sind wir raus.«<br />
Und hätte er sich das Jura-Studium nicht schenken<br />
können, wo er berufl ich eine ganz andere Richtung<br />
eingeschlagen hat? »Bevor man anfängt, Jura zu studieren,<br />
weiß man noch nicht, was einen erwartet. Ich habe<br />
aber relativ zügig gemerkt, dass ich nicht der klassische<br />
Jurist bin. Als Jurist ist man dabei und berät, man hilft<br />
mit, dass etwas entsteht. Aber man ist nie die treibende<br />
Kraft “, antwortet Fischer. Trotzdem hat er seine Studienwahl<br />
nicht bereut: »Ein Jura-Studium ist spannend und<br />
man lernt wirklich viel – etwa analytisch zu denken und<br />
zu argumentieren.« Sehr zugute kommt ihm sein Studium<br />
natürlich, wenn es um Vertragsangelegenheiten geht. Und<br />
Max Fischer hat noch eins draufgesetzt: Voriges Jahr ist er<br />
zurückgegangen an die <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong> und hat seinen<br />
»Master of <strong>Law</strong> and Business« gemacht. »Jetzt kann ich<br />
auch ein bisschen besser mit Zahlen umgehen, als es Juristen<br />
gemeinhin nachgesagt wird«, sagt der Jungunternehmer.<br />
Drei Mitarbeiter haben Fischer und Kmonitzek, die<br />
Programmierung besorgt eine Agentur in Österreich.<br />
Meinverein.de konnte mitten in der Wirtschaft skrise<br />
wachsen, weil das Unternehmen, anders als die meisten<br />
Internetportale, nicht allein auf Werbefi nanzierung setzt.<br />
Anzeigenbanner gibt es hier zwar auch, der Fokus liegt<br />
jedoch auf dem E-Commerce: »Es gibt 600 000 Vereine in<br />
Deutschland und die haben Bedürfnisse, brauchen Trikots,<br />
Pokale, Fahnen, Wimpel, Werbeartikel, Vereinsreisen,<br />
Speisen und Getränke… Wir wollen nach und nach alle<br />
Märkte rund ums Vereinsleben aufrollen.“ Mit einem Shop,<br />
in dem man Pokale und Medaillen bestellen kann, ist<br />
meinverein.de gerade online gegangen, als nächstes soll ein<br />
Trikot-Shop folgen. Im November bringen Fischer und<br />
Kmonitzek zusammen mit dem Verlag Heinrich Vogel auch<br />
noch ein Printmagazin heraus. Die stolze Anfangsaufl age<br />
soll 125 000 Stück betragen und an 25 000 Vereine versandt<br />
werden. Wer bereits Mitglied ist, soll damit stärker an<br />
meinverein.de gebunden, alle anderen neugierig gemacht<br />
werden. Eine weitere Einnahmequelle wird demnächst<br />
»MeinVerein plus« sein, ein umfangreicher Homepage-<br />
Baukasten.<br />
War das Jura-Studium schon stressig, so ist es das Unternehmertum<br />
nicht minder, das war schnell klar. Die Plattform<br />
will gepfl egt, neue Sponsoren und Werbekunden müssen<br />
gewonnen, der »Verein des Monats« ausgewählt werden.<br />
Sehr wichtig ist Fischer die direkte Kommunikation mit<br />
den Nutzern. Mit 20 besonders engagierten Community-<br />
Mitgliedern geht er Ende des Jahres auf Reisen, um sie und<br />
ihr Vereinsleben noch besser kennenzulernen. Und wohin<br />
soll das alles führen? »Anfangs war unsere Zielmarke<br />
einfach die Zahl der Vereine in Deutschland – natürlich<br />
sollen alle bei uns Mitglied werden. Inzwischen haben wir<br />
die erfolgreiche Bewirtschaft ung der verschiedenen<br />
Geschäft sfelder zu unseren Zielen erklärt – den E-Commerce,<br />
das Printmagazin und was wir sonst so vorhaben«,<br />
sagt der <strong>Law</strong>-<strong>School</strong>-Absolvent. Ganz neu ist nun auch<br />
noch ein Beraterjob hinzugekommen: Das Bundesfamilienministerium<br />
baut eine Internetplattform zum Th ema ziviles<br />
Engagement auf – Fischer & Co werden dabei helfen.<br />
Die Boxhandschuhe hat Max Fischer zwar<br />
an den Nagel gehängt, aber was er damals<br />
vom Vereinsleben mitbekommen hat, gab<br />
dem 28-Jährigen die Idee zum eigenen<br />
Unternehmen.<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZIN 29
Die Steigerung von Chronometer:<br />
Zeitmeister.<br />
Die zurzeit einzige deutsche Armbanduhr, die den Titel Chronometer trägt: die WEMPE<br />
ZEITMEISTER. Als Signet für die Einzigartigkeit der Kollektion ziert eine Relief gravur der<br />
Sternwarte Glashütte die Rückseite jeder Uhr. Hier müssen unsere Modelle in einem stren-<br />
gen 15-tägigen Testverfahren ihre sekundengenaue Präzision beweisen, bevor sie sich mit<br />
dem Zertifikat Chronometer schmücken dürfen. Erhältlich exklusiv bei Wempe für € 1.975.<br />
Hamburg London Paris New York wempe-zeitmeister.de
AUCH FÜR DAS KAPITAL GELTEN IN DER EUROPÄISCHEN<br />
UNION EINHEITLICHE RICHTLINIEN. EIGENTLICH. DENN<br />
WER SETZT SIE DURCH? UND WIE?<br />
DOKTORANDEN DER BUCERIUS LAW SCHOOL HABEN<br />
DIE RECHTSPRAXIS IN SECHS LÄNDERN VERGLICHEN –<br />
UND ZWAR VOR ORT<br />
Text: Axel Reimann. Illustration: Daniel Lisson.<br />
ACHTUNG<br />
EINE FORSCHUNGSREISE<br />
WILDWECHSEL<br />
DURCH DIE KAPITALMÄRKTE EUROPAS<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZIN 31
DAS KAPITAL IST EIN SCHEUES REH – und manchmal<br />
ziemlich zickig. Mal äst es bei den Deutschen, mal bei den<br />
Franzosen, dann wieder bei den Briten oder den Italienern.<br />
Daran ist in Zeiten weltumspannender Kapitalströme<br />
nichts Überraschendes mehr. Die Frage ist nur:<br />
Wie muss es sich in den einzelnen Ländern benehmen –<br />
auch angesichts der jüngsten Finanzkrise? Alle Welt redet<br />
schließlich von der Verschärfung der Spielregeln – nur<br />
kaum einer hat bisher einen Überblick, was wo gilt. Noch<br />
nicht mal im vereinten Europa. Welche Einhegungen gibt<br />
es? Und wer greift ein, wenn das liebe Tier übermütig<br />
wird?<br />
Um das herauszufi nden, sind vier Doktoranden der<br />
<strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong> zum Forschen in verschiedene Städte<br />
Europas gereist. Losgeschickt hat sie Professor Rüdiger<br />
Veil vom Institut für Unternehmens- und Kapitalmarktrecht.<br />
Das Ziel: ein Vergleich des Kapitalmarktrechts in<br />
Deutschland, Spanien, Italien, Frankreich, Großbritannien<br />
und Schweden. Und damit Antwort auf die Frage:<br />
Wie sieht der europäische Ordnungsrahmen für Märkte<br />
aus, auf denen Kapital gehandelt wird – von A wie Aktien<br />
bis Z wie Zertifi kate?<br />
In der Europäischen Union gibt es auch für das scheue<br />
Reh Kapital eigentlich die passenden Richtlinien. Sie<br />
sollen das Kapitalmarktrecht in der EU harmonisieren<br />
und heißen zum Beispiel „Richtlinie betreff end den<br />
Prospekt, der beim öff entlichen Angebot von Wertpapieren<br />
oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröff entlichen<br />
ist“ oder „Richtlinie über Insidergeschäft e und<br />
Marktmanipulation“ oder – besonders griffi g – „Richtlinie<br />
zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen<br />
in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren<br />
Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt<br />
zugelassen sind“.<br />
Aber was so einheitlich klingend aus Brüssel daherkommt,<br />
ist es nicht mehr, sobald es in nationale Gesetze<br />
übersetzt wurde. „Die Abweichungen dürft en gar nicht so<br />
groß sein“, sagt Philipp Koch, der für das Forschungsprojekt<br />
insgesamt sechs Monate in Madrid und Paris war. „Sie<br />
sind es aber doch.“<br />
Zum einen gehen die Mitgliedsstaaten teilweise über die<br />
europäischen Vorgaben hinaus: Sie regeln mal mehr, mal<br />
regeln sie strenger – „gold-plating“ nennt sich das. Zum<br />
anderen setzen sie dieses Recht mit unterschiedlichen<br />
Mitteln durch – mit Zivil- oder Strafrecht, per Verordnung<br />
oder Dialog. Hier wirken sich unterschiedliche<br />
Einfl üsse und Traditionen aus. Und die Erfahrungen, die<br />
32 RE.VISION 2009<br />
WANN MUSS SICH<br />
EIN POTENZIELLER<br />
GROSSAKTIONÄR ZU<br />
ERKENNEN GEBEN?<br />
ein Land bisher mit Aktien, Anleihen & Co. gemacht hat.<br />
Spanien zum Beispiel, ein Land mit einem eher überschaubaren<br />
Kapitalmarkt: Hier sei Kapitalmarktrecht oft noch<br />
eine „terra incognita“, so Projektleiter Rüdiger Veil, der<br />
gemeinsam mit den Doktoranden in allen untersuchten<br />
Ländern Interviews mit Anwälten, Professorenkollegen<br />
und Behördenvertretern geführt hat. „Sie merken das<br />
auch in den Gesprächen. Da sitzen Sie zwei Anwälten<br />
gegenüber und die erzählen Ihnen was vom Himmel<br />
herunter. Und dann ahnen Sie irgendwann, dass das nicht<br />
alles stimmen kann, was Sie da gerade gehört haben.“<br />
Für <strong>Law</strong>-<strong>School</strong>-Doktorand Philipp Koch bedeutete das<br />
echte Detektivarbeit – also Gesetzestexte sichten, die<br />
eigene Vorstellung davon immer wieder mit der Wirklichkeit<br />
abgleichen und das in Interviews Erfahrene in<br />
anderen Gesprächen überprüfen. Denn: „In Spanien gibt<br />
es keine Bücher zum Kapitalmarktrecht.“ Nur law in<br />
action. Und das ist auch den Fachleuten vor Ort nicht<br />
immer auf Anhieb bekannt.<br />
Dabei geht es inhaltlich nicht um juristische Spitzfi ndigkeiten<br />
oder Petitessen, sondern um die Funktionsfähigkeit<br />
eines gemeinsamen europäischen Kapitalmarkts; auf<br />
dem sollen Anleger, Finanzdienstleister und Unternehmen<br />
gleichermaßen sicher vor Übervorteilung sein – ob<br />
ein Wertpapier nun in Spanien oder in Deutschland<br />
herausgegeben wird.<br />
Konkret heißt das: Prospektrecht (Wie war das noch mit<br />
dem Hinweis auf die fehlende Einlagensicherung von<br />
Lehman-Zertifi katen?); Ad-hoc-Publizität (Wer erfährt<br />
wann davon, dass der Vorstandsvorsitzende einer<br />
börsennotierten Aktiengesellschaft zurücktritt?);<br />
Beteiligungstransparenz (Wann muss sich ein potenzieller<br />
Großaktionär outen? Erst wenn er die Aktien besitzt?<br />
Oder schon wenn er sich – siehe Schaeffl er bei Continental<br />
– mithilfe von Finanzderivaten Einfl uss verschafft ?);<br />
Insiderhandel (Wie lässt sich verhindern, dass Konzernvorstände<br />
wie im Fall EADS ihren Informationsvorsprung<br />
zum eigenen Vorteil nutzen?); Compliance in
Banken (Wie unterbindet man eigentlich, dass der<br />
Anlageberater in der Kantine ausgerechnet mit dem<br />
Kollegen plaudert, der Wertpapier-Emittenten betreut?).<br />
Und wer entscheidet überhaupt, ob etwas falsch läuft auf<br />
den nationalen Kapitalmärkten? Eine Behörde? Ein<br />
Richter? Eine Börse? Oder doch ein Selbsthilfe-Verein?<br />
Wie werden Verstöße geahndet – mit Geldbußen,<br />
Aktien stimmrechtsverlust oder durch Schadensersatzklagen?<br />
Wie relevant solche Fragen sind, konnte man zuletzt bei<br />
Prozessen wegen einer verspäteten Ad-hoc-Mitteilung des<br />
Daimler-Konzerns sehen: Das Unternehmen musste ein<br />
Bußgeld von 200 000 Euro zahlen, weil es den Rücktritt<br />
seines damaligen Vorstandschefs Jürgen Schrempp zu spät<br />
bekannt gegeben hatte. So ähnlich wäre der Fall wohl<br />
auch in anderen Ländern geendet. In Deutschland aber<br />
konnten Anleger den Konzern zusätzlich auf 5,5 Millionen<br />
Euro Schadensersatz verklagen – in England oder<br />
Spanien hätten sie solche Klagerechte nicht. Ist das also<br />
die Rechtssicherheit auf dem gemeinsamen europäischen<br />
Kapitalmarkt?<br />
„Das sind richtige Hammerthemen“, sagt Veil. Bis zu 22<br />
Seiten dick waren die Fragebögen, mit denen die <strong>Law</strong>-<br />
<strong>School</strong>-Forscher die Rechtslage recherchierten – und die<br />
waren nicht so einfach Punkt für Punkt abzuhaken.<br />
„Häufi g bekamen wir die Antwort: ‚We will check it.‘<br />
Oder: ‚We send you an email‘“, erinnert sich Rüdiger Veil.<br />
„So mussten wir uns dann von Gespräch zu Gespräch<br />
hangeln und uns sukzessive der Wahrheit annähern.“<br />
Hinzu kam eine weitere Herausforderung: die sprachliche.<br />
Oder wie sagt man „Prospektrichtlinien-Durchführungsverordnung“<br />
auf Italienisch? „Als ich hier ankam,<br />
beschränkte sich mein Italienisch darauf, wie ich mir ein<br />
Eis kaufe und was meine Hobbys sind“, sagt Katja<br />
Scharkowski, die für das Forschungsprojekt drei Monate<br />
in Mailand war. Aber irgendwann könne man erstaunlich<br />
viel Juristen-Italienisch ableiten – auch durch die Hilfe<br />
der einheimischen Kollegen. „Die waren unglaublich<br />
hilfsbereit.“<br />
Diese Erfahrung machten auch die anderen Doktoranden,<br />
zum Beispiel Fabian Walla, der in Stockholm rund 70<br />
Prozent seiner Quellen in der Landessprache lesen musste.<br />
„Die Interviews liefen dort zum Glück aber alle auf<br />
Englisch.“ Und bei seinen Gesprächen in Stockholm<br />
konnte Walla nicht nur rechtswissenschaft liche Vergleiche<br />
ziehen: „Der professionelle Umgangston ist in<br />
Schweden viel, viel lockerer als bei uns. Das fängt beim<br />
Vorstellen mit dem Vornamen an, egal ob man sich mit<br />
Professoren, Ministeriums- oder Behördenvertretern<br />
trifft .“ Und der Anwalt aus der berühmten internationalen<br />
Großkanzlei empfi ng Walla nicht in Anzug und<br />
Krawatte, sondern einfach im Poloshirt.<br />
Es sind auch kleine Beobachtungen am Rande, die für das<br />
Forschungsprojekt relevant sind. Zum Beispiel wenn es<br />
um das Verhältnis von Kapitalmarktteilnehmern und<br />
nationalen Aufsichtsbehörden geht: „In Spanien haben<br />
wir einen Termin bei der Aufsichtsbehörde nur bekommen,<br />
weil sich ein Anwalt für uns eingesetzt hat, der sonst<br />
Emittenten gegenüber den Kontrolleuren vertritt“, erzählt<br />
Veil. „Der ist sogar mitgekommen und hat ordentlich<br />
mitdiskutiert. Dabei ist der ja Interessenvertreter und<br />
steht auf der anderen Seite. Das würde es in Deutschland<br />
oder Schweden nicht geben.“<br />
In Frankreich und Großbritannien haben die Doktoranden<br />
Malte Wundenberg und Philipp Koch ebenfalls eine<br />
überraschende Nähe zwischen Interessenvertretern und<br />
den nationalen Aufsichtsbehörden festgestellt. Die<br />
Kontrolleure gäben sich eher als Kooperationspartner.<br />
„Wenn die Franzosen zum Beispiel eine Übernahme<br />
planen, ist es üblich, dass der Anwalt vorher seine<br />
Unterlagen mit der Behörde durchspricht“, sagt Koch.<br />
„Die Übernahme wird geradezu gemeinsam erarbeitet.“<br />
Die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht<br />
(BaFin) sei da sehr viel zurückhaltender. Die<br />
Schweden wiederum, berichtet Fabian Walla, setzten vor<br />
allem auf die Selbstregulierung der Kapitalmarktteilnehmer,<br />
wohingegen Katja Scharkowski in Italien gleich eine<br />
Vielzahl von Regulierungsbehörden fand, die verschiedene<br />
Teilbereiche des Kapitalmarkts kontrollieren.<br />
„Für uns war es wichtig herauszufi nden, wie das europäische<br />
Recht im jeweiligen Land tatsächlich funktioniert“,<br />
sagt Veil. „Und das hat viel mit der Frage zu tun, ob<br />
Kommunikation stattfi ndet zwischen der Aufsichtsbehörde<br />
und dem Anwalt, der einen Investor oder<br />
Emittenten berät. Kaspern die das irgendwie ab, besprechen<br />
die sich – oder verlässt sich der Anwalt auf seine<br />
eigene Einschätzung der Rechtslage?“<br />
Auch in anderer Hinsicht gibt es deutliche Unterschiede<br />
im vereinten Europa der Kapitalmärkte: In Großbritannien<br />
kann die Finanzaufsicht eigenständig Straft aten<br />
verfolgen – hierzulande braucht die BaFin dazu die<br />
Staatsanwaltschaft . Die Schweden begnügen sich mit<br />
einer breiten Generalklausel, wenn es um Marktmissbrauch<br />
geht – in Deutschland werden die zugehörigen<br />
WELCHE LÄNDER<br />
VERTRAUEN DEM MARKT,<br />
WELCHE KONTROLLIEREN<br />
LIEBER?<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZIN 33
Tatbestände in Verordnungen fi xiert. Die<br />
Italiener übernehmen die EU-Richtlinien fast<br />
wörtlich – um sie später anlässlich von akuten<br />
Konfl ikten und Skandalen mit zahlreichen<br />
Gesetzen zu ergänzen. Die Franzosen geben<br />
sich in Sachen Beteiligungstransparenz<br />
lockerer als die Deutschen – nur um dann in<br />
den Satzungen der Aktiengesellschaft en sehr<br />
viel strenger zu sein.<br />
Auch wenn es bei dem Forschungsprojekt<br />
nicht um die „richtige“ Umsetzung der EU-<br />
Richtlinien in den einzelnen Ländern geht,<br />
sondern um eine Bestandsaufnahme des<br />
europäischen Kapitalmarktrechts – für sich<br />
hat Projektleiter Veil eine Antwort auf die<br />
Frage gefunden, wie das scheue Reh im Zaum<br />
gehalten werden kann: „Dort, wo die Sanktionen<br />
für Fehlverhalten hart und scharf sind,<br />
präsentiert sich das Recht ausgereift und<br />
diff erenziert. Deshalb muss man sich jetzt in<br />
Europa Gedanken machen über Sanktionen.“<br />
Die Studie der <strong>Law</strong>-<strong>School</strong>-Doktoranden<br />
könnte dafür eine Argumentationshilfe sein.<br />
34 RE.VISION 2009<br />
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts<br />
werden in einem Lehr-<br />
und Handbuch zum Europäischen<br />
Kapitalmarktrecht zusammengefasst,<br />
das von Rüdiger Veil<br />
herausgegeben wird und Ende<br />
2<strong>01</strong>0 auf Deutsch und Englisch<br />
erscheinen soll.<br />
Die Teilstudien zum Kapitalmarktrecht<br />
in Großbritannien<br />
(Veil/Wundenberg) und<br />
Frankreich (Veil/Koch) wurden<br />
bereits im Carl Heymanns<br />
Verlag veröffentlicht.<br />
Text: Alexandra Werdes<br />
PIRATERIE Die Entführung des deutschen Frachters Hansa Stavanger im April<br />
war nur eines von vielen Dramen, die sich noch immer vor der Küste Somalias<br />
abspielen. Fragt sich: Wer greift ein, wenn die somalischen Sicherheitskräfte<br />
dazu nicht in der Lage sind? Und: Wo und nach welchem Recht werden<br />
die Täter bestraft? Dass die Idee, den Piraten am Internationalen Seegerichtshof<br />
in Hamburg den Prozess zu machen, „allenfalls langfristig<br />
realisierbar“ wäre, konnte Doris König nicht nur den Reedern plausibel<br />
darlegen: Via Nachrichtenagentur dpa erklärte die gefragte Seerechtsexpertin,<br />
warum man die Befugnisse der Hamburger nicht so leicht erweitern<br />
kann. Die <strong>Law</strong>-<strong>School</strong>-Professorin glaubt, dass das Thema aktuell<br />
bleibt: „Juristisch gibt es spannende Querverbindungen, vom Verfassungs-<br />
bis hin zum Völker- und Menschenrecht – darüber kann man sich in einer<br />
Dissertation sehr viele Gedanken machen.“<br />
URHEBERRECHT Verleger Hubert Burda begann im Juni mit der Google-Schelte<br />
– inzwischen klagen viele Verlage, dass nicht sie selbst, sondern die Suchmaschinen<br />
mit ihren Online-Artikeln Geld verdienen. Dies ist nur ein Aspekt<br />
des immateriellen Güterrechts, das im digitalen und globalen Konkurrenzkampf<br />
immer wichtiger wird. „Wer sich hierauf spezialisiert, obwohl es nicht<br />
zum Pfl ichtkanon gehört, fi ndet als Anwalt eine exzellente Marktlage vor“,<br />
sagt Professor Karsten Thorn. Auch die <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong>, so Thorn, wolle<br />
auf diesem Feld ihr Profi l schärfen: Eine neue Vortragsreihe gibt es schon, bald<br />
soll eine Forschungsstelle eingerichtet werden – diese könnte dann die<br />
Grundlage für ein eigenes Institut für Medienrecht bilden.<br />
KRISE I Niemand weiß, wie viele Billionen durch die Finanzkrise tatsächlich<br />
verbrannt wurden. Sicher ist: Betroffen sind nicht nur Spekulanten, sondern<br />
auch Anleger, die als bodenständig gelten. So haben zahlreiche Stiftungen<br />
Geld verloren – und das wirft steuerrechtlich Probleme auf: Dürfen sie<br />
Rücklagen bilden, anstatt ihre Gewinne wie vorgeschrieben „zeitnah“ für<br />
gemeinnützige Zwecke auszugeben? „Eine andere wichtige Frage ist, für<br />
welches Anlageverhalten ein Stiftungsvorstand rechtlich zur Verantwortung<br />
gezogen werden kann“, sagt Birgit Weitemeyer, Direktorin des Instituts für<br />
Stiftungsrecht an der <strong>Law</strong> <strong>School</strong>. Die Professorin sieht hier Berufschancen<br />
für Juristen: „Die Krise macht deutlich, dass sich das Stiftungsmanagement<br />
weiter professionalisieren muss – und dafür werden Berater gebraucht.“<br />
KRISE II Nicht nur Börsenkurse sind ins Bodenlose gefallen, auch mit dem<br />
Ansehen der Manager ging es im Krisenjahr steil bergab. Wie viele Vorstände<br />
außerdem vor Gericht gestellt werden, bleibt abzuwarten. Aber nach<br />
Ansicht von Thomas Rönnau, Professor an der <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong>, wird<br />
sich die Tendenz der vergangenen Jahre fortsetzen: „In Deutschland traut<br />
man sich immer mehr, auch höchst dotierte Manager in Haftung zu nehmen.“<br />
Da werden Spezialisten gesucht – „und zwar in allen Bereichen“, so der<br />
Wirtschaftsstrafrechtler. „Bei den Gerichten, den Staatsanwaltschaften<br />
und natürlich im Beruf des Strafverteidigers.“ Auch im Zivilrecht könnten<br />
sich neue Arbeitsfelder auftun – wenn Aktionäre auf Schadenersatz klagen.<br />
RECHT<br />
WARUM<br />
GEHABT<br />
JURA SELTEN SPANNENDER WAR
Eindrücke hinterlassen.<br />
Wer zu den Besten gehört, stellt mit Recht höchste Ansprüche an seinen<br />
Arbeitgeber: herausfordernde Beratungsarbeit, eine erstklassige Reputation<br />
und internationale Entwicklungsmöglichkeiten.<br />
Hinterlassen Sie Eindrücke bei uns als<br />
Rechtsanwalt (m/w)<br />
Referendar (m/w)<br />
Praktikant (m/w)<br />
u. a. in den Fachbereichen Bank- und Kapitalmarktrecht, Prozessführung und<br />
Schiedsgerichtsverfahren, M&A Gesellschaftsrecht, gewerblicher Rechtschutz,<br />
Steuer- oder Arbeitsrecht.<br />
Wir suchen Persönlichkeiten, die zu uns passen.<br />
Wenn Sie sich dazu zählen, freuen wir uns über Ihre Bewerbungsunterlagen!<br />
Linklaters LLP<br />
Berit Sedlaczek<br />
Recruitment Manager<br />
+49 69 71003 341<br />
berit.sedlaczek@linklaters.com<br />
Berlin Düsseldorf Frankfurt am Main München<br />
linklaters.de/karriere
ANWALTS LIEBLING<br />
DIE FEIERABEND<br />
TOP-FIVE*<br />
20:00 Ständige Vertretung,<br />
Innenstadt<br />
(„Da simmer dabei…“)<br />
21:00 Zwick, Pöseldorf<br />
(„Das ist Bodo mit dem<br />
Bagger…“)<br />
22:00 Hähnchenkeller, Pöseldorf<br />
(„Take the long way<br />
home…“)<br />
23:00 Zoë, Schanzenviertel<br />
(„Sitting, waiting,<br />
wishing…“)<br />
00:30 Alt-Hamburg, St. Pauli<br />
(„Auf der Reeperbahn<br />
nachts…“)<br />
*nicht-repräsentative Umfrage unter Absolventen in Hamburg<br />
ANKLAGE & VERTEIDIGUNG<br />
DER<br />
KOMPROMISS<br />
Schon kleine Kinder sollen<br />
lernen, ihn zu schließen.<br />
Aus der Politik hält er sich<br />
schon lange nicht mehr raus.<br />
Und selbst im Gericht<br />
macht er sich immer<br />
breiter: als Vergleich<br />
und neuerdings auch als<br />
„Deal“. Erreichen wir mit<br />
dem Kompromiss die<br />
höchste zivilisatorische<br />
Stufe – oder untergräbt er<br />
die Gerechtigkeit?<br />
GESTÄNDNIS<br />
DAS HABE ICH NOCH NIE<br />
VERSTANDEN<br />
Sebastian Fischer, 32, Wirtschaftsanwalt bei HengelerMueller in Düsseldorf<br />
„WARUM SETZT SICH DER BUNDESRAT AUS REGIERUNGSVERTRETERN ZU-<br />
SAMMEN? Der Bundesrat ist ein Organ der Legislative, er besteht aber aus<br />
Mitgliedern der Landesregierungen (Art. 51 GG) und damit der Exekutive. Die<br />
Bundesländer setzen später die vom Bundesrat beschlossenen Gesetze um<br />
(Art. 83 GG); zudem bricht Bundesrecht Landesrecht (Art. 31 GG). Die<br />
Vertreter im Bundesrat wirken also an jener Gesetzgebung mit, die sie später<br />
selber umsetzen müssen (vgl. Art. 50 GG): Gesetze machen und Gesetze<br />
ausführen fällt hier in eins. Wie kann das juristisch betrachtet unter dem<br />
Gesichtspunkt der Gewaltenteilung sein?“<br />
Fischer hat von 2000 bis 2005 an der <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong> studiert und 2007 sein Zweites<br />
Staatsexamen gemacht. Können Sie ihm erklären, was er bis heute nicht verstanden hat?<br />
Diskutieren Sie mit und schreiben Sie unter „Geständnis“ Ihre Meinung auf der Internetseite:<br />
revision.law-school.de<br />
36 RE.VISION 2009<br />
THOMAS RÖNNAU, ANKLAGE<br />
Professor für Wirtschaftsstrafrecht<br />
„Der Kompromiss ist verführerisch,<br />
hat aber Grenzen“<br />
Unsere Gesellschaft liebt es, Streit am<br />
runden Tisch beizulegen. Doch bei allem<br />
Harmoniestreben und Kostenbewusstsein<br />
dürfen die Grenzen von Kompromissen nicht<br />
verschüttet werden. So müssen die<br />
Menschenwürde und das Leben unverfügbar<br />
bleiben. Wenn sie verrechenbar<br />
werden, gibt es kein Halten mehr. Den<br />
Abschuss eines voll besetzten Flugzeuges<br />
zur möglichen Rettung einer größeren<br />
Anzahl von Menschen hat das Bundesverfassungsgericht<br />
daher mit Recht abgelehnt.<br />
Genauso indisponibel sollte – trotz aller<br />
menschlichen Erkenntnisdefi zite – auch die<br />
Wahrheitssuche im Strafprozess sein.<br />
Vornehmlich aus Kostengründen kürzen die<br />
Parteien beim Deal den Prozess inzwischen<br />
immer öfter ab – meist im Austausch von<br />
Geständnis gegen Strafmilderung. Doch<br />
Recht ist kein Wirtschaftsgut, das sich<br />
effi zient produzieren lässt. Auf der Strecke<br />
bleiben dabei Opferinteressen, Rechtssicherheit<br />
und Gerechtigkeit. Aber selbst<br />
wenn der Verfügungsrahmen Kompromisse<br />
zulässt: Eine für beide Seiten akzeptable<br />
Lösung kann es nur geben, wenn die<br />
Verhandlungen auf „Augen höhe“ geführt<br />
werden. Macht-Ungleichgewichte schlagen<br />
hier regelmäßig auf das Ergebnis durch.<br />
Entscheidungen, die von einer unabhängigen<br />
Instanz getroffen werden, erzeugen<br />
dagegen häufi g gerade für schwächere<br />
Verhandlungspartner günstigere Resultate.<br />
Hinzu kommt: Wird die zuständige Instanz<br />
selbst zum Verhandlungspartner (wie beim<br />
Deal), ist sie eben nicht unbeteiligt, sondern<br />
den gleichen Versuchungen zum Machtmissbrauch<br />
ausgesetzt wie die übrigen<br />
„Parteien“. Heraus kommen dabei nicht<br />
selten faule Kompromisse, die keines der<br />
Vergleichsziele erreichen – weil neuer Streit<br />
mit höheren Kosten droht.<br />
ARBEITS | LEBEN<br />
ANSICHTEN UND AUSSICHTEN
MATTHIAS JACOBS, VERTEIDIGUNG<br />
Professor für Arbeitsrecht<br />
„Der Kompromiss ist fast<br />
immer die bessere Lösung“<br />
Was kann es Besseres geben als eine<br />
Problemlösung durch freiwillige Einigung,<br />
durch beiderseitigen Verzicht auf Teile der<br />
wechselseitigen Forderungen – im<br />
Idealfall sogar im Rahmen eines Konsenses?<br />
Nur der Kompromiss als Kategorie<br />
der Konfliktlösung vermeidet die Eskalation<br />
und sichert die gegenseitige Akzeptanz,<br />
Anerkennung und Wertschätzung der<br />
streitenden Parteien. Er ist deshalb die<br />
Basis jeglichen Zusammenlebens. Beim<br />
Kompromiss gibt es weder Sieger noch<br />
Verlierer. Niemand wird gedemütigt, beide<br />
Seiten wahren ihr Gesicht. Wer verzichtet,<br />
zeigt Größe. Wer seine Interessen im<br />
konkreten Konflikt dagegen einseitig auf<br />
Kosten des anderen durchsetzt, mag sich<br />
auf kurze Sicht als Sieger fühlen. Langfristig<br />
wird er aber nicht triumphieren,<br />
sondern alles verlieren. Denn sein Erfolg<br />
ist nicht stabil. Der kluge Hesiod hatte<br />
deshalb recht: „Mehr ist die Hälfte als das<br />
Ganze.“ Diese Erkenntnis hat sich in<br />
arbeitsrechtlichen Verfahren schon lange<br />
durchgesetzt: Das Güteverfahren ermöglicht<br />
dem Arbeitsrichter, modernes<br />
„Konfliktmanagement“ zu betreiben. Das<br />
wird überaus geschätzt, wie die hohen<br />
Vergleichsquoten zeigen. Nicht umsonst<br />
wurde eine entsprechende Regelung vor<br />
einigen Jahren auch in das Zivilverfahrensrecht<br />
übernommen. Dabei ist eine<br />
gewisse Unzufriedenheit beider Konfliktparteien<br />
mit dem Ergebnis ein notwendiges<br />
Übel: Sie sichert nämlich seine<br />
Qualität. Im Grunde ist ein Kompromiss<br />
dann vollkommen, wenn alle unzufrieden<br />
sind. Dass ich recht habe, sieht nun sicher<br />
jeder ein. Aber ich bin natürlich kompromissbereit:<br />
In manchen Fällen mag auch<br />
der Verzicht auf den Kompromiss vorzugswürdig<br />
sein.<br />
Goßlerhaus. Foto: <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> Scool.<br />
COMPLIANCE CHECK<br />
Versprechen kann man viel – re.vision misst Einrichtungen und Unternehmen<br />
der <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong> an ihren eigenen Ansprüchen. Diesmal:<br />
BUCERIUS<br />
CONFERENCE<br />
& EVENT<br />
MANAGEMENT<br />
EIGENER ANSPRUCH: „Dank des<br />
vielfältigen Raumangebots ist<br />
<strong>Bucerius</strong> Event in der Lage,<br />
unterschiedlichste Arten von<br />
Veranstaltungen durchzuführen.<br />
Dabei garantieren wir jederzeit<br />
einen hohen Standard in der<br />
Organisation und der Durchführung.<br />
Raum- und Dienstleistungsqualität<br />
machen die Arbeit mit<br />
<strong>Bucerius</strong> Event spannend und<br />
entspannend zugleich.<br />
Jeder kann seine individuelle<br />
Lösung finden und darauf<br />
vertrauen, ein besonderes und<br />
höchst anspruchsvolles Raumerlebnis<br />
geboten zu bekommen<br />
– ganz gleich welchen Veranstaltungsort<br />
er nutzt.“<br />
Quelle: www.bucerius-event.de<br />
Maike Lütkens, Director <strong>Bucerius</strong> Event,<br />
begab sich für re.vision auf den Prüfstand.<br />
Die Fragen stellte Axel Reimann.<br />
TESTFRAGE 1: Ein Kunde möchte spontan<br />
morgen früh um 4.30 Uhr einen Stehempfang<br />
mit Fingerfood und Streichquartett im<br />
Auditorium maximum haben. Was machen<br />
Sie?<br />
„<strong>Bucerius</strong> Event freut sich, dass das<br />
Auditorium Dank der rücksichtsvollen<br />
Zeitauswahl des Kunden für den Stehempfang<br />
angeboten werden kann. Die<br />
musizierenden Studenten bieten an, die<br />
Nacht in der Bibliothek durchzuarbeiten,<br />
um pünktlich vor Ort sein zu können. Das<br />
Team des Studierendenwerks wächst bei<br />
Spontanaufträgen über sich hinaus und<br />
entwickelt sofort ein neues Muntermacher-Fingerfood-Konzept.“<br />
TESTFRAGE 2: Bei einer von Ihnen betreuten<br />
Veranstaltung kommen gleichzeitig<br />
<strong>Law</strong>-<strong>School</strong>-Präsident Professor Karsten<br />
Schmidt, Alt-Bundeskanzler Helmut<br />
Schmidt und Late-Night-Talker Harald<br />
Schmidt mit dringenden Anliegen auf Sie<br />
zu. Um welchen Schmidt kümmern Sie sich<br />
zuerst?<br />
„In diesem Fall könnte das <strong>Bucerius</strong>-<br />
Event-Team eine sogenannte Eins-zu-eins-<br />
Schmidteinander-Lösung anbieten: eine<br />
betreuende Event-Frau je Schmidt.“<br />
TESTFRAGE 3: Ein Kunde schwankt für<br />
seine große Geburtstagsfeier in fünf<br />
Jahren noch zwischen drei verschiedenen<br />
Veranstaltungsorten: Elbphilharmonie,<br />
Übersee-Club und Goßlerhaus. Warum soll<br />
er sich für das Goßlerhaus entscheiden?<br />
„Weil im Goßlerhaus auch Gäste mit<br />
Höhenangst entspannt feiern können,<br />
dänische Architektur Abwechslung bietet<br />
zu britischer Lebensart und weil man auf<br />
dem Blankeneser Krähenberg sicher vor<br />
Hochwasser ist.“<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZIN 37
LEGENDE<br />
Vergleichswerte<br />
für<br />
Deutschland<br />
EINWOHNER:<br />
82 329 758<br />
WÄHRUNG:<br />
1 Euro (EUR) =<br />
100 Cent<br />
BIP PRO KOPF:<br />
23 060 EUR<br />
INTERNET-<br />
ANSCHLÜSSE:<br />
ca. 274,6 pro<br />
1000 Einwohner<br />
ANWALTS-<br />
HONORAR PRO<br />
STUNDE:<br />
200 bis 500 EUR<br />
(in Großkanzleien)<br />
STRAFMASS<br />
FÜR MORD:<br />
Lebenslänglicher<br />
Freiheitsentzug<br />
TRUNKENHEIT<br />
AM STEUER:<br />
1 Monat<br />
Fahrverbot,<br />
Bußgeld von<br />
250 EUR (> 0,5<br />
Promille)<br />
COFFEE TO GO:<br />
3,80 EUR (bei<br />
Starbucks in<br />
Hamburg)<br />
HEMD-<br />
REINIGUNG:<br />
1,30 EUR<br />
PORSCHE:<br />
46 506 EUR<br />
(Boxster)<br />
38 RE.VISION 2009<br />
Interview und Recherche: Maren Soehring. Quellen: IWF, CIA, Bankenverband, Porsche u.a. Fotos: Privat.<br />
CHINA<br />
DONGZHEN YU, 29, arbeitet für die koreanische<br />
Investmentbank Mirae Asset in<br />
Shanghai. Er ist verheiratet und erwartet im<br />
Januar sein erstes Kind. Sonderurlaub oder gar<br />
Elternzeit gibt es dafür in China nicht. Er hofft<br />
trotzdem, zwei Wochen frei zu bekommen.<br />
1 338 612 968<br />
1 Renmimbi Yuan<br />
(CNY) = 0,10 EUR<br />
4 410 EUR<br />
10,7 pro 1000<br />
100 bis 700 Euro (in<br />
Großkanzleien)<br />
Todesstrafe<br />
(durch Giftspritze)<br />
Bis zu 6 Monate<br />
Führerscheinentzug,<br />
Bußgeld von 50 bis<br />
200 Euro, 15 Tage<br />
Haft (> 0,8 Promille)<br />
3,50 EUR<br />
(Starbucks<br />
in Shanghai)<br />
74 500 EUR<br />
1 EUR<br />
Donghzen, warum macht ein Anwalt aus Shanghai<br />
ausgerechnet einen Master in Hamburg?<br />
Schon als Schüler habe ich sehr viel Karl Marx gelesen,<br />
mich mit deutscher Geschichte beschäft igt. Das Land<br />
hat mich einfach interessiert. An der Uni habe ich dann<br />
Deutsch-Kurse belegt und schon 2004 an einem<br />
Austauschprogramm der <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong> teilgenommen.<br />
Seitdem habe ich immer den Kontakt nach<br />
Deutschland gehalten, wollte dort ursprünglich auch<br />
promovieren. Aber der ehemalige Geschäft sführer der<br />
<strong>Law</strong> <strong>School</strong> hat mir bei einem Besuch in China davon<br />
abgeraten und stattdessen das neue Master of <strong>Law</strong> and<br />
Business – Joachim Herz Program empfohlen. Ein sehr<br />
guter Tipp.<br />
Sie arbeiten für eine koreanische Bank in China –<br />
was bringt Ihnen da ein Master aus Deutschland?<br />
Es gibt ja durchaus Überschneidungen. Zum Beispiel<br />
wurde das chinesische Rechtssystem zu großen Teilen<br />
aus Japan übernommen, die Japaner haben sich<br />
wiederum am deutschen Recht orientiert. Im Master-<br />
Programm habe ich gelernt, wo ich die notwendigen<br />
Informationen fi nde und wie ich juristische Probleme<br />
schnell und eff ektiv lösen kann. Noch wichtiger waren<br />
die betriebswirtschaft lichen Grundlagen. Gerade sie<br />
kann ich jetzt in meiner täglichen Arbeit sehr gut<br />
gebrauchen.<br />
Ist Ihnen der Wechsel in die Finanzbranche schwer<br />
gefallen?<br />
Natürlich muss ich mir hier vieles neu erarbeiten. Meine<br />
Aufgabe ist es, new private equity funds so zu strukturieren,<br />
dass alles auf soliden Füßen steht. Mein Spezialgebiet<br />
ist das chinesische Commercial <strong>Law</strong>. Vor dem<br />
MLB-Programm hatte ich wenig Ahnung von Wirtschaft<br />
. Heute kann ich die verschiedenen Unternehmen<br />
besser einschätzen und beurteilen, ob sie profi tabel sind.<br />
Während der Schulzeit habe ich auch gemerkt, dass eine<br />
Karriere in einem internationalen Unternehmen ohne<br />
BWL-Kenntnisse kaum möglich ist.<br />
RODRIGO HART, 27, arbeitet<br />
in Lima für das Hamburger<br />
Traditionsunternehmen Hapag<br />
Lloyd. Im Juni 2008 hat er<br />
seine peruanische Frau in<br />
Hamburg geheiratet, die<br />
große Familienfeier fand im<br />
März diesen Jahres in der<br />
Heimat statt.<br />
PERU<br />
29 546 963<br />
1 Peruanischer Sol<br />
(PEN) = 0,24 EUR<br />
5 880 EUR<br />
9,2 pro 1000<br />
20 bis 130 EUR (Großkanzleien<br />
nehmen meist<br />
sehr viel höhere<br />
Fallpauschalen)<br />
Lebenslänglicher<br />
Freiheitsentzug<br />
4 bis 6 Jahre Gefängnis,<br />
abhängig von der Zahl<br />
der Mitfahrer<br />
(> 0,5 Promille)<br />
2,80 EUR (Starbucks<br />
in Lima)<br />
1,17 EUR<br />
42 838 EUR (Basic)<br />
MASTERS OF
Rodrigo, Sie sind „Director“ bei Hapag<br />
Lloyd, haben nur noch den General<br />
Manager über sich – viel Verantwortung für<br />
einen 27-Jährigen…<br />
Der offi zielle Titel ist „Business Administration<br />
and Operations Director“. Ich bin zum einen<br />
für Finanzen und Controlling zuständig, zum<br />
anderen muss ich das operative Geschäft steuern<br />
und acht Mitarbeiter führen. Das ist schon<br />
anspruchsvoll. Meist bin ich morgens um 7 Uhr<br />
im Büro, um möglichst viel zu schaff en, bevor<br />
die anderen kommen und es hektisch wird. Als<br />
Ausgleich gehe ich mountainbiken, spiele<br />
Basketball oder Squash. Gerade war ich zum<br />
ersten Mal paragliden – eine unglaubliche<br />
Erfahrung!<br />
Haben Sie Ihren Traumjob gefunden?<br />
Absolut! Aber ich habe nicht damit gerechnet,<br />
dass sich dieser Traum so schnell erfüllt. Ich<br />
habe schon mein Praktikum bei Hapag Lloyd<br />
gemacht, dort auch meine Abschlussarbeit<br />
geschrieben, noch vor Ende des MLB-Programms<br />
wurde ich dann in Hamburg als<br />
Controller eingestellt und nun bin ich wieder in<br />
Peru – ich habe einfach sehr viel Glück gehabt.<br />
Und off ensichtlich alles richtig gemacht...<br />
Ich habe mir schon sehr genau überlegt, welche<br />
Qualifi kationen ich brauche, um am Ende einen<br />
anspruchsvollen und gut bezahlten Job in<br />
meiner Heimat zu bekommen. Ein internationaler<br />
Abschluss und Auslandserfahrung sind<br />
ein Muss. Und da ich Jura studiert habe,<br />
brauchte ich zusätzliches Wirtschaft sfachwissen.<br />
Auch die Branche habe ich mir gezielt<br />
ausgesucht: Perus größter Wirtschaft szweig<br />
sind Minen, die Bodenschätze wie Gold und<br />
Kupfer werden exportiert – auf dem Seeweg<br />
natürlich. Reedereien bieten also gute Karrierechancen.<br />
TANSANIA<br />
NEEMA MWINGU, 31, arbeitet in Daressalam als<br />
Consultant bei Deloitte. Nach dem MLB-Programm<br />
in Hamburg war sie zunächst anderthalb Jahre lang<br />
bei einem Finanzberater in Düsseldorf tätig. In ihrer<br />
Freizeit tanzt sie gerne Salsa.<br />
41 048 532<br />
1 Tansania-Schilling<br />
(TZS) = 0,0005 EUR<br />
950 EUR<br />
0,6 pro 1000<br />
50 bis 300 EUR<br />
(anerkannte<br />
Kanzlei in<br />
Daressalam)<br />
Lebenslänglicher<br />
Freiheitsentzug bis<br />
hin zu Todesstrafe<br />
Ca. 15 EUR Bußgeld<br />
(> 0,8 Promille)<br />
0,90 EUR (Instant-<br />
Coffee; Starbucks<br />
und Bohnenkaffee<br />
gibt es nicht)<br />
Neema, nach drei Jahren in Deutschland sind Sie<br />
nun wieder zurück in Ihrer Heimat. Eine große<br />
Umstellung?<br />
Ja, ich bin auch nach zwei Monaten immer noch dabei<br />
mich einzuleben. Zum Glück musste ich nicht lange<br />
eine Wohnung suchen, sondern konnte ins Haus meines<br />
Bruders einziehen. Bislang versuche ich aber vergeblich,<br />
hier eine geeignete Fahrradstrecke zu fi nden. In<br />
Deutschland bin ich jede Woche mehrere Stunden Rad<br />
gefahren, in Daressalam ist der Verkehr absolut<br />
chaotisch, es ist einfach zu gefährlich, auf der Straße zu<br />
fahren. Dafür gibt es hier aber tolle City-Strände, wo<br />
man am Wochenende schön entspannen kann.<br />
Sie arbeiten als Consultant bei Deloitte, waren dort<br />
aber auch schon vor dem MLB beschäft igt. Hat sich<br />
der Aufwand denn für Sie gelohnt?<br />
Auf jeden Fall! Ich hatte vorher zum Beispiel wenig<br />
Ahnung von Rechtsfragen. Dabei spielen rechtliche<br />
Aspekte, zum Beispiel die Gestaltung von Verträgen,<br />
eine wichtige Rolle in meiner Arbeit. Deshalb habe ich<br />
mir auch gezielt ein Programm ausgesucht, dass<br />
Wirtschaft und Wirtschaft srecht kombiniert. Das<br />
MLB-Programm der <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong> habe ich im<br />
Internet gefunden.<br />
Und dann hat Ihnen Deutschland so gut gefallen,<br />
dass sie gleich geblieben sind?<br />
Mein Ziel war es, einen internationalen Abschluss zu<br />
machen, aber auch internationale Arbeitserfahrung zu<br />
sammeln. Deshalb habe ich schon während des<br />
Studiums viele Bewerbungen geschrieben und dann in<br />
Düsseldorf eine Stelle gefunden. Trotzdem wollte ich<br />
zurück, die Stelle bei Deloitte passte perfekt zu meinen<br />
Qualifi kationen. Ich berate Banken und andere<br />
Unternehmen aus der Finanzbranche in Kenia und<br />
Tansania. Die Arbeit macht Spaß, nur die Arbeitszeiten<br />
sind – wie überall in der Beratung – recht intensiv.<br />
Meist fahre ich schon vor sieben ins Büro, um den<br />
schlimmsten Stau zu umgehen, gegen acht oder neun<br />
bin ich dann wieder zu Hause.<br />
THE UNIVERSE<br />
SIE SIND AUS ALLER WELT NACH HAMBURG GEKOMMEN UND HABEN 2007 IHREN<br />
MASTER OF LAW AND BUSINESS (MLB) GEMACHT. WAS HAT DIE REISE GEBRACHT?<br />
2 EUR<br />
Keine Niederlassung<br />
(Wohlhabende<br />
importieren wegen<br />
der schlechten<br />
Straßen vor allem<br />
japanische<br />
Geländewagen)<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZIN 39
Master of Design and Technology.<br />
Der Audi A5 Sportback.<br />
Auf dem Weg an die Spitze ist Vorsprung im Denken gefragt. Nur so kann man täglich besser<br />
werden – im Handeln, in der Analyse und in der Strategie. Bis hin zu entscheidenden Momenten, in<br />
denen es gilt, seine Qualitäten und seine Klasse unter Beweis zu stellen. Ganz so, wie der Audi A5<br />
Sportback*, Gewinner des Goldenen Lenkrads 2009**, es getan hat – mit der Kraft klaren Designs.<br />
Und: mit Vorsprung durch Technik.<br />
* Kraftstoffverbrauch in l/100 km: innerorts 6,5–13,5; außerorts 4,5–6,8;<br />
kombiniert 5,2-9,3; CO 2 -Emission in g/km: kombiniert 137–216<br />
**Auto Bild, Ausgabe 45 vom 06.11.2009
MARION GRÄFIN DÖNHOFF WAR ALS HERAUSGEBERIN DER<br />
WOCHENZEITUNG „DIE ZEIT“ ENG MIT VERLEGER GERD<br />
BUCERIUS VERBUNDEN. IN BRONZE GEGOSSEN HAT SIE IN DER<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL IHREN EHRENPLATZ, UND GLÜCK-<br />
SUCHENDE STUDENTEN STREICHEN IHR VOR PRÜFUNGEN ÜBER<br />
DIE NASE. ABER WAS HÄTTE WOHL IHR KRITISCHER GEIST ZUM<br />
VERGANGENEN JAHR GESAGT?<br />
Man könnte es ja als Aff ront verstehen, wenn man jeden Tag einige<br />
Dutzend Mal in die Nase gekniff en wird. Und ehrlich gesagt,<br />
fi nde ich eine gold glänzende Nase nicht gerade schmeichelhaft<br />
. Aber es freut mich sehr, dass ich für die Studenten Teil<br />
eines Rituals geworden bin. Off enbar brauchen sie für ihr Jura-<br />
Studium ein wenig „übersinnlichen“ Beistand. Und welche Statue<br />
wünscht sich nicht, dass man ihr Zauberkräft e zuschreibt?<br />
Ganz am Anfang stand ich ja mitten in der – wie heißt sie noch?<br />
Ach ja: Hengeler Mueller-Bibliothek. Das war auch nicht<br />
schlecht, aber die vielen Bücher haben mich ein bisschen wehmütig<br />
gemacht. Nun bekomme ich den Flurfunk der <strong>Law</strong><br />
<strong>School</strong> mit, weil alle Studenten auf dem Weg zur Bibliothek<br />
und zur Mensa an mir vorbeikommen. Manchmal juckt es mich<br />
im Sockel, ihnen zuzuraunen, dass sie den Kapitalismus zähmen<br />
sollen. Aber dann sind sie schon, den Namen kann ich mir<br />
wenigstens merken, in die Deutsche Bank Hall enteilt.<br />
Ich bin jedenfalls froh, dass ich nicht wie Gerd in der Rotunde<br />
repräsentieren muss, sondern die Welt aus meiner Nische betrachten<br />
kann. Der spannendste Moment des Jahres ist für<br />
mich, wenn sich gegenüber vor dem – wer hat sich eigentlich<br />
diese Namen ausgedacht? – Cliff ord Chance International<br />
Offi ce ein aufgeregter Schwarm versammelt, weil<br />
die Liste mit den Auslandsstudienplätzen an<br />
die Tür gehängt wird: Singapur, Sydney,<br />
Buenos Aires… Oder wie wundervoll<br />
wäre es, nach Reykjavik zu gehen: die<br />
Pferde! Ich würde genauso aufgeregt<br />
nachschauen, wohin es mich und<br />
meine Freunde verschlägt…<br />
Nur manchmal frage ich mich, ob<br />
die <strong>Law</strong> <strong>School</strong> die jungen Leute<br />
nicht zu sehr verwöhnt. Dann<br />
denke ich, es hat durchaus sein<br />
Gutes, wenn man als Student auch<br />
mal gegen Behörden kämpfen,<br />
Text: Nicholas Carraway. Foto: Odile Hain.<br />
Widerstand leisten muss. Andererseits sage ich mir: Marion,<br />
die Zeiten haben sich geändert – und das sei dieser Generation<br />
doch auch gegönnt! Über ihre Zukunft muss ich mir jedenfalls<br />
keine Sorgen machen: Die ersten Absolventen stehen bereits<br />
mitten im Berufsleben, die erste Ehrendoktorwürde wurde verliehen,<br />
der erste Habilitand hat einen Ruf erhalten – während<br />
die eigene Professorenschaft wiederholt gegen andere Universitäten<br />
verteidigt werden konnte. Die <strong>Law</strong> <strong>School</strong> wächst allmählich<br />
aus ihren Kinderschuhen heraus.<br />
Apropos Kinderschuhe: Es werden sogar schon wieder neue<br />
Experimente auf dem Campus gewagt. Die <strong>Bucerius</strong> Kita zieht<br />
bereits die Kleinsten mit zwei Sprachen, naturwissenschaft licher<br />
Förderung und Biokost groß. So ganz weiß ich nicht, was<br />
ich davon halten soll. Wenn die Kinder abgeholt werden, höre<br />
ich nur diese neumodischen Geländewagen auf den Campus<br />
fahren. Was hätten wir die auf unserem Gutshof in Preußen gut<br />
gebrauchen können!<br />
Überhaupt die Autos: Der Präsident kommt im Golf, während<br />
die Studenten im neuen, der Hochschule geschenkten Audi<br />
zum Fußballtraining fahren. Und seitdem auch recht fl eißig<br />
Pfandfl aschen wegbringen, wie ich gehört habe. Aber solche<br />
Spritztouren seien erlaubt, da die jungen Leute ja sonst so diszipliniert<br />
lernen, dass sie sich sogar die Nachtwächter zu ihren<br />
Freunden machen.<br />
In diesem schönen Sommer ließen sie sich tagsüber allerdings<br />
auch gerne im Liegestuhl die Sonne ins Gesicht scheinen. Sie<br />
meinen, ich sehe das nicht, aber ich hab einen guten Riecher!<br />
Mir sind auch die Whisky-Fahnen nicht entgangen, am Tag<br />
nach der US-Wahlparty. Ich freue mich ja: Endlich hat es wieder<br />
ein Mann mit Visionen ins Weiße Haus geschafft .<br />
Aber dieser Rummel! Und das war nicht einmal<br />
der Höhepunkt des Jahres: Helmut Schmidts<br />
90. Geburtstag hat selbst noch Obama<br />
die Show gestohlen. Die Feier im Auditorium<br />
live vom NDR übertragen,<br />
mit Kissinger, von Weizsäcker,<br />
Giscard d’Estaing... Ich wär so<br />
gerne kurz mit rübergekommen!<br />
Am 2. Dezember werde<br />
ich ja selbst hundert. Wie ich<br />
meine Studenten kenne, werden<br />
sie sich etwas einfallen lassen.<br />
Eine Fernsehgala für eine<br />
Büste – das wäre doch was!<br />
DIE GOLDENE NASE<br />
DER GRÄFIN<br />
VOM SOCKEL AUF DAS JAHR GEBLICKT<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZIN 41
DIE BUCERIUS LAW SCHOOL IN ZAHLEN<br />
ZUM STICHTAG 31.12.2008:<br />
Eingeschrieben waren 534 Studierende und<br />
von September bis Dezember 94 ausländische<br />
Studierende unserer<br />
88 Partnerhochschulen<br />
PRIVATE HOCHSCHULEN sind ein wichtiger<br />
Faktor für die Innovationskraft des<br />
deutschen Bildungswesens. Leider haben<br />
in der vergangenen Zeit einige private<br />
Hochschulen mit schlechten Nachrichten<br />
aufgewartet, deren Ursache häufig in<br />
finanziellen Schwierigkeiten lag. Die<br />
<strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong> befindet sich hier<br />
in einer glücklichen Ausnahmesituation<br />
wie nur wenige andere private Hochschulen<br />
in Deutschland: Als forschungsorientierte<br />
Stiftungsgründung steht sie<br />
auf einem soliden wirtschaftlichen<br />
Fundament. Alleinige Gesellschafterin ist<br />
42 RE.VISION 2009<br />
Mitte Juli bis Mitte August nahmen 30<br />
internationale Studierende am erstmals<br />
durchgeführten <strong>Bucerius</strong> Summer Program in<br />
International Business <strong>Law</strong> teil<br />
An der Hochschule waren ferner 2<strong>01</strong><br />
Promotionsstudenten eingeschrieben,<br />
darunter 45, die an Lehrstühlen<br />
beschäftigt sind,<br />
und 156 externe Doktoranden<br />
die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd<br />
<strong>Bucerius</strong>, <strong>Bucerius</strong>, die die die Hochschule im Jahr<br />
2000 gegründet hat. Sie finanziert bis bis<br />
heute heute den überwiegenden Anteil Anteil des<br />
jährlichen jährlichen Budgets der Hochschule. Rund<br />
ein Viertel der Einnahmen wird durch<br />
Studiengebühren erbracht, gut 15<br />
Prozent aus Spenden, Sponsoring und<br />
unternehmerischer Tätigkeit der HochHochschule. Die Die ZEIT-Stiftung hat hat zudem eine<br />
Garantie Garantie gegenüber gegenüber dem Senat Senat der Freien<br />
und Hansestadt Hamburg abgegeben, die die<br />
die Finanzierung Finanzierung der Hochschule auf auf<br />
Dauer zusichert. zusichert.<br />
Im Master of <strong>Law</strong> and<br />
Business Program studierten 46 Studierende<br />
aus 26 Ländern<br />
Zum Stichtag waren 152 Mitarbeiter<br />
beschäftigt,<br />
davon 49 im Hochschulmanagement<br />
86 Kandidaten der <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong> legten<br />
Die Fakultät bestand aus 16 Lehrstühlen<br />
in 2008 die Erste Juristische Staatsprüfung ab,<br />
davon rund 75%<br />
mit ca. 65 wissenschaftlichen<br />
mit Prädikatsexamen<br />
2008 gingen 569<br />
schriftliche Bewerbungen ein,<br />
113 neue Studierende nahmen das Studium auf<br />
Mitarbeitern und Assistenten,<br />
2 Affiliate Professors,<br />
1 Honorarprofessor, 1 Emeritus und 1 Ehrendoktor<br />
105 Studierenden wurde der LL.B. verliehen,<br />
25 schlossen ihre Promotion ab<br />
In diversen Rankings schnitt die Hochschule gut ab, u.a.<br />
1. Platz in Jura im<br />
CHE-Hochschulranking (Mai 2008),<br />
in der Jungen Karriere/Handelsblatt: 2. Platz (Juni 2008),<br />
im studiVZ: 1. Platz in Jura (Oktober 2008)<br />
Ab dem Jahr 2<strong>01</strong>0<br />
rechnet die <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong><br />
<strong>School</strong> mit Rückflüssen aus<br />
dem Umgekehrten Generationenvertrag,<br />
der es bedürftigen<br />
Studierenden ermöglicht, ihre<br />
Studiengebühren mit Eintritt<br />
ins Berufsleben einkommensabhängig<br />
zurückzuzahlen.
GREMIEN ZUM 31.12.2008<br />
Präsident der Hochschule ist Prof. Dr.<br />
Dres. h.c. Karsten Schmidt,<br />
Vizepräsident Prof. Prof. Dr. Axel Kämmerer.<br />
Kämmerer.<br />
Geschäftsführer und Kanzler der der<br />
Hoch schule schule ist Dr. Dr. Hariolf Wenzler,<br />
Prokurist ist Benedikt Landgrebe.<br />
Aufsichtsratsmitglieder sind Dr. Markus<br />
Baumanns Baumanns (Vors.), Prof. Dr. Michael<br />
Göring, Dr. Henneke Lütgerath, Dr.<br />
Henning Voscherau.<br />
Mitglieder des Kuratoriums der <strong>Bucerius</strong><br />
<strong>Law</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong> sind Notar Dr. Henning<br />
Voscherau (Vors.), Dr. Markus Baumanns,<br />
Dr. Tessen v. Heydebreck, Prof. Dr.<br />
Michael Hoffmann-Becking, Rolf Hunck,<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. mult. Hein Kötz, Dr. Dr.<br />
Konstantin Konstantin Mettenheimer, Dr. h.c. Volker<br />
Röhricht und Dipl.-Ing. Dr.-Ing. E. h.<br />
Jürgen Weber.<br />
BETEILIGUNGSVERHÄLTNISSE<br />
Die <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong> ist alleinige<br />
Gesellschafterin der <strong>Bucerius</strong> Education<br />
GmbH, Geschäftsführerin ist Dr. Nina Nina<br />
Smidt. Die Die <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong> hält 60%<br />
an der <strong>Bucerius</strong> WHU Master of <strong>Law</strong> and<br />
Business gGmbH, Geschäftsführer ist<br />
Dr. Hariolf Wenzler.<br />
MITGLIEDSCHAFTEN<br />
Die <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong> ist Mitglied der<br />
Deutschen Hochschulrektorenkonferenz,<br />
des des Deutschen Juristenfakultätentages,<br />
der European <strong>Law</strong> Faculties Association<br />
(ELFA), der International Association of of<br />
<strong>Law</strong> <strong>School</strong>s (IALS), der Association of of<br />
Transnational <strong>Law</strong> <strong>School</strong>s (ATLAS) sowie sowie<br />
assoziiertes assoziiertes Mitglied Mitglied des Center for<br />
Transnational Legal Studies in London London<br />
(CTLS), der der American Bar Association<br />
(ABA) und der China China Europe <strong>School</strong> of <strong>Law</strong><br />
in Beijing (CESL). (CESL).<br />
UNSERE GRÖSSTEN<br />
UNTERSTÜTZER 2008/2009<br />
Gründerin und einzige g Gesellschaft ft erin<br />
• ZEIT-Stift ung Ebelin und Gerd <strong>Bucerius</strong><br />
PARTNER<br />
• Deutsche Bank AG<br />
• Joachim Herz Stift ung<br />
• Commerzbank-Stift ung<br />
• UBS Deutschland AG<br />
• Freshfi elds Bruckhaus Bruckhaus Deringer<br />
• Hengeler Mueller<br />
• Linklaters<br />
FÖRDERER<br />
• Beiten Burkhardt<br />
• Cleary Cleary Gottlieb Steen<br />
& Hamilton LLP<br />
• Commerzbank AG<br />
• Deloitte & Touche GmbH<br />
• Deutsche Luft hansa AG<br />
• ECE Projektmanagement<br />
GmbH & Co. KG<br />
• Funk Gruppe GmbH GmbH<br />
• Generali Versicherung AG<br />
• Graf von Westphalen<br />
• Harmsen Utescher<br />
• Heuking Kühn Lüer Wojtek<br />
• Hunck, Rolf und Sigrid<br />
• Huth Dietrich Hahn<br />
• Latham Latham & Watkins Watkins LLP LLP<br />
DONATOREN<br />
• Allen & Overy<br />
• Baker & McKenzie<br />
• Audi AG<br />
• Claussen-Simon-Stift ung<br />
• Cliff ord Chance Chance<br />
• CMS Hasche Sigle Sigle<br />
• Gleiss Lutz<br />
• Lovells LLP<br />
• Sal. Sal. Oppenheim<br />
• Sibeth<br />
• Taylor Taylor Wessing Wessing<br />
• Notar Dr. Michael Michael Ehlke (†)<br />
• Marga und Kurt<br />
Möllgaard-Stift ung<br />
• McKinsey McKinsey & Company<br />
• Morgan Lewis<br />
• Nordhues & & Cie. Cie. LLP<br />
• Nörr Stiefenhofer Lutz<br />
• Prinz, Prinz, Günter und Carlotta<br />
• Rittstieg Rechtsanwälte<br />
• Ruge Krömer Rechtsanwälte<br />
• Schomerus & Partner<br />
• Shearman & Sterling LLP<br />
• White & Case LLP<br />
• Wilmer Hale<br />
• Wübben, Dr. Walter<br />
• Wülfi ng Zeuner Rechel<br />
– WZR Group<br />
FACTS & FIGURES<br />
GESCHÄFTSBERICHT DER BUCERIUS LAW SCHOOL GEMEINNÜTZIGE GMBH<br />
GESCHÄFTSBERICHT DER BUCERIUS LAW SCHOOL GEMEINNÜTZIGE GMBH<br />
FÜR 2008<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZIN 43
BILANZ<br />
44 RE.VISION 2009<br />
AKTIVA 31.12.2008 EUR EUR Vorjahr EUR<br />
A. ANLAGEVERMÖGEN<br />
I. Immaterielle Vermögensgegenstände 335.190,00 386.267,00<br />
II. Sachanlagen 1.755.454,00 1.899.273,25<br />
III. Finanzanlagen* 4.534.069,00 , 264.000,00 ,<br />
6.624.713,0 2.549.540,25 ,<br />
B. UMLAUFVERMÖGEN<br />
I. Waren<br />
II. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände<br />
25.582,02 29.108,79<br />
davon Forderungen gegen Unternehmen,<br />
mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht:<br />
EUR 196.519,96 (Vorjahr: TEUR 323) 1.215.646,69 4.839.877,46<br />
III. Kassenbestand und Guthaben bei<br />
Kreditinstituten 799.991,45 , 82.610,26 ,<br />
2.041.220,16 4.951.596,51 ,<br />
C. RECHNUNGSABGRENZUNGSPOSTEN 61.766,33 , 50.685,81 ,<br />
8.727.699,49 7.551.822,57<br />
*überwiegend Forderungen aus UGV (seit 2008), bis 2007 unter Forderungen (B. II.) ausgewiesen.<br />
PASSIVA 31.12.2008 EUR Vorjahr EUR<br />
A. EIGENKAPITAL<br />
I. Stammkapital 1.500.000,00 1.500.000,00<br />
II. Gewinnvortrag 3.568.354,32 2.162.039,43<br />
III. Jahresüberschuss 976.730,92 , 1.406.314,89 ,<br />
6.045.085,24 5.068.354,32 ,<br />
B. RÜCKSTELLUNGEN 1.164.560,93 859.710,<strong>01</strong><br />
C. VERBINDLICHKEITEN 1.490.616,62 1.620.633,64<br />
davon mit einer Restlaufzeit von bis zu einem Jahr 390.616,62<br />
davon mit einer Restlaufzeit von über fünf Jahren 1.100.000,00<br />
davon aus Steuern 143.839,83<br />
davon Verbindlichkeiten gegenüber Unternehmen,<br />
mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht 1.100.000,00<br />
D. RECHNUNGSABGRENZUNGSPOSTEN 27.436,70 , 3.124,60 ,<br />
8.727.699,49 7.551.822,57
JAHRESABSCHLUSS FÜR DAS GESCHÄFTSJAHR<br />
VOM VOM 1. 1. JANUAR BIS ZUM 31. DEZEMBER 2008<br />
GEWINN- UND VERLUSTRECHNUNG<br />
2008 EUR Vorjahr EUR<br />
1. Rohergebnis 14.388.237,54 14.362.699,35<br />
davon Zuwendungen ZEIT-Stifung 8.300.000,00<br />
davon Studiengebühren 3.117.486,09<br />
davon Spenden/Sponsoring 1.617.5<strong>01</strong>,10<br />
davon sonstige Einnahmen 1.052.960,53<br />
2. Personalaufwand<br />
a) Löhne und Gehälter 6.362.893,18 6.061.447,21<br />
b) Soziale Abgaben und Aufwendungen für<br />
Altersversorgung<br />
- davon für Altersversorgung: EUR 368.258,48<br />
(Vorjahr: TEUR 214)<br />
1.342.630,07 7.705.523,25<br />
1.179.164,49<br />
3. Abschreibungen 453.363,56 569.005,82<br />
4. Sonstige betriebliche Aufwendungen<br />
5.241.084,28 5.102.942,12<br />
5. Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge 38.513,57 27.336,59<br />
6. Abschreibungen auf Finanzanlagen 6.270,00 0,00<br />
7. Zinsen und ähnliche Aufwendungen 0,00 , 0,39 ,<br />
8. ERGEBNIS DER GEWÖHNLICHEN GESCHÄFTSTÄTIGKEIT 1.020.510,02 1.477.475,91<br />
9. Steuern vom Einkommen und vom Ertrag 43.490,00 65.559,00<br />
10. Sonstige Steuern 289,10 , 5.602,02 ,<br />
11. JAHRESÜBERSCHUSS 976.730,92 , 1.406.314,89 ,<br />
AUSGABEN EINNAHMEN<br />
3,3% 3%<br />
Abschreibungen en<br />
40,7%<br />
Sachaufwand<br />
56,0%<br />
Personalaufwand<br />
7%<br />
sonstige Einnahmen me<br />
11%<br />
59% ZEIT-Stifung<br />
Spenden den / Sponsoring<br />
S<br />
22%<br />
Studiengebühren<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZIN 45
Mit einer halben Stunde Verspätung eilt er über den<br />
Campus und breitet vor der hell erleuchteten<br />
Bibliothek die Arme aus: »Da rauchen die Köpfe.«<br />
Der Hamburger Ex-Bürgermeister kramt in seinen<br />
Taschen, um seinen eigenen Bibliotheksausweis zu<br />
präsentieren, fi ndet ihn aber nicht. In der Coff ee<br />
Lounge nimmt Voscherau einen Kaff ee „schwarz,<br />
ohne alles“ und einen Schokokuss<br />
„Die junge Generation ist lockerer. Wir waren<br />
verklemmt, die Welt war enger als heute.“<br />
46 RE.VISION 2009<br />
Herr Voscherau, wenn Sie sich auf dem Gelände<br />
umschauen – hätten Sie hier auch gerne studiert?<br />
Schwer zu sagen. Die Rechtswissenschaft liche Fakultät in<br />
Hamburg war Anfang der Sechzigerjahre auch eine heile<br />
Welt – von den bräunlichen Vergangenheiten mancher<br />
Professoren wussten wir ja nichts. Für uns war entscheidend:<br />
Was haben die Lehrenden drauf? Und das war eine<br />
ganze Menge.<br />
Und wie hoch war der Lernstress?<br />
Sagen wir mal so: Das waren idyllische Zeiten in unserem<br />
kleinen Fachbereich. Im Sommer waren viele schon mittags<br />
am Timmendorfer Strand und badeten in der Ostsee. Es<br />
gab allerdings beklagenswert wenige weibliche Studierende,<br />
weshalb wir oft am Pädagogischen Institut zu fi nden<br />
waren – denn die Lehramtsstudentinnen waren zahlreich.<br />
Das klingt wirklich recht entspannt…<br />
Ja, nur ich war leider nicht entspannt. Mein Vater war<br />
gerade gestorben, wir hatten kein Geld, ich also auch keine<br />
Zeit zu verlieren. Nach sieben Semestern habe ich mich<br />
zum Examen gemeldet. Viele meiner Kommilitonen<br />
konnten dagegen ein Sommersemester in Lausanne<br />
einlegen, sind ein Wintersemester in Innsbruck Ski<br />
gefahren oder haben vier Semester nichts getan. Am Ende<br />
trafen sich dann alle beim Repetitor und holten den<br />
verpassten Stoff wieder rein, oder auch nicht.<br />
Tun Ihnen die heutigen Studenten da nicht manchmal<br />
leid?<br />
Nicht, weil sie viel arbeiten müssen. Sondern weil es diese<br />
Generation im Berufsleben schwerer haben wird. So<br />
zynisch es klingt: Nach dem Krieg gab es eine zerschossene<br />
Generation und dadurch stand den Jüngeren alles off en.<br />
Heute gibt es uns davor, und wir sind sehr zahlreich. Die<br />
jungen Leute haben es schwerer, ihren Platz zu fi nden.<br />
Außerdem ist fraglich, ob wir Europäer unseren Wissensvorsprung<br />
und damit unseren Lebensstandard halten<br />
können.<br />
Und worum beneiden Sie diese Generation?<br />
Sie ist lockerer, selbstbewusster, als wir das waren. Viele,<br />
auch ich, waren verklemmt, mussten sich erst freischwimmen,<br />
und die Welt war enger als heute. Wir waren damals<br />
nirgends willkommen und wurden überall misstrauisch<br />
beäugt. Man trug die Last der Hitler-Verbrechen. Die<br />
heutigen Studenten sind überall im Ausland willkommen,<br />
es kommt nur darauf an, wie sie sich selbst verhalten.<br />
Warum haben Sie ausgerechnet Jura studiert?<br />
So albern es klingt: aus Neigung. Ich habe zuerst Volkswirtschaft<br />
studiert, unter anderem beim späteren<br />
Wirtschaft s- und Finanzminister Karl Schiller, und da<br />
habe ich mich auch mit bürgerlichem Recht und Wirtschaft<br />
srecht beschäft igt. Nach zwei Semestern war mir<br />
klar: Das ist es, was ich will. Also habe ich umgesattelt auf<br />
Jura.<br />
Mit 25 Jahren sind Sie in die SPD eingetreten – weil<br />
Sie eine politische Karriere im Blick hatten?<br />
Nein, das war eine sentimentale Entscheidung. Weil alle<br />
meine Vorfahren bis zurück zu meinem mütterlichen<br />
Urgroßvater seit 1875 Aktivisten der Arbeiterbewegung<br />
waren. Mein Onkel, mein Vater und mein Großvater<br />
waren von den Nazis verfolgt worden. Nachdem alle<br />
gestorben waren, fühlte ich mich verpfl ichtet, das<br />
fortzusetzen. Ich wollte nie Politiker werden, nur ein<br />
Bekenntnis ablegen.<br />
Und heute setzen ausgerechnet Sie als SPD-Politiker<br />
sich für eine Hochschule ein, die viele auch „Elite-<br />
Hochschule“ nennen…<br />
Sozialdemokratische Politik, richtig verstanden, heißt ja<br />
nicht, dass man für die Absenkung des Niveaus ist, bis alle<br />
mitkommen. Sondern es heißt, in einem off enen Bildungssystem<br />
jedem nach seinem Können, seiner Begabung<br />
jegliche Förderung zukommen zu lassen. Damit er es<br />
nach oben schaff en kann, bis er Elite ist: Leistungselite –<br />
nicht Geburtselite! Alles andere wäre eine Pervertierung<br />
der Arbeiterbewegung, der unterdrückten Bildungselite<br />
der Arbeiterschaft .<br />
Ihr Vater war Finanzbeamter und später Schauspieler.<br />
Muss man in der Politik auch Schauspieltalent haben?<br />
Es ist jedenfalls nicht schädlich. Denken Sie nur an so<br />
einen starken Mann wie Helmut Schmidt: Er schimpft<br />
immer über die sogenannten Medienkanzler, aber er war<br />
selber auch einer. Diese schneidenden Auft ritte im<br />
Bundestag – das ist Talent.<br />
Wann mussten Sie Ihr Schauspieltalent einsetzen?<br />
Interview: Thomas Röbke und Alexandra Werdes. Fotos: Odile Hain.
IN HENNING VOSCHERAU, 68,<br />
sehen viele den Hanseaten<br />
par excellence. Als promovierter<br />
Jurist schlug er in seiner<br />
Heimatstadt eine konsequente<br />
politische Laufbahn ein: 1966<br />
wurde er Mitglied der SPD,<br />
acht Jahre später saß er in<br />
der Hamburgischen Bürgerschaft,<br />
nach weiteren acht<br />
Jahren stieg er zum Fraktionschef<br />
auf und wurde 1988 zum<br />
Ersten Bürgermeister gewählt<br />
– mit absoluter Mehrheit. Als<br />
er diese 1997 verlor, verzichtete<br />
er aufs Regieren und<br />
arbeitet seitdem wieder als<br />
Notar. Voscherau war an der<br />
Gründung der <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong><br />
<strong>School</strong> beteiligt und sitzt heute<br />
in ihrem Kuratorium und<br />
Aufsichtsrat.<br />
HENNING<br />
IN DER COFFEE<br />
VOSCHERAU<br />
LOUNGE MIT<br />
BUCERIUS LAW SCHOOL MAGAZIN 47
„Ich habe 2007 Nein gesagt zu dem verlogenen Ansinnen, dass sich da einige<br />
hinter meinem Namen vor der Wut der Basis verstecken wollten.“<br />
48 RE.VISION 2009<br />
Je eher man mit einer Position in der Defensive ist, desto<br />
wichtiger ist es, noch überzeugender aufzutreten. Und das<br />
setzt voraus, dass man knappe Argumente sehr überzeugend<br />
rüberbringt.<br />
Klingt so, als sei das Jura-Studium auch ganz nützlich<br />
gewesen. Brauchen wir mehr Juristen in der Politik?<br />
Mein Freund Helmut Schmidt scherzt immer, alle<br />
Juristen sollte man erschießen; das spricht eher nicht<br />
dafür. Was man tatsächlich nicht braucht, sind diese<br />
kleinkarierten, das Ganze aus dem Auge verlierenden<br />
Paragrafenhengste. Aber wir brauchen Juristen, die das<br />
große ganze und die Gerechtigkeit im Blick haben und<br />
dafür klare Regeln schaff en.<br />
Was würden Sie Studenten raten, die überlegen,<br />
politisch aktiv zu werden?<br />
Auf die Frage „Wie nütze ich meinem Gemeinwesen?“ gibt<br />
es nur eine Antwort: Unbedingt einsteigen! Allerdings ist<br />
der Kampf um den Aufstieg eine Schlangengrube. Jeder<br />
möge sich prüfen, ob er vielleicht zu empfi ndsam ist, zu<br />
dünnhäutig, um mit den Widrigkeiten klarzukommen.<br />
Und ob er glaubt, im Zuge des weiteren Erwachsenwerdens<br />
diese Dünnhäutigkeit überwinden zu können. Ich<br />
war anfangs sehr dünnhäutig.<br />
Was war politisch Ihre aufr egendste Zeit?<br />
Die Wiedervereinigung. Im Auge des Taifuns, aber mit<br />
dem Blickwinkel von unten, aus der kommunalen Ebene.<br />
Das war sehr, sehr aufregend. Gerade als Notar, der viele<br />
Folgen für die Praxis besser beurteilen konnte als die<br />
Staatssekretäre im Bundesministerium. Rückgabe statt<br />
Entschädigung – das war von Anfang an Wahnsinn. Ich<br />
hätte gerne selbst an der Expertenkommission teilgenommen,<br />
die Wolfgang Schäuble damals als Innenminister<br />
leiten sollte. Aber der rief mich an: „Sie wissen, dass ich Sie<br />
nicht akzeptieren kann: Wenn Sie dabei sind, ist das nicht<br />
mehr meine, sondern unsere Kommission.“ Kein Scherz!<br />
Das muss einen doch wahnsinnig machen, wenn juristischer<br />
Sachverstand dem politischen Kalkül nachgeben<br />
muss…<br />
Natürlich. Aber ich bin in Bonn vielfach aufgelaufen.<br />
Bundeskanzler Kohl war übermächtig, keiner hatte den<br />
Mumm, den Mund aufzumachen. Argumente interessierten<br />
nicht, es wurde gemacht, was er wollte.<br />
Es ist schwer, sich würdig aus der Politik zu verabschieden.<br />
Kohl hat so oft kandidiert, bis er abgewählt wurde.<br />
Sie sind 1997 zurückgetreten, um nicht mit den<br />
Grünen koalieren zu müssen…<br />
Naja, ich hatte ja Glück: Ich sollte gar nicht zurücktreten,<br />
habe mich aber aus innerparteilichen Gründen in<br />
Zusammenhang mit Rot-Grün entschieden, dass ich nicht<br />
zur Verfügung stehe. Insofern habe ich keinen Anlass zu<br />
hadern mit dem Abgang.<br />
Haben Sie Ihren Schritt wirklich nie bereut?<br />
In Wahrheit bedaure ich es bis heute. Weil es ja eine Sucht<br />
ist: Wenn man seine Sache gut macht, die Leute einen<br />
mögen und man diese Gestaltungsmöglichkeiten hat,<br />
dann gibt man das nicht freiwillig auf. Aber bereut habe<br />
ich diesen Schritt nie. Die Grünen, die bis ’97 dreimal<br />
gegen mich verloren hatten, wären zwanghaft auf mich<br />
losgegangen. Ich hätte einen viel schlechteren Koalitionsvertrag<br />
bekommen als mein Nachfolger Ortwin Runde.<br />
Bei jeder kontroversen Sachfrage hätten sich die Grünen<br />
und die Linken in der SPD hinter meinem Rücken<br />
geeinigt. Der einzige, der in den Koalitionsausschuss<br />
gegangen wäre und keine Ahnung gehabt hätte, dass das<br />
Ergebnis bereits verabredet wurde, wäre der Bürgermeister<br />
gewesen, nämlich ich. Das wusste ich ganz genau. In<br />
Sachen Rot-Grün waren die Linken in der SPD damals<br />
illoyal, die hätten hemmungslos hinter meinem Rücken<br />
verhandelt.<br />
Und denken Sie manchmal: »Wenn ich noch Bürgermeister<br />
wäre, dann…«<br />
Ja, natürlich. Wenn ich noch Bürgermeister wäre, würde die<br />
U4 nicht teuer in der Hafencity verbuddelt, sondern es gäbe<br />
eine Hochbahn als maritimes Schaufenster. Es gäbe einen<br />
höheren Wohnungsanteil in der Hafencity. Ich hätte das<br />
Operngrundstück in der Innenstadt verkauft und eine<br />
nigelnagelneue Oper am anderen Ende der Hafencity<br />
gebaut. Einen spektakulären Kulturtempel, der vielseitiger<br />
wäre als der Konzertsaal Elbphilharmonie. Denn seit Herr<br />
Pavarotti tot ist, gibt es keinen Sänger im klassischen<br />
Bereich, der sie füllen könnte.<br />
Sie haben off ensichtlich noch Ideen für die Stadt.<br />
Trotzdem: Als Sie von Ihrer Partei zurückgerufen<br />
wurden in die aktive Politik, haben Sie sehr entschieden<br />
Nein gesagt. Warum?<br />
Das hatte eine Vorgeschichte. Ich habe ja nicht Nein<br />
gesagt zu der Aufgabe, die Stadt noch einmal zu gewinnen<br />
und sie zu gestalten. Ich habe nur Nein gesagt zu dem<br />
verlogenen Ansinnen, dass sich da einige hinter meinem<br />
Namen vor der Wut der Basis verstecken wollten, als 2007<br />
bei der Wahl des Spitzenkandidaten eine Urne voll<br />
Stimmzettel geklaut worden war. Die wollten nicht, dass
ich noch mal Bürgermeister werde, die wollten nur, dass<br />
ich ihnen politisch das Leben rette.<br />
Und wenn die SPD Sie bei der nächsten Wahl noch mal<br />
fr eundlich fr agen würde?<br />
Es wird nicht freundlich gefragt. Ich hatte beim letzten<br />
Mal dem Landesvorstand angeboten: Wenn ihr glaubt,<br />
mit mir wären die Chancen deutlich größer, dann schlagt<br />
mich doch mal vor. Das hatte ein mehrmonatiges<br />
öff entliches Mobbing zur Folge. Die werden nicht fragen,<br />
also mache ich mir keine Gedanken.<br />
Voscherau wendet sich vorsichtshalber aus dem Blickwinkel<br />
der Kamera, um von seinem Schokokuss abzubeißen.<br />
Warum tragen Sie den Ehering eigentlich links?<br />
Das kann ich Ihnen genau sagen. Als ich im Juli 1988<br />
gewählt war, sagte mein Vorvorgänger Hans-Ulrich Klose<br />
zu mir: Henning, beim Neujahrsempfang wirst du im<br />
Turmsaal des Rathauses stehen und in der wunderbaren<br />
Demokratietradition dieses off enen Hauses Tausende von<br />
Händen schütteln. Ich gebe dir einen guten Rat: Nimm<br />
den Ring ab! Aber ich habe das vergessen, bis es plötzlich<br />
sehr weh tat und ich froh war, den Ring gerade noch<br />
abzukriegen. Seitdem ist er da. Und auch bei der vielen<br />
Schreiberei heute sitzt der Ring besser links.<br />
Nach so einem Amt – kann man da ganz normal ins<br />
Glied der einfachen Notare zurücktreten?<br />
Das kann man.<br />
Viele Mandanten kommen doch sicher zu Ihnen, weil<br />
sie vom Altbürgermeister betreut werden möchten…<br />
Im Gegenteil. Vielen fällt der Unterkiefer runter, dass ich<br />
wirklich da bin. Die fragen: „Was, so kleine Sachen<br />
machen Sie selbst?“ Mache ich! Grundstückskaufverträge,<br />
Grundschulden, Schenkungen, Dienstbarkeiten,<br />
Wohnrechte, Gesellschaft srecht, alles. Von morgens um<br />
neun bis abends um zehn.<br />
Und was fi nden Sie am spannendsten?<br />
So wie ich gestrickt bin, hängt das nicht am Rechtsgebiet.<br />
Man muss sich für die Menschen interessieren und für<br />
ihre Probleme! Man braucht eine prognostische Fantasie,<br />
um vorwegnehmen zu können, welche Probleme sich<br />
entwickeln könnten, und dagegen eine Firewall zu bauen.<br />
Wie verschaff en Sie sich einen Ausgleich zur Juristerei?<br />
Hockey! Ich war 30 Jahre aktiv und gehörte zu denen, die es<br />
richtig gut konnten. Auf Empfängen erlebe ich immer<br />
wieder, wie sich meine ehemaligen Gegner gegenüber<br />
Journalisten damit hervortun, wo sie überall blaue Flecken<br />
von mir hatten – anstatt mal wieder gegen mich zu spielen!<br />
TERMINE<br />
2<strong>01</strong>0<br />
3. März<br />
6. März<br />
26. März<br />
15. Mai<br />
ABSOLVENTENMESSE<br />
VERLEIHUNG DES BACHELOR OF LAWS (LL.B.)<br />
HOCHSCHULBALL<br />
EHRENDINNER DER ZEIT-STIFTUNG UND DER BUCERIUS LAW SCHOOL<br />
BEWERBUNGSCHLUSS FÜR DAS LL.B.-PROGRAMM<br />
8. bis 10. Juli<br />
AUSWAHLVERFAHREN FÜR DAS LL.B.-PROGRAMM<br />
31. August<br />
GRADUATION CEREMONY BUCERIUS/WHU MASTER OF<br />
LAW AND BUSINESS – JOACHIM HERZ PROGRAM<br />
im September<br />
STIFTERTAG<br />
13. September<br />
STUDIENBEGINN FÜR DEN NEUEN LL.B.-JAHRGANG<br />
24. bis 26. September<br />
BUCERIUS INTERNATIONAL ALUMNI-REUNION<br />
27. September<br />
BEGINN DES HERBSTTRIMESTERS<br />
1. Oktober<br />
AKADEMISCHE FEIER<br />
ERSCHEINUNGSTERMIN RE.VISION 2<strong>01</strong>0<br />
IMPRESSUM<br />
HERAUSGEBER<br />
<strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong> – Hochschule<br />
für Rechtswissenschaft<br />
VERANTWORTLICH FÜR DEN INHALT<br />
Benedikt Landgrebe,<br />
Leitung Hochschulkommunikation<br />
<strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong> (V.i.S.d.P.)<br />
REDAKTIONSLEITUNG<br />
Alexandra Werdes<br />
ART DIRECTION Kai Kullen<br />
FOTOGRAFIE Odile Hain<br />
KORREKTORAT Anke Brodmerkel<br />
ANZEIGEN Martina Plieger<br />
HERSTELLUNG Wolfgang Wagener<br />
(verantw.), Pascal Struckmann<br />
OBJEKTLEITUNG Sirkka Jendis<br />
DRUCK Firmengruppe APPL<br />
kuncke druck GmbH, Kornkamp 24<br />
22926 Ahrensburg<br />
AUSGABE Nr. 1, November 2009<br />
AUFLAGE 5 000<br />
ERSCHEINUNGSWEISE Jährlich<br />
KONTAKT<br />
<strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong><br />
re.vision –<br />
<strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong> <strong>School</strong> Magazin<br />
Jungiusstr. 6, 20355 Hamburg<br />
re.vision@law-school.de<br />
Tel. 040 – 30706-0<br />
BUCERIUS BUCERIUS LAW SCHOOL LAW SCHOOL MAGAZINE MAGAZINE 2009 49 49
NATÜRLICH HATTE ICH LAMPENFIEBER. Mit 27 sollte ich<br />
meine erste Verhandlung leiten, ganz allein – davor hatte<br />
ich immer einen älteren Richter an der Seite, als Rückendeckung.<br />
Ich betrat den Saal und bemerkte sofort, dass ich<br />
der Jüngste im Raum war. Die Anwälte, der Kläger, der<br />
Beklagte, die Schreib kraft – alle waren älter als ich. Ich<br />
hatte es so erwartet, trotzdem war es ein kleiner Schock.<br />
Ich hatte nur meinen Tisch und meine Robe als Barriere<br />
zu ihnen. Aber mit meiner Robe kam ich mir eher<br />
verkleidet vor. Und ich war unsicher, ob ich alles richtig<br />
machen würde. Der Anspruch kam mir auf einmal so<br />
hoch vor: Ich soll jetzt klären, was richtig ist, wer recht hat?<br />
Den Fall kannte ich nur aus der Akte: eine Räumungsklage,<br />
der Mieter hatte nicht gezahlt. Dann, in der<br />
Verhandlung, war die Begegnung mit dem Menschen<br />
hinter der Akte bewegend. Der Beklagte hat mir eindringlich<br />
klargemacht, dass er nicht weiß, wo er hin soll, wenn<br />
er seine Wohnung verliert. Doch er hatte die schlechteren<br />
Karten: Er musste raus. Und ich musste ihm auch noch<br />
erklären, dass es in seinem eigenen Interesse ist, das so zu<br />
akzeptieren – sonst hätte er höhere Verfahrenskosten<br />
zahlen müssen.<br />
In dieser Situation fühlte ich mich überfordert, auch<br />
gegenüber den erfahrenen Kollegen im Raum. Ich wusste<br />
nicht, ob sie mich und meine Leitung anerkennen. Und da<br />
ist etwas sehr Schönes passiert: Ich blickte zufällig auf den<br />
Bildschirm der Protokollkraft neben mir, eine ältere, sehr<br />
erfahrene Frau. Und sie tippte: „Sie machen das sehr gut!“<br />
Das hat mir Mut gemacht.<br />
50 RE.VISION 2009<br />
In den folgenden Verhandlungen blieb die Unsicherheit<br />
trotzdem erst einmal. Erst über Wochen und Monate<br />
trainiert man sich die nötige Selbstsicherheit und eine<br />
gewisse Autorität an. Das Studium kann einem die<br />
Sicherheit nur auf fachlicher Ebene geben. Auf die reale<br />
Situation aber kann man sich nicht vorbereiten, denke ich,<br />
man kann diese Konfrontation auch nicht üben. Es ist nun<br />
mal ein Sprung ins kalte Wasser. Natürlich ist man da<br />
überfordert. Aber man darf dem Gefühl der Überforderung<br />
nicht verfallen. Das Recht erschließt sich einem und weist<br />
einem den Weg.<br />
Heute fühle ich mich respektiert und akzeptiert. Ich habe<br />
gelernt, allein durch mein Auft reten zu zeigen, dass ich<br />
derjenige bin, der im Saal das Sagen hat. Die Robe schafft da<br />
eine gewisse Distanz, das fi nde ich wichtig, auch für mich<br />
selbst. Schließlich trägt man doch eine große Verantwortung!<br />
Aber dieses Wissen kann ich mittlerweile im Gericht<br />
lassen und nehme es gedanklich nicht mit nach Hause.<br />
Das war bei meiner ersten Verhandlung, der Räumungsklage,<br />
anders. Sie ging mir sehr nahe. Es war Winter und ich<br />
wusste nicht, ob der Beklagte noch rechtzeitig eine Bleibe<br />
gefunden hatte oder jetzt auf der Straße lebte. Das empfand<br />
ich gerade am Wochenende, wenn ich im Warmen und<br />
Trockenen saß, als sehr belastend.<br />
Auch jetzt, zwei Jahre später, bin ich mir immer noch sehr<br />
bewusst darüber, was ich da mache. Dass ich über Schicksale<br />
entscheide. Meine Sinne hat dieser erste Tag als Richter<br />
jedenfalls geschärft . Das gibt Demut. Und die gehört dazu.<br />
Als Absolvent des<br />
Gründungsjahrgangs 2000<br />
war Malte Thies der Erste,<br />
der aus der <strong>Bucerius</strong> <strong>Law</strong><br />
<strong>School</strong> ins Berufsleben<br />
entlassen wurde.<br />
UND,<br />
WIE WAR ICH?<br />
MALTE THIES ÜBER SEINE PREMIERE ALS RICHTER<br />
Protokoll: Jenny Niederstadt. Foto: Odile Hain.
Ich will,<br />
dass mein<br />
Vermögensberater<br />
gute<br />
Verbindungen<br />
hat.<br />
Vor allem<br />
zu mir.<br />
Sie wollen einen Vermögensberater, der nie vergisst, dass die wichtigste finanzielle Verbindung die Verbindung zu<br />
Ihnen ist. Der versteht, dass Ihre finanzielle Situation einzigartig ist. Jemand, der weiß, dass die wichtigsten Dinge<br />
im Leben nie in einer Bilanz zu finden sind. Denn nur ein tiefgreifendes Verständnis Ihrer Wünsche kann Ihnen die<br />
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genau diese Art von Beziehung zu jedem unserer Kunden zu pflegen. Eine Beziehung, gestützt durch mehr als<br />
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UBS ist ein weltweit führender Finanzdienstleister. Zu unserem Angebot gehören: Wealth Management für Privatkunden, Asset Management und Investment Banking für Unternehmen und<br />
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