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Thieme: Innere Medizin - Buchhandel.de

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212 10 Arterien10.3 Periphere arterielleVerschlusskrankheit (PAVK)engl.: Peripheral Arterial Disease (PAD)10.3.1 GrundlagenDefinition. Chronische, meist arteriosklerotische(> 95%), selten entzündliche Gefäßverschlüsse imBereich <strong>de</strong>r Becken- und Beinarterien.Epi<strong>de</strong>miologieDie periphere arterielle Verschlusskrankheit gehörtzu <strong>de</strong>n häufigsten Gefäßerkrankungen im klinischenAlltag. Die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r PAVK wird von Ärzten undPatienten unterschätzt:● Die Prävalenz <strong>de</strong>r PAVK ist altersabhängig undsteigt mit höherem Lebensalter an.● Ca. 2,2% aller Männer und 1,8% aller Frauen sindbetroffen.● Pro Jahr wer<strong>de</strong>n in Deutschland ca. 35 000 Amputationenaufgrund einer PAVK vorgenommen,wobei Diabetiker ein min<strong>de</strong>stens 15-mal höheresAmputationsrisiko haben.● Patienten mit PAVK haben häufig gleichzeitigeine koronare Herzkrankheit (> 50%) und zerebraleDurchblutungsstörungen. Aus diesemGrund ist ihre Lebenserwartung (unbehan<strong>de</strong>lt)um 10 Jahre geringer als die <strong>de</strong>r Normalbevölkerung.70% <strong>de</strong>r Patienten sterben an einer koronarenHerzkrankheit.● Die Sterblichkeit <strong>de</strong>r PAVK-Patienten ist im Vergleichzu <strong>de</strong>n Patienten ohne PAVK verdreifacht,die kardiovaskuläre Mortalität sogar vervierfacht.● !Die PAVK ist eine wichtige „Markererkrankung“für eine hohe Gefährdung <strong>de</strong>s Patienten!ÄtiopathogeneseBeson<strong>de</strong>rs häufig fin<strong>de</strong>t sich eine PAVK bei Patientenmit <strong>de</strong>n Risikofaktoren Nikotinabusus, Hypertonie,Diabetes mellitus, Hyperlipoproteinämie, Hyperhomozysteinämieund Hyperfibrinogenämie. Durchdiese Risikofaktoren kommt es zum arteriosklerotischenUmbau an <strong>de</strong>n Gefäßen, <strong>de</strong>r über Jahre zurEinengung o<strong>de</strong>r zum Verschluss <strong>de</strong>s Gefäßes führt.KlinikErst bei Stenosen, die das Lumen zu über 50% verschließen,führt <strong>de</strong>r Sauerstoffmangel zu <strong>de</strong>n typischenSymptomen <strong>de</strong>r Ischämie. Dazu gehörenSchmerzen in <strong>de</strong>n Muskelgruppen distal <strong>de</strong>s Gefäßverschlusses,vorwiegend unter Belastung. Beischwerer PAVK bestehen meist (nächtliche) Ruheschmerzenim Fuß o<strong>de</strong>r ischämische Ulzera an <strong>de</strong>nunteren Extremitäten.Die Klassifikation <strong>de</strong>r PAVK erfolgt u. a. nach Fontaine(Tab. 10.1).Tab. 10.1Klassifikation <strong>de</strong>r PAVK nach <strong>de</strong>n Fontaine-Stadien und Rutherford-KategorienFontaineStadium Klinik Kategorie KlinikI asymptomatisch 0 asymptomatischII a Gehstrecke > 200 m 1 leichte Claudicatio intermittensII b Gehstrecke < 200 m 2 mäßige Claudicatio intermittens3 schwere Claudicatio intermittensIII ischämischer Ruheschmerz 4 ischämischer RuheschmerzIV Ulkus, Gangrän 5 kleinflächige Nekrose6 großflächige Nekroseaus: Greten u. a., <strong>Innere</strong> <strong>Medizin</strong> (ISBN 9783135522135) © 2010 Georg <strong>Thieme</strong> Verlag KG


Periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) 213a Auskultationsarealeb Palpationspunktec PalpationstechnikA. carotisA. subclaviaA. temporalisA. maxillarisA. carotis communisA. subclaviaA. axillarisBA. brachialisAorta undMesenterialarterienA. axillarisA. brachialisAortaA. brachialisA. renalisA. femoralisA. radialisA. ulnarisAa. iliacaeA. ulnarisA. femoralisA. popliteaA. popliteaA. popliteaA. tibialispost.A. tibialis posteriorA. fibularisA. dorsalis pedisA. dorsalispedisAbb. 10.3 Palpation und Auskultation <strong>de</strong>r peripheren Arterienpulse. Die Arterienpulse wer<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>n typischenPunkten von <strong>de</strong>r A. temporalis bis hinunter zur A. dorsalis pedis seitenvergleichend getastet. Distal einer Stenose o<strong>de</strong>reines Verschlusses ist <strong>de</strong>r Puls abgeschwächt o<strong>de</strong>r fehlt ganz.10.3.2 DiagnostikDie Diagnostik <strong>de</strong>s Patienten mit PAVK soll stadienundpatientenorientiert sein. Zu Beginn <strong>de</strong>r Untersuchungstehen Inspektion, seitenvergleichen<strong>de</strong> Palpation,Auskultation <strong>de</strong>r Extremitätenarterien sowie<strong>de</strong>r Ratschow-Test (s. S. 210).● !Patienten mit PAVK lei<strong>de</strong>n oft an weiteren Gefäßverengungen.Daher muss man unbedingt auchnach Symptomen wie Angina pectoris fragen.Klinische Untersuchung.● Inspektion: z. B. kalte Füße, Nagelverdickungen,„Beinglatze“ auf <strong>de</strong>r Vor<strong>de</strong>rseite <strong>de</strong>s Schienbeins,Turgor (vermehrt bei kritischer Extremitätenischämie).● Gefäßauskultation: Strömungsgeräusche im Verlauf<strong>de</strong>r Becken- und Beinarterien (Abb. 10.3 a)● Pulstastbefund: Die Pulse wer<strong>de</strong>n seitvergleichendpalpiert (Abb. 10.3 b, c), um z. B. eine Pulsmin<strong>de</strong>rungo<strong>de</strong>r fehlen<strong>de</strong> Pulse (bei Stenose) zudiagnostizieren und so die Lokalisation und <strong>de</strong>nGrad <strong>de</strong>s Verschlusses und damit <strong>de</strong>n jeweiligenVerschlusstyp (Tab. 10.2) festzustellen. Prädilektionsstellenbeim Nichtdiabetiker sind z. B. die Be-aus: Greten u. a., <strong>Innere</strong> <strong>Medizin</strong> (ISBN 9783135522135) © 2010 Georg <strong>Thieme</strong> Verlag KG


214 10 ArterienTab. 10.2Verschlusstypen bei PAVKTyphäufigkeit Lokalisation fehlen<strong>de</strong> Pulse IschämieschmerzBeckentyp (35 %) aortoiliakal ab Leiste Oberschenkel, HüfteOberschenkeltyp (50 %) femoropopliteal ab A. poplitea Wa<strong>de</strong>peripherer Typ (15 %) Unterschenkel-/Fußarterien Fußpulse FußsohleMehretagentyp (ca. 20 %)3050556051050556051050556051045154515451540s2040s2040s202 Minuten35302535 3025353025physiologisch normale diffuse Rötung VenenfüllungHautfarbepathologisch Blässe persistieren<strong>de</strong>Blässeverspätete RötungverspäteteVenenfüllungAbb. 10.4Ratschow-Lagerungsprobe mit Abblassen <strong>de</strong>s rechten Fußes.cken- und Oberschenkelarterien im Bereich <strong>de</strong>sAdduktorenkanals. Beim Diabetiker sind auch<strong>de</strong>r Abgang <strong>de</strong>r A. profunda femoris und vorallem die Unterschenkelarterien befallen. JungeRaucher haben vorwiegend Läsionen im Bereich<strong>de</strong>r distalen Bauchaorta und <strong>de</strong>r Beckenarterien.● Ratschow-Lagerungsprobe (Abb. 10.4): Zunächstwer<strong>de</strong>n die Beine hochgelagert, <strong>de</strong>r Patient führtkreisen<strong>de</strong> Bewegungen durch. Bei Ischämie hatdies das Abblassen <strong>de</strong>s betroffenen Fußes (auch<strong>de</strong>r Fußsohle) und Schmerzen zur Folge. Anschließendlässt <strong>de</strong>r Patient die Beine herabhängen:Am ischämischen Bein kommt es zu einerverspäteten reaktiven Hyperämie (Rötung <strong>de</strong>s gesun<strong>de</strong>nBeins erfolgt nach 5 sec) und Venenfüllung(die Venen <strong>de</strong>s gesun<strong>de</strong>n Beines sind nach10 sec wie<strong>de</strong>r gefüllt).Apparative Untersuchungen. Anhand <strong>de</strong>r Dopplersonografiewird <strong>de</strong>r Knöchel-Arm-In<strong>de</strong>x berechnet(ABI, s. S. 211). Der ABI ist <strong>de</strong>r geeignete Parameterzur Erfassung <strong>de</strong>s kardiovaskulären Risikos hinsicht-aus: Greten u. a., <strong>Innere</strong> <strong>Medizin</strong> (ISBN 9783135522135) © 2010 Georg <strong>Thieme</strong> Verlag KG


Periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) 215lich Morbidität und Mortalität bei Patienten mitPAVK und die wichtigste Metho<strong>de</strong> zum Nachweiseiner PAVK (Abb. 10.5). Der Quotient aus Fußdruck/Oberarmdruck erlaubt die genaue Bestimmung <strong>de</strong>sSchweregra<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r PAVK (insbeson<strong>de</strong>re bei Messungnach Belastung, z. B. durch <strong>de</strong>n Gehtest, s. u.). Normalerweiseliegt <strong>de</strong>r Quotient von Fußdruck/Oberarmdruckbei 1, bei PAVK < 0,9. Im Fontaine-StadiumIII liegt <strong>de</strong>r Fußarteriendruck bei 50 mmHg, beiWerten ab 40 mmHg liegt eine vitale Gefährdung<strong>de</strong>s Unterschenkels und Fußes vor.Die konventionelle und insbeson<strong>de</strong>re die farbkodierteDuplexsonografie (FKDS) sind als nicht invasiveund beliebig wie<strong>de</strong>rholbare Metho<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>r angiologischenDiagnostik nicht mehr wegzu<strong>de</strong>nken.Beson<strong>de</strong>rs bewährt hat sich die Metho<strong>de</strong> zur Diagnostikvon Aneurysmata (z. B. Poplitealaneurysma),zur Erfassung <strong>de</strong>r hämodynamischen Wirksamkeitvon Iliakalstenosen, von Beckenarterienstenosenund z. B. zur Kontrolle <strong>de</strong>r Durchgängigkeit von Bypässen.Durch die Oszillografie, d. h. die mechanische o<strong>de</strong>relektronische Pulsschreibung, kann das arterielleStrombahnhin<strong>de</strong>rnis im Seitenvergleich erheblichexakter als durch <strong>de</strong>n Pulstastbefund lokalisiertwer<strong>de</strong>n (bei je<strong>de</strong>m Verdacht auf eine PAVK indiziertalternativ und komplementär zur Doppler-Druckmessung).Gehtest, Laufbandtest. Der Geh- o<strong>de</strong>r Laufbandtestist bei je<strong>de</strong>m Patienten indiziert, <strong>de</strong>r über PAVK-verdächtigeBelastungsschmerzen klagt (Stadium IInach Fontaine). Durchführung:● Gehtest: Kontrollierte Gehprobe; bei vorgegebenerGeschwindigkeit (80 Schritte/min) wirddie Strecke ermittelt, die <strong>de</strong>r Patient auf <strong>de</strong>rEbene bis zum Auftreten von Belastungsschmerzenzurücklegen kann (s. S. 212).● Laufbandtest: Der Gehtest kann auch auf <strong>de</strong>mLaufband erfolgen. Dort wird standardisiert (z. B.Geschwindigkeit 3 km/h und 12% Steigung) dieschmerzfreie (S 1 ) und maximale Gehstrecke (S 2 )bestimmt.Abb. 10.5 Messung <strong>de</strong>s Knöchel-Arm-In<strong>de</strong>xes. Anlage<strong>de</strong>r pneumatischen Manschette so weit distal wie möglich.Lokalisation <strong>de</strong>s arteriellen Strömungsgeräusches über <strong>de</strong>rA. tibialis posterior.BAngiografie. Die konventionelle Becken-Bein-Angiografie(in intraarterieller digitaler Subtraktionsangiografie(DSA)-Technik) mit einem transfemoraleingeführten und in <strong>de</strong>r distalen Bauchaorta platziertenKatheter ermöglicht eine Übersicht über diewichtigsten Gefäßabschnitte (Abb. 10.6) Die Angiografiewird präoperativ durchgeführt, um <strong>de</strong>n betroffenenGefäßabschnitt exakt zu lokalisieren undAbb. 10.6 Angiografie bei PAVK. Angiografie <strong>de</strong>r Aortaund <strong>de</strong>r Beckenarterien (seitlich herausgedreht) mit multiplenStenosen. Schmerzfreie Gehstrecke <strong>de</strong>s 46-jährigenPatienten nur ca. 40 m.aus: Greten u. a., <strong>Innere</strong> <strong>Medizin</strong> (ISBN 9783135522135) © 2010 Georg <strong>Thieme</strong> Verlag KG


216 10 ArterienTab. 10.3Differenzialdiagnose <strong>de</strong>r PAVKErkrankung Be<strong>de</strong>utung KommentarLWS-SyndromPolyneuropathieArthritisArthrosenFuß<strong>de</strong>formitätenWurzelreizsyndromMeralgia paraesthetica+++++++++++++++Schmerzen treten typischerweise schon beim ersten Schritt auf (diePAVK ist durch einen Latenzschmerz gekennzeichnet)Mediasklerose(syn. Mönckeberg-Sklerose)popliteales Entrapment-Syndrom (PAES)Zystische Adventitia<strong>de</strong>generation<strong>de</strong>r A. poplitea++ Arteriosklerose, bei <strong>de</strong>r die Muskelzellen mittelkalibriger Arterien <strong>de</strong>generierenund spangenförmig verkalken („Gänsegurgelarterien“);tritt häufig bei Diabetikern auf+ Kompression <strong>de</strong>r anatomisch korrekt o<strong>de</strong>r atypisch verlaufen<strong>de</strong>n A.poplitea durch aberrante muskuläre o<strong>de</strong>r bin<strong>de</strong>gewebige Strukturen;meist belastungsinduzierte Durchblutungsstörungen. Oft jüngereSportler.+ ektope solitäre o<strong>de</strong>r multiple Einlagerung von muzinproduzieren<strong>de</strong>nSynovialzellen in die Adventitia <strong>de</strong>r A. popliteadie Therapie zu planen. Weiterhin ist sie die Grundlagefür die Durchführung endovaskulärer Interventionen.MR-Angiografie. Zunehmend setzt sich die MR-Angiografiedurch (s. S. 211).→ Zur Differenzialdiagnose s. Tab. 10.3.10.3.3 TherapieDie Therapieentscheidung hängt vom Beschwer<strong>de</strong>bild,<strong>de</strong>r individuellen Situation <strong>de</strong>s Patienten (Beruf,Hobbys) sowie von <strong>de</strong>r Lokalisation und <strong>de</strong>rMorphologie <strong>de</strong>r Stenosen bzw. Verschlüsse ab.Konservative, endovaskuläre und gefäßchirurgischeTherapiemaßnahmen stehen zur Verfügung. Die Behandlungszielesind:● Hemmung <strong>de</strong>r Progression <strong>de</strong>r PAVK● Risikoreduktion vaskulärer Ereignisse● Reduktion kardiovaskulärer und zerebrovaskulärerEreignisse● Verbesserung von Belastbarkeit, Gehleistung undLebensqualitäteine Sekundärprävention mit Thrombozytenfunktionshemmern(Acetylsalicylsäure 100 mg/d, Clopidogrel).Auch Phosphodiesterasehemmer wie Cilostazolmit vasodilatieren<strong>de</strong>n und thrombozytenfunktionshemmen<strong>de</strong>nEigenschaften können verabreichtwer<strong>de</strong>n.Die parenterale o<strong>de</strong>r orale Verabreichung von vasoaktivenMedikamenten wie Naftidrofuryl und Einsatzvon intravenösen Prostaglandin-E 1 -Infusionen(Prostavasin) erfolgt vor allem bei Claudicatio intermittensmit kurzen schmerzfreien Gehstreckensowie im Fontaine-Stadium III und IV (kritische Extremitätenischämie).● !Praktische Empfehlungen für <strong>de</strong>n Patienten:● ständige Inspektion <strong>de</strong>r Füße● keine lokale Wärmeanwendung (Heizkissen,Wärmflasche etc.)● Vorsicht bei <strong>de</strong>r Pediküre● Fußmykosen behan<strong>de</strong>ln● gut passen<strong>de</strong>s, nicht einengen<strong>de</strong>s Schuhwerk● nicht barfuß gehenKonservative TherapiemaßnahmenEin suffizientes Risikofaktorenmanagement (→ Ätiologie)sowie Geh- und Bewegungstraining sind wichtigekonservative Maßnahmen. Außer<strong>de</strong>m erfolgtLumeneröffnen<strong>de</strong> MaßnahmenVerschie<strong>de</strong>ne Metho<strong>de</strong>n, um das verschlosseneLumen wie<strong>de</strong>rzueröffnen, stehen ebenfalls zur Verfügung:aus: Greten u. a., <strong>Innere</strong> <strong>Medizin</strong> (ISBN 9783135522135) © 2010 Georg <strong>Thieme</strong> Verlag KG


Periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) 217● perkutane transluminale Angioplastie (PTA) zurGefäßerweiterung (Indikation: v. a. kurze, isolierteStenosen); mögliche Verfahren: Ballondilatation,Atherektomie nach Simpson, Rotationsangioplastie,Laserangioplastie, Implantation von Gefäßstützen(Stent).● Aspirations-Embolektomie zum Absaugen <strong>de</strong>sthromboembolischen Materials aus <strong>de</strong>m verengtenGefäß.● systemische Fibrinolysetherapie o<strong>de</strong>r lokale KatheterlyseAuch diverse chirurgische Maßnahmen kommen zurAnwendung, z. B. die Thrombendarteriektomie(TEA) o<strong>de</strong>r Bypassverfahren mit autologem Venenmaterialbzw. Kunststoffprothesen.Das Risiko <strong>de</strong>r Therapie muss gegen die Schwereund die Prognose <strong>de</strong>r Erkrankung kritisch abgewogenwer<strong>de</strong>n. Sowohl gefäßchirurgische als auchendovaskuläre arterielle Rekonstruktionen beiPAVK sollten das Ergebnis einer interdisziplinären,stadiengerechten Abwägung zwischen Aufwand, Risikound Ergebnis sein.Bei Claudicatio intermittens kann in <strong>de</strong>r Regel konservativ(Gehtraining, vasoaktive Medikamente) behan<strong>de</strong>ltwer<strong>de</strong>n. In fortgeschrittenen Claudicatio-Stadien können eine Bypassoperation o<strong>de</strong>r Katheterinterventionin Erwägung gezogen wer<strong>de</strong>n, auchunter Berücksichtigung von Beruf, Hobby, Alter undVorhan<strong>de</strong>nsein einer Vene für die Operation.Im Stadium III und IV sollte zunächst immer undunverzüglich eine lumeneröffnen<strong>de</strong> Therapie angestrebtwer<strong>de</strong>n. Sowohl bei Patienten mit Claudicatiointermittens als auch bei Patienten mit kritischerExtremitätenischämie nimmt die endovaskuläre Behandlungaufgrund ihrer Minimal-Invasivität einenimmer größer wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Stellenwert ein.● !Zur Koinzi<strong>de</strong>nz arterieller Durchblutungsstörungen:Patienten im Stadium <strong>de</strong>r Claudicatio intermittenshaben in > 50 % <strong>de</strong>r Fälle ebenfalls eine koronareHerzkrankheit. Im Stadium <strong>de</strong>r kritischen Extremitätenischämie(Stadium III und IV nach Fontaine)liegt in 90% <strong>de</strong>r Fälle eine koronare Herzkrankheitvor. Auch die hirnzuführen<strong>de</strong>n Arterienmüssen untersucht wer<strong>de</strong>n (Doppler-/Duplexsonografie).Sonografisch muss ein Bauchaortenaneurysmaausgeschlossen wer<strong>de</strong>n.Klinischer FallDer 37 Jahre alte Herr O. wird von seinem Hausarztbei bekannter arterieller Verschlusskrankheit und nunkritischer Ischämie am rechten Fuß in die angiologischeAbteilung überwiesen. Herr O. raucht seit vielenJahren exzessiv. Nun hat er Schmerzen im rechten Fußund kann kaum noch gehen. Der aufnehmen<strong>de</strong> Arztuntersucht einen leicht adipösen Patienten in reduziertemAllgemeinzustand. Die Finger sind diskret livi<strong>de</strong>bei erhaltener Trophik. Der rechte Fuß präsentiertsich livi<strong>de</strong> mit kritischer Ischämie (Fußpulse nicht tastbar)mit multiplen Verrucae plantares. An <strong>de</strong>r Fußsohleist eine etwa 0,5 cm große Ulzeration mit beginnen<strong>de</strong>rInfektion nachweisbar. Am linken Fuß sind diePulse schwach palpabel. Die restliche körperliche Untersuchungist unauffällig. Insbeson<strong>de</strong>re sind dieHaut- und Schleimhautverhältnisse unauffällig, es ergibtsich kein Anhalt für eine Sicca-Symptomatik.Angesichts <strong>de</strong>r Symptomatik diagnostiziert <strong>de</strong>r Arztbei Herrn O. eine periphere arterielle Verschlusskrankheitim Stadium IV. Die Dopplerdruckmessung untermauertdie kritische Ischämie <strong>de</strong>r rechten Extremität(A. brachialis: 150 mmHg, A. tibialis posterior50 mmHg, A. tibialis posterior 40 mmHg). Im Farbduplexsind die A. femoralis communis und A. profundafemoris ohne durchgängig, d. h. es ist keineStenose nachweisbar. Ab <strong>de</strong>r A. femoralis superficialis2 und <strong>de</strong>r A. poplitea ist <strong>de</strong>r Blutfluss unterbrochen.Die A. tibialis anterior ist proximal wie<strong>de</strong>r aufgefüllt.A. tibialis posterior und A. fibularis sind verschlossen.Linksseitig sind die A. tibialis anterior und posteriorverschlossen.Nun beginnt die Suche nach <strong>de</strong>n Ursachen <strong>de</strong>s frühenKrankheitsbeginns. Herr O. wird sorgfältig auf möglicheweitere Risikofaktoren untersucht. Dabei sindLangzeit-EKG, Blutzuckertagesprofil und die Blutfetteunauffällig. Auch die restlichen Laborwerte liegen imNormbereich. Im spezifischen Labor sind Faktor Vsowie Prothrombin-Gen-Mutationen nicht nachweisbar,ein Antiphospholipidsyndrom kann ausgeschlossenwer<strong>de</strong>n. Allerdings ergibt sich ein grenzwertigpositives ANA-Screening, das auf autoimmune Krankheitenund hier im beson<strong>de</strong>ren auf einen SLE hin<strong>de</strong>utenkönnte.Angesichts <strong>de</strong>s jungen Alters und <strong>de</strong>m Nikotinabusus<strong>de</strong>s Patienten stellen die behan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Ärzte zunächst<strong>de</strong>n Verdacht auf eine Thrombangiitis obliterans,einen Morbus Winiwarter-Bürger. Herrn O. wirddringend geraten das Rauchen einzustellen. Er bekommtnun eine hochdosierte Infusionstherapie zurDurchblutungsbesserung mit Prostaglandin und Urokinase.Wegen <strong>de</strong>r beginnen<strong>de</strong>n Infektion am rechtenFußgewölbe wird bei Herrn O. eine Antibiose mit Mo-Baus: Greten u. a., <strong>Innere</strong> <strong>Medizin</strong> (ISBN 9783135522135) © 2010 Georg <strong>Thieme</strong> Verlag KG


218 10 Arterienxifloxacin angesetzt. Darunter bessern sich dieSchmerzen <strong>de</strong>s Patienten allmählich und er wird wie<strong>de</strong>rmobiler. Zu<strong>de</strong>m heilt die Ulzeration langsam ab.Kurz vor <strong>de</strong>r Entlassung wird <strong>de</strong>r junge Mann mitadäquatem Schuhwerk versorgt.Ein Jahr später stellt sich Herr O. erneut in <strong>de</strong>r angiologischenAbteilung vor. Er hat inzwischen das Rauchenaufgegeben. Wegen seines Zustan<strong>de</strong>s ist er zunehmend<strong>de</strong>pressiv und drängt auf eine Bypassoperation,um endlich wie<strong>de</strong>r mobiler zu sein. An <strong>de</strong>r Basisvon DI/Fußrücken ist ein trockenes, schuppiges Ulkusin <strong>de</strong>r Größe einer 2-Euro-Münze nachweisbar. DieDopplerdrücke <strong>de</strong>s rechten Beines haben sich leichtverschlechtert (A. tibialis anterior: 30 mmHg, A. tibialisposterior 40 mmHg bei 150 mmHg in <strong>de</strong>r rechtenA. brachialis). Die Befun<strong>de</strong> im Farbduplex sind im Wesentlichengleich geblieben. Angesichts <strong>de</strong>r fehlen<strong>de</strong>ntypischen TAO-Kollaterisierung am Unterschenkel und<strong>de</strong>s in <strong>de</strong>r Voruntersuchung gefun<strong>de</strong>nen grenzwertigenANA-Wertes wird nun die weitere Stufendiagnostikzum Ausschluss von Kollagenosen angeschoben.Dabei sind erneut niedrigtitrige Autoantikörper nachweisbar.(ANA 1:320, und Ro/SS- Ab 52, CardiolipinIgM 62) bei unauffälligem cANCA und pANCA. Dievorherige Arbeitsdiagnose einer Thrombangiitis obliteransist durch die immunologische Untersuchungnun in Frage gestellt. Mögliche Ursache für die frühepAVK von Herrn O. könnte also auch eine Kollagenosesein. Die Angiographie ergibt, dass eine Bypass-OP<strong>de</strong>r A. femoralis superficialis das Bein gut revaskularisierenwür<strong>de</strong>. Deshalb raten die Ärzte Herrn O. zueiner Revaskularisierungsoperation. Bis dahin erwägensie, ob Herr O. präoperativ mit einer Kortisontherapiebeginnen soll.10.4 Akuter Arterienverschlussengl.: acute arterial occlusion, acute leg ischaemiaDefinition. Der akute arterielle Gefäßverschluss entstehtin mehr als 80% <strong>de</strong>r Fälle durch eine arterielleThromboembolie. Emboliequellen sind in 90% <strong>de</strong>rFälle das Herz (Infarkt, schwere Herzinsuffizienz,Vorhofflimmern, Mitralklappenfehler, Endokarditis,Herzklappenersatz mit Kunststoffprothese, Aneurysmen,nach Infarkt) sowie die großen Gefäße.In ca. 20% <strong>de</strong>r Fälle führt eine lokale, auf eine vorbestehen<strong>de</strong>Läsion aufgepfropfte Thrombose zumGefäßverschluss. Je nach Lokalisation entsteht bei<strong>de</strong>r arteriellen Embolie ein komplettes o<strong>de</strong>r inkomplettesIschämiesyndrom.Epi<strong>de</strong>miologie. Am häufigsten kommt <strong>de</strong>r akute Arterienverschlussbei Patienten bei<strong>de</strong>r Geschlechterim Alter zwischen 60 und 70 Jahren vor.Ätiopathogenese. Meistens ist die untere Extremitätbetroffen. Beson<strong>de</strong>rs oft bil<strong>de</strong>n sich die Verschlüssean bereits arteriosklerotisch verän<strong>de</strong>rtenGefäßabschnitten und an Verzweigungsstellen (Femoralisgabelund Trifurkation im Unterschenkel).Klinik. Bei einem akuten Arterienverschluss <strong>de</strong>r Extremitätendurch Embolie treten typische klinischeSymptome auf, die 6P(nach Pratt):● pain – sehr starker Schmerz● paleness – Hautblässe● paresthesia – Missempfindungen● pulselessness – Pulsverlust● paralysis – Lähmung● prostration – Schock● !Die akute arterielle Embolie ist ein Notfall undbedarf sofortigen Han<strong>de</strong>lns mit unverzüglicher Einweisungin ein Gefäßzentrum.Die Embolie darf nicht mit einer Thrombose verwechseltwer<strong>de</strong>n. Anhand ihrer Symptomatik lassendiese sich gut voneinan<strong>de</strong>r abgrenzen:● Embolie: plötzliche Symptomatik, meist kardialeVorerkrankung● Thrombose: langsamer einsetzen<strong>de</strong> Symptomatik,meist arterielle Verschlusskrankheit vorbestehend● !Diagnostik und Therapie.Beim akuten Gefäßverschluss kein Zeitverlustdurch aufwändige Diagnostik!Behandlungsziele beim akuten Gefäßverschluss sinddie schnelle Wie<strong>de</strong>reröffnung <strong>de</strong>r arteriellen Gefäßstrombahn,<strong>de</strong>r Erhalt <strong>de</strong>r Extremität und die Vermeidungtherapiebedingter Komplikationen.Bereits ambulant sollten Anamnese und körperlicheUntersuchung erfolgen, um so eine erste Lokalisation<strong>de</strong>r Stenose durch <strong>de</strong>n Pulstastbefund zu ermöglichen(s. Abb. 10.3). Auch eine adäquate Schmerzbehandlung(z. B. mit Morphin) ist erfor<strong>de</strong>rlich. Alsweitere allgemeine Maßnahmen sind angezeigt:● sofortige Heparinisierung (Prophylaxe im Hinblickauf weitere Embolie bzw. Thrombusbildung),aus: Greten u. a., <strong>Innere</strong> <strong>Medizin</strong> (ISBN 9783135522135) © 2010 Georg <strong>Thieme</strong> Verlag KG

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