IN FO IN FO - service.bistumlimburg.de - Bistum Limburg
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<strong>IN</strong><strong>FO</strong><br />
1-2/2007<br />
36. Jahrgang<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong>RMATIONEN<br />
FÜR RELIGIONS-<br />
LEHRER<strong>IN</strong>NEN UND<br />
RELIGIONSLEHRER<br />
BISTUM LIMBURG<br />
Quo vadis –<br />
Religionspädagogik?<br />
Einng<br />
In Kooperation mit <strong>de</strong>m<br />
Pädagogischem Zentrum <strong>de</strong>r<br />
Bistümer im Lan<strong>de</strong> Hessen
EDITORIAL<br />
© shotshop.com<br />
Seit PISA ist nichts mehr wie zuvor. Mit <strong>de</strong>m Start <strong>de</strong>r ersten<br />
PISA-Studie im Jahr 2000 ist eine gesellschaftliche Groß<strong>de</strong>batte über <strong>de</strong>n<br />
richtigen Weg aus <strong>de</strong>r schulischen Bildungsmisere entbrannt. Sieben Jahre<br />
später ordnet sich die fö<strong>de</strong>rative Bildungslandschaft allmählich – schulische<br />
Bildung post PISA(m) erhält institutionelle Konturen. Für das selbst ernannte<br />
„Bildungsland“ Hessen sind hier nur die Stichworte „Bildungsstandards“,<br />
„Zentralabitur“ und „eigenverantwortliche Schule“ zu nennen – drei von<br />
etlichen bildungspolitischen Großbaustellen im Land, in Rheinland-Pfalz<br />
geht es nicht viel an<strong>de</strong>rs zu.<br />
Was heißt das alles für <strong>de</strong>n Religionsunterricht? Er steht nicht nur gesellschaftlich<br />
vor neuen Herausfor<strong>de</strong>rungen. Kann es sein, dass gera<strong>de</strong> dann,<br />
wenn man ihn von <strong>de</strong>r Schule her <strong>de</strong>nkt, <strong>de</strong>r Fachunterricht „Katholische<br />
Religion“ sein unverwechselbares Profil ausprägen muss? Wenn es in einer<br />
pluraler wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Gesellschaft darum geht, mit Differenzen friedlich umzugehen,<br />
ist die klare Kontur gefragt. Wenn ein Kind weiß, warum es katholisch<br />
ist und „wie das geht“, wird es für an<strong>de</strong>re interessant und verlässlich.<br />
So ist die Religionspädagogik gut beraten, ihren Standort im rasanten Reformprozess<br />
neu zu justieren – ein ambitioniertes Pensum. Damit ist <strong>de</strong>r Grund<br />
benannt, warum sich <strong>IN</strong><strong>FO</strong> in Kooperation mit <strong>de</strong>m Pädagogischen Zentrum<br />
<strong>de</strong>r Bistümer in Hessen unter <strong>de</strong>m Titel „Quo vadis – Religionspädagogik?“<br />
Gedanken über <strong>de</strong>n zukünftigen Weg <strong>de</strong>r schulischen Religionspädagogik<br />
gemacht hat. Die Beiträge von Ulrich Riegel, Thomas Ruster und Hans<br />
Mendl sind Früchte einer Fachtagung<br />
Anfang <strong>de</strong>s Jahres im Pädagogischen Zentrum<br />
unter Leitung von Paul Platzbecker.<br />
Der seit einiger Zeit vom Dezernat Bildung<br />
und Kultur für <strong>de</strong>n Religionsunterricht unter<br />
<strong>de</strong>m Stichwort „<strong>Limburg</strong>er Grundschulprojekt“<br />
akzentuierte mystagogisch-performative<br />
Weg erfährt durch <strong>de</strong>n Beitrag „Diskursive<br />
und performative Mystagogie“ von Eckhard<br />
Nordhofen sowie durch die Unterrichtseinheit<br />
vom Matthias Werner „So schmeckt<br />
katholisch“ weitere Konkretisierung. Die<br />
hochkarätige Ausstellung <strong>de</strong>s Frankfurter<br />
Dommuseums im neuen Haus am Dom<br />
„Der heilige Leib und die Leiber <strong>de</strong>r Heiligen“<br />
ist bis zu <strong>de</strong>n Sommerferien verlängert.<br />
Sie ist eine Stilvorlage für <strong>de</strong>n Religionsunterricht aller Altersstufen.<br />
Der Beitrag „Schrift, Monstranz und Knochen o<strong>de</strong>r wie kommt <strong>de</strong>r Geist<br />
ins Fleisch?“ erschließt <strong>de</strong>n religionsgeschichtlichen und theologischen<br />
Hintergrund und gibt unterrichtspraktische Anregungen.<br />
Mit Blick auf das Fortbildungsangebot für <strong>de</strong>n Religionsunterricht möchte<br />
ich Ihr Augenmerk noch beson<strong>de</strong>rs auf ein neu eingerichtetes Konzept <strong>de</strong>s<br />
Pädagogischen Zentrums richten: die erstmals in diesem Jahr veranstalteten<br />
Ferienaka<strong>de</strong>mien im Sommer und Herbst. Als Erweiterung <strong>de</strong>s bewährten<br />
Schuljahresprogramms wird hier in <strong>de</strong>n Sommerferien professionelle<br />
Fortbildung für eine breite Palette von Fächern aller Schularten geboten.<br />
Das alles in einer angenehmen Umgebung und Atmosphäre. Das beigelegte<br />
Informationsblatt lädt hierzu ein!<br />
Martin W. Ramb<br />
– Schriftleitung –
BEITRÄGE<br />
Glauben machen – Mein Gott - Religion! / Thomas Stillbauer 4<br />
Diskursive und performative Mystagogie / Eckhard Nordhofen 7<br />
Jugend ohne Gott – Eckdaten zur Religiosität Jugendlicher / Urlich Riegel<br />
Abduktive Korrelation – Konzept und religionspädagogische<br />
15<br />
Be<strong>de</strong>utung / Urlich Riegel 21<br />
Religion(sunterricht) inszenieren – eine Gratwan<strong>de</strong>rung / Hans Mendl<br />
Beobachten, wie die Bibel die Welt beobachtet – Der Religions-<br />
27<br />
unterricht eines differenzbewussten Christentums / Thomas Ruster 35<br />
UNTERRICHTSPRAXIS<br />
„So schmeckt katholisch“ o<strong>de</strong>r Sinn durch Sinnlichkeit – Erfahrungsberichte<br />
und Bausteine zur Gestaltung einer Unterrichtseinheit im<br />
Kontext liturgischer Bildung / Matthias Werner 45<br />
Schrift, Montranz und Knochen o<strong>de</strong>r wie kommt <strong>de</strong>r Geist<br />
ins Fleisch – Unterrichtspraktische Anregung zur Ausstellung<br />
„Der heilige Leib und die Leiber <strong>de</strong>r Heiligen“ / Eckhard Nordhofen 53<br />
LITERATUR & MEDIEN<br />
Rezensionen 63<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />
Zur Person 71<br />
Ausstellung „Der heilige Leib und die Leiber <strong>de</strong>r Heiligen“ 72<br />
Wenn Lehrer schulfrei haben möchten 73<br />
Nachqualifizierungskurs erfolgreich abgeschlossen 74<br />
Die Stadt als Ort kirchlicher Präsenz neu ent<strong>de</strong>cken<br />
„Der Zusammenhang von Religion und Gewalt ist einfach<br />
75<br />
hoch aktuell“ – Interview mit Altbischof Dr. Franz Kamphaus 77<br />
Beate Denfeld ist neue Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Religionslehrerverban<strong>de</strong>s 79<br />
Frankfurter Kirchenführer als CD-ROM 79<br />
Veranstaltungen 82<br />
SONSTIGES<br />
Unsere Autorinnen und Autoren / Rezensentinnen und Rezensenten 85<br />
Dezernat Bildung und Kultur im Bischöfl. Ordinariat <strong>Limburg</strong> 86<br />
Ämter für Katholische Religionspädagogik im <strong>Bistum</strong> <strong>Limburg</strong> 87<br />
Impressum<br />
Verlag:<br />
Verlag <strong>de</strong>s Bischöflichen Ordinariats<br />
<strong>Limburg</strong><br />
Roßmarkt 12, 65549 <strong>Limburg</strong><br />
Herausgeber:<br />
Dr. Eckhard Nordhofen<br />
Leiter <strong>de</strong>s Dezernats Bildung<br />
und Kultur im Bischöflichen<br />
Ordinariat <strong>Limburg</strong><br />
Roßmarkt 12, 65549 <strong>Limburg</strong><br />
Fon 06431/295-235<br />
Fax 06431/295-237<br />
www.schule.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
schule@<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
Schriftleitung:<br />
Dipl.-Theol. Martin W. Ramb<br />
m.ramb@<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
Redaktion:<br />
Franz-Josef Arthen, Bernhard Merten,<br />
Martin E. Musch-Himmerich, Martin<br />
W. Ramb, Franz-Günther Weyrich<br />
Offizielle Äußerungen <strong>de</strong>s Dezernates<br />
Bildung und Kultur wer<strong>de</strong>n als solche gekennzeichnet.<br />
Alle übrigen Beiträge drücken die<br />
persönliche Meinung <strong>de</strong>r Verfasser/-innen aus.<br />
Nachdruck, elektronische o<strong>de</strong>r photomechanische<br />
Vervielfältigung nur mit beson<strong>de</strong>rer<br />
Genehmigung <strong>de</strong>r Redaktion.<br />
Bei Abbildungen und Texten, <strong>de</strong>ren Urheber<br />
wir nicht ermitteln konnten, bitten wir um<br />
Nachricht zwecks Gebührenerstattung.<br />
Buchbesprechungen:<br />
Rezensionsexemplare bitte direkt an<br />
die Redaktion sen<strong>de</strong>n. Besprechung<br />
und Rücksendung nicht verlangter<br />
Bücher kann nicht zugesagt wer<strong>de</strong>n.<br />
Redaktionsanschrift:<br />
Bernhard Merten, Altheimstraße 18<br />
60431 Frankfurt am Main<br />
Fon 069/515057<br />
Layout:<br />
Ute Stotz, Kommunikations-Design,<br />
Westerwaldstr. 14, 56337 Ka<strong>de</strong>nbach<br />
Fon 0 26 20 / 95 35 39<br />
Druck:<br />
JVA Diez, <strong>Limburg</strong>er Straße 122<br />
65582 Diez<br />
Fon 06432 /609 -3 40, Fax -3 43<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> erscheint vierteljährlich und kostet<br />
8.00 EUR im Jahr (zzgl. Versandkosten),<br />
Einzelheft: 2.00 EUR (zzgl. Versandkosten).<br />
Religionslehrer/-innen, Pastorale Mitarbeiter/-innen<br />
und Geistliche, die im Bereich<br />
<strong>de</strong>r Diözese <strong>Limburg</strong> arbeiten, erhalten<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> kostenlos zugesandt.<br />
Beilagenhinweis:<br />
Der Gesamtauflage sind Faltblätter<br />
folgen<strong>de</strong>r Einrichtungen beigelegt:<br />
Verlag Katholisches Bibelwerk,<br />
Institut für berufsorientierte Religionspädagogik,<br />
Amt für Kath. Religionspädagogik<br />
Wiesba<strong>de</strong>n, Psycholog.<br />
Beratungsdienst <strong>de</strong>r Diözese<br />
<strong>Limburg</strong>, Dommuseum Frankfurt,<br />
Pädagogisches Zentrum Naurod.<br />
Wir bitten um freundliche Beachtung.<br />
Titelbild:<br />
© shotshop.com<br />
© Verlag <strong>de</strong>s Bischöflichen Ordinariats,<br />
<strong>Limburg</strong>/Lahn 2007<br />
ISBN 978-3-921221-48-8<br />
ISSN 0937-8162 (print)<br />
ISSN 1617-9234 (online)<br />
<strong>IN</strong>HALT
BEITRÄGE<br />
4<br />
Rechnen, Lesen, Schreiben: Das<br />
sind Dinge, die je<strong>de</strong> Erstklässlerin und<br />
je<strong>de</strong>r Erstklässler in einer anständigen<br />
Schule zu lernen wünscht. O<strong>de</strong>r sagen<br />
wir: Man macht’s eben mit. Doch da ist<br />
noch etwas zwischen Himmel und Er<strong>de</strong>:<br />
Religion. Der Einstieg in dieses<br />
Thema ist eine Aufgabe, die von uns<br />
beson<strong>de</strong>rs viel Geist verlangt.<br />
Tschuldigung, zurzeit sind wir alle<br />
ein bisschen durch <strong>de</strong>n Wind. Muss an<br />
<strong>de</strong>r immensen Arbeitsbelastung liegen,<br />
unsere Unaufmerksamkeit, sogar <strong>de</strong>m<br />
lieben Gott gegenüber, beziehungsweise<br />
seiner Mitarbeiterin Frau Bartsch.<br />
Das ist unsere Religionslehrerin.<br />
Religion geht so: Alle Kin<strong>de</strong>r legen<br />
<strong>de</strong>n Kopf auf die Arme, auch <strong>de</strong>r gelbe<br />
Bär namens Josip, <strong>de</strong>n Megi zu ihrer<br />
persönlichen Sicherheit mitgebracht<br />
hat. Und Ruhe. Frau Bartsch will<br />
nichts mehr hören. Ein Moment <strong>de</strong>r<br />
inneren Einkehr. Erwachsene wür<strong>de</strong>n<br />
vielleicht sagen: Kontemplation. O<strong>de</strong>r<br />
Chill-out. Lei<strong>de</strong>r ist es einer dieser<br />
Momente, in <strong>de</strong>nen die ganze Klasse<br />
plötzlich husten muss. Also gut, in<br />
Gottes Namen: Alle mal husten, gestattet<br />
die Lehrerin.<br />
Dann aber bitte wie<strong>de</strong>r leise, unser<br />
Bauch geht langsam raus und rein, sagt<br />
Frau Bartsch, wie bei einem Igel, <strong>de</strong>r<br />
unterm Heuhaufen sitzt und an die Sonne<br />
<strong>de</strong>nkt. Wir Igel aus <strong>de</strong>r 1b <strong>de</strong>nken<br />
nicht so intensiv an die Sonne, eher an<br />
Digimons und an Klassenkamera<strong>de</strong>nbeine,<br />
die man unterm Tisch treten<br />
kann. Als die Köpfe wie<strong>de</strong>r hochdürfen:<br />
kleiner Erfahrungsaustausch. Wie<br />
war das jetzt, wie haben wir sie empfun<strong>de</strong>n,<br />
diese kleine Ruhephase? Haldun<br />
fand’s voll geil, Lukas geht es auf<br />
Nachfrage gut, Svenja und Nico<br />
schlecht, Nenad super und Hrvoje supergenial.<br />
David ist angeblich eingeschlafen<br />
und muss von vier Mitschülern<br />
gerüttelt wer<strong>de</strong>n.<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
Glauben machen<br />
Mein Gott – Religion!<br />
Anschließend liest Frau Bartsch<br />
die Geschichte von <strong>de</strong>m Jungen vor,<br />
<strong>de</strong>r beteuert, er habe die Fahrradreifen<br />
vom Nachbarn nicht zerschnitten,<br />
aber <strong>de</strong>r Papa sperrt ihn trotz<strong>de</strong>m ein,<br />
weil er ihm nicht glaubt. Ein<strong>de</strong>utige<br />
Indizien gibt es nicht. Was kann man<br />
da machen? Kristian fin<strong>de</strong>t Einsperren<br />
grundsätzlich nicht gut, Hrvoje<br />
erörtert Fluchtmöglichkeiten: „Der<br />
Junge kann eine Abkürzung nehmen.“<br />
David wen<strong>de</strong>t ein, es sei überhaupt<br />
nicht bewiesen, dass <strong>de</strong>r Sohn <strong>de</strong>r<br />
Fahrradfrevler war. David ist nämlich<br />
ein sehr aufgeweckter Junge, nicht<br />
nur wenn er kurz zuvor angeblich eingeschlafen<br />
ist.<br />
Um <strong>de</strong>r Sache auf <strong>de</strong>n Grund zu<br />
kommen, schlägt die Religionslehrerin<br />
vor, kleben wir ein Fahrrad ins Heft<br />
und malen einen Jungen dazu. Wir wissen<br />
zwar nicht so genau, was das bringen<br />
soll, aber bitte, wenn es zur Religion<br />
dazugehört – vielleicht hilft es uns ja<br />
auf die Sprünge. Zwischenfall bei Nico:<br />
„Mein Ratze ist tot!“ Haldun kippt<br />
vom Stuhl (Übermut), Nenad fliegt<br />
raus (nicht zu bändigen), Adriana weint<br />
(will nach <strong>de</strong>m Unterricht nicht in <strong>de</strong>n<br />
Schülerla<strong>de</strong>n), Nico fällt beinahe in<br />
<strong>de</strong>n Mülleimer (beim Bleistift-Anspitzen<br />
verunglückt).<br />
Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Schulstun<strong>de</strong> möchte<br />
Frau Bartsch die Geschichte noch einmal<br />
vorlesen, damit wir unsere ersten<br />
Eindrücke vergleichen können mit <strong>de</strong>n<br />
Erkenntnissen, die das Gespräch und<br />
das Fahrrad-ins-Heft-Kleben gebracht<br />
haben. Wer ist dafür? Kristian: „Ich<br />
nicht.“ Lukas, Daniel und Tommy: „Ich<br />
ja.“ Kristian: „Ich nicht!“ Lukas, Daniel,<br />
Tommy: „Ich ja!“ Kris: „Ich<br />
nicht!“ Lu-Da-To: „Ich ja!“ (30-mal<br />
wie<strong>de</strong>rholen, Lautstärke langsam steigern.)<br />
Der Himmel wird voraussichtlich<br />
noch ein bisschen Arbeit mit uns<br />
Erstklässlern haben.<br />
Thomas Stillbauer<br />
Einige Wochen nach <strong>de</strong>r gelungenen<br />
Einführung ins Thema Gott empfiehlt<br />
sich zur Vertiefung <strong>de</strong>r gewonnenen<br />
Erkenntnisse ein Besuch in <strong>de</strong>ssen<br />
Haus. Also alle zusammen durch die<br />
Stadt in die Kirche marschieren. Die<br />
ganze Schwarzburgschule. 120 Millionen<br />
Kin<strong>de</strong>r, darunter unsere kleine 1b-<br />
Abteilung, angeführt von Frau Mußmann.<br />
Dahinter immer Zwei und Zwei:<br />
Nico mit Eleni, Svenja mit Adriana,<br />
Doris mit Megi, Jörg mit Ken und so<br />
weiter. Am En<strong>de</strong> unserer Prozession<br />
geht <strong>de</strong>r Riesenerstklässler, diesmal gar<br />
mit Aufsichtsauftrag. Dass uns ja niemand<br />
auf <strong>de</strong>m Weg zum Herrn abhan<strong>de</strong>n<br />
kommt. Von einer vorsorglichen<br />
Sperrung <strong>de</strong>r Innenstadt für motorisierte<br />
Fahrzeuge hat die Polizei abgesehen.<br />
Wir kommen trotz<strong>de</strong>m ganz gut voran<br />
– im Gegensatz zum Berufsverkehr.<br />
Die Autofahrer haben aber vollstes Verständnis<br />
für die Unterbrechung. Wir<br />
machen das ja schließlich nicht zum<br />
Spaß, son<strong>de</strong>rn zu unserer religiösen<br />
Weiterbildung.<br />
Einer fehlt allerdings: Hrvoje. Er<br />
hat einen gebrochenen Fuß. Das wirft<br />
ein schwieriges Problem auf – wie<br />
kommt er zum Gotteshaus? Laufen<br />
geht verletzungsbedingt nicht. Fliegen<br />
hat er im ersten Schuljahr noch nicht<br />
gelernt. Da sollten sich <strong>de</strong>utsche Bildungseinrichtungen<br />
mal ein Beispiel<br />
an Hogwarts nehmen, <strong>de</strong>r Schule von<br />
Harry Potter. Besenfliegen von Anfang<br />
an. Aber das löst unser aktuelles Transportproblem<br />
nicht. Hrvojes Mutter hätte<br />
da einen hervorragen<strong>de</strong>n Plan: Da ist<br />
ja noch <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rwagen, in <strong>de</strong>m ihr<br />
Sohnemann einst fuhr. Der könnte doch<br />
für <strong>de</strong>n weiten Weg zur Kirche...<br />
Es bedarf vermutlich keines Kin<strong>de</strong>rpsychologen,<br />
die strikte Abneigung<br />
zu beschrieben, die ein Erstklässler –<br />
also ein gera<strong>de</strong> endgültig erwachsen<br />
gewor<strong>de</strong>ner Mensch – dagegen entwi-
ckelt, vor <strong>de</strong>n Augen seiner Mit-Erwachsenen<br />
aus <strong>de</strong>r Schule in einem<br />
Kin<strong>de</strong>rwagen (!) transportiert zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Überhaupt keine Chance. Da<br />
könnte er ja gleich wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Schnuller<br />
nehmen. Also wird Plan B in die Tat<br />
umgesetzt: Morgendliche Anfahrt zur<br />
Kirche mit Papas Auto. Das geht in<br />
Ordnung; geringer Peinlichkeitsfaktor.<br />
Rückweg nach Haus dann unter erheblichen<br />
Sicherheitsvorkehrungen,<br />
sprich: Abschirmung gegen die Augen<br />
<strong>de</strong>r Umwelt, in <strong>de</strong>r Babykutsche.<br />
Teil eins <strong>de</strong>s Plans klappt wun<strong>de</strong>rbar.<br />
Hrvoje sitzt bereits in <strong>de</strong>r Kirche,<br />
als unsere Prozession eintrifft. Er hat<br />
sich auch schon ein wenig umgesehen.<br />
Ganz coole Atmosphäre hier. Und da<br />
sind einige Frage aufgetaucht: „Wer ist<br />
<strong>de</strong>r Mann?“ Mann? „Der da an <strong>de</strong>r<br />
Wand. Mit <strong>de</strong>m Kreuz.“ Ach <strong>de</strong>r Mann<br />
– Jesus. Interessiertes Betrachten: Das<br />
also ist dieser berühmte Jesus. Auch die<br />
an<strong>de</strong>ren Kin<strong>de</strong>r wollen jetzt mehr wissen.<br />
Wie lang hängt <strong>de</strong>r Mann schon<br />
da? Wie? Zwei-tausend Jah-re! Und<br />
warum? Was? Der wur<strong>de</strong> an <strong>de</strong>m Kreuz<br />
festgenagelt? Von wem? Sind das echte<br />
Nägel gewesen? Und vor allem: Tut<br />
das <strong>de</strong>nn nicht furchtbar weh? Abgesehen<br />
davon: Was steht da Kleines daneben,<br />
diese Hütte mit <strong>de</strong>n Tieren und <strong>de</strong>n<br />
merkwürdig geklei<strong>de</strong>ten Menschen?<br />
Aha, die so genannte Krippe. Darin also<br />
ist <strong>de</strong>r Mann geboren wor<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r da<br />
jetzt am Kreuz hängt.<br />
Lebensgeschichten gibt’s...<br />
So nah liegen Freud und Leid eben<br />
manchmal beieinan<strong>de</strong>r: Hier die Krippe<br />
– da das Kreuz. Die 1b akzeptiert<br />
das als historische Wahrheit, interessiert<br />
sich aber nicht wirklich brennend<br />
für die Worte <strong>de</strong>s freundlichen Pfarrers,<br />
son<strong>de</strong>rn will jetzt singen: „Zumba<br />
Zumba“ zum Beispiel, ein Lied aus<br />
Spanien, zu <strong>de</strong>m man nach raffiniertem<br />
Rhythmus in die Hän<strong>de</strong> klatscht. Anschließend<br />
ein englisches Lied, und<br />
fertig, danke, tschüs Herr Jesus, bis<br />
zum nächsten Mal.<br />
Aber wo ist Hrvoje? In <strong>de</strong>r Kirche<br />
ist er nicht mehr. Wird wohl schon vor-<br />
Buchcover<br />
gegangen sein. Taxi rufen wahrscheinlich.<br />
Und religiös fortbil<strong>de</strong>n. Eine Woche<br />
später berichtet er nämlich, er war<br />
zu Gast bei einer kirchlichen Zeremonie.<br />
Es ging sehr feierlich zu, und es<br />
gab etwas Interessantes zu lernen:<br />
„Wenn man in <strong>de</strong>r dritten Klasse ist“,<br />
gibt Hrvoje bekannt, „dann kriegt man<br />
so ein kleines Plättchen von Gott so<br />
rein.“ In <strong>de</strong>n Mund. Aha, sagte Frau<br />
Mußmann. Oblate. Kommunion.<br />
Mit <strong>de</strong>m Religionsunterricht verhält<br />
es sich wie mit <strong>de</strong>r Farbe <strong>de</strong>r Turnschuhe:<br />
reine Geschmackssache. Und<br />
so lange wir Schuhgröße 29 tragen,<br />
müssen wir wohl noch dran glauben,<br />
dass alles Gute von oben kommt.<br />
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung <strong>de</strong>s S. Fischer<br />
Taschenbuch Verlages; aus: Stillbauer, Thomas:<br />
Neues aus <strong>de</strong>r 1b. Was machen eigentlich unsere Erstklässler?<br />
– Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch<br />
Verlag, 3. Aufl., 2005. 63-67.<br />
Thomas Stillbauer ließ sich erstmals<br />
1970 in Frankfurt am Main einschulen.<br />
Vor <strong>de</strong>m zweiten Versuch studierte<br />
er Germanistik, absolvierte die Deutsche<br />
Journalistenschule und wur<strong>de</strong><br />
Redakteur <strong>de</strong>r Frankfurter Rundschau.<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
BEITRÄGE<br />
5
BEITRÄGE<br />
6<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
© V. Reiche 2006 www.strizz.<strong>de</strong>
Diskursive und performative Mystagogie<br />
Über das, was im Religionsunterricht gesagt und das,<br />
was nicht gesagt wer<strong>de</strong>n kann<br />
Warum kann man sich selbst nicht<br />
kitzeln? Ob <strong>de</strong>r Stimulus für Haut und<br />
Nerven vom eigenen Finger o<strong>de</strong>r vom<br />
frem<strong>de</strong>n kommt, kann doch so viel Unterschied<br />
nicht ausmachen. O<strong>de</strong>r doch?<br />
Es ist ein Unterschied ums Ganze. Offenbar<br />
akzeptiert das Gehirn nicht das<br />
als fremd, was es selbst produziert hat.<br />
Das ist zunächst einmal ein hirnphysiologisch<br />
erklärbarer Tatbestand. Es han<strong>de</strong>lt<br />
sich um eine anthropologische<br />
Grunddisposition, die auf die Dialektik<br />
von Innen und Außen, von Selbstheit<br />
und Fremdheit erweitert wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Ein Placebo, die Pille, die vorgibt, einen<br />
Wirkstoff zu enthalten, wirkt tatsächlich,<br />
solange an diesen Wirkstoff<br />
geglaubt wird. Die leere Pille, <strong>de</strong>r ein<br />
kraftvoller Inhalt unterstellt wird, erfüllt<br />
die Min<strong>de</strong>stbedingung, eine Intervention<br />
von außen zu sein. Offenbar<br />
reicht <strong>de</strong>r Glaube an die wirksame Einwirkung<br />
von außen aus, um wie ein Appell<br />
an die Selbstheilungskräfte <strong>de</strong>s<br />
Menschen erstaunliche Wirkungen auszulösen.<br />
Sie sind durch vielfache klinische<br />
Doppelblindversuche bestens belegt.<br />
Warum aber wirkt ein Placebo<br />
schlagartig nicht mehr, wenn mich jemand<br />
darüber aufklärt, dass es sich nur<br />
um Krei<strong>de</strong> und Traubenzucker, o<strong>de</strong>r<br />
nur eines von bei<strong>de</strong>n, han<strong>de</strong>lt? Ich<br />
könnte doch <strong>de</strong>n Versuch machen, mir<br />
selbst zu suggerieren: „Nun stimuliere<br />
ich meine Selbstheilungskräfte“. Der<br />
Appell, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Lage ist, die un<strong>de</strong>finierten<br />
Selbstheilungskräfte <strong>de</strong>s Körpers<br />
zu stimulieren, wäre ein willentlicher<br />
und käme nicht von außen. Das<br />
entlarvte Placebo wirkt nachweislich<br />
nicht. Ludwig Wittgensteins (1889-<br />
1951) anrühren<strong>de</strong> Tagebücher, in <strong>de</strong>nen<br />
er seine privatesten Gefühle, aber auch<br />
die sprachlogischen Vorarbeiten zu seinem<br />
berühmten „tractatus logico phi-<br />
losophicus“ in einer verschlüsselten<br />
Schrift nie<strong>de</strong>rlegt, enthält <strong>de</strong>n verzweifelten<br />
Ruf nach <strong>de</strong>r finalen Erkenntnis:<br />
„... von außerhalb mir.“ Die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Erkenntnis, <strong>de</strong>r Schlussstein, <strong>de</strong>r<br />
für die Sprachinsel, auf <strong>de</strong>r alles klar<br />
wäre, noch fehlte, muss von außen<br />
kommen. Er darf nicht selbst fabriziert<br />
wor<strong>de</strong>n sein.<br />
Wenn wir alle Kontingenzen und<br />
narrativen Zeitbedingungen weglassen,<br />
können wir als <strong>de</strong>n heißen Kern<br />
<strong>de</strong>s Monotheismus, so wie er sich in <strong>de</strong>r<br />
Phase seiner Entstehung herausschält,<br />
Gott als <strong>de</strong>n „ganz An<strong>de</strong>ren“ angesprochen<br />
fin<strong>de</strong>n. Rudolf Ottos (1869- 1937)<br />
und Paul Tillichs (1886-1965) Formulierung<br />
ist hier sehr treffsicher. Von diesem<br />
alteritären Kern her erschließt sich<br />
<strong>de</strong>r rote Fa<strong>de</strong>n, an <strong>de</strong>m entlang die biblische<br />
Aufklärung ihre Kritik an <strong>de</strong>n<br />
selbst gemachten Göttern erzählt. Warum<br />
sonst beschreibt Exodus 3 so <strong>de</strong>tailfreudig<br />
die einzelnen Arbeitsschritte,<br />
mit <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r selbst gemachte Gott,<br />
das gol<strong>de</strong>ne Kalb, von <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn Israels,<br />
hergestellt wird? Warum erfahren<br />
wir etwas vom gol<strong>de</strong>nen Schmuck, <strong>de</strong>n<br />
Ohrringen <strong>de</strong>r Israeliten, aus <strong>de</strong>nen das<br />
Götzenbild gegossen wird? Auch Aarons<br />
Messschnur und die Umrisszeichnung<br />
wer<strong>de</strong>n eigens erwähnt, um <strong>de</strong>n<br />
Herstellungsprozess herauszustellen.<br />
Ihm entspricht die Inversion, mit <strong>de</strong>r<br />
schließlich Mose das pulverisierte gol<strong>de</strong>ne<br />
Kultbild in Wasser schüttet und<br />
die Israeliten heißt, die Götzenmaterie<br />
sich wie<strong>de</strong>r einzuverleiben. Diese Lehrperformance<br />
in Wörtersprache übersetzt<br />
heißt: Aus euch heraus ist es gemacht<br />
wor<strong>de</strong>n, in euch muss es wie<strong>de</strong>r<br />
zurück.<br />
In mehreren Anläufen beschreibt<br />
Deuterojesaja 44 die unterschiedlichen<br />
Möglichkeiten <strong>de</strong>r Götzenbildproduk-<br />
Eckhard Nordhofen<br />
tion. Er lenkt <strong>de</strong>n Aufmerksamkeitsstrahl<br />
schon auf das kleine Bäumchen<br />
im Wald. Von Anfang an ist <strong>de</strong>r Mensch<br />
im Blick, <strong>de</strong>r mit diesem Baum etwas<br />
vor hat, <strong>de</strong>nn er lässt ihn größer wer<strong>de</strong>n<br />
als die an<strong>de</strong>ren im Wald. Diese profane<br />
Materie kann dann zu vielerlei Zwecken<br />
benutzt wer<strong>de</strong>n, zum Heizen, zum<br />
Kochen und schließlich dazu, sich aus<br />
ihm ein Götzenbild zu machen. Der Erzähler<br />
arbeitet auf seine Pointe hin, die<br />
darin besteht, dass am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Hersteller<br />
vor <strong>de</strong>m selbst geschnitzten Bild<br />
nie<strong>de</strong>rfällt und spricht: „Rette mich, du<br />
bist mein Gott!“ Die Profanität <strong>de</strong>s<br />
Herstellungsprozesses wird auch bei<br />
<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Möglichkeit herausgestellt,<br />
einem Gottesbild aus Metall: Der<br />
Schmied facht die Kohleglut an. Die<br />
Arbeit strengt ihn an, er wird mü<strong>de</strong> und<br />
hungrig. Alles geht mit rechten, d.h. natürlichen<br />
und profanen Dingen zu.<br />
Es geht darum, <strong>de</strong>n Punkt zu treffen,<br />
von <strong>de</strong>m auch <strong>de</strong>r griechische Pygmalion-Mythos<br />
lebt, die anrühren<strong>de</strong><br />
Geschichte von <strong>de</strong>m Bildhauer, <strong>de</strong>r<br />
sein weibliches Schönheitsi<strong>de</strong>al im Stein<br />
in ein vollkommenes Kunstwerk umgesetzt<br />
hat. Soeben hat er noch die letzte<br />
Hand angelegt und <strong>de</strong>m Stein <strong>de</strong>n<br />
letzten Schliff gegeben, als <strong>de</strong>r Zauber<br />
in ihn fährt und er sich in sein eigenes<br />
Werk sterblich verliebt. Tatsächlich<br />
kennen die bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Künstler das<br />
Phänomen, dass das Bild, an <strong>de</strong>m sie<br />
gera<strong>de</strong> arbeiten, „... etwas von mir will“.<br />
Wie eine Person ist das Selbstgemachte<br />
in <strong>de</strong>r Lage, in eine Art Dialog mit seinem<br />
Verfertiger zu treten. Das Bil<strong>de</strong>rmachen<br />
ist eine Art Schöpfungsakt, vor<br />
allem, wenn es sich um das Bild eines<br />
Menschen han<strong>de</strong>lt. In diesem Zusammenhang<br />
gehört natürlich auch die Geschichte<br />
von <strong>de</strong>r Herstellung Adams in<br />
Genesis 2. Wie ein menschlicher Plasti-<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
BEITRÄGE<br />
7
BEITRÄGE<br />
8<br />
ker verfertigt Gott aus Lehm <strong>de</strong>n Menschen.<br />
Und die Auslegungstradition<br />
hört in diesem Zusammenhang auch<br />
die richtige Auskunft von Genesis 1<br />
mit, dass dieses Bild „Selem“ ein Abbild<br />
seiner selbst ist: gottähnlich. Mit<br />
„Selem“ wird auch das Bild <strong>de</strong>s Herrschers<br />
bezeichnet, <strong>de</strong>r in Ägypten, später<br />
auch im Imperium Romanum, seine<br />
ubiquitäre Präsenz im ganzen Reich<br />
durch Statuen sichert. Wo <strong>de</strong>r Kaiser<br />
selbst nicht sein kann, ist immerhin<br />
sein Standbild. Adam ist zweifellos von<br />
Gott gemacht, aus Lehm, wie bei einem<br />
menschlichen Plastiker, aber es ist<br />
dann doch <strong>de</strong>r Unterschied ums Ganze,<br />
dass <strong>de</strong>r göttliche Atem <strong>de</strong>n Er<strong>de</strong>nkloß<br />
beleben kann.<br />
Diese Fähigkeit<br />
hat gera<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Mensch<br />
selbst nicht, dass er die Bil<strong>de</strong>r, die er<br />
nach seinem Abbild formt, dann auch<br />
noch beleben kann; dieser Wunsch<br />
bleibt ihm grundsätzlich versagt. Den<br />
mirakulösen Ausgang <strong>de</strong>r Pygmalion-<br />
Geschichte, bei <strong>de</strong>r schließlich die Götter<br />
<strong>de</strong>n Pygmalion dadurch beschenken<br />
und erlösen, dass sie seine Statue beleben,<br />
läuft auf dieselbe Erkenntnis hinaus:<br />
Es müsste schon die göttliche<br />
Kraft sein, die aus einem Standbild ein<br />
lebendiges Wesen machen kann. Die<br />
Mundöffnungsrituale, mit <strong>de</strong>nen die<br />
altägyptischen Priester die Mumie für<br />
ein Jenseits beleben wollen, zeigen<br />
gleichermaßen <strong>de</strong>n Wunsch nach Leben<br />
und wie er im Ernst nicht erfüllt<br />
wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Die biblische Aufklärung besteht<br />
darauf, dass das Göttermachen ein<br />
Selbstbetrug ist. An vielen Stellen,<br />
nicht nur in Deuterojesaja, auch im<br />
Buch <strong>de</strong>r Weisheit und in <strong>de</strong>n Psalmen<br />
bringt sie die Herstellung von Götterfiguren<br />
mit <strong>de</strong>m grundsätzlichen Verdacht<br />
in Zusammenhang, dass die Götter<br />
tatsächlich nichts an<strong>de</strong>res sind als<br />
selbst gemachte Verlängerungen menschlicher<br />
Bedürfnisse und Wünsche.<br />
Auch die Opferpraxis ist im Grun<strong>de</strong> eine<br />
fiktive Wechselwirtschaft, die <strong>de</strong>n<br />
Opfern<strong>de</strong>n um <strong>de</strong>n Tauschwert betrügen<br />
muss, auf <strong>de</strong>n er hofft. Jan Ass-<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
mann, <strong>de</strong>r mit seinem Buch „Moses <strong>de</strong>r<br />
Ägypter“ 1 von 1999 eine noch andauern<strong>de</strong><br />
Debatte um die funktionalen Folgen<br />
<strong>de</strong>s Monotheismus entfacht hat,<br />
nennt die religionsgeschichtliche Schwelle,<br />
in <strong>de</strong>r Gott tatsächlich als ein An<strong>de</strong>rer,<br />
als <strong>de</strong>r Schöpfer <strong>de</strong>r Welt, als das,<br />
was gera<strong>de</strong> nicht selbst gemacht ist, erscheint,<br />
die „mosaische Entgegensetzung“.<br />
Aufklärung ist immer mit Wahrheitsansprüchen<br />
verbun<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn wenn<br />
etwas als falsch und als Selbstbetrug<br />
entlarvt wird, ist schon aus logischen<br />
Grün<strong>de</strong>n min<strong>de</strong>stens die Annäherung<br />
an die Wahrheit zu unterstellen. Wenn<br />
es Gott gibt, dann darf er nicht selbst<br />
gemacht sein.<br />
Er ist kein<br />
Ding in <strong>de</strong>r<br />
Welt, er ist an<strong>de</strong>rs,<br />
<strong>de</strong>r „ganz An<strong>de</strong>re“ (Otto/Tillich).<br />
Naturgemäß geht die Bibel in <strong>de</strong>r Regel<br />
sehr streng mit allem, was selbst gemacht<br />
und heidnisch ist, um. Wir wissen,<br />
dass <strong>de</strong>r Monotheismus sich nicht<br />
blitzartig durchgesetzt hat, und wenn<br />
Erkenntnis etwas Blitzartiges haben<br />
sollte, so braucht es doch seine Zeit, bis<br />
sie sich überall herumgesprochen hat.<br />
Zweifellos ist Abraham Monotheist,<br />
ebenso Isaak und Jakob. Aber auf <strong>de</strong>ssen<br />
Flucht vor Laban, lässt Rahel die<br />
Götterfiguren <strong>de</strong>s Vaters mitgehen, die<br />
sie dann trickreich unter ihrem Rock<br />
bei <strong>de</strong>r Durchsuchung über die Grenze<br />
bringt. Der Erzähler entrüstet sich darüber<br />
keineswegs. Dies tut hingegen<br />
Ezechiel zweifellos, wenn er die Silberfiguren,<br />
mit <strong>de</strong>nen auch noch Unzucht<br />
getrieben wer<strong>de</strong>n kann, eindrucksvoll<br />
anprangert (Ezechiel 14-22).<br />
Überall in <strong>de</strong>r hebräischen Bibel fin<strong>de</strong>n<br />
sich die Spuren solcher Übergänge,<br />
aber <strong>de</strong>swegen darf man <strong>de</strong>n Hauptpunkt<br />
nicht aus <strong>de</strong>m Auge verlieren:<br />
Ein selbst gemachter Gott ist kein Gott.<br />
Wie aber gehen wir heute mit <strong>de</strong>r<br />
anthropogenen Religiosität <strong>de</strong>r Bedürfnisbefriedigung<br />
um? Sie ist ja keineswegs<br />
verschwun<strong>de</strong>n, sie tritt uns heute<br />
in bunter Vielfalt im Bereich <strong>de</strong>r psychohygienischen<br />
Wellness, in Gestalt<br />
von asiatischen Importen, die Selbster-<br />
» Die Interaktion von Innen und Außen ist<br />
die Basis anthropogener Religiosität.<br />
lösung versprechen, entgegen. Wahrscheinlich<br />
sind auch die soziobiologischen<br />
Forschungen nach einer physiologischen<br />
Disposition zur Religion gar<br />
nicht so abwegig. Und wenn die ungeduldigen<br />
Atheisten <strong>de</strong>s 19. und 20.<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rts ärgerlich und resigniert<br />
feststellen, dass <strong>de</strong>r Mensch „unheilbar<br />
religiös“ sei, dann treffen sie offenbar<br />
auf eine in unsere Natur tief eingelassene<br />
Sehnsucht, die etwas Ungerichtetes<br />
hat, und sich daher an so ziemlich alles<br />
anheften kann. Ob <strong>de</strong>r Wun<strong>de</strong>rheiler<br />
von <strong>de</strong>n Strahlen raunt, die von seinen<br />
Hän<strong>de</strong>n ausgehen, ob er seine Patienten<br />
in die Meeresbrandung schickt, ob er<br />
ihnen befielt, bei Vollmond dreimal<br />
ums Haus zu rennen und dabei Erdklumpen<br />
über die linke Schulter zu<br />
werfen – im Grun<strong>de</strong> ist es gleichgültig,<br />
was da gemacht und getrieben wird,<br />
Hauptsache es wird überhaupt etwas<br />
gemacht und getrieben, das wie ein Appell<br />
an die verborgenen Kräfte wirkt,<br />
von <strong>de</strong>nen dann die Heilung ausgeht<br />
und die nur die immer gleiche Min<strong>de</strong>stbedingung<br />
erfüllen müssen, sie müssen<br />
von außen kommen. Diese Interaktion<br />
von Innen und Außen ist die Basis anthropogener<br />
Religiosität.<br />
Der große Wechselgesang zwischen<br />
Natur und Mensch kann auch für die<br />
Bibel nichts Schlechtes sein, wenn er<br />
zur Natur <strong>de</strong>s Menschen gehört. Der<br />
Mensch als Teil <strong>de</strong>r Natur, Adam aus<br />
Er<strong>de</strong> gemacht, hat aber <strong>de</strong>n göttlichen<br />
Atem empfangen. Es ist <strong>de</strong>rselbe Atem,<br />
von <strong>de</strong>m die Re<strong>de</strong> ist, wenn Gott<br />
spricht. Wir können in <strong>de</strong>r biblischen<br />
Metaphorik und Bildlichkeit bleiben,<br />
wenn wir das, was an Adam nicht natürlich<br />
ist, son<strong>de</strong>rn Teilhabe am göttlichen<br />
Logos, <strong>de</strong>n sprechen<strong>de</strong>n Atem <strong>de</strong>s<br />
Schöpfers, als seine Vernunft bezeichnen.<br />
Die vom göttlichen Atem eingehauchte<br />
Vernunft lässt ihn <strong>de</strong>n Logos<br />
als das erkennen, was ihn von allem an<strong>de</strong>ren,<br />
was lebt, unterschei<strong>de</strong>t. Dass<br />
hier Religion und Vernunft sich auf einzigartige<br />
Weise berühren, macht die Eigenart<br />
<strong>de</strong>r biblischen Aufklärung aus.<br />
Dass die vorsokratische griechische<br />
Aufklärung einen eigenen Anlauf<br />
nimmt, dass in <strong>de</strong>r Väterzeit die bei<strong>de</strong>n
Aufklärungsströme zusammengeführt<br />
wer<strong>de</strong>n, hat in <strong>de</strong>r Vergangenheit zu einer<br />
eher künstlichen Trennung griechischer<br />
Philosophie und biblischer<br />
Offenbarung geführt. Johannes Paul II.<br />
hat mit seiner Enzyklika „Fi<strong>de</strong>s et ratio“<br />
schon die Spur gewiesen, die von<br />
Benedikt XVI. in seiner Regensburger<br />
Re<strong>de</strong>, die aus an<strong>de</strong>ren Grün<strong>de</strong>n skandalisiert<br />
wur<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>r es aber im Wesentlichen<br />
um Glaube und Vernunft ging,<br />
ausgezogen wird. Es geht um eine Vernunft,<br />
die sich für ihr An<strong>de</strong>res öffnet.<br />
Sie hat ein Grenzbewusstsein, mit <strong>de</strong>r<br />
sie selbst klärt, wie weit sie reicht. Karl<br />
Popper (1902-1994) hat das „Abgrenzungsproblem“<br />
als das zentrale wissenschaftstheoretische<br />
Thema seines Kriti-<br />
schenRationalismusbezeichnet.HolistischeVernunftkonzepte ohne Grenzbewusstsein<br />
sind in <strong>de</strong>r Regel totalitär. Auch hier hat<br />
die Bibel in <strong>de</strong>r Genesis, genauer in <strong>de</strong>r<br />
Erzählung vom Baum <strong>de</strong>r Erkenntnis,<br />
von Gut und Böse, das Grenzbewusstsein<br />
geschärft. Es hat fast etwas Tautologisches,<br />
dass nach <strong>de</strong>m Zugriff auf<br />
die verbotene Frucht, <strong>de</strong>r entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Grenzüberschreitung, das Menschenpaar<br />
aus <strong>de</strong>m Garten E<strong>de</strong>n vertrieben<br />
wird, in ein Gelän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Grenzen.<br />
Nun erst ist es sterblich, <strong>de</strong>r Tod<br />
begrenzt das Leben. Nun erst muss die<br />
begrenzte Kraft in Arbeit umgesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn nicht nur <strong>de</strong>r Erkenntnis<br />
sind Grenzen gesetzt. Was bleibt, ist die<br />
Erinnerung und die Sehnsucht nach<br />
<strong>de</strong>m grenzenlos Guten.<br />
Wenn Gott nicht selbst gemacht<br />
ist, wird es ihn nur geben, wenn er sich<br />
offenbart. So einfach ist das. Deshalb<br />
ist mit <strong>de</strong>m, was die Stimme aus <strong>de</strong>m<br />
brennen<strong>de</strong>n aber nicht verbrennen<strong>de</strong>n<br />
Dornbusch spricht: „Ich bin <strong>de</strong>r Ich bin<br />
da“ eigentlich schon alles gesagt. Nach<strong>de</strong>m<br />
<strong>de</strong>r In<strong>de</strong>x <strong>de</strong>s nicht Normalen die<br />
Koordinaten <strong>de</strong>r physischen Realität<br />
auf sich beruhen lässt, ist die An<strong>de</strong>rsartigkeit<br />
<strong>de</strong>s ganz An<strong>de</strong>ren sicher. Aber er<br />
ist nicht nur da, er hat auch die Schreie<br />
<strong>de</strong>r versklavten Kin<strong>de</strong>r Israels gehört.<br />
Er befiehlt <strong>de</strong>n Exodus, <strong>de</strong>n Weg aus<br />
<strong>de</strong>m Sklavenhaus in das gute Leben. Es<br />
gibt Gott, und er ist gut. Ist das genug?<br />
Die Geschichte <strong>de</strong>s Monotheismus<br />
ist voll von Versuchen, über die Ausrufung<br />
einer Präsenz <strong>de</strong>s guten Gottes hinaus<br />
bei <strong>de</strong>r Steuerung unserer Alltagsprobleme<br />
Son<strong>de</strong>rmitteilungen von Offenbarungsqualität<br />
zu erhalten. Die biblische<br />
Aufklärung, die sich als Kritik<br />
am selbst gemachten Gott <strong>de</strong>r göttlichen<br />
Vernunft bedient, legt großen<br />
Wert auf <strong>de</strong>n Gott, <strong>de</strong>r sich entzieht. Alle<br />
Offenbarungsgeschichten haben <strong>de</strong>n<br />
In<strong>de</strong>x <strong>de</strong>s Entzugs. Alle kühnen Offenbarungserzählungen,<br />
in <strong>de</strong>nen Gott<br />
fast, beinahe o<strong>de</strong>r von hinten gesehen<br />
wird, legen Wert auf diese Differenz.<br />
Mose stellt <strong>de</strong>n Antrag, Gott zu sehen<br />
(Ex 33,18), für<br />
<strong>de</strong>n Augenblick<br />
<strong>de</strong>s Vorübergangs,<br />
so die wun<strong>de</strong>rsame Choreographie,<br />
darf er <strong>de</strong>n Rücken Gottes sehen, während<br />
dieser ihm die Hand vor die Augen<br />
hält. Diese dramatische Inszenierung<br />
<strong>de</strong>s Wunsches, Gott zu sehen, und seiner<br />
Vereitelung, ist nur das vielleicht<br />
kurioseste Beispiel. Wenn Gott sich offenbart<br />
als das leuchten<strong>de</strong> Licht, das<br />
vor <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn Israels herzieht, so ist<br />
es doch eine Wolke, die leuchtet, jene<br />
Naturerscheinung also, die uns die<br />
Sicht nimmt.<br />
Jakob ringt am Grenzfluss Jabbok<br />
mit <strong>de</strong>m „Mann“, von <strong>de</strong>m sich dann<br />
herausstellt, dass es Gott war. War Gott<br />
ein Mann? Es ist eine richtige und gute<br />
Intuition <strong>de</strong>r christlichen Kunst, die<br />
diese Szene als „Jakobs Kampf mit<br />
<strong>de</strong>m Engel“ verarbeitet. Wie<strong>de</strong>rum fin<strong>de</strong>n<br />
wir in <strong>de</strong>r Begründung für die Beendigung<br />
<strong>de</strong>s Kampfes <strong>de</strong>n In<strong>de</strong>x <strong>de</strong>s<br />
Entzugs. Der Kampf muss en<strong>de</strong>n, weil<br />
die Morgenröte heraufzieht. In vollem<br />
Licht soll <strong>de</strong>r Gottesstreiter sein Gegenüber<br />
am En<strong>de</strong> doch nicht erkennen<br />
können. „Keiner hat Gott je gesehen“,<br />
wird Johannes <strong>de</strong>r Evangelist (1,18)<br />
später mit Recht formulieren. Gott offenbart<br />
sich als <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r sich entzieht. Er<br />
ist da, bleibt aber ein Geheimnis.<br />
Die Religionspädagogik hat mit<br />
<strong>de</strong>m Begriff Mystagogie nichts weni-<br />
» Wenn Gott nicht selbst gemacht ist, wird<br />
es ihn nur geben, wenn er sich offenbart.<br />
ger als das Zentrum <strong>de</strong>s biblischen Monotheismus<br />
auf die Tagesordnung gesetzt.<br />
Den Gott Abrahams, Isaaks, Jakobs<br />
und Jesu als das präsente und nahe<br />
gekommene gute Geheimnis zu lehren,<br />
ist das oberste Ziel <strong>de</strong>r christlichen Religionspädagogik.<br />
Ist <strong>de</strong>r entzogene, geheimnisvolle<br />
Gott auch <strong>de</strong>r Gott Jesu? Hat nicht Jesus<br />
die Gottesnähe auf einzigartige Weise<br />
vorgelebt und gepredigt? Eine <strong>de</strong>r<br />
wichtigen Einsichten <strong>de</strong>r exegetisch<br />
gestützten Theologie <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />
war die Rehabilitation <strong>de</strong>s Alten<br />
Testaments bzw. die Erkenntnis, wie<br />
wichtig die Vorgeschichte <strong>de</strong>s alttestamentlichen<br />
Monotheismus für das Verständnis<br />
<strong>de</strong>r zentralen Gestalt <strong>de</strong>s Christentums<br />
ist. Es geht im Grun<strong>de</strong> um einen<br />
Medienwechsel.<br />
Dass die Schrift als Königsmedium<br />
<strong>de</strong>s Monotheismus <strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong>rzeit gegen<br />
die Medien <strong>de</strong>r selbstgemachten<br />
Götter installiert wird, dass die Kultbil<strong>de</strong>r<br />
durch die Tora ersetzt wur<strong>de</strong>n, liegt<br />
an <strong>de</strong>r einzigartigen Fähigkeit dieses<br />
Mediums, Anwesenheit und Abwesenheit<br />
zugleich zu vermitteln. Die Schrift<br />
kann, an<strong>de</strong>rs als je<strong>de</strong>s Kultbild, nicht<br />
mit <strong>de</strong>m verwechselt wer<strong>de</strong>n, was sie<br />
be<strong>de</strong>utet. Gott selbst hatte geschrieben<br />
und seine Weisung hinterlassen. Hinter<br />
diese Errungenschaft gibt es kein Zurück.<br />
Kein Jota, so <strong>de</strong>r Jesus <strong>de</strong>r Bergpredigt,<br />
soll von Gesetz und Propheten<br />
weggenommen wer<strong>de</strong>n: „Aber wenn<br />
Eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist<br />
als die <strong>de</strong>r Schriftgelehrten und Pharisäer,<br />
so wer<strong>de</strong>t ihr nicht in das Himmelreich<br />
kommen“ (Mt. 5,20). Johannes<br />
bringt es auf <strong>de</strong>n Punkt (1,14): „Das<br />
Wort ist Fleisch gewor<strong>de</strong>n“.<br />
Der Monotheismus <strong>de</strong>r Inkarnation<br />
hat in Jesus das Beispiel vor Augen,<br />
dass Gottes Geist im Menschenfleisch<br />
wohnen kann. An diesem Beispiel<br />
messen sich alle Christen, auch<br />
wenn sie die Differenz <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong><br />
schmerzlich erfahren. Gottesnähe ist<br />
möglich, wir vereinigen uns in <strong>de</strong>r Eucharistie<br />
mit <strong>de</strong>m fleischgewor<strong>de</strong>nen<br />
Wort, in<strong>de</strong>m wir es mit unserem<br />
Fleisch vereinigen. Damit ist <strong>de</strong>r ungeheure<br />
Anspruch erhoben, die Differenz<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
BEITRÄGE<br />
9
BEITRÄGE<br />
10<br />
zwischen Zeichen und Bezeichnetem<br />
einzuziehen. Dass dieses Fleisch<br />
schwach ist, auch wenn <strong>de</strong>r Geist willig<br />
ist und uns treibt, erzeugt eine Spannung,<br />
einen „Stachel im Fleisch“ von<br />
Anfang an. Diese eschatologische Differenz<br />
zwischen <strong>de</strong>m, was ist, und <strong>de</strong>m,<br />
was sein soll, ist Gefahren- und Energiequelle<br />
zugleich. Wir sollen und wollen<br />
<strong>de</strong>n Willen Gottes tun, können ihn<br />
aber nicht einfach nachlesen. So präzise,<br />
wie wir ihn kennen müssten, kann er<br />
nirgendwo aufgeschrieben sein. Wir<br />
haben ihn nicht wie ein Ding in Besitz<br />
genommen, wissen aber, dass wir ihm<br />
sehr nahe kommen können. Das Drama<br />
einer Wahrheit, die in uns wohnen will<br />
und doch nicht festgehalten wer<strong>de</strong>n<br />
kann, ist das Drama von Präsenz und<br />
Entzug. Es verlangt eine eigene Semantik,<br />
eine Zeichenklasse, die sich<br />
von <strong>de</strong>n Symbolwelten und Fiktionen,<br />
die zum Wesen <strong>de</strong>s Menschen gehören,<br />
unterschei<strong>de</strong>t.<br />
Die Einsicht <strong>de</strong>r philosophischen<br />
Anthropologie seit Aristoteles lautet:<br />
Der Mensch ist das Lebewesen, das<br />
Sprache hat. Sie muss nach Ernst Cassirer<br />
(1874-1945), <strong>de</strong>m Philosophen<br />
<strong>de</strong>r symbolischen Formen, erweitert<br />
wer<strong>de</strong>n, weil Ernst Cassirer <strong>de</strong>n<br />
Sprachbegriff erweitert hat. Auch Dinge,<br />
auch Architekturen, auch <strong>de</strong>r Körper,<br />
vieles, fast alles kann semantisch<br />
besetzt und damit zum Symbol wer<strong>de</strong>n.<br />
Diese Welt <strong>de</strong>r symbolischen Formen<br />
ist es, die uns eine Realität <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>r-<br />
klasse,nämlich die Realität<br />
aus <strong>de</strong>m<br />
Kopf, an<strong>de</strong>rs<br />
als <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>renLebewe-<br />
sen, zur Verfügung stellt. Dass wir unser<br />
Bewusstsein über die unmittelbare<br />
empirische Gegenwärtigkeit herausspannen<br />
können, unterschei<strong>de</strong>t uns<br />
vom Tier und macht uns zu Lebewesen,<br />
die von ihrer Endlichkeit wissen. Das<br />
20. Jahrhun<strong>de</strong>rt ist zu Recht als das<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Sprachphilosophie bezeichnet<br />
wor<strong>de</strong>n. Deutlicher als früher<br />
ist erkannt wor<strong>de</strong>n, dass Denken und<br />
Sprechen zusammen gehören, dass<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
durch die symbolischen Formen die<br />
„Sprache“ jenseits <strong>de</strong>s Verbalismus unser<br />
Bewusstsein prägt.<br />
Für <strong>de</strong>n Gott, <strong>de</strong>r uns sehr nahe<br />
kommen kann und sich gleichwohl entzieht,<br />
hat seit <strong>de</strong>r Entstehung <strong>de</strong>s Monotheismus<br />
im alten Israel eine semantische<br />
Son<strong>de</strong>rfallregelung gegolten. Haben<br />
an<strong>de</strong>re Realitäten und Personen<br />
Namen, so ist <strong>de</strong>r Name Gottes coextensional<br />
mit <strong>de</strong>r Ausrufung seiner Anwesenheit.<br />
Dass er da ist, das ist sein<br />
Name. Mehr erfährt <strong>de</strong>r Mose, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />
Namen wissen will, nicht. „Ich bin <strong>de</strong>r<br />
‚Ich bin da’“. Aber das genügt auch.<br />
Wenn etwas bezeichnet wer<strong>de</strong>n muss,<br />
das anwesend und doch verborgen ist,<br />
muss die Art und Weise, wie diese Ein-<br />
zigartigkeit<br />
bezeichnet<br />
wird, sich<br />
<strong>de</strong>utlich von<br />
<strong>de</strong>r Art und<br />
Weise unterschei<strong>de</strong>n,<br />
mit <strong>de</strong>r die normalen Dinge<br />
in <strong>de</strong>r Welt bezeichnet wer<strong>de</strong>n, auf die<br />
im Zweifelsfall mit <strong>de</strong>m Finger gewiesen<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Auf diese Weise entsteht<br />
die biblische Tradition einer Semantik<br />
<strong>de</strong>r An<strong>de</strong>rsheit, einer Alteritätsmarkierung.<br />
Die Zeichen für <strong>de</strong>n Heiligen<br />
und das Heilige müssen sich von<br />
an<strong>de</strong>ren Symbolen unterschei<strong>de</strong>n. Daher<br />
ist es wichtig, die Re<strong>de</strong> über die<br />
Symbole und die Symboldidaktik nicht<br />
als Sakramentenre<strong>de</strong> auszugeben. So<br />
wie <strong>de</strong>r Name Gottes eine Singularität<br />
ist, so ist nach<br />
christlichem<br />
Glauben das<br />
Fleisch gewor<strong>de</strong>ne<br />
Wort in Christus<br />
eine heilsgeschichtliche Singularität.<br />
Sie ist eingelassen in eine kontingente<br />
Geschichte. Es ist die Geschichte<br />
Israels, die Geschichte <strong>de</strong>s Volkes, <strong>de</strong>ssen<br />
Heilsgeschichte als Befreiung aus<br />
<strong>de</strong>m Sklavenhaus Ägypten erzählt wird.<br />
Das ungesäuerte Brot <strong>de</strong>s Pessach-<br />
Mahles wur<strong>de</strong> als Brot <strong>de</strong>r Befreiung<br />
alljährlich im Familienkreis gegessen.<br />
Israel übt eine eigene Semantik <strong>de</strong>r<br />
Gotteszeichen ein. Brot und Wein sind<br />
» Das Drama einer Wahrheit, die in uns<br />
wohnen will und doch nicht festgehalten<br />
wer<strong>de</strong>n kann, ist das Drama von Präsenz<br />
und Entzug.<br />
nicht irgen<strong>de</strong>in Brot und nicht irgen<strong>de</strong>in<br />
Wein, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r zeitvernichten<strong>de</strong>n<br />
Gegenwärtigkeit <strong>de</strong>s Se<strong>de</strong>rabends,<br />
in <strong>de</strong>m das Heute <strong>de</strong>s Exodus<br />
ausgerufen wird, Zeichen für die<br />
schreckliche und gleichzeitig herrliche<br />
Anwesenheit Gottes im Vorübergang.<br />
Diesen Vorübergang ruft Jesus am<br />
Vorabend seiner Kreuzigung aus, in<strong>de</strong>m<br />
er sich selbst mit <strong>de</strong>m Brot <strong>de</strong>r<br />
Freiheit i<strong>de</strong>ntifiziert: „Das ist mein<br />
Leib“. Der Auftrag „Tut dies zu meinem<br />
Gedächtnis“ ist ein mystagogischer<br />
Initialauftrag. Der Auftrag, etwas,<br />
was seiner Natur nach ein Vorübergang<br />
ist, zur Gegenwart auszurufen,<br />
ist ein Verstoß gegen die physikalische<br />
Zeitkoordinate, in die wir unwi<strong>de</strong>rruf-<br />
licheingespannt sind.<br />
Hier wer<strong>de</strong>n<br />
die Koordinaten<br />
unserer<br />
physischen<br />
Realität mit <strong>de</strong>utlicher Absicht außer<br />
Kraft gesetzt. Dass immer wie<strong>de</strong>r etwas<br />
Gegenwart wer<strong>de</strong>n kann, was unter<br />
<strong>de</strong>m Diktum <strong>de</strong>r Zeit normalerweise<br />
in <strong>de</strong>n tiefen Brunnen <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />
gefallen wäre, ist ein Wun<strong>de</strong>r. Eine<br />
bewusste Installation dafür, dass die<br />
Grenzen <strong>de</strong>r Realität mit <strong>de</strong>r Autorität<br />
Gottes aufgehoben wer<strong>de</strong>n können.<br />
Für die Religionspädagogik ist beson<strong>de</strong>rs<br />
wichtig, dass hier tatsächlich<br />
ein Auftrag zum Einüben und zur Wie<strong>de</strong>rholung<br />
erteilt wird. Es ist eine Art<br />
Alphabetisierung, die sich dann in <strong>de</strong>r<br />
Geschichte <strong>de</strong>r jungen Kirche im Brotbrechen<br />
fortsetzt und die im Laufe <strong>de</strong>r<br />
Kirchengeschichte sich zu einem ausdifferenzierten<br />
Alphabet <strong>de</strong>r Heiligkeit,<br />
zu einer Sprache <strong>de</strong>r Sakramente<br />
und Sakramentalien verlängert. Diese<br />
Sprache in ihrer An<strong>de</strong>rsheit zur Normalsprache<br />
herauszustellen, ist <strong>de</strong>r<br />
Grundauftrag <strong>de</strong>s Mystagogen. Das<br />
Agogische, d. h. das Einführen, Anleiten<br />
und Einüben lüftet nicht <strong>de</strong>n Schleier<br />
vor <strong>de</strong>m göttlichen Mysterium, es<br />
lehrt nur <strong>de</strong>n angemessenen Umgang<br />
mit ihm und schärft die Sinne, um es<br />
überhaupt erst wahrzunehmen und ihm<br />
einen Platz in <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
» Die Religionspädagogik hat mit <strong>de</strong>m Begriff<br />
Mystagogie nichts weniger als das<br />
Zentrum <strong>de</strong>s biblischen Monotheismus auf<br />
die Tagesordnung gesetzt
Dinge zu verschaffen. Das ist ein Kontrastprogramm!<br />
Auf diese Weise sehen<br />
wir, wie <strong>de</strong>r Mystagoge als Trainer <strong>de</strong>s<br />
alteritären Alphabets wirken muss. Er<br />
lehrt, wie man das Heilige vom Unheiligen<br />
unterschei<strong>de</strong>t. Er erklärt, warum<br />
das Heilige, wenn <strong>de</strong>nn von Gott nicht<br />
geschwiegen wer<strong>de</strong>n soll, auch einen<br />
Platz in unserer Kultur braucht. Er muss<br />
auch die Welt <strong>de</strong>r heiligen Zeichen vor<br />
Missverständnissen und schrägen Deutungen<br />
schützen. Zu einer solchen Apologie<br />
<strong>de</strong>r Sakralität gehört, dass <strong>de</strong>utlich<br />
gemacht wird, dass diese Kunst <strong>de</strong>s<br />
Abstandhaltens zwischen <strong>de</strong>m was ist,<br />
<strong>de</strong>m Empirischen und Vorhan<strong>de</strong>nen,<br />
und <strong>de</strong>m, was sein soll, eine Sprache<br />
<strong>de</strong>r Eschatologie und Utopie braucht.<br />
Ernst Bloch (1885-1977) hat in seiner<br />
expressionistischen und sprachmächtigen<br />
Art und Weise versucht, die-<br />
sen Abstand<br />
von einer metaphysischen<br />
Welt<strong>de</strong>utung<br />
abzusetzen.<br />
Das Interessante<br />
an <strong>de</strong>n<br />
Marxisten, die wie Bloch und Walter<br />
Benjamin (1892-1940) in <strong>de</strong>r Materie<br />
die utopische Aufladung ent<strong>de</strong>cken<br />
wollten, ist, dass sie noch mit einem<br />
Gottesverständnis konfrontiert waren,<br />
bei <strong>de</strong>m Gott <strong>de</strong>r Bewohner einer metaphysischen<br />
Zweitwelt gewesen sein<br />
sollte, die es nicht gab. In <strong>de</strong>r Philosophie<br />
ist die Diskussion über <strong>de</strong>n Fortbestand<br />
<strong>de</strong>r Metaphysik inzwischen<br />
weiter gegangen. Es hat sich gezeigt,<br />
dass die voreilige Ausrufung eines<br />
„nachmetaphysischen Zeitalters“ (Jürgen<br />
Habermas) mit einem Begriff von<br />
Metaphysik operiert hatte, <strong>de</strong>r auf einen<br />
Kategorienfehler hinausläuft. Wer<br />
von <strong>de</strong>n großen Metaphysikern hat<br />
<strong>de</strong>nn wirklich von einer Welt <strong>de</strong>r Metaphysik<br />
im Sinne einer Hinterwelt gesprochen,<br />
in <strong>de</strong>r die empirische und die<br />
nichtempirische Realität äquivok nebeneinan<strong>de</strong>r<br />
gesetzt sind? Wie auch<br />
immer – wir sehen hier sehr <strong>de</strong>utlich<br />
das kritische Potential einer nichtempirischen<br />
Realität aus <strong>de</strong>m Geist, die<br />
gleichwohl nicht nichts ist.<br />
Für die biblische Offenbarungstradition<br />
ist die Ausrufung <strong>de</strong>r Anwesenheit<br />
Gottes immer mehr gewesen,<br />
als bloßes Abstandhalten. Wer sich vom<br />
Ist-Zustand abstößt, geht gewiss auf<br />
Abstand und ist immerhin <strong>de</strong>n Zwängen<br />
und <strong>de</strong>m Zauber <strong>de</strong>ssen, was ist,<br />
schon einmal entkommen. Ob er aber<br />
ins Nichts fällt und keinen Ort hat (Utopos),<br />
mag zunächst offen sein. Die<br />
Zusage, dass die Sprengung <strong>de</strong>r uns<br />
vorgegebenen Realitätskoordinaten unter<br />
einem guten Stern steht o<strong>de</strong>r, wie es<br />
am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Schöpfungsgeschichte<br />
heißt, dass „alles gut war“, das ist Gegenstand<br />
<strong>de</strong>s Glaubens. Wenn wir als<br />
Menschen uns mit <strong>de</strong>m Bewusstsein<br />
unserer Endlichkeit vorfin<strong>de</strong>n, das<br />
gleichzeitig die Hoffnung enthält, dieser<br />
Endlichkeit nicht endgültig ausgeliefert<br />
zu sein, dann heißt die Antwort<br />
<strong>de</strong>s Glaubens<br />
Ja. In diesem<br />
Ja ist die Überwindung<br />
<strong>de</strong>r<br />
Endlichkeit<br />
angesagt.<br />
Gleichzeitig<br />
ist sicher, dass diese Überwindung <strong>de</strong>r<br />
eigenen Endlichkeit, die Auferstehung<br />
<strong>de</strong>r Toten, nicht ein Produkt eigener<br />
Anstrengungen sein kann.<br />
Gegen eine eigene Semantik <strong>de</strong>r Alterität<br />
und eine Kultur <strong>de</strong>r Sakralität ist<br />
in <strong>de</strong>r Neuzeit eine sehr erfolgreiche<br />
Polemik geführt wor<strong>de</strong>n. Seit Immanuel<br />
Kants (1724-1804) Religionsschrift<br />
ist vom „Afterdienst“ die Re<strong>de</strong> und von<br />
sinnlosem Brimborium und von rituellem<br />
Pomp. Die Christen sind daran<br />
nicht ganz schuldlos, <strong>de</strong>nn es kommt<br />
immer wie<strong>de</strong>r vor, dass die Herrlichkeit<br />
Gottes ausgerufen und gefeiert wird,<br />
ohne dass dies für das Zusammenleben<br />
<strong>de</strong>r Menschen, für <strong>de</strong>n barmherzigen<br />
Umgang miteinan<strong>de</strong>r, für die aktive Arbeit<br />
an <strong>de</strong>r Heiligung <strong>de</strong>r Welt im Sinne<br />
einer Verbesserung <strong>de</strong>r Verhältnisse etwas<br />
zu be<strong>de</strong>uten gehabt hätte. Aber abusus<br />
non tollit usum – <strong>de</strong>r Missbrauch<br />
ist kein Argument gegen <strong>de</strong>n sinnhaften<br />
Gebrauch, die richtige Praxis.<br />
In <strong>de</strong>r Religionspädagogik sind zwei<br />
mystagogische Pensen <strong>de</strong>nkbar:<br />
» Die Zeichen für <strong>de</strong>n Heiligen und das Heilige<br />
müssen sich von an<strong>de</strong>ren Symbolen<br />
unterschei<strong>de</strong>n. Daher ist es wichtig, die Re<strong>de</strong><br />
über die Symbole und die Symboldidaktik<br />
nicht als Sakramentenre<strong>de</strong> auszugeben.<br />
Liturgie im Leben – Rituale<br />
Wenn ich es einmal vergesse, erinnern<br />
die Schüler mich daran und sind<br />
fast schon beleidigt: „Und das Meditieren?“,<br />
fragen sie dann. Es sind lediglich<br />
zwei Minuten, in <strong>de</strong>nen wir am<br />
Anfang <strong>de</strong>r Religionsstun<strong>de</strong> aufrecht<br />
sitzen und in die Stille, in uns selbst hineinhören.<br />
In einer „neuen“ Klasse<br />
gibt es häufig fragen<strong>de</strong> Gesichter, ein<br />
Gekicher auch. Doch rasch gehört die<br />
kurze Besinnung dazu wird von <strong>de</strong>n<br />
Schülern als ein unerlässlicher Teil <strong>de</strong>r<br />
Stun<strong>de</strong> wahrgenommen. Ein „an<strong>de</strong>res“<br />
Anfangsritual.<br />
Rituale gehören zum Leben, wesentlich<br />
auch zu Religion und Liturgie.<br />
Sie entlasten <strong>de</strong>n Einzelnen wie<br />
die Gemeinschaft. Sie <strong>de</strong>uten Verlässlichkeit<br />
an, ja Geborgenheit. Freilich<br />
müssen Rituale <strong>de</strong>m Fluß <strong>de</strong>s Lebens<br />
folgen, dürfen nicht leere Gewohnheiten<br />
wi<strong>de</strong>rspiegeln. Wenn sie<br />
auf Wie<strong>de</strong>rholungen <strong>de</strong>s Oberflächlichen<br />
o<strong>de</strong>r Altbackenen hinauslaufen,<br />
bereichern sie nieman<strong>de</strong>n und wer<strong>de</strong>n<br />
schließlich fallengelassen. Nichts<br />
scha<strong>de</strong>t <strong>de</strong>m religiösen Leben und<br />
<strong>de</strong>r Liturgie mehr als gedankenlose<br />
Routine.<br />
Die Stille am Anfang <strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong><br />
wird wohl auch <strong>de</strong>shalb angenommen,<br />
weil sie einen Hauch <strong>de</strong>s „An<strong>de</strong>ren“<br />
ins Spiel bringt. Schule und<br />
Unterricht sind sehr wortlastig, sind<br />
auf überprüfbare Leistung hin angelegt.<br />
Das Anfangsritual hat damit<br />
nichts zu tun. Niemand muss etwas<br />
leisten, niemand etwas Überprüfbares<br />
zustan<strong>de</strong> bringen. Und <strong>de</strong>nnoch –<br />
davon bin ich überzeugt – geschieht<br />
etwas, kann in kleinsten Schritten etwas<br />
wachsen. Man muss es nicht benennen.<br />
Wichtig ist, dass hier ein<br />
Fenster aufgemacht, eine Spur gelegt<br />
wird. „Der Weg wächst im Gehen unter<br />
<strong>de</strong>inen Füßen, wie durch ein Wun<strong>de</strong>r“<br />
heißt es einmal bei Reinhold<br />
Schnei<strong>de</strong>r.<br />
Christian Heidrich – Quelle: Christ in <strong>de</strong>r Gegenwart,<br />
Nr. 6/07, S. 48.<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
BEITRÄGE<br />
11
BEITRÄGE<br />
12<br />
Performance –<br />
Ich sag’ mal sozusagen, sagichmal<br />
Zaubern – das müsste man können! Eine<br />
schöne Fantasie für Kin<strong>de</strong>r und Poeten.<br />
„Mutabor“ spricht <strong>de</strong>r kleine Muck, und<br />
schon passiert’s. „Und die Welt hebt an zu<br />
singen, triffst du nur das Zauberwort“,<br />
meint <strong>de</strong>r nahezu heilige Dichter Josef<br />
(von Eichendorff). Was aber wäre <strong>de</strong>r wahre<br />
Zauber – nein, <strong>de</strong>r Zauber <strong>de</strong>r Wahrheit?<br />
Dass die Wörter und die Sachen zusammenfallen<br />
... Wenn das geschähe, wäre<br />
nach <strong>de</strong>r klassischen Verständnis <strong>de</strong>r<br />
höchste Punkt <strong>de</strong>r Wahrheit erreicht. Denn<br />
nach <strong>de</strong>r scholastischen Definition fin<strong>de</strong>t<br />
Wahrheit statt, wenn Sache und Begriff<br />
zur Deckung kommen: adaequatio rei et<br />
intellectus.<br />
In <strong>de</strong>r „Metasprache“ spricht Sprache<br />
über sich selbst. Das hat <strong>de</strong>rzeit Konjunktur.<br />
Unsere Sprachpraxis macht <strong>de</strong>rzeit eine<br />
barocke Phase durch. Wir leben im Zeitalter<br />
<strong>de</strong>s metasprachlichen Barock. Vor allem in<br />
<strong>de</strong>n prätentiösen Diskursen <strong>de</strong>r wissenschaftlichen<br />
Qualifikationsprosa schwebt<br />
über allem, was da formulierend gedrechselt<br />
wird, ein „sozusagen“. Als wenn sich<br />
ein Schleier <strong>de</strong>s Vorbehalts über alle rhetorischen<br />
Wahrheitsansprüche legte, signalisiert<br />
dieses „sozusagen“: ich könnte es<br />
auch an<strong>de</strong>rs sagen, weiß selber, dass ich im<br />
Ungefähren bleibe, es eigentlich an<strong>de</strong>rs<br />
und besser sagen müsste! Im Theologenjargon<br />
müsste das als Karikatur und<br />
Schwundstufe <strong>de</strong>s „eschatologischen Vorbehalts“<br />
bezeichnet wer<strong>de</strong>n.<br />
Gerinnt die Sprache zur Schrift, erscheinen<br />
die Anführungszeichen wie eine<br />
relativieren<strong>de</strong> Entschuldigung für das, was<br />
sie einrahmen. „Ich sag mal“ und „Sagichmal“<br />
sind noch ausdrücklichere metasprachliche<br />
Ornamente, kleine Demutsgesten,<br />
mit <strong>de</strong>nen die Sprache sich selbst kommentiert,<br />
relativiert und für überbietbar erklärt.<br />
Dieser metasprachliche Barock ist<br />
zur Hintergrundmusik unserer Sprechpraxis<br />
gewor<strong>de</strong>n. Er gehört zum Jargon <strong>de</strong>r<br />
Podien und Verlautbarungen, <strong>de</strong>r Interviews<br />
und Statements.<br />
Die Skepsis, dass Sprache überhaupt<br />
treffen kann, ist nicht neu. Von Platons Dialog<br />
Phaidros bis zu Hofmannsthals berühmtem<br />
Chandos-Brief und zu <strong>de</strong>n großen<br />
Aktionen <strong>de</strong>r Zertrümmerung in <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>konstruktivistischen Sprachphilosophie<br />
zieht sich eine Spur von Bröseln.<br />
Auf dieser Hintergrundfolie wird die<br />
Karriere eines neuen Zauberworts verständlich:<br />
Performanz. Zunächst war es ei-<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
ne Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r analytischen Sprachphilosophie,<br />
dass es Verben gibt, die von<br />
<strong>de</strong>r Norm abweichen, weil sie nicht zweistellig<br />
sind. Mit Zweistelligkeit ist gemeint,<br />
dass Wort und Sache als zwei unterschiedliche<br />
Tatbestän<strong>de</strong> auseinan<strong>de</strong>r treten.<br />
Wer sagt „Da lach ich doch!“ und dabei<br />
eine to<strong>de</strong>rnste Miene macht, inszeniert einen<br />
performativen Selbstwi<strong>de</strong>rspruch. Er<br />
tut nicht, was er sagt. Das Eine ist das „Lachen“,<br />
das An<strong>de</strong>re das Verbum „lachen“.<br />
Beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>r Moral, vor allen Dingen<br />
dort wo sie gepredigt wird, gilt mit Recht<br />
als Klassiker <strong>de</strong>r Heuchelei und Unwahrhaftigkeit,<br />
wenn einer Wasser predigt und<br />
Wein trinkt. Je höher die I<strong>de</strong>ale sind, umso<br />
größer die Wahrscheinlichkeit, dass <strong>de</strong>r,<br />
welcher sie verkün<strong>de</strong>t, hinter ihnen zurückbleibt.<br />
Wer könnte wie Jesus in <strong>de</strong>r Bergpredigt<br />
sagen: „Ihr sollt also vollkommen<br />
sein, wie es auch euer himmlischer Vater<br />
ist“ (Mt 5,48). Schließt nicht, wenn einer<br />
einen solchen Satz von <strong>de</strong>r Kanzel herab<br />
aus eigenem Recht auf seine Zuhörer prallen<br />
lässt, dieser Sprechakt die unausgesprochene<br />
Behauptung ein: „Vollkommen<br />
– wie ich es auch selber bin“. Mit <strong>de</strong>m<br />
Überschuss <strong>de</strong>s Ungesagten ist das so eine<br />
Sache. Von ihr zehrt die Lyrik, sie organisiert<br />
einen solchen Überschuss. Dennoch<br />
bleibt wahr: Wort und Tat sollen nicht auseinan<strong>de</strong>r<br />
treten dürfen.<br />
Dies beför<strong>de</strong>rt die <strong>de</strong>rzeitige Karriere<br />
<strong>de</strong>r so genannten performativen Verben,<br />
die in <strong>de</strong>r analytischen Sprachphilosophie<br />
herausgestellt wor<strong>de</strong>n sind. Wer sagt „Ich<br />
befehle Dir!“ hat einen Befehl erteilt. Wer<br />
sagt: „Topp, die Wette gilt!“, <strong>de</strong>r hat gewettet<br />
und zwar ohne Vorbehalt und Anführungszeichen.<br />
Wer sagt: „Ich ernenne“, hat<br />
ernannt, wer sagt: „Ich verspreche“, hat<br />
versprochen. Es gibt sie also, die Koinzi<strong>de</strong>nz<br />
von Wort und Tat. Ein Sprachzeichen,<br />
das gleichzeitig das ist, was es be<strong>de</strong>utet.<br />
Es wird einstellig, hat keine Referenz<br />
als sich selbst.<br />
Um die stärkste Singularität han<strong>de</strong>lt es<br />
sich bei <strong>de</strong>m Sprechakt <strong>de</strong>s Priesters <strong>de</strong>r<br />
sagt: „Das ist mein Leib“. Dass er dies<br />
nicht aus eigenem Recht, son<strong>de</strong>rn in figura<br />
Christi sagt, macht die Sache noch singulärer.<br />
Denn es macht die Göttlichkeit <strong>de</strong>s Jesus<br />
von Nazareth aus, dass er gezeigt hat,<br />
wie und dass es möglich ist, <strong>de</strong>n Willen<br />
<strong>de</strong>s Vaters zu tun und ihn nicht nur zu verkün<strong>de</strong>n.<br />
Das eucharistische Brot ist, was<br />
es be<strong>de</strong>utet, ein – ja <strong>de</strong>r semantische Son<strong>de</strong>rfall.<br />
Ein Son<strong>de</strong>rfall <strong>de</strong>r zum Maßstab<br />
gewor<strong>de</strong>n ist.<br />
Eckhard Nordhofen<br />
Der Religionsunterricht muss erstens<br />
für die Eigensprache <strong>de</strong>r Alteritätsmarkierung<br />
einen metasprachlichen<br />
Diskurs aufmachen. Er muss helfen zu<br />
sortieren, wie das auch hier versucht<br />
wird, und eine Art Platzanweisung versuchen.<br />
Er muss zeigen, welchen „Sitz<br />
im Leben“ die Welt <strong>de</strong>s Heiligen und<br />
die Welt <strong>de</strong>r heiligen Zeichen hat. Er<br />
kann erklären, warum wir sie brauchen,<br />
er kann ihr kritisches Potential aufzeigen,<br />
aber auch die ethische Verpflichtung,<br />
die sich aus ihm ergibt. Er muss<br />
sich mit Miss<strong>de</strong>utungen auseinan<strong>de</strong>r<br />
setzen und berechtigte Kritik akzeptieren.<br />
Dieses Pensum ist kognitiv und ist<br />
aus entwicklungspsychologischen Grün<strong>de</strong>n<br />
nach <strong>de</strong>r Pubertät zu erledigen.<br />
Aber alles Sprechen über enthebt ihn<br />
nicht <strong>de</strong>r Performanz.<br />
In <strong>de</strong>r Religionspädagogik ist in<br />
jüngerer Zeit viel von performativen<br />
Ansätzen die Re<strong>de</strong>. Dies ist ein glücklicher<br />
Import aus <strong>de</strong>m Diskurs <strong>de</strong>r<br />
Sprachanalyse. Die performativen Verben:<br />
„Ich verspreche“, „ich befehle“,<br />
„ich wette“, etc. sind von allen an<strong>de</strong>ren<br />
Verben dadurch unterschie<strong>de</strong>n, dass sie<br />
sind, was sie be<strong>de</strong>uten. Auch im Religionsunterricht<br />
hat man die Performanzen<br />
ent<strong>de</strong>ckt. Es darf nicht beim Re<strong>de</strong>n<br />
über Religion bleiben, die Religion<br />
muss auch eingeübt wer<strong>de</strong>n. Religiöse<br />
„Sprache“ im Sinne Ernst Cassirers,<br />
die mehr ist als Wörtersprache, hat ihre<br />
Eigenheiten. Zwar kann auch die Wörtersprache<br />
alteritär vere<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n.<br />
Nicht umsonst sträuben sich viele ernste<br />
Protestanten gegen die Banalisierung<br />
<strong>de</strong>r biblischen Sprache und hängen an<br />
<strong>de</strong>m altfränkischen Luther<strong>de</strong>utsch. Was<br />
ist da passiert? Das, was nach 500 Jahren<br />
altertümlich und halb fremd erscheint,<br />
war zu Zeiten <strong>de</strong>s Reformators<br />
ein Produkt seiner Kunst, <strong>de</strong>m „Volk<br />
aufs Maul zu schauen“. Das damals<br />
heutige Deutsch wirkt heute fremd und<br />
alteritär. Es hat einen sakralisieren<strong>de</strong>n<br />
Nebeneffekt, über <strong>de</strong>n sich <strong>de</strong>r fromme<br />
Lutheraner nicht immer Rechenschaft<br />
gibt, für das er aber eine gute Intuition<br />
hat. Da die reformatorische Tradition<br />
sich weitgehend von <strong>de</strong>n nonverbalen<br />
Alteritätsmarkierungen verabschie<strong>de</strong>t
hat – die Musik bil<strong>de</strong>t hier die großartige<br />
Ausnahme – ist es eine nachvollziehbare<br />
Intuition, an <strong>de</strong>r Sprachgestalt<br />
festzuhalten, die das Deutsch erst zur<br />
„Heiligen Schrift“ macht.<br />
Die katholische Tradition ist auf<br />
die Textgestalt weniger angewiesen. In<br />
<strong>de</strong>n Richtungskämpfen nach <strong>de</strong>m 2.<br />
Vatikanischen Konzil galt es lange Zeit<br />
als progressiv, die Sakralität beiseite zu<br />
räumen. Inzwischen hat sich gezeigt,<br />
dass die erhoffte Authentizität und Unmittelbarkeit<br />
sich keineswegs in <strong>de</strong>r<br />
Weise ausgewirkt hat, dass das Christentum<br />
dadurch einen Glaubwürdigkeitsvorsprung<br />
erhalten hätte. Sakralität<br />
ist ein knappes Gut gewor<strong>de</strong>n. Ein<br />
Christentum, das sich rein funktional<br />
auf die Weltverbesserung durch Diakonie<br />
verlässt, kann <strong>de</strong>n Unterschied zwischen<br />
social engineering und Diakonie<br />
nicht mehr angeben. Der Denkfehler<br />
liegt in einer falschen Alternative. Orthopraxie,<br />
gelebtes Christentum, praktische<br />
Nächstenliebe, scheint zunächst<br />
ohne die fromme Welt <strong>de</strong>r heiligen Zeichen<br />
auskommen zu können. Die Trennung<br />
<strong>de</strong>r Wege in eine weltflüchtige,<br />
weihrauchgeschwängerte, von schweren<br />
Mönchsgesängen begleitete Welt<br />
<strong>de</strong>r Orthodoxie und in eine Welt <strong>de</strong>s<br />
wahren Christentums, für die eine reine<br />
Diakonie das einzige legitime Gotteslob<br />
ist, macht fatale Fronten auf.<br />
An <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>s europäischen<br />
Mönchtums und <strong>de</strong>r Klöster lässt<br />
sich sehr gut ablesen, was es mit <strong>de</strong>r<br />
Weltflucht auf sich hat. In <strong>de</strong>r Tat hatte<br />
es eine Abstoßungsbewegung, eine<br />
Flucht aus <strong>de</strong>r <strong>de</strong>ka<strong>de</strong>nten Welt in die<br />
Wüste gegeben. Es blieb aber nicht bei<br />
<strong>de</strong>r abgeschlossenen Welt <strong>de</strong>s Kreuzgangs,<br />
<strong>de</strong>r ein Paradiesgärtlein umschloss.<br />
Die I<strong>de</strong>e Benedikts von Nursia<br />
(480-547) tarierte die weltverneinen<strong>de</strong><br />
Fluchtbewegung durch das „labora“<br />
aus, die Arbeit, die das Gebet ergänzt<br />
und sich vom Gebet selber inspirieren<br />
lässt: ora et labora. Wir wissen heute,<br />
dass kaum eine an<strong>de</strong>re christliche Kulturleistung<br />
so folgenreich gewor<strong>de</strong>n<br />
ist, wie die Klöster, die zu Musterbetrieben<br />
für Gartenbau und Viehzucht<br />
wur<strong>de</strong>n, die das Schulwesen systemati-<br />
sierten und über viele Jahrhun<strong>de</strong>rte hin<br />
trugen. Aus <strong>de</strong>n ausgegrenzten, d. h. sakralisierten<br />
Räumen hallt immer noch<br />
das Echo jener Auffor<strong>de</strong>rung an Mose<br />
„Zieh <strong>de</strong>ine Schuhe aus, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Ort<br />
wo du stehst ist heiliger Bo<strong>de</strong>n“. Dieselbe<br />
Dialektik, die <strong>de</strong>n Sabbat in eine<br />
fruchtbare Spannungsbeziehung zum<br />
Werktag bringt, kennzeichnet auch die<br />
lokalen Ausgrenzungen, ja alle Sakralisierungen.<br />
Die Dialektik von heilig und profan<br />
ist ur-monotheistisch. Sie gibt eine<br />
semantische Abstandshaltung wie<strong>de</strong>r,<br />
die es erst möglich macht, <strong>de</strong>n Ist-Zustand<br />
als etwas Vorläufiges, als etwas,<br />
das so nicht bleiben kann, zu qualifizieren.<br />
In diesem Sinn ist Sakralität in <strong>de</strong>r<br />
Wurzel politisch, gera<strong>de</strong> weil hier das<br />
An<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Arbeit und auch <strong>de</strong>r Gestaltung<br />
am Gemeinwesen ausgerufen<br />
wird. Nur auf dieser Folie kann die Arbeit<br />
als Arbeit, als selbstbestimmt erfahren<br />
wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn es gibt eine Grenze<br />
<strong>de</strong>r Selbstbestimmung, die durch das<br />
Sakrale bezeichnet wird. Diese Dialektik<br />
einzuüben, ist eine zentrale Aufgabe<br />
auch <strong>de</strong>s Religionsunterrichts. Das<br />
Credo <strong>de</strong>r Grundschulpädagogen ist in<br />
die Formel eines Lernens mit „Kopf,<br />
Herz und Hand“ gefasst wor<strong>de</strong>n. Vielleicht<br />
ist es diese ganzheitliche Lernbereitschaft<br />
von Kin<strong>de</strong>rn, die <strong>de</strong>n Lehrer<br />
Jesus (er wird immer wie<strong>de</strong>r als Didaskalos<br />
= Lehrer angesprochen) zu <strong>de</strong>r<br />
Auffor<strong>de</strong>rung an seine Hörer veranlasst:<br />
„Wer<strong>de</strong>t wie die Kin<strong>de</strong>r!“<br />
Die europäische religiöse Welt ist<br />
durch <strong>de</strong>n Verbalismus <strong>de</strong>r Theologie<br />
geprägt. Das kann ein großer Vorzug<br />
sein, was die Anschlussfähigkeit an die<br />
wissenschafts- und theoriegeprägte<br />
Mo<strong>de</strong>rne betrifft, enthält aber auch Gefahren.<br />
Der interkulturelle Vergleich<br />
zeigt, dass das europäische Christentum,<br />
so stark es auch diskursiv sein<br />
mag, in eine Schräglage geraten ist.<br />
Ihm fehlt das religiöse Exerzitium, das<br />
<strong>de</strong>n Islam so stark und lebensförmig<br />
macht. Waschungen, Gebetszeiten, die<br />
vorgeschriebenen Verneigungen, die<br />
Fastenregeln, ja alle Vorschriften für<br />
die Lebensform sind tief in <strong>de</strong>r islamischen<br />
Kultur verankert. Sie machen sie<br />
Am Kollaps:<br />
Französischer Religionsunterricht<br />
In Frankreich wird <strong>de</strong>r Religionsunterricht<br />
aufgrund <strong>de</strong>r laizistischen<br />
Verfassung außerhalb <strong>de</strong>s staatlichen<br />
Schulunterrichts erteilt. Inzwischen<br />
nimmt nur noch je<strong>de</strong>s dritte Kind zwischen<br />
acht und zwölf Jahren daran<br />
leil. 1993 waren es noch 45 Prozent,<br />
1945 neunzig Prozent. Darauf weist<br />
Bischof Christophe Dufour in „Le Figaro“<br />
hin.<br />
Quelle: Christ in <strong>de</strong>r Gegenwart, Nr. 8/07, S. 58.<br />
im Wesentlichen aus. Auf diese Weise<br />
wird die Religion zu einem spirituellen<br />
Haus, zur Heimat, aus <strong>de</strong>r sich niemand<br />
vertreiben lassen will, auch wenn er aus<br />
an<strong>de</strong>ren Grün<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Westen übergesie<strong>de</strong>lt<br />
ist. Diese lebensförmige Stärke<br />
<strong>de</strong>s Islam macht uns darauf aufmerksam,<br />
wo unsere Defizite liegen.<br />
Fast alles, was wir dort selbstverständlich<br />
aus- und eingeübt fin<strong>de</strong>n, gab es<br />
bei uns auch. Auch Ethnologen, die Experten<br />
<strong>de</strong>s interkulturellen Vergleichs,<br />
haben eine fast nostalgische Sympathie<br />
für die im Entschwin<strong>de</strong>n begriffenen<br />
sakralen Zeichensysteme einer alten<br />
christlichen Kultur. Thomas Hauschild,<br />
<strong>de</strong>r sich als doktrinaler Agnostiker gibt,<br />
hat sich jahrelang zu Feldforschungen<br />
in Süditalien aufgehalten und dort die<br />
Spuren eines archaischen Katholizismus<br />
mit großer Sympathie und Begeisterung<br />
erforscht. 2 Ist es nun realistisch,<br />
eine untergegangene Welt <strong>de</strong>r Maialtärchen,<br />
Bittgänge, Prozessionen, Wallfahrten<br />
und Andachten, <strong>de</strong>r Rosenkränze,<br />
<strong>de</strong>s Weihwassers und <strong>de</strong>s Weihrauchs<br />
wie<strong>de</strong>rbeleben zu wollen? Selbst wenn<br />
man um einer verlorenen Ganzheitlichkeit<br />
im religiösen Exerzitium willen<br />
dazu Anstalten machte, wäre die Gefahr<br />
groß, in pure Nostalgie o<strong>de</strong>r in<br />
Folklore abzugleiten. Aber Renaissancen<br />
sind möglich! Noch niemals hat<br />
eine Renaissance wirklich das wie<strong>de</strong>rgeboren,<br />
von <strong>de</strong>m sie sich mit <strong>de</strong>m<br />
Blick in die Vergangenheit hat anregen<br />
lassen. Es ist ja auch nicht nur <strong>de</strong>r Blick<br />
in die Vergangenheit, es ist auch <strong>de</strong>r<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
BEITRÄGE<br />
13
BEITRÄGE<br />
14<br />
Mehr Theologiestu<strong>de</strong>nten –<br />
aber nicht fürs Diplom<br />
Die Zahl <strong>de</strong>r katholischen Theologiestu<strong>de</strong>nten<br />
steigt wie<strong>de</strong>r an. Zum<br />
Wintersemester 2005/2006 zählte<br />
man in Deutschland insgesamt 20515<br />
Stu<strong>de</strong>nten. Das geht aus einer Statistik<br />
<strong>de</strong>r Bischofskonferenz hervor. Allerdings<br />
fällt auf, dass das Interesse<br />
am Diplom-Abschluss und an <strong>de</strong>r<br />
entsprechen<strong>de</strong>n kirchlichen Prüfung<br />
für Priester stark gesunken, das Interesse<br />
am Staatsexamen dagegen gestiegen<br />
ist. Die jungen Leute streben<br />
also nicht ein kirchliches Amt als<br />
Geistlicher o<strong>de</strong>r als Pastoralreferent<br />
an, son<strong>de</strong>rn wollen eher Religionslehrer<br />
wer<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>n Studienanfängern<br />
2005/2006 lag <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r<br />
„Diplom“-Stu<strong>de</strong>nten bei nur noch 43<br />
Prozent. Vor zehn Jahren betrug er<br />
noch siebzig Prozent. Auch die Zahl<br />
jener, die eine Doktorarbeit schreiben,<br />
nahm ab: Von 1202 (im Jahr<br />
1997/1998) auf 828 (im Jahr 2005/<br />
2006). Die beliebteste Universität <strong>de</strong>r<br />
Theologie ist nach wie vor Münster.<br />
Dort sind 2338 <strong>de</strong>r insgesamt 20515<br />
eingeschrieben. om<br />
Quelle: Christ in <strong>de</strong>r Gegenwart, Nr. 3/07, S. 20<br />
Blick in lebendige Vorbil<strong>de</strong>r in Afrika,<br />
in Indien und in die katholische Weltkirche,<br />
die oft einen reichen Schatz von<br />
nonverbalen Liturgien ausgebil<strong>de</strong>t hat.<br />
Für die Religionspädagogik wäre es<br />
gut, wenn man ohne Scheu vor <strong>de</strong>m binären<br />
Co<strong>de</strong> progressiv-konservativ<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
sich für die entstehen<strong>de</strong>n Formen neuer<br />
geistlicher Bewegungen öffnete, wie<br />
sie etwa in Sant’Egidio in Rom o<strong>de</strong>r in<br />
<strong>de</strong>r Gemeinschaft Emmanuel zu beobachten<br />
sind. Natürlich ist die ausgesetzte<br />
Monstranz mit <strong>de</strong>m Allerheiligsten<br />
etwas, was an Andachten erinnert, wie<br />
sie vor <strong>de</strong>m 2. Vatikanischen Konzil<br />
üblich waren. Die ausgesetzte Monstranz<br />
im vollen Kölner Stadion o<strong>de</strong>r bei<br />
einer Anbetung <strong>de</strong>r Gemeinschaft Emmanuel<br />
ist etwas Neues. Wichtig ist<br />
nur, dass die alteritären Zeichensysteme<br />
wie<strong>de</strong>rgewonnen wer<strong>de</strong>n.<br />
Dabei ist eines wichtig: Es gilt, das<br />
Missverständnis falscher Authentizität<br />
zu vermei<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r Hochzeit <strong>de</strong>r Liturgiereform<br />
waren die reformwilligen<br />
Priester angestrengt bestrebt, das<br />
Hochgebet und die an<strong>de</strong>ren festen Gebete<br />
<strong>de</strong>r Eucharistiefeier zwar im Wesentlichen<br />
zu treffen, aber in ihrer Sprache<br />
<strong>de</strong>n Anschein zu erwecken, als seien<br />
ihnen die Worte, die sie sprechen,<br />
soeben gedanklich aus <strong>de</strong>m Hirn entsprungen<br />
und somit authentisch. Was<br />
es heißt, sich etwas sagen zu lassen, eine<br />
Form zu benutzen und sie innerlich<br />
zu beleben und auszufüllen, das ist eines<br />
<strong>de</strong>r Geheimnisse gelungener Liturgie.<br />
Die performative Botschaft <strong>de</strong>s zelebrieren<strong>de</strong>n<br />
Priesters heißt: Ich trete in<br />
eine Figurine ein, ich zelebriere „in figura<br />
Christi“. Die Wie<strong>de</strong>rgewinnung<br />
einer Welt <strong>de</strong>r alteritären Zeichen, sollte<br />
daher nicht einen Workshop-Ehrgeiz<br />
entwickeln und eine unangebrachte<br />
Kreativität an <strong>de</strong>n Tag legen.<br />
Mystagogie kann ganz einfach<br />
sein. Wir lehren die Kin<strong>de</strong>r, wie Weih-<br />
wasser zu nehmen sei, wie eine Kirche<br />
zu betreten sei, wie und warum eine<br />
Kniebeuge zu machen sei, und je<strong>de</strong>s<br />
Ding hat bekanntlich seine Zeit. Wir<br />
lehren sie, mit Orten und Zeiten <strong>de</strong>r<br />
Stille umzugehen, zu gehen, zu stehen,<br />
zu beten und zu singen. Wir verhelfen<br />
ihnen zum Erlebnis einer singen<strong>de</strong>n<br />
und beten<strong>de</strong>n Gemeinschaft. Mystagogie<br />
hat ein<strong>de</strong>utig in <strong>de</strong>r Grundschule<br />
und davor im Elementarbereich ihre<br />
Konjunktur. Hier muss eine Selbstverständlichkeit<br />
erarbeitet wer<strong>de</strong>n, die<br />
dann später auch zu <strong>de</strong>r Teilnehmerperspektive<br />
die Beobachterperspektive<br />
treten lässt. Für die Sekundarstufen I<br />
und II wird die Beobachterperspektive<br />
und <strong>de</strong>r oben beschriebene Diskurs in<br />
<strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund treten müssen, wobei<br />
an Schulendtagen, bei beson<strong>de</strong>ren pädagogischen<br />
Gelegenheiten, beim Aufsuchen<br />
außerschulischer Lernorte auch<br />
das religiöse Exerzitium einen guten<br />
Platz fin<strong>de</strong>n sollte. Aber auch hier gilt<br />
<strong>de</strong>r Grundsatz: Ein Religionsunterricht,<br />
<strong>de</strong>r sich nur auf Kognition und Diskurs<br />
beschränkt, ist wie ein Musikunterricht,<br />
<strong>de</strong>r sich auf die Analyse <strong>de</strong>r Sonatenhauptsatzform,<br />
<strong>de</strong>s Quintenzirkels<br />
und <strong>de</strong>s Kontrapunktes beschränkte.<br />
Anmerkungen<br />
1 Assmann, Jan: Mose <strong>de</strong>r Ägypter. Entzifferung einer<br />
Gedächtnisspur – Frankfurt am Main: Verlag S. Fischer.<br />
5. Aufl. 2004.<br />
2<br />
Vgl. Hauschild, Thomas: Macht und Magie in Italien<br />
– Gifkendorf. 2002.<br />
Dr. Eckhard Nordhofen ist Leiter <strong>de</strong>s<br />
Dezernats Bildung und Kultur.
Jugend ohne Gott?<br />
Eckdaten zur Religiosität Jugendlicher<br />
„Jugend ohne Gott” titelte die<br />
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung<br />
in ihrer Weihnachtsausgabe und<br />
reiht sich damit ein in <strong>de</strong>n Strom <strong>de</strong>rer,<br />
die eine Säkularisierung <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen<br />
Gesellschaft voraussagen.<br />
Gleichzeitig wird aber auch eine Renaissance<br />
von Religion festgestellt.<br />
Die Mohammed-Karikaturen einer<br />
dänischen Zeitung führen zu ernsthaften<br />
politischen Verwerfungen und<br />
zum Boykott dänischer Waren durch<br />
Muslime. Und Papst Benedikt XVI.<br />
konstatiert auf <strong>de</strong>m Weltjugendtag in<br />
Köln, dass die Katholische Kirche<br />
jung sei. Wie ist es um die Religiosität<br />
heutiger Jugendlicher bestellt?<br />
Religiosität in einer<br />
mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft<br />
Das wesentliche Kennzeichen <strong>de</strong>s<br />
Alltags heutiger Jugendlicher ist die<br />
grundsätzliche Freisetzung <strong>de</strong>s Menschen<br />
aus traditionalen Zusammenhängen<br />
(Beck 1986). Viele Aufgaben <strong>de</strong>s<br />
täglichen Lebens, <strong>de</strong>ren Erledigung<br />
vormals durch Bräuche und althergebrachte<br />
Sitten vorbestimmt waren, liegen<br />
heute im Entscheidungsbereich <strong>de</strong>s<br />
einzelnen Menschen. Traditionen sind<br />
in solchen Entscheidungsvorgängen oft<br />
nur von begrenztem Wert, weil die Lebenserfahrungen<br />
vergangener Generationen<br />
in einer globalisierten und technisierten<br />
Welt nur ungenügen<strong>de</strong> Antworten<br />
bereit halten. Niemand kann garantieren,<br />
dass bewährte Strategien von<br />
gestern auch heute und morgen noch<br />
erfolgreich sind. Im religiösen Bereich<br />
hat diese Freisetzung aus Traditionen<br />
zu einem tief greifen<strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>l geführt<br />
(Gabriel 1993). Das Christentum<br />
ist nicht mehr die allgemein akzeptierte<br />
Leitreligion. Neben seine Glaubensüberzeugungen<br />
sind solche aus <strong>de</strong>m Is-<br />
lam, <strong>de</strong>n fernöstlichen Religionen o<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r Esoterik getreten. Zwar sind die<br />
bei<strong>de</strong>n christlichen Kirchen noch fest<br />
in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Gesellschaft verankert,<br />
ihre beson<strong>de</strong>re Stellung wird jedoch<br />
zunehmend hinterfragt, so etwa<br />
beim Religionsunterricht o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Kirchensteuer.<br />
Und die Religiosität <strong>de</strong>r<br />
einzelnen Menschen verliert erkennbare<br />
konfessionelle Züge, <strong>de</strong>nn die spirituellen<br />
Angebote <strong>de</strong>r Kirchen wie etwa<br />
<strong>de</strong>r Gottesdienst, das Sakrament <strong>de</strong>r<br />
Beichte o<strong>de</strong>r das Gebet verlieren an öffentlicher<br />
Akzeptanz.<br />
Die Loslösung aus althergebrachten<br />
Traditionen führt zu einer Vielfalt<br />
religiöser Ausdrucksformen (Englert<br />
2002). Das religiöse Feld setzt sich<br />
nicht nur aus <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Religionen<br />
und Konfessionen zusammen.<br />
Hier fin<strong>de</strong>n sich auch unterschiedliche<br />
Spielarten eines volkskirchlichen Christentums,<br />
spirituelle Angebote sektenartiger<br />
Gruppierungen, umfassen<strong>de</strong> Sinnmuster<br />
wie etwa ein ökologischer Lebensstil<br />
o<strong>de</strong>r sog. funktionale Äquivalente<br />
wie Sport o<strong>de</strong>r Konsum. Das Beson<strong>de</strong>re<br />
an <strong>de</strong>r Lebenssituation heutiger<br />
Jugendlicher ist nun, dass sie in diese<br />
religiöse Vielfalt hineingeboren sind.<br />
Sie kennen eine Gesellschaft, die durch<br />
feste Traditionen geprägt ist, praktisch<br />
nicht mehr und nehmen die plurale Gesellschaft<br />
als selbstverständlich wahr<br />
(Helsper 2000). Die Freiheit, selbst entschei<strong>de</strong>n<br />
zu können, an was man glauben<br />
kann und will, ist ein zentrales<br />
Kennzeichen <strong>de</strong>r Religiosität heutiger<br />
Jugendlicher. Sie gehen in ihrer Mehrzahl<br />
unbefangen mit <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />
religiösen Sinnangeboten um und<br />
entwerfen sich aus ihnen ihren eigenen<br />
Glauben. Sie greifen religiöse Symbole<br />
und Überzeugungen aus ihrer Umwelt<br />
auf und <strong>de</strong>uten sie im Rahmen ihres eigenen<br />
Lebens. In <strong>de</strong>r Folge setzt sich<br />
die religiöse Vielfalt, die die Gesell-<br />
schaft kennzeichnet, in <strong>de</strong>r Religiosität<br />
<strong>de</strong>r Jugendlichen fort. Im Detail lässt<br />
sich durchaus fragen, ob je<strong>de</strong> und je<strong>de</strong>r<br />
ein religiöser „Son<strong>de</strong>rfall“ sei (Dubach/<br />
Campiche 1993).<br />
Allerdings stehen <strong>de</strong>r Freisetzung<br />
aus Traditionen ebenso neue Formen<br />
<strong>de</strong>r sozialen Einbindung gegenüber<br />
(Beck 1986). Auch in einer mo<strong>de</strong>rnen<br />
Gesellschaft richtet die Umwelt bestimmte<br />
Erwartungen an <strong>de</strong>n Menschen,<br />
und er muss seine Lebensplanung<br />
mit <strong>de</strong>n Regeln <strong>de</strong>r einschlägigen<br />
Institutionen abgleichen. Im Bereich<br />
von Religion prägen z.B. christliche<br />
Grundüberzeugungen die Alltagskultur<br />
(Davie 2000). Fin<strong>de</strong>n Jugendliche etwa<br />
<strong>de</strong>n Gedanken <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rgeburt attraktiv,<br />
begrün<strong>de</strong>n sie dies mit <strong>de</strong>r Chance<br />
auf ein weiteres Leben (vgl. Sachau<br />
1998). Diese Wertschätzung <strong>de</strong>s Lebens<br />
ist aber ein typischer Zug <strong>de</strong>s<br />
Christentums und fin<strong>de</strong>t sich so in fernöstlichen<br />
Religionen nicht. Ferner gelten<br />
christlich-abendländische Prinzipien<br />
als selbstverständliche Grundlage<br />
<strong>de</strong>s öffentlichen Rechtssystems, wie<br />
sich z.B. an <strong>de</strong>r Kritik <strong>de</strong>r Scharia als<br />
Rechtsgrundlage in islamischen Gesellschaften<br />
zeigt. Schließlich fin<strong>de</strong>n<br />
sich viele religiöse Motive in Kunst<br />
und Architektur wie<strong>de</strong>r und wer<strong>de</strong>n an<br />
spirituellen Orten wie Taizé o<strong>de</strong>r Assisi<br />
und in religiösen Festen mit öffentlicher<br />
Be<strong>de</strong>utung wie etwa Weihnachten<br />
o<strong>de</strong>r Ostern weitergegeben. Die religiöse<br />
Vielfalt mün<strong>de</strong>t also nicht in ein<br />
konturloses Potpourri individueller Religiosität,<br />
son<strong>de</strong>rn hat verschie<strong>de</strong>ne religiöse<br />
Stile zur Folge.<br />
Grundzüge <strong>de</strong>r<br />
Religiosität Jugendlicher<br />
Ulrich Riegel<br />
In<strong>de</strong>m Jugendliche in einem mo<strong>de</strong>rnen<br />
Umfeld aufwachsen, färbt <strong>de</strong>s-<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
BEITRÄGE<br />
15
BEITRÄGE<br />
16<br />
sen Kontext auf ihre Religiosität ab. Im<br />
folgen<strong>de</strong>n Abschnitt soll dieser Zusammenhang<br />
anhand von vier typischen<br />
Fragestellungen nachgezeichnet wer<strong>de</strong>n.<br />
Es han<strong>de</strong>lt sich dabei um die<br />
Fragen:<br />
– Haben Religion und Kirche in einer<br />
mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft eine Zukunft?<br />
– Wie sehen Jugendliche das Verhältnis<br />
zwischen verschie<strong>de</strong>nen Religionen?<br />
– Halten Jugendliche religiöse Erfahrungen<br />
in einer mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft<br />
für möglich, und haben<br />
sie schon selbst <strong>de</strong>rartige Erfahrungen<br />
gemacht?<br />
– An welchen Gott glauben Jugendliche?<br />
Diese vier Fragen wur<strong>de</strong>n Jugendlichen<br />
2002 in einer Umfrage zu „Religiosität<br />
und Lebenseinstellung“ vorgelegt<br />
(Ziebertz/Riegel/Heil 2007). Sie<br />
besuchten in Aachen, Augsburg, Dortmund,<br />
Dres<strong>de</strong>n, Hil<strong>de</strong>sheim, Rostock<br />
o<strong>de</strong>r Würzburg die 11. Jahrgangsstufe<br />
eines Gymnasiums bzw. einer Gesamtschule.<br />
Insgesamt haben 1925 Jugendliche<br />
geantwortet, von <strong>de</strong>nen 55%<br />
weiblich sind. Knapp die Hälfte dieser<br />
Jugendlichen sind römisch-katholisch,<br />
ein knappes Viertel protestantisch und<br />
ein weiteres knappes Viertel ohne Bekenntnis<br />
1<br />
.<br />
Die Frage nach <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnitätsfähigkeit<br />
von Religion und Kirche bezieht<br />
sich auf <strong>de</strong>n gesellschaftlichen<br />
Ort von Religion. Grundzüge <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen<br />
Gesellschaft basieren auf naturwissenschaftlichen<br />
Erkenntnissen, technischen<br />
Neuerungen und sozialen Errungenschaften,<br />
die vielfach gegen<br />
kirchliche Positionen durchgesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n mussten. Augenfälliger Höhe-<br />
punkt dieser<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
ist die<br />
sog. „Mo<strong>de</strong>rnismuskrise“<br />
im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt, in <strong>de</strong>ren<br />
Verlauf die Katholische Kirche wissenschaftliche<br />
Erkenntnisse auf <strong>de</strong>n In<strong>de</strong>x<br />
setze und ihre Überzeugungen in<br />
geschlossenen kirchlichen Milieus lebendig<br />
zu erhalten versuchte (Aubert<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
1985). Allerdings liegen diese Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen<br />
nun über ein Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />
zurück, und es stellt sich die Frage,<br />
wie die Jugendlichen das Verhältnis<br />
von mo<strong>de</strong>rner Gesellschaft und Religion<br />
sehen. Stimmen sie hierin mit <strong>de</strong>n<br />
Vertretern <strong>de</strong>r Säkularisierungsthese<br />
überein, die davon ausgehen, dass die<br />
mo<strong>de</strong>rne Gesellschaft keiner Religion<br />
bedarf und religiöse Überzeugungen<br />
folglich mit <strong>de</strong>r Zeit verdunsten? O<strong>de</strong>r<br />
sehen Jugendliche in <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft<br />
einen Bedarf an religiösen<br />
Sinnangeboten, so dass es auch in Zukunft<br />
einen gesellschaftlichen Ort für<br />
Religion geben wird? Die Antwort auf<br />
diese Fragen hängt stark davon ab, ob<br />
man nach <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnitätsfähigkeit von<br />
Religion im Allgemeinen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Kirche<br />
im Beson<strong>de</strong>ren fragt. Hinsichtlich<br />
<strong>de</strong>r Zukunft von Religion sind sich die<br />
Jugendlichen mehrheitlich unsicher. Es<br />
ist für die Jugendlichen we<strong>de</strong>r ausge-<br />
macht, dass<br />
die mo<strong>de</strong>rne<br />
Gesellschaft<br />
<strong>de</strong>r Religion<br />
bedarf, noch sind sie davon überzeugt,<br />
dass die Gesellschaft ohne Religion<br />
auskommt. Die Mo<strong>de</strong>rnitätsfähigkeit<br />
von Religion ist für die Jugendlichen<br />
eine offene Frage. Bezeichnen<strong>de</strong>rweise<br />
sind weibliche Jugendliche bezüglich<br />
» Die Mo<strong>de</strong>rnitätsfähigkeit von Religion ist<br />
für die Jugendlichen eine offene Frage.<br />
Dr. Ulrich Riegel Foto: En<strong>de</strong>rs<br />
<strong>de</strong>r Zukunft von Religion etwas optimistischer<br />
als männliche. An<strong>de</strong>rs stellt<br />
sich die Situation dar, wenn man nach<br />
<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnitätsfähigkeit <strong>de</strong>r Kirche<br />
fragt. 54% <strong>de</strong>r Jugendlichen glauben,<br />
dass die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Kirche als orientieren<strong>de</strong><br />
Kraft immer mehr nachlässt.<br />
33% sind sich in dieser Hinsicht<br />
unsicher. Ferner meinen 25%, dass die<br />
Wi<strong>de</strong>rsprüchlichkeiten <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen<br />
Welt die Menschen wie<strong>de</strong>r verstärkt<br />
zum kirchlichen Glauben zurückführen,<br />
44% gehen jedoch davon aus, dass<br />
<strong>de</strong>m nicht so ist. Insgesamt erleben die<br />
Jugendlichen die Kirche mehrheitlich<br />
als nicht mehr zeitgemäß. Zwar sind<br />
auch in dieser Frage die weiblichen Jugendlichen<br />
weniger skeptisch als die<br />
männlichen, was jedoch nichts am Gesamteindruck<br />
än<strong>de</strong>rt. Fasst man diese<br />
Befun<strong>de</strong> zusammen, geben Jugendliche<br />
Religion durchaus eine Zukunft in<br />
einer mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft. Dies gilt<br />
jedoch nicht für die Kirche in ihrer aktuellen<br />
Verfasstheit.<br />
Neben <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnitätsfähigkeit<br />
von Religion greift die Frage nach <strong>de</strong>m<br />
Verhältnis zwischen <strong>de</strong>n Religionen einen<br />
charakteristischen Wesenszug <strong>de</strong>r<br />
Mo<strong>de</strong>rne auf. Wie oben gesehen, erweist<br />
sich die mo<strong>de</strong>rne Gesellschaft als<br />
religiös plural. Vor <strong>de</strong>m Hintergrund<br />
<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne gelten die verschie<strong>de</strong>nen
Religionen als prinzipiell gleichberechtigt.<br />
In einer aufgeklärten Gesellschaft<br />
gibt es keinen allgemein verbindlichen<br />
Maßstab, <strong>de</strong>r eine Religion<br />
als die einzig wahre auszeichnen wür<strong>de</strong>.<br />
Dies wi<strong>de</strong>rspricht jedoch <strong>de</strong>m Selbstverständnis<br />
<strong>de</strong>r abrahamitischen Religionen.<br />
Sie beanspruchen je<strong>de</strong> für sich<br />
die authentisch geoffenbarte Wahrheit<br />
zu vertreten. Dieser Anspruch wird z.T.<br />
exklusiv vertreten, so dass an<strong>de</strong>re Religionen<br />
keinen Anteil an dieser Wahrheit<br />
reklamieren können. Er wird aber<br />
auch inklusiv vertreten, wonach an<strong>de</strong>re<br />
Religionen insofern wahrheitsfähig sind,<br />
als sie <strong>de</strong>n Ansprüchen <strong>de</strong>r eigenen Religion<br />
gerecht wer<strong>de</strong>n. Wie sehen nun<br />
Jugendliche das Verhältnis <strong>de</strong>r Religionen?<br />
Stehen sie für eine eher multireligiöse<br />
Position, wie sie typisch ist für<br />
die mo<strong>de</strong>rne Gesellschaft? O<strong>de</strong>r stimmen<br />
sie einer monoreligiösen Position<br />
zu, wie sie typisch ist für die abrahamitischen<br />
Religionen? O<strong>de</strong>r vertreten<br />
sie eine interreligiöse Position, gemäß<br />
<strong>de</strong>r die Wahrheit nur im Dialog zwischen<br />
<strong>de</strong>n Religionen gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n<br />
kann? Nach <strong>de</strong>n empirischen Daten<br />
erweisen sich die Jugendlichen<br />
beim Verhältnis zwischen <strong>de</strong>n Religionen<br />
als Kin<strong>de</strong>r ihrer Zeit. Monoreligiöse<br />
Stimmen, nach <strong>de</strong>nen nur die<br />
eigene Religion <strong>de</strong>n wahren Weg zum<br />
Heil anbietet, wer<strong>de</strong>n von ihnen sehr<br />
stark abgelehnt. Solche Positionen<br />
treffen – zumin<strong>de</strong>st auf <strong>de</strong>n ersten<br />
Blick – auf keinerlei Verständnis bei<br />
<strong>de</strong>n Jugendlichen. Statt <strong>de</strong>ssen stimmen<br />
sie einer Haltung zu, nach <strong>de</strong>r alle<br />
Religionen gleichwertig sind. Geht<br />
man ins Detail, erleben Jugendliche<br />
die religiöse Vielfalt als stimulierend.<br />
Sie bietet verschie<strong>de</strong>ne Möglichkeiten,<br />
die eigene Religiosität zu entwickeln,<br />
und regt dazu an, die eigene Position<br />
zu hinterfragen. Hinsichtlich<br />
<strong>de</strong>r interreligiösen Position, die die<br />
Wahrheit im Dialog <strong>de</strong>r Religionen<br />
sucht, sind sich die Jugendlichen unsicher.<br />
Es liegt auf <strong>de</strong>r Hand, dass <strong>de</strong>r<br />
interreligiöse Dialog an sich keine<br />
schlechte Sache ist. Es gibt also keinen<br />
Grund, ihn abzulehnen. Allerdings<br />
setzt ein <strong>de</strong>rartiger Dialog ein<br />
gewisses religiöses Interesse und Engagement<br />
<strong>de</strong>r Teilnehmer voraus. Dieses<br />
muss unter <strong>de</strong>n Jugendlichen nicht<br />
gegeben sein. Fasst man die Befun<strong>de</strong><br />
zum Verhältnis <strong>de</strong>r Religionen zusammen,<br />
erweisen sich die Jugendlichen<br />
in ihrer Haltung als <strong>de</strong>utlich multireligiös.<br />
Monoreligiöse Positionen dagegen,<br />
seien sie exklusiv o<strong>de</strong>r inklusiv<br />
formuliert, fin<strong>de</strong>n kein Verständnis.<br />
Der dritte Fragebereich bezieht sich<br />
auf die Möglichkeit religiöser Erfahrungen.<br />
Die Erfahrung Gottes bzw. einer<br />
transzen<strong>de</strong>nten Wirklichkeit spielt<br />
eine zentrale Rolle im religiösen Erleben,<br />
und die Religionen kennen eine<br />
Vielzahl an Bil<strong>de</strong>rn, Symbolen, Erzählungen<br />
und Praktiken, in <strong>de</strong>nen sie <strong>de</strong>rartige<br />
Erfahrungen fassen. Allerdings<br />
gilt die Erfahrung einer transzen<strong>de</strong>nten<br />
Wirklichkeit in einer mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft<br />
nicht als selbstverständlich. Traditionelle<br />
Bil<strong>de</strong>r und Symbole für religiöse<br />
Erfahrungen bieten einer aufgeklärten<br />
Vernunft vielfach nur wenige<br />
Anknüpfungspunkte. Das Staunen angesichts<br />
einer unberührten Natur bleibt<br />
– wenn überhaupt – auf Urlaubserfahrungen<br />
etwa in <strong>de</strong>n Bergen o<strong>de</strong>r am<br />
Meer begrenzt. Und Erfahrungen von<br />
Sicherheit und Erlösung lassen sich<br />
vielfach schlüssig mit psychologischen<br />
Konzepten erklären. Religiöse Erfahrungen<br />
gehören nicht zum Alltag einer<br />
mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft. Von daher stellt<br />
sich die Frage, ob Jugendliche es überhaupt<br />
für möglich halten, dass <strong>de</strong>r<br />
Glaube einem Menschen Sicherheit<br />
verschaffen kann, dass Gott in Notsituationen<br />
helfen kann, dass ein Leben<br />
ohne Gott als sinnlos erfahren wer<strong>de</strong>n<br />
kann. Die von uns befragten Jugendlichen<br />
halten <strong>de</strong>rartige Erfahrungen<br />
durchaus für möglich. 86% glauben an<strong>de</strong>ren<br />
Menschen, wenn sie erzählen,<br />
dass ihnen ihr Glaube geholfen hat, in<br />
bestimmten Situationen nicht zu verzweifeln.<br />
77% halten es für möglich,<br />
dass Religion Sicherheit im Leben gibt,<br />
und etwa die Hälfte <strong>de</strong>r Jugendlichen<br />
glaubt, dass Gott in konkreten Notsituationen<br />
helfen kann. Lediglich die<br />
Erfahrung, dass ein Leben ohne Gott<br />
sinnlos ist, wird von <strong>de</strong>r Mehrheit <strong>de</strong>r<br />
Jugendlichen für unmöglich gehalten.<br />
Das liegt jedoch nahe, schließt sie doch<br />
ein sinnvolles Leben ohne Gottesbezug<br />
aus – und das wi<strong>de</strong>rspricht <strong>de</strong>r alltäglichen<br />
Erfahrung. Halten die meisten Jugendlichen<br />
religiöse Erfahrungen somit<br />
für möglich, be<strong>de</strong>utet das noch<br />
nicht, dass sie <strong>de</strong>rartige Erfahrungen<br />
bereits selbst gemacht haben. Eine Sicherheit<br />
im Leben, die aus <strong>de</strong>m Glauben<br />
heraus erwachsen ist, haben erst<br />
20% erfahren. 22% geben an, dass ihnen<br />
Gott in einer konkreten Notsituation<br />
geholfen hat, und 9% haben die Erfahrung<br />
gemacht, dass ein Leben ohne<br />
Gott sinnlos ist. Der prinzipiellen Möglichkeit<br />
zu religiöser Erfahrung steht<br />
somit ein faktisches Erfahrungs<strong>de</strong>fizit<br />
gegenüber. Wollen die Jugendlichen<br />
überhaupt religiöse Erfahrungen machen?<br />
Hier halten sich die zustimmen<strong>de</strong>n<br />
und verneinen<strong>de</strong>n Antworten in <strong>de</strong>r<br />
Regel die Waage. So gibt es nahezu<br />
ebenso viele Jugendliche, die eine Sicherheit<br />
im Leben durch <strong>de</strong>n Glauben<br />
erfahren möchten, wie solche, die sich<br />
dies nicht wünschen. Gleiches gilt für<br />
die Hilfe Gottes in Notsituationen und<br />
<strong>de</strong>n Beitrag <strong>de</strong>s Glaubens, in bestimmten<br />
Situationen nicht zu verzweifeln.<br />
Lediglich die Erfahrung, ein Leben ohne<br />
Gott sei sinnlos, wünschen sich 65%<br />
<strong>de</strong>r Jugendlichen nicht, und weitere<br />
23% sind in dieser Frage unentschie<strong>de</strong>n.<br />
Es ist also nicht so, dass sich die<br />
Mehrheit <strong>de</strong>r Jugendlichen wünscht,<br />
religiöse Erfahrungen zu machen. Fasst<br />
man <strong>de</strong>n empirischen Befund zu <strong>de</strong>n<br />
religiösen Erfahrungen zusammen, halten<br />
heutige Jugendliche <strong>de</strong>rartige Erlebnisse<br />
für möglich, ohne mehrheitlich<br />
solche bereits gemacht zu haben –<br />
und ohne sich solche mehrheitlich zu<br />
wünschen.<br />
Die vierte Frage richtet sich auf <strong>de</strong>n<br />
Gottesglauben <strong>de</strong>r Jugendlichen. In einer<br />
mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft fin<strong>de</strong>t sich<br />
eine Vielzahl von religiösen Traditionen,<br />
die jeweils ihr eigenes Gottesbild<br />
vertreten. Das Christentum und <strong>de</strong>r Islam<br />
teilen ein theistisches Konzept, das<br />
viele Gemeinsamkeiten, aber auch zentrale<br />
Unterschie<strong>de</strong> aufweist. Ferner lassen<br />
sich im Alltagsglauben verschie<strong>de</strong>-<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
BEITRÄGE<br />
17
BEITRÄGE<br />
18<br />
ne Ableitungen <strong>de</strong>s Theismus fin<strong>de</strong>n.<br />
Deistische Gottesbil<strong>de</strong>r etwa nehmen<br />
die Existenz Gottes an, ohne dieser<br />
Wirklichkeit eine Be<strong>de</strong>utung für die<br />
Gegenwart zuzuschreiben. Metatheis-<br />
tische Konzepte<br />
betonen die<br />
Transzen<strong>de</strong>nz<br />
Gottes, in<strong>de</strong>m<br />
sie von einer höheren<br />
Macht<br />
sprechen, über die nichts Genaues gesagt<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Immanente Konzepte<br />
dagegen suchen Gott im zwischenmenschlichen<br />
Tun o<strong>de</strong>r im Inneren <strong>de</strong>s<br />
Menschen. Diesen im weitesten Sinn<br />
religiösen Gottesi<strong>de</strong>en stehen aber<br />
auch gottkritische Konzepte entgegen.<br />
Für Agnostiker etwa ist die Existenz<br />
Gottes eine offene Frage, die we<strong>de</strong>r<br />
bejaht noch verneint wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Religionskritiker lehnen dagegen die<br />
Existenz Gottes als eine Erfindung<br />
<strong>de</strong>r Kirchen ab, Atheisten aus pragmatischen<br />
o<strong>de</strong>r philosophischen Beweggrün<strong>de</strong>n.<br />
Ferner muss damit gerechnet<br />
wer<strong>de</strong>n, dass Menschen die<br />
Gottesi<strong>de</strong>e durch säkulare o<strong>de</strong>r mystische<br />
Äquivalente ersetzt haben. Aus<br />
naturwissenschaftlicher Perspektive<br />
lässt sich die Welt z.B. mit <strong>de</strong>m Konzept<br />
<strong>de</strong>r Evolution erklären. Man<br />
kann aber auch <strong>de</strong>n Kosmos als ganzheitliche<br />
Kraftquelle an die Stelle<br />
Gottes setzen. Wie verorten sich die<br />
Jugendlichen innerhalb dieses Spektrums?<br />
Die größte Zustimmung erfahren<br />
Aussagen, die Gott als <strong>de</strong>n Konvergenzpunkt<br />
<strong>de</strong>r Bemühungen sämtlicher<br />
Religionen darstellen. In dieser<br />
universalistischen Perspektive sucht<br />
je<strong>de</strong> Religion Gott auf die ihr eigene<br />
Weise. Sie stellt damit einen Zugang<br />
zu Gott zur Verfügung, Gott selbst ist<br />
aber min<strong>de</strong>stens die Summe dieser<br />
Zugänge, wenn nicht sogar mehr. Diese<br />
universalistische Haltung hat einen<br />
Mittelwert von 3,63, was auf einer<br />
Skala von 1 (= sehr starke Ablehnung)<br />
bis 5 (= sehr starke Zustimmung) einer<br />
starken Zustimmung entspricht.<br />
Auf <strong>de</strong>n Plätzen folgen eine agnostische<br />
Haltung, die nicht sagen kann,<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
» Die größte Zustimmung erfahren<br />
Aussagen, die Gott als <strong>de</strong>n Konvergenzpunkt<br />
<strong>de</strong>r Bemühungen sämtlicher<br />
Religionen darstellen.<br />
ob es Gott gibt (Mittelwert: 3,37) und<br />
eine säkulare Haltung, die die Welt<br />
ausschließlich durch natürliche Prozesse<br />
erklärt (Mittelwert: 3,36). Bei<strong>de</strong><br />
Konzepte sind für die befragten Ju-<br />
gendlichenplausibel und nachvollziehbar.<br />
Ebenfalls noch<br />
auf Zustimmung<br />
stößt eine metatheistische<br />
Haltung, die Gott als höhere<br />
Macht begreift (Mittelwert: 3,28).<br />
Bringt man diesen Befund auf einen<br />
Nenner, vertreten Jugendliche entwe<strong>de</strong>r<br />
ein säkulares Konzept, das auf naturwissenschaftlichen<br />
Annahmen aufbaut,<br />
o<strong>de</strong>r sie begreifen Gott als höhere<br />
Macht, die zwar irgendwie für die<br />
Wirklichkeit von Be<strong>de</strong>utung ist, wobei<br />
man jedoch nicht sagen kann, was<br />
diese Be<strong>de</strong>utung genau ausmacht. Bezeichnen<strong>de</strong>rweise<br />
lehnen die Jugendlichen<br />
im Durchschnitt alle religionskritischen<br />
o<strong>de</strong>r atheistischen Aussagen<br />
ab. Und auch explizit christliche<br />
Aussagen über Gott (z.B. „Es gibt einen<br />
Gott, <strong>de</strong>r sich in Jesus Christus zu<br />
erkennen gegeben hat“ o<strong>de</strong>r „Gott ist<br />
für mich <strong>de</strong>r Gott <strong>de</strong>r Bibel“) bleiben<br />
für sie ohne Be<strong>de</strong>utung.<br />
Zieht man eine erste Bilanz aus<br />
diesen Befun<strong>de</strong>n, die sämtlich auf<br />
Durchschnittswerten beruhen, lässt<br />
sich feststellen, dass die Religiosität<br />
<strong>de</strong>r Jugendlichen „mo<strong>de</strong>rne“ Züge<br />
trägt. Sie geht selbstverständlich von<br />
einer religiösen Vielfalt aus, die <strong>de</strong>n<br />
Verzicht auf exklusive Ansprüche einer<br />
konkreten religiösen Tradition<br />
einschließt. Ihr Gottesbild ist inhaltlich<br />
vage und unterbestimmt – wenn<br />
es nicht durch ein naturwissenschaftliches<br />
Konzept ersetzt ist. Erfahrungen,<br />
die als religiös gelten, haben nur<br />
wenige <strong>de</strong>r Befragten gemacht. Vor<br />
diesem Hintergrund sehen die Jugendlichen<br />
durchaus einen Bedarf<br />
<strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft für religiöse<br />
Impulse, sind mehrheitlich<br />
aber davon überzeugt, dass diese Impulse<br />
nicht von <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Kirchen<br />
in ihrer aktuellen Form ausgehen<br />
können.<br />
Charakteristische<br />
religiöse Stile Jugendlicher<br />
Es liegt auf <strong>de</strong>r Hand, dass Durchschnittswerte<br />
nur in Ausnahmefällen<br />
für <strong>de</strong>n einzelnen Jugendlichen zutreffen.<br />
Nach<strong>de</strong>m im zweiten Abschnitt sozusagen<br />
die „Großwetterlage“ dargestellt<br />
wur<strong>de</strong>, bleibt noch die Frage nach<br />
– um im Bild zu bleiben – <strong>de</strong>n „lokalen<br />
Wetterverhältnissen“ zu klären. Mit an<strong>de</strong>ren<br />
Worten: Welche unterschiedlichen<br />
religiösen Stile zeigen die Jugendlichen?<br />
Gibt es charakteristische<br />
Typen, die auf mehrere Jugendliche zutreffen,<br />
diese aber auch von an<strong>de</strong>ren Jugendlichen<br />
unterschei<strong>de</strong>n? In einer Untersuchung<br />
unterfränkischer Gymnasiasten<br />
konnten fünf <strong>de</strong>rartige typische<br />
religiöse Stile festgestellt wer<strong>de</strong>n (Ziebertz/Kalbheim/Riegel<br />
2003).<br />
Der erste Typ wur<strong>de</strong> „kirchlichchristlich“<br />
genannt. Diese Jugendlichen<br />
leben einen christlichen Glauben,<br />
wie er kirchlich repräsentiert ist. Sie sehen<br />
keinen Wi<strong>de</strong>rspruch zwischen Religion<br />
und mo<strong>de</strong>rner Gesellschaft und<br />
erkennen die Kirche als religiöse Gemeinschaft<br />
an, die vorlebt, was Glaube<br />
be<strong>de</strong>utet. Religion gilt ihnen als Orientierungshilfe<br />
für ihr eigenes Leben und<br />
Werte wie Gottvertrauen und Gläubig-<br />
Sein sind ihnen sehr wichtig. Sie nehmen<br />
häufig am sonntäglichen Gottesdienst<br />
teil, akzeptieren als einzige unter<br />
<strong>de</strong>n befragten Jugendlichen einen<br />
Religionsunterricht, <strong>de</strong>r ins Christentum<br />
einführen will, und greifen auf<br />
biblische Vorstellungen zurück, um ihr<br />
Gottesbild zu beschreiben. Entgegen<br />
mancher Klischeevorstellungen stimmen<br />
diese Jugendlichen mit Grundpositionen<br />
einer mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft<br />
überein: So akzeptieren sie gesellschaftliche<br />
und religiöse Pluralität und<br />
lehnen einen Exklusivanspruch <strong>de</strong>r<br />
Kirchen ab. Insgesamt zeigen kirchlich-christliche<br />
Jugendliche also eine<br />
religiöse Orientierung, die stark mit<br />
<strong>de</strong>n Überzeugungen <strong>de</strong>s kirchlich verfassten<br />
Christentums übereinstimmt.<br />
Sie haben darüber hinaus in ihrer Gemein<strong>de</strong><br />
eine Heimat gefun<strong>de</strong>n, die ihren<br />
Glauben sozial stützt.
Der zweite Typ ist <strong>de</strong>r „christlichautonome“.<br />
Diese Jugendlichen halten<br />
Religion und Mo<strong>de</strong>rne für miteinan<strong>de</strong>r<br />
vereinbar, orientieren ihr Leben<br />
an Religion, schätzen religiöse<br />
Werte als wichtig ein und nehmen relativ<br />
oft am sonntäglichen Gottesdienst<br />
teil. Allerdings sind christlichautonome<br />
Jugendliche fest davon<br />
überzeugt, dass je<strong>de</strong>r selbst herausfin<strong>de</strong>n<br />
muss, was er glauben will und<br />
kann. Einer religiösen Institution wie<br />
etwa <strong>de</strong>r Kirche schreiben sie in dieser<br />
Frage keine Autorität zu. Entsprechend<br />
schätzen sie einen Religionsunterricht,<br />
<strong>de</strong>r über Religion und Religionen<br />
informiert. Will <strong>de</strong>r Religionsunterricht<br />
ins Christentum einführen,<br />
lehnen sie ihn ab. Ferner halten sie<br />
Glauben außerhalb einer religiösen<br />
Gemeinschaft für möglich. In ihrem<br />
Gottesbild fin<strong>de</strong>n sich starke metatheistische<br />
und immanente Züge, d.h.<br />
sie stellen sich Gott als höhere Macht<br />
vor, die das Leben bestimmt und <strong>de</strong>n<br />
Menschen in seinem Innersten bewegt.<br />
Christlich-autonome Jugendliche<br />
nehmen am kirchlichen Leben<br />
teil, wahren dabei jedoch ihre individuelle<br />
Freiheit und setzen sich kritisch<br />
mit verschie<strong>de</strong>nen Glaubensrichtungen<br />
auseinan<strong>de</strong>r.<br />
Der dritte Typ heißt „konventionellreligiös“.<br />
Diese Jugendlichen bewegen<br />
sich bei nahezu allen Fragen im religiösen<br />
Mainstream. Auf die Frage, ob Religion<br />
und mo<strong>de</strong>rne Gesellschaft zusammenpassen,<br />
wissen sie nicht so<br />
recht zu antworten, <strong>de</strong>r Mittelwert zum<br />
entsprechen<strong>de</strong>n Faktor liegt nur knapp<br />
oberhalb <strong>de</strong>s Mittelpunkts <strong>de</strong>r Skala.<br />
Das gilt auch für religiöse Werte wie<br />
Gottvertrauen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Wunsch, dass<br />
man von Gott durchs Leben begleitet<br />
wird. An kirchlich-religiöser Praxis<br />
nehmen sie nur gelegentlich Teil, hier<br />
vor allem an Festen wie Weihnachten<br />
o<strong>de</strong>r Ostern. Ebenso wird eine kirchliche<br />
Feier an <strong>de</strong>n Lebenswen<strong>de</strong>n Geburt,<br />
Eheschließung und Tod weitgehend<br />
akzeptiert. Dass es sich bei dieser<br />
Orientierung nicht um religiöse Indifferenz<br />
han<strong>de</strong>lt, zeigt <strong>de</strong>r Befund, dass<br />
diese Jugendlichen Religion als Orien-<br />
tierungs- und Lebenshilfe anerkennen<br />
und sich einen Religionsunterricht<br />
wünschen, <strong>de</strong>r über verschie<strong>de</strong>ne Religionen<br />
informiert. Insgesamt ist Religion<br />
für konventionell-religiöse Jugendliche<br />
also kein vorherrschen<strong>de</strong>s Thema<br />
und ihr Verhältnis zu religiösen Einstellungen<br />
und religiösen Gruppen ist unverbindlich.<br />
Sie befin<strong>de</strong>n sich quasi in<br />
einem religiösen Moratorium.<br />
Der vierte Stil beschreibt eine<br />
„autonom-religiöse“ Religiosität.<br />
Seine charakteristischen Merkmale<br />
sind <strong>de</strong>r Wille zur religiösen Selbstbestimmung<br />
und die starke Abgrenzung<br />
gegenüber <strong>de</strong>m kirchlich verfassten<br />
Christentum. Autonom-religiöse Jugendliche<br />
nehmen praktisch nicht am<br />
kirchlichen Leben teil und lehnen einen<br />
Exklusivanspruch <strong>de</strong>r Kirchen<br />
sowie Werte wie Gottvertrauen o<strong>de</strong>r<br />
Gläubigsein ab. Religion und Mo<strong>de</strong>rne<br />
passen für sie nicht zusammen,<br />
wobei sie Religion stark mit <strong>de</strong>m<br />
kirchlichen Christentum verbin<strong>de</strong>n.<br />
Religiöse Autonomie ist für diese Jugendlichen<br />
jedoch nicht mit einer areligiösen<br />
Einstellung i<strong>de</strong>ntisch. Sie akzeptieren<br />
Religion als Orientierungshilfe<br />
für das eigene Leben und vertreten<br />
immanente und metatheistische<br />
Gottesvorstellungen. Sie sind also<br />
von <strong>de</strong>r Existenz einer höheren Macht<br />
überzeugt, die sich in <strong>de</strong>r Welt und im<br />
eigenen Leben zeigt. Biblische Bil<strong>de</strong>r<br />
für Gott lehnen sie dagegen ab. Autonom-religiöse<br />
Jugendliche legen großen<br />
Wert auf ihre religiöse Selbstbestimmung,<br />
was sich in einer institutionskritischen,<br />
aber nicht anti-religiösen<br />
Einstellung äußert. Sie setzen sich<br />
mit verschie<strong>de</strong>nen spirituellen Angeboten<br />
auseinan<strong>de</strong>r und „basteln“ sich<br />
ihren persönlichen Glauben im Rückgriff<br />
auf verschie<strong>de</strong>ne religiöse Traditionen.<br />
Als fünfte Gruppe konnten „nichtreligiöse“<br />
Jugendliche i<strong>de</strong>ntifiziert wer<strong>de</strong>n.<br />
Sie sind davon überzeugt, dass Religion<br />
und Mo<strong>de</strong>rne unvereinbar sind,<br />
können sich nicht vorstellen, dass Religion<br />
ihrem Leben Orientierung geben<br />
könnte und lehnen religiöse Werte und<br />
die Existenz Gottes ab. Sie nehmen<br />
nicht an kirchlich-religiösen Vollzügen<br />
teil, lehnen unabhängig von seinen Zielen<br />
Religionsunterricht ab und wünschen<br />
sich auch nicht, selbst einmal religiöse<br />
Erfahrungen zu machen. Religions-<br />
und gottkritischen Aussagen stimmen<br />
sie als einzige Gruppe dagegen<br />
stets zu. Nicht-religiöse Jugendliche<br />
gewinnen religiösen Angeboten für<br />
sich selbst also keine Be<strong>de</strong>utung ab. Allerdings<br />
können sie anerkennen, dass<br />
Religion für an<strong>de</strong>re Menschen relevant<br />
sein mag. Jugendliche dieses Typs sind<br />
nicht atheistisch in i<strong>de</strong>ologischem Sinn.<br />
Sie kämpfen nicht gegen Religion. Sie<br />
haben mit Religion nichts im Sinn: Sie<br />
sind nicht religiös.<br />
Wie wür<strong>de</strong>n sich Jugendliche aus<br />
diesen Stilen in einem „Supermarkt“<br />
verhalten, in <strong>de</strong>m je<strong>de</strong> religiöse Tradition<br />
ein eigenes Regal mit ihren Angeboten<br />
beliefern wür<strong>de</strong>? Kirchlich-christliche<br />
Jugendliche wür<strong>de</strong>n zielstrebig<br />
zum Regal „Christentum“ laufen und<br />
unbefangen auf alle Waren zugreifen.<br />
Christlich-autonome Jugendliche wür<strong>de</strong>n<br />
zwar auch ausschließlich zum Regal<br />
„Christentum“ gehen. Sie wür<strong>de</strong>n<br />
aber bei je<strong>de</strong>r Ware zuerst <strong>de</strong>n Beipackzettel<br />
lesen und dann entschei<strong>de</strong>n, ob<br />
das Angebot in <strong>de</strong>n Einkaufskorb gelegt<br />
o<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r ins Regal zurückgestellt<br />
wird. Konventionell-religiöse Jugendliche<br />
wür<strong>de</strong>n, bevor sie <strong>de</strong>n Supermarkt<br />
betreten, die einschlägigen Bestseller-Listen<br />
studieren und im Supermarkt<br />
dann die Angebote aus <strong>de</strong>n Top<br />
Ten mitnehmen. In Deutschland ist<br />
noch damit zu rechnen, dass diese Top<br />
Ten vor allem im Regal „Christentum“<br />
zu fin<strong>de</strong>n sind. Autonom-religiöse Jugendliche<br />
wür<strong>de</strong>n sich wie ihre christlich-autonomen<br />
Altersgenossen verhalten<br />
– mit <strong>de</strong>m zentralen Unterschied,<br />
dass sie das Regal „Christentum“ mei<strong>de</strong>n<br />
und alle an<strong>de</strong>ren Regale nach passen<strong>de</strong>n<br />
Angeboten absuchen. Nicht religiöse<br />
Jugendliche schließlich wür<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>n Supermarkt erst gar nicht betreten.<br />
Hier fin<strong>de</strong>n sie nicht, was sie<br />
suchen. Allerdings wür<strong>de</strong>n sie auch<br />
nicht nach <strong>de</strong>n Jugendlichen, die aus<br />
<strong>de</strong>m Supermarkt kommen, mit Steinen<br />
schmeißen.<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
BEITRÄGE<br />
19
BEITRÄGE<br />
20<br />
Diskussion<br />
Was be<strong>de</strong>uten nun die verschie<strong>de</strong>nen<br />
Befun<strong>de</strong> dieses Beitrags? Eine erste<br />
Frage gilt <strong>de</strong>r Verallgemeinerung.<br />
Bei<strong>de</strong> Studien sind nicht repräsentativ<br />
im Blick auf Jugendliche in Deutschland.<br />
Die Durchschnittsdaten wur<strong>de</strong>n<br />
zwar in allen Teilen Deutschlands gesammelt,<br />
sie wur<strong>de</strong>n aber nur von<br />
Gymnasiasten bzw. Gesamtschülern<br />
erhoben. Und die beschriebene Typologie<br />
religiöser Stile fußt auf Daten unterfränkischer<br />
Gymnasiasten. Eine<br />
Verallgemeinerung <strong>de</strong>r Daten aus sich<br />
heraus ist also nicht möglich. Allerdings<br />
entsprechen die beschriebenen<br />
Durchschnittswerte <strong>de</strong>m Bild <strong>de</strong>r Religiosität<br />
Jugendlicher, wie sie auch in<br />
repräsentativen Studien dargestellt<br />
wird (vgl. Feige 1993, Fuchs-Heinritz<br />
2000, Gensicke 2006, Helsper 2000).<br />
Sie sind somit geeignet, die vorliegen<strong>de</strong>n<br />
Befun<strong>de</strong> zu bestätigen, zu ergänzen<br />
und zu differenzieren. Zieht man diese<br />
Linien aus, bleibt festzuhalten, dass die<br />
Religiosität Jugendlicher stark individualisiert<br />
ist. Dies be<strong>de</strong>utet, dass die<br />
Jugendlichen mehrheitlich selbst entschei<strong>de</strong>n<br />
wollen, was sie glauben und<br />
welche religiöse Überzeugung ihr Leben<br />
trägt. Diese Individualisierung ist<br />
verbun<strong>de</strong>n mit einer Relativierung<br />
christlicher Erzählungen, Symbole und<br />
Praktiken zu Gunsten einer großen Offenheit<br />
gegenüber an<strong>de</strong>ren religiösen<br />
Traditionen. Dies muss nicht notwendig<br />
auf eine Erosion <strong>de</strong>s Christentums<br />
hinauslaufen. Die Kirchen sind immer<br />
noch gesellschaftlich fest verankert<br />
und christliche Werte und Überzeugungen<br />
bil<strong>de</strong>n vielmals <strong>de</strong>n latenten Hintergrund<br />
jugendlicher Sinnkonstruktion<br />
(vgl. Davie 2000, Hervieu-Léger<br />
2000). In <strong>de</strong>r Offenheit gegenüber an<strong>de</strong>ren<br />
religiösen Traditionen kann also<br />
auch die Chance liegen, christliche<br />
Konzepte in eine mo<strong>de</strong>rne Gesellschaft<br />
hinein zu tradieren. Hier könnte eine<br />
Aufgabe <strong>de</strong>s Religionsunterrichts liegen<br />
(vgl. auch <strong>de</strong>n Beitrag zur abduktiven<br />
Korrelation in diesem Heft).<br />
Die Typologie religiöser Stile fin<strong>de</strong>t<br />
ebenfalls Entsprechungen in empi-<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
rischen Studien (vgl. Fischer/Schöll<br />
1998, Sandt 1996, Streib 2001). Dass<br />
es die beschriebenen Typen gibt, steht<br />
damit außer Frage. Allerdings lässt sich<br />
ihre Verteilung in Unterfranken nicht<br />
auf das Bun<strong>de</strong>sgebiet verallgemeinern.<br />
Im Blick auf <strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />
ist dies jedoch nicht von Be<strong>de</strong>utung.<br />
Religionslehrerinnen und -lehrer haben<br />
es immer mit einer spezifischen Klassensituation<br />
zu tun, die praktisch nie<br />
mit <strong>de</strong>m bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen Durchschnitt<br />
übereinstimmt. Es gehört daher<br />
zu <strong>de</strong>n grundlegen<strong>de</strong>n Aufgaben <strong>de</strong>r<br />
Unterrichtsvorbereitung, die Lernbedingungen<br />
innerhalb <strong>de</strong>r Klasse zu erfassen.<br />
Dazu kann die vorgestellte Typologie<br />
beitragen. Sie bietet eine Perspektive<br />
an, die Religiosität nicht an<br />
das Christentum bin<strong>de</strong>t und <strong>de</strong>ren verschie<strong>de</strong>ne<br />
Typen nicht ohne weiters in<br />
ein Gut-Böse-Schema eingeordnet<br />
wer<strong>de</strong>n können. In diesem Sinn kann<br />
die Typologie<br />
nicht nur helfen,<br />
die jeweiligeLerngruppe<br />
besser<br />
zu beschreiben.<br />
Sie kann auch herangezogen wer<strong>de</strong>n<br />
zur Hinterfragung <strong>de</strong>r eigenen<br />
Normativität. Welchem Typ gehört<br />
meine Sympathie? Wen spreche ich mit<br />
meinem Religionsunterricht an? Wen<br />
kann und will ich ansprechen? Was be<strong>de</strong>utet<br />
es für meinen Unterricht, wenn<br />
ich nicht religiöse Schülerinnen und<br />
Schüler stärker berücksichtige? Was,<br />
wenn es die autonom-religiösen sind?<br />
usw.<br />
Lässt sich diese Perspektive auch in<br />
einer Grundschule nutzen? Empirisch<br />
kann diese Frage (noch) nicht beantwortet<br />
wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn es liegen keine<br />
einschlägigen Daten vor. Allerdings<br />
lässt sich die Typologie theoretisch<br />
schlüssig auf das religiöse Leben in <strong>de</strong>n<br />
Elternhäusern <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r übertragen.<br />
So sind kirchlich-christliche Elternhäuser<br />
ebenso <strong>de</strong>nkbar, wie christlich-autonome,<br />
konventionell-religiöse, autonom-religiöse<br />
und nicht religiöse. Die<br />
Kin<strong>de</strong>r wür<strong>de</strong>n dann im Sinn <strong>de</strong>s charakteristischen<br />
religiösen Stils im El-<br />
ternhaus sozialisiert und diesen religiösen<br />
Stil auch im Unterricht zeigen. Dabei<br />
gilt es zu be<strong>de</strong>nken, dass Grundschulkin<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>n jeweiligen religiösen<br />
Stil mit <strong>de</strong>n ihnen zu Gebote stehen<strong>de</strong>n<br />
entwicklungsbedingten Mitteln und<br />
Möglichkeiten umsetzen. Autonom-religiöse<br />
Kin<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n sich also nicht<br />
wie autonom-religiöse Jugendliche<br />
verhalten. Aber diesen Kin<strong>de</strong>rn wer<strong>de</strong>n<br />
an<strong>de</strong>re religiöse Erzählungen, Symbole<br />
und Praktiken selbstverständlich sein<br />
als kirchlich-christlichen Kin<strong>de</strong>rn. So<br />
könnten Räucherstäbchen und ein afrikanischer<br />
Totem Teil ihres Glaubens<br />
sein, was sie von Kin<strong>de</strong>rn aus an<strong>de</strong>ren<br />
Elternhäusern unterschei<strong>de</strong>t.<br />
Bezieht man die empirischen Befun<strong>de</strong><br />
auf <strong>de</strong>n Titel <strong>de</strong>s Beitrags, so<br />
lässt sich keine „Jugend ohne Gott“<br />
feststellen. Die Durchschnittswerte<br />
verweisen auf eine individualisierte<br />
Religiosität, die nicht mehr die ein<strong>de</strong>u-<br />
tige Signatur<br />
einer bestimmtenreligiösenTradition<br />
trägt.<br />
In dieser Hinsicht<br />
kann man zwar nach <strong>de</strong>n christlichen<br />
Bezügen dieser Religiosität fragen.<br />
Diese Frage ist aber nicht gleichbe<strong>de</strong>utend<br />
mit einer vollständig säkularisierten<br />
Haltung, wie sie <strong>de</strong>r Titel an<strong>de</strong>utet.<br />
Auch von <strong>de</strong>n fünf Stilen entspricht<br />
nur einer einer gottlosen Haltung. Sie<br />
mag in manchen Regionen Ost<strong>de</strong>utschlands<br />
dominant sein. Als Zustandsbeschreibung<br />
„<strong>de</strong>r Jugend“ taugt sie aber<br />
nicht. Statt auf eine vollständige Säkularisierung<br />
verweisen die Daten eher auf<br />
eine Pluralisierung <strong>de</strong>r Religiosität Jugendlicher<br />
mit stark individualisiertem<br />
Grundzug. In diesem Sinn eint die Jugendlichen<br />
die Be<strong>de</strong>utung religiöser Autonomie:<br />
Religiosität gleich welchen<br />
Stils muss individuell plausibel sein.<br />
Dies weist aber weniger auf eine religiöse<br />
Krise hin <strong>de</strong>nn auf die Möglichkeit zu<br />
frei ausgeübter Religiosität. Darüber hinaus<br />
empfin<strong>de</strong>n die Jugendlichen religiöse<br />
Vielfalt als stimulierend. Sie erleben<br />
diese Vielfalt mehrheitlich als Chance,<br />
Anregungen und Impulse für ihren ei-<br />
» In <strong>de</strong>r Offenheit gegenüber an<strong>de</strong>ren religiösen<br />
Traditionen kann die Chance liegen,<br />
christliche Konzepte in eine mo<strong>de</strong>rne<br />
Gesellschaft hinein zu tradieren.
genen Glauben zu bekommen. In diesem<br />
Sinn ist religiöse Pluralität produktiv und<br />
kann zu bewussteren Glaubenshaltungen<br />
führen. Im Blick auf das Christentum<br />
be<strong>de</strong>utet das, dass es immer wie<strong>de</strong>r<br />
neu begreiflich machen muss, warum<br />
diese nun über 2000 Jahre alte Überzeugung<br />
auch in einer mo<strong>de</strong>rnen und immer<br />
stärker globalisieren<strong>de</strong>n Gesellschaft<br />
Sinn und Be<strong>de</strong>utung hat. Dies ist aber<br />
<strong>de</strong>r inhaltliche Kern von Tradition.<br />
Anmerkung:<br />
1 Näheres zur Stichprobe, zum Hintergrund <strong>de</strong>r Untersuchung<br />
und zu <strong>de</strong>n empirischen Befun<strong>de</strong>n fin<strong>de</strong>t<br />
man im <strong>de</strong>mnächst erscheinen<strong>de</strong>n Band „Letzte Sicherheiten“<br />
von Hans-Georg Ziebertz, Ulrich Riegel<br />
und Stefan Heil.<br />
Dr. Ulrich Riegel ist Wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Lehrstuhl für Religionspädagogik<br />
und Didaktik <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />
<strong>de</strong>r Julius-Maximilians-Universität<br />
Würzburg.<br />
Literatur:<br />
Aubert, R. (1985): Die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung zwischen<br />
Katholizismus und Liberalismus, in: Jedin, H. (Hg.):<br />
Handbuch <strong>de</strong>r Kirchengeschichte. Band VI/1 – Freiburg,<br />
696-760.<br />
Beck, U. (1986): Risikogesellschaft. Auf <strong>de</strong>m Weg in eine<br />
an<strong>de</strong>re Mo<strong>de</strong>rne – Frankfurt.<br />
Davie, G. (2000): Religion in Mo<strong>de</strong>rn Europe – Oxford.<br />
Dubach, A./Campiche, R.J. (1993): Je<strong>de</strong>(r) ein Son<strong>de</strong>rfall?<br />
Religion in <strong>de</strong>r Schweiz – Zürich.<br />
Englert, R. (2002): Dimensionen religiöser Pluralität, in:<br />
Schweitzer, F./Englert, R./Schwab, U./Ziebertz, H.-G.: Entwurf<br />
einer pluralitätsfähigen Religionspädagogik – Gütersloh/Freiburg.<br />
17-51.<br />
Feige, A. (1993): Jugend und Religion, in: Krüger, H.-H.<br />
(Hg.): Handbuch <strong>de</strong>r Jugendforschung – Opla<strong>de</strong>n, 543-<br />
558.<br />
Fischer, D./Schöll, A. (1998): Lebenspraxis und Religion.<br />
Fallanalysen zur subjektiven Religiosität Jugendlicher<br />
(2. korr. Aufl.) – Gütersloh.<br />
Fuchs-Heinritz, W. (2000): Religion, in: Deutsche Shell<br />
(Hg.): Jugend 2000. 13. Shell Jugendstudie. Band 1 – Opla<strong>de</strong>n.<br />
157-180.<br />
Gabriel, K. (1993): Christentum zwischen Tradition und<br />
Postmo<strong>de</strong>rne – Freiburg.<br />
Gensicke, Th. (2006): Jugend und Religiosität, in: Dt.<br />
Shell (Hg.): Jugend 2006. 15. Shell-Jugendstudie –<br />
Frankfurt. 203-239.<br />
Helsper, W. (2000): Jugend und Religion, in: San<strong>de</strong>r, U./<br />
Vollbrecht, R. (Hg.): Jugend im 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt – Neuwied/Berlin.<br />
279-314.<br />
Hervieu-Léger, D. (2000): Religion as a Chain of Memory<br />
– Oxford.<br />
Sachau, R. (1998): Individueller Synkretismus als Lebensform<br />
mo<strong>de</strong>rner Religiosität. Westliche Reinkarnati-<br />
onsvorstellungen im Kontext neuzeitlichen Christentums,<br />
in: Fechtner, K./Haspel M. (Hg.): Religion in <strong>de</strong>r Lebenswelt<br />
<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne – Stuttgart/Berlin/Köln. 67-87.<br />
Sandt, F.-O. (1996): Religiosität von Jugendlichen in <strong>de</strong>r<br />
multikulturellen Gesellschaft. Eine qualitative Untersuchung<br />
zu atheistischen, christlichen, spiritualistischen<br />
und muslimischen Orientierungen – München.<br />
Streib, H. (2001): Faith Development Theory Revisted:<br />
The Religious Styles Perspective, in: The International<br />
Journal for the Psychology of Religion, 11/3, 143-158.<br />
Ziebertz, H.-G./Kalbheim, B./Riegel U. (2003): Religiöse<br />
Signaturen heute. Ein religionspädagogischer Beitrag<br />
zur empirischen Jugendforschung – Gütersloh/Freiburg.<br />
Ziebertz, H.-G./Riegel, U./Heil, St. (2007): Letzte Sicherheiten.<br />
Eine empirische Studie zu Weltbil<strong>de</strong>rn Jugendlicher<br />
– Gütersloh/Freiburg (im Erscheinen).<br />
Veröffentlichungen Dr. Ulrich Riegel:<br />
Riegel, Ulrich: Gott und Gen<strong>de</strong>r. Eine empirisch-religionspädagogische<br />
Untersuchung nach Geschlechtsvorstellungen<br />
in Gotteskonzepten (Empirische Theologie).<br />
– Münster u.a.: LIT Verlag. 2004. 416 S., Abb. (ISBN 978-<br />
3-8258-7559-6)<br />
Ziebert, Hans G./Kalbheim, Boris/Riegel, Ulrich: Religiöse<br />
Signaturen heute (Religionspädagogik in pluraler<br />
Gesellschaft). – Freiburg u.a..: Verlag Her<strong>de</strong>r / Gütersloh:<br />
Gütersloher Verlagshaus. 2003. 443 S. (ISBN 978-3-<br />
451-28069-6)<br />
Ziebert, Hans G./Riegel, Ulrich/Heil, Stefan: Letzte Sicherheiten.<br />
Eine empirische Studie zu Weltbil<strong>de</strong>rn Jugendlicher.<br />
– Freiburg u.a.: Verlag Her<strong>de</strong>r / Gütersloh:<br />
Gütersloher Verlagshaus. 2007.<br />
Abduktive Korrelation<br />
Konzept und religionspädagogische Be<strong>de</strong>utung<br />
Wie soll man im Religionsunterricht<br />
mit Schülerinnen und Schülern<br />
umgehen, <strong>de</strong>nen ein Bezug zum gelebten<br />
Christentum fehlt? Bis vor kurzem<br />
lautete die selbstverständliche Antwort<br />
auf diese Herausfor<strong>de</strong>rung: korrelativ!<br />
Diese Überzeugung wur<strong>de</strong> durch die<br />
Debatte um die Korrelationsdidaktik<br />
Anfang dieses Jahrtausends erschüttert.<br />
Ist die Entfremdung heutiger Kin<strong>de</strong>r<br />
und Jugendlicher vom christlichen<br />
Glauben nicht zu groß, um überhaupt<br />
noch seriöse Anknüpfungspunkte für<br />
christliche Überzeugungen zu fin<strong>de</strong>n?<br />
Das Konzept <strong>de</strong>r abduktiven Korrelati-<br />
on, das hier skizziert wer<strong>de</strong>n soll, stellt<br />
sich dieser Herausfor<strong>de</strong>rung.<br />
Die Diskussion um das<br />
Konzept <strong>de</strong>r Korrelation<br />
Die Anfänge <strong>de</strong>r Korrelationsdidaktik<br />
liegen in <strong>de</strong>n Erfahrungen <strong>de</strong>s<br />
Zweiten Vatikanischen Konzils. Auf<br />
ihm wur<strong>de</strong> sich die Kirche <strong>de</strong>r Differenzen<br />
zwischen gelebtem und überliefertem<br />
Glauben wie<strong>de</strong>r stärker bewusst<br />
und betonte in <strong>de</strong>r Konstitution „Gaudium<br />
et Spes“ die pastorale Dimension<br />
<strong>de</strong>s christlichen Glaubens. Die Deut-<br />
Ulrich Riegel<br />
schen Bischöfe griffen diese Beziehung<br />
zwischen Glaube und Leben im<br />
Syno<strong>de</strong>nbeschluss „Der Religionsunterricht<br />
an <strong>de</strong>r Schule“ (1974) auf. Auf<br />
<strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s sog. „Konvergenzmo<strong>de</strong>lls“<br />
begrün<strong>de</strong>ten sie <strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />
sowohl pädagogisch als<br />
auch theologisch. Diese Konvergenz<br />
von Lebenswelt und Tradition wur<strong>de</strong><br />
anschließend im Konzept <strong>de</strong>r Korrelation<br />
religionsdidaktisch ausformuliert.<br />
In ihrem Kern geht es <strong>de</strong>r Korrelationsdidaktik<br />
um das Zusammenspiel von<br />
alltäglicher Lebenswelt und überliefertem<br />
Glauben, wobei dieses Zusammen-<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
BEITRÄGE<br />
21
BEITRÄGE<br />
22<br />
spiel als wechselseitige Verschränkung<br />
bzw. Kritik begriffen wird (Baudler<br />
1984; Bitter 1981; Hilger/Reilly 1993;<br />
Mette 1994; Niehl 1980). Auf <strong>de</strong>r einen<br />
Seite stellt <strong>de</strong>r überlieferte Glaube<br />
Maßstäbe und Richtlinien zur Verfügung,<br />
die heutigem Leben Sinn und<br />
Orientierung geben können. Auf <strong>de</strong>r<br />
an<strong>de</strong>ren Seite verortet <strong>de</strong>r lebensweltliche<br />
Blick die christliche Tradition in<br />
<strong>de</strong>r Gegenwart und verleiht ihr auf diese<br />
Weise aktuelle Be<strong>de</strong>utung.<br />
Ziel <strong>de</strong>s korrelativen Ansatzes ist<br />
es, zwei Engführungen religiöser Erziehung<br />
zu vermei<strong>de</strong>n (Hilger 2001a,<br />
322-324). Er setzt materialkerygmatischen<br />
Ansätzen, die die Tradition als<br />
abgeschlossenes System wohl <strong>de</strong>finierter<br />
Wahrheiten und Vollzüge ohne Bezug<br />
zum konkreten Leben vermitteln,<br />
die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Lebenslage <strong>de</strong>r<br />
Schülerinnen und Schüler entgegen.<br />
Ferner betont er gegenüber problemorientierten<br />
Ansätzen, die von <strong>de</strong>n Fragen<br />
<strong>de</strong>r Lernen<strong>de</strong>n ausgehend nach<br />
Antworten in <strong>de</strong>r Tradition suchen, die<br />
Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r gewachsenen Gestalt<br />
christlicher Überzeugungen.<br />
Allerdings stellt bereits die praktische<br />
Umsetzung <strong>de</strong>s korrelativen Ansatzes<br />
eine große Herausfor<strong>de</strong>rung<br />
dar. Lässt sich Korrelation durch didaktische<br />
Arrangements anregen?<br />
Georg Baudler (1979, 96-209) schlägt<br />
hierzu zwei Wege vor: Der erste Weg<br />
geht von <strong>de</strong>r Lebenssituation <strong>de</strong>r<br />
Schülerinnen und Schüler aus und<br />
führt zum Dialog mit <strong>de</strong>m christlichen<br />
Glauben. Dieser Weg führt nach<br />
Baudler zu einer „situativ-existenziellen<br />
Konzentration <strong>de</strong>s Glaubens“. Der<br />
zweite Weg nimmt Aspekte <strong>de</strong>s Glaubens<br />
zum Anlass, sie in einem lebensweltlichen<br />
Kontext zu hinterfragen.<br />
Dieser Weg bewirkt nach Baudler eine<br />
„analytisch-assoziative Übertragung“<br />
<strong>de</strong>s christlichen Glaubens in die Lebenswelt<br />
<strong>de</strong>r Schülerinnen und Schüler<br />
hinein.<br />
Bei<strong>de</strong> Wege zeigen bereits an, dass<br />
das Wechselspiel zwischen Tradition<br />
und Lebenswelt nicht ohne Probleme<br />
ist (vgl. Hilger 2001b, 1109-1110). So<br />
wird eine Dominanz <strong>de</strong>r christlichen<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
Tradition gegenüber <strong>de</strong>r Lebenswelt<br />
ebenso angemahnt wie das Fehlen seriöser<br />
theologischer Ansätze im Versuch,<br />
christlichen Glauben heute be<strong>de</strong>utsam<br />
wer<strong>de</strong>n zu lassen. Auch wird<br />
gefragt, ob die analytische Unterscheidung<br />
zwischen Tradition und Lebenswelt<br />
nicht etwas trenne, was konstitutiv<br />
zusammen gehöre. Georg Hilger bilanziert,<br />
dass diese Anfragen das inspirieren<strong>de</strong><br />
Konzept <strong>de</strong>r Korrelation weiter<br />
zu profilieren suchen. Dabei erkennen<br />
sie die grundsätzliche Unverzichtbarkeit<br />
einer korrelativen Theologie für einen<br />
theologisch verantworteten Religionsunterricht<br />
an.<br />
Grundsätzlicher fragt Thomas Ruster<br />
(2000) <strong>de</strong>n korrelativen Ansatz an.<br />
Im Sinn <strong>de</strong>r Säkularisierungsthese geht<br />
Ruster davon aus, dass heutige Kin<strong>de</strong>r<br />
und Jugendliche in ihrer überwiegen<strong>de</strong>n<br />
Mehrzahl bestenfalls rudimentäre<br />
Kenntnisse gelebten Christentums mit<br />
in <strong>de</strong>n Religionsunterricht bringen.<br />
Schülerinnen und Schüler aber, die mit<br />
Gott nichts mehr anfangen könnten,<br />
hätten auch nichts, woran sie anschließen<br />
könnten (vgl. Werbick 1993). Im<br />
besten Fall wür<strong>de</strong>n funktionale Äquivalente<br />
korreliert, was aber zu unsachgemäßen<br />
Einträgen in die christliche<br />
Überlieferung führe. Angesichts dieses<br />
Dilemmas schlägt Ruster eine sachgemäße<br />
christliche Instruktion im Religionsunterricht<br />
vor, um auf dieser Basis<br />
das eigene Leben in <strong>de</strong>n Blick zu nehmen.<br />
Analog dazu plädiert Burkard<br />
Porzelt für eine „respektieren<strong>de</strong> Konfrontation“<br />
im Unterricht (2000).<br />
Fasst man die Diskussion um die<br />
Korrelationsdidaktik zusammen, stellt<br />
sich vor allem das Zusammenspiel von<br />
Tradition und Lebenswelt als proble-<br />
matisch dar.<br />
Auf <strong>de</strong>r einen<br />
Seite fin<strong>de</strong>n<br />
sich <strong>de</strong>duktive<br />
Ansätze,<br />
die <strong>de</strong>n über-<br />
lieferten Glauben in die Lebenswelt <strong>de</strong>r<br />
Schülerinnen und Schüler hinein vermitteln<br />
wollen. Sie stehen im Horizont<br />
<strong>de</strong>s korrelativen Ansatzes in <strong>de</strong>r Gefahr,<br />
die Gegenwart ausschließlich in-<br />
strumentell zu berücksichtigen. In <strong>de</strong>r<br />
Folge bliebe <strong>de</strong>r vermittelte Glaube ohne<br />
Be<strong>de</strong>utung für die Gegenwart. Auf<br />
<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite fin<strong>de</strong>n sich induktive<br />
Ansätze, die ausgehend von konkreten<br />
lebensweltlichen Problemstellungen<br />
nach Antworten aus <strong>de</strong>m Glauben suchen.<br />
Sie stehen im Horizont <strong>de</strong>s korrelativen<br />
Ansatzes in <strong>de</strong>r Gefahr, die Entstehungsgeschichte<br />
<strong>de</strong>r christlichen<br />
Überlieferung zu missachten und <strong>de</strong>n<br />
Glauben zu funktionalisieren.<br />
Das Konzept <strong>de</strong>r Abduktion<br />
und seine religionspädagogische<br />
Be<strong>de</strong>utung<br />
Das Konzept <strong>de</strong>r abduktiven Korrelation<br />
will angesichts <strong>de</strong>s skizzierten<br />
Dilemmas die wechselseitige Verschränkung<br />
von Tradition und Lebenswelt<br />
in <strong>de</strong>r Balance halten. Dazu greift<br />
es auf das Konzept <strong>de</strong>r Abduktion zurück,<br />
wie es von Charles San<strong>de</strong>rs Peirce<br />
(1839-1914) formuliert wur<strong>de</strong>.<br />
Abduktion stellt nach Peirce einen<br />
dritten Weg logischer Schlussfolgerung<br />
neben <strong>de</strong>r Deduktion und <strong>de</strong>r Induktion<br />
dar (vgl. Harthshorne/Weiß<br />
1958). Bei <strong>de</strong>r Deduktion wird in einem<br />
Fall, <strong>de</strong>r bekannt ist, anhand einer<br />
ebenfalls bekannten Regel auf ein noch<br />
unbekanntes Resultat geschlossen. Im<br />
Religionsunterricht könnte etwa gemäß<br />
<strong>de</strong>r Regel, dass alle Menschen, die auf<br />
Gott vertrauen, <strong>de</strong>ssen Gna<strong>de</strong> erfahren,<br />
im Fall von Gen 22, in <strong>de</strong>m Abraham<br />
Gott vertraut, darauf geschlossen wer<strong>de</strong>n,<br />
dass sich Gott Abraham gegenüber<br />
als gnädig erweisen wird (vgl. Heil<br />
2006, 78-80). Bei <strong>de</strong>r Induktion wird<br />
von einem bekannten Fall und einem<br />
bekannten Resultat auf eine unbekann-<br />
te Regel geschlossen.<br />
Im<br />
Religionsunterricht<br />
läge<br />
ein induktiver<br />
Schluss<br />
vor, wenn durch die Lektüre von Gen<br />
22, gemäß <strong>de</strong>r Abraham auf Gott vertraut<br />
(Fall) und <strong>de</strong>shalb Gottes Gna<strong>de</strong><br />
erfährt (Resultat), darauf geschlossen<br />
wird, dass Gott sich allen Menschen,<br />
» Das Konzept <strong>de</strong>r abduktiven Korrelation<br />
will die wechselseitige Verschränkung<br />
von Tradition und Lebenswelt in <strong>de</strong>r Balance<br />
halten.
die ihm vertrauen, gnädig erweist (Regel).<br />
Abduktives Schlussfolgern be<strong>de</strong>utet<br />
nach Peirce nun, gemäß einer bekannten<br />
Regel anhand eines bekannten<br />
Resultats nach möglichen Fällen zu su-<br />
chen. Wenn<br />
etwa <strong>de</strong>r Zusammenhang<br />
zwischen<br />
<strong>de</strong>m Vertrau-<br />
en in Gott und Gottes Gna<strong>de</strong>nerweisen<br />
bekannt ist und in Gen 22 erkannt wur<strong>de</strong>,<br />
dass sich Gott Abraham gegenüber<br />
als gnädig erwiesen hat, so liegt es nahe,<br />
dass Abraham Gott vertraut hat.<br />
Das Beson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>s abduktiven<br />
Schlusses ist, dass er zwar möglich,<br />
aber nicht notwendig ist. Abduktives<br />
Schlussfolgern heißt immer, Hypothesen<br />
über mögliche bzw. wahrscheinliche<br />
Rahmenbedingungen zu erstellen,<br />
innerhalb <strong>de</strong>rer eine bekannte Regel zu<br />
einem bekannten Resultat führen kann.<br />
Damit bedürfen abduktive Schlüsse<br />
immer einer Überprüfung. Deutlich<br />
wird dieser Zusammenhang im klassischen<br />
Beispiel <strong>de</strong>tektivischer Arbeit<br />
(Schulz 2003). Hier liegt ein Resultat<br />
vor, nämlich <strong>de</strong>r Anlass, weswegen <strong>de</strong>r<br />
Detektiv engagiert wur<strong>de</strong>. Außer<strong>de</strong>m<br />
hat ein guter Detektiv ein bestimmtes<br />
kriminologisches Grundwissen zur<br />
Verfügung, d.h. einen Überblick über<br />
verschie<strong>de</strong>ne Regelhaftigkeiten. Die<br />
Aufgabe <strong>de</strong>s Detektivs besteht darin,<br />
durch Recherche und Kombination von<br />
Indizien <strong>de</strong>n Fall zu lösen, d.h. ein<br />
mögliches Szenario zu entwickeln und<br />
zu beweisen. Das Beispiel belegt aber<br />
nicht nur die Notwendigkeit einer<br />
Überprüfung abduktiver Schlüsse. Es<br />
verweist auch auf die Tatsache, dass in<br />
<strong>de</strong>r Abduktion Neues entstehen kann.<br />
„Durch Abduktion wer<strong>de</strong>n bisher unverbun<strong>de</strong>ne<br />
Elemente als Erklärung für<br />
bisher unerklärte Phänomene zusammengebracht.“<br />
(Heil 2006, 81). Zieht<br />
man nochmals Gen 22 heran, so steht<br />
das Gottesbild dieser Perikope sicher<br />
im Wi<strong>de</strong>rspruch zu alltagsweltlichen<br />
Vorstellungen: In <strong>de</strong>r Regel wird Gott<br />
in Gen 22 als zynisch erlebt. Eugen Drewermann<br />
bietet in dieser Hinsicht eine<br />
abduktive Auflösung <strong>de</strong>s Dilemmas, in-<br />
<strong>de</strong>m er Abraham als archetypisches Beispiel<br />
für das Loslassen erwachsen wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r<br />
Kin<strong>de</strong>r durch ihre Eltern begreift<br />
(1986). Gott erscheint in dieser Lesart<br />
nicht mehr als zynisch, son<strong>de</strong>rn als Ka-<br />
talysatordieses Prozesses.<br />
Dies erreicht<br />
Drewermann,<br />
in<strong>de</strong>m er die<br />
Konstellation aus Gen 22 durch psychoanalytische<br />
Sachverhalte neu arrangiert.<br />
In <strong>de</strong>r Abduktion wer<strong>de</strong>n also erklären<strong>de</strong><br />
Hypothesen zu überraschen<strong>de</strong>n Tatsachen<br />
gebil<strong>de</strong>t. Das Ergebnis bleibt<br />
vorerst hypothetisch. Die Abduktion beschreibt<br />
somit ein kreatives Wahrnehmungsurteil<br />
(vgl. Prokopf/Heil/Ziebertz<br />
2003, 90-91).<br />
Die religionspädagogische Be<strong>de</strong>utung<br />
<strong>de</strong>s abduktiven Ansatzes liegt zum<br />
einen in seiner Fähigkeit, <strong>de</strong>n Ort neuer<br />
Erkenntnisse im Forschungsprozess systematisch<br />
erfassen zu können. Bisherige<br />
Mo<strong>de</strong>lle arbeiteten vor allem mit <strong>de</strong>m<br />
Zusammenspiel <strong>de</strong>duktiver und induktiver<br />
Verfahren (vgl. Ven 1990, Ziebertz<br />
2004). Aus bei<strong>de</strong>n Arten <strong>de</strong>s Schlussfolgerns<br />
gehen jedoch keine neuen Erkenntnisse<br />
hervor (Kelle 1996, 160). Stefan<br />
Heil entwickelt <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>n empirischtheologischen<br />
Zyklus dahin gehend weiter,<br />
dass er die Orte abduktiver Schlüsse<br />
in diesem Prozess verortet (Heil 2006,<br />
42-51). Er kann damit transparent machen,<br />
wo im Forschungsprozess neuartige<br />
Hypothesen entstehen, und an welcher<br />
Stelle sie mit <strong>de</strong>duktiven und induktiven<br />
Verfahren überprüft wer<strong>de</strong>n.<br />
Zum an<strong>de</strong>ren liegt die religionspädagogische<br />
Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Abduktion<br />
darin, dass sie einen neuen Zugang zur<br />
empfun<strong>de</strong>nen Differenz zwischen Tradition<br />
und Lebenswelt anbietet. Mit ihr<br />
ist es möglich, das Anliegen <strong>de</strong>r Korrelationsdidaktik<br />
in einem religiös pluralen<br />
Umfeld aufrecht zu erhalten.<br />
» Das Beson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>s abduktiven Schlusses<br />
ist, dass er zwar möglich, aber nicht notwendig<br />
ist.<br />
Das Konzept <strong>de</strong>r<br />
abduktiven Korrelation<br />
Das Konzept <strong>de</strong>r abduktiven Korrelation<br />
setzt bei <strong>de</strong>r Annahme an, dass in<br />
<strong>de</strong>n vorfindlichen Erfahrungen heuti-<br />
ger Kin<strong>de</strong>r und Jugendlicher substanzielle<br />
und/o<strong>de</strong>r funktionale Elemente<br />
<strong>de</strong>r christlichen Überlieferung in ihrer<br />
jeweiligen kulturellen Transformation<br />
enthalten sind (Ziebertz/Heil/Prokopf<br />
2003, 17-21). Dies ist eine möglicherweise<br />
überraschen<strong>de</strong> These angesichts<br />
<strong>de</strong>r diagnostizierten Erosion <strong>de</strong>s Christentums<br />
in einer mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft.<br />
Sie kann sich jedoch auf verschie<strong>de</strong>ne<br />
empirische Befun<strong>de</strong> stützen.<br />
So belegen Studien zur Religiosität Jugendlicher<br />
eher eine religiöse Pluralisierung<br />
als eine Säkularisierung <strong>de</strong>r Jugend<br />
(siehe Beitrag in diesem Heft).<br />
Ferner zeigen kulturethnologische Studien,<br />
dass die europäische Kultur von<br />
christlichen Residuen durchzogen ist<br />
(Davie 2000; Hervieu-Legér 2000).<br />
Noch sind <strong>de</strong>r Sonntag und christliche<br />
Feiertage wie Weihnachten und Ostern<br />
beson<strong>de</strong>re Tage, gibt es ein Gespür für<br />
Werte wie Barmherzigkeit und Nächstenliebe,<br />
lassen sich Kunst und Musik<br />
durch religiöse Symbole und Erzählungen<br />
inspirieren, erregen romanische<br />
und gotische Kathedralen die Aufmerksamkeit<br />
von Touristen und wer<strong>de</strong>n<br />
die Geburt eines Kin<strong>de</strong>s, die Hochzeit<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Abschied von einem Verstorbenen<br />
im kirchlichen Rahmen gefeiert.<br />
Diese Residuen stehen für die<br />
tiefe Verwurzelung <strong>de</strong>r abendländischen<br />
Kultur im Christentum. Es liegt<br />
auf <strong>de</strong>r Hand, dass es sich hierbei nicht<br />
um einen bewussten und im dogmatischen<br />
Sinn korrekten Glauben han<strong>de</strong>lt.<br />
Allerdings wi<strong>de</strong>rsprechen diese Belege<br />
<strong>de</strong>r Annahme einer vollständig säkularisierten<br />
Gesellschaft. Sie verweisen<br />
auf Sinnhorizonte, die kulturell vom<br />
Christentum überformt sind (Daiber<br />
1996).<br />
Akzeptiert man die Annahme, dass<br />
auch die gegenwärtige Kultur von –<br />
u.U. latenten – christlichen Sinnmustern<br />
durchzogen ist, wird die Metapher<br />
vom Graben zwischen tradierten Überzeugungen<br />
und Lebenswelt hinfällig.<br />
Was sollte diesen Graben markieren?<br />
Verzichtet man auf die Grabenmetapher,<br />
kann man davon ausgehen, dass<br />
in je<strong>de</strong>r lebensweltlichen Erfahrung,<br />
die religiös assoziiert wer<strong>de</strong>n kann,<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
BEITRÄGE<br />
23
BEITRÄGE<br />
24<br />
christliche Sinnmuster verwoben sind.<br />
Erfahrungen stellen sich in dieser Perspektive<br />
als komplexe Gemengelage<br />
verschie<strong>de</strong>ner Sinnbezüge dar. Sind<br />
diese Erfahrungen religiös anschlussfähig,<br />
spielen – zumin<strong>de</strong>st im Kontext<br />
<strong>de</strong>s Religionsunterrichts – auch christliche<br />
Bezüge eine Rolle. Diese Bezüge<br />
können bewusst sein, aber auch unbewusst.<br />
Sie können in einen kirchlich<br />
gestützten Glauben verwoben sein, in<br />
eine sog. Patchwork-Religiosität o<strong>de</strong>r<br />
auch nur situativ aktiviert wer<strong>de</strong>n. Will<br />
man diese Konstellation veranschaulichen,<br />
muss die Metapher <strong>de</strong>s Grabens<br />
durch das Bild <strong>de</strong>s Zeichens ersetzt<br />
wer<strong>de</strong>n. Das Zeichen repräsentiert bzw.<br />
symbolisiert die betreffen<strong>de</strong> Erfahrung.<br />
In ihm durchdringen sich Tradition<br />
und Lebenswelt, wobei bei<strong>de</strong> Größen<br />
hier nur in analytischer Absicht unterschie<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n (vgl. Abb).<br />
Abduktives Korrelieren im Religionsunterricht<br />
be<strong>de</strong>utet angesichts<br />
dieses Szenarios, die komplexe Gemengelage<br />
aus unterschiedlichen Sinnbezügen<br />
aufzu<strong>de</strong>cken. Es geht um die<br />
Rekonstruktion <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Zugänge,<br />
die Schülerinnen und Schüler<br />
zum behan<strong>de</strong>lten Thema einbringen,<br />
wobei <strong>de</strong>r Religionsunterricht ein beson<strong>de</strong>res<br />
Interesse an <strong>de</strong>n theologischen<br />
Perspektiven – auch in ihrer lebensweltlichen<br />
Präsenz – hat. Die obige<br />
Abbildung kann also <strong>de</strong>rart auf <strong>de</strong>n<br />
Religionsunterricht übertragen wer<strong>de</strong>n,<br />
als das Zeichen für das Thema<br />
steht, mit <strong>de</strong>m sich die Lerngruppe auseinan<strong>de</strong>rsetzt.<br />
In <strong>de</strong>n Zugängen <strong>de</strong>r<br />
Schülerinnen und Schüler sind lebensweltliche<br />
wie theologische Perspektiven<br />
ebenso präsent wie in <strong>de</strong>n Zugängen<br />
<strong>de</strong>r Lehrkraft. In einem abduktiv<br />
angelegten Unterricht geht es nun darum,<br />
diese Durchdringung aufzu<strong>de</strong>cken<br />
und die Bezügen zwischen <strong>de</strong>n<br />
verschie<strong>de</strong>nen Perspektiven zu rekonstruieren.<br />
Der hypothetische Charakter <strong>de</strong>r<br />
Abduktion kommt in diesem Prozess in<br />
doppelter Weise zum Tragen. Erstens<br />
können die Schülerinnen und Schüler<br />
in <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>n<br />
theologischen und lebensweltlichen<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
Perspektiven verschie<strong>de</strong>ne Szenarien<br />
entwickeln, die ihnen im Blick auf das<br />
Thema plausibel erscheinen. Dieser<br />
Prozess entspricht <strong>de</strong>r Konstruktion erklären<strong>de</strong>r<br />
Hypothesen aus bislang unverbun<strong>de</strong>nen<br />
Elementen im Blick auf<br />
ein überraschen<strong>de</strong>s Phänomen. Auf<br />
diese Weise eröffnet sich <strong>de</strong>n Schülerinnen<br />
und Schülern eine vielfältige<br />
Welt im Horizont <strong>de</strong>r verhan<strong>de</strong>lten<br />
Thematik. Diese Szenarien bedürfen<br />
freilich <strong>de</strong>r Überprüfung. Das kann im<br />
Abgleich <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Szenarien<br />
untereinan<strong>de</strong>r und mit <strong>de</strong>m aktuellen<br />
theologischen Stand <strong>de</strong>r Diskussion<br />
geschehen. Im Sinn <strong>de</strong>r Abduktion geht<br />
es bei diesem Abgleich nicht darum,<br />
die theologische Perspektive als einzig<br />
wahre zu vermitteln. Vielmehr geht es<br />
darum, dass die Schülerinnen und<br />
Schüler eine für sie selbst plausible<br />
Perspektive auf die Thematik entwickeln,<br />
die eine verantwortete Position<br />
gegenüber <strong>de</strong>n Perspektiven <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
und <strong>de</strong>r Tradition darstellt.<br />
Ein abduktiv angelegter Unterricht<br />
zu Gen 22 könnte etwa so aussehen,<br />
dass die Perikope bis zum Auftrag Gottes<br />
an Abraham erzählt wird. In einer<br />
folgen<strong>de</strong>n Gruppenarbeit wird die Geschichte<br />
zu En<strong>de</strong> geschrieben. Die<br />
Bandbreite dieser Geschichten kann<br />
von <strong>de</strong>r Ablehnung <strong>de</strong>s Auftrags um<br />
<strong>de</strong>r Liebe zu<br />
Isaak willen,<br />
über das Verhan<strong>de</strong>ln<br />
Abrahams<br />
mit Gott bzgl.<br />
<strong>de</strong>s Opfergegenstands bis hin zum Ausführen<br />
<strong>de</strong>s Auftrags ohne Eingreifen<br />
Gottes gehen. Eventuell wird auch Gen<br />
22 nacherzählt. Ergibt sich die dargestellte<br />
Bandbreite, können die Erzählungen<br />
miteinan<strong>de</strong>r und mit Gen 22<br />
verglichen wer<strong>de</strong>n. Dabei tauschen<br />
sich die Schülerinnen und Schüler über<br />
die verschie<strong>de</strong>nen Erzähllogiken aus<br />
und erleben, wo ihre eigene Geschichte<br />
für an<strong>de</strong>re nachvollziehbar ist und wo<br />
sie auf Unverständnis stößt. Ferner<br />
können sie erkennen, inwieweit ihre eigene<br />
Argumentation überzeugt, und inwieweit<br />
sie die Argumentation <strong>de</strong>r an-<br />
<strong>de</strong>ren fesselt. Ferner entwickeln sie im<br />
Abgleich ihrer Szenarien mit Gen 22<br />
ein tieferes Verständnis für die biblische<br />
Erzählung und die theologischen<br />
Positionen, die mit ihr verbun<strong>de</strong>n sind.<br />
Das Ergebnis kann eine neue Perspektive<br />
auf Gen 22 sein, die persönlich plausibel<br />
und theologisch aufgeklärt(er) ist.<br />
Stellt sich die skizzierte Bandbreite<br />
nicht ein – etwa wenn alle Gruppen<br />
Gen 22 reproduzieren –, geht die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
um die Erzähllogik<br />
<strong>de</strong>r vorgelegten Geschichte. Hier liegt<br />
<strong>de</strong>r Schwerpunkt <strong>de</strong>s Unterrichtsgesprächs<br />
auf <strong>de</strong>n Perspektiven, die die<br />
Schülerinnen und Schüler dazu bewegten,<br />
die Geschichte so und nicht an<strong>de</strong>rs<br />
zu schreiben. Wie<strong>de</strong>rum beginnt <strong>de</strong>r<br />
Tanz verschie<strong>de</strong>ner Argumentationen<br />
mit <strong>de</strong>m soeben beschriebenen Effekt.<br />
Abduktives Schlussfolgern als<br />
Kennzeichen religionspädagogischer<br />
Professionalität<br />
Der hypothetische Charakter <strong>de</strong>r<br />
Abduktion kommt außer<strong>de</strong>m im Han<strong>de</strong>ln<br />
<strong>de</strong>r Lehrkraft zum Ausdruck. Im<br />
Unterrichtsgespräch äußern sich die<br />
Schülerinnen und Schüler in ihrer<br />
Sprache. Religiöse Aussagen haben damit<br />
nicht die Gestalt dogmatischer Formulierungen<br />
und theologischer Konzepte,son-<br />
<strong>de</strong>rn liegen in<br />
lebensweltlichenFormulierungen<br />
vor.<br />
Um angemessen<br />
reagieren zu können, muss sich<br />
die Lehrkraft ein Urteil sowohl über<br />
<strong>de</strong>n lebensweltlichen Kontext <strong>de</strong>r Formulierung<br />
als auch über mögliche<br />
theologische Anknüpfungspunkte bil<strong>de</strong>n.<br />
Bei<strong>de</strong>s kann nur <strong>de</strong>n Charakter einer<br />
Hypothese haben, die sich im weiteren<br />
Unterrichtsgespräch als angemessen<br />
o<strong>de</strong>r unangemessen herausstellen<br />
wird.<br />
Andreas Prokopf veranschaulicht<br />
das Hypothetische dieser Urteilsbildung<br />
in <strong>de</strong>r Interpretation eines Interviewausschnitts<br />
mit einer Jugendlichen<br />
(Prokopf/Heil/Ziebertz 2003, 98-108).<br />
» Mit <strong>de</strong>r Abduktionsdidaktik ist es möglich,<br />
das Anliegen <strong>de</strong>r Korrelationsdidaktik<br />
in einem religiös pluralen Umfeld aufrecht<br />
zu erhalten.
Die Jugendliche antwortet auf die Frage,<br />
ob sie sich etwas dabei <strong>de</strong>nke, wenn<br />
sie das Kreuz sehe, sehr ambivalent.<br />
Auf <strong>de</strong>r einen Seite ist das Kreuz in ihrem<br />
Alltag sehr präsent und mit nur wenig<br />
attraktiven Gehalten verknüpft<br />
(z.B. <strong>de</strong>m Korpus <strong>de</strong>s lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Christus).<br />
Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite veranlasst<br />
sie das Schulkreuz immer wie<strong>de</strong>r, ihre<br />
Gedanken schweifen zu lassen, und sie<br />
erlebt schlichte Kreuze durchaus als<br />
Kraftspen<strong>de</strong>r. „Die Attraktivität <strong>de</strong>s<br />
Kreuzes schwankt bei Claudia 1<br />
im täglichen<br />
Umgang zwischen Unerheblichkeit<br />
und höchstem Interesse.“ (ebd.<br />
101) Wie lässt sich diese Differenz erklären?<br />
Claudias Interesse kann a) ein<br />
zufälliges schweifen lassen <strong>de</strong>r Gedanken<br />
sein, das durch <strong>de</strong>n Anblick <strong>de</strong>s<br />
Kreuzes ausgelöst wird, b) dadurch gespeist<br />
wer<strong>de</strong>n, dass das Kreuz ihre subjektive<br />
Welt transzendiert, o<strong>de</strong>r c)<br />
durch eine archetypische Kraft <strong>de</strong>s<br />
Kreuzes verursacht wer<strong>de</strong>n. Alle drei<br />
Hypothesen sind für sich genommen<br />
plausible Erklärungen <strong>de</strong>r Differenz<br />
zwischen Unerheblichkeit und Interesse.<br />
Sie stellen die Äußerungen Claudias<br />
in einen je-<br />
weilsspezifischenKontext, <strong>de</strong>r ihnen<br />
eine konkreteBe<strong>de</strong>utungzuschreibt.<br />
Alle<br />
drei Szenarien<br />
sind mögliche, aber nicht notwendig<br />
zutreffen<strong>de</strong> Erklärungsmuster.<br />
Welches <strong>de</strong>r Position Claudias am<br />
nächsten kommt, muss in <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
mit Claudia herausgefun<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n. Ohne <strong>de</strong>n Spielraum,<br />
<strong>de</strong>n die drei Szenarien eröffnen, bliebe<br />
Claudias Position jedoch im dunkeln.<br />
Nach Stefan Heil ist die Kompetenz,<br />
abduktiv zu schließen, ein Ausdruck<br />
religionspädagogischer Professionalität<br />
(2006). Letztere besteht u.a.<br />
darin, „auf Be<strong>de</strong>utungen von Zeichen<br />
individueller Religiosität von Schülerinnen<br />
und Schülern durch die fallspezifische<br />
Transformation <strong>de</strong>s theologischen<br />
Repertoires reflexiv zu schließen<br />
…“ (ebd., 307). Entschei<strong>de</strong>nd ist die<br />
fallspezifische Transformation. In ihr<br />
wer<strong>de</strong>n theologische Konzepte und lebensweltliche<br />
Ansprüche miteinan<strong>de</strong>r<br />
verschränkt und in einen neuen Zusammenhang<br />
gestellt. Sie ermöglicht es,<br />
vorliegen<strong>de</strong> theologische Positionen in<br />
Schüleräuße-<br />
rungenaufzu<strong>de</strong>cken und<br />
zur Diskussion<br />
zu stellen.<br />
Abduktive<br />
Schlüsse eröffnen<br />
im Religionsunterricht<br />
<strong>de</strong>n Raum, <strong>de</strong>r notwendig ist,<br />
kreativ mit überlieferten Überzeugungen<br />
umzugehen und sie in die Gegenwart<br />
hinein lebendig wer<strong>de</strong>n zu<br />
lassen.<br />
» Das Konzept <strong>de</strong>r abduktiven Korrelation<br />
setzt bei <strong>de</strong>r Annahme an, dass in <strong>de</strong>n vorfindlichen<br />
Erfahrungen heutiger Kin<strong>de</strong>r<br />
und Jugendlicher substanzielle und/o<strong>de</strong>r<br />
funktionale Elemente <strong>de</strong>r christlichen Überlieferung<br />
in ihrer jeweiligen kulturellen<br />
Transformation enthalten sind.<br />
Diskussion<br />
Das Konzept <strong>de</strong>r abduktiven Korrelation<br />
wur<strong>de</strong> vielfach kritisiert. Es soll<br />
an dieser Stelle nicht auf alle Anfragen<br />
eingegangen wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn das wur<strong>de</strong><br />
bereits an an<strong>de</strong>rer Stelle getan (vgl.<br />
Heil 2006, 97-100). An dieser Stelle<br />
soll lediglich <strong>de</strong>m vielfach geäußerten<br />
Eindruck entgegengetreten wer<strong>de</strong>n,<br />
dass die abduktive Korrelation die<br />
Grafik: Riegel<br />
klassische Korrelationsdidaktik ablösen<br />
will. Dies ist nicht <strong>de</strong>r Fall. Es geht<br />
nicht darum, die Korrelation neu zu erfin<strong>de</strong>n.<br />
Vielmehr geht es darum, das<br />
Grundanliegen <strong>de</strong>r Korrelationsdidaktik<br />
im Licht <strong>de</strong>r aktuellen Anfragen zu<br />
reformulieren. Hier scheint mir vor allem<br />
die kritische Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
mit <strong>de</strong>r Graben-Metapher weiterführend.<br />
Sie verweist darauf, dass Korrelationen<br />
zwischen Tradition und Lebenswelt<br />
nicht eigens hergestellt wer<strong>de</strong>n<br />
müssen. Vielmehr geht es um ein Auf<strong>de</strong>cken,<br />
Rekonstruieren und Neu-Arrangieren<br />
bereits vorliegen<strong>de</strong>r Verschränkungen<br />
bei<strong>de</strong>r Bereiche.<br />
Ferner wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Konzept <strong>de</strong>r<br />
Abduktion das bisher zugängliche<br />
Spektrum von <strong>de</strong>duktiven und induktiven<br />
Unterrichtsstrategien nachhaltig<br />
erweitert. So sperrig das Konzept auf<br />
<strong>de</strong>n ersten Blick wirkt, so hilfreich hat<br />
es sich in <strong>de</strong>r Analyse von Unterrichtsprozessen<br />
erwiesen. Denn faktischer<br />
Unterricht besteht – und bestand auch<br />
bisher! – nicht nur daraus, Schülerinnen<br />
und Schüler über theologische<br />
Lehrmeinungen zu instruieren (Deduktion)<br />
o<strong>de</strong>r Aussagen von Schülerinnen<br />
und Schülern theologischen Lehrmeinungen<br />
zuzuordnen (Induktion). Mit<br />
<strong>de</strong>m Konzept <strong>de</strong>r Abduktion können<br />
die vielfachen kreativen Prozesse <strong>de</strong>r<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
BEITRÄGE<br />
25
BEITRÄGE<br />
26<br />
Unterrichtswirklichkeit theoriegeleitet<br />
analysiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Wie weit reicht nun <strong>de</strong>r Anspruch<br />
<strong>de</strong>r abduktiven Korrelation? Als globales<br />
Paradigma für <strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />
betont das abduktive Konzept die<br />
Aufmerksamkeit für die lebensweltlich<br />
geformten Elemente christlicher Religiosität,<br />
die in <strong>de</strong>n Äußerungen <strong>de</strong>r<br />
Schülerinnen und Schüler mehr o<strong>de</strong>r<br />
weniger bewusst präsent sind. Entwickelt<br />
man ein Gespür für sie und gelingt<br />
es, sie kreativ in <strong>de</strong>n Unterrichtsprozess<br />
einzubin<strong>de</strong>n, wer<strong>de</strong>n die traditionell<br />
ge<strong>de</strong>ckten theologischen Perspektiven<br />
für die Gegenwart be<strong>de</strong>utsam.<br />
In <strong>de</strong>r thematischen Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
können neue, zeitgemäße Szenarien<br />
christlicher Religiosität entstehen.<br />
Sie haben einen hypothetischen Charakter,<br />
d.h. ihre Relevanz muss sich sowohl<br />
im Blick auf <strong>de</strong>n Alltag bzw. <strong>de</strong>n gelebten<br />
Glauben als auch auf die Theologie<br />
erst noch bewähren. Nicht alles, was neu<br />
entsteht, hält dieser Überprüfung stand.<br />
Ohne dass jedoch etwas Neues entsteht,<br />
verknöchert die Tradition.<br />
Bezogen auf die Mikroprozesse <strong>de</strong>s<br />
Unterrichts ist die abduktive Schlussfolgerung<br />
ein Modus, <strong>de</strong>r qualifiziert<br />
eingesetzt wer<strong>de</strong>n muss. Stefan Heil<br />
konnte in seiner Studie nachweisen,<br />
dass gelingen<strong>de</strong>n Unterricht ein sachgemäßer<br />
Wechsel von <strong>de</strong>duktiven, induktiven<br />
und abduktiven Strategien<br />
kennzeichnet (2006). Das entspricht<br />
auch <strong>de</strong>r theoretischen Struktur abduktiver<br />
Schlüsse. Aufgrund ihres hypothetischen<br />
Charakters bedürfen sie einer<br />
steten Überprüfung. Dies kann<br />
durch <strong>de</strong>duktive und induktive<br />
Schlussfolgerungen geschehen. Diese<br />
relative Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Abduktion legt<br />
sich auch im Blick auf <strong>de</strong>n grundlegen<strong>de</strong>n<br />
Charakter einer Unterrichtsstun<strong>de</strong><br />
nahe. Nicht je<strong>de</strong>s Thema und Unter-<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
richtsziel verlangt nach einem abduktiven<br />
Zugang. Ohne die Möglichkeiten<br />
ent<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>n Lernens bei theologischen<br />
Sachverhalten leugnen zu wollen,<br />
lässt sich theologisches Fachwissen<br />
wie etwa die Kenntnis <strong>de</strong>r Zwei-<br />
Quellen-Theorie auch instruktiv unterrichten.<br />
Dies entspräche einer grundsätzlich<br />
<strong>de</strong>duktiv angelegten Stun<strong>de</strong>.<br />
Ebenso kann ein induktiver Stil dann<br />
geboten sein, wenn es darum geht, dass<br />
sich die Schülerinnen und Schüler über<br />
sich selbst klar wer<strong>de</strong>n – etwa in ihrer<br />
Wertorientierung o<strong>de</strong>r in ihrer Haltung<br />
bezüglich eines kontroversen Themas.<br />
Eine abduktiv angelegte Stun<strong>de</strong> ist<br />
dann angezeigt, wenn es um die Be<strong>de</strong>utung<br />
einer theologischen Position geht.<br />
Diese Be<strong>de</strong>utung lässt sich nicht aus<br />
<strong>de</strong>r Tradition ableiten (Deduktion),<br />
noch lässt sich die Gegenwart unter eine<br />
<strong>de</strong>rartige Position subsumieren (Induktion).<br />
Die lebensweltliche Relevanz<br />
einer theologischen Position –<br />
wie auch die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Alltags für<br />
die Theologie – kann nur abduktiv erschlossen<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Anmerkung<br />
1 Der Name <strong>de</strong>r Jugendlichen wur<strong>de</strong> geän<strong>de</strong>rt.<br />
Dr. Ulrich Riegel ist Wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Lehrstuhl für Religionspädagogik<br />
und Didaktik <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />
<strong>de</strong>r Julius-Maximilians-Universität<br />
Würzburg.<br />
Literatur:<br />
Baudler, G. (1979): Religiöse Erziehung heute – Pa<strong>de</strong>rborn.<br />
Baudler, G. (1984): Korrelationsdidaktik. Leben durch<br />
Glauben erschließen – Pa<strong>de</strong>rborn.<br />
Bitter, G. (1981): Was ist Korrelation? Versuch einer Bestimmung,<br />
in: Katechetische Blätter 106, 343-345.<br />
Daiber, F. (1996): Religiöse Gruppenbildung als Reaktionsmuster<br />
gesellschaftlicher Individualisierungsprozes-<br />
se, in: Gabriel, K. (Hrsg.): Religiöse Individualisierung<br />
o<strong>de</strong>r Säkularisierung. Biographie und Gruppe als Bezugspunkte<br />
mo<strong>de</strong>rner Religiosität – Gütersloh. 86-100.<br />
Davie, G. (2000): Religion in Mo<strong>de</strong>rn Europe – Oxford.<br />
Drewermann, E. (1986): Abrahams Opfer in: Bibel und<br />
Kirche 91, 113-124.<br />
Hartshorne, Ch./Weiß, P. (1958) (eds.): Collected Papers<br />
of Charles San<strong>de</strong>rs Peirce – Cambridge.<br />
Heil, St. (2006): Strukturprinzipien religionspädagogischer<br />
Professionalität – Münster.<br />
Hervieu-Léger, D. (2000): Religion as a Chain of Memory<br />
– Oxford.<br />
Hilger, G. (2001a): Korrelieren lernen, in: Hilger, G./Leimgruber,<br />
St./Ziebertz, H.-G.: Religionsdidaktik. Ein Leitfa<strong>de</strong>n<br />
für Studium, Ausbildung und Beruf – München.<br />
319-329.<br />
Hilger, G. (2001b): Korrelationsdidaktik, in: Mette, N./Rickers,<br />
F. (Hg.): Lexikon <strong>de</strong>r Religionspädagogik. Band 1<br />
– Neukirchen-Vluyn, 1106-1111.<br />
Hilger, G./Reilly, G. (1993) (Hg.): Religionsunterricht im<br />
Abseits? – München.<br />
Kelle, U. (1996): Empirisch begrün<strong>de</strong>te Theoriebildung.<br />
Zur Logik und Methodologie interpretativer Sozialforschung<br />
– Weinheim.<br />
Mette, N. (1994): Religionspädagogik – Düsseldorf.<br />
Niehl, F. (1980): Warum geht es nicht mehr wie früher?,<br />
in: Katechetische Blätter 105, 569-616.<br />
Porzelt, B. (2000): Respektieren<strong>de</strong> Konfrontation. Konturen<br />
korrelativer Religionsdidaktik in nachchristlichem<br />
Kontext, in: Trierer Theologische Zeitschrift 109,<br />
308-328.<br />
Prokopf, A./Heil, St./Ziebertz, H.-G. (2003): Abduktives<br />
Schließen im qualitativen Auswertungsverfahren, in:<br />
Ziebertz, H.-G./Heil St./Prokopf A. (Hg.): Abduktive Korrelation<br />
– Münster. 89-108.<br />
Ruster, Th. (2000): Der verwechselbare Gott. Theologie<br />
nach <strong>de</strong>r Entflechtung von Christentum und Religion –<br />
Freiburg.<br />
Schulz, L. (2003): Ermitteln als abduktiver Prozess, in:<br />
Ziebertz, H.-G./Heil, St./Prokopf A. (Hg.): Abduktive Korrelation<br />
– Münster. 241-258.<br />
Ven, J. van <strong>de</strong>r (1990): Entwurf einer empirischen Theologie<br />
– Lei<strong>de</strong>n.<br />
Werbick, J. (1993): Heutige Herausfor<strong>de</strong>rungen an ein<br />
Konzept <strong>de</strong>s Religionsunterrichts, in: Sekretariat <strong>de</strong>r<br />
Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Religionsunterricht.<br />
20 Jahre nach <strong>de</strong>m Syno<strong>de</strong>nbeschluss – Bonn.<br />
Ziebertz, H.-G. (2004): Religionspädagogik und empirische<br />
Methodologie, in: Schweitzer, F./Schlag, Th. (Hg.):<br />
Religionspädagogik im 21. Jahrhun<strong>de</strong>rt – Gütersloh/<br />
Freiburg. 209-222.
Religion(sunterricht) inszenieren –<br />
eine Gratwan<strong>de</strong>rung<br />
Die Ausgangsfrage:<br />
Vermittlung von objektiver und<br />
subjektiver Religion<br />
Wie kann für eine Schülerpopulation,<br />
die nur noch in <strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>rheit über<br />
eine konfessionell orientierte religiöse<br />
Sozialisation verfügt, <strong>de</strong>r Gegenstand<br />
Religion verständlich wer<strong>de</strong>n? Diese<br />
Ausgangsfrage negiert nicht eine durchaus<br />
vorhan<strong>de</strong>ne Form von subjektiver<br />
Religion bei Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen,<br />
z.B. als Bedürfnis, Sehnsucht,<br />
Grundfrage o<strong>de</strong>r individueller Ausprägung.<br />
Sie berührt aber in beson<strong>de</strong>rem<br />
Maße <strong>de</strong>n Brückenschlag zwischen objektiver<br />
und subjektiver Religion, zwischen<br />
transfiguriertem und individualisiertem<br />
religiösem Wissen (Englert<br />
2006, 13). Genau an diesem Punkt setzen<br />
Überlegungen zu einem „performativen<br />
Religionsunterricht“ an. Welcher<br />
Präsentationsmodus erscheint heute<br />
als angemessen, um innerhalb eines<br />
konfessionellen Religionsunterrichts<br />
<strong>de</strong>n Gegenstand Religion und die spezielle<br />
Wirklichkeitserschließung von<br />
Religion didaktisch so ins Spiel zu bringen,<br />
dass die Schülerinnen und Schüler<br />
auf nachhaltige Weise religiöse Kompetenz<br />
ausbil<strong>de</strong>n können?<br />
Das Dilemma:<br />
Grenzen und Notwendigkeiten<br />
inszenieren<strong>de</strong>r Lernformen<br />
„Die Schule ist ein Moratorium <strong>de</strong>s<br />
Lebensernstes, sie ist nicht ‚das Leben’<br />
und kann und soll es nicht sein“, meint<br />
Bernhard Dressler (Dressler 2002,<br />
263). Wer sich in <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r<br />
Pädagogik auskennt, weiß: Der Lehrgang<br />
in Distanz zum Leben gehört zu<br />
<strong>de</strong>n konstituieren<strong>de</strong>n Grundbedingungen<br />
<strong>de</strong>s mo<strong>de</strong>rnen Schulwesens. Wir<br />
greifen in <strong>de</strong>r Schule, auch im Religi-<br />
onsunterricht, zunächst auf reflektierte<br />
und distanzierte Weise auf die Wirklichkeit<br />
zu.<br />
Von dieser Ausgangsbasis aus<br />
muss je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r für die Zunahme inszenieren<strong>de</strong>r<br />
Elemente im Religionsunterricht<br />
plädiert, nicht nur nachweisen,<br />
dass dies im Rahmen schulischen<br />
Lernens auch geschehen darf, son<strong>de</strong>rn<br />
außer<strong>de</strong>m belegen, inwiefern eine<br />
solche Ausweitung konventionellen<br />
Lernens in <strong>de</strong>r Schule einen größeren<br />
Nutzen erbringt als ein primär reflektieren<strong>de</strong>r<br />
Umgang mit Fragen <strong>de</strong>r Religion.<br />
Diese Fragestellung ist ja nicht neu.<br />
Bereits bei <strong>de</strong>r kritischen Diskussion<br />
um die Korrelationsdidaktik in <strong>de</strong>n<br />
90er Jahren meinte Rudolf Englert,<br />
dass innerhalb <strong>de</strong>s Settings Schule das<br />
Bemühen, Glaube und Leben korrelativ<br />
aufeinan<strong>de</strong>r zu beziehen, als bestes<br />
Konzept zur falschen Zeit bzw. am falschen<br />
Ort gewertet wer<strong>de</strong>n müsse (vgl.<br />
Englert 1993, 102). Thomas Ruster hat<br />
Hans Mendl<br />
von links: Dr. Paul Platzbecker, Dr. Eckhard Nordhofen, Prof. Dr. Thomas Ruster Foto: En<strong>de</strong>rs<br />
bei <strong>de</strong>r Wiesba<strong>de</strong>ner Fortbildungstagung<br />
unter <strong>de</strong>m bezeichnen<strong>de</strong>n Titel „Quo<br />
vadis, Religionspädagogik?“ im Januar<br />
2007 diesen Einwand systemtheoretisch<br />
vertieft: Man müsse die Bedingungen<br />
und Kodierungen von Handlungssystemen<br />
respektieren; viele erfahrungsbezogene<br />
Elemente im schulischen<br />
Religionsunterricht wür<strong>de</strong>n Grenzüberschreitungen<br />
darstellen, weil dort nicht<br />
<strong>de</strong>r Ort einer Begegnung mit <strong>de</strong>r frem<strong>de</strong>n<br />
und machtvollen Wirklichkeit Gott<br />
sei. Aber stimmt das überhaupt – sowohl<br />
bezogen auf die Lernbedingungen im<br />
Handlungsfeld Schule als auch auf die<br />
Lernnotwendigkeit und -chancen im<br />
Religionsunterricht?<br />
Es wird aufzuzeigen sein, inwiefern<br />
pädagogisch und theologisch nicht nur<br />
die Deutung <strong>de</strong>r Welt, son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>r<br />
Umgang mit <strong>de</strong>r Welt zur Zweckbestimmung<br />
von Schule gehört, wie Johann<br />
Friedrich Herbart (1776-1841)<br />
meint (vgl. Benner 2004, 30), und <strong>de</strong>swegen<br />
dieser Modus religiösen Welt-<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
BEITRÄGE<br />
27
BEITRÄGE<br />
28<br />
zugangs auch im Religionsunterricht<br />
seinen berechtigten Platz hat.<br />
Eine weitere Hür<strong>de</strong> besteht in <strong>de</strong>r<br />
Entwicklungsgeschichte <strong>de</strong>s Faches<br />
Religionsunterricht: Denn erschwerend<br />
kommt hinzu, dass das Reflexionsmo<strong>de</strong>ll<br />
schulischen Lernens im Religionsunterricht<br />
historisch betrachtet ja als<br />
ein befreien<strong>de</strong>r Fortschritt gegenüber einer<br />
als einengend und fremdbestimmt<br />
erlebten Katechese an <strong>de</strong>r Schule verzeichnet<br />
wird. Zeitlich kann dieses Reflexions-Mo<strong>de</strong>ll<br />
an <strong>de</strong>n konzeptionellen<br />
Vorstellungen vom Religionsunterricht,<br />
wie sie mit <strong>de</strong>r Würzburger Syno<strong>de</strong><br />
begrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n, festgemacht wer<strong>de</strong>n:<br />
„Der Religionsunterricht weckt und<br />
reflektiert die Frage nach Gott“, heißt<br />
es dort (Der Religionsunterricht in <strong>de</strong>r<br />
Schule 1976, 2.5.1). Dieses „Dokument<br />
einer Wen<strong>de</strong>“ (Wolfgang Nastainczyk)<br />
be<strong>de</strong>utete eine radikale Abkehr vom<br />
missionarischen Mo<strong>de</strong>ll katechetischen<br />
Religionsunterrichts zuvor.<br />
Wer also für performative Elemente<br />
im Religionsunterricht eintritt, muss<br />
gleichzeitig die Unterschie<strong>de</strong> zu einem<br />
eng verstan<strong>de</strong>nen katechetischen Konzept<br />
eines schulischen Religionsunterrichts<br />
skizzieren. Denn – soviel sei vorausgeschickt<br />
– ein performativ ausgerichteter<br />
Religionsunterricht darf nicht<br />
mit Katechese verwechselt wer<strong>de</strong>n (vgl.<br />
Mendl 2007); das wäre ein Rückfall in<br />
längst überwun<strong>de</strong>ne Zeiten <strong>de</strong>r Religionsdidaktik.<br />
Die These, die ich im Folgen<strong>de</strong>n<br />
entfalten möchte, lautet: Sowohl von<br />
<strong>de</strong>n lernen<strong>de</strong>n Subjekten her als auch<br />
von <strong>de</strong>r Eigenlogik <strong>de</strong>s Gegenstands<br />
„Religion“ aus erweist sich ein ausschließliches<br />
Reflexionsmo<strong>de</strong>ll schulischen<br />
Lernens heute als <strong>de</strong>fizient;<br />
es sollte <strong>de</strong>shalb mit inszenieren<strong>de</strong>n<br />
Elementen ergänzt – nicht ersetzt! –<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Lernen<strong>de</strong>n:<br />
kirchendistanzierte Subjekte<br />
Die gesellschaftsoffene und pluralitätsfähige<br />
Konzeption <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />
„nach Würzburg“ besticht<br />
auch noch nach dreißig Jahren. Religi-<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
Prof. Dr. Hans Mendl Foto: En<strong>de</strong>rs<br />
onsunterricht ist keine kirchliche Katechese,<br />
führt nicht unbedingt zur Gemein<strong>de</strong><br />
hin, hat nicht die globale Zielmarke,<br />
für alle Schülerinnen und Schüler<br />
eine katholische I<strong>de</strong>ntität zu stiften.<br />
Deshalb sollte man auch nicht die<br />
Grenzen verwischen und <strong>de</strong>m Religionsunterricht<br />
eine „katechetische Dimension“<br />
zusprechen, weil dies we<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>m Selbstverständnis von Katechese<br />
noch <strong>de</strong>m von Religionsunterricht gerecht<br />
wird. Von <strong>de</strong>r Katechese her betrachtet<br />
beschränkt sich <strong>de</strong>r religiöse<br />
Erfahrungsraum im Kontext Schule auf<br />
die präkatechumenale Phase <strong>de</strong>r Erstverkündigung<br />
(vgl. Mendl 2007).<br />
Denn <strong>de</strong>r Religionsunterricht wen<strong>de</strong>t<br />
sich an Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche mit<br />
verschie<strong>de</strong>nen religiösen Sozialisationen<br />
und Einstellungen zu Kirche und<br />
Glaube und zielt auf das, was wir heute<br />
als „religiöse Kompetenz“ bezeichnen:<br />
Er soll zu einem reflexiv selbst verantworteten<br />
Glauben führen.<br />
Als konfessioneller Religionsunterricht<br />
bringt das Fach jedoch Materien<br />
ein, die von <strong>de</strong>r Tradition katholischen<br />
Glaubens geprägt sind. Davon sind<br />
heutige Schüler und Schülerinnen weiter<br />
entfernt als noch vor 30 Jahren. Die<br />
entsprechen<strong>de</strong>n Daten zum Traditionsabbruch,<br />
zur Kirchendistanz und zur<br />
Zunahme einer „unsichtbaren Religion“<br />
brauchen hier nicht wie<strong>de</strong>rholt zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Man kann davon ausgehen, dass<br />
die Mehrzahl <strong>de</strong>r Schüler und Schülerinnen<br />
über keine grundlegen<strong>de</strong>n und<br />
beständigen konfessionellen Primärerfahrungen<br />
verfügen, dass ihnen mehrheitlich<br />
die Fähigkeit zur Erschließung<br />
religiöser Co<strong>de</strong>s abgeht und sie mit<br />
<strong>de</strong>m spezifischen Modus religiöser<br />
Wirklichkeitswahrnehmung kaum vertraut<br />
sind. Das be<strong>de</strong>utet an<strong>de</strong>rerseits<br />
aber nicht, dass sie nicht religiös offen,<br />
sehnsüchtig o<strong>de</strong>r gar auf die eine o<strong>de</strong>r<br />
an<strong>de</strong>re Weise aktiv wären. Dennoch<br />
wird hier die Problematik <strong>de</strong>s Korrelationsprinzips<br />
<strong>de</strong>utlich: Der garstige<br />
Graben zwischen irgendwie gearteten<br />
existentiellen Schülererfahrungen und<br />
<strong>de</strong>m Depositum fi<strong>de</strong>i ist größer gewor<strong>de</strong>n.<br />
Um es an einem Beispiel zu ver<strong>de</strong>utlichen:<br />
Freilich kann man kultische<br />
Analogien zwischen <strong>de</strong>r Inszenierung<br />
eines Fußball-Events und einer<br />
Eucharistiefeier herstellen – aber ob dadurch<br />
schon die sakramentale Dimension<br />
gottesdienstlichen Han<strong>de</strong>lns und<br />
vor allem die spezielle Art und Weise<br />
<strong>de</strong>s religiösen Weltzugangs über rituellsakramentales<br />
Han<strong>de</strong>ln im Kontext <strong>de</strong>s<br />
Lebensganzen versteh- o<strong>de</strong>r gar erfahrbar<br />
wird, wage ich zu bezweifeln. Bei<br />
aller gesellschaftlichen Offenheit funktionierte<br />
das Korrelationsmo<strong>de</strong>ll „nach
Würzburg“ letztlich dort halbwegs, wo<br />
man unterrichtliche Fragestellungen<br />
nicht nur auf formal-existentielle, son<strong>de</strong>rn<br />
auch auf annähernd kirchlich geprägte<br />
religiöse Erfahrungen beziehen<br />
konnte: Von daheim mitgebrachte Erfahrungen<br />
konnten einer schulischen<br />
Reflexion unterzogen wer<strong>de</strong>n. Übrigens:<br />
nur so gelang ein immer schon als<br />
öd empfun<strong>de</strong>ner Katechismus-Unterricht<br />
in <strong>de</strong>r Schule, wie er seit <strong>de</strong>r Reformation<br />
stattfand. Der Referenzrahmen,<br />
innerhalb <strong>de</strong>ssen die Heilswahrheiten<br />
kognitiv durchdrungen wur<strong>de</strong>n,<br />
war eine als selbstverständlich angenommene<br />
praktizierte Religion im Alltag<br />
– in <strong>de</strong>r Familie und in <strong>de</strong>r Pfarrgemein<strong>de</strong>.<br />
Nur im Zusammenspiel aller<br />
Lebenswelten konnten religiöse Bildungsprozesse<br />
nachhaltig sein. Diejenigen,<br />
die heute für eine Verstärkung<br />
von Grundwissens-Bausteinen, einen<br />
katechismusartigen Unterricht o<strong>de</strong>r eine<br />
systemtheoretische Beschränkung<br />
allen Han<strong>de</strong>lns im Religionsunterrichts<br />
auf die Position eines Beobachters<br />
zweiter Ordnung plädieren, verkennen<br />
die Ortlosigkeit eines solchen<br />
Unterfangens. Schon immer gelang religiöse<br />
Sozialisation nur im Zusammenspiel<br />
verschie<strong>de</strong>ner Handlungsorte<br />
und Sinnsysteme.<br />
Die Folge dieses aktuellen Dilemmas<br />
zwischen religiös kaum sozialisierten<br />
Schülerinnen und Schülern und<br />
<strong>de</strong>m Anspruch, sie mit einer konfigurierten<br />
konfessionellen Wissensdomäne<br />
in Beziehung zu bringen, sind evi<strong>de</strong>nt:<br />
Auch wenn <strong>de</strong>r Religionsunterricht,<br />
beson<strong>de</strong>res in <strong>de</strong>r Grundschule,<br />
<strong>de</strong>rzeit halbwegs in <strong>de</strong>r Fächerlandschaft<br />
stabil und akzeptiert ist, sind seine<br />
Langzeit-Wirkungen doch sehr fragwürdig,<br />
wie beispielsweise die Untersuchung<br />
„1000 Stun<strong>de</strong>n Religion“ (Kliemann/Rupp<br />
2000) gezeigt hat. Die fehlen<strong>de</strong><br />
Nachhaltigkeit grün<strong>de</strong>t nicht etwa<br />
auf einem schlechten Unterricht,<br />
son<strong>de</strong>rn vielmehr in einer konzeptionellen<br />
Schwäche: Das Reflexionsmo<strong>de</strong>ll<br />
alleine genügt heute nicht mehr,<br />
um <strong>de</strong>r Schülerausgangslage, aber auch<br />
<strong>de</strong>m Gegenstand selbst gerecht zu wer<strong>de</strong>n<br />
und um nachhaltige Lernprozesse<br />
in Gang zu bringen. Das kann man übrigens<br />
auch wissenssoziologisch begrün<strong>de</strong>n:<br />
Träges Wissen entsteht und<br />
wird vergessen, wenn Wissensbausteine<br />
nicht auf situierte Weise erschlossen,<br />
in an<strong>de</strong>re Zusammenhänge integriert<br />
und vor allem mit verschie<strong>de</strong>nen<br />
Wissensdomänen verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n<br />
(vgl. Mendl 2003).<br />
Der Gegenstand: Frem<strong>de</strong> Religion<br />
„Gott gibt es nur im Vokativ“ –<br />
dieser Ausspruch geht auf Martin Buber<br />
(1878-1965) zurück. Der schulische<br />
Religionsunterricht ist we<strong>de</strong>r<br />
Religionskun<strong>de</strong>, bei <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Distanz<br />
und von einer neutralen Beobachterposition<br />
aus Religion betrachtet<br />
wird, noch Religionswissenschaft, bei<br />
<strong>de</strong>r die Gottesfrage mit wissenschaftlichen<br />
Optionen (phänomenologisch,<br />
hermeneutisch, kulturkritisch ...) reflektiert<br />
wird. Wie kann die Gottesfrage<br />
beständig wach gehalten wer<strong>de</strong>n –<br />
als eine, die nicht nur existentiell betrifft,<br />
son<strong>de</strong>rn sich auch in entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Verhaltensweisen und religiösen<br />
Vollzügen konkretisiert? Wie<br />
können zentrale Elemente, ja das Wesen<br />
christlichen Glaubens für eine<br />
Schülerschaft verständlich wer<strong>de</strong>n,<br />
für die die eigene Kirche eine „frem<strong>de</strong><br />
Heimat“ darstellt?<br />
Der christliche Glaube ist ja zunächst<br />
keine Lehre, son<strong>de</strong>rn eine Lebens-<br />
und Glaubens-Praxis <strong>de</strong>rer, die<br />
sich zu Jesus Christus bekennen. Diese<br />
wechselseitige Verschränkung von<br />
Glaubenswissen und Glaubenshan<strong>de</strong>ln<br />
spiegelt sich bereits im Wort „Katechese“<br />
wie<strong>de</strong>r: Es be<strong>de</strong>utet „Unterweisung“<br />
und „Mitteilung“. Die Geschichte christlicher<br />
Erziehung zeigt, wie sehr gera<strong>de</strong><br />
in <strong>de</strong>n ersten christlichen Jahrhun<strong>de</strong>rten<br />
bei<strong>de</strong> Aspekte beim Prozess „Christwer<strong>de</strong>n“<br />
verbun<strong>de</strong>n waren. Aber selbst<br />
auf <strong>de</strong>m Feld schulischen Religionsunterrichts,<br />
bei <strong>de</strong>m, wie eingangs vorgetragen<br />
wur<strong>de</strong>, zu Recht <strong>de</strong>r Aspekt <strong>de</strong>s<br />
reflektierten Umgangs mit Unterrichtsgegenstän<strong>de</strong>n<br />
dominiert, stellt<br />
sich die Frage, ob <strong>de</strong>r Gegenstand Religion<br />
überhaupt verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n<br />
kann, ohne auch die Glaubenspraxis<br />
auf eine noch zu klären<strong>de</strong> Weise ins<br />
Spiel zu bringen. Derzeit wächst die<br />
Sensibilität dafür, „dass die Vermittlung<br />
<strong>de</strong>s gelehrten Glaubens nicht ohne<br />
Bezug zum gelebten Glauben gelingen<br />
kann“ (Sekretariat <strong>de</strong>r Deutschen<br />
Bischofskonferenz 2005, 24).<br />
Religiöse Wirklichkeits<strong>de</strong>utung spiegelt<br />
sich in religiösen Vollzügen wi<strong>de</strong>r.<br />
Kann die Deutung auf einer rein kognitiven<br />
Ebene verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, ohne<br />
die Vollzüge auf irgen<strong>de</strong>ine Weise auch zu<br />
präsentieren o<strong>de</strong>r gar selbst zu erleben?<br />
© Mendl<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
BEITRÄGE<br />
29
BEITRÄGE<br />
30<br />
Diese Problemstellung wird vor<br />
allem am Beispiel religiöser Sprache<br />
<strong>de</strong>utlich, die in ihrer Anlage immer<br />
dialogisch (siehe oben: Gott im Vokativ)<br />
und handlungsorientiert geprägt<br />
ist: Mit einem Gebet, Segen, einem<br />
Lob-Psalm, einem Gelüb<strong>de</strong> wird eine<br />
bestimmte Art <strong>de</strong>r Wirklichkeits<strong>de</strong>utung<br />
und <strong>de</strong>s Gottesbezugs manifest:<br />
Es wird gebetet, gesegnet, etwas o<strong>de</strong>r<br />
jemand gelobt und etwas versprochen.<br />
Kann ich diese Sprechhandlungen<br />
begreifen, ohne diese Akte selbst<br />
schon einmal vollzogen zu haben?<br />
Theoretisch wird dieser Zusammenhang<br />
mit <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Ansätzen<br />
eines performativen Religionsunterrichts<br />
zu fassen versucht (vgl. Klie/<br />
Leonhardt). „How to do things with<br />
words“, lautet <strong>de</strong>r Originaltitel eines<br />
Werks von John Austin (1972): Beson<strong>de</strong>re<br />
Worte besitzen eine ihnen eigene<br />
Wirkmächtigkeit.<br />
Interessanterweise haben die Sprachphilosophen<br />
immer wie<strong>de</strong>r auf Beispiele<br />
aus <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>r Religion<br />
zurückgegriffen, um zu zeigen, dass<br />
Sprache mehr ist als nur Syntax und Semantik.<br />
Bestimmte sprachliche Äußerungen<br />
beinhalten immer auch in beson<strong>de</strong>ren<br />
Kommunikationssituationen<br />
schon einen Handlungsaspekt. Löse ich<br />
die Form vom Inhalt, wird <strong>de</strong>r Inhalt<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
ortlos: Man müsse dafür sorgen, dass<br />
Religion in Form bleibe. Darin zeige<br />
sich <strong>de</strong>r „Mehrwert von Religion“; die<br />
„Erschließung <strong>de</strong>r Christentums-Praxis<br />
kann sich nicht nur in diskursiver Sprache<br />
vollziehen, sie verlangt vielmehr<br />
nach szenischer und gestischer, leiblicher<br />
und räumlicher Darstellung“ (Klie/<br />
Leonhard 2003, 149). Weil nur so Religion<br />
erfahren und begriffen wer<strong>de</strong>n könne,<br />
müsse im Religionsunterricht „Religion<br />
als eine Kultur symbolischer Kommunikation<br />
Platz gewinnen“ (Dressler<br />
2002, 11). So besteht beispielsweise die<br />
Liturgie nicht nur aus einer Folge von<br />
Texten, sie ist selber ein komplexer<br />
„Text“, in <strong>de</strong>m aus Handlungs- und<br />
Textzusammenhängen ein Sinnkonstrukt<br />
gebil<strong>de</strong>t wird (vgl. Husmann/<br />
Klie 2005, 20f).<br />
Die Folge: Neue Präsentationsmodi<br />
Rudolf Englert folgert vom lernen<strong>de</strong>n<br />
Subjekt her: Die verän<strong>de</strong>rte Situation<br />
nach <strong>de</strong>m Traditionsabbruch erfor<strong>de</strong>re<br />
einen verän<strong>de</strong>rten Präsentationsmodus<br />
religiöser Ausdrucksformen (Englert<br />
2002, 33). Hans Schmid konkretisiert<br />
dies mit seiner For<strong>de</strong>rung, im Religionsunterricht<br />
müssten die dissoziativen<br />
(„re<strong>de</strong>n über“) mit assoziativen („re<strong>de</strong>n<br />
mit“) Elementen ergänzt wer<strong>de</strong>n<br />
© Mendl<br />
(Schmid 2003). Auf welche Art und<br />
Weise aber gera<strong>de</strong> handlungsbezogene<br />
Elemente didaktisch ins Spiel kommen<br />
müssen o<strong>de</strong>r dürfen, darüber schei<strong>de</strong>n<br />
sich nun die Geister. Umstritten ist beson<strong>de</strong>rs,<br />
inwieweit Schüler und Schülerinnen<br />
in diese für sie frem<strong>de</strong>n Erfahrungen<br />
selber einbezogen wer<strong>de</strong>n und<br />
welche Unmittelbarkeit diesen Erfahrungen<br />
zuerkannt wird. An einem Beispiel<br />
ver<strong>de</strong>utlicht: Wer nicht mit Kirchenräumen<br />
vertraut ist und noch nie in<br />
einer gotischen Kathedrale war, <strong>de</strong>r<br />
kann das mit diesem Kirchenbau verbun<strong>de</strong>ne<br />
Raumempfin<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>ssen<br />
theologische und spirituelle Be<strong>de</strong>utung<br />
über eine Grund- o<strong>de</strong>r Aufrissdarstellung<br />
aus einem Schulbuch nur begrenzt<br />
nachempfin<strong>de</strong>n. Reicht ein 3-D-Durchgang<br />
übers Internet o<strong>de</strong>r eine eindringliche<br />
perspektivische Erzählung aus?<br />
Die Befürworter eines performativen<br />
Konzepts sagen ein<strong>de</strong>utig: nein! Ein<br />
Kirchenraum, und sei es nur die Dorfkirche,<br />
müsse gera<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Schülerpopulation,<br />
die mehrheitlich nicht<br />
kirchlich sozialisiert ist, leibhaftig nach<br />
allen Regeln <strong>de</strong>r (kirchenraumpädagogischen)<br />
Kunst erfahren und erschlossen<br />
wer<strong>de</strong>n. Der Pädagoge Dietrich<br />
Benner bringt dies so auf <strong>de</strong>n Punkt:<br />
„Damit Welterfahrung und Menschenumgang<br />
unterrichtlich und schulisch<br />
erweitert wer<strong>de</strong>n können, bedarf es zunächst<br />
einmal grundlegen<strong>de</strong>r Welt- und<br />
Umgangserfahrungen. Wo diese Voraussetzung<br />
nicht durch vorschulische<br />
Erziehung und Sozialisation gesichert<br />
ist, muss sie zum Zwecke einer nachfolgen<strong>de</strong>n<br />
unterrichtlichen Unterweisung<br />
zunächst einmal künstlich mit<br />
Hilfe schulischer Erkundungen, Hospitationen,<br />
Exkursionen und Übungen<br />
gesichert und gestiftet wer<strong>de</strong>n“ (Benner<br />
2004, 30). In curricularer Zeit wur<strong>de</strong><br />
in <strong>de</strong>n Hintergrund gedrängt, dass<br />
seit Herbart die mo<strong>de</strong>rne öffentliche<br />
Schule eine doppelte Zweckbestimmung<br />
hat: nicht nur eine Welt<strong>de</strong>utung,<br />
son<strong>de</strong>rn auch die Fähigkeit zum Umgang<br />
mit Welt. Deshalb muss heute die<br />
Fähigkeit zur Deutung <strong>de</strong>r Welt ergänzt<br />
wer<strong>de</strong>n mit einer Partizipationskompetenz,<br />
weil nur auf diese Weise
das Wissen durch Erfahrung erweitert<br />
wird. An<strong>de</strong>rerseits muss aber – auch<br />
das ist wichtig! – durch die Reflexion<br />
im Gegenzug ein tieferes Verständnis<br />
<strong>de</strong>s eigenen und frem<strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>lns ermöglicht<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Praxis:<br />
Inszenierungsfel<strong>de</strong>r eines<br />
performativen Religionsunterrichts<br />
Religionsunterricht heute muss in<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit Lerngegenstän<strong>de</strong>n<br />
subjekt-, erfahrungs- und prozessorientiert<br />
angelegt sein (vgl. Mendl<br />
2004, 38-41). Das Fach soll „in Religion“<br />
einführen und darf nicht auf einen<br />
Unterricht „über Religion“ beschränkt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Von dieser wechselseitigen Grunddynamik<br />
her muss <strong>de</strong>r verwen<strong>de</strong>te Erfahrungsbegriff<br />
noch kurz erläutert<br />
wer<strong>de</strong>n: Wenn Religionsunterricht in<br />
<strong>de</strong>n folgend genannten Teilgebieten inszeniert<br />
wird, ermöglicht dies <strong>de</strong>n Schülern<br />
und Schülerinnen zunächst einmal<br />
eine Teilhabe an frem<strong>de</strong>n Erfahrungswelten.<br />
Von einem konstruktivistischen<br />
Ansatz her han<strong>de</strong>lt es sich für die Mehrzahl<br />
<strong>de</strong>r Kirchenfernen um ein Perturbations-Ereignis<br />
(vgl. Mendl 2005a):<br />
die Konfrontation – und zwar nicht nur<br />
auf diskursive Art – mit einer für sie<br />
frem<strong>de</strong>n Art <strong>de</strong>s Welterlebens und <strong>de</strong>r<br />
Welt<strong>de</strong>utung, die im Rahmen mitgebrachter<br />
Deutungsstrukturen auf Attraktivität<br />
und Plausibilität hin überprüft<br />
wer<strong>de</strong>n muss. Um die reflexive<br />
Verarbeitung solcher Konfrontationsprozesse<br />
zu vertiefen, sind ausdrucksund<br />
kommunikationsför<strong>de</strong>rliche Metho<strong>de</strong>n<br />
so be<strong>de</strong>utsam (Grundduktus:<br />
Eindruck – Ausdruck – Austausch; vgl.<br />
Mendl 2005a, 36f). Ob sich solche einzelnen<br />
Erlebnisse als punktuelle Kontaktpunkte<br />
mit erlebter Religion zu eigenen<br />
Erfahrungen verdichten, hängt<br />
auch davon ab, wie sehr es <strong>de</strong>n Lehren<strong>de</strong>n<br />
gelingt, <strong>de</strong>n diesen Frem<strong>de</strong>rfahrungen<br />
zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Modus religiöser<br />
Welt<strong>de</strong>utung herauszuarbeiten und<br />
über die Einzelerlebnisse hinaus so zu<br />
verknüpfen, dass die Lernen<strong>de</strong>n eine<br />
stabile Matrix <strong>de</strong>s speziellen Zugriffs<br />
von Religion auf Wirklichkeit hin erkennen,<br />
verstehen und individuell transformieren<br />
und internalisieren können.<br />
Einige <strong>de</strong>r vielfältigen Fel<strong>de</strong>r, in<br />
<strong>de</strong>nen ein diskursives „Re<strong>de</strong>n über<br />
Religion“ durch „Erfahrungen in Religion“<br />
nicht ersetzt, son<strong>de</strong>rn ergänzt<br />
und vertieft wer<strong>de</strong>n können, sollen im<br />
Folgen<strong>de</strong>n ange<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n (vgl. etwas<br />
breiter erläutert: Mendl 2005b;<br />
2006):<br />
– nicht nur „über“ Religion sprechen,<br />
son<strong>de</strong>rn das Fach so konzipieren,<br />
dass Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche mit ihren<br />
Fragen und Bedürfnissen im<br />
Mittelpunkt stehen;<br />
– nicht nur „über“ Gemein<strong>de</strong> und Gemeinschaft<br />
etc. sprechen, son<strong>de</strong>rn<br />
Gemeinschaft auf jugendgemäße<br />
Weise inszenieren;<br />
– nicht nur „über“ Moral diskutieren,<br />
son<strong>de</strong>rn ethisches Verhalten einüben;<br />
– nicht nur „über“ Kirchen nach<strong>de</strong>nken,<br />
son<strong>de</strong>rn in Kirchen Haltungen,<br />
Lie<strong>de</strong>r, Riten ausprobieren;<br />
– nicht nur „über“ Meditation re<strong>de</strong>n,<br />
son<strong>de</strong>rn meditative Elemente erproben;<br />
– nicht nur „über“ Gebet und Liturgie<br />
sprechen, son<strong>de</strong>rn zum experimentellen<br />
Beten und liturgischen Han<strong>de</strong>ln<br />
anleiten und diese Erfahrung<br />
auch reflektieren;<br />
Foto: En<strong>de</strong>rs<br />
– nicht nur „über“ biblische Texte<br />
sprechen, son<strong>de</strong>rn sich von <strong>de</strong>n<br />
biblischen Erzählern in Geschichten<br />
verwickeln lassen, sie zu Spiegelungsfolien<br />
und Resonanzräumen<br />
für eigene Erfahrungen wer<strong>de</strong>n<br />
lassen;<br />
– nicht nur „über“ religiöse Kunstwerke<br />
re<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn selbst <strong>de</strong>m<br />
Glauben einen künstlerischen Ausdruck<br />
verleihen;<br />
– nicht nur etwas „über“ an<strong>de</strong>re Religionen<br />
kennenlernen, son<strong>de</strong>rn<br />
Menschen einer an<strong>de</strong>ren Religion<br />
begegnen;<br />
– nicht nur „über“ Sakramente und<br />
ihre Symbole und Symbolhandlungen<br />
sprechen, son<strong>de</strong>rn die heilsame<br />
Be<strong>de</strong>utung ritueller Handlungen („to<br />
do things with words“) erspüren;<br />
– sich nicht nur „über“ Mönche, an<strong>de</strong>re<br />
exotische Christen o<strong>de</strong>r local<br />
heroes wun<strong>de</strong>rn, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r<br />
Begegnung Nähe und Distanz<br />
spüren;<br />
– nicht nur „über“ vergangene Geschichte<br />
etwas nachlesen, son<strong>de</strong>rn<br />
Erinnerungsorte aufsuchen.<br />
Je<strong>de</strong>s einzelne dieser Fel<strong>de</strong>r müsste,<br />
ähnlich wie es oben für <strong>de</strong>n Bereich<br />
<strong>de</strong>r Kirchenraum-Erfahrung ange<strong>de</strong>utet<br />
wur<strong>de</strong>, daraufhin durchbuchstabiert<br />
wer<strong>de</strong>n, inwiefern ein inszenieren<strong>de</strong>s<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
BEITRÄGE<br />
31
BEITRÄGE<br />
32<br />
Element einen unverzichtbaren „Mehr-<br />
Wert“ für das Verstehen <strong>de</strong>s jeweiligen<br />
Gegenstands darstellt.<br />
Bei Diskussionen über Chancen<br />
und Grenzen eines performativ erweiterten<br />
Religionsunterrichts stellt sich<br />
heraus, dass von Kritikern inszenieren<strong>de</strong>s<br />
Han<strong>de</strong>ln beson<strong>de</strong>rs im Bereich von<br />
Liturgie und Gebet als problematisch<br />
erachtet wird – und zwar von zwei Blickwinkeln<br />
aus: Religiöse Rituale, Gebete<br />
und liturgische Handlungen könnten<br />
nur in einem Referenzrahmen <strong>de</strong>r<br />
freien Zustimmung und <strong>de</strong>r subjektivexistentiellen<br />
Bejahung vollzogen wer<strong>de</strong>n;<br />
dafür sei <strong>de</strong>r schulische Unterricht<br />
nicht <strong>de</strong>r richtige Ort. Verweist man,<br />
wie unten noch geschehen wird, darauf,<br />
dass solche inszenieren<strong>de</strong>n Elemente<br />
selbstverständlich „nur“ <strong>de</strong>n Charakter<br />
von Probehandlungen hätten,<br />
dann kommt von <strong>de</strong>r Sachebene her <strong>de</strong>r<br />
Einwand, dass ein solches „Ausprobieren“<br />
wie<strong>de</strong>rum <strong>de</strong>r Ernsthaftigkeit <strong>de</strong>s<br />
Gegenstands Gebet und Liturgie nicht<br />
angemessen sei. Deshalb muss abschließend<br />
die Frage nach <strong>de</strong>r Grenzziehung<br />
gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Grenzziehung:<br />
Wie viel Religion darf sein?<br />
Die breite Palette <strong>de</strong>r dargestellten<br />
Handlungsmöglichkeiten mag <strong>de</strong>n einen<br />
faszinieren, <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rn aber abschrecken:<br />
Überfor<strong>de</strong>rt das nicht <strong>de</strong>n<br />
normalen Unterricht? Man sollte Realist<br />
bleiben und die kontextuellen Grenzen<br />
<strong>de</strong>r Institution Schule anerkennen.<br />
Viele <strong>de</strong>r beschriebenen Möglichkeiten<br />
wür<strong>de</strong>n besser organisiert wer<strong>de</strong>n können,<br />
wenn wir „Schule neu <strong>de</strong>nken“<br />
(von Hentig 2004) wür<strong>de</strong>n. Solange<br />
dies nicht <strong>de</strong>r Fall ist, müssen im Rahmen<br />
<strong>de</strong>r gegebenen Möglichkeiten<br />
Grenzen ausgelotet und Handlungsfel<strong>de</strong>r<br />
aufgetan wer<strong>de</strong>n. Diese wer<strong>de</strong>n in<br />
beson<strong>de</strong>rem Maße im außerunterrichtlichen<br />
Rahmen (Maßnahmen <strong>de</strong>r Schulpastoral,<br />
Projekte) und bei evozieren<strong>de</strong>n<br />
Situationen (z.B. „wenn <strong>de</strong>r Tod in<br />
die Schule einbricht“) bereits jetzt<br />
schon genutzt wer<strong>de</strong>n. Doch die Anfrage<br />
ist prinzipieller Natur und bezieht<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
sich vor allem auf das Kerngeschäft im<br />
Religionsunterricht selbst: Passt hier<br />
<strong>de</strong>r Begriff „Inszenierung“? Und wie<br />
viel Religion darf sein?<br />
Inszenierung –<br />
ein umstrittener Begriff<br />
Mehrmals in diesem Beitrag wur<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Begriff „Inszenierung von Religion“<br />
verwen<strong>de</strong>t. Er provoziert vielleicht.<br />
Kann man Religion o<strong>de</strong>r gar<br />
Glaube inszenieren? Theologisch lautet<br />
die Antwort ein<strong>de</strong>utig „nein“. Die<br />
gläubige Antwort <strong>de</strong>s Menschen auf<br />
das vorausgehen<strong>de</strong> Heilsangebot Gottes<br />
lässt sich nicht produzieren, schon<br />
gar nicht außengesteuert und im Kontext<br />
eines verpflichten<strong>de</strong>n schulischen<br />
Religionsunterrichts. Aber Lehren<strong>de</strong><br />
können durchaus Lernumgebungen<br />
schaffen, in <strong>de</strong>nen die Sensibilität für<br />
und die Plausibilität und I<strong>de</strong>ntität von<br />
Religion geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n kann, wo<br />
Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche durch die Teilhabe<br />
an für sie frem<strong>de</strong>n Erfahrungen<br />
Geschmack fin<strong>de</strong>n an Religion.<br />
Der Begriff <strong>de</strong>r „Inszenierung“ will<br />
aber auch einen weiteren Aspekt zum<br />
Ausdruck bringen: Je<strong>de</strong> Form von Erfahrungs-Ermöglichung<br />
im Religionsunterricht<br />
trägt <strong>de</strong>n Charakter eines<br />
spielerischen Probehan<strong>de</strong>lns. Das Spiel<br />
ist etwas sehr Ernstes und Regelhaftes,<br />
es ist emotional geprägt und kommunikativ<br />
ausgehan<strong>de</strong>lt, hat an<strong>de</strong>rerseits aber<br />
seinen begrenzten Raum und seine begrenzte<br />
Zeit. Damit unterschei<strong>de</strong>t sich<br />
die „Inszenierung von Religion“ auch<br />
von Katechese: Der Respekt vor an<strong>de</strong>ren<br />
existentiellen und lebensgeschichtlichen<br />
Entscheidungen verbietet es, über<br />
<strong>de</strong>n Unterricht hinausreichen<strong>de</strong> Konsequenzen<br />
„in Sachen Religion“ verbindlich<br />
vorzuschreiben. Es han<strong>de</strong>lt sich also<br />
bei allen Formen <strong>de</strong>r Inszenierung<br />
von Religion um ernsthafte, aber unverbindliche<br />
Tastversuche, ein Kennenlernen<br />
<strong>de</strong>r Konkretionen von Religion,<br />
die für viele Schüler und Schülerinnen<br />
eine frem<strong>de</strong> Welt darstellen. Auf<br />
einla<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Weise soll Religionsunterricht<br />
„Sinn und Geschmack fürs Unendliche“<br />
(Schleiermacher) wecken.<br />
Grenzüberschreitungen?<br />
Trotz<strong>de</strong>m nochmals die Rückfrage:<br />
Schaut man die möglichen Handlungsfel<strong>de</strong>r<br />
genauer an, so beschleicht vielleicht<br />
doch beim einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
Bereich Unbehagen. Darf man tatsächlich<br />
Schüler und Schülerinnen zu so etwas<br />
veranlassen? Ist das nicht zu vereinnahmend<br />
und zu manipulativ?<br />
Nebenbei bemerkt: Kein Sportlehrer,<br />
Musiklehrer, keine Handarbeits- o<strong>de</strong>r<br />
Englischlehrerin wür<strong>de</strong> auf ihr Fach<br />
bezogen diese Anfrage verstehen. Schule<br />
versteht sich als verpflichten<strong>de</strong> Veranstaltung<br />
für alle Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen,<br />
zumin<strong>de</strong>st im schulpflichtigen<br />
Alter. In diesem gesellschaftlichen<br />
„Zwangsaggregat“ wer<strong>de</strong>n Schüler und<br />
Schülerinnen immer auch zu Erfahrungen<br />
motiviert, veranlasst, gezwungen,<br />
die sie möglicherweise freiwillig nicht<br />
angehen wür<strong>de</strong>n.<br />
Lernen be<strong>de</strong>utet immer: über die<br />
Konfrontation mit neuen Wissensdomänen<br />
herausgefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n und eigene<br />
Weltkonstruktionen im Kleinen<br />
und Großen transformieren. Schule nötigt<br />
Schülern und Schülerinnen Erfahrungen<br />
auf, die Erwachsene für sinnvoll<br />
erachten. Das sehen im Konkreten<br />
die betroffenen Schüler und Schülerinnen<br />
ganz an<strong>de</strong>rs: Der pummelige Tobias<br />
muss über <strong>de</strong>n Kasten springen, die<br />
handwerklich ungeschickte Sarah etwas<br />
zusammenkleben o<strong>de</strong>r gar häkeln,<br />
die unmusikalische Corinna singen, <strong>de</strong>r<br />
coole Jonathan bei einem Erlebnisaufsatz<br />
über Gefühle schreiben.<br />
Von dieser Perspektive aus betrachtet<br />
bin ich zunehmend selbstkritisch, ob<br />
nicht im Religionsunterricht häufig zu<br />
<strong>de</strong>fensiv argumentiert wird, wenn es<br />
darum geht, Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen<br />
frem<strong>de</strong> Erfahrungen zuzumuten.<br />
Grenzziehungen<br />
Dennoch halte ich es angesichts <strong>de</strong>r<br />
historischen Altlasten für sinnvoll, nach<br />
Entlastungs-Argumenten Ausschau zu<br />
halten, um <strong>de</strong>n Verdacht eines Rückfalls<br />
in überwun<strong>de</strong>ne katechetisch eng<br />
geführte Zeiten im Religionsunterricht
auszuräumen: Probeaufenthalte in religiösen<br />
Welten beinhalten immer auch<br />
Fremdheitserfahrungen (Klie/Leonhard<br />
2003, 149). Einige Schüler wer<strong>de</strong>n<br />
sich nach <strong>de</strong>m Ausprobieren ein<strong>de</strong>utig<br />
positionieren („das ist nichts für<br />
mich“), an<strong>de</strong>re fin<strong>de</strong>n vielleicht daran<br />
Geschmack. In einer Mittelstufenklasse<br />
wur<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>m ersten Hören eines<br />
Taizé-Lieds beispielsweise spontan geäußert:<br />
„auf eine solche Musik wären<br />
wir nicht so aus“; nach <strong>de</strong>r meditativen<br />
Erfahrung <strong>de</strong>r Taizé-Spiritualität über<br />
eine Unterrichtsstun<strong>de</strong> hinweg äußerten<br />
immerhin einige Schüler: „<strong>de</strong>s woar<br />
goa ned so schlecht“ – in <strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>rbayerischen<br />
Sprachform ist das schon<br />
fast ein Superlativ!<br />
Es han<strong>de</strong>lt sich bei performativen<br />
Lernformen um ein Probehan<strong>de</strong>ln<br />
„auf Zeit“. Schüler und Schülerinnen<br />
sollen etwas ausprobieren aus <strong>de</strong>m Angebot<br />
christlicher Tradition, sie sollen<br />
sich auf neue Erfahrungen einlassen,<br />
ohne dass daraus eine dauerhafte existentielle<br />
Haltung wer<strong>de</strong>n muss. Auch<br />
dieser Ansatz unterschei<strong>de</strong>t sich nicht<br />
von an<strong>de</strong>ren Fächern: Man mutet Kin<strong>de</strong>rn<br />
und Jugendlichen zu, dass sie im<br />
Sportunterricht turnen, im Musikunterricht<br />
singen, sich im Kunstunterricht<br />
künstlerisch betätigen, in Deutsch einen<br />
Aufsatz schreiben und in englischer<br />
Sprache Konversation betreiben,<br />
ohne dass sie Leistungssportler, Sänger,<br />
Künstler, Journalist o<strong>de</strong>r Übersetzer<br />
wer<strong>de</strong>n müssten.<br />
Wenn im Unterricht dissoziative<br />
mit assoziativen Elementen ergänzt<br />
wer<strong>de</strong>n (Schmid 2003), dann geschieht<br />
dies also auf experimentelle<br />
Weise, gelegentlich sehr sprunghaft<br />
und zumeist punktuell. Außer<strong>de</strong>m<br />
sollte das Erfahrungsangebot breit genug<br />
sein, um individuelle Füllungen<br />
vorzunehmen. Man nennt das ein Arbeiten<br />
mit „offenen Strukturen“. Um<br />
es an einem Beispiel anzu<strong>de</strong>uten: Wenn<br />
Kin<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Jugendliche beispielsweise<br />
nach <strong>de</strong>r Tsunami-Katastrophe über<br />
die Theodizee-Frage nach<strong>de</strong>nken, wieso<br />
dies Gott zugelassen habe, und ihr<br />
Nach<strong>de</strong>nken in eine Gebetsform bringen<br />
sollen, dann können bei solchen<br />
Prozessen Bittgebete für die Verstorbenen<br />
o<strong>de</strong>r ihre Angehörigen, Anfragen<br />
an Gott o<strong>de</strong>r eigene Ratlosigkeit zum<br />
Ausdruck kommen. Wenn im Rahmen<br />
solcher Unterrichtsvorhaben bei manchen<br />
Schülern und Schülerinnen <strong>de</strong>r<br />
Zweifel aufkommt, ob es diesen Gott<br />
überhaupt gibt, dann ist das ebenfalls in<br />
Ordnung. Insgesamt!<br />
Dabei erscheint mir eine Differenzierung<br />
notwendig zu sein: Das Argument<br />
<strong>de</strong>s punktuellen Probehan<strong>de</strong>lns<br />
bezieht sich darauf, dass wir von Schülern<br />
und Schülerinnen keine außerunterrichtlichen<br />
Konsequenzen einfor<strong>de</strong>rn<br />
dürfen. Das darf nicht mit einer „touchand-go“-Pädagogik<br />
verwechselt wer<strong>de</strong>n;<br />
selbstverständlich sollen religiöse<br />
Einzelerfahrungen zu einer „spezifischen<br />
Domäne menschlichen Wissens“<br />
(Englert 2006, 10), welche <strong>de</strong>r eigenständige<br />
religiöse Zugang zur Wirklichkeit<br />
darstellt, verknüpft wer<strong>de</strong>n.<br />
Wenn wir davon sprechen, man<br />
müsse „Religion inszenieren und reflektieren“<br />
o<strong>de</strong>r die Partizipationskompetenz<br />
müsse die Deutekompetenz ergänzen,<br />
so sind jeweils bei<strong>de</strong> Pole als<br />
gleich wichtig zu erachten. Religionsunterricht<br />
ist als or<strong>de</strong>ntliches Unterrichtsfach<br />
immer auch Unterricht „über“<br />
Religion. Deshalb erscheint mir in <strong>de</strong>r<br />
obigen Auflistung von Handlungsmöglichkeiten<br />
die Doppelpoligkeit „nicht<br />
nur“ – „son<strong>de</strong>rn auch“ so be<strong>de</strong>utsam zu<br />
sein. Das Anliegen eines erfahrungsorientierten<br />
Religionsunterrichts wür<strong>de</strong><br />
missverstan<strong>de</strong>n, wenn man dabei völlig<br />
auf diskursive und kommunikative Akte<br />
verzichten wür<strong>de</strong>. Auch um <strong>de</strong>n Vorwurf<br />
<strong>de</strong>r Grenzüberschreitung zu entkräften,<br />
scheint es mir wichtig zu sein,<br />
darauf zu verweisen, dass im Religionsunterricht<br />
keine religiöse Erfahrung ermöglicht<br />
wer<strong>de</strong>n darf, die nicht zugleich<br />
auch einer Reflexion unterzogen wird,<br />
weil damit eine Distanz zur Erfahrung<br />
möglich wird (vgl. Meyer-Blanck 2000,<br />
358). „Was macht das mit mir?“, könnte<br />
eine Grundformel für alle sozialen, meditativen,<br />
liturgischen o<strong>de</strong>r existentiellen<br />
Erfahrungen sein. Durch solche Akte<br />
einer distanzierten Reflexion, Meta-<br />
Kommunikation und <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Austausch in <strong>de</strong>r Lerngruppe wer<strong>de</strong>n<br />
Schüler und Schülerinnen entscheidungsfähig,<br />
handlungsmächtig und religiös<br />
dialogfähig, ent<strong>de</strong>cken die Qualität<br />
eines probehaften Zugriffs auf frem<strong>de</strong><br />
Religion, fin<strong>de</strong>n Geschmack o<strong>de</strong>r entschei<strong>de</strong>n<br />
sich gegen bestimmte Riten,<br />
Mo<strong>de</strong>lle, Praktiken. Wir la<strong>de</strong>n zu einer<br />
Praxis ein, <strong>de</strong>ren nachhaltige Praktizierung<br />
selbstverständlich nicht vorgeschrieben<br />
wer<strong>de</strong>n kann! Man kann hier<br />
vom respektvollen und zugleich entschie<strong>de</strong>nen<br />
Umgang <strong>de</strong>r französischen<br />
Bischöfe mit <strong>de</strong>r Postmo<strong>de</strong>rne lernen,<br />
die in ihrem berühmten Brief aus <strong>de</strong>m<br />
Jahre 1996 <strong>de</strong>r Kirche in ihrer säkularen<br />
Gesellschaft Mut zusprechen, <strong>de</strong>n Glauben<br />
vorzuschlagen.<br />
Der Verdacht, ein solches Plädoyer<br />
für einen performativen Religionsunterricht<br />
be<strong>de</strong>ute einen Rückfall in eine<br />
zu Recht kritisierte vereinnahmen<strong>de</strong><br />
missionarischer Katechese, kann auch<br />
mit einem Verweis auf die grundlegen<strong>de</strong><br />
Lerntheorie <strong>de</strong>s Konstruktivismus ausgeräumt<br />
wer<strong>de</strong>n (vgl. Mendl 2005a):<br />
Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Respekt vor <strong>de</strong>r Selbst-<br />
Konstruktion jeglicher Lernen<strong>de</strong>r, die<br />
aus einer postmo<strong>de</strong>rnen Palette von<br />
Sinn<strong>de</strong>utungen Leben und Glauben<br />
konstruieren, ermöglicht es, selbstbewusst<br />
und entschie<strong>de</strong>n „<strong>de</strong>n Glauben<br />
vorzuschlagen“ (Brief <strong>de</strong>r französischen<br />
Bischöfe 1996; vgl. Sekretariat<br />
<strong>de</strong>r Deutschen Bischofskonferenz 2000)<br />
und zum Ausprobieren und Reflektieren<br />
Didaktische Beispiele zur Performanz im Religionsunterricht<br />
sind aus <strong>de</strong>m Internet zubeziehen: www.ifrr.<strong>de</strong><br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
BEITRÄGE<br />
33
BEITRÄGE<br />
34<br />
<strong>de</strong>r Schätze christlicher Tradition einzula<strong>de</strong>n.<br />
Ein solcher Ansatz kann entlasten,<br />
weil er zwei Perspektiven verbin<strong>de</strong>t:<br />
eine „starke“ Mystagogie, um zu<br />
ver<strong>de</strong>utlichen „wie katholisch geht“<br />
(vgl. Nordhofen 2006) – mit Selbstbewusstsein<br />
und einla<strong>de</strong>nd vorgetragen,<br />
und gleichzeitig <strong>de</strong>n Respekt <strong>de</strong>n Schülern<br />
und Schülerinnen und ihren je eigenen<br />
Konstruktionsprozessen gegenüber.<br />
Der Geschmack:<br />
Das Auskosten <strong>de</strong>r Dinge von innen<br />
(Ignatius von Loyola)<br />
Ein Wahlspruch, <strong>de</strong>r die Notwendigkeit<br />
einer Inszenierung von Religion<br />
untermauert, könnte ein Satz aus<br />
<strong>de</strong>m Exerzitien-Büchlein von Ignatius<br />
von Loyola (1491-1556) be<strong>de</strong>uten:<br />
„Nicht das Vielwissen sättigt die Seele<br />
und gibt ihr Genüge, son<strong>de</strong>rn das Fühlen<br />
und Kosten <strong>de</strong>r Dinge von innen“<br />
(Ignatius von Loyola 1956, 7). In diesem<br />
Sinne möchte ich zu einem Mut zu<br />
verantwortungsvollen Inszenierungen<br />
im Religionsunterricht ermuntern!<br />
Prof. Dr. Hans Mendl ist Professor für<br />
Religionspädagogik und Didaktik <strong>de</strong>s<br />
Religionsunterrichts <strong>de</strong>r Universität<br />
Passau.<br />
Literatur:<br />
Austin, John L. (1972): Zur Theorie <strong>de</strong>r Sprechakte (How<br />
to do things with words), Stuttgart.<br />
Benner, Dietrich (2004): Bildungsstandards und Qualitätssicherung<br />
im Religionsunterricht, in: Theo-web. Zeitschrift<br />
für Religionspädagogik 3. Heft 2, 22-36.<br />
Dressler, Bernhard (2002): Darstellung und Mitteilung.<br />
Religionsdidaktik nach <strong>de</strong>m Traditionsabbruch, in: rhs<br />
45, 11-19.<br />
Englert, Rudolf: Die Korrelationsdidaktik am Ausgang<br />
ihrer Epoche. Plädoyer für einen ehrenhaften Abgang,<br />
in: Hilger, Georg/Reilly, George (Hg.): Religionsunterricht<br />
im Abseits? Das Spannungsfeld Jugend – Schule – Religion<br />
– München. 1993. 97-110.<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
Englert, Rudolf (2002): Performativer Religionsunterricht?<br />
Anmerkungen zu <strong>de</strong>n Ansätzen von Schmid,<br />
Dressler und Schoberth, in: rhs 45, 32-36.<br />
Englert, Rudolf (2006): Religion reflektieren – nötiger<br />
<strong>de</strong>nn je, in: Kirche und Schule. Mitteilungen <strong>de</strong>r Hauptabteilung<br />
Schule und Erziehung im Bischöflichen Generalvikariat<br />
Münster für Religionslehrer/-innen, Schulseelsorger/-innen<br />
an katholischen Schulen 33, Nr. 139, 9-14.<br />
Hentig, Hartmut von (2004): Die Schule neu <strong>de</strong>nken. Eine<br />
Übung in praktischer Vernunft – Weinheim.<br />
Husmann, Bärbel/Klie, Thomas (2005): Gestalteter Glaube.<br />
Liturgisches Lernen in Schule und Gemein<strong>de</strong> – Göttingen.<br />
Ignatius von Loyola (1956): Die Exerzitien. Übertragen<br />
von Hans Urs von Balthasar – Einsie<strong>de</strong>ln.<br />
Klie, Thomas/Leonhard, Silke (Hg.) (2003): Schauplatz<br />
Religion. Grundzüge einer Performativen Religionspädagogik<br />
– Leipzig.<br />
Kliemann, Peter/Rupp, Hartmut (Hg.) (2000): 1000 Stun<strong>de</strong>n<br />
Religion. Wie junge Erwachsene <strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />
erleben – Stuttgart.<br />
Mendl, Hans (2003): Religiöses Wissen – was, wie und<br />
für wen?, in: KatBl 128, 318-325.<br />
Mendl, Hans (2004): Im Mittelpunkt <strong>de</strong>r Mensch. Prinzipien,<br />
Möglichkeiten und Grenzen eines schülerorientierten<br />
Religionsunterrichts – Winzer.<br />
Mendl, Hans (Hg.) (2005a): Konstruktivistische Religionspädagogik<br />
– Münster.<br />
Mendl, Hans (2005b): Mehr als Re<strong>de</strong>n über Religion. Die<br />
Be<strong>de</strong>utung eines performativen Religionsunterrichts, in:<br />
Bischöfliches Ordinariat Passau. Hauptabteilung Schulen<br />
und Hochschule (Hg.), Prisma RU. Impulse für <strong>de</strong>n<br />
Religionsunterricht – Passau. 4-16.<br />
Mendl, Hans (2006): Religionsunterricht inszenieren<br />
und reflektieren. Plädoyer für einen Religionsunterricht,<br />
<strong>de</strong>r mehr ist als „re<strong>de</strong>n über Religion“, in: Rendle, Ludwig<br />
(Hg.): Mehr als re<strong>de</strong>n über Religion. 1. Arbeitsforum Religionspädagogik<br />
21. bis 23. März 2006. Dokumentation<br />
– Donauwörth. 10-41.<br />
Mendl, Hans (2007): Wieviel Annäherung ist gefragt? Einige<br />
Thesen zu notwendigen und problematischen Konvergenzbewegungen<br />
heute. in: KatBl 132 (2007), Heft 2, 92-94.<br />
Meyer-Blanck, Michael (2000): Liturgie und Ritual.<br />
Kirchlicher Gottesdienst o<strong>de</strong>r Inszenierung von Religion<br />
durch Jugendliche? Neue Wahrnehmungs-, Gestaltungs-<br />
und Handlungsaufgaben für <strong>de</strong>n Religionsunterricht,<br />
in: Groß, Engelbert/König, Klaus (Hg.):<br />
Religiöses Lernen <strong>de</strong>r Kirchen im globalen Dialog.<br />
Weltweit akute Herausfor<strong>de</strong>rungen und Praxis einer<br />
Weggemeinschaft für Eine-Welt-Religionspädagogik<br />
– Münster, 349-358.<br />
Nordhofen, Ekkhard (2006): So geht Katholisch. Ein Plädoyer<br />
für starke Mystagogie, in: Internationale Zeitschrift<br />
Communio 35, 224-230.<br />
Der Religionsunterricht in <strong>de</strong>r Schule (1976), in: Gemeinsame<br />
Syno<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Bistümer in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland. Beschlüsse, Offizielle Gesamtausgabe I –<br />
Freiburg u.a. 4. A., 113-152.<br />
Schmid, Hans (2003): Assoziation und Dissoziation als<br />
Grundmomente religiöser Bildung. Zur Frage nach <strong>de</strong>m<br />
‚Wozu’ religiöser Bildung heute, in: Religionspädagogische<br />
Beiträge 50, 49-57.<br />
Sekretariat <strong>de</strong>r Deutschen Bischofskonferenz (2000):<br />
Den Glauben anbieten in <strong>de</strong>r heutigen Gesellschaft.<br />
Brief an die Katholiken Frankreichs von 1996 – Bonn.<br />
Sekretariat <strong>de</strong>r Deutschen Bischofskonferenz (Hg.)<br />
(2005): Der Religionsunterricht vor neuen Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />
– Bonn.<br />
Veröffentlichungen von Prof. Dr. Hans Mendl:<br />
Mendl, Hans: Literatur als Spiegel christlichen Lebens.<br />
Religiöse Kin<strong>de</strong>r- und Jugen<strong>de</strong>rzählungen katholischer<br />
Autoren von 1750-1850 (Studien zur praktischen Theologie).<br />
– St. Ottilien: EOS Verlag. 1995. 460 S. (ISBN 798-<br />
3-88096-724-3)<br />
Mendl, Hans: Im Mittelpunkt <strong>de</strong>r Mensch. Prinzipen,<br />
Möglichkeiten und Grenzen eines schülerorientierten<br />
Religionsunterrichts. – Winzer: Verlag J. Duschl. 2004.<br />
126 S., 17 schw.-w. Abb., 7 schw.-w. Tab., 20 schw.-w. Fotos,<br />
11 schw.-w. Zeichn. (ISBN 978-3-937438-13-9)<br />
Mendl, Hans: Lernen an (ausser-)gewöhnlichen Biografien.<br />
Religionspädagogische Anregungen für die<br />
Unterrichtspraxis. – Donauwörth: Auer Verlag. 2005.<br />
272 S. (ISBN 978-3-403-04365-2)<br />
Mendl, Hans: Wie viel Annäherung ist gefragt? Einige<br />
Thesen zu notwendigen und problematischen Konvergenzbewegungen<br />
heute. In.: Katechetische Blätter, 132<br />
(2007), Heft 2, S. 92 - 94<br />
Mendl, Hans (Hg.): Religionslehrer/-innen-Bildung (Reihe<br />
Netzwerk). – Donauwörth: Auer Verlag. 2002. 200 S.<br />
(ISBN 978-3-403-03701-9)<br />
Mendl, Hans (Hg.): Konstruktivistische Religiomspädagogik<br />
(Religionsdidaktik konkret). – Münster u.a.: LIT<br />
Verlag. 2005. 256 S. (ISBN 978-3-8258-8530-4)<br />
Mendl, Hans/Schwienhorst-Schönberger, Ludger/Stinglhammer,<br />
Hermann: Wo war Gott, als er nicht da war?<br />
(Glauben und Leben). – Münster u.a.: LIT Verlag. 2006.<br />
104 S. (ISBN 978-3-8258-9196-1)<br />
Gruber, Bernhard/Mendl, Hans: Zivilcourage im Dritten<br />
Reich! Und heute? Lernzirkel für <strong>de</strong>n Religions-, Geschichts-<br />
und Ethik-Unterricht <strong>de</strong>r Klassen 8-11. – Donauwörth:<br />
Auer Verlag. 2000. 80 S., Kopiervorlagen<br />
(ISBN 978-3-403-03230-4)<br />
Ziebert, Hans G./Heil, Stefan/Mendl, Hans/Simon, Werner:<br />
Religionslehrerbildung an <strong>de</strong>r Universität. Profession<br />
– Religion – Habitus (Forum Theologie und Pädagogik).<br />
– Münster u.a.: LIT Verlag. 2004. 168 S., Abb. (ISBN<br />
978-3-8258-8215-9)
Beobachten, wie die Bibel die Welt beobachtet.<br />
Der Religionsunterricht eines<br />
differenzbewussten Christentums*<br />
Am Religionsunterricht als einer<br />
Schnittstelle zwischen <strong>de</strong>m Kommunikationssystem<br />
Christentum und seiner<br />
gesellschaftlichen Umwelt wer<strong>de</strong>n die<br />
Probleme <strong>de</strong>s Christentums, sich von<br />
seiner Umwelt zu unterschei<strong>de</strong>n und<br />
sich zu ihr in ein Verhältnis zu setzen,<br />
so recht <strong>de</strong>utlich. Freilich können die<br />
Probleme im Religionsunterricht selbst<br />
eine Zeitlang verborgen bleiben, wenn<br />
man <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Religion so unscharf<br />
lässt, dass er alles Mögliche umfasst.<br />
Behoben wer<strong>de</strong>n sie damit nicht.<br />
Es ist aber offensichtlich, dass die Unsicherheit<br />
über die Aufgabe <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />
und die Rolle <strong>de</strong>r Religionslehrer<br />
und Religionslehrerinnen, ihre<br />
Selbst- und Fremdüberfor<strong>de</strong>rung, aus<br />
<strong>de</strong>r unklaren Unterscheidung zwischen<br />
Christentum und Umwelt resultiert. An<br />
dieser Stelle muss man ansetzen, wenn<br />
man die Probleme <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />
lösen will.<br />
Im ersten Schritt unserer Überlegungen<br />
soll es daher um die Leitunterscheidung<br />
zwischen <strong>de</strong>r christlichen Kommunikation<br />
und ihrer Umwelt gehen (<strong>IN</strong>I-<br />
TIATION). Im zweiten Schritt wird diese<br />
Leitunterscheidung auf die theologische<br />
Grundunterscheidung zwischen Natur<br />
und Gna<strong>de</strong> gespiegelt (DIST<strong>IN</strong>KTION).<br />
Die Frage wird hier sein, ob die systematische<br />
Theologie noch die Daten liefert,<br />
die für die Selbstunterscheidung <strong>de</strong>s Systems<br />
notwendig sind. Im dritten Schritt<br />
wird auf die Lage <strong>de</strong>s Christentums in<br />
<strong>de</strong>r Gesellschaft reflektiert (IRRITATION).<br />
Schließlich geht es um die Folgerungen<br />
für <strong>de</strong>n Religionsunterricht selbst (REA-<br />
LISATION).<br />
1. Initiation<br />
Je<strong>de</strong>s System muss sich von seiner<br />
Umwelt unterschei<strong>de</strong>n können; an-<br />
<strong>de</strong>rnfalls besteht es nicht. Bei biologischen<br />
Systemen, vom Einzeller bis<br />
zum Mensch, leistet dies die Haut. Zerfällt<br />
die Haut, ist dies <strong>de</strong>r Tod <strong>de</strong>s Systems.<br />
Bei psychischen Systemen muss<br />
die Unterscheidung zwischen <strong>de</strong>m eigenen<br />
Bewusstsein und <strong>de</strong>r Welt, also<br />
etwa <strong>de</strong>m Bewusstsein an<strong>de</strong>rer Menschen,<br />
gegeben sein; wo das nicht <strong>de</strong>r<br />
Fall ist, hat man es mit psychischen Erkrankungen<br />
zu tun. Bei sozialen Systemen<br />
ist es die Leitunterscheidung <strong>de</strong>r<br />
Kommunikation, die die Unterscheidung<br />
zur Umwelt herstellt. Bei einem<br />
Gespräch beispielsweise spricht man<br />
zu einem gegebenen Zeitpunkt über<br />
dieses und nichts an<strong>de</strong>res; wür<strong>de</strong> man<br />
über nichts Bestimmtes o<strong>de</strong>r über alles<br />
zugleich sprechen wollen, käme kein<br />
Gespräch zustan<strong>de</strong>. Die Funktionssysteme<br />
<strong>de</strong>r Gesellschaft – Recht, Wirtschaft,<br />
Bildung usw. – benutzen jeweils<br />
einen bestimmten Co<strong>de</strong>, mit <strong>de</strong>m sie<br />
sich zur Umwelt abgrenzen. Dass sie<br />
eine spezifische Funktion für die Gesellschaft<br />
erbringen können, setzt die<br />
Unterscheidung zur Gesellschaft vo-<br />
Thomas Ruster<br />
Prof. Dr. Thomas Ruster Foto: En<strong>de</strong>rs<br />
raus, die in <strong>de</strong>r Codierung gegeben ist.<br />
So operiert das Rechtssystem nach <strong>de</strong>r<br />
Unterscheidung Recht/Unrecht. Überall,<br />
wo die Welt nach dieser Unterscheidung<br />
beobachtet wird, ist das Rechtssystem<br />
zugegen. Zwar kann man in einem<br />
Gerichtssaal auch noch an<strong>de</strong>ren<br />
Unterscheidungen beobachten. Der<br />
Richter kann sich fragen, ob ihm <strong>de</strong>r<br />
Angeklagte sympathisch o<strong>de</strong>r unsympathisch<br />
ist, ob er Mitleid mit ihm hat<br />
o<strong>de</strong>r nicht. Diese Fragen liegen aber<br />
außerhalb von Erwägungen, wie sie für<br />
das Rechtssystem leitend sind.<br />
Auch das Christentum – und damit<br />
meine ich an dieser Stelle alle Orte<br />
einer christlichen Kommunikation, die<br />
immer daran zu erkennen sein wird,<br />
dass sie in irgen<strong>de</strong>iner Weise auf Jesus<br />
Christus und damit auf die Heilige<br />
Schrift zurückgeht – bleibt unter dieser<br />
Regel <strong>de</strong>r System-Umwelt-Unterscheidung.<br />
Selbstauflösungserscheinungen<br />
<strong>de</strong>s Christentums, wie man sie heute<br />
beobachten kann, sind immer auf eine<br />
Aufhebung <strong>de</strong>r System-Umwelt-Unterscheidung<br />
zurückzuführen. Darum muss<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
BEITRÄGE<br />
35
BEITRÄGE<br />
36<br />
es zunächst darum gehen, die Leitunterscheidung<br />
<strong>de</strong>s Christentums <strong>de</strong>utlich<br />
zu markieren. Dies zu tun, ist die<br />
Aufgabe <strong>de</strong>r Theologie. Ich halte mich<br />
zu diesem Zweck an die Psalmen, wobei<br />
sicher auch an<strong>de</strong>re Zugänge möglich<br />
wären. Der Psalter galt aber zu allen<br />
Zeiten als eine Art Bibel im Kleinen<br />
o<strong>de</strong>r als das Zentrum <strong>de</strong>r Bibel.<br />
Aus ihm lassen sich wesentliche Angaben<br />
über die biblische Leitunterscheidung<br />
gewinnen.<br />
Psalm 1: Die Unterscheidung zwischen<br />
Innen und Außen<br />
Der Psalm 1 steht wie ein Portal vor<br />
<strong>de</strong>m gesamten Psalter. Er sagt eigentlich<br />
nicht viel, nur eben das Entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>,<br />
dass das, was nun folgt, unter einer<br />
Unterscheidung steht. Unterschie<strong>de</strong>n<br />
wird zwischen <strong>de</strong>nen, die Freu<strong>de</strong><br />
haben an <strong>de</strong>r Weisung <strong>de</strong>s Herrn, und<br />
<strong>de</strong>nen, die das nicht haben. Diese wer<strong>de</strong>n<br />
Frevler und Sün<strong>de</strong>r genannt. Die,<br />
die Freu<strong>de</strong> haben an <strong>de</strong>r Weisung <strong>de</strong>s<br />
Herrn, sind im System, die Frevler und<br />
Sün<strong>de</strong>r sind die an<strong>de</strong>ren, sie sind draußen,<br />
sie sind die Umwelt. Es ist wichtig<br />
zu sehen, dass die Frevler nicht als böse<br />
Menschen geschil<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Sie sind<br />
einfach die, die <strong>de</strong>n Systemco<strong>de</strong> nicht<br />
beachten, die nach einer an<strong>de</strong>ren Weisung<br />
operieren. Von ihnen heißt es,<br />
dass sie im Gericht nicht bestehen – sie<br />
halten sich nicht an die Unterscheidung<br />
<strong>de</strong>s Systems – ; dass sie in <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Gerechten nicht bestehen – sie gehören<br />
nicht dazu – ; dass sie wie Spreu<br />
sind, das im Wind verweht: Sie sind<br />
Umwelt <strong>de</strong>s Systems, im System erzeugen<br />
sie keine spezifischen Informationen,<br />
sie wer<strong>de</strong>n nur als „Rauschen“<br />
(Luhmann) wahrgenommen. Charakteristisch<br />
ist das Missverständnis <strong>de</strong>r<br />
BIBEL <strong>IN</strong> GERECHTER SPRACHE, die die<br />
<strong>de</strong>n Ausdruck Frevler vermei<strong>de</strong>n will<br />
und ihn durch „die Machtgierigen“ ersetzt.<br />
Es geht aber in <strong>de</strong>m Psalm gar<br />
nicht darum, über die Frevler und Sün<strong>de</strong>r<br />
ein moralisches Urteil auszusprechen.<br />
Im Rechtswesen, um auf das<br />
oben gegebene Beispiel zurückzukommen,<br />
wäre nicht nur <strong>de</strong>r Richter ein<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
Schaubild 1: Gott, Schöpfer <strong>de</strong>s Himmels und <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> Grafik: Ruster<br />
Frevler, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Unschuldigen verurteilt,<br />
son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Schuldigen<br />
aus Grün<strong>de</strong>n, die nicht im Recht<br />
liegen, freispricht: auch <strong>de</strong>r Mitleidige<br />
wäre hier ein Frevler. Man versteht<br />
jetzt, warum die Frevler, die Sün<strong>de</strong>r,<br />
die Gottlosen in fast allen Psalmen so<br />
eine große Rolle spielen, und warum<br />
wir so wenig über sie erfahren. Sie wer<strong>de</strong>n<br />
einfach als die an<strong>de</strong>re Seite <strong>de</strong>r Unterscheidung<br />
mitgeführt. Selbst wenn<br />
es keinen einzigen von ihnen gäbe,<br />
müsste man sie nennen, so wie man<br />
nicht bestimmen kann, was Recht ist,<br />
wenn nicht auch über Unrecht gesprochen<br />
wird. Und dass man über sie so<br />
wenig erfährt, ist in Ordnung. Das System<br />
setzt eine Unterscheidung und operiert<br />
dann nur auf einer Seite, <strong>de</strong>r Innenseite.<br />
Die Außenseite bleibt unmarked<br />
space (Luhmann mit G. Spencer<br />
Brown). 1<br />
Psalm 96: Die Unterscheidung von<br />
Gott und Himmel<br />
Der Psalm gibt in beson<strong>de</strong>rer Deutlichkeit<br />
zu erkennen, worin die biblische<br />
Unterscheidung inhaltlich besteht.<br />
Der Auffor<strong>de</strong>rung zum Gotteslob und<br />
zum Jubel (Singt <strong>de</strong>m Herrn ein neues<br />
Lied ...) folgt die Begründung:<br />
Denn groß ist <strong>de</strong>r Herr und hoch zu preisen,<br />
mehr zu fürchten als alle Götter.<br />
Alle Götter <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>n sind nichtig,<br />
<strong>de</strong>r Herr aber hat <strong>de</strong>n Himmel geschaffen.<br />
Dass <strong>de</strong>r Himmel zu Gottes Schöpfung<br />
gehört und also ein Teil <strong>de</strong>r Welt<br />
ist, damit setzt schon <strong>de</strong>r erste Vers <strong>de</strong>r<br />
Bibel ein. Und in <strong>de</strong>r Tat ist damit <strong>de</strong>r<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Unterschied gesetzt: Was<br />
für die Menschen, die Gott nicht kennen,<br />
als höchste und letzte Macht erscheinen<br />
mag, das, was sie Götter nennen,<br />
vor <strong>de</strong>nen sie sich fürchten und <strong>de</strong>nen<br />
sie dienen, das ist in biblischer<br />
Sicht nur ein Teil <strong>de</strong>r Welt. Dass Gott<br />
hoch zu preisen und mehr zu fürchten<br />
ist als alle Götter, ergibt sich unmittelbar<br />
daraus, dass er <strong>de</strong>n Himmel geschaffen<br />
hat. Die Bibel beobachtet die<br />
Welt also in einer ganz beson<strong>de</strong>ren Perspektive:<br />
Nicht mehr nur in <strong>de</strong>r Unterscheidung<br />
Er<strong>de</strong>/Himmel, son<strong>de</strong>rn in<br />
<strong>de</strong>r Unterscheidung Gott/Schöpfung incl.<br />
Himmel und Götter. Das ist das Neue,<br />
das nun auch, wie <strong>de</strong>r Psalm sagt, ein<br />
neues Lied ertönen lässt.<br />
Nur kurz sei ange<strong>de</strong>utet, was aus<br />
dieser Unterscheidung folgt. 2 Das Erste<br />
ist: Die biblische Gottesverehrung lässt<br />
sich nicht so einfach <strong>de</strong>n Religionen<br />
zuordnen. Nennen wir Religion jene<br />
Instanz, die zwischen Er<strong>de</strong> und Himmel,<br />
zwischen <strong>de</strong>m uns zugänglichen<br />
und <strong>de</strong>m uns unzugänglichen Teil <strong>de</strong>r<br />
Welt vermittelt, dann bleibt zwar auch<br />
in biblischer Sicht die Aufgabe <strong>de</strong>r Religion<br />
voll und ganz erhalten, die biblische<br />
Gottesverehrung selbst operiert<br />
aber an einer an<strong>de</strong>ren Stelle, an einer<br />
an<strong>de</strong>ren Unterscheidung. Für sie gerät<br />
<strong>de</strong>r Bereich <strong>de</strong>s Himmels bzw. <strong>de</strong>r Göt-
ter auf die beobachtbare Seite <strong>de</strong>r Unterscheidung.<br />
Von daher wird <strong>de</strong>nn<br />
auch zweitens klar, worin eigentlich die<br />
Erlösung besteht: eben darin, von <strong>de</strong>r<br />
Macht <strong>de</strong>r – ansonsten – letztbestimmen<strong>de</strong>n<br />
Mächte freizukommen, zu <strong>de</strong>nen<br />
immerhin auch solche gewichtigen<br />
Mächte wie <strong>de</strong>r Tod gehören. Das Gottesreich,<br />
um es einmal in neutestamentlicher<br />
Perspektive zu sagen, ist da gegeben,<br />
wo die Macht Satans, <strong>de</strong>s Verführers,<br />
als ohnmächtig erfahren wird.<br />
Die Evangelisten schicken <strong>de</strong>r Gottesreichverkündigung<br />
Jesu die Geschichte<br />
voraus, wie er in <strong>de</strong>r Wüste <strong>de</strong>n Versucher<br />
überwin<strong>de</strong>t. Er selbst sagt Lk<br />
10,18: Ich sah <strong>de</strong>n Satan wie einen<br />
Blitz vom Himmel fahren. Die Macht<br />
<strong>de</strong>r Gewalten im Himmel ist überwun<strong>de</strong>n,<br />
so <strong>de</strong>r Ausgangspunkt <strong>de</strong>r Botschaft<br />
Jesu, <strong>de</strong>r Weg zum Gottesreich<br />
ist frei; es folgt jetzt nur noch das wie<br />
im Himmel so auf Er<strong>de</strong>n. – Übersieht<br />
man diese Unterscheidung zwischen<br />
Gott und Himmel, rechnet man Gott<br />
<strong>de</strong>m Himmel zu bzw. das Christentum<br />
<strong>de</strong>n Religionen, dann kann gar nicht<br />
mehr verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, was Erlösung<br />
und Befreiung ist. Es wird auch nicht<br />
mehr verstan<strong>de</strong>n, worin das Gottesreich<br />
besteht. Das neue Lied, von <strong>de</strong>m<br />
<strong>de</strong>r Psalm spricht, ertönt nicht mehr,<br />
vielmehr wird <strong>de</strong>r biblische Glaube in<br />
das alte Lied aller Religionen eingeglie<strong>de</strong>rt.<br />
(...)<br />
Nun haben wir also die Hauptelemente<br />
<strong>de</strong>r biblischen Leitunterscheidung<br />
zusammen. Für das biblische Kom-<br />
munikationssystem ist die Unterscheidung<br />
zur Umwelt („Frevler“) konstitutiv<br />
(Ps 1). Sie besteht im Rahmen eines<br />
allgemeinen Weltverständnisses in <strong>de</strong>r<br />
Unterscheidung zwischen Gott und<br />
Himmel (Ps 96) bzw. zwischen biblischer<br />
Gottesverehrung und Religion.<br />
Daraus ergibt sich dann die Unterscheidung<br />
zwischen Gottes Volk und <strong>de</strong>m<br />
Rest <strong>de</strong>r Welt. Wo Welt und Dasein so<br />
beobachtet wer<strong>de</strong>n, zeigt sich, dass das<br />
natürliche Daseinsgesetz („Selbsterhaltung“)<br />
nicht das einzige ist. Die Bibel<br />
stellt vielmehr die Heiligung <strong>de</strong>s<br />
göttlichen Namens in <strong>de</strong>n Mittelpunkt<br />
– das be<strong>de</strong>utet soviel wie eine neue<br />
Schöpfung zu machen. (...)<br />
2. Distinktion<br />
Die theologische Tradition hat die<br />
biblische Leitunterscheidung in verschie<strong>de</strong>ne<br />
Gestalten transformiert. In<br />
<strong>de</strong>r katholischen Theologie ist sie in<br />
<strong>de</strong>r Neuzeit in die Form <strong>de</strong>r hochabstrakten<br />
Unterscheidung von Natur und<br />
Gna<strong>de</strong> gebracht wor<strong>de</strong>n. Unter Natur<br />
wird dabei das verstan<strong>de</strong>n, was <strong>de</strong>r<br />
Mensch nach <strong>de</strong>m natürlichen Daseinsgesetz<br />
<strong>de</strong>r Selbsterhaltung ist und wer<strong>de</strong>n<br />
kann, unter Gna<strong>de</strong> das, was Psalm<br />
115 so vortrefflich ausdrückt: ein Leben<br />
zu Gottes Verherrlichung. Wie stehen<br />
nun diese bei<strong>de</strong>n Seiten zueinan<strong>de</strong>r?<br />
Setzt die Gna<strong>de</strong> die Natur voraus,<br />
o<strong>de</strong>r hebt sie sie auf? Dabei ist in Treue<br />
zur biblischen Geschichte noch zu be-<br />
Status-Lehre<br />
rücksichtigen, dass die Natur nicht in<br />
iustitia<br />
Gna<strong>de</strong> originalis<br />
vor__________________________________________________________________________________________<br />
Recht<br />
Reinform vorkommt, son<strong>de</strong>rn immer<br />
schon korrumpiert durch die Sün<strong>de</strong>.<br />
Christus aber hat von <strong>de</strong>r Macht <strong>de</strong>r<br />
Sün<strong>de</strong> erlöst. Was be<strong>de</strong>utet das für das<br />
aktuelle Verhältnis von Natur und Gna<strong>de</strong>?<br />
Die Antwort <strong>de</strong>r klassischen Theologie<br />
darauf lässt sich in ein Schaubild<br />
bringen (vgl. Schaubild 2).<br />
Zur Erläuterung: Die reine Natur<br />
(natura pura) ist bloßes System <strong>de</strong>r<br />
Selbsterhaltung wie bei allen Lebewesen,<br />
nur kommen beim Menschen noch<br />
die spezifischen intellektiven Fähigkeiten<br />
dazu. Der freie Wille und die Neigung,<br />
das Gute zu wollen und das Böse<br />
zu verabscheuen, gehören zur reinen<br />
Natur. Die Figur <strong>de</strong>r reinen Natur ist<br />
aber eine bloß hypothetische Voraussetzung.<br />
In Wirklichkeit hat es nur die<br />
vollständige, integre Natur (natura integra)<br />
gegeben (nämlich, so weiß es die<br />
Tradition, zwischen <strong>de</strong>r Erschaffung<br />
<strong>de</strong>s Menschen in Gen 1,7 und seiner<br />
Einsetzung in <strong>de</strong>n Garten E<strong>de</strong>n in Gen<br />
1,8), das ist die reine Natur plus <strong>de</strong>r Gabe<br />
<strong>de</strong>s Rechttuns (donum rectitudinis).<br />
Unter dieser Gabe ist zu verstehen: Die<br />
Antriebe <strong>de</strong>r Natur ohne die Macht <strong>de</strong>s<br />
sündigen Begehrens. Die Theologie erklärte,<br />
dass für die Menschen mit <strong>de</strong>r<br />
Gna<strong>de</strong>ngabe <strong>de</strong>s donum rectitudinis<br />
drei Gaben verbun<strong>de</strong>n waren: Die Gabe<br />
<strong>de</strong>s Wissens (donum scientiae – ein<br />
Wissen, das die Dinge ohne Begier<strong>de</strong><br />
erfasst und ihnen darum gerecht wird),<br />
die Gabe <strong>de</strong>r Unsterblichkeit (donum<br />
immortalitatis – ein Leben, das auch<br />
durch das Sterben nicht aus <strong>de</strong>r Ge-<br />
natura pura natura integra natura elevata natura lapsa natura reparata status gloriae<br />
peccatum originale visio beatifica<br />
potentia vegetativa natura pura natura pura natura pura - natura pura dotes:<br />
sensitiva (+) donum rectitudinis (+) donum rect. (–) donum rect. - - (–) donum rect. agilitas<br />
intellectiva d. scientiae (+) gratia sanctificans (–) gratia sanctificans (+) gratia sanct. Impassid.<br />
immortalitatis (+) concupiscentia bilitas<br />
d. impassiblitatis subtilitas<br />
liberum arbitrium claritas<br />
appetitus concupiscibilis<br />
et irascibilis<br />
Schaubild 2: Status-Lehre Grafik: Ruster<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
BEITRÄGE<br />
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BEITRÄGE<br />
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meinschaft mit Gott gerissen wird) und<br />
die Gabe <strong>de</strong>r Lei<strong>de</strong>nsfreiheit (sie stellt<br />
sich ein, wenn man <strong>de</strong>n Tod nicht mehr<br />
fürchtet). – Die Natur <strong>de</strong>s Menschen im<br />
Paradies war dann die natura elevata,<br />
die erhöhte Natur, und darunter ist zu<br />
verstehen, dass Gott die Menschen in<br />
seine unmittelbare Gemeinschaft beruft,<br />
dass er sie nicht mehr als abhängige<br />
Geschöpfe, son<strong>de</strong>rn als Kin<strong>de</strong>r und<br />
Freun<strong>de</strong> behan<strong>de</strong>lt. Die Verbindung von<br />
donum rectitudinis und gratia sanctificans<br />
(heiligmachen<strong>de</strong> Gna<strong>de</strong>) ergibt<br />
die Urstandsgerechtigkeit: ein Zustand,<br />
in <strong>de</strong>m die Menschen sowohl Gott wie<br />
einan<strong>de</strong>r und <strong>de</strong>r Umwelt absolut gerecht<br />
wer<strong>de</strong>n konnten. Dieser Zustand<br />
wird durch die Sün<strong>de</strong> zerstört. Die gefallene<br />
Natur (natura lapsa) hat sowohl<br />
die Gabe <strong>de</strong>s Rechttuns wie auch die<br />
heiligmachen<strong>de</strong> Gna<strong>de</strong> verloren; an die<br />
Stelle <strong>de</strong>s donum rectitudinis tritt die<br />
unmäßige Begier<strong>de</strong>, die concupiscentia.<br />
Christus ist gekommen, um die Menschen<br />
von <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> zu erlösen. Für<br />
die, die an ihn glauben, ist die gratia<br />
sanctificans, die Gemeinschaft mit Gott,<br />
wie<strong>de</strong>rhergestellt wor<strong>de</strong>n, die concupiscentia<br />
ist in<strong>de</strong>ssen als gerechte Sün<strong>de</strong>nstrafe<br />
geblieben. Im status gloriae,<br />
<strong>de</strong>m Zustand <strong>de</strong>r Herrlichkeit, wird unmittelbare<br />
Gottesfreundschaft und -gemeinschaft<br />
gegeben sein; dieser Zustand<br />
wird vermöge <strong>de</strong>r Brautgaben<br />
(dotes: impassibilitas, subtilitas, agilitas,<br />
claritas) noch herrlicher sein als das<br />
Leben im Paradies.<br />
Wenn man die klassische Lehre in<br />
<strong>de</strong>r Abstraktheit, in <strong>de</strong>r ich sie hier präsentiere,<br />
anschaut, fällt sofort auf, dass<br />
sie die oben genannten Elemente <strong>de</strong>r<br />
biblischen Leitunterscheidung in sich<br />
aufgenommen hat. Der in Ps 1 gegebenen<br />
Unterscheidung zwischen <strong>de</strong>n zwei<br />
Gesetzen bzw. zwischen Innen und Außen<br />
entspricht überhaupt die zwischen<br />
Natur und Gna<strong>de</strong>; mit <strong>de</strong>r systemisch<br />
unabweisbaren Anschlussfrage, wie <strong>de</strong>nn<br />
die Grenze zwischen <strong>de</strong>n zwei Seiten<br />
gekreuzt, <strong>de</strong>r Weg von <strong>de</strong>r Natur zur<br />
Gna<strong>de</strong> und umgekehrt gegangen wer<strong>de</strong>n<br />
kann. Der Unterscheidung von Gott<br />
und Himmel in Ps 96 entspricht sachlich<br />
die zwischen Erlösung und Sün<strong>de</strong>.<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
Das ist nicht so leicht zu sehen, erklärt<br />
sich aber aus <strong>de</strong>r anthropozentrischen<br />
Zuspitzung, die die Theologie in <strong>de</strong>r<br />
Neuzeit erfahren hat. Der Mensch <strong>de</strong>r<br />
Sün<strong>de</strong> ist <strong>de</strong>r Mensch unter <strong>de</strong>n satanischen<br />
Mächten <strong>de</strong>s Himmels, die er<br />
durch seine Sün<strong>de</strong> selbst groß gemacht<br />
hat, 3 während <strong>de</strong>r Glaube an Gott die<br />
Erlösung be<strong>de</strong>utet. Der Differenz zwischen<br />
Israel und <strong>de</strong>n Völkern (Psalm<br />
95) ist in die zwischen <strong>de</strong>n Getauften<br />
und <strong>de</strong>n Nichtgetauften überführt, die<br />
mit <strong>de</strong>r Erlösung <strong>de</strong>r Natur durch Christus<br />
(„natura reparata“) akut wird, tatsächlich<br />
aber schon das ganze Schema<br />
steuert (ist doch die Anschauung <strong>de</strong>r<br />
Geschichte unter <strong>de</strong>n Kategorien von<br />
Natur, Sün<strong>de</strong> und Gna<strong>de</strong> selbst schon<br />
eine spezifisch christliche Erkenntnisleistung).<br />
Die Unterscheidung von Ps<br />
115 ist in <strong>de</strong>r sachlichen Differenz von<br />
Natur und Gna<strong>de</strong> aufbewahrt: Leben<br />
„für uns“ und aus eigenen Kräften, wie<br />
es uns kraft <strong>de</strong>r Geschöpflichkeit gegeben<br />
ist = Natur; Leben zur Ehre Gottes,<br />
wie es nur als ungeschul<strong>de</strong>tes Geschenk<br />
von Gott her empfangen wer<strong>de</strong>n<br />
kann = Gna<strong>de</strong>.<br />
Das klassische Schema enthielt<br />
zugleich <strong>de</strong>n Keim seiner Auflösung in<br />
sich! Dies ist zu zeigen, um zu erklären,<br />
warum es schließlich beiseite gelegt<br />
wur<strong>de</strong>. Die Unterscheidung zwischen<br />
Natur und Gna<strong>de</strong> ist schließlich überhaupt<br />
aus <strong>de</strong>r Theologie verschwun<strong>de</strong>n,<br />
und damit die letzte noch gültige Form,<br />
die biblische Leitunterscheidung im<br />
System aufrecht zu erhalten. Die genannten<br />
Probleme von Kirche und Religionsunterricht<br />
kommen genau daher.<br />
Die Zwei-Seiten-Form <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>nlehre<br />
konnte nach ihren bei<strong>de</strong>n Seiten<br />
hin aufgelöst wer<strong>de</strong>n. Die eine Möglichkeit<br />
war, die Natur bereits als die<br />
von Gott gewollte Lebensform <strong>de</strong>s<br />
Menschen zu nehmen. Eine Vollendung<br />
im Rahmen <strong>de</strong>r natürlichen Selbsterhaltung<br />
wäre <strong>de</strong>mnach schon eine<br />
wirkliche und von Gott gewollte Vollendung<br />
<strong>de</strong>s Menschen gewesen. Die<br />
Gna<strong>de</strong> könnte zwar noch dazukommen,<br />
dies wür<strong>de</strong> aber nur so etwas wie<br />
ein zusätzliches Dekor, einen beson<strong>de</strong>ren<br />
Glanz be<strong>de</strong>uten, wesentlich für <strong>de</strong>n<br />
Menschen wäre das nicht. Das Gute an<br />
dieser Position ist, dass sie <strong>de</strong>n Charakter<br />
<strong>de</strong>r Ungeschul<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, ihren<br />
Geschenkcharakter, schön bewahren<br />
konnte, die Frage war nur, wofür<br />
man dieses Geschenk eigentlich braucht,<br />
wofür Christus kommen und sterben<br />
musste usw. Die an<strong>de</strong>re Möglichkeit<br />
bestand darin, die von Gott gewollte<br />
Vollendung <strong>de</strong>s Menschen allein in <strong>de</strong>r<br />
Kraft <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> für möglich zu halten.<br />
Eine eigene Vollendung <strong>de</strong>r Natur, einen<br />
natürlichen Endzweck <strong>de</strong>r natürlichen<br />
Fähigkeiten <strong>de</strong>s Menschen ist unter<br />
dieser Voraussetzung nicht <strong>de</strong>nkbar.<br />
Die Größe <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> wird <strong>de</strong>utlicher<br />
wahrgenommen als im ersten Konzept:<br />
Die vorfindliche Natur ist immer schon<br />
die von <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> korrumpierte, schon<br />
<strong>de</strong>shalb kann sie keine gottgewollte<br />
Vollendung haben. Das wahre und<br />
herrliche Leben <strong>de</strong>s Menschen käme<br />
allein aus <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gottesfreundschaft.<br />
Wie sollte man aber in dieser<br />
Sicht noch die Ungeschul<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>r<br />
Gna<strong>de</strong> bewahren? Wie kann es möglich<br />
sein, dass Gott vielen Menschen, vielleicht<br />
<strong>de</strong>n meisten, die Gna<strong>de</strong> vorenthält,<br />
obwohl er sie doch auf die gna<strong>de</strong>nhafte<br />
Vollendung hin geschaffen<br />
hat? Sind die meisten Menschen geschaffen,<br />
ohne ihre von Gott gewollte<br />
Vollendung erreichen zu können? (...)<br />
Es blieb dann Karl Rahner überlassen,<br />
in seiner subtilen Kenntnis <strong>de</strong>r<br />
Schultheologie <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rspruch zwischen<br />
<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Positionen offenbar<br />
zu machen und aufzulösen. Ich verstehe<br />
Rahner wesentlich als <strong>de</strong>njenigen,<br />
<strong>de</strong>r mit einem theologischen Genie ohnegleichen<br />
die latente Paradoxie <strong>de</strong>r<br />
Natur-Gna<strong>de</strong>-Unterscheidung aufge<strong>de</strong>ckt<br />
und sie dann einer Lösung zugeführt<br />
hat, die darin bestand, die paradoxe<br />
Einheit <strong>de</strong>r Unterscheidung aufzuweisen.<br />
4 Rahner ist etwa einem Richter<br />
zu vergleichen, <strong>de</strong>r in tiefer Weisheit<br />
erkennt, dass alles Recht letztlich auch<br />
Unrecht ist und auch das Unrecht sein<br />
Recht hat (nach <strong>de</strong>m Diktum summum<br />
ius – summa iniuria) – wun<strong>de</strong>rbar, nur<br />
dieser Mann kann, wenn er mit seinen<br />
Erkenntnissen Ernst macht, nicht mehr<br />
bei Gericht arbeiten. O<strong>de</strong>r mit einem
Künstler, <strong>de</strong>r erkennt, dass auch das<br />
Hässliche schön ist, einem Musiker,<br />
<strong>de</strong>r wahrnimmt, dass auch Geräusche<br />
Musik sind – aber können <strong>de</strong>nn diese<br />
bei<strong>de</strong>n noch ihre Kunst betreiben?<br />
Wür<strong>de</strong> es nicht genügen, auf die trivialen<br />
Gegenstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Alltags, auf die<br />
Geräusche <strong>de</strong>r Umwelt hinzuweisen<br />
und zu sagen: Das ist Kunst, das ist<br />
Musik?! Etwas Ähnliches tut aber Rahner<br />
mit <strong>de</strong>m Glauben, wenn er die Natur-Gna<strong>de</strong>-Unterscheidung<br />
auf ihre<br />
Einheit zurückführt. (...)<br />
Die alte Gna<strong>de</strong>nlehre hatte gesagt,<br />
dass nach <strong>de</strong>r Ursün<strong>de</strong> die Natur alle<br />
Gna<strong>de</strong> verloren hat und sie nur wie<strong>de</strong>rgewinnen<br />
kann, wenn sie von Christus<br />
erlöst wird. Bei Rahner aber wird, und<br />
das ist entschei<strong>de</strong>nd, die gna<strong>de</strong>nvernichten<strong>de</strong><br />
Wirklichkeit <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> aufgehoben.<br />
Bei ihm sind „auch die Ungläubigen<br />
und Sün<strong>de</strong>r“ von <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong><br />
umfangen, auch als „Ungläubige und<br />
Sün<strong>de</strong>r“ können sie aus <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>nordnung<br />
nicht heraustreten. Die Frage<br />
ist dann, welche Be<strong>de</strong>utung die Erlösung<br />
durch Christus noch hat. Offenbar<br />
kann es nach Rahner nur noch darum<br />
gehen, Christus als einen Menschen<br />
vorzuführen, <strong>de</strong>r das gna<strong>de</strong>nhafte Angebot<br />
in unüberbietbarer Weise realisiert<br />
hat, als „einmalig höchsten Fall<br />
menschlichen Daseinsvollzugs“ (wie<br />
er an<strong>de</strong>rer Stelle sagt); von Erlösung<br />
kann aber keine Re<strong>de</strong> mehr sein.<br />
Schauen wir, was aus <strong>de</strong>r biblischen<br />
Leitunterscheidung bei Rahner gewor<strong>de</strong>n<br />
ist. Dass überhaupt eine Unterscheidung<br />
besteht, wie es Psalm 1 einschärft,<br />
wird bei Rahner schon dadurch<br />
geleugnet, dass er die Gna<strong>de</strong> in einer<br />
Weise universalisiert, bei <strong>de</strong>r es eine<br />
an<strong>de</strong>re Seite gar nicht mehr geben<br />
kann. Der „Frevler“ kommt bei Rahner<br />
nicht vor, allenfalls <strong>de</strong>r Mensch, <strong>de</strong>r<br />
das immer schon gegebene Gna<strong>de</strong>nangebot<br />
nicht in <strong>de</strong>r rechten Weise realisiert<br />
(aber dieser Frevler kann nicht beobachtet<br />
wer<strong>de</strong>n). Die Unterscheidung<br />
Gott/Himmel aus Psalm 96, die die<br />
neuzeitliche Theologie auf die Unterscheidung<br />
zwischen <strong>de</strong>m Menschen<br />
unter <strong>de</strong>r Macht <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> und unter<br />
<strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> gebracht hatte, fällt bei ihm<br />
weg, weil vor <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> alle gleich<br />
sind, seien es nun Gläubige, Ungläubige<br />
o<strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong>r. Die Wirklichkeit und<br />
Macht <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> ist überhaupt bei Rahner<br />
gegenüber <strong>de</strong>r klassischen Theologie<br />
stark zurückgetreten. Der Israel-<br />
Bezug Gottes von Psalm 95 ist bei Rahner,<br />
das kann man getrost sagen, gar<br />
nicht präsent, die Unterscheidung aber<br />
zwischen Christen und Nichtchristen<br />
bzw. Getauften/Ungetauften wird bei<br />
ihm wie gezeigt aufgehoben bzw. in die<br />
zwischen unausdrücklich und reflex<br />
Gegebenes transformiert. Da diese Unterscheidung<br />
aber nirgendwo verifiziert<br />
wer<strong>de</strong>n kann, spielt sie faktisch<br />
keine Rolle (= sie kann nicht beobachtet<br />
wer<strong>de</strong>n). Die Unterscheidung von<br />
Psalm 115 – nicht uns, o Herr, son<strong>de</strong>rn<br />
<strong>de</strong>inen heiligen Namen – wird von<br />
Rahner dadurch außer Kraft gesetzt,<br />
dass er die „übernatürliche Erhebung<br />
<strong>de</strong>s Menschen [als] die (wenn auch ungeschul<strong>de</strong>te)<br />
absolute Erfüllung seines<br />
Wesens“ (231) ausweist: Leben aus <strong>de</strong>r<br />
Gna<strong>de</strong> ist dann schlicht menschliche<br />
Selbstverwirklichung, „Glaube Hilfe<br />
zum Menschsein“ (A. Exeler), während<br />
Gott als das unergründliche und<br />
dunkle Geheimnis ohnehin so sehr in<br />
<strong>de</strong>r Abstraktion verschwin<strong>de</strong>t, dass<br />
Gotteslob, gar das Singen neuer Lie<strong>de</strong>r<br />
(Ps 96) im Blick auf das immer-schonvorweg-Gegebene<br />
schwer fällt.<br />
Wie sähe ein Religionsunterricht<br />
nach diesem Mo<strong>de</strong>ll aus? Rahner hat<br />
bereits in diesem frühen Aufsatz auf die<br />
Konsequenzen hingewiesen, die dann<br />
historisch wahr gewor<strong>de</strong>n sind. Er sagt:<br />
„Wo mit <strong>de</strong>m Nichtgläubigen gere<strong>de</strong>t<br />
wer<strong>de</strong>n muß, ist nur darauf zu achten,<br />
daß keine Prämissen aus <strong>de</strong>r geschichtlichen<br />
Wortoffenbarung entnommen wer<strong>de</strong>n,<br />
solange er <strong>de</strong>ren Bestand nicht anerkennt.<br />
Wo in einem solchen Gespräch<br />
an eine Erfahrung <strong>de</strong>s Menschen von<br />
sich selbst appelliert wird, wird man<br />
schlicht darauf zu merken haben, was<br />
<strong>de</strong>r nichtgläubige Gesprächspartner an<br />
solcher Erfahrung akzeptiert.“ (233)<br />
Also gegenüber Ungläubigen, wie<br />
man sie heute meistens im Religionsunterricht<br />
hat, ist Existenzerhellung angesagt,<br />
wobei sich schon Rahner Ge-<br />
danken darüber macht, woran es liegen<br />
kann, dass jemand seine existenziellen<br />
Erfahrungen nicht in <strong>de</strong>r Weise versteht,<br />
wie es sich <strong>de</strong>r gläubige Partner<br />
vorstellt: Weil ihm entwe<strong>de</strong>r die Eigenart<br />
<strong>de</strong>r natürlichen Erfahrung schlecht<br />
nachgewiesen wird o<strong>de</strong>r weil er sie<br />
trotz guten Aufweises nicht reflex erfasst<br />
o<strong>de</strong>r weil sie ihm noch nicht „in<br />
jener Deutlichkeit gegeben ist, daß er<br />
diesen argumentieren<strong>de</strong>n Hinweis auf<br />
sie versteht“ (233). Alle Lei<strong>de</strong>n und<br />
Überfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s/<strong>de</strong>r Religionslehrer/-innen<br />
sind in diesen Ausführungen<br />
schon präsent! Wovon soll aber <strong>de</strong>r Religionsunterricht<br />
re<strong>de</strong>n, wenn Hinweise<br />
auf die Offenbarung in <strong>de</strong>m Maße,<br />
wie sie nicht anerkannt wer<strong>de</strong>n, unterbleiben<br />
müssen? Rahner hat eine Themenliste<br />
vorgelegt: „das Erlebnis <strong>de</strong>r<br />
unendlichen Sehnsucht, <strong>de</strong>s radikalen<br />
Optimismus, <strong>de</strong>r unstillbaren Unzufrie<strong>de</strong>nheit,<br />
<strong>de</strong>r Qual <strong>de</strong>r Unzulänglichkeit<br />
alles Greifbaren, <strong>de</strong>r radikale Protest<br />
gegen <strong>de</strong>n Tod, die Erfahrung, einer<br />
absoluten Liebe gegenüberzustehen, gera<strong>de</strong><br />
dort, wo sie von tödlicher Unbegreiflichkeit<br />
ist und von schweigen<strong>de</strong>r<br />
Verschlossenheit zu sein scheint, die<br />
Erfahrung einer radikalen Schuld und<br />
einer <strong>de</strong>nnoch bestehen<strong>de</strong>n Hoffnung<br />
usw.“ (231)<br />
Also in etwa das Themenspektrum<br />
eines korrelativ ansetzen<strong>de</strong>n Religionsunterrichts,<br />
das dann, so Rahner, in <strong>de</strong>r<br />
Weise traktiert wer<strong>de</strong>n soll, dass an dieser<br />
Grun<strong>de</strong>rfahrung <strong>de</strong>utlich wird, dass<br />
sie „faktisch getragen ist von einer göttlichen<br />
Kraft, die <strong>de</strong>n geschaffenen Geist<br />
– aus Gna<strong>de</strong> – zu einer absoluten Erfüllung<br />
hinbewegt, darum ist darin Gna<strong>de</strong><br />
erfahren und das naturale Wesen <strong>de</strong>s<br />
Menschen“ (231f).<br />
Die Rahnersche Theologie ist die<br />
letzte schulbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> und wirkmächtige<br />
Theologie in katholischen <strong>de</strong>utschen<br />
Sprachraum. Sie hat, so war zu zeigen,<br />
es bei all ihren Verdiensten dazu gebracht,<br />
die systembil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Leitunterscheidung<br />
biblisch-christlicher Kommunikation<br />
außer Kraft zu setzen. Seit<strong>de</strong>m<br />
steht das von dieser Theologie beeinflusste<br />
Christentum da wie ein Justizpalast<br />
in einer politischen Diktatur:<br />
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BEITRÄGE<br />
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BEITRÄGE<br />
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Die Fassa<strong>de</strong> steht noch, aber es wird<br />
nicht mehr nach <strong>de</strong>m systemeigenen<br />
Co<strong>de</strong> operiert. Eine Zeitlang kann man<br />
sich behelfen, in<strong>de</strong>m man sich auf das<br />
Gebiet <strong>de</strong>r Religionen, <strong>de</strong>r Daseins<strong>de</strong>utung<br />
in Kunst und Literatur, <strong>de</strong>r aktuellen<br />
ethischen Tagesfragen verlegt. Es<br />
wird aber je länger je mehr unübersehbar,<br />
dass das System nicht mehr richtig<br />
arbeitet und <strong>de</strong>mentsprechend auch<br />
keine genauen Umweltbeobachtungen<br />
mehr hervorbringt. Die Probleme <strong>de</strong>s<br />
Religionsunterrichts, das möchte ich<br />
hier betonen, resultieren nicht in erster<br />
Linie aus einem Versagen <strong>de</strong>r Religionspädagogen<br />
o<strong>de</strong>r gar <strong>de</strong>r einzelnen<br />
Lehrerinnen und Lehrer, son<strong>de</strong>rn ihre<br />
Fehlerquelle liegt in <strong>de</strong>r systematischen<br />
Theologie.<br />
3. Irritation<br />
Kirche und Welt –Kirche in <strong>de</strong>r Welt<br />
von heute – Kirche, eine Welt für sich<br />
Wenn sich, sicherlich im Gegenzug<br />
zu <strong>de</strong>r eben aufgewiesenen theologischen<br />
Richtung, Kirche, Theologie und<br />
Religionsunterricht differenzbewusst in<br />
<strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft verorten<br />
wollen, dann steht eine Reflexion auf<br />
das Verhältnis von Kirche und Welt an.<br />
»Kirche und Welt« – dieses im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />
gebil<strong>de</strong>te Begriffspaar konnte<br />
einmal zur Selbstbeschreibung einer<br />
Kirche dienen, die <strong>de</strong>r »Welt« – und damit<br />
war damals die vom religionskritischen<br />
Geist <strong>de</strong>r Aufklärung inspirierte<br />
naturwissenschaftlich-technisch-industriell-militärisch<br />
geprägte Gesellschaft<br />
gemeint – ablehnend gegenüberstand.<br />
Kirche galt <strong>de</strong>mgemäß als weltfern,<br />
als eine Son<strong>de</strong>rwelt, die notorisch<br />
hinter ihrer Zeit herlief. Es hat lange<br />
gebraucht, bis Katholiken das Illusorische<br />
dieser Verhältnisbestimmung auffiel.<br />
Wie kann sich die Kirche <strong>de</strong>r Welt<br />
gegenübersetzen, wenn sie doch selbst<br />
ein Teil <strong>de</strong>r Welt ist? Vor allem die bei<strong>de</strong>n<br />
Weltkriege, dann aber auch <strong>de</strong>r unaufhaltsame<br />
Siegeszug <strong>de</strong>r kapitalistischen<br />
Wirtschaft, <strong>de</strong>ren Vorteilen sich<br />
auch die Kirche immer weniger versagen<br />
konnte, haben dazu geführt, das je-<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
ne starre Gegenüberstellung aufgegeben<br />
wur<strong>de</strong>. Die „Pastoralkonstitution <strong>de</strong>s<br />
2. Vatikanums über die Kirche in <strong>de</strong>r<br />
Welt von heute“ (Gaudium et spes)<br />
bringt das entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Stichwort:<br />
Die Kirche ist in <strong>de</strong>r Welt, sie begreift<br />
sich als ein Teil <strong>de</strong>r Gesellschaft und<br />
sucht, wie es gera<strong>de</strong> in dieser Konstitution<br />
geschieht, nach ihrem Ort und ihrer<br />
Funktion. Ohne hier auf Einzelheiten<br />
einzugehen, lässt sich doch erkennen,<br />
dass im Hintergrund dieser Konzeption<br />
die Vorstellung steht, es gebe<br />
so etwas wie die Gesellschaft und es<br />
ließe sich in etwa angeben, welche<br />
Werte und Normen, welche Zielvorstellungen<br />
und gemeinsame Orientierungen<br />
ihr zugrun<strong>de</strong> liegen. In diesem<br />
Sinne kann in <strong>de</strong>r Konstitution immer<br />
noch recht pauschal von „<strong>de</strong>r Welt“,<br />
von „<strong>de</strong>r Welt, in <strong>de</strong>r wir leben“ usw.<br />
gesprochen wer<strong>de</strong>n, als sei immer<br />
schon klar, was damit gemeint ist. Gerne<br />
beruft sich die Gaudium et spes auch<br />
auf anthropologische Grundgegebenheiten<br />
wie z.B. das Gewissen, wohl in<br />
<strong>de</strong>r Annahme, über diese ließe sich<br />
Zeitübergreifen<strong>de</strong>s und Allgemeingültiges<br />
sagen. Die Vorstellung war, dass<br />
die Kirche in <strong>de</strong>r Gesellschaft für die<br />
Wahrung von Grundwerten und Normen,<br />
wie sie sich aus <strong>de</strong>m Menschsein<br />
an sich, dann aber auch aus <strong>de</strong>r christlichen<br />
Botschaft ergeben, zuständig sei.<br />
Ich meine nun, dass wir heute, ohne<br />
hinter das Konzil und insbeson<strong>de</strong>re<br />
Gaudium et spes zurückzufallen, genauer<br />
sein und präzise fragen müssen,<br />
in welcher Gesellschaft wir leben und<br />
wie Kirche darin vorkommen kann.<br />
Die Antwort, die ich im Folgen<strong>de</strong>n mit<br />
<strong>de</strong>r Gesellschaftstheorie von Niklas<br />
Luhmann zu geben versuche, lässt sich<br />
mit <strong>de</strong>n traditionellen Begriffen in die<br />
Formel klei<strong>de</strong>n: Die Kirche ist eine<br />
Welt für sich. Sie erzeugt in <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />
Irritation. – Aus diesem Ansatz<br />
erwachsen weit reichen<strong>de</strong> Folgen für<br />
<strong>de</strong>n Religionsunterricht. (...)<br />
Das Licht <strong>de</strong>r Welt<br />
Doch bevor wir darauf kommen,<br />
soll die überraschen<strong>de</strong> Tatsache nicht<br />
unerwähnt bleiben, dass im Verhältnis<br />
Israel – Völker genau jenes Verhältnis<br />
<strong>de</strong>r Irritation vorliegt, das für die Position<br />
<strong>de</strong>r Kirche in <strong>de</strong>r heutigen Gesellschaft<br />
angemessen ist. Es ist ja eben<br />
nicht so, dass Israel gegenüber <strong>de</strong>n<br />
Völkern als Verkün<strong>de</strong>r einer umgreifen<strong>de</strong>n<br />
und allgemeingültigen Ordnung<br />
auftritt, dass es seinen Anspruch auf<br />
Universalität durch eine abstrakte Metaphysik<br />
o<strong>de</strong>r eine allgemeine Ethik begrün<strong>de</strong>t,<br />
wie es etwa die griechischen<br />
Philosophen in <strong>de</strong>r Zeit getan haben,<br />
als das Alte Testament entstand. Israel,<br />
ausgeson<strong>de</strong>rt aus <strong>de</strong>n Völkern, irritiert<br />
die Völker durch sein An<strong>de</strong>rssein,<br />
durch sein Leben nach einem an<strong>de</strong>ren<br />
Gesetz, und bezeugt eben damit die Eigenart<br />
seines Gottes, <strong>de</strong>r ein Gott für<br />
alle Menschen sein will. Die ganze<br />
Differenzlogik <strong>de</strong>r Bibel, <strong>de</strong>r ständige<br />
Kampf darum, dass Israel nicht tut nach<br />
<strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>r Völker, ist darauf gerichtet,<br />
Irritation zu erzeugen. Und damit Erkenntnis.<br />
Da kann es geschehen, dass<br />
Israel zum Sprichwort und Spott unter<br />
<strong>de</strong>n Völkern wird (1 Kön 8,53), es kann<br />
aber auch passieren, dass die Völker<br />
Lust bekommen, von diesem Israel und<br />
seinem Gesetz mehr zu erfahren, und<br />
sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum<br />
Berg <strong>de</strong>s Herrn ... er zeige uns seine Wege<br />
(Jes 2,3). Der sprö<strong>de</strong> Begriff <strong>de</strong>r Irritation<br />
hat sein biblisches Äquivalent in<br />
<strong>de</strong>m Licht, das Israel für die Völker ist.<br />
Israel leuchtet als Licht, und damit ist<br />
ausdrücklich gesagt, dass es seine Erwählung<br />
nicht für sich hat, son<strong>de</strong>rn für<br />
die an<strong>de</strong>ren, die Völker (Jes 42,9). Am<br />
An<strong>de</strong>rssein Israel, an seiner Irritationskraft,<br />
will Gott von <strong>de</strong>n Völkern erkannt<br />
wer<strong>de</strong>n (und nicht an einer Gottesphilosophie,<br />
die auf <strong>de</strong>m platonischen<br />
Grundsatz aufruht: Gleiches wird<br />
durch Gleiches erkannt – wie mo<strong>de</strong>rn<br />
ist doch die Bibel!). Im Neuen Testament<br />
setzt sich die Lichtmetaphorik in<br />
diesem Sinne ungebrochen fort. Das<br />
Licht, das Jesus nach <strong>de</strong>n Worten <strong>de</strong>s<br />
greisen Simeon für die Erleuchtung <strong>de</strong>r<br />
Hei<strong>de</strong>n ist, das ist er nur, insofern er<br />
ein Zeichen ist, <strong>de</strong>m wi<strong>de</strong>rsprochen<br />
wird (Lk 2,32-34). Den Jüngern sagt<br />
Jesus: Ihr seid das Licht <strong>de</strong>r Welt ... Eu-
er Licht soll leuchten vor <strong>de</strong>n Menschen,<br />
damit sei euren guten Werke sehen<br />
und euren Vater im Himmel preisen<br />
(Mt 5,14.16). Aber er sagt ihnen auch:<br />
Nehmt euch in Acht vor <strong>de</strong>n Menschen<br />
... (Mt 10,17), wohl wissend, dass jenes<br />
Licht nicht mil<strong>de</strong> leuchtet, son<strong>de</strong>rn Irritationen<br />
bewirkt und ggf. Gegenreaktionen<br />
hervorruft. Vollends auf die Irritationskraft<br />
<strong>de</strong>s Lichtes hebt <strong>de</strong>r Johannesprolog<br />
ab. Jesus ist das Licht <strong>de</strong>r<br />
Welt, das je<strong>de</strong>n Menschen erleuchtet.<br />
Das Licht aber scheint in <strong>de</strong>r Finsternis,<br />
und die Finsternis hat es nicht ergriffen<br />
(Joh 1,9.5). Der Weg zum Kreuz<br />
ist darin vorgezeichnet.<br />
Es spricht vieles dafür, das Verhältnis<br />
<strong>de</strong>r Kirche zur Gesellschaft auf das<br />
Mo<strong>de</strong>ll Licht für die Völker umzustellen.<br />
Es gestattet es, Unterscheidung ohne<br />
Isolation und Abweichung ohne Fundamentalismus<br />
zu <strong>de</strong>nken. Es setzt auf<br />
die produktive, die irritieren<strong>de</strong> Kraft<br />
<strong>de</strong>r Differenz.<br />
Konfessionelle Strategien <strong>de</strong>r Irritation<br />
Von hier aus kommen die Unterschie<strong>de</strong><br />
zwischen <strong>de</strong>n christlichen Konfessionen<br />
als unterschiedliche Strategien,<br />
die Irritation <strong>de</strong>s christlichen Systems<br />
zu erzeugen, in <strong>de</strong>n Blick. Im Rahmen<br />
eines differenzbewussten Christentums<br />
erhalten auch die konfessionellen<br />
Differenzen neue Be<strong>de</strong>utung, nicht<br />
so sehr im innerchristlichen Verhältnis<br />
als im Hinblick auf die Umwelt, zu <strong>de</strong>r<br />
sich Christen zu verhalten haben. In <strong>de</strong>n<br />
konfessionellen Traditionen sind verschie<strong>de</strong>ne,<br />
je für sich bewährte Typen <strong>de</strong>r<br />
System-Umwelt-Unterscheidung aufbewahrt,<br />
auf die wir heute zurückgreifen<br />
können, wenn wir das noch nicht durchgeklärte<br />
Verhältnis zur Gesellschaft <strong>de</strong>r<br />
Gegenwart gestalten wollen. Darum hier<br />
zumin<strong>de</strong>st einige An<strong>de</strong>utungen:<br />
Die Eigenart konfessioneller I<strong>de</strong>ntität<br />
zeigt sich in <strong>de</strong>r Regel am <strong>de</strong>utlichsten<br />
im Gottesdienst und <strong>de</strong>n darauf<br />
bezogenen Abendmahlstheologien.<br />
5 Die Orthodoxie scheint, so <strong>de</strong>utet<br />
es schon die Ikonostase im Kirchenraum<br />
an, eine stabile und ein<strong>de</strong>utige<br />
System-Umwelt-Grenze zu ziehen. Die<br />
An<strong>de</strong>rsheit ist stark hervorgehoben:<br />
Der Gottesdienst <strong>de</strong>r Kirche ist Teilnahme<br />
an <strong>de</strong>r himmlischen Festversammlung,<br />
ist jetzt schon Realisierung <strong>de</strong>s<br />
Reiches Gottes. Entsprechend fremd<br />
steht <strong>de</strong>r Gottesdienst zur Umwelt, die<br />
sich an ihm reiben, ihn aber auch übersehen<br />
kann. Die Fremdheit ist so groß, dass<br />
sie schon nicht mehr irritieren muss. Der<br />
System-Umwelt-Austausch scheint gering<br />
zu sein. Dem entsprechend gibt es<br />
im System geringen Verän<strong>de</strong>rungsbedarf.<br />
Die Umwelt wird im System nicht<br />
genau beobachtet, sie wird ihrerseits<br />
kaum als Irritation verwertet.<br />
Das protestantische Kirchentum<br />
verlegt, vereinfacht gesagt, die Differenz<br />
auf die Ebene <strong>de</strong>s Subjekts: Es soll<br />
sich nach Luther als Sün<strong>de</strong>r und gerecht<br />
zugleich (simul) begreifen. Die<br />
Simul-Struktur gibt Anlass zu großer<br />
Dramatik (wie sie sich etwa in <strong>de</strong>n<br />
Bach-Kantaten äußert), ist doch die<br />
Unterscheidung nie endgültig zu fixieren.<br />
Sie entsteht vielmehr nur operativ,<br />
durch die gläubige Selbsterkenntnis<br />
<strong>de</strong>s Menschen. Gottesdienst und<br />
Abendmahl stehen <strong>de</strong>mgegenüber in<br />
ihrer Be<strong>de</strong>utung zurück. Die lutherische<br />
Abendmahlslehre lässt sich formelhaft<br />
in das Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r Konsubstantiation<br />
fassen: In, mit und unter <strong>de</strong>n Gestalten<br />
von Brot und Wein vollzieht<br />
sich die Gegenwart Christi. In diesem<br />
ungeklärten miteinan<strong>de</strong>r von Elementen<br />
und Realpräsenz, in <strong>de</strong>r Flexibilität<br />
<strong>de</strong>r Modalwörter in, mit und unter ist<br />
auch die Beziehung <strong>de</strong>s Protestantismus<br />
zur Gesellschaft zu erkennen. Sie<br />
kann in verschie<strong>de</strong>nen Formen von <strong>de</strong>r<br />
spannungsvollen Unterscheidung (etwa<br />
im Pietismus) bis zur spannungslosen,<br />
kulturprotestantischen Ein- und<br />
Unterordnung reichen können. Die<br />
Ausdifferenzierung <strong>de</strong>r evangelischen<br />
Konfession in verschie<strong>de</strong>ne Gruppen<br />
und Kirchentümer ist in <strong>de</strong>r Abendmahlslehre<br />
schon vorgezeichnet.<br />
Das katholische Verständnis <strong>de</strong>r Gegenwart<br />
Christi im Gottesdienst ist<br />
bündig in <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>r Wandlung<br />
zusammengefasst. Die katholische Kirche<br />
möchte nicht konfrontieren, aber<br />
auch nicht einfach im Abseits stehen,<br />
sie möchte wan<strong>de</strong>ln: die Herzen <strong>de</strong>r<br />
Menschen (durch fortgesetzte Teilnahme<br />
an <strong>de</strong>n kirchlichen Riten; so wie die<br />
archaische Frömmigkeit <strong>de</strong>r Mutterund<br />
Jungfrau-Religion durch die Marienfrömmigkeit<br />
allmählich ins Christliche<br />
gewan<strong>de</strong>lt wird), aber dann auch<br />
die Verhältnisse. Vom mittelalterlichen<br />
Gna<strong>de</strong>nkommerzium an, das das Vorsorgestreben<br />
<strong>de</strong>r Leute in Einrichtungen<br />
<strong>de</strong>s Gottesdienstes, <strong>de</strong>r Caritas und <strong>de</strong>r<br />
Gelehrsamkeit umwan<strong>de</strong>lte 6 , bis hin zur<br />
von <strong>de</strong>r katholischen Soziallehre inspirierten<br />
Sozialen Marktwirtschaft hat die<br />
katholische Kirche die Welt zu wan<strong>de</strong>ln<br />
versucht. Das Problem <strong>de</strong>r Katholiken<br />
ist heute, dass sie einer wandlungsresistenten<br />
Gesellschaft gegenüberstehen;<br />
zumin<strong>de</strong>st sieht es so aus. Wie kann man<br />
da noch katholisch sein?<br />
4. Realisation<br />
Was be<strong>de</strong>utet dies alles für <strong>de</strong>n Religionsunterricht?<br />
Wenn man ermisst,<br />
dass die letzte Phase <strong>de</strong>s Religionsunterrichts,<br />
min<strong>de</strong>stens ab <strong>de</strong>m Syno<strong>de</strong>nbeschluss<br />
von 1974, im Wesentlichen<br />
auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r Theologie Karl<br />
Rahners funktionierte, dann muss wohl<br />
eine an<strong>de</strong>re Theologie auch einen an<strong>de</strong>ren<br />
Religionsunterricht ergeben. Rahner<br />
hatte wie gezeigt damit in die außerkirchliche<br />
Öffentlichkeit wirken wollen<br />
bzw. dadurch die Allgemeingültigkeit<br />
<strong>de</strong>s christlichen Standpunkts reklamieren<br />
wollen, dass er die spezifischen<br />
Unterscheidungen <strong>de</strong>s christlichen Systems<br />
suspendierte. Er wollte zeigen,<br />
dass erfülltes Menschsein schon Christsein<br />
ist, je<strong>de</strong>nfalls ein anonymes. Der<br />
Religionsunterricht hatte <strong>de</strong>mgemäß<br />
die Aufgabe, anthropologische Grun<strong>de</strong>rfahrungen<br />
in ihrer religös-christlichen<br />
Valenz aufzu<strong>de</strong>cken. Auch ein<br />
nichtgläubiger Schüler könnte von<br />
solch einem Religionsunterricht profitieren,<br />
wird er doch zu einer vertieften<br />
Selbstwahrnehmung und zur Suche<br />
nach Sinn angeregt. Der Charme dieses<br />
Ansatzes lag darin, die rigi<strong>de</strong> Dogmatik<br />
<strong>de</strong>r Kirche im Hintergrund halten<br />
und <strong>de</strong>nnoch über Wesentliches <strong>de</strong>s<br />
Glaubens sprechen zu können.<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
BEITRÄGE<br />
41
BEITRÄGE<br />
42<br />
Demgegenüber wird ein differenzbewusstes<br />
Christentum auf die System-<br />
Umwelt-Unterscheidung <strong>de</strong>s Christentums<br />
gera<strong>de</strong> Wert legen. Dem liegt zunächst<br />
ein taktisches Kalkül zugrun<strong>de</strong>:<br />
Christentum muss irritieren, um wahrgenommen<br />
zu wer<strong>de</strong>n. Die Erfahrungen<br />
mit <strong>de</strong>m nicht-differenzbewussten<br />
Christentum <strong>de</strong>r vergangenen Ära bestätigen<br />
dies. Da wur<strong>de</strong>n Schüler und<br />
Schülerinnen hervorgebracht, die nach<br />
ggf. 13 Jahren Religionsunterricht nahezu<br />
nichts über <strong>de</strong>n christlichen Glauben<br />
wussten. 7 Welch ein Kräfteverschleiß<br />
bei Schülern und Lehrern, wie<br />
viel Frustration! Doch geht es nicht nur<br />
um die Wirkung dieses Unterrichts.<br />
Seine weitgehen<strong>de</strong> Wirkungslosigkeit<br />
beruht auf <strong>de</strong>r geringen Leistungsfähigkeit,<br />
d.h. Operationsfähigkeit <strong>de</strong>s<br />
Systems selbst. Da ihm die eigenen Unterscheidungen<br />
abhan<strong>de</strong>n gekommen<br />
sind, kann es nicht mehr spezifisch<br />
operieren, o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rs: Es nimmt keine<br />
spezifischen Umweltbeobachtungen<br />
mehr vor. Ein System beobachtet umso<br />
genauer, je strenger es seine eigenen<br />
Unterscheidungen benutzt. Wenn aber<br />
<strong>de</strong>r Systemco<strong>de</strong> nicht mehr funktioniert,<br />
dann ist nicht mehr zu erkennen,<br />
was mit Hilfe <strong>de</strong>r Systemunterscheidung<br />
gesehen wird, was an<strong>de</strong>re nicht<br />
sehen. Um das oben gegebene Beispiel<br />
wie<strong>de</strong>r aufzugreifen: Ein Rechtssystem<br />
beobachtet in <strong>de</strong>r Welt Recht und Unrecht,<br />
und das ist wichtig und unersetzbar.<br />
Gerät es aber wie in einer Diktatur<br />
in die Abhängigkeit <strong>de</strong>r Politik, wird es<br />
an eigenen Operationen gehin<strong>de</strong>rt, dann<br />
sieht es nur noch, was auch die Politik<br />
sieht: Macht und Ohnmacht.<br />
Religionsunterricht als Beobachtung<br />
zweiter Ordnung: beobachten, wie die<br />
Bibel beobachtet<br />
Be<strong>de</strong>utet das nun, dass die Schülerinnen<br />
und Schüler alle ins System hereingeholt<br />
wer<strong>de</strong>n müssen? Sollen sie, wie<br />
es in Ps 1 heißt, über Gottes Weisung<br />
murmeln bei Tag und bei Nacht, bei Strafe,<br />
sonst zu <strong>de</strong>n Frevlern zu gehören?<br />
Dies eben kann und soll nicht Aufgabe<br />
<strong>de</strong>s Religionsunterrichts sein! Was aber<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
sonst? Hier hilft <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r Beobachtung<br />
zweiter Ordnung weiter. Im Religionsunterricht<br />
wird eingeführt in die<br />
biblisch-christliche Sicht <strong>de</strong>r Welt. Sein<br />
Gegenstand ist alles in <strong>de</strong>r Welt, so wie<br />
es sich in <strong>de</strong>r biblischen Unterscheidung<br />
darbietet. Alles kann Gegenstand <strong>de</strong>s<br />
Religionsunterrichts sein, nicht nur die<br />
Gehalte <strong>de</strong>s Christentums, aber eben in<br />
einer bestimmten Unterscheidung. 8 Was<br />
nimmt man in <strong>de</strong>r Welt wahr, wenn man<br />
sie unter die Unterscheidung Gott/Götter<br />
stellt? Sicher etwas, was keine an<strong>de</strong>re<br />
Sichtweise vermitteln kann: dass das,<br />
was als letzte und höchste Macht erscheint,<br />
doch nicht die letzte Macht ist.<br />
Was sieht man, wenn man von Gottes<br />
unauflöslicher Bindung an Israel ausgeht?<br />
Sicher eine aus aller sonstigen Geschichtsbetrachtung<br />
völlig unableitbare<br />
Auffassung von Geschichte, die Konsequenzen<br />
hat für die Bewertung von Politik,<br />
von Krieg und Frie<strong>de</strong>n usw. Was sagt<br />
es aus, wenn man gesagt bekommt, dass<br />
Selbsterhaltung und die Suche nach<br />
Glück nicht das letzte Ziel <strong>de</strong>r Existenz<br />
sind, son<strong>de</strong>rn das Lob <strong>de</strong>s biblischen<br />
Gottes? Alles, was uns die Werbung und<br />
<strong>de</strong>r gesun<strong>de</strong> Menschenverstand einhämmern,<br />
wird plötzlich kontingent gesetzt.<br />
Es könnte alles auch ganz an<strong>de</strong>rs sein. 9<br />
Der Anschaulichkeit halber verweise<br />
ich auf ein Unterrichtsbeispiel, eine<br />
Unterrichtsreihe zu Ps 82. 10 Der erste<br />
Teil dieser Reihe bestand nur in <strong>de</strong>r<br />
Einführung in die biblische Unterscheidung<br />
zwischen Gott und Göttern,<br />
wie sie sich in Ps 82 und an<strong>de</strong>rswo darbietet.<br />
Diese Unterscheidung war für<br />
die Schüler völlig neu, sie hörten das<br />
zum ersten Mal.<br />
Das Lernziel: Die Welt in biblischer<br />
Unterscheidung beschreiben können<br />
Der Religionsunterricht soll also<br />
nicht die Kin<strong>de</strong>r zum Glauben führen, er<br />
soll sie nicht ins Haus <strong>de</strong>r biblischen<br />
Sprache einführen, ja noch nicht einmal<br />
religiöse Erfahrungen ermöglichen. Seine<br />
Aufgabe ist schlicht, die Eigenart und<br />
Leistungsfähigkeit einer bestimmten<br />
Codierung aufzuzeigen. Er ist darin je<strong>de</strong>m<br />
an<strong>de</strong>ren Schulfach völlig vergleich-<br />
bar. Der Mathematikunterricht zeigt auf,<br />
was man sieht, wenn man die Welt in <strong>de</strong>r<br />
Unterscheidung von zählbar/nicht zählbar<br />
beobachtet, <strong>de</strong>r Geschichtsunterricht<br />
bearbeitet die Unterscheidung Vergangenheit/Gegenwart,<br />
<strong>de</strong>r Musikunterricht<br />
zeigt, was geschieht, wenn man zwischen<br />
Geräuschen und Tönen unterschei<strong>de</strong>t.<br />
Und doch sollen nicht alle<br />
Schüler Mathematiker, Historiker, Musiker<br />
wer<strong>de</strong>n. Sie sollen aber wissen, was<br />
diese Unterscheidungen leisten. Und das<br />
ist <strong>de</strong>nn auch das Lernziel <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />
insgesamt: Die Dinge <strong>de</strong>r<br />
Welt in biblischer Unterscheidung beschreiben<br />
können.<br />
Ob die Schüler dann fromm wer<strong>de</strong>n<br />
o<strong>de</strong>r nicht, steht nicht mehr in <strong>de</strong>r Verantwortung<br />
<strong>de</strong>s Religionsunterrichts.<br />
Die Unterscheidung zur Katechese ist<br />
ganz klar.<br />
Ein Religionsunterricht, <strong>de</strong>r seine<br />
Aufgabe darin sieht, die Beobachtung<br />
<strong>de</strong>r Bibel zu beobachten, <strong>de</strong>r also Beobachtung<br />
zweiter Ordnung betreibt, ist<br />
voll und ganz als Schulfach legitimiert.<br />
Er ist auf <strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>r Zeit – ist doch,<br />
wie Luhmann mit Recht zeigt, Beobachtung<br />
zweiter Ordnung <strong>de</strong>r Erkenntnismodus<br />
par excellence im nachmetaphysischen<br />
und nachi<strong>de</strong>alistischen Zeitalter.<br />
Und dieser Unterricht hat ein klar <strong>de</strong>finiertes,<br />
überprüfbares und bewertbares<br />
Lernziel, eben die Fähigkeit, Sachverhalte<br />
in biblischer Logik zu beschreiben<br />
(so wie ein Schüler in <strong>de</strong>r Lage sein<br />
muss, einen Sachverhalt in mathematischen<br />
Termen zu beschreiben). 11<br />
In <strong>de</strong>m Unterrichtsbeispiel zu Ps 82<br />
bewiesen die Schüler die Fähigkeit, die<br />
Unterscheidung Gott/Götter auf <strong>de</strong>n<br />
Fußball anzuwen<strong>de</strong>n (die Reihe wur<strong>de</strong><br />
in Dortmund durchgeführt). Wenn man<br />
die in <strong>de</strong>m Psalm genannten Pflichten<br />
<strong>de</strong>r Götter einmal auf „Fußballgötter“<br />
anwen<strong>de</strong>t, kommt man zu erstaunlichen,<br />
übrigens auch vom Lehrer nicht<br />
vorherzusehen<strong>de</strong>n Ergebnissen. 12<br />
Der/die ReligionslehrerIn: <strong>de</strong>r/die<br />
beobachtete BeobachterIn<br />
Der Religionslehrer bzw. die Religionslehrerin<br />
muss Teil <strong>de</strong>s Systems
sein, das beobachtet wird, <strong>de</strong>nn nur so<br />
kann er/sie authentisch sagen, wie das<br />
System beobachtet. In gleicher Weise<br />
sollte ein Mathematiklehrer wirklich<br />
mit Zahlen <strong>de</strong>nken können und eine<br />
Musiklehrerin wirklich Musik machen,<br />
nicht nur davon erzählen. Der/die LehrerIn<br />
ist also Beobachter und Beobachteter<br />
zugleich, und daraus entsteht eine<br />
mitunter schwierige Lage. Die Lehrperson<br />
kommt gleichsam in zwei Rollen<br />
vor, und es ist nicht immer ein<strong>de</strong>utig,<br />
in welcher Rolle er/sie agiert. So<br />
wie die Musiklehrerin nicht nur Musik<br />
unterrichtet (beobachtet), son<strong>de</strong>rn<br />
selbst für die Musik steht und mitunter<br />
unter <strong>de</strong>m Unverständnis und Desinteresse<br />
<strong>de</strong>r Schüler persönlich lei<strong>de</strong>t.<br />
Über diesen Rollenkonflikt wäre vieles<br />
zu sagen. Soviel aber steht fest: Weil<br />
<strong>de</strong>r Religionslehrer/die Religionslehrerin<br />
Beobachter und Beobachteter zugleich<br />
ist, muss er/sie Theologie studiert<br />
haben! Denn die Theologie, die<br />
wir in <strong>de</strong>n durch die Aufklärung gegangenen<br />
Kirchen haben, hat diese Doppelrolle<br />
bereits vollzogen. Sie beobachtet<br />
das System Christentum mit <strong>de</strong>n<br />
Augen an<strong>de</strong>rer, mit <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r aufgeklärten<br />
Vernunft, <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Wissenschaft,<br />
<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Konfessionen<br />
o<strong>de</strong>r Religionen usw. Die grundlegen<strong>de</strong><br />
Qualifikation, die RU-Lehrer durch<br />
das Theologiestudium bekommen, ist<br />
das Umgehen-Können mit <strong>de</strong>r Fremdbeobachtung<br />
im System. Nur <strong>de</strong>swegen<br />
kann Religionsunterricht Schulfach<br />
sein, weil RU-Lehrer über diese<br />
Fähigkeit verfügen und damit etwas<br />
an<strong>de</strong>res sind als bloße Propagandisten<br />
ihres Systems.<br />
Das ist übrigens auch <strong>de</strong>r Grund,<br />
warum zurzeit kein islamischer Religionsunterricht<br />
an <strong>de</strong>utschen Schulen<br />
möglich ist. Der Islam hat keine Theologie,<br />
die die Fremdbeobachtung im eigenen<br />
System systematisch durchgeführt<br />
hat. Somit können islamische Religionslehrer<br />
nicht die Qualifikation erwerben,<br />
die für beobachtete Beobachter<br />
unerlässlich ist. Islamischer Religionsunterricht<br />
wäre Glaubensverkündigung,<br />
das aber darf es an <strong>de</strong>r Schule<br />
nicht geben.<br />
Co<strong>de</strong>pflege, die Aufgabe <strong>de</strong>s<br />
Religions-Lehrers<br />
Alles kann wie gesagt Gegenstand<br />
<strong>de</strong>s Religionsunterrichts wer<strong>de</strong>n, nur<br />
eben in <strong>de</strong>r biblischen Unterscheidung.<br />
So wie auch alles Gegenstand <strong>de</strong>s Musikunterrichts<br />
wer<strong>de</strong>n kann, was noch<br />
von Geräuschen zu unterschei<strong>de</strong>n ist.<br />
Eine lärmen<strong>de</strong> Klasse allein macht<br />
noch keine Musik. Die Musiklehrerin<br />
hat das Material <strong>de</strong>s Unterrichts – eigenes<br />
o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Schülern beigebrachtes<br />
– unter <strong>de</strong>r Frage zu überprüfen, inwiefern<br />
es sich überhaupt um Musik<br />
han<strong>de</strong>lt. Und so auch die Religionslehrerin.<br />
Der Lehrer verhin<strong>de</strong>rt, dass<br />
„frem<strong>de</strong> Co<strong>de</strong>s in das Christentum einbrechen<br />
und fremd bleiben“, darin<br />
nicht von ungefähr <strong>de</strong>m Theologen vergleichbar,<br />
<strong>de</strong>r an einer vergleichbaren<br />
Schnittstelle steht. Die Aufgabe <strong>de</strong>s<br />
RU-Lehrers ist „Co<strong>de</strong>pflege“. 13 Er/sie<br />
achtet darauf, dass <strong>de</strong>r Unterricht nicht<br />
unversehens in Ethik abgleitet, in Anthropologie,<br />
in Religionskun<strong>de</strong>, Religionsgeschichte<br />
o<strong>de</strong>r was auch immer.<br />
Das be<strong>de</strong>utet nicht, dass die Mauern<br />
gegen alle frem<strong>de</strong>n Codierungen hochgezogen<br />
wer<strong>de</strong>n, und auch nicht, dass<br />
das Christentum sich als die einzig wahre<br />
o<strong>de</strong>r auch nur irgendwie überlegene<br />
Weltanschauung anzusehen hätte. Es<br />
be<strong>de</strong>utet schlicht, dass man sich in einem<br />
christlichen Religionsunterricht befin<strong>de</strong>t<br />
und dort wie in je<strong>de</strong>m Kommunikationssystem<br />
das Recht besteht, mit <strong>de</strong>r<br />
eigenen Codierung alle an<strong>de</strong>ren in <strong>de</strong>r<br />
Umwelt vorkommen<strong>de</strong>n Codierungen<br />
nach eigenen Maßstäben zu beurteilen. 14<br />
Der Lehrer bzw. die Lehrerin hat dafür<br />
zu sorgen, dass das so bleibt. Wenn also<br />
frem<strong>de</strong> Codierungen auftauchen – oft<br />
genug wer<strong>de</strong>n es ethische sein – dann hat<br />
sie/er dafür zu sorgen, dass sie im System<br />
gelesen wer<strong>de</strong>n können, sie in <strong>de</strong>n<br />
Systemco<strong>de</strong> übersetzt wer<strong>de</strong>n können,<br />
dass sie also nicht „fremd bleiben“. Informationen,<br />
die im Systemco<strong>de</strong> gar<br />
nicht gelesen wer<strong>de</strong>n können, müssen<br />
als solche kenntlich gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />
Sie sind wie die Frevler in Ps 1: Sie verwehen<br />
im Wind, sind in Systemsicht<br />
nur Rauschen. 15<br />
Das didaktische Programm: Irritation<br />
Nach allem, was oben über die Be<strong>de</strong>utung<br />
<strong>de</strong>r Irritation in unserer systemisch<br />
differenzierten Gesellschaft gesagt<br />
wur<strong>de</strong>, legt es sich nahe, im Religionsunterricht<br />
auf Irritationsdidaktik umzuschalten.<br />
Unterrichtsgegenstän<strong>de</strong> sollten<br />
danach ausgesucht wer<strong>de</strong>n, inwieweit<br />
sie das Neue und Unableitbare <strong>de</strong>r<br />
christlichen Unterscheidungen präsentieren,<br />
und sie sollten entsprechend präsentiert<br />
wer<strong>de</strong>n. Religionsunterricht hat<br />
wie kaum ein an<strong>de</strong>rer Unterricht die<br />
Chance, mit seinen Gehalten zu überraschen,<br />
Neues und Frem<strong>de</strong>s zu sagen,<br />
gängige, in an<strong>de</strong>ren Codierungen gebil<strong>de</strong>te<br />
Erwartungen zu enttäuschen bzw.<br />
zu überschreiten. Die Irritation gelingt<br />
umso mehr, je <strong>de</strong>utlicher <strong>de</strong>r Systemco<strong>de</strong><br />
zur Anwendung kommt. Im gegebenen<br />
Unterrichtsbeispiel waren es die<br />
Einführung in die Unterscheidung zwischen<br />
Gott und Göttern, <strong>de</strong>r Aufweis<br />
<strong>de</strong>s Himmels als eines beson<strong>de</strong>ren Orts<br />
in <strong>de</strong>r Welt, die Information über Vorgänge<br />
im Himmel, das Verzeichnis <strong>de</strong>r<br />
Pflichten <strong>de</strong>r Götter, die Schil<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>s Göttersturzes, die irritieren<strong>de</strong> Aufmerksamkeit<br />
erzeugten. So etwas hatten<br />
die Schüler und Schülerinnen noch<br />
nie gehört. Es eröffnete ihnen ganz<br />
neue Perspektiven.<br />
Ist mit <strong>de</strong>rIrritationsdidaktik die Korrelationsdidaktik<br />
passé? Ja und nein. Ja,<br />
insofern die auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Rahnerschen<br />
Theologie geübte Anknüpfung religiöser<br />
Gehalte an anthropologische<br />
Gegebenheiten, an Erfahrungen und Bedürfnisse,<br />
an das Wünschen und Wollen<br />
<strong>de</strong>r Schüler nicht in Betracht kommt.<br />
Das christliche System verhält sich völlig<br />
frei zu dieser – tatsächlich immer von<br />
an<strong>de</strong>ren Systemcodierungen geprägten –<br />
Erfahrungswelt. So wie es beispielsweise<br />
auch nicht möglich ist, die Logik <strong>de</strong>s<br />
Rechtssystems aus Alltagserfahrungen<br />
zu eruieren, kommt doch die Unterscheidung<br />
Recht/Unrecht in <strong>de</strong>r Umwelt <strong>de</strong>s<br />
Systems nicht vor. Aber insofern in einer<br />
Irritationsdidaktik Überraschen<strong>de</strong>s im<br />
Verhältnis zu <strong>de</strong>n Erwartungen im Mittelpunkt<br />
steht, ist nun doch einiges von<br />
<strong>de</strong>n Schülern und ihren Erwartungen zu<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
BEITRÄGE<br />
43
BEITRÄGE<br />
44<br />
wissen. Der Irritationsfaktor bemisst<br />
sich im Verhältnis zu <strong>de</strong>n Erwartungen,<br />
und diese können sehr unterschiedlich<br />
sein. Hier ist also eine Art negativer Korrelation<br />
am Platze.<br />
Doch meine ich, dass diese Art negativer<br />
Korrelation im Unterricht kaum<br />
operationalisiert wer<strong>de</strong>n kann. Der<br />
Lehrer weiß wenig über das Lernen <strong>de</strong>r<br />
Schüler. Lernen geschieht in Selbstorganisation,<br />
und niemand kann ermessen,<br />
wie ein Bewusstsein zu einer gegebenen<br />
Zeit mit einer frem<strong>de</strong>n Information<br />
umgeht. Ein Fehler <strong>de</strong>r herkömmlichen<br />
Korrelationsdidaktik war es<br />
vielleicht, <strong>de</strong>n Lernprozess selbst didaktisch<br />
vorzustrukturieren und organisieren<br />
zu wollen. Dagegen wehren sich<br />
Schüler zu Recht, <strong>de</strong>nn in ihre systeminternen<br />
Operationen kann niemand von<br />
außen eingreifen. Die immer wie<strong>de</strong>r<br />
traktierte religionspädagogische Fragestellung,<br />
wie <strong>de</strong>nn eine Beziehung zwischen<br />
<strong>de</strong>r Lebenswelt <strong>de</strong>r SchülerInnen<br />
und <strong>de</strong>n theologischen Inhalten hergestellt<br />
wer<strong>de</strong>n kann, ist obsolet. Man<br />
überlasse es <strong>de</strong>n Inhalten, wie sie sich<br />
bei <strong>de</strong>n Schülern zur Geltung bringen;<br />
auch <strong>de</strong>r Religionslehrer soll ja noch<br />
überrascht wer<strong>de</strong>n können. Korrelation<br />
geschieht bei je<strong>de</strong>m Lernvorgang, aber<br />
sie kann nicht didaktisiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Dennoch gibt es Erfahrungswerte,<br />
auf die ein erfahrener Lehrer zurückgreifen<br />
kann. Lernen geschieht wesentlich<br />
auf Grund von Wie<strong>de</strong>rholung! Und<br />
dies leuchtet irritationstheoretisch ja<br />
auch ein: Ein System wird erst dann auf<br />
eine Verän<strong>de</strong>rung in <strong>de</strong>r Umwelt reagieren,<br />
wenn sie wie<strong>de</strong>rholt auftritt.<br />
Erst das wie<strong>de</strong>rholte Auftreten einer<br />
Störung in <strong>de</strong>r Umwelt veranlasst das<br />
System zu internen Verän<strong>de</strong>rungen; so<br />
ist es doch bei je<strong>de</strong>m Lernvorgang. Und<br />
schließlich noch ein Weiteres: „Sagen<br />
lassen sich die Leute nichts, aber erzählen<br />
lassen sie sich alles“ (Bernhard von<br />
Brentano). 16 Dieses didaktische Prinzip<br />
aber führt unmittelbar zur Bibel zurück.<br />
Die Rezeptionsgeschichte biblischer<br />
Erzählungen zeigt, wie viele unterschiedliche<br />
Lernerfahrungen aus ihnen<br />
erwachsen sind. Darauf kann <strong>de</strong>r Religionsunterricht<br />
vertrauen.<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
Anmerkungen<br />
* Die Langfassung diesen Aufsatzes steht im Internet<br />
zur Verfügung: www.ifrr.<strong>de</strong><br />
1 Für Luhmann verweise ich allgemein auf sein umfangreiches<br />
Œuvre und die entsprechen<strong>de</strong> Fachliteratur.<br />
Die von D. Baecker hg. Einführung in die Systemtheorie<br />
(Hei<strong>de</strong>lberg ?2006), eine Wie<strong>de</strong>rgabe <strong>de</strong>r<br />
von Luhmann selbst im WS 1991/93 gehaltene Vorlesung,<br />
halte ich als leichtverständliche Einführung<br />
in sein Denken für sehr geeignet. Ein ansprechen<strong>de</strong>s<br />
didaktisches Design hat Margot Berghaus: Luhmann<br />
leicht gemacht – Köln, Weimar, Wien. 2004.<br />
2 Vgl. dazu mein Buch Von Menschen, Mächten und<br />
Gewalten. Eine Himmelslehre – Mainz. 2005.<br />
3 Ich verweise noch mal auf mein Buch Von Menschen,<br />
Mächten und Gewalten (s. Anm. 2).<br />
4 Vgl. meinen Beitrag: Die Einheit <strong>de</strong>r Unterscheidung<br />
und das unterschei<strong>de</strong>nd Christliche –Überlegungen<br />
zu <strong>de</strong>m Mystiker, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Christ <strong>de</strong>r Zukunft sein soll,<br />
in: D. Berger (Hg.)/Karl Rahner: Kritische Annäherungen<br />
– Siegburg. 2004, 43-60.<br />
5 Vgl. zum Folgen<strong>de</strong>n mein Buch. Wandlung. Ein Traktat<br />
über Eucharistie und Ökonomie – Ostfil<strong>de</strong>rn.<br />
2006, 107-119.<br />
6 Hier liegt m.E. <strong>de</strong>r gesellschaftlichen Hintergrund <strong>de</strong>r<br />
Transsubstantiationslehre, die sich <strong>de</strong>shalb gegen<br />
konkurrieren<strong>de</strong> Mo<strong>de</strong>lle durchsetzen konnte: Verwandlung<br />
von Selbsterhaltungsenergie in Reich-<br />
Gottes-Wirklichkeit, das fand in mittelalterlichen Gesellschaft<br />
statt, so dass man auch an die Verwandlung<br />
von Brot und Wein in Leib Christi glauben<br />
konnte. Die „äußere Gestalt“ bliebt dabei gleich, sowohl<br />
beim Brot wie bei <strong>de</strong>n Menschen, die für die<br />
kirchlichen Gna<strong>de</strong>nangebote viel Geld ausgaben,<br />
um ihre Zukunft zu sichern.<br />
7<br />
Ich könnte Erfahrungen mit Theologiestudieren<strong>de</strong>n<br />
aus 20 Jahren universitärer Lehre anführen. Vertrautheit<br />
mit <strong>de</strong>r Bibel, Überblickswissen zur Kirchengeschichte,<br />
Kenntnis <strong>de</strong>r Kernaussagen <strong>de</strong>r<br />
christlichen Glaubenslehre sind selbst bei <strong>de</strong>nen,<br />
die Theologie studieren wollen, kaum vorhan<strong>de</strong>n.<br />
8 Von hier aus kann man sich einen Begriff von <strong>de</strong>r Inspiration<br />
<strong>de</strong>r hl. Schrift bil<strong>de</strong>n: Alles kann Gegenstand<br />
<strong>de</strong>r hl. Schrift sein, aber alles wird in <strong>de</strong>r schriftgemäßen<br />
Unterscheidung kommuniziert. Die Hagiographen<br />
geben laufend Informationen in das System<br />
(geschichtliche, juristische, biographische ...), die aber<br />
in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Schrift eigenen Weise beobachtet und geordnet<br />
wer<strong>de</strong>n. Dass die Unterscheidung <strong>de</strong>s biblischen<br />
Systems nicht einfach erschwinglich ist, son<strong>de</strong>rn<br />
die Offenbarung Gottes voraussetzt, führt dann<br />
zu <strong>de</strong>r Aussage: Die Schrift ist vom Hl. Geist inspiriert.<br />
9 Wenn es keine objektive Wirklichkeitserkenntnis gibt,<br />
son<strong>de</strong>rn man sich zur Erkenntnis <strong>de</strong>r Wirklichkeit an<br />
die Beobachtung zweiter Ordnung halten muss, folgt<br />
daraus, dass alles kontingent gesetzt wird. Alles ist<br />
auch an<strong>de</strong>rs möglich, so ergibt sich aus <strong>de</strong>r unterschiedlichen<br />
Wirklichkeitskonstruktion <strong>de</strong>r Systeme,<br />
vgl. Luhmann, Gesellschaft <strong>de</strong>r Gesellschaft S. 750.<br />
10 Ein Bericht über die von mir durchgeführte Unterrichtsreihe<br />
ist abgedruckt in <strong>IN</strong><strong>FO</strong>, Nr. 2/2002, 31. Jg.,<br />
S. 250-252.<br />
11 Es könnte aber jemand fragen, ob <strong>de</strong>nn die biblischchristliche<br />
Unterscheidung in <strong>de</strong>r Schule gelehrt wer<strong>de</strong>n<br />
muss. Diese Frage haben zwar nicht die Religionspädagogen<br />
son<strong>de</strong>rn die Bildungsverantwortlichen<br />
zu klären, es wür<strong>de</strong> aber bei <strong>de</strong>r vorgeschlagenen<br />
Konzeption leicht fallen zu argumentieren: Diese<br />
Sichtweise ist Teil unserer Kultur, nur durch sie lassen<br />
sich viele Phänomene verstehen. Diese Erklärung<br />
müsste für die Schule genügen, sie ist übrigens für<br />
<strong>de</strong>n RU stichhaltiger als für manch an<strong>de</strong>res Schulfach.<br />
12 Eine Anschlussfrage ist die nach <strong>de</strong>r Religions- bzw.<br />
Konfessionszugehörigkeit <strong>de</strong>r SchülerInnen. Da im<br />
Unterricht nach <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Konzeption kein<br />
Glauben vorausgesetzt wird, können prinzipiell alle<br />
Schüler gleich welcher Religionszugehörigkeit o<strong>de</strong>r<br />
-nichtzugehörigkeit am Unterricht teilnehmen. Meine<br />
eigenen Unterrichtserfahrungen belegen z.B.,<br />
dass auch muslimische o<strong>de</strong>r atheistische Schüler<br />
Interesse zeigen an <strong>de</strong>r biblischen Weltsicht, wenn<br />
ihnen diese als Unterrichtsgegenstand und nicht als<br />
Glaubensauffor<strong>de</strong>rung vermittelt wird. Hingegen<br />
wird die Lehrperson immer nur aus einer konfessionellen<br />
Position heraus agieren können, aus <strong>de</strong>m<br />
einfachen Grund, weil es kein überkonfessionelles<br />
christliches Kommunikationssystem gibt. Sollte von<br />
Seiten <strong>de</strong>r Schüler, <strong>de</strong>r Eltern o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Institution<br />
Schule ein Interesse an einem konfessionell einheitlichen<br />
Unterricht bestehen, etwa dann, wenn die<br />
Schüler tatsächlich überwiegend dieser Konfession<br />
angehören und in ihr gebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n sollen, kann<br />
<strong>de</strong>r RU <strong>de</strong>m entgegenkommen.<br />
13 Dieser Begriff und auch das letzte Zitat nach Joh. Ev.<br />
Hafner: Selbst<strong>de</strong>finition <strong>de</strong>s Christentums. Ein systemtheoretischer<br />
Zugang zur frühchristlichen Ausgrenzung<br />
<strong>de</strong>r Gnosis – Freiburg. 2003, 626.<br />
14 Hafner aaO. 627 bringt es auf die Formel: „Daher gilt<br />
nicht <strong>de</strong>r phänomenologische Grundsatz ‚Wer mehr<br />
sieht, hat Recht’, son<strong>de</strong>rn die Gleichstellung verschie<strong>de</strong>ner<br />
Perspektiven ‚Je<strong>de</strong>r sieht alles, aber an<strong>de</strong>rs’.“<br />
15 Zur Co<strong>de</strong>pflege gehört es auch, <strong>de</strong>n systemischen<br />
Ort von Schule und Kirche klar zu unterschei<strong>de</strong>n. Im<br />
RU geht es um Beobachtung <strong>de</strong>r religiösen Beobachtung,<br />
in <strong>de</strong>r Kirche um religiöse Praxis. Den Versuch,<br />
Religion im Unterricht inszenieren zu wollen,<br />
wie ihn Hans Mendl auf <strong>de</strong>r Tagung vertrat, halte ich<br />
schon aus diesem Grun<strong>de</strong> für abwegig.<br />
Prof. Dr. Thomas Ruster ist Professor<br />
für Systematische Theologie an <strong>de</strong>r<br />
Universität Dortmund.<br />
Veröffentlichungen Prof. Dr. Thomas Ruster :<br />
Ruster, Thomas: Die verlorene Nützlichkeit <strong>de</strong>r Religion.<br />
Katholizismus und Mo<strong>de</strong>rne in <strong>de</strong>r Weimarer Republik.<br />
– Pa<strong>de</strong>rborn u.a.: Verlag Schöningh: 2., erg. Aufl. 1997.<br />
423 S. (ISBN 978-3-506-77381-4)<br />
Ruster, Thomas: Der verwechselbare Gott. Theologie<br />
nach <strong>de</strong>r Entflechtung von Christentum und Religion<br />
(Quaetiones disputatae 181). – Freiburg u.a.: Verlag<br />
Her<strong>de</strong>r. 7. Aufl. 2004. 225 S. (ISBN 978-3-451-02181-7)<br />
Ruster, Thomas: Von Menschen, Mächten und Gewalten.<br />
Eine Himmelslehre – Mainz: Matthias-Drünwald-<br />
Verlag. 2005. 336 S. (ISBN 978-3-7867-2570-1)<br />
Ruster, Thomas: Wandlung. Ein Traktat über Eucharistie<br />
und Ökonomie. – Ostfil<strong>de</strong>rn: Matthias-Günwald-Verlag.<br />
2006. 184 S. (ISBN 978-3-7867-2602-9)<br />
Dormeyer, Detlev/Mölle, Herbert/Ruster, Thomas (Hg.):<br />
Lebenswege und Religion. Biographie in Bibel, Dogmatik<br />
und Religionspädagogik (Religion und Biographie).<br />
– Münster u.a.: LIT Verlag. 2000. 320 S. (ISBN 978-3-<br />
8258-4226-0)
Einleitung<br />
„So schmeckt katholisch“ o<strong>de</strong>r<br />
Sinn durch Sinnlichkeit<br />
Erfahrungsbericht und Bausteine zur Gestaltung<br />
einer Unterrichtseinheit in <strong>de</strong>r Jahrgangsstufe 10<br />
im Kontext liturgischer Bildung<br />
Zugegeben – es passiert einem<br />
nicht alle Tage, dass ein Religionskurs<br />
Jahrgangsstufe 10 von sich aus vorschlägt,<br />
einmal „Gottesdienst“ als Thema<br />
im Unterricht zu behan<strong>de</strong>ln. Auch<br />
im vorliegen<strong>de</strong>n Fall war dies kein<br />
Ausbruch spontaner Frömmigkeit. Den<br />
Schülerinnen eines Mädchengymnasiums<br />
ging es, wie sich herausstellte, um<br />
eine Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit Liturgie,<br />
die bei ihnen zwar einen festen Bestandteil<br />
<strong>de</strong>r Schulkultur ausmacht, gera<strong>de</strong><br />
darin aber auch Reibungspunkte<br />
bietet.<br />
Die Auswertung <strong>de</strong>r Ausgangslage<br />
erbrachte, dass vor allem die liturgischen<br />
Formen, welche die Schülerinnen<br />
zwar auszuüben und vorzubereiten<br />
wissen, weitgehend unverständlich gewor<strong>de</strong>n<br />
sind. Den Formen konnte häufig<br />
kein sinnbezogener Inhalt zugewiesen<br />
wer<strong>de</strong>n. Dabei ging es aufgrund einer<br />
ermittelten positiven Grundhaltung<br />
gar nicht einmal um die Einstellung gegenüber<br />
Religion und Gottesdienst.<br />
Vielmehr stand die Frage ausgesprochen<br />
im Vor<strong>de</strong>rgrund: „Was tun wir da<br />
eigentlich?“<br />
Im Gespräch wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich, dass<br />
es <strong>de</strong>n Schülerinnen nicht um einen liturgischen<br />
Teilaspekt zu tun war, wie es<br />
für eine übersichtliche Unterrichtseinheit<br />
plausibel und aus didaktischen<br />
Grün<strong>de</strong>n eigentlich sinnvoll gewesen<br />
wäre. Es sollte – nicht ganz vernünftig –<br />
ums Ganze gehen.<br />
Mit zwei Fä<strong>de</strong>n – Leitlinien<br />
Angesichts <strong>de</strong>r Breite 1 möglicher<br />
Inhalte und Ziele von Liturgischer Bildung<br />
und <strong>de</strong>s umfänglich ausgesprochenen<br />
„Bildungsauftrages“ musste natürlich<br />
eine thematische Einschränkung<br />
erfolgen. Da die Ausgangsfrage<br />
darauf hinauslief, dass Formen und<br />
Handlungen, liturgische Sprache und<br />
Schrift nicht mehr lesbar waren, haben<br />
wir verabre<strong>de</strong>t, uns bei <strong>de</strong>r Erarbeitung<br />
auf <strong>de</strong>n Bereich liturgischer Formen<br />
und Zeichen zu konzentrieren.<br />
Passend zu sommerlichen Temperaturen,<br />
die Melodie eines Eis-Herstellers<br />
im Kopf, wur<strong>de</strong> die Einheit schnell<br />
getauft: „So schmeckt katholisch!“ Geschmack<br />
dabei wohlverstan<strong>de</strong>n als<br />
Pars pro Toto für alle Sinnenfälligkeit<br />
katholischer Liturgie, dann aber auch<br />
im Sinne ästhetizistischer Auseinan<strong>de</strong>rsetzung.<br />
Um <strong>de</strong>r Einheit aufgrund vielfältiger<br />
Einzelthemen eine klare Stringenz<br />
und Phrasierung zu geben, wur<strong>de</strong>n<br />
zwei Unterrichtslinien zu Grun<strong>de</strong> gelegt,<br />
die dann auch ihre unterrichtliche<br />
Entfaltung gefun<strong>de</strong>n haben. Sie wer<strong>de</strong>n<br />
nachfolgend beschrieben.<br />
Negativ-privative Theologie<br />
Wenn es eine Unterrichtslinie gibt,<br />
die geeignet ist, liturgische Zeichensysteme<br />
und Handlungen in <strong>de</strong>n Blick<br />
zu nehmen, dann ist es die theologische<br />
Einsicht in die Spannung jedwe<strong>de</strong>r<br />
Matthias Werner<br />
christlicher Liturgie und sei sie auch<br />
sakramental vermittelt. In ihrer Bezogenheit<br />
auf das göttliche Heilsmysterium<br />
spiegelt sie die Grundstruktur jener<br />
Spannung, die sich seit <strong>de</strong>r Offenbarung<br />
am Dornbusch (Ex 3) durch alle<br />
theologische Re<strong>de</strong> und Erkenntnis<br />
zieht: Es ist die Polarität zwischen<br />
positiv-affirmativer und negativ-privativer<br />
Theologie. Die im Medium Heilige<br />
Schrift eingespeicherten Erfahrungen<br />
ver<strong>de</strong>utlichen: Der Gott <strong>de</strong>r jüdischen<br />
und christlichen Religion sagt<br />
sich <strong>de</strong>n Menschen zu, geht mit ihnen<br />
durch die Geschichte und inkarniert in<br />
bleibend heilshafter Relevanz (positivaffirmativ),<br />
aber er hinterlässt zugleich<br />
auch ein zeichentheoretisches Darstellungsproblem<br />
(negativ-privativ). Sein<br />
Dasein in <strong>de</strong>r Welt ist ein Dasein, das<br />
sich gegenüber an<strong>de</strong>ren Dingen durch<br />
Alterität auszeichnet, und bedarf eines<br />
Zeichen- und Handlungssystems, welches<br />
<strong>de</strong>n Wesenszug eines anwesen<strong>de</strong>n<br />
Geheimnisses adäquat zu Ausdruck<br />
bringt. An<strong>de</strong>rs gesagt: Dem Wesen Gottes,<br />
<strong>de</strong>ssen Anwesenheit sich in gleichzeitiger<br />
Entzogenheit offenbart, muss<br />
auch eine kultische Form entsprechen,<br />
in <strong>de</strong>r sich die „bleibend dunkle Gestalt<br />
<strong>de</strong>s Göttlichen“ 2 (Schilson) in heilshafter<br />
Anwesenheit bricht.<br />
Auch wenn christliche Liturgie als<br />
Gestalt in erster Linie positiv und affirmativ<br />
gefeiert und wahrgenommen<br />
wird, lebt sie nicht weniger aus diesem<br />
privativen Gottesverständnis. Im liturgischen<br />
Kontext drücken sich diese<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
UNTERRICHTSPRAXIS<br />
45<br />
Unterrichts-Mo<strong>de</strong>ll
UNTERRICHTSPRAXIS<br />
46<br />
Unterrichts-Mo<strong>de</strong>ll<br />
Privationen vielfältig aus. Es ist damit<br />
zu beginnen, dass <strong>de</strong>r theozentrische<br />
Charakter <strong>de</strong>r Liturgie in die Anschauungsformen<br />
hineinwirkt: Hier wer<strong>de</strong>n<br />
eigene Zeiten reklamiert, an <strong>de</strong>nen Liturgie<br />
in absoluter Zweckfreiheit <strong>de</strong>n<br />
menschlichen Alltag unterbricht. 3 Eindrückliches<br />
Beispiel einer solchen Privation<br />
ist <strong>de</strong>r Sabbat bzw. Sonntag, an<br />
<strong>de</strong>m <strong>de</strong>m Mensch das Verfolgen eigener<br />
Zwecke genommen wird. Der Anschauungsform<br />
Zeit entspricht die nicht<br />
weniger kosmische Dimension <strong>de</strong>s Ortes.<br />
Sakrale Gebäu<strong>de</strong> grenzen einen eigenen,<br />
geweihten Bereich aus <strong>de</strong>r alltäglichen<br />
zweckgebun<strong>de</strong>n Räumlichkeit<br />
aus und wollen je nach Ausprägung<br />
mehr o<strong>de</strong>r weniger <strong>de</strong>utlich und<br />
unter <strong>de</strong>m eschatologischen Vorenthalt<br />
einen Abglanz <strong>de</strong>s „Himmlischen Jerusalems“<br />
darstellen.<br />
Auf dieser privativen Linie liegen<br />
ebenfalls die sinnlichen Gestaltungen<br />
<strong>de</strong>r heiligen Zeichen und Bil<strong>de</strong>r, in <strong>de</strong>nen<br />
das ganze Bemühen <strong>de</strong>utlich wird,<br />
Nichtsinnliches in Sinnlichem ausdrücken<br />
zu wollen. Hierzu wird man auch<br />
das vielen Menschen merkwürdig und<br />
anachronistisch anmuten<strong>de</strong> Verhalten<br />
<strong>de</strong>r Gläubigen rechnen wollen, in <strong>de</strong>m<br />
sich diese bald stehend, sitzend,<br />
kniend, schweigend versuchen, <strong>de</strong>m<br />
Geheimnis gegenüber zu verhalten.<br />
Macht man sich erst einmal auf, <strong>de</strong>n<br />
Spuren privativer o<strong>de</strong>r negativer Theologie<br />
zu folgen, lassen sich diese gewissermaßen<br />
bis in die eucharistische<br />
Gegenwart hinein verfolgen. 4<br />
Für die Unterrichtsgestaltung ist<br />
das Folgen <strong>de</strong>r privativ-theologischen<br />
Spur insofern lohnend, als sich daraus<br />
nicht nur ein sinnvoller roter Fa<strong>de</strong>n für<br />
Planung und Durchführung von Unterricht<br />
ergibt. Die Schülerinnen und<br />
Schüler fin<strong>de</strong>n einen guten Zugang zu<br />
dieser Art theologischen Denkens – vor<br />
allem ab <strong>de</strong>r mit Jean Piaget entwicklungspsychologisch<br />
beschreibbaren Phase<br />
<strong>de</strong>s formal-operatorischen Denkens.<br />
Die darin gegebene Ausbildung einer<br />
kritischen Denkweise und <strong>de</strong>r Abschied<br />
vom naiv kindlichen Weltbild 5<br />
treffen einigermaßen unvermutet auf<br />
einen Aspekt christlicher Religion, <strong>de</strong>r<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
im Unterricht häufig nur am Ran<strong>de</strong><br />
o<strong>de</strong>r gar nicht thematisiert wird. Gera<strong>de</strong><br />
für die weitere Glaubensentwicklung<br />
können die im Kontext negativer<br />
Theologie geleisteten Reflexionen eine<br />
Chance und intellektuelle Bewältigung<br />
auf <strong>de</strong>m Weg zu einer Art „Zweiter<br />
Naivität“ (Ricoeur) darstellen.<br />
Liturgie als Ritual?<br />
Als zweite zentrale Unterrichtslinie<br />
bietet sich die Konzentration auf <strong>de</strong>n<br />
Menschen in seiner Körperlichkeit an.<br />
Schließlich zeigt sich bei genauerer<br />
Betrachtung, dass es nahezu keine Dimension<br />
<strong>de</strong>s Menschen gibt, keine<br />
Sinnlichkeit, die vom liturgischen Vollzug<br />
nicht angesprochen wäre: Augen,<br />
Nasen, Ohren, Mund und Tastsensorik<br />
sind zwar zu unterschiedlichen Anteilen<br />
beteiligt, formen jedoch gemeinsam<br />
mit Körperhaltungen und Gestik<br />
die liturgische actio. Da sich in all diesen<br />
Elementen etwas über sie selbst<br />
und zugleich über das Wesen <strong>de</strong>r Liturgie<br />
aufschließt, lässt sich hier in einer<br />
eminenten Weise Sinn über Sinnlichkeit<br />
(re-)konstruieren. „Die Einbeziehung<br />
<strong>de</strong>s Leibes, um die es im Gottesdienst<br />
<strong>de</strong>s fleischgewor<strong>de</strong>nen Wortes<br />
geht, drückt sich in <strong>de</strong>r Liturgie selbst in<br />
einer gewissen Zucht <strong>de</strong>s Leibes aus, in<br />
Gebär<strong>de</strong>n, die aus <strong>de</strong>m inneren Anspruch<br />
<strong>de</strong>r Liturgie erwachsen sind und<br />
sozusagen körperlich ihr Wesen versichtbaren.<br />
(...) Gera<strong>de</strong> wenn man die<br />
innere Sprache <strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>n zu verstehen<br />
sucht, kann man ihren Ursprung und<br />
ihre seelische Richtung verstehen.“ 6<br />
Der Umstand, dass bei vielen Schülerinnen<br />
und Schülern nicht nur <strong>de</strong>r liturgische<br />
Gestus, son<strong>de</strong>rn auch seine<br />
„rituell“ sich wie<strong>de</strong>rholen<strong>de</strong> Verwendung<br />
fragwürdig gewor<strong>de</strong>n ist, steht einer<br />
Sinnerschließung nicht im Weg.<br />
Wie sich zeigt, kann dies sogar von<br />
Vorteil sein. Es ist insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Ritualforschung<br />
<strong>de</strong>r letzten Jahre zu verdanken,<br />
dass Rituale in ihrem Wert<br />
wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utlicher herausgestellt und<br />
zum Gegenstand von Lernprozessen<br />
gemacht wer<strong>de</strong>n. Rituale können Leben<br />
entlasten, in<strong>de</strong>m sie ihm Struktur<br />
und Ordnung geben, sie helfen in Krisenzeiten,<br />
bei Begehungen <strong>de</strong>s Unbekannten,<br />
sie stiften Gemeinschaft und<br />
nicht zuletzt I<strong>de</strong>ntität. Dass Rituale aber<br />
auch in das Gegenteil umschlagen können<br />
und nicht nur als überkommen und<br />
beengend, son<strong>de</strong>rn auch als nichtssagend<br />
empfun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n können, zeigt<br />
die Ausgangslage <strong>de</strong>r Schülerinnen.<br />
Mit Andreas O<strong>de</strong>nthal ist auch<br />
christliche Liturgie als Ritual zu betrachten,<br />
wenn man als Ritual ein Symbolgeschehen<br />
versteht, „das in einem<br />
eigenen Wirklichkeitsbereich, <strong>de</strong>m ‚intermediären<br />
Raum’ (...) seinen Ort hat.<br />
Es vermittelt zwischen <strong>de</strong>n subjektiven<br />
Erfahrungen <strong>de</strong>s Menschen und <strong>de</strong>n im<br />
Symbol ‚geronnen Erfahrungen’ die<br />
Menschen mit ihrem Gott gemacht haben.“<br />
7 Diese symbolisch verdichteten<br />
Erfahrungen sind in christlicher Liturgie<br />
noch einmal insofern zu konkretisieren<br />
als sich „kirchliche Liturgie dadurch<br />
spezifiziert, dass die symbolische<br />
Erfahrung <strong>de</strong>r Transzen<strong>de</strong>nz Gottes<br />
an Leben und Werk Jesu gebun<strong>de</strong>n<br />
ist und das rituelle Tun in <strong>de</strong>r Gemeinschaft<br />
<strong>de</strong>r Kirche ‚durch Christus, unsern<br />
Herrn’ geschieht.“ 8<br />
Aus <strong>de</strong>n unterschiedlichen Konzeptionen,<br />
wie mit Ritualen im Unterricht zu<br />
verfahren ist 9 , schält sich ein Ansatz heraus,<br />
<strong>de</strong>r auch bei <strong>de</strong>r Bearbeitung liturgischer<br />
Rituale heranzuziehen, dabei<br />
aber noch einmal zu transformieren ist:<br />
Rituale und säkulare Liturgien la<strong>de</strong>n dazu<br />
ein, gesichtet zu wer<strong>de</strong>n. Auch liturgische<br />
Symbolhandlungen sind zunächst<br />
in ihrer alltäglichen Praxis aufzuspüren,<br />
dann im religiösen und schließlich im<br />
spezifisch christlichen Bereich auf ihre<br />
Be<strong>de</strong>utung hin zu befragen. Hier in eine<br />
kritische Auseinan<strong>de</strong>rsetzung zu gehen,<br />
lohnt aus religionspädagogischer Sicht<br />
vor allem <strong>de</strong>swegen, weil häufig erst <strong>de</strong>r<br />
kritische Diskurs die eigentlichen Gehalte<br />
wirklich ans Tageslicht bringt.<br />
In <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit bestehen<strong>de</strong>n<br />
liturgischen Formen ist aber<br />
auch darauf zu achten, dass das unterschei<strong>de</strong>nd<br />
Christliche in seinem Geltungsanspruch<br />
sowie die kritische Dimension<br />
von Liturgie selbst hinreichend<br />
<strong>de</strong>utlich wer<strong>de</strong>n.
Kritik leitet sich vom griechischen<br />
Verb krinein her. Die erste Person Präsens<br />
krino heißt: ich (unter)schei<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r sichte.<br />
Christliche Liturgie kommt vom Inbegriff<br />
<strong>de</strong>r Unterscheidungen her und obwohl<br />
sie ihren Zielpunkt im endgültigen<br />
Opfer <strong>de</strong>s inkarnierten Logos 10 bereits gefun<strong>de</strong>n<br />
hat, bleibt sie in Hoffnung eschatologisch<br />
und vorläufig aufgespannt. In<br />
dieser kritischen Dimension sucht sie<br />
nicht nur die „Routinen <strong>de</strong>s Alltags“ 11 und<br />
das alltäglich zweckrationale Denken zu<br />
durchbrechen, sie for<strong>de</strong>rt Alltag heraus,<br />
setzt ihm in seinen verschie<strong>de</strong>nen Dimensionen<br />
(politisch, sozial, weltanschaulich<br />
etc.) Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Heils entgegen und will<br />
ihn damit zugleich verän<strong>de</strong>rn.<br />
Zielsetzung und Verlauf <strong>de</strong>r Einheit<br />
Die nachfolgend beschriebene Unterrichtsreihe<br />
wollte mit Rücksicht auf<br />
die Ausgangsfrage einen Beitrag zu Liturgischer<br />
Bildung sowohl im Sinne von<br />
Liturgiefähigkeit als auch Aufklärung<br />
leisten: Die Reihe insgesamt zielte auf<br />
ein Verstehen und eine anfanghaft verän<strong>de</strong>rte<br />
Wahrnehmung in Hinsicht auf<br />
ritualisierte Formen und Zeichen von<br />
christlicher Liturgie. In einer verän<strong>de</strong>rten<br />
Wahrnehmung ist impliziert, dass<br />
Menschen einen neuen Blick auf bekannte<br />
Dinge werfen, es ist aber auch<br />
impliziert, dass Menschen aus Liturgie<br />
verän<strong>de</strong>rt hervorgehen.<br />
Beschrieben wer<strong>de</strong>n einzelne Unterrichtssequenzen,<br />
die rund 2-3 Unterrichtsstun<strong>de</strong>n<br />
entsprechen, je nach Anlage<br />
aber variabel zu gestalten sind. Beschrieben<br />
wer<strong>de</strong>n in erster Linie die<br />
Schwerpunkte <strong>de</strong>r Erarbeitungen.<br />
Sequenz 1 –<br />
Menschen üben Kulte aus<br />
Die Schülerinnen und Schüler wer<strong>de</strong>n<br />
für säkulare Kulte sensibilisiert.<br />
Sie stellen zunächst anhand jener säkularen<br />
Kulte, die sie kennen, fest, was<br />
zum Wesen eines Kultes gehört und<br />
warum Menschen ihn ausüben. Erst in<br />
einem zweiten Schritt ist <strong>de</strong>r Blick auf<br />
spezifisch religiöse Kulte zu öffnen.<br />
• Einstieg Unterrichtsgespräch:<br />
Die Schülerinnen und Schüler sammeln<br />
in einem Gespräch, was ihnen<br />
an Kulten aus ihrer Lebenswelt einfällt.<br />
Hilfreich ist hier u.U. <strong>de</strong>r Gesprächseinstieg<br />
über das Adjektiv<br />
„kultig“. Die Palette <strong>de</strong>r Schüleräußerungen<br />
reicht von „Handy“<br />
über „Fußball“ bis „Wellness“. Aus<br />
<strong>de</strong>n gesammelten Kulten sind einige<br />
auszuwählen und <strong>de</strong>n Schülerinnen<br />
und Schülern in Gruppen zur<br />
Bearbeitung zu geben.<br />
• Erarbeitung 1:<br />
Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten<br />
in Gruppen die Merkmale<br />
eines bestimmten Kultes, sichern<br />
diese auf Folie und stellen sie vor.<br />
Im Unterrichtsgespräch wer<strong>de</strong>n<br />
anschließend die allgemeinen<br />
Merkmale bestimmt und gesichert<br />
(gemeinschaftsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> und i<strong>de</strong>ntitätsstiften<strong>de</strong><br />
Funktion, bestimmte<br />
Riten und Regeln, bestimmte<br />
Merkmale an Kleidung, feste Rituale,<br />
eine gemeinsame Grundi<strong>de</strong>e<br />
o<strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ologie etc.). Im Gespräch<br />
ist zu klären, welche Funktion die<br />
einzelnen Merkmale im Gesamtzusammenhang<br />
<strong>de</strong>s Kultes haben.<br />
• Erarbeitung 2:<br />
Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten<br />
die Fragestellung, warum<br />
Menschen religiöse Kulte ausüben.<br />
Da nicht in allen Klassen religionswissenschaftlicheKenntnisse<br />
bezüglich antiker Kultpraxis<br />
vorauszusetzen sind, empfiehlt<br />
sich die Arbeit mit <strong>de</strong>m Artikel<br />
„Kult“ aus einer Onlineenzyklopädie<br />
(etwa Wikipedia). Sie kommen<br />
zu <strong>de</strong>m Ergebnis, dass es sich bei<br />
vielen religiösen Kulten in erster<br />
Linie um Koordinationen <strong>de</strong>s<br />
Göttlichen durch Opferung und die<br />
Sicherung von persönlichem/familiären<br />
Wohlergehen han<strong>de</strong>lt. Gera<strong>de</strong><br />
Erarbeitung 2 kann als Internetrecherche<br />
im Unterricht o<strong>de</strong>r zu<br />
Hause durchgeführt und durch die<br />
Beschäftigung mit bestimmten<br />
Kulten vertieft wer<strong>de</strong>n.<br />
Sequenz 2 – Elemente<br />
negativer Theologie in <strong>de</strong>r Bibel<br />
Da <strong>de</strong>r christliche Kult in sich wesentlich<br />
die Elemente <strong>de</strong>r Alterität<br />
trägt, soll auf die Erarbeitung eines negativ-theologischenGrundverständnisses<br />
in <strong>de</strong>r Gotteslehre nicht verzichtet<br />
wer<strong>de</strong>n. Dies geschieht exemplarisch<br />
an <strong>de</strong>r Erzählung vom brennen<strong>de</strong>n<br />
Dornbusch in Ex 3, 1-15. Die Schülerinnen<br />
und Schüler erarbeiten an dieser<br />
Erzählung, dass Gott kein Ding neben<br />
an<strong>de</strong>ren in dieser Welt ist, und dass es<br />
eines zeichentheoretischen Aufwan<strong>de</strong>s<br />
bedarf, ihn angemessen zur Sprache<br />
und Darstellung zu bringen.<br />
• Einstieg Bildbetrachtung:<br />
Marc Chagalls (1887-1885) Bild<br />
von Mose am brennen<strong>de</strong>n Dornbusch<br />
wird auf Folie geboten; die<br />
Schülerinnen und Schüler bringen<br />
u.U. ihr Vorwissen ein. (M1)<br />
• Erarbeitung 1:<br />
Der Textabschnitt Ex 3,1-15 wird<br />
gelesen. Der Schwerpunkt <strong>de</strong>r Erarbeitung<br />
liegt zunächst auf jenen<br />
Elementen <strong>de</strong>r Erzählung, die das<br />
Außergewöhnliche markieren (ein<br />
Busch spricht nicht, brennt nicht<br />
ohne zu verbrennen etc.). In <strong>de</strong>m<br />
anschließen<strong>de</strong>n Unterrichtsgespräch<br />
verdient dabei <strong>de</strong>r Name, <strong>de</strong>r ein<br />
Nicht-Name, aber eine spezielle<br />
Zusage ist, eine beson<strong>de</strong>re Beachtung.<br />
Es geht dabei um die zeichentheoretische<br />
Entsprechung zwischen<br />
<strong>de</strong>r nichtdinglichen Anwesenheit<br />
und <strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>ren Markierungen<br />
von Alterität im Text.<br />
• Erarbeitung 2:<br />
In einem zweiten Schritt wird erarbeitet,<br />
welche Möglichkeiten es<br />
gibt, Gott angemessen zur Sprache<br />
zu bringen. Dies kann je nach Vorwissen<br />
<strong>de</strong>r Gruppe aus <strong>de</strong>m<br />
Deutschunterricht als eine Übung<br />
in „Uneigentliches Sprechen“ geleistet<br />
wer<strong>de</strong>n. Als vertiefen<strong>de</strong> Erarbeitung<br />
bietet sich <strong>de</strong>r zeichentheoretisch<br />
reflektieren<strong>de</strong> Text von<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
UNTERRICHTSPRAXIS<br />
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Unterrichts-Mo<strong>de</strong>ll
UNTERRICHTSPRAXIS<br />
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Unterrichts-Mo<strong>de</strong>ll<br />
M1: „Der brennen<strong>de</strong> Dornbusch“ • Marc Chagall Abb.: akg-images<br />
© VG Bild-Kunst, Bonn 2007<br />
E. Kapellari an (M 2). Hier besteht<br />
durch <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Realsymbols<br />
auch die Möglichkeit zu einem Exkurs<br />
zu Sakramenten. Die Aufgabenstellung<br />
ist gegebenenfalls zu<br />
verän<strong>de</strong>rn.<br />
Alternativ könnte hier auch eine<br />
Vertiefung o<strong>de</strong>r ein Einstieg über<br />
das Märchen vom Rumpelstilzchen<br />
erfolgen, in <strong>de</strong>m ja die Einsicht verarbeitet<br />
ist, dass die Kenntnis und<br />
Vergabe eines bestimmten Namens<br />
eine Form <strong>de</strong>r Machtausübung und<br />
Verdinglichung darstellt. Dem wird<br />
die Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>s biblischen<br />
Gottesnamens gegenübergestellt.<br />
Es bietet sich ebenfalls an, hier auf<br />
das biblische Bil<strong>de</strong>rverbot in seiner<br />
Funktion <strong>de</strong>r Wahrung von Transzen<strong>de</strong>nz<br />
einzugehen. 12<br />
Sequenz 3 – Die beson<strong>de</strong>re<br />
jüdisch-christliche Unterscheidung<br />
Die Schülerinnen und Schüler erkennen,<br />
dass <strong>de</strong>r jüdisch-christliche Kult sich<br />
in seiner Zwecksetzung von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />
Kulten unterschei<strong>de</strong>n soll. In diesem Kult<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
geht es nicht um Geschäftsbeziehungen<br />
mit<br />
Gott (do ut <strong>de</strong>s), in diesem<br />
Kult geht es auch<br />
nicht um die Ausgestaltung<br />
eines von Menschen<br />
so gemachten Kultes.<br />
„Der Tanz um das Gol<strong>de</strong>ne<br />
Kalb ist das Bild dieses<br />
sich selbst suchen<strong>de</strong>n<br />
Kultes, <strong>de</strong>r zu einer Art<br />
von banaler Selbstbefriedigung<br />
wird.“ 13 Die Erarbeitung<br />
erfolgt in zwei<br />
Schritten: Zuerst wird <strong>de</strong>r<br />
Verwechslung zwischen<br />
<strong>de</strong>m Kalb und <strong>de</strong>m Gott<br />
<strong>de</strong>s Exodus in Hinsicht<br />
auf die Motive dieser<br />
Verwechselung nachgegangen;<br />
in einem zweiten<br />
Schritt ist dann zu erarbeiten,<br />
welche innere<br />
Haltung in diesem Kult<br />
gefor<strong>de</strong>rt ist.<br />
• Einstieg Bildbetrachtung:<br />
Das Bild René Magrittes (1898-<br />
1967) „Ceci n’est pas une pipe“<br />
wird auf Folie (M 3) aufgelegt. In<strong>de</strong>m<br />
<strong>de</strong>n ersten Äußerungen nachgegangen<br />
wird, dass es sich um einen<br />
Pfeife han<strong>de</strong>le, wer<strong>de</strong>n die<br />
Schülerinnen und Schüler für die<br />
menschliche Eigenschaft sensibilisiert,<br />
Zeichen und Bezeichnetes zu<br />
verwechseln. (Thematisierung: Sinn<br />
<strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>rverbotes)<br />
• Erarbeitung 1:<br />
Erzählung vom Gol<strong>de</strong>nen Kalb (Ex<br />
32). Die Erarbeitung wird so angelegt,<br />
dass die Schülerinnen und Schüler<br />
in Partnerarbeit o<strong>de</strong>r Kleingruppen<br />
die unterschiedlichen Perspektiven<br />
in <strong>de</strong>r Geschichte ausfüllen. Es ist<br />
wichtig, die Grün<strong>de</strong> herauszufin<strong>de</strong>n,<br />
warum sich die Israeliten einen Götzen<br />
ersehnen, ebenso welche Grün<strong>de</strong><br />
es für Mose gibt, in Zorn zu geraten<br />
und das Kalb zu zerstören.<br />
Für die Erarbeitung lohnt <strong>de</strong>r Aufwand,<br />
auf ein gelbes Plakat ein<br />
„Gol<strong>de</strong>nes Kalb“ zu zeichnen, dieses<br />
in mehrere Teile zu schnei<strong>de</strong>n<br />
und <strong>de</strong>n Schülerinnen und Schülern<br />
auszuteilen.<br />
Auf <strong>de</strong>n einzelnen Teilen <strong>de</strong>s Kalbes<br />
notieren die Schülerinnen und<br />
Schüler die Argumente, aus <strong>de</strong>nen<br />
sich das Kalb zusammensetzt. Die<br />
Gruppen, welche die Perspektive<br />
<strong>de</strong>s Mose ausfüllen, erhalten rote<br />
Mo<strong>de</strong>rationskarten, die nachher beschriftet<br />
die Argumente für das Bil<strong>de</strong>rverbot<br />
auflisten und über das zusammengesetzte<br />
Kalb geheftet wer<strong>de</strong>n<br />
können. (Je nach Lerngruppe<br />
M3: „Der Verrat <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r“ • René Magritte Abb.: akg-images<br />
© VG Bild-Kunst, Bonn 2007
kann schon in einem Unterrichtsgespräch<br />
über die Frage nachgedacht<br />
wer<strong>de</strong>n, um wen es bei diesem Kult<br />
eigentlich geht.)<br />
• Erarbeitung 2:<br />
Als Vertiefung ist die Erarbeitung<br />
eines Sachtextes vorgesehen, in<br />
<strong>de</strong>m Papst Benedikt XVI. in einer<br />
interessanten Relecture <strong>de</strong>r Erzählung<br />
vom Gol<strong>de</strong>nen Kalb einen<br />
<strong>de</strong>m Gott <strong>de</strong>s Exodus angemessenen<br />
Kult vorschlägt (M 4). Die<br />
Schülerinnen und Schüler erarbeiten<br />
daraus ein positives Grundverständnis<br />
von Liturgie, in<strong>de</strong>m sie <strong>de</strong>r<br />
Frage nachgehen, welche innere<br />
Haltung in <strong>de</strong>r christlichen Liturgie<br />
prinzipiell gefor<strong>de</strong>rt ist.<br />
Je nach Absicht und Intension <strong>de</strong>r<br />
Einheit kann an dieser Stelle die positive<br />
Grundbestimmung von Liturgie in<br />
Richtung Eucharistie vorangetrieben<br />
wer<strong>de</strong>n. Da gera<strong>de</strong> die älteren Schülerinnen<br />
und Schüler in diesem Bereich<br />
weniger Schwierigkeiten mit <strong>de</strong>m Erfassen<br />
<strong>de</strong>s kognitiven Gehaltes von Eucharistie<br />
als vielmehr mit <strong>de</strong>r Frage<br />
nach <strong>de</strong>r Wirklichkeit <strong>de</strong>r Eucharistie<br />
haben, empfiehlt es sich, auf die Wirklichkeit<br />
von Eucharistie einen Schwerpunkt<br />
zu setzen. Hilfreich für diesen<br />
lohnen<strong>de</strong>n Exkurs ist neben <strong>de</strong>m Vorschlag<br />
Eckhard Nordhofens „Tut dies<br />
zu meinem Gedächtnis“ 14 auch ein kurzer<br />
Text Arno Schilsons, <strong>de</strong>r ebenfalls<br />
als Vorlage abgedruckt wird (M 5).<br />
Sequenz 5 –<br />
Sinn und Sinnlichkeit<br />
In dieser Sequenz geht es darum herauszufin<strong>de</strong>n,<br />
wie <strong>de</strong>r Mensch als ganzer<br />
in <strong>de</strong>r Liturgie vorkommt. Angesprochen<br />
sind sowohl die verschie<strong>de</strong>nen<br />
menschlichen Sinne als auch <strong>de</strong>r<br />
Bezug auf Zeichen und bestimmte Haltungen<br />
<strong>de</strong>s ganzen Körpers. Im ersten<br />
Schritt wird gewissermaßen ein Katalog<br />
von Sinnlichkeiten und Haltungen<br />
angelegt, ohne dass dabei schon die zur<br />
äußeren gehören<strong>de</strong> innere Haltung thematisiert<br />
wird.<br />
Collage „Gol<strong>de</strong>nes Kalb“ Foto: Werner<br />
• Einstieg Unterrichtsgespräch:<br />
Kurzes Gespräch über die Sinne <strong>de</strong>s<br />
Menschen und ihre Leistung zur<br />
Orientierung in <strong>de</strong>r Welt.<br />
• Erarbeitung 1:<br />
Im Klassenraum wer<strong>de</strong>n an verschie<strong>de</strong>nen<br />
Stellen D<strong>IN</strong>A4 große<br />
Symbole <strong>de</strong>r menschlichen Sinne<br />
angeheftet (gut im Internet zu fin<strong>de</strong>n).<br />
Die Schülerinnen und Schüler<br />
gehen von Station zu Station<br />
und notieren auf Plakaten, wie diese<br />
Sinne in <strong>de</strong>r Liturgie vorkommen.<br />
(Die tasten<strong>de</strong> Hand im Weihwasserbecken<br />
fühlt das Nass <strong>de</strong>s<br />
Wassers, dann <strong>de</strong>n Menschen<br />
selbst, <strong>de</strong>r sich in das Zeichen <strong>de</strong>s<br />
Kreuzes stellt; die Nase riecht <strong>de</strong>n<br />
Weihrauch, <strong>de</strong>n Geruch von Kerzen,<br />
in Kirchen riecht es sowieso<br />
an<strong>de</strong>rs usw.).<br />
• Vergabe von Referaten:<br />
Die Schülerinnen und Schüler<br />
wählen sich nach Neigung bestimmte<br />
liturgische und ritualisierte<br />
Elemente als Referatthemen,<br />
die sie in <strong>de</strong>n nächsten Stun<strong>de</strong>n<br />
o<strong>de</strong>r zu Hause ausarbeiten.<br />
Hierbei ist es hilfreich, <strong>de</strong>n Schülerinnen<br />
und Schülern einen kleinen<br />
Handapparat mit Literatur 15<br />
anzulegen und auf Internetseiten<br />
wie etwa www.kath.<strong>de</strong> hinzuweisen.<br />
Als zielführen<strong>de</strong> Hilfe für <strong>de</strong>n<br />
Aufbau <strong>de</strong>s Referates wird angegeben,<br />
dass das entsprechen<strong>de</strong> liturgische<br />
Element erst einmal in<br />
seiner Alltäglichkeit betrachtet<br />
wird (z.B. „Wann stehen wir im<br />
Alltag?“, „Welche Be<strong>de</strong>utung hat<br />
Gold als Farbe?“), und dann in seiner<br />
spezifisch liturgischen Be<strong>de</strong>utung<br />
erschlossen wer<strong>de</strong>n soll, dies<br />
auch hinsichtlich seines Ortes etwa<br />
in <strong>de</strong>r Messe. Je nach Vorbildung<br />
<strong>de</strong>r Klasse ist hier ausreichend<br />
Hilfestellung zu geben. An<br />
Referatthemen haben sich vor allem<br />
die liturgischen Haltungen,<br />
die Zeichenhandlungen (Kreuzzeichen)<br />
und nicht zuletzt die Farben<br />
für die Schülerinnen und<br />
Schülern als beson<strong>de</strong>rs interessant<br />
erwiesen. Vielversprechend dürfte<br />
es hier auch sein, Elemente wie<br />
Weihrauch o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Gesang miteinzubeziehen.<br />
Sequenz 6 – Von <strong>de</strong>r Außenperspektive<br />
zur performativen Perspektive<br />
Das Halten <strong>de</strong>r Referate ist zwar<br />
prinzipiell im Klassenraum möglich,<br />
günstiger ist es jedoch, einen entspre-<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
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chen<strong>de</strong>n liturgischen Ort zu besuchen.<br />
Die Durchführung ist so anzulegen,<br />
dass die Referenten als jeweilige Experten<br />
fungieren und die Klasse dazu<br />
anleiten, die jeweilige Handlung<br />
durchzuführen und von sich aus im<br />
profanen wie liturgischen Bereich zu<br />
erschließen. Die Experten ergänzen dabei<br />
und führen die jeweiligen Perspektiven<br />
noch zu, die aus <strong>de</strong>m Handlungssprechen<br />
selbst nicht abgeleitet wer<strong>de</strong>n<br />
können. Nimmt man sich ausreichend<br />
Zeit und Ruhe, um die Rituale selbst<br />
durchzugestalten, sprechen diese jedoch<br />
in <strong>de</strong>r Regel für sich selbst. Im<br />
Anschluss daran sind die vollzogenen<br />
Riten noch einmal darauf zu prüfen,<br />
welcher privative Gehalt sich in ihnen<br />
verbirgt. Dies gelingt freilich mit Elementen<br />
wie <strong>de</strong>r Kirchenschwelle – gera<strong>de</strong><br />
unter <strong>de</strong>m Eindruck sommerlicher<br />
Kühle und Stille eines großen Kirchenraumes<br />
–, o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Knien o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m eigentlich<br />
unselbstverständlichen Gold<br />
besser als mit an<strong>de</strong>ren liturgischen Elementen.<br />
Beson<strong>de</strong>rs hilfreich für die Durchführung<br />
dieser Sequenz war es, in <strong>Limburg</strong><br />
durch die Nähe zum Dom und<br />
Dommuseum einen „natürlichen“ Standortvorteil<br />
gehabt zu haben. Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />
Gesichtspunkt liturgischer Farben ließ<br />
sich mit Hilfe <strong>de</strong>r im Dommuseum ausgestellten<br />
Paramente und liturgischen<br />
Gerätschaften gut visualisieren.<br />
Sequenz 7 – Abschluss<br />
Einigermaßen gut ausgerüstet folgt<br />
am En<strong>de</strong> einer Unterrichtseinheit zu<br />
Liturgischer Bildung nach <strong>de</strong>n liturgiedidaktischen<br />
Grundregeln die Gestaltung<br />
eines Gottesdienstes, um <strong>de</strong>n<br />
Schülerinnen und Schülern ausreichend<br />
Raum zu geben, sich auch im<br />
Hinblick auf die Fähigkeit symbolischgottesdienstlicher<br />
Kommunikation zu<br />
entwickeln. 16 Hier sind die Elemente in<br />
<strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund zu stellen, die in <strong>de</strong>r<br />
Einheit beson<strong>de</strong>rs ausführlich behan<strong>de</strong>lt<br />
wur<strong>de</strong>n.<br />
Im Fall <strong>de</strong>r Klasse 10 kam dies jedoch<br />
an<strong>de</strong>rs: Die Schülerinnen entschie<strong>de</strong>n<br />
sich gegen die Form eines<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
selbst gestalteten Gottesdienstes und<br />
für die Teilnahme an einer Werktagsmesse<br />
im Dom. Für sie hatte es am En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Einheit eine eigene Be<strong>de</strong>utung,<br />
das Erarbeitete einmal nicht gestalten<br />
zu müssen, son<strong>de</strong>rn Liturgie vor einem<br />
verän<strong>de</strong>rten Hintergrund zu erleben<br />
und sich dabei selbst beobachten zu<br />
können.<br />
Fazit<br />
Die Evaluation <strong>de</strong>s Vorhabens ergab,<br />
dass die Einheit insgesamt gut von<br />
<strong>de</strong>n Schülerinnen angenommen wur<strong>de</strong>.<br />
Wechseln<strong>de</strong> Lernorte und das Lernen<br />
in an<strong>de</strong>ren Zusammenhängen haben<br />
die Attraktivität <strong>de</strong>s Themas und die<br />
Motivation gesteigert. Auch jene, die<br />
<strong>de</strong>m Thema eher distanziert gegenüberstan<strong>de</strong>n,<br />
konnten sich auf diese Art<br />
<strong>de</strong>r Sinnerschließung einlassen.<br />
Da Liturgie immer etwas vom Gesamt<br />
<strong>de</strong>s christlichen Glaubens zur<br />
Darstellung und Sprache bringt, muss<br />
im Verlauf <strong>de</strong>r Einheit immer wie<strong>de</strong>r<br />
mit Nachdruck darauf geachtet wer<strong>de</strong>n,<br />
<strong>de</strong>n roten Fa<strong>de</strong>n nicht aus <strong>de</strong>n<br />
Augen zu verlieren und in Einzelthemen<br />
nicht stecken zu bleiben. Die<br />
Schülerinnen artikulieren im Laufe<br />
einer Einheit zu Liturgischer Bildung<br />
Fragen von einer beson<strong>de</strong>ren Dichte:<br />
Wer etwa über das Kreuzzeichen als<br />
die kürzeste Form christlichen Glaubensbekenntnisses<br />
spricht, hat damit<br />
zu rechnen, dass Schülerinnen und<br />
Schüler auch nachfragen, was es mit<br />
<strong>de</strong>r Heilsbe<strong>de</strong>utung dieses Kreuzes<br />
auf sich hat. Liturgische Bildung verdichtet<br />
religiöse Bildung, setzt sie in<br />
an<strong>de</strong>re Zusammenhänge und schließt<br />
sie noch einmal symbolisch auf. Darin<br />
liegen zugleich auch die Lernchancen,<br />
die sich mit Liturgischer<br />
Bildung verbin<strong>de</strong>n. Ein Religionsunterricht,<br />
<strong>de</strong>r sich auf Liturgische Bildung<br />
einlässt, gewinnt die anschauliche<br />
Dimension von Glauben zurück<br />
und gibt Schülerinnen und Schülern<br />
die Möglichkeit, auch in einem Bereich<br />
auskunftsfähig zu wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r<br />
über <strong>de</strong>n Horizont <strong>de</strong>s Klassenzimmers<br />
hinausreicht. 17<br />
Anmerkungen<br />
1 Einen guten Überblick geben die Artikel von Sauer, R.:<br />
s.v. Liturgische Bildung, in: Lexikon <strong>de</strong>r Religionspädagogik<br />
Band 2, 1269-1275;<br />
Blum, D.: s.v. Liturgische Bildung, in: Neues Handbuch<br />
Religionspädagogischer Grundbegriffe, 255-258.<br />
2 Schilson, A.: Negative Theologie <strong>de</strong>r Liturgie? Über<br />
die liturgische Erfahrung <strong>de</strong>r Verborgenheit <strong>de</strong>s nahen<br />
Gottes, in: LJ 50 (2000) 235-250, 236.<br />
3 König, K.: Liturgiedidaktische Grundregeln, in: Groß,<br />
E./ König, K.: Religionsdidaktik in Grundregeln. Leitfa<strong>de</strong>n<br />
für <strong>de</strong>n Religionsunterricht – Regensburg.<br />
1996. 112-130, 120.<br />
4 Schilson: Negative Theologie, 237ff.<br />
5 Büttner, G./Dieterich, V. J.: Die religiöse Entwicklung<br />
<strong>de</strong>s Menschen. Ein Grundkurs – Stuttgart. 2000. 18.<br />
6 Ratzinger, J./Benedikt XVI.: Der Geist <strong>de</strong>r Liturgie. Eine<br />
Einführung – Freiburg i.Br. Son<strong>de</strong>rausgabe<br />
2006,152; 169.<br />
7 O<strong>de</strong>nthal, A.: Liturgie als Ritual. Theologische und<br />
psychoanalytische Überlegungen zu einer praktisch-theologischen<br />
Theorie <strong>de</strong>s Gottesdienstes als<br />
Symbolgeschehen – Stuttgart. 2002. 195.<br />
8 O<strong>de</strong>nthal: Liturgie, 194.<br />
9 Siehe hier auch grundsätzlich Steinmetz, A.: Wie viel<br />
Form braucht die Religion? Rituale, in: Baumann, U./<br />
Englert, E. (Hg.) et al: Religionsdidaktik. Praxishandbuch<br />
für die Sekundarstufe I und II – Berlin.<br />
2005.226-241.<br />
10 Ratzinger: Liturgie, 41;43.<br />
11 König: Grundregeln, 120.<br />
12 Ähnlich <strong>de</strong>r Verlauf <strong>de</strong>s Romans: Nordhofen, E.: Die<br />
Mädchen, <strong>de</strong>r Lehrer und <strong>de</strong>r liebe Gott. Roman, (Reclam)<br />
– Stuttgart. 1998. 115ff.<br />
Dazu als Arbeitshilfe: Menges, Th.: Lehrpraktische<br />
Analysen, 27. Folge, (Reclam) – Stuttgart. 2000. 31f.<br />
13 Ratzinger: Liturgie, 19.<br />
14 Nordhofen, E.: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“. Unterrichtspraxis<br />
für das Sakrament <strong>de</strong>r Inkarnation, in:<br />
Eingela<strong>de</strong>n zum Fest <strong>de</strong>s Glaubens. <strong>Limburg</strong>er Impulse<br />
zur Religionspädagogik 2, hg. v. Dezernat Bildung<br />
und Kultur im Bischöflichen Ordinariat <strong>Limburg</strong>,<br />
4-9.<br />
15 Bewährt hat sich dabei vor allem: Kapellari, E.: Heilige<br />
Zeichen in Liturgie und Alltag – Graz/Wien/Köln.<br />
Neuauflage 1997. (4. Aufl. 2001); Guardini, R.: Von<br />
heiligen Zeichen – Mainz. 2004. (6. Aufl.)<br />
16 König: Grundregeln, 124f.<br />
17 Der Religionsunterricht vor neuen Herausfor<strong>de</strong>rungen,<br />
hg.v. Sekretariat <strong>de</strong>r Deutschen Bischofskonferenz<br />
– Bonn. 2005. 24 (Die <strong>de</strong>utschen Bischöfe 80).<br />
Matthias Werner ist zur Zeit Lehrer im<br />
Vorbereitungsdienst an <strong>de</strong>r Marienschule<br />
<strong>Limburg</strong>. Bis 2005 war er Wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Lehrstuhl<br />
für Systematische Theologie an<br />
<strong>de</strong>r Justus Liebig Universität Gießen.
Zeichen und Symbole Arbeitsblatt M 2<br />
Zeichen sind Worte und Bil<strong>de</strong>r, Gebär<strong>de</strong>n und an<strong>de</strong>res sinnlich Wahrnehmbare, das einen Hinweis, eine Botschaft<br />
zum Ausdruck bringt. Es gibt ausdrucksschwache Zeichen, die nur auf einer Konvention beruhen und auch ganz an<strong>de</strong>rs<br />
gestaltet sein könnten, wie zum Beispiel manche Wegweiser. Sie zeigen auf etwas hin, das nicht notwendig mit ihnen<br />
verbun<strong>de</strong>n ist. Starke Zeichen aber bringen das Wesen, die Tiefe, das Sein <strong>de</strong>s Bezeichneten zum Ausdruck. Das Gesicht<br />
eines Menschen ist ein solches starkes Zeichen. Es sagt etwas über <strong>de</strong>n Charakter und die Seelentiefe dieses Menschen,<br />
wenn er sich nicht verstellt.<br />
Zeichen nennt man auch Symbole. Das Wort Symbol leitet sich her vom griechischen „symballo”. Es be<strong>de</strong>utet ein<br />
Zusammenfügen zweier getrennter Teile eines Ganzen. Ursprünglich bezeichnete man damit die auseinan<strong>de</strong>rgebrochenen<br />
Teile eines Ringes, Stabes o<strong>de</strong>r ähnlicher Dinge. Sie dienten als Erkennungs- und Beglaubigungszeichen, wenn<br />
beispielsweise ein Bote einen solchen Teil einem Adressaten vorweisen konnte, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Teil in Hän<strong>de</strong>n hielt.<br />
Symbole sind Wegweiser in die Tiefe, in das Herz <strong>de</strong>r Dinge. Je<strong>de</strong>s Ding, das sich unverstellt zeigt, ist ein Realsymbol,<br />
ist Ausdruck seiner eigenen Tiefe, seines Seins. Das gilt auch für <strong>de</strong>n Menschen. Die heute oft gehörte Behauptung,<br />
etwas sei nur symbolisch, ist unzutreffend, wenn Zeichen und Bezeichnetes innerlich zusammenhängen. Das<br />
Wörtchen „nur” hat erst dann sein Recht, wenn lediglich von einem willkürlich gesetzten Zeichen, einem bloßen Konventionssymbol,<br />
die Re<strong>de</strong> ist.<br />
Mit <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>s christlichen Glaubens betrachtet, ist die ganze Weltwirklichkeit ein Symbol, das auf Gott verweist,<br />
<strong>de</strong>m sich die Welt in ihrem Wer<strong>de</strong>n und Bestehen verdankt. Und Jesus Christus ist im radikalsten Sinn dieses<br />
Wortes das Symbol <strong>de</strong>s göttlichen Vaters. „Wer mich gesehen hat, hat <strong>de</strong>n Vater gesehen”, sagt er selbst im Johannesevangelium<br />
(Joh 14,9).<br />
Symbole enthüllen Wirklichkeit, eröffnen ein Geheimnis. Zugleich verhüllen sie aber Tiefenschichten <strong>de</strong>r Wirklichkeit<br />
und belassen diese in <strong>de</strong>r Dimension <strong>de</strong>s Geheimnisses. Sie erinnern daran, dass die Welt über alle Maßstäbe<br />
<strong>de</strong>r menschlichen Vernunft hinaus ein Geheimnis ist und bleibt.<br />
Arbeitsaufträge:<br />
Quelle: Kapellari, Egon: Heilige Zeichen in Liturgie und Alltag – Graz/Wien. 1997. 15.<br />
1) Lies Dir <strong>de</strong>n Text gründlich durch und markiere, was Du nicht verstehst.<br />
2) Versuche, <strong>de</strong>n schon geglie<strong>de</strong>rten Abschnitten Überschriften zu geben.<br />
3) Was meint <strong>de</strong>r Autor, wenn er zwischen starken und schwachen Zeichen unterschei<strong>de</strong>t?<br />
4) Überlege: Welche Be<strong>de</strong>utung haben gera<strong>de</strong> Zeichen und Symbole für die christliche Liturgie?<br />
Der Tanz um das Gol<strong>de</strong>ne Kalb Arbeitsblatt M 4<br />
Für diese Unbeliebigkeit <strong>de</strong>s Kultes gibt es im Alten Testament eine Reihe sehr eindringlicher Zeugnisse. Nirgends<br />
erscheint <strong>de</strong>r Sachverhalt so dramatisch wie in <strong>de</strong>r Geschichte vom gol<strong>de</strong>nen Kalb (o<strong>de</strong>r besser: Jungstier). (...)<br />
Man will <strong>de</strong>n Gott verherrlichen, <strong>de</strong>r Israel aus Ägypten geführt hat, und glaubt, in <strong>de</strong>r Gestalt <strong>de</strong>s Jungstiers seine<br />
geheimnisvolle Kraft richtig abzubil<strong>de</strong>n. Scheinbar ist alles in Ordnung, vermutlich auch das Ritual durchaus <strong>de</strong>n Vorschriften<br />
gemäß. Und doch ist es ein Abfall von Gott zum Götzendienst. Zweierlei bewirkt diesen äußerlich zunächst<br />
kaum wahrnehmbaren Sturz. Zum einen <strong>de</strong>r Verstoß gegen das Bil<strong>de</strong>rverbot: Man hält es bei <strong>de</strong>m unsichtbaren, <strong>de</strong>m<br />
fernen und geheimnisvollen Gott nicht aus. Man holt ihn zu sich herab, ins Eigene, ins Anschauliche und Verständliche.<br />
So ist Kult nicht mehr ein Hinaufsteigen zu ihm, son<strong>de</strong>rn ein Herunterziehen Gottes ins Eigene: Er muß da sein,<br />
wenn er gebraucht wird, und muß so sein, wie er gebraucht wird. Der Mensch gebraucht Gott und stellt sich so, auch<br />
wenn das äußerlich nicht erkennbar ist, in Wirklichkeit über ihn. Damit ist das Zweite schon ange<strong>de</strong>utet: Es ist Kult aus<br />
eigener Vollmacht. Wenn Mose zu lange wegbleibt und damit Gott selbst unzugänglich wird, dann holt man ihn eben<br />
herbei. Dieser Kult wird so zum Fest, das die Gemein<strong>de</strong> sich selber gibt; sie bestätigt darin sich selbst. Aus Anbetung<br />
Gottes wird ein Kreisen um sich selber: Essen, Trinken, Vergnügen. Der Tanz um das gol<strong>de</strong>ne Kalb ist das Bild dieses<br />
sich selbst suchen<strong>de</strong>n Kultes, <strong>de</strong>r zu einer Art von banaler Selbstbefriedigung wird. Die Geschichte vom gol<strong>de</strong>nen<br />
Kalb ist eine Warnung vor einem eigenmächtigen und selbstsüchtigen Kult, in <strong>de</strong>m es letztlich nicht mehr um Gott,<br />
son<strong>de</strong>rn darum geht, sich aus Eigenem eine kleine alternative Welt zu geben. Dann wird Liturgie allerdings wirklich zu<br />
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leerer Spielerei. O<strong>de</strong>r schlimmer: zu einem Abfall vom lebendigen Gott, <strong>de</strong>r sich unter einer sakralen Decke tarnt. Aber<br />
dann bleibt am En<strong>de</strong> auch die Frustration, das Gefühl <strong>de</strong>r Leere. Jene Erfahrung <strong>de</strong>r Befreiung stellt sich nicht mehr<br />
ein, die überall da Ereignis wird, wo wahre Begegnung mit <strong>de</strong>m lebendigen Gott geschieht.<br />
Arbeitsaufträge:<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
Quelle: Ratzinger; J./Benedikt XVI: Der Geist <strong>de</strong>r Liturgie. Eine Einführung – Freiburg. (Son<strong>de</strong>rausgabe) 2006.<br />
1) Lies Dir <strong>de</strong>n Text gründlich durch. Markiere alle Wörter, die Du nicht verstehst. Wir sprechen nach <strong>de</strong>m ersten Lesen<br />
über <strong>de</strong>n Text.<br />
2) Versuche die Argumentation in eigenen Worten wie<strong>de</strong>rzugeben und erarbeite gemeinsam mit Deiner Nachbarin/<br />
Deinem Nachbarn die Hauptaussage <strong>de</strong>s Textes.<br />
3) Überlegt gemeinsam, welche Schlussfolgerungen daraus für das Verständnis von christlicher Liturgie zu ziehen<br />
sind.<br />
Die Kraft <strong>de</strong>s Gedächtnisses Jesu Christi Arbeitsblatt M 5<br />
Die Liturgie versucht diese (…) Gottesferne zu überwin<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m sie das Gedächtnis Jesu Christi feiert und auf<br />
diese Weise Gegenwart schafft, wo zunächst Vergangenheit waltet. Gedächtnis ist die Weise kultureller Aktivität von<br />
Menschen und Gesellschaften, wie etwas als konstitutiv empfun<strong>de</strong>nes Vergangenes unverbraucht bewahrt und als solches<br />
vergegenwärtigt wird. Ganze Völker und gesellschaftliche Gruppen leben aus <strong>de</strong>m Gedächtnis und <strong>de</strong>r Vergegenwärtigung<br />
ihrer längst vergangenen Geschichte.<br />
In diesen Jahren hat kein Geringerer als <strong>de</strong>r bekannte Hei<strong>de</strong>lberger Ägyptologe Jan Assmann dies als Grundcharakter<br />
aller Kultur, nicht nur bei <strong>de</strong>n Ägyptern, son<strong>de</strong>rn ebenso in <strong>de</strong>n neuen westlichen bzw. europäischen Kulturen herausgestellt.<br />
Das Ge<strong>de</strong>nken muß <strong>de</strong>mnach als »Ursprung und Fundament <strong>de</strong>r Kultur« angesehen wer<strong>de</strong>n. »Das kulturelle<br />
Ge<strong>de</strong>nken ist ... die Fähigkeit, über <strong>de</strong>n Alltag hinaus symbolische Sinnwelten aufzubauen, zu vergegenwärtigen<br />
und damit soziale und individuelle Wirklichkeit und I<strong>de</strong>ntität aufzubauen.« Als eine herausragen<strong>de</strong>, die Kultur und <strong>de</strong>n<br />
kulturellen Sinn sicherstellen<strong>de</strong>, also als ausgezeichnete kulturelle Leistung ist solches Gedächtnis <strong>de</strong>mnach einzuschätzen<br />
und hoch zu würdigen. Es bewahrt vor endgültigem Vergessen geschichtlich prägen<strong>de</strong>r Ereignisse ebenso wie<br />
es die I<strong>de</strong>ntität und <strong>de</strong>n Zusammenhalt sozialer Formationen, also auch von Gemeinschaften wie die Kirche, sicherstellt.<br />
Dazu braucht es <strong>de</strong>n beständigen Vollzug solchen Gedächtnisses als eines kulturellen, Zeit und Raum übergreifen<strong>de</strong>n<br />
Zusammenhangs.<br />
Genau dies tut die Liturgie, in<strong>de</strong>m sie das Gedächtnis <strong>de</strong>s Lebens, <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>r Auferweckung Jesu feiert. Damit<br />
macht und hält sie dieses geschichtliche Heilsgeschehen beständig gegenwärtig, um darin bei aller zeitlichen und<br />
räumlichen Ferne Gottes Nähe neu zu fin<strong>de</strong>n. Erst wer sich <strong>de</strong>r strukturellen Probleme und <strong>de</strong>r damit verbun<strong>de</strong>nen Not<br />
dieser Vermittlung bewußt bleibt, die sowohl Nähe als auch Ferne einschließt, kann sich nüchtern und verständig <strong>de</strong>r<br />
Feier <strong>de</strong>r Liturghie nähern und darin <strong>de</strong>n fernen, in Jesus nahegekommenen Gott erfahren.<br />
Arbeitsaufträge:<br />
Quelle: Schilson, A.: Negative Theologie <strong>de</strong>r Liturgie, in: LJ 50 (2000) 235-250<br />
1) Lies Dir <strong>de</strong>n Text gründlich durch und markiere, was Du nicht verstehst.<br />
2) Gib in eigenen Worten die Argumentation <strong>de</strong>s Autors wie<strong>de</strong>r.<br />
3) Welcher Zusammenhang besteht zwischen <strong>de</strong>r ‚Kraft <strong>de</strong>s Gedächntnisses’ und <strong>de</strong>r Liturgie?<br />
Alle Arbeitsmaterialien (M1-M5) sind als kopierfertige Vorlage<br />
aus <strong>de</strong>m Internet zu beziehen: www.ifrr.<strong>de</strong><br />
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Schrift, Monstranz und Knochen o<strong>de</strong>r<br />
wie kommt <strong>de</strong>r Geist ins Fleisch?<br />
Unterrichtspraktische Anregung zur Ausstellung<br />
„Der heilige Leib und die Leiber <strong>de</strong>r Heiligen“<br />
Das Dommuseum, <strong>de</strong>ssen Direktor,<br />
August Heuser, für die Religionslehrer<br />
und Religionslehrerinnen im Großraum<br />
Frankfurt und darüber hinaus ein<br />
beliebter und didaktisch versierter<br />
Partner ist, hat in diesen Tagen die erste<br />
große Son<strong>de</strong>rausstellung in seinen neuen<br />
Räumen im Haus am Dom eröffnet.<br />
Sie heißt „Der heilige Leib und die Leiber<br />
<strong>de</strong>r Heiligen“. Die Ausstellung ist<br />
eine Steilvorlage für alle Religionslehrer/-innen,<br />
die erkannt haben, dass die<br />
visuelle Seite <strong>de</strong>r praktizierten Religion<br />
mehr ist, als nur Oberfläche. Der<br />
Spruch, <strong>de</strong>n man als Leiti<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s Bau-<br />
Flyer zur Ausstellung<br />
hauses in Dessau kennt: „Die Form<br />
folgt <strong>de</strong>r Funktion“, kann nämlich auch<br />
umgedreht wer<strong>de</strong>n. Manchmal und<br />
sehr oft folgt dann auch die Funktion<br />
<strong>de</strong>r Form und <strong>de</strong>r Geist <strong>de</strong>r Materie.<br />
Wir haben es offenbar mit einem Wechselverhältnis<br />
zu tun. Was in <strong>de</strong>n Köpfen<br />
ist, kann auch in <strong>de</strong>n Medien abgelesen<br />
wer<strong>de</strong>n, die zur Verständigung, zur<br />
Selbstverständigung, aber auch zur Verständigung<br />
mit <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren entstan<strong>de</strong>n<br />
sind. Wenn es um <strong>de</strong>n unsichtbaren<br />
Gott geht, <strong>de</strong>r als Schöpfer <strong>de</strong>r Welt<br />
kein Ding in <strong>de</strong>r Welt sein kann, von<br />
<strong>de</strong>m es kein Bild gibt, dann haben wir<br />
es mit einem herausragen<strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rfall<br />
zu tun. Die Gottesfrage, die im<br />
Zentrum eines je<strong>de</strong>n Religionsunterrichts<br />
aller Schulformen und Jahrgangsstufen<br />
steht, ist nicht unabhängig<br />
von <strong>de</strong>n Medien, die für die Präsenz<br />
Gottes benutzt wer<strong>de</strong>n.<br />
Wir skizzieren hier einmal einen<br />
Längsschnitt durch die Mediengeschichte<br />
<strong>de</strong>s Monotheismus, <strong>de</strong>r als unterrichtspraktische<br />
Anregung gedacht<br />
ist. Auf diese Weise könnten<br />
Schulklassen einen Besuch in <strong>de</strong>r Ausstellung<br />
im Haus am Dom vor- und<br />
nachbereiten. „Man sieht nur, was man<br />
weiß“ – dieser Satz ist vielleicht übertrieben,<br />
aber auch nicht ganz falsch. Alle<br />
Lehrer und Lehrerinnen wissen das.<br />
Die spektakulären Exponate <strong>de</strong>r Ausstellung<br />
müssen zum „Sprechen“ gebracht<br />
wer<strong>de</strong>n, sonst bleiben wir an <strong>de</strong>r<br />
Oberfläche, die immerhin auch noch<br />
spektakulär genug ist, hängen. Aber es<br />
geht nicht um Silber, Gold und E<strong>de</strong>lsteine,<br />
son<strong>de</strong>rn um das, wofür sie stehen.<br />
Nun aber unsere Skizze:<br />
1. Stufe: Die Antiphon –<br />
ein Wechselgesang<br />
Eckhard Nordhofen<br />
Im Klassenraum gibt es „sprechen<strong>de</strong><br />
Dinge“. Gemeint ist nicht das Handy,<br />
son<strong>de</strong>rn die unvermeidlichen Maskottchen,<br />
die in unterschiedlicher Form,<br />
als Stofftier o<strong>de</strong>r als Anhänger am Fe<strong>de</strong>rmäppchen,<br />
ihr Wesen treiben. Sie sind<br />
auf harmlose Weise „beseelt“, d. h. sie<br />
be<strong>de</strong>uten etwas. In einem ersten Schritt<br />
wollen wir <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen<br />
klar machen, dass es so etwas wie<br />
einen Wechselgesang zwischen Drinnen<br />
und Draußen, eine Antiphon zwischen<br />
Ich und Natur gibt. Schon <strong>de</strong>r Blick in<br />
die offene Landschaft löst diesen Wechselgesang<br />
aus, unsere Stimmung folgt<br />
sehr oft <strong>de</strong>n Wetterverhältnissen. Spektakuläre<br />
Wetterverhältnisse, Blitz, Donner,<br />
auch die großen Gestirne, Sonne und<br />
Mond, sind immer auch mit Be<strong>de</strong>utung<br />
„aufgela<strong>de</strong>n“ wor<strong>de</strong>n. Die Ethnologen<br />
sprechen von „aufla<strong>de</strong>n“, wenn sie die<br />
Fetische in Westafrika untersuchen. In<br />
vielen, mit Recht so genannten Naturreligionen,<br />
spielt die Aufladung mit Be<strong>de</strong>utung<br />
(Semantisierung) von bestimmten<br />
Gegenstän<strong>de</strong>n eine große Rolle.<br />
Die Konkordanz <strong>de</strong>r Bibel gibt <strong>de</strong>m<br />
Religionslehrer und <strong>de</strong>r Reli-gionslehrerin<br />
eine Menge Hinweise auf religiös<br />
aufgela<strong>de</strong>ne Bergspitzen, so genannte<br />
„Kulthöhen“, einsame Bäume,<br />
aber auch bestimmte Schau-plätze, die<br />
durch eine Erzählung, die mit ihnen<br />
verbun<strong>de</strong>n wird, gleichsam „getauft“<br />
wer<strong>de</strong>n. Ein Beispiel liefert die Geschichte<br />
von Jakobs Traum und die<br />
Aufladung eines Ortes, nämlich Bet-El<br />
(Haus Gottes) mit Be<strong>de</strong>utung. Gen<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
UNTERRICHTSPRAXIS<br />
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Unterrichts-Mo<strong>de</strong>ll
UNTERRICHTSPRAXIS<br />
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Bet-El • Die Steine re<strong>de</strong>n ©akg-images<br />
28,16-22 „...Jakob stand früh am Morgen<br />
auf, nahm <strong>de</strong>n Stein, <strong>de</strong>n er unter<br />
seinen Kopf gelegt hatte, stellte ihn als<br />
Steinmal auf und goss Öl darauf. Dann<br />
gab er <strong>de</strong>m Ort <strong>de</strong>n Namen Bet-El.“ Es<br />
geht hier noch nicht um <strong>de</strong>n neuen Gott<br />
<strong>de</strong>r Offenbarung, son<strong>de</strong>rn um die Tatsache,<br />
dass bestimmte Punkte <strong>de</strong>r Erdoberfläche<br />
o<strong>de</strong>r Naturphänomene zum<br />
„Sprechen“ gebracht wer<strong>de</strong>n. Die Natur<br />
ist eine gigantische Projektionsfläche,<br />
in die wir hineinlesen und aus<br />
<strong>de</strong>r wir hinauslesen, in die wir aber<br />
auch hineinschreiben.<br />
M 1: Jesaja 44, 9-20<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
2. Stufe: Götterproduktion<br />
Der Mensch erlebt sich selbst als<br />
Person und wenn er einen Wechselgesang<br />
anstimmt, liegt darin schon <strong>de</strong>r<br />
Keim von Personalität, auch für das<br />
Gegenüber <strong>de</strong>s Menschen. So ist es<br />
nicht verwun<strong>de</strong>rlich, dass die auffälligen,<br />
zur Antiphon geeigneten Punkte<br />
und Gegenstän<strong>de</strong>, alsbald Gesicht und<br />
Gestalt bekommen. Ein Wechsel-gesang<br />
braucht <strong>de</strong>n Partner. In Kin-<strong>de</strong>rbüchern<br />
fin<strong>de</strong>n sich oft Bäume, die Nasen,<br />
Mund und Augen haben<br />
– auch an<strong>de</strong>re Mischungen fin<strong>de</strong>n sich.<br />
Hier sind <strong>de</strong>r Veranschaulichung keine<br />
Grenzen gesetzt, auch wäre hier <strong>de</strong>r<br />
Ort, an <strong>de</strong>m wir in unserer Rekonstruktion<br />
<strong>de</strong>s menschlichen Bewusst-seins<br />
die Maskottchen und Lieblingstiere aus<br />
Stoff und an<strong>de</strong>ren Materialien unterbringen<br />
können. Grundschullehrer/-innen<br />
können hier in die Kiste greifen<br />
und <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn klar machen, wie unser<br />
Bewusstsein gestrickt ist. Es liegt<br />
offenbar im Wesen <strong>de</strong>s Menschen, dass<br />
er mit seinem Gegenüber in gewisser<br />
Weise kommuniziert, sich ansprechen<br />
lässt: „Wie man in <strong>de</strong>n Wald hinein<br />
ruft, so schallt es heraus“. Die nächste<br />
Stufe ist also die Kon<strong>de</strong>nsation von frei<br />
flottieren<strong>de</strong>r Spiritualität in <strong>de</strong>n Dingen<br />
<strong>de</strong>r Natur. Sie wer<strong>de</strong>n zu Personen,<br />
sie erhalten die Qualität, wie <strong>de</strong>r<br />
Mensch sie sich selber zubilligt. Auf<br />
diese Weise rekonstruieren wir die Genese<br />
von Gottheiten.<br />
Für die Entstehung <strong>de</strong>r polytheistischen<br />
Gottheit ist wichtig, dass man<br />
sich klar macht, dass wir nicht interesse-<br />
und bedürfnislos wie Spaziergänger<br />
durch die Natur lustwan<strong>de</strong>ln, son<strong>de</strong>rn<br />
dass wir mit ihr Geschäfte machen. Wir<br />
haben z.B. ein Interesse an Ernährung,<br />
und wenn wir dieses Interesse im Modus<br />
eines Wechselgesprächs o<strong>de</strong>r eines<br />
Wechselgesangs artikulieren, dann fin<strong>de</strong>t<br />
sich kulturgeschichtlich sehr schnell<br />
die Partnerin, nämlich eine meist weibliche<br />
Gottheit <strong>de</strong>r Frucht-barkeit und<br />
<strong>de</strong>s Lebens.<br />
Man kann sagen, dass schlechterdings<br />
alle Bedürfnisse und Interessen<br />
<strong>de</strong>s Lebens sich in die Natur hinein verlängern<br />
lassen. Auf diese Weise hat je<strong>de</strong>s<br />
menschliche Interesse eine himmlische<br />
Adresse. Wir könnten unsere<br />
Schülerinnen und Schüler die wichtigsten<br />
menschlichen Interessen aufzählen<br />
lassen und eine Art Wette anbieten: Es<br />
müsste mir als Lehrer/-in, doch möglich<br />
sein, für je<strong>de</strong>s menschliche Interesse<br />
eine Gottheit zu fin<strong>de</strong>n, die es bedient.<br />
Liebe (Venus), Jagdglück (Diana),<br />
Schutz vor Blitz und Donner (Jupiter),<br />
Krankheit und Gesundheit (Aesculap),<br />
Schutz vor <strong>de</strong>n Gefahren <strong>de</strong>s<br />
Meeres (Neptun) etc.<br />
In <strong>de</strong>r Bibel fin<strong>de</strong>t sich vor allem in<br />
Deuterojesaja (44) ein einrucksvoller<br />
Text (M 1), auch im Buch <strong>de</strong>r Weisheit,<br />
<strong>de</strong>r die Mechanismen <strong>de</strong>s Göttermachens<br />
beschreibt und natürlich lächerlich<br />
machen will.<br />
9 Ein Nichts sind alle, die ein Götterbild formen; / ihre geliebten Götzen nützen nichts. Wer sich zu seinen Göttern bekennt, sieht nichts, /<br />
ihm fehlt es an Einsicht; darum wird er beschämt.<br />
10 Wer sich einen Gott macht / und sich ein Götterbild gießt, / hat keinen Nutzen davon.<br />
11 Seht her, alle, die sich ihm anschließen, wer<strong>de</strong>n beschämt, / die Schmie<strong>de</strong> sind nichts als Menschen. Sie sollen sich alle versammeln und<br />
vor mich treten; / dann wer<strong>de</strong>n sie alle von Schrecken gepackt und beschämt.<br />
12 Der Schmied facht die Kohlenglut an, / er formt (das Götterbild) mit seinem Hammer / und bearbeitet es mit kräftigem Arm. Dabei<br />
wird er hungrig und hat keine Kraft mehr. / Trinkt er kein Wasser, so wird er ermatten.<br />
13 Der Schnitzer misst das Holz mit <strong>de</strong>r Messschnur, / er entwirft das Bild mit <strong>de</strong>m Stift / und schnitzt es mit seinem Messer; er umreißt es<br />
mit seinem Zirkel / und formt die Gestalt eines Mannes, das prächtige Bild eines Menschen; / in einem Haus soll es wohnen.<br />
14 Man fällt eine Ze<strong>de</strong>r, wählt eine Eiche / o<strong>de</strong>r sonst einen mächtigen Baum, <strong>de</strong>n man stärker wer<strong>de</strong>n ließ / als die übrigen Bäume im Wald.<br />
O<strong>de</strong>r man pflanzt einen Lorbeerbaum, / <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Regen groß wer<strong>de</strong>n lässt.<br />
15 Das Holz nehmen die Menschen zum Heizen; / man macht ein Feuer und wärmt sich daran. Auch schürt man das Feuer und bäckt<br />
damit Brot. / O<strong>de</strong>r man schnitzt daraus einen Gott / und wirft sich nie<strong>de</strong>r vor ihm; man macht ein Götterbild / und fällt vor ihm auf<br />
die Knie.
16 Den einen Teil <strong>de</strong>s Holzes wirft man ins Feuer / und röstet Fleisch in <strong>de</strong>r Glut / und sättigt sich an <strong>de</strong>m Braten. O<strong>de</strong>r man wärmt sich am<br />
Feuer und sagt: / Oh, wie ist mir warm! Ich spüre die Glut.<br />
17 Aus <strong>de</strong>m Rest <strong>de</strong>s Holzes aber macht man sich einen Gott, / ein Götterbild, vor das man sich hinkniet, zu <strong>de</strong>m man betet und sagt: / Rette<br />
mich, du bist doch mein Gott!<br />
18 Unwissend sind sie und ohne Verstand; / <strong>de</strong>nn ihre Augen sind verklebt, sie sehen nichts mehr / und ihr Herz wird nicht klug.<br />
19 Sie überlegen nichts, / sie haben keine Erkenntnis und Einsicht, / sodass sie sich sagen wür<strong>de</strong>n: Den einen Teil habe ich ins Feuer geworfen,<br />
/ habe Brot in <strong>de</strong>r Glut gebacken / und Fleisch gebraten und es gegessen. Aus <strong>de</strong>m Rest <strong>de</strong>s Holzes aber habe ich mir / einen abscheulichen<br />
Götzen gemacht / und nun knie ich nie<strong>de</strong>r vor einem Holzklotz.<br />
20 Wer Asche hütet, / <strong>de</strong>n hat sein Herz verführt und betrogen. Er wird sein Leben nicht retten / und wird nicht sagen: / Ich halte ja nur ein<br />
Trugbild in meiner rechten Hand.<br />
Fazit: Die Gottespräsenz in <strong>de</strong>r Natur<br />
kon<strong>de</strong>nsiert sich in Personen. Diese<br />
Personen entspringen <strong>de</strong>n menschlichen<br />
Bedürfnissen und seiner Fähigkeit,<br />
Fiktionen auszubil<strong>de</strong>n, seiner Fantasie.<br />
Entschei<strong>de</strong>nd ist, dass alle diese Hervorbringungen<br />
selbst gemacht sind.<br />
3. Stufe: Biblische Aufklärung<br />
Die Religionskritik <strong>de</strong>s Alten Testaments<br />
inszeniert einen großen Medienwechsel.<br />
Es ist für die Kin<strong>de</strong>r Israels<br />
nicht mehr möglich, an selbst gemachte<br />
Gottheiten zu glauben. Ein selbst gemachter<br />
Gott kann kein Gott sein und<br />
in <strong>de</strong>r Rekonstruktion <strong>de</strong>s Selbermachens<br />
zerfließen die Gottheiten zu<br />
nichts. Diese Religion <strong>de</strong>r Religionskritik<br />
hat aber nicht nur zum Ergebnis,<br />
dass die Götter „Nichtse“ sind, es entsteht<br />
auch ein neues, ein ganz an<strong>de</strong>res<br />
Gottesbild: das Konzept vom nicht<br />
selbst gemachten Gott, <strong>de</strong>r sich offenbart.<br />
Dieser neue Offenbarungsglaube<br />
an einen ganz an<strong>de</strong>ren und einzigen<br />
Gott, wäre nicht artikulationsfähig,<br />
wenn er nicht auch ein neues Gottesmedium<br />
hätte. Es ist nur folgerichtig,<br />
dass er dieses Medium aus <strong>de</strong>r Hand<br />
Gottes (Ex 31,18) empfängt. Es ist die<br />
Schrift. Die Schrift ist uns so selbstverständlich,<br />
dass wir die unglaubliche<br />
kulturhistorische Be<strong>de</strong>utung, die ihr<br />
zukommt, uns eigens klar machen<br />
müssen.<br />
Eine Präsenz, die ein wirklicher<br />
Gegenstand in unserem Bewusstsein<br />
erzeugt, ist wirklich an<strong>de</strong>rs als die Präsenz,<br />
die durch Buchstaben in unseren<br />
Geist gerufen wird. Das Bild eines<br />
Hähnchens ist zwar kein Kult-bild,<br />
aber es vertritt doch ein Hähn-chen, das<br />
man essen könnte. Wir können im<br />
Klassenraum ein Experiment machen,<br />
in <strong>de</strong>m wir uns die Abbildung eines<br />
Brathähnchens vor Augen führen (siehe<br />
S. 8). Die Kin<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n rufen: „Lecker,<br />
lecker!“ Ihnen läuft mit ziemlicher<br />
Sicherheit das Wasser im Mund<br />
zusammen, sie bekommen Hunger –<br />
ein Auslösereiz. Im nächsten Schritt<br />
zeigen wir zum Vergleich das Wort<br />
„Brathähnchen“. Auch hier wird es<br />
hungrige Kin<strong>de</strong>r geben, die anfangen,<br />
an das Essen zu <strong>de</strong>nken, aber die Präsenz<br />
von „Brathähnchen“ ist irgendwie<br />
schwächer.<br />
Auf diese Weise haben wir uns eine<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Eigenschaft <strong>de</strong>s Mediums<br />
Schrift klar gemacht. Sie ist in <strong>de</strong>r<br />
Lage, Abwesen<strong>de</strong>s sehr ein<strong>de</strong>utig in<br />
unser Bewusstsein zu rufen, aber<br />
gleichzeitig transportiert sie auch die<br />
Abwesenheit <strong>de</strong>s Gegenstan<strong>de</strong>s.<br />
Die Schrift produziert Anwesenheit<br />
und Abwesenheit zugleich!<br />
Dieser Satz sollte an <strong>de</strong>r Tafel stehen<br />
o<strong>de</strong>r sonst wie festgehalten wer<strong>de</strong>n. Die<br />
Schrift ist ein echtes Medium, das im<br />
Unterschied zur flüchtigen Sprache, auf<br />
Dauer zielt. Bewusstseinsinhalte können<br />
nicht nur ausgesprochen, son<strong>de</strong>rn auch<br />
festgehalten und mit diesem Medium<br />
kommuniziert wer<strong>de</strong>n. Diese beson<strong>de</strong>re<br />
Fähigkeit, nämlich neben <strong>de</strong>r Anwesenheit<br />
auch die Abwesenheit <strong>de</strong>ssen, was<br />
sie bezeichnet, erzeugen zu können,<br />
macht das Medium Schrift beson<strong>de</strong>rs<br />
geeignet, das neue Gottesbild im alten<br />
Israel zu bedienen. Gott offenbart sich<br />
nämlich immer, in<strong>de</strong>m er sich gleichzeitig<br />
entzieht.<br />
Biblische Belege – Jakob am Jabbok<br />
(Gen 32,23-33): Jakob hat Gott gesehen<br />
und ist doch mit <strong>de</strong>m Leben davon<br />
gekommen (31). Dagegen heißt es<br />
in Johannes 1,18: „Keiner hat Gott je<br />
gesehen“. Johannes hat mit Sicherheit<br />
auch die Geschichte von Jakobs Kampf<br />
mit <strong>de</strong>m „Mann“ gekannt. Er kann seinen<br />
Satz formulieren, weil Jakob gese-<br />
„Chicken“ ©CSH - Shotshop.com<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
UNTERRICHTSPRAXIS<br />
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Unterrichts-Mo<strong>de</strong>ll
UNTERRICHTSPRAXIS<br />
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hen und doch nicht gesehen hat. Er hat<br />
die Kraft Gottes zwar gespürt, aber als<br />
die Morgenröte aufsteigt, muss er ihn<br />
loslassen (27). Bei vollem Licht hat er<br />
ihn nicht gesehen, es ist ihm die volle<br />
Kenntnis Gottes vorenthalten wor<strong>de</strong>n,<br />
<strong>de</strong>nn seinen Namen erfährt er nicht.<br />
Die Frage wird ihm verwiesen: „Was<br />
fragst du mich nach meinem Namen?“<br />
Alle Offenbarungsgeschichten haben<br />
<strong>de</strong>n In<strong>de</strong>x von Entzug. Die Normalität<br />
wird fremd gemacht. Ein Dornbusch<br />
brennt und verbrennt doch nicht<br />
– eine Sache, die es nach <strong>de</strong>m zweiten<br />
Hauptsatz <strong>de</strong>r Thermodynamik normalerweise<br />
nicht geben kann. Das Wun<strong>de</strong>rbare<br />
<strong>de</strong>r Offenbarungsgeschichten<br />
lesen wir als In<strong>de</strong>x für die An<strong>de</strong>rsheit<br />
(Alterität) <strong>de</strong>s Gottes, <strong>de</strong>n man nicht<br />
sehen kann, aber gerne sehen möchte.<br />
In Exodus 33 (M 2) ist vom mitgehen<strong>de</strong>n<br />
Angesicht die Re<strong>de</strong>. Die<br />
ver-rückteste Szene folgt in 33,18-23.<br />
Mose wird in eine Felsspalte gestellt, <strong>de</strong>r<br />
vorüberziehen<strong>de</strong> Herr hält seine Hand<br />
über ihn, bis er vorüber ist und Mose<br />
„Pygmalion und Galatea“ (1886) � Ernest Normand<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
M 2: Exodus 33,18-23<br />
18 Dann sagte Mose: Lass mich doch <strong>de</strong>ine Herrlichkeit sehen!<br />
19 Der Herr gab zur Antwort: Ich will meine ganze Schönheit vor dir vorüberziehen lassen<br />
und <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s Herrn vor dir ausrufen. Ich gewähre Gna<strong>de</strong>, wem ich will, und<br />
ich schenke Erbarmen, wem ich will.<br />
20 Weiter sprach er: Du kannst mein Angesicht nicht sehen; <strong>de</strong>nn kein Mensch kann mich<br />
sehen und am Leben bleiben.<br />
21 Dann sprach <strong>de</strong>r Herr: Hier, diese Stelle da! Stell dich an diesen Felsen!<br />
22 Wenn meine Herrlichkeit vorüberzieht, stelle ich dich in <strong>de</strong>n Felsspalt und halte meine<br />
Hand über dich, bis ich vorüber bin.<br />
23 Dann ziehe ich meine Hand zurück und du wirst meinen Rücken sehen. Mein Angesicht<br />
aber kann niemand sehen.<br />
kann seinen Rücken sehen: „Mein Angesicht<br />
aber kann niemand sehen“. Merksatz:<br />
„Gott offenbart sich, in<strong>de</strong>m er<br />
sich entzieht“. Das alte Israel verehrt die<br />
Schrift, legt die Bun<strong>de</strong>surkun<strong>de</strong> in die<br />
Bun<strong>de</strong>sla<strong>de</strong>, die religionsgeschichtlich<br />
so behan<strong>de</strong>lt wird wie ein Kultbild, mit<br />
<strong>de</strong>m wichtigen Unterschied, dass die La<strong>de</strong><br />
und damit die Schrift keinen festen Ort<br />
hat, son<strong>de</strong>rn mitgeführt wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Kultbil<strong>de</strong>r haben in <strong>de</strong>r Regel Wohnsitze<br />
und Tempel, in <strong>de</strong>nen sie ortsfest installiert<br />
sind und in Wallfahrten<br />
aufgesucht wer<strong>de</strong>n<br />
können.<br />
Es gibt handliche,<br />
transportable Götterbil<strong>de</strong>r.<br />
Die Geschichte Rahels,<br />
die ihrem Vater<br />
(Gen 31,19) die Götterbil<strong>de</strong>r<br />
gestohlen hatte<br />
und sich mit ihnen davon<br />
macht, hat einen hohen<br />
Unterhaltungswert.<br />
Beim Durchsuchen ihres<br />
Zelts verbirgt sie sie unter<br />
ihrem Rock und sagt<br />
zum Vater: „Ich kann vor<br />
dir nicht aufstehen, es<br />
geht mir gera<strong>de</strong>, wie es<br />
eben Frauen ergeht.“<br />
Am En<strong>de</strong> wird das<br />
ganze Haus Jakob zum<br />
Monotheismus und zur<br />
Ver-abschiedung <strong>de</strong>r<br />
Götterbil<strong>de</strong>r erzogen. In<br />
Genesis 35 wer<strong>de</strong>n auf<br />
<strong>de</strong>m Weg nach Bet-El,<br />
<strong>de</strong>m Ort, <strong>de</strong>n wir schon<br />
©akg-images kennen gelernt haben,<br />
unter <strong>de</strong>r Eiche von Sichem die Götterbil<strong>de</strong>r<br />
vergraben und damit aus <strong>de</strong>m Verkehr<br />
gezogen.<br />
Aber es ist die Schrift, die wie gemacht<br />
ist für <strong>de</strong>n ganz an<strong>de</strong>ren Gott.<br />
Sie ist in <strong>de</strong>r Lage, seine Präsenz überall<br />
zu re-präsentieren. In <strong>de</strong>r Folge verehrt<br />
das Ju<strong>de</strong>ntum die Schrift als heilig.<br />
Hier fin<strong>de</strong>n wir <strong>de</strong>n ersten Typus einer<br />
heiligen Schrift im emphatischen Sinn,<br />
<strong>de</strong>r uns im Koran und im Buch Mormon<br />
in jeweils an<strong>de</strong>rer Variante ebenfalls<br />
begegnet. Die Faszination <strong>de</strong>s<br />
neuen Mediums, das somit zum Königsmedium<br />
<strong>de</strong>s jungen Monotheismus<br />
wird, liegt darin, dass eine große Gefahr,<br />
die bei Kultbil<strong>de</strong>rn nicht zu vermei<strong>de</strong>n<br />
ist, ausgeschlossen wird: Die<br />
physische und dingliche, dreidimensionale<br />
Präsenz <strong>de</strong>s Kultbilds und die Bereitschaft<br />
zum Gestaltsehen, die in uns<br />
Menschen vorhan<strong>de</strong>n ist, führen dazu,<br />
dass je<strong>de</strong>s Kultbild mit <strong>de</strong>m, was es re-<br />
M 3: Mythos von Pygmalion<br />
Der Künstler Pygmalion war enttäuscht<br />
von weiblichen Lastern und machte sich<br />
daran, die Statue einer i<strong>de</strong>alen Frau zu<br />
schaffen. Die Statue war viel schöner als<br />
je<strong>de</strong> Frau, die er vorher lebendig gesehen<br />
hatte. Bezaubert von <strong>de</strong>r Schönheit, hatte<br />
er kaum das Poliereisen hingelegt, als er<br />
sich sterblich in das Bildnis verliebte.<br />
Aber was war ein toter Stein, auch wenn er<br />
noch so schön war? Die Göttin Venus war<br />
von <strong>de</strong>m Künstler so gerührt, <strong>de</strong>r nach<br />
<strong>de</strong>m I<strong>de</strong>al <strong>de</strong>r Schönheit strebend nicht<br />
an<strong>de</strong>rs konnte, als sein eigenes Produkt zu<br />
begehren, dass sie die Statue zum Leben<br />
erweckte. Schönheit, Leben und Liebe<br />
konnten sich treffen.
präsentiert, verwechselt wer<strong>de</strong>n kann –<br />
Es besteht Verwechselungsgefahr. In<br />
Exodus 32,2-4 wird eigens klar gemacht,<br />
dass die Kin<strong>de</strong>r Israels bei <strong>de</strong>r<br />
Herstellung <strong>de</strong>s gol<strong>de</strong>nen Kalbes selbst<br />
beteiligt waren. Sie müssen ihre Ohrringe<br />
abgeben, Aaron zeichnet <strong>de</strong>n<br />
Umriss etc. Der Herstellungsprozess<br />
wird eigens kleinschrittig erzählt, damit<br />
die Verblendung o<strong>de</strong>r Dummheit<br />
herauskommt, die darin besteht, dass<br />
die Kin<strong>de</strong>r Israels um das Selbstgemachte<br />
herumtanzen. Was ist geschehen?<br />
Hier bietet sich <strong>de</strong>r kleine antike<br />
Mythos von Pygmalion an (M3).<br />
Ovid erzählt diese Geschichte von<br />
Pygmalion in <strong>de</strong>n Metamorphosen. Was<br />
war geschehen? Irgen<strong>de</strong>in Kick, ein Umsprung<br />
in <strong>de</strong>r Perspektive musste zwischen<br />
<strong>de</strong>m letzten Schliff <strong>de</strong>s Steines und<br />
<strong>de</strong>r Verzauberung <strong>de</strong>s Künstlers durch<br />
sein eigenes Werk geschehen sein. Das<br />
von Menschen Selbstgemachte verselbständigt<br />
sich und tritt ihm wie ein echtes<br />
Gegenüber entgegen.<br />
M 4: Buch <strong>de</strong>r Weisheit 13, 1-19<br />
Hier besteht, vor allem für die<br />
Oberstufe, die Gelegenheit, die Feuerbach’sche<br />
Projektionstheorie zum Vergleich<br />
heranzuziehen, am Besten in einer<br />
Synopse mit <strong>de</strong>m Jesaja-Text (Jes<br />
44). Der Text Weisheit 13,1-19 (M 4)<br />
liefert neben <strong>de</strong>r Schil<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Götterproduktion<br />
auch noch allerhand<br />
Psychologie und zeigt auch Ansätze zu<br />
einer positiven Bewertung. „Vielleicht<br />
suchen sie Gott und wollen ihn fin<strong>de</strong>n,<br />
gehen aber dabei in die Irre“ (13,6).<br />
Das Defizit <strong>de</strong>s Götterbil<strong>de</strong>s ist,<br />
dass es tot ist. Daher ist das Motiv, die<br />
tote Statue zum Leben zu erwecken,<br />
sehr stark. Gott bläst <strong>de</strong>m Adam <strong>de</strong>n<br />
Lebensatem ein, nach<strong>de</strong>m er ihn aus<br />
Er<strong>de</strong> gebil<strong>de</strong>t hat. Der radikal bil<strong>de</strong>rlose<br />
Islam kennt in <strong>de</strong>n Hadithen die Geschichte<br />
von <strong>de</strong>n Künstlern, die Statuen<br />
gemacht haben. Sie wer<strong>de</strong>n am jüngsten<br />
Tag vor Gottes Richterstuhl aufgefor<strong>de</strong>rt,<br />
die Statuen lebendig zu machen,<br />
so wie Gott <strong>de</strong>m Adam <strong>de</strong>n Lebensatem<br />
eingehaucht hat. Da sie dies<br />
aber nicht können, wer<strong>de</strong>n sie in die<br />
Hölle geschickt.<br />
Irgendwie scheinen Statuen unausgesprochen<br />
<strong>de</strong>n Anspruch zu stellen,<br />
lebendig zu sein. Wenn es einer Statue<br />
gelingt, möglichst diesen Anschein einigermaßen<br />
zu erwecken, dann wird<br />
dies als beson<strong>de</strong>res Qualitätsmerkmal<br />
gepriesen – „lebensecht“ ist ein Qualitätsprädikat.<br />
Je ähnlicher eine Statue<br />
ist, umso mehr kann sie sich aber gegenüber<br />
<strong>de</strong>m, <strong>de</strong>n sie doch nur darstellen<br />
sollte, verselbstständigen. Die Differenz<br />
zwischen Zeichen und Bezeichnetem<br />
ist aus erkenntnistheoretischer<br />
Sicht eine Notwendigkeit. Als in <strong>de</strong>r<br />
Spätantike sich das junge Christentum<br />
vom Bil<strong>de</strong>rverbot nicht betroffen wähnte,<br />
hat immerhin die Stilistik <strong>de</strong>r Ikonen<br />
die Differenz zwischen einer verfrem<strong>de</strong>ten<br />
Darstellungsweise und illusionistischer<br />
Bildnerei <strong>de</strong>utlich gemacht. Alle<br />
Ikonen verzichten auf die Zentralperspektive,<br />
sie streben nicht ein illusionistisches<br />
Bild an, son<strong>de</strong>rn wer<strong>de</strong>n orna-<br />
1 Töricht waren von Natur alle Menschen, <strong>de</strong>nen die Gotteserkenntnis fehlte. Sie hatten die Welt in ihrer Vollkommenheit vor Augen,<br />
ohne <strong>de</strong>n wahrhaft Seien<strong>de</strong>n erkennen zu können. Beim Anblick <strong>de</strong>r Werke erkannten sie <strong>de</strong>n Meister nicht,<br />
2 son<strong>de</strong>rn hielten das Feuer, <strong>de</strong>n Wind, die flüchtige Luft, <strong>de</strong>n Kreis <strong>de</strong>r Gestirne, die gewaltige Flut o<strong>de</strong>r die Himmelsleuchten für weltbeherrschen<strong>de</strong><br />
Götter.<br />
3 Wenn sie diese, entzückt über ihre Schönheit, als Götter ansahen, dann hätten sie auch erkennen sollen, wie viel besser ihr Gebieter ist;<br />
<strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Urheber <strong>de</strong>r Schönheit hat sie geschaffen.<br />
4 Und wenn sie über ihre Macht und ihre Kraft in Staunen gerieten, dann hätten sie auch erkennen sollen, wie viel mächtiger jener ist, <strong>de</strong>r<br />
sie geschaffen hat;<br />
5 <strong>de</strong>nn von <strong>de</strong>r Größe und Schönheit <strong>de</strong>r Geschöpfe lässt sich auf ihren Schöpfer schließen.<br />
6 Dennoch verdienen jene nur geringen Ta<strong>de</strong>l. Vielleicht suchen sie Gott und wollen ihn fin<strong>de</strong>n, gehen aber dabei in die Irre.<br />
7 Sie verweilen bei <strong>de</strong>r Erforschung seiner Werke und lassen sich durch <strong>de</strong>n Augenschein täuschen; <strong>de</strong>nn schön ist, was sie schauen.<br />
8 Doch auch sie sind unentschuldbar:<br />
9 Wenn sie durch ihren Verstand schon fähig waren, die Welt zu erforschen, warum fan<strong>de</strong>n sie dann nicht eher <strong>de</strong>n Herrn <strong>de</strong>r Welt?<br />
10 Unselig aber sind jene, die auf Totes ihre Hoffnung setzen und Werke von Menschenhand als Götter bezeichnen, Gold und Silber,<br />
kunstvolle Gebil<strong>de</strong> und Tiergestalten o<strong>de</strong>r einen nutzlosen Stein, ein Werk uralter Herkunft.<br />
11 Da sägte ein Holzschnitzer einen geeigneten Baum ab, entrin<strong>de</strong>te ihn ringsum geschickt, bearbeitete ihn sorgfältig und machte daraus<br />
ein nützliches Gerät für <strong>de</strong>n täglichen Gebrauch.<br />
12 Die Abfälle seiner Arbeit verwen<strong>de</strong>te er, um sich die Nahrung zu bereiten, und aß sich satt.<br />
13 Was dann noch übrig blieb und zu nichts brauchbar war, ein krummes, knotiges Stück Holz, das nahm er, schnitzte daran so eifrig und<br />
fachgemäß, wie man es tut, wenn man am Abend von <strong>de</strong>r Arbeit abgespannt ist, formte es zum Bild eines Menschen<br />
14 o<strong>de</strong>r machte es einem armseligen Tier ähnlich, beschmierte es mit Mennig und roter Schminke, überstrich alle schadhaften Stellen,<br />
15 machte ihm eine würdige Wohnstatt, stellte es an <strong>de</strong>r Wand auf und befestigte es mit Eisen.<br />
16 So sorgte er dafür, dass es nicht herunterfiel, wusste er doch, dass es sich nicht helfen kann; es ist ein Bild und braucht Hilfe.<br />
17 Aber wenn er um Besitz, Ehe und Kin<strong>de</strong>r betet, dann schämt er sich nicht, das Leblose anzure<strong>de</strong>n. Um Gesundheit ruft er das Kraftlose an,<br />
18 Leben begehrt er vom Toten. Hilfe erfleht er vom ganz Hilflosen und gute Reise von <strong>de</strong>m, was nicht einmal <strong>de</strong>n Fuß bewegen kann.<br />
19 Für seine Arbeit, für Gewinn und Erfolg seines Handwerks bittet er um Kraft von einem, <strong>de</strong>ssen Hän<strong>de</strong> völlig kraftlos sind.<br />
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UNTERRICHTSPRAXIS<br />
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UNTERRICHTSPRAXIS<br />
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mental, und <strong>de</strong>r „unrealistische“ Goldhinterhund<br />
setzt sich durch.<br />
Die Frage nach <strong>de</strong>m Bild als möglichem<br />
Gottesmedium durchzieht die Geschichte<br />
<strong>de</strong>s Monotheismus auch in seiner<br />
christlichen Zeit. Hier gäbe es einen<br />
Querverweis zum Thema Bil<strong>de</strong>rstreit<br />
und Bil<strong>de</strong>rverbot.<br />
4. Der letzte Medienwechsel<br />
Für das Christentum ist <strong>de</strong>r entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Medienwechsel verbun<strong>de</strong>n<br />
mit einer Entthronung <strong>de</strong>r<br />
Schrift. Zwar hat Jesus als frommer<br />
Ju<strong>de</strong> großen Respekt vor „Gesetz und<br />
Propheten“ so groß, dass er (Mt 5)<br />
kein Jota davon weglassen will. Entschei<strong>de</strong>nd<br />
ist aber seine Überbietung<br />
<strong>de</strong>r Schrift: „Wenn aber Eure Gerechtigkeit<br />
nicht größer ist als die <strong>de</strong>r<br />
Schriftgelehrten und Pharisäer, wer<strong>de</strong>t<br />
ihr nicht in das Himmelreich<br />
kommen“ (Mt 5,20). Auch das Neue<br />
Testament inszeniert regelrechte Dramen<br />
<strong>de</strong>s Medienwechsels. Kann <strong>de</strong>r<br />
Buchstabe töten, wie es Paulus behauptet?<br />
Zunächst sieht es in <strong>de</strong>r Geschichte<br />
von <strong>de</strong>r Ehebrecherin, die im 8. Kapitel<br />
<strong>de</strong>s Johannesevangeliums steht, tatsächlich<br />
so aus. „Mose hat uns im Gesetz vorgeschrieben,<br />
solche Frauen zu steinigen.<br />
Nun, was sagst Du?“. Jesus<br />
schreibt Gegenschrift auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>s Tempels. Der Finger Gottes, <strong>de</strong>r<br />
schon die Tora beschriftet hatte, wird<br />
zum zweiten Mal aktiv. Für Johannes ist<br />
<strong>de</strong>r Finger Jesu zweifellos <strong>de</strong>r Finger<br />
Gottes. Wir erfahren bzw. sollen nicht erfahren,<br />
was er schreibt, son<strong>de</strong>rn nur, dass<br />
er schreibt. Es ist eine Art Lehr-Performance,<br />
welche die Leere <strong>de</strong>r Schrift<br />
vor Augen führt. Jesus, <strong>de</strong>r von sich sagt,<br />
„Ich und <strong>de</strong>r Vater sind eins und wer<br />
mich sieht, sieht <strong>de</strong>n Vater“, ist selbst<br />
das neue Gottesmedium. Die Schrift ist<br />
<strong>de</strong>swegen am En<strong>de</strong> doch nicht zur vollen<br />
Repräsentanz Gottes geeignet, weil<br />
auch sie sich vom Ort und Zeit ihrer<br />
Triftigkeit entfernen kann. Der Wille<br />
Gottes hier und jetzt kann daher nicht<br />
einfach nachgelesen wer<strong>de</strong>n. Um ihn<br />
betet <strong>de</strong>r Christ je<strong>de</strong>n Tag im Vater Un-<br />
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ser: „Dein Wille geschehe.“<br />
Er muss ihn<br />
herausfin<strong>de</strong>n, und er<br />
kann ihn herausfin<strong>de</strong>n.<br />
Zwar ist er ein Sün<strong>de</strong>r,<br />
aber Christen haben<br />
„die Macht, Kin<strong>de</strong>r<br />
Gottes zu wer<strong>de</strong>n“ (Joh<br />
1,12). Die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
und unübertroffen<br />
treffen<strong>de</strong> Formulierung<br />
steht im Johannes-Prolog:<br />
„Und das Wort ist<br />
Fleisch gewor<strong>de</strong>n und<br />
hat unter uns gezeltet“<br />
(1,14). Der Ausdruck<br />
„eskenesen“, „hat gezeltet“,<br />
zeigt das Vorübergehen<strong>de</strong><br />
dieses Wortes,<br />
das, so lange es im<br />
Fleisch lebendig bleibt,<br />
auf gleicher Höhe mit<br />
<strong>de</strong>m Zeitstrahl, niemals<br />
veraltet. Diese Inkarnation<br />
ist das Zentrum <strong>de</strong>s<br />
christlichen Glaubens.<br />
Wenn wir uns entschließen,<br />
Kin<strong>de</strong>r Gottes zu<br />
wer<strong>de</strong>n, die Taufe ist<br />
das Sakrament, das diesen Entschluss<br />
für alle besiegelt, können wir zum<br />
Ort Gottes wer<strong>de</strong>n. Wir können ihm<br />
zur Präsenz verhelfen, auch wenn unser<br />
Fleisch schwach ist. Im Vertrauen<br />
darauf, dass Gott dieser Schwäche<br />
aufhilft, weil er barmherzig ist und<br />
die Liebe – <strong>de</strong>r vielleicht schönste<br />
seiner vielen Namen – können wir,<br />
die Gläubigen, selbst zum Ort Gottes<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Es gibt auch Menschen, die durch<br />
ihre christliche Lebenspraxis sich<br />
zum Zeichen für an<strong>de</strong>re machen. Es<br />
sind die großen Heiligen, <strong>de</strong>r sympathische<br />
Franziskus und Theresa von<br />
Kalkutta, die uns noch in frischer Erinnerung<br />
ist. Jesus selbst, das Urbeispiel<br />
<strong>de</strong>r Inkarnation, in <strong>de</strong>r Gottesgeist<br />
und Menschenfleisch zusammengekommen<br />
waren, hat aber ein eigenes<br />
Zeichen gestiftet, das uns hilft,<br />
über seine physische Abwesenheit<br />
hinweg seine Anwesenheit wirksam<br />
wer<strong>de</strong>n zu lassen.<br />
„Die Passion Christi“ • Jesus schreibt in <strong>de</strong>n Sand ©Cinetext<br />
5. Brot als heiliger Leib<br />
Die zentrale Frage, die hinter fast<br />
allen Erzählungen <strong>de</strong>s Neuen Testamentes<br />
steht, lautet: Wie wird es erreicht,<br />
dass die Gottespräsenz im Menschenfleisch,<br />
genauer in Jesus, nicht<br />
eine Episo<strong>de</strong> bleibt? Da gibt es natürlich<br />
die Geschichten von und über Jesus,<br />
die man sich erzählen kann: Der<br />
narrative Weg. Die Passionsgeschichte,<br />
die sein Lei<strong>de</strong>n erzählt und die in <strong>de</strong>r<br />
Auferstehung mün<strong>de</strong>t, ist ebenfalls<br />
narrativ, d. h. sie erzählt Geschehnisse.<br />
Sie ist aber auch ein Arrangement von<br />
Fakten- und Handlungssprechen. Jesus<br />
selbst benutzt im letzten Abendmahl<br />
die Sprache <strong>de</strong>r Dinge in einer Weise,<br />
wie sie im alten Israel begrün<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n<br />
ist. Der vorübergehen<strong>de</strong> schreckliche<br />
und gleichzeitig befreien<strong>de</strong> Gott<br />
wird je<strong>de</strong>s Jahr im Se<strong>de</strong>rabend in die<br />
Gegenwart geholt. Die Len<strong>de</strong>n gegürtet,<br />
<strong>de</strong>n Stab in <strong>de</strong>r Hand, essen die<br />
Kin<strong>de</strong>r Israels hastig das ungesäuerte
Brot, das Brot, das sie an <strong>de</strong>n Durchzug<br />
durch die Wüste Sinai erinnert. Es ist<br />
für sie das Brot <strong>de</strong>r Befreiung aus <strong>de</strong>m<br />
Sklavenhaus und Jesus ist einer von<br />
vielen jüdischen Hausvätern, <strong>de</strong>r diesen<br />
Ritus vollzieht. Ein sprechen<strong>de</strong>s<br />
Faktum ist auch die Anzahl seiner Jünger,<br />
es sind 12, wie die Stämme Israels<br />
12 sind. In<strong>de</strong>m er sich mit <strong>de</strong>m Brot <strong>de</strong>r<br />
Freiheit i<strong>de</strong>ntifiziert, in<strong>de</strong>m er sagt,<br />
„das ist mein Leib“, gibt er etwas zu<br />
verstehen. Er macht sich zum Zentrum<br />
einer alten Freiheitsgeschichte (vgl.<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 3/ 2003, 182-188 und <strong>IN</strong><strong>FO</strong><br />
4/2003, 240-245). Seit dieser Zeit feiert<br />
die Kirche das Gedächtnis- und<br />
Herrenmahl in <strong>de</strong>m über das ungesäuerte<br />
Brot <strong>de</strong>r Priester „in figura Christi“,<br />
d.h. in<strong>de</strong>m er in die Gestalt Christi<br />
stellvertretend eintritt, die Wandlungsworte<br />
spricht: „Das ist mein<br />
Leib“. Rein medientheoretisch haben<br />
wir es hier mit einer Singularität zu<br />
tun. Zeichen und Bezeichnetes fallen<br />
zusammen. Die Eucharistie ist kein<br />
Symbol für Christus, son<strong>de</strong>rn ist<br />
Christus selber. Für die Sprachtheoretiker:<br />
Semantik und Pragmatik fallen<br />
zusammen.<br />
Wie kann man Kin<strong>de</strong>rn, Hauptschülern<br />
und Jugendlichen so etwas erklären?<br />
Es ist ein durchaus einfacher<br />
und nachvollziehbarer Gedankengang,<br />
wenn wir die Geschichten von und<br />
über Jesus, die die Kin<strong>de</strong>r schon kennen<br />
(von <strong>de</strong>r geretteten Ehebrecherin,<br />
vom barmherzigen Vater, <strong>de</strong>n Arbeitern<br />
im Weinberg) aufrufen und dann<br />
die zentrale Frage stellen: „War das<br />
nur eine Episo<strong>de</strong>?“ Jesus lebt nicht<br />
mehr unter uns. Er hatte sein Zelt aufgeschlagen<br />
und das Neue Testament<br />
tut alles, damit wir diese Geschichten<br />
nicht für vergangen halten. Wenn Jesus<br />
selbst das schon für <strong>de</strong>n Pessachabend<br />
eingeführte Gedächtniszeichen nimmt<br />
und sich in dieses Zeichen einträgt,<br />
dann liefert er uns die Möglichkeit,<br />
seinen Leib unter uns zu haben, ja sogar<br />
ihn zu essen.<br />
Nun wird es für die Frankfurter interessant.<br />
Im Jahre 794 fand in Frankfurt<br />
das erste lateinische Konzil <strong>de</strong>s<br />
Westens statt. Im zweiten Konzil von<br />
Nikaia 787 hatte man im oströmischen<br />
Reich eine Theorie festgehalten, die<br />
<strong>de</strong>n Ikonen eine quasi-sakramentale<br />
Be<strong>de</strong>utung gab. Dies war <strong>de</strong>r im Osten<br />
bis heute beschrittene Weg, die Präsenz<br />
Gottes und <strong>de</strong>s Heiligen aufzurufen.<br />
Die westliche Kirche geht einen an<strong>de</strong>ren<br />
Weg. In <strong>de</strong>n Libri Carolini, <strong>de</strong>n<br />
Schriften aus <strong>de</strong>m Umkreis Karls <strong>de</strong>s<br />
Großen, welche die Texte <strong>de</strong>s Frankfurter<br />
Konzils vorbereiten, wird <strong>de</strong>n<br />
Bil<strong>de</strong>rn eine schwächere Be<strong>de</strong>utung<br />
Hostien © picture-alliance<br />
Christusikone © KNA-Bild<br />
gegeben, wie sie schon Gregor <strong>de</strong>r Große<br />
vorgeschlagen hatte. Sie helfen <strong>de</strong>r<br />
christlichen Einbildungskraft, sich die<br />
heiligen Ereignisse vorzustellen, sie<br />
dienen als Erinnerungsstütze und helfen<br />
<strong>de</strong>m Analphabeten, die biblischen<br />
Ereignisse zu verstehen.<br />
Im Westen wird dagegen die Eucharistie<br />
stark gemacht. Dies kann<br />
man an <strong>de</strong>n Frömmigkeitsübungen sehen,<br />
<strong>de</strong>ren Spuren wir in <strong>de</strong>r Ausstellung<br />
„Der heilige Leib und die Leiber<br />
<strong>de</strong>r Heiligen“ im Haus am Dom lesen<br />
können. Dass das Brot, das in <strong>de</strong>n Leib<br />
Christi gewan<strong>de</strong>lt wird, etwas Beson<strong>de</strong>res<br />
und an<strong>de</strong>res ist, soll man ihm<br />
schon ansehen. Deshalb haben die<br />
Hostien die Gestalt einer weißen run<strong>de</strong>n<br />
Scheibe, die eine eigene Ausstrahlung<br />
haben kann, vor allen Dingen<br />
dann, wenn man sie auch <strong>de</strong>r Anschauung<br />
aussetzt.<br />
Was sieht, wer eine Hostie sieht?<br />
Eigentlich nichts. Eine weiße Scheibe<br />
ist fast so etwas wie das weiße Quadrat<br />
<strong>de</strong>s russischen Künstlers Kasimir Malewitsch<br />
(1878-1935), <strong>de</strong>m es auch um<br />
ein Paradox, die Präsentation <strong>de</strong>s Entzugs,<br />
zu tun war. Wir glauben, dass das<br />
Allerheiligste, die Fülle <strong>de</strong>s Seins, eine<br />
Gestalt angenommen hat, die weniger<br />
nicht sein könnte: Eine weiße Oblate.<br />
Der Kreis, Zeichen <strong>de</strong>r Vollkommenheit,<br />
hat eine eigene Suggestion. Weiß,<br />
die Abwesenheit von Farbe, hat mit<br />
Entzug zu tun. Eigentlich sieht, wer die<br />
Hostie sieht, dass er Gott nicht sehen<br />
kann und doch ist er da! Er ist anwe-<br />
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<strong>Limburg</strong>er Kreuzla<strong>de</strong> © KNA-Bild<br />
send und abwesend zugleich. Diese<br />
Dialektik haben wir in verwandter<br />
Form schon bei <strong>de</strong>r Schrift kennen gelernt.<br />
Nur dieses Zeichen ist eine echte<br />
Alternative zur Gottespräsenz in <strong>de</strong>r<br />
Schrift. Ja mehr noch, es ist eine Überbietung.<br />
Die Schrift sagt mir, was ich<br />
tun und lassen soll. Die Hostie, vor allen<br />
Dingen, wenn ich sie kommuniziere,<br />
also esse, sagt mir, dass ich selbst<br />
<strong>de</strong>n Willen Gottes ermitteln muss, um<br />
sein Stellvertreter sein zu können und<br />
zwar je<strong>de</strong>n Tag neu. Ich selbst bin ein<br />
möglicher Ort Gottes. Diese Tatsache<br />
zu meditieren, dazu gibt es Monstranzen.<br />
Dazu gibt es eigene Feste wie das<br />
Fronleichnamsfest, das die Präsenz im<br />
heiligen Brot aus <strong>de</strong>n Kirchen herausholt<br />
und in <strong>de</strong>n Straßen und Gassen zur<br />
Anschauung bringt. Das sehen<strong>de</strong> Auge,<br />
hinter <strong>de</strong>m ein <strong>de</strong>nken<strong>de</strong>r Kopf<br />
sitzt, wird zum Organ <strong>de</strong>s Glaubens. In<br />
<strong>de</strong>r Ausstellung sind Kelche zu sehen,<br />
Monstranzen und viele Gefäße und<br />
Dinge, die alle das Ziel haben, die<br />
Gleichzeitigkeit von Gottespräsenz<br />
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6. Souvenirs, Souvenirs<br />
und Entzug zu vermitteln:<br />
Gottespräsenz in<br />
<strong>de</strong>r Schrift, repräsentiert<br />
durch eine Torarolle,<br />
auch durch alte und<br />
ehrwürdige Exemplare<br />
<strong>de</strong>s Koran und Gottespräsenz<br />
im Leib.<br />
Der Kult für <strong>de</strong>n<br />
Leib Christi ist auch<br />
Hintergrund und Quelle<br />
für einen Kult um<br />
die Leiber <strong>de</strong>r Christen.<br />
Was einmal „Tempel<br />
<strong>de</strong>s heiligen Geistes“<br />
war, so nennt Paulus<br />
<strong>de</strong>n Leib, wird, zumal<br />
wenn es sich um<br />
vorbildliche Christen<br />
han<strong>de</strong>lt, zu einem kleinen<br />
Denkmal ausgebaut,<br />
das es erlaubt,<br />
<strong>de</strong>m Geist, <strong>de</strong>r diese<br />
Knochen einmal belebt<br />
hatte, auch eine physische<br />
Stütze <strong>de</strong>r Erinnerung<br />
zu geben.<br />
An<strong>de</strong>nken, das ist eine Tätigkeit und<br />
eine Sache. Solche sprachlichen Auffälligkeiten<br />
machen uns darauf aufmerksam,<br />
wie wir offenbar gestrickt sind.<br />
„Eine Locke von <strong>de</strong>inem Haar“, das ist<br />
das klassische Souvenir. Ein Stück vom<br />
Leib eines geliebten Menschen, das er<br />
auch ohne Schmerzen abschnei<strong>de</strong>n und<br />
Methodische Möglichkeiten:<br />
Aufgela<strong>de</strong>ne Gegenstän<strong>de</strong> und normale Gegenstän<strong>de</strong><br />
entbehren kann. Die Damen trugen es<br />
früher in kleinen verschließbaren Kapseln<br />
als Anhänger. Wie viel unscheinbare<br />
Steine, die an irgen<strong>de</strong>inem Strand<br />
o<strong>de</strong>r an irgen<strong>de</strong>inem beson<strong>de</strong>ren Ort<br />
aufgehoben und zuhause aufbewahrt<br />
wer<strong>de</strong>n, mag es wohl geben?<br />
In <strong>de</strong>r Frankfurter Ausstellung fin<strong>de</strong>t<br />
sich ein unscheinbarer Beutel, <strong>de</strong>r<br />
ein doppeltes Souvenir enthält. Als die<br />
Kreuzfahrer aus Nazareth weichen<br />
mussten, nahmen sie vor <strong>de</strong>r Wohnhöhle<br />
Marias zwei Wän<strong>de</strong> mit, die, zusammen<br />
mit dieser, das Haus Mariens<br />
bil<strong>de</strong>ten. Diese Steine wur<strong>de</strong>n in Dalmatien<br />
zwischengelagert und eine Familie<br />
namens Angeli brachte die Steine<br />
in die italienische Provinz Marken.<br />
Dort errichtete man wie<strong>de</strong>r das „Haus<br />
Mariens“ und die Legen<strong>de</strong> erzählte<br />
später, dass es die Engel (Angeli) dorthin<br />
getragen hätten. Was lange als<br />
dreisteste Unwahrscheinlichkeit galt,<br />
hat also durchaus eine gewisse Plausibilität:<br />
Die Pilger stehen in Loreto vor<br />
<strong>de</strong>n Mauern <strong>de</strong>s Hauses, in <strong>de</strong>m die<br />
Gottesmutter und Jesus gelebt haben<br />
dürften. Fromme Pilger haben nun davon<br />
ein paar Stäubchen abgekratzt.<br />
Also von <strong>de</strong>m Souvenir ein Souvenir<br />
abgezweigt.<br />
Das vielleicht für Christen kostbare<br />
Souvenir ist das Kreuz Christi. Im<br />
Kreuz sehen wir Christen <strong>de</strong>n Wen<strong>de</strong>punkt<br />
<strong>de</strong>r Heilsgeschichte, <strong>de</strong>r gleichzeitig<br />
eine unbestrittene materielle<br />
Realität hatte: Holz. Jesus war ein<br />
wirklicher Mensch, <strong>de</strong>r an ein wirkli-<br />
– Zwei Batterien liegen nebeneinan<strong>de</strong>r, eine volle und eine leere. Einen sichtbaren<br />
Unterschied gibt es nicht. Ob die Batterie gela<strong>de</strong>n ist, kann ich aber leicht<br />
<strong>de</strong>monstrieren (z.B. Taschenlampe).<br />
– Zwei i<strong>de</strong>ntische Gegenstän<strong>de</strong> liegen nebeneinan<strong>de</strong>r: Der eine mit Geschichte,<br />
<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re ohne. Den einen habe ich von meinem geliebten Großvater geschenkt<br />
bekommen, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re ist gekauft.<br />
Fazit: Das Beson<strong>de</strong>re an einem Gegenstand ist oft das, was man nicht sieht. Dinge<br />
„zum Sprechen“ bringen. Z. B. Dinge mit einem eigenen Be<strong>de</strong>utungsgehalt (Ehering)<br />
gegenüber an<strong>de</strong>ren Dingen. Hier sind <strong>de</strong>r Fantasie keine Grenzen gesetzt.
ches Kreuz geschlagen wur<strong>de</strong>. Die Kaiserin<br />
Helena, die Mutter <strong>de</strong>s Kaisers<br />
Konstantin, unternahm eine Expedition<br />
ins Heilige Land, um womöglich dieses<br />
echte Kreuz Christi zu i<strong>de</strong>ntifizieren.<br />
Die Kreuzreliquie <strong>de</strong>r <strong>Limburg</strong>er Staurothek<br />
ist, da sie vom oströmischen<br />
Kaiserhof stammt, mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
auf <strong>de</strong>n Fund <strong>de</strong>r Kaiserin<br />
zurückzuführen. Im liturgischen<br />
Kalen<strong>de</strong>r steht das Fest <strong>de</strong>r Kreuzerhöhung<br />
am 14. September. In <strong>de</strong>r Ausstellung<br />
fin<strong>de</strong>n sich auch eine Reihe an<strong>de</strong>rer<br />
kostbarer kleiner Monstranzen, in<br />
<strong>de</strong>nen jeweils winzige Späne vom<br />
Kreuz Christi aufbewahrt wer<strong>de</strong>n. Ob<br />
sie in je<strong>de</strong>m Falle echt sind – darüber<br />
kann man streiten. Für <strong>de</strong>n Glauben<br />
hängt davon nichts ab. Es wer<strong>de</strong>n auch<br />
an<strong>de</strong>re, anrühren<strong>de</strong> Souvenirs gezeigt.<br />
Die einfachen Schuhe <strong>de</strong>r Or<strong>de</strong>nsgrün<strong>de</strong>rin<br />
Katharina Kasper und ihre Reisetasche<br />
...<br />
7. Ein Medienvergleich:<br />
Der große Denker und Philosoph<br />
Dionysius Areopagita (5. Jhd.) war <strong>de</strong>r<br />
Meinung, dass ein Gottesmedium umso<br />
besser ist, je weniger es durch Pracht<br />
und Ähnlichkeit die Gefahr heraufbeschwört,<br />
mit <strong>de</strong>m, was es darstellen<br />
soll, verwechselt zu wer<strong>de</strong>n. Die Stilis-<br />
Eucharistische Anbetung © KNA-Bild<br />
tik und Ästhetik <strong>de</strong>r<br />
Ikone, die <strong>de</strong>m Antlitz<br />
Christi gilt, sorgt dafür,<br />
dass diese Verwechselung<br />
ausgeschlossen<br />
ist. Ikonen betonen die<br />
Differenz. Sie streben<br />
nicht eine fotografische<br />
Ähnlichkeit an und nutzen<br />
alle möglichen Verfremdungsmittel,<br />
um<br />
ihre An<strong>de</strong>rsheit (Alterität)<br />
zu zeigen.<br />
8. Corpus Christi<br />
Corpus Christi, so<br />
heißt in <strong>de</strong>n romanischen<br />
Län<strong>de</strong>rn unser<br />
Fronleichnamsfest. Zu<br />
seiner Entstehungszeit<br />
im 12. Jahrhun<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong><br />
in Deutschland althoch<strong>de</strong>utschgesprochen,<br />
wir kennen noch<br />
das Wort „Frau“ in <strong>de</strong>r<br />
alten Be<strong>de</strong>utung als<br />
„Herrin“. Die männliche<br />
Form ist untergegangen und steckt<br />
in <strong>de</strong>r ersten Silbe „Fron“. Die Be<strong>de</strong>utung<br />
von „Leichnam“ ist geschrumpft.<br />
Sie umfasste damals auch <strong>de</strong>n lebendigen<br />
Körper. In <strong>de</strong>n Kirchen und Kathedralen<br />
<strong>de</strong>s Westens entstehen eigene<br />
kostbare Sakramentenschreine, Tabernakel<br />
und Sakramentshäuschen, vor<br />
<strong>de</strong>nen das „ewige Licht“, die rote Lampe,<br />
brennt. Wo das <strong>de</strong>r Fall ist, beugen<br />
die Gläubigen die Knie und zeigen <strong>de</strong>m<br />
verborgenen Allerheiligsten ihre Verehrung.<br />
In <strong>de</strong>n eucharistischen Andachten<br />
früherer Tage spielte die<br />
Monstranz eine wichtige Rolle. Das<br />
Anschauen <strong>de</strong>s Allerheiligsten ist eine<br />
eigene Meditationsform. Man könnte<br />
sie als eine Einübung in die Abstraktion<br />
<strong>de</strong>uten. Dies bietet unserem Unterricht<br />
auch die Möglichkeit, die run<strong>de</strong> weiße<br />
Scheibe, die dann natürlich nicht konsekriert<br />
ist, zum Mittelpunkt einer<br />
„Bildmeditation“ zu machen, vielleicht<br />
im Vergleich mit Malewitschs<br />
weißem Quadrat. Wir sehen das Allerheiligste,<br />
also die Fülle <strong>de</strong>s Seins und<br />
Fronleichnamsprozession © KNA-Bild<br />
gleichzeitig nichts. Die Dialektik von<br />
Fülle und Entzug kann unmittelbar erlebt<br />
wer<strong>de</strong>n. Wenn dieses Nichts <strong>de</strong>r<br />
Fülle nun von einer strahlen<strong>de</strong>n Monstranz<br />
umfangen wird, wird ein Kontrast<br />
inszeniert, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Begriff eines Gottes,<br />
<strong>de</strong>r sich offenbart und entzieht,<br />
sehr gut entspricht. Eucharistische Andachten,<br />
bei <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r von einem breiten<br />
Velum umhüllte Priester mit diesem<br />
seine Hän<strong>de</strong> umschlägt, um die Monstranz<br />
nicht mit <strong>de</strong>n Fingern zu berühren<br />
und <strong>de</strong>n Segen erteilt, schienen schon<br />
fast ausgestorben. In <strong>de</strong>m Bestreben,<br />
alles „Überflüssige wegzulassen“, wur<strong>de</strong><br />
in <strong>de</strong>n letzten dreißig Jahren mit Berufung<br />
auf das Zweite Vatikanische<br />
Konzil, das freilich dazu keinerlei Befehl<br />
erteilt hatte, aufgeräumt und abgeräumt.<br />
Zum großen Erstaunen <strong>de</strong>r<br />
Altfünfundsechziger Konzilstraditionalisten<br />
leben auf Kirchen- und Weltjugendtagen<br />
plötzlich die Formen eucharistischer<br />
Anbetung wie<strong>de</strong>r auf,<br />
von <strong>de</strong>nen man sich gera<strong>de</strong> im Begriffe<br />
war, zu verabschie<strong>de</strong>n. Im Allerhei-<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
UNTERRICHTSPRAXIS<br />
61<br />
Unterrichts-Mo<strong>de</strong>ll
UNTERRICHTSPRAXIS<br />
62<br />
Unterrichts-Mo<strong>de</strong>ll<br />
ligsten hat <strong>de</strong>r Gedanke: Gott ist mitten<br />
unter uns, eine überzeugen<strong>de</strong> und<br />
sinnfällige Ausdruckskraft.<br />
Zusammenfassung:<br />
– Religiöse Medien wer<strong>de</strong>n im Wechselgesang<br />
zwischen Drinnen und<br />
Draußen in <strong>de</strong>r Antiphon mit <strong>de</strong>r<br />
Natur erzeugt.<br />
– Je<strong>de</strong>s menschliche Interesse hat eine<br />
himmlische Adresse. Menschen<br />
machen sich Götter, um mit Ihnen<br />
in eine Beziehung treten zu können.<br />
– Die Religionskritik <strong>de</strong>s alten Israel<br />
(biblische Aufklärung) setzt an die<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
Stelle selbst gemachter Götter, die<br />
nichts weiter sind als die Verlängerung<br />
menschlicher Bedürfnisse,<br />
einen ganz an<strong>de</strong>ren Gott, <strong>de</strong>r<br />
sich offenbart, in<strong>de</strong>m er sich entzieht.<br />
Das Medium <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren<br />
Gottes Israels ist die Schrift.<br />
– In Jesu Schriftkritik wird <strong>de</strong>r letzte<br />
und wichtigste Medienwechsel vorbereitet.<br />
An die Stelle <strong>de</strong>r Gottespräsenz<br />
im Text tritt die Gottespräsenz<br />
im „Fleisch“ (Inkarnation).<br />
Die Zeichenwelt <strong>de</strong>s eucharistischen<br />
Sakraments und ihr Umfeld,<br />
die Reliquienverehrung, die Präsenz<br />
Gottes in <strong>de</strong>r Ikone und die<br />
Jetzt bitte schon vormerken!<br />
Präsenz <strong>de</strong>s Heiligen in <strong>de</strong>n Reliquien<br />
und Souvenirs treten nebeneinan<strong>de</strong>r.<br />
Das ist <strong>de</strong>r Hintergrund<br />
<strong>de</strong>r Ausstellung „Der heilige Leib<br />
und die Leiber <strong>de</strong>r Heiligen“.<br />
Im Dommuseum und im Amt für kath.<br />
Religionspädagogik Frankfurt können<br />
sich Schulklassen für eine spezielle<br />
Führung durch die Ausstellung<br />
anmel<strong>de</strong>n.<br />
Eckhard Nordhofen ist Leiter <strong>de</strong>s Dezernats<br />
Bildung und Kultur.<br />
49. <strong>Limburg</strong>er Kreuzwoche<br />
Tag <strong>de</strong>r Religionspädagogik 2007<br />
Dienstag, 11. September 2007<br />
Wir und die An<strong>de</strong>ren<br />
Sind Differenzen zwischen <strong>de</strong>n Religionen eine Chance<br />
für <strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />
Anzeige<br />
Bald mehr unter:<br />
www.schule.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong>
Rezensionen<br />
Stosch, Klaus von<br />
EEiinnffüühhrruunngg iinn<br />
ddiiee SSyysstteemmaattiisscchhee<br />
TThheeoollooggiiee<br />
(UTB 2819). – Pa<strong>de</strong>rborn u.a.: Verlag Schöningh.<br />
2006. 352 S., € 16.90 (ISBN 978-3-8252-2819-4)<br />
Klaus von Stosch, wissenschaftlicher Assistent<br />
von Hans-Joachim Höhn (Köln) und Privatdozent<br />
an <strong>de</strong>r Katholisch-Theologischen Fakultät<br />
in Münster, bietet eine Einführung in die Systematische<br />
Theologie (unter Ausschluss <strong>de</strong>r Ethik,<br />
was <strong>de</strong>n Titel etwas irreführend macht), die erfrischend<br />
von üblichen Kompendien und flächigmonologischen<br />
Darstellungen abweicht. Er orientiert<br />
sich an <strong>de</strong>r triadischen Struktur <strong>de</strong>s Credo,<br />
mischt aber Textgenres und Metho<strong>de</strong>n. Fiktive<br />
Dialoge zwischen <strong>de</strong>m philosophieren<strong>de</strong>n Macho<br />
Albert und <strong>de</strong>r intellektuell-frommen Theologiestu<strong>de</strong>ntin<br />
Maria eröffnen <strong>de</strong>n jeweiligen Problemhorizont<br />
<strong>de</strong>r systematischen Fragestellung –<br />
eine didaktische Reduktion mit beachtlichem Mitnehmereffekt,<br />
auch wenn <strong>de</strong>r theologisch-weibliche<br />
Part (die augenzwinkern<strong>de</strong> Ironie ist spürbar)<br />
nicht selten halbverarbeitete und angelernte Diskursweisheiten<br />
vor allem aus <strong>de</strong>m theologischen<br />
Biotop Münster zum Besten gibt und damit natürlich<br />
ihren Gesprächspartner irritiert. Für Kenner<br />
<strong>de</strong>r Szene sind überhaupt die vielfältigen freundlichen<br />
Spitzen ein beson<strong>de</strong>rer Lesereiz, wenn z. B.<br />
<strong>de</strong>r Marathonläufer und „verehrte HJH“ (100 bzw.<br />
166: Hans-Joachim Höhn) bzw. namentlich o<strong>de</strong>r<br />
anonym die Meinungsführer <strong>de</strong>r Münsteraner<br />
Theologie durch <strong>de</strong>n Text geistern. Diese anregen<strong>de</strong>,<br />
weil die theologische Streitpunkte situieren<strong>de</strong><br />
und diskussionswürdig machen<strong>de</strong> „Propä<strong>de</strong>utik“<br />
wird jeweils durch einen theologiegeschichtlichen<br />
Input vertieft und um aktuelle strittige<br />
Gesprächspunkte erweitert. Profilierte Diskursteilnehmer<br />
wer<strong>de</strong>n mit gut verständlichen<br />
Porträts ihrer systematischen Beiträge am passen<strong>de</strong>n<br />
Ort eingeführt (Thomas von Aquin, Karl<br />
Barth, Wolfhart Pannenberg, Johann Baptist Metz,<br />
Romano Guardini, Rudolf Bultmann, Dietrich<br />
Bonheffer, Hans Urs von Balthasar, Karl Rahner,<br />
Dorothee Sölle, Martin Luther, John Hick, Jürgen<br />
Werbick). So bekommt <strong>de</strong>r Diskurs Gesicht und<br />
Gestalt.<br />
Im Einzelnen: Stosch betreibt keine spezifische<br />
Dogmatik o<strong>de</strong>r dogmatische Prinzipienlehre,<br />
son<strong>de</strong>rn folgt <strong>de</strong>r klassischen Einteilung <strong>de</strong>r<br />
Fundamentaltheologie in die drei Kapitel von<br />
quaestio religiosa, christiana und catholica (Gott,<br />
Christus, Kirche). In Anlehnung an Anselm und<br />
Thomas entwickelt er im ersten Kapitel (13-129)<br />
Grundbegriffe von Gottes trinitarischem Wesen<br />
und Han<strong>de</strong>ln. Er führt <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Offenbarung<br />
ein (nicht <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Schöpfung, <strong>de</strong>r eigenartiger<br />
Weise erst nachträglich christologisch profiliert<br />
wird: 168-171), betont mit M. Striet entschie<strong>de</strong>n<br />
das affirmative Anliegen <strong>de</strong>r Theologie<br />
(60-65) und entfaltet die Probleme <strong>de</strong>r Theodizeefrage<br />
(umsichtig und entschie<strong>de</strong>n, wenn er die<br />
Probleme <strong>de</strong>r free will <strong>de</strong>fense auf J. B. Metz hin<br />
expliziert: 95-129). Vom kirchlichen Bekenntnis<br />
her eröffnet Stosch das christologische Kapitel<br />
(133-222) mit <strong>de</strong>r Basiskategorie <strong>de</strong>r Kenosis; er<br />
diskutiert Anspruch und Probleme <strong>de</strong>s Osterglaubens,<br />
<strong>de</strong>r Soteriologie und <strong>de</strong>r Eschatologie. Das<br />
dritte Kapitel (226-292) führt im Eröffnungsdialog<br />
zu einer griffigen Bestimmung <strong>de</strong>s Dogma-<br />
Begriffs (230ff.), um dann Gottes Han<strong>de</strong>ln im<br />
Geist als Eröffnung <strong>de</strong>s Freiheitsraums Kirche zu<br />
entfalten. Den „Streitfall Unfehlbarkeit“ (240-<br />
243) und die Gesprächspunkte ökumenischer Theologie<br />
rekonstruiert Stosch behutsam und einla<strong>de</strong>nd.<br />
Weniger einleuchtend scheint mir, dass er<br />
<strong>de</strong>n Grundbegriff <strong>de</strong>r personal-dialogischen Gotteserfahrung<br />
erst hier im Zusammenhang mit <strong>de</strong>n<br />
sakramentalen Realsymbolen (261-267) einführt,<br />
ihn aber im ersten Kapitel zugunsten eines etwas<br />
„kopflastigen“ anselmianischen Gottesbegriffs<br />
ausspart. Das vierte und letzte Kapitel behan<strong>de</strong>lt<br />
nicht, wie vielleicht nach <strong>de</strong>m herkömmlichen<br />
fundamentaltheologischen Muster zu erwarten<br />
wäre, die theologische Erkenntnislehre, son<strong>de</strong>rn<br />
zwei Grundfragen <strong>de</strong>r „Glaubensverantwortung<br />
heute“ (295-343): Es geht um die Verantwortung<br />
<strong>de</strong>r einen Wahrheit angesichts <strong>de</strong>r vielen Religionen<br />
(und dabei um <strong>de</strong>n Testfall eines religionstheologischen<br />
Konzepts, nämlich um die Verhältnisbestimmung<br />
von Ju<strong>de</strong>ntum und Christentum)<br />
sowie um eine insgesamt abschließen<strong>de</strong> Reflexion,<br />
wie christlicher Glaube zu <strong>de</strong>nken gibt – das<br />
klassische, aber neu artikulierte Verhältnis von<br />
Glaube und Vernunft.<br />
Stosch hat ein anspruchsvolles Buch geschrieben,<br />
das sich <strong>de</strong>m aktuellen theologischen Diskurs<br />
ausdrücklich vom Credo her stellt und <strong>de</strong>nnoch<br />
ein (wenn auch nicht immer leicht zu lesen<strong>de</strong>s)<br />
Lehr- und Arbeitsbuch ist (vgl. jeweils die<br />
Aufgaben und Lesehinweise, vor allem die – ein<br />
seltener Fall! – vorzüglichen Grafiken). Dieses<br />
Buch unterläuft die weitverbreiteten religionspädagogischen<br />
Versuche, eine bedürfnisorientierte<br />
und als anthropologisch etikettierte Theologie<br />
„light“ zu liefern. Von <strong>de</strong>n ange<strong>de</strong>uteten systematischen<br />
Anfragen einmal abgesehen, die ja nur die<br />
systematische Diskussionswürdigkeit <strong>de</strong>s Buchs<br />
belegen, frage ich mich <strong>de</strong>nnoch, ob das Buch für<br />
ein Lehrbuch nicht recht viel (zu viel?) voraussetzt,<br />
nämlich eine hochmotivierte Intellektualität<br />
<strong>de</strong>r Studieren<strong>de</strong>n. So kommen die fiktiven<br />
Dialoge gelegentlich noch anspruchsvoller daher<br />
als <strong>de</strong>r fachtheologische Input. Mensagespräche<br />
in Münster mögen häufiger so verlaufen, an<strong>de</strong>re<br />
Orte bieten (lei<strong>de</strong>r) an<strong>de</strong>re Erfahrungen. Wie wären<br />
aber diese aufzunehmen? Hier müsste die didaktische<br />
Reduktion <strong>de</strong>rer beginnen, die mit diesem<br />
Buch arbeiten und sich erst einmal selbst von<br />
ihm herausfor<strong>de</strong>rn lassen. In diesem Sinne hat<br />
Stosch auch ein wichtiges Lernbuch für Lehren<strong>de</strong><br />
geschrieben, die im universitären und im gymnasialen<br />
Bereich arbeiten. Peter Hofmann<br />
Klein, Stephanie<br />
EErrkkeennnnttnniiss uunndd<br />
MMeetthhood<strong>de</strong>e iinn d<strong>de</strong>err<br />
PPrraakkttiisscchheenn TThheeoollooggiiee<br />
– Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer. 2005. 317 S.,<br />
€ 25.00 (ISBN 978-3-17-018669-9)<br />
Unverzichtbar stellt sich (nicht nur) für die<br />
Praktische Theologie die Gretchenfrage: Wie<br />
hältst Du‘s mit <strong>de</strong>r Metho<strong>de</strong>? – Denn im Sinne<br />
<strong>de</strong>s griechischen „met-hodos“ als „Weg zu etwas<br />
hin“ erweist sich die Metho<strong>de</strong>nfrage als grundlegend<br />
für <strong>de</strong>n Wirklichkeitsbezug im Allgemeinen<br />
und <strong>de</strong>n Praxisbezug <strong>de</strong>r Praktischen Theologie<br />
im Beson<strong>de</strong>ren. Geht es doch darum, wie die<br />
Praktische Theologie zu einer methodisch nachvollziehbaren<br />
und somit wissenschaftlich begrün<strong>de</strong>ten<br />
Erkenntnis über die Praxis gelangt.<br />
Dazu eruiert diese Studie, die im SS 2002 als Habilitationsschrift<br />
im Fachbereich Katholische Theologie<br />
<strong>de</strong>r Johannes Gutenberg-Universität Mainz<br />
angenommen wur<strong>de</strong>, zunächst die „Metho<strong>de</strong>nfrage<br />
in <strong>de</strong>r Praktischen Theologie“ (25-125) und<br />
skizziert ausgehend vom methodischen Dreischritt<br />
„Sehen – Urteilen – Han<strong>de</strong>ln“ nach Joseph<br />
Cardijn und <strong>de</strong>n daran anknüpfen<strong>de</strong>n lateinamerikanischen<br />
und europäischen Varianten methodische<br />
Mo<strong>de</strong>lle <strong>de</strong>r Theoriebildung, die zugleich<br />
exemplarisch einen Einblick in eine Grundstruktur<br />
<strong>de</strong>s methodischen Vorgehens vermitteln. Wie<br />
Stephanie Klein in Anlehnung an die Kooperationsmo<strong>de</strong>lle<br />
von Johannes A. van <strong>de</strong>r Ven sowie<br />
Norbert Mette und Hermann Steinkamp aufzeigt,<br />
ist die Praktische Theologie angefragt, sich über das<br />
innertheologische Gespräch hinaus <strong>de</strong>m interdisziplinären<br />
Dialog insbeson<strong>de</strong>re mit <strong>de</strong>n Humanund<br />
Sozialwissenschaften zu stellen; teilen sich<br />
doch diese Wissenschaften <strong>de</strong>n gleichen Gegenstandsbereich:<br />
Der Mensch und seine Sozialwelt.<br />
Bei <strong>de</strong>r Frage nach <strong>de</strong>m methodischen Zugang<br />
zur menschlichen und sozialen Wirklichkeit wählt<br />
Klein für die erkenntnis- und wissenschaftstheoretische<br />
Theoriebildung die phänomenologische<br />
Metho<strong>de</strong> von Edmund Husserl und die daran anknüpfen<strong>de</strong>n<br />
Überlegungen von Alfred Schütz; <strong>de</strong>ren<br />
Erkenntnisse erweisen sich für die Theoriebildung<br />
dahingehend von Be<strong>de</strong>utung, als die Sozialwelt<br />
durch subjektive und verobjektivierte<br />
Sinngebungsprozesse ge<strong>de</strong>utet und konstruiert<br />
erscheint. Mit <strong>de</strong>n methodologischen Erkenntnissen<br />
<strong>de</strong>s Ethnologen und Psychoanalythikers Georges<br />
Devereux und <strong>de</strong>m Verfahren <strong>de</strong>r Groun<strong>de</strong>d<br />
Theory von Barney G. Glaser sowie Anselm L.<br />
Strauss mün<strong>de</strong>n die Überlegungen in die konkrete<br />
methodische Forschungspraxis. Mit <strong>de</strong>n daraus<br />
gewonnenen methodologischen Erkenntnissen<br />
intendiert diese Studie, Theologie und Glaube in<br />
einer solchen Weise zur Sprache zu bringen, dass<br />
die Subjektivität <strong>de</strong>r Menschen in <strong>de</strong>r Sozialwelt<br />
und damit ihre subjektive Sicht wie auch das forschen<strong>de</strong><br />
Subjekt selbst eine signifikante Rele-<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
LITERATUR & MEDIEN<br />
63
LITERATUR & MEDIEN<br />
64<br />
vanz in <strong>de</strong>r Metho<strong>de</strong> und damit in <strong>de</strong>r Theoriegenerierung<br />
erhält.<br />
Kritisch bleibt gegenüber <strong>de</strong>m ersten Teil <strong>de</strong>r<br />
Studie anzumerken: Im Vergleich zu <strong>de</strong>r umfangreichen<br />
Darstellung <strong>de</strong>s methodischen Dreischrittes<br />
„Sehen – Urteilen – Han<strong>de</strong>ln“ nach Joseph<br />
Cardijn (53-77) fällt <strong>de</strong>r Diskurs über die lateinamerikanischen<br />
(77-86) und europäischen<br />
(86-89) Varianten <strong>de</strong>s Dreischritts bis hin zum<br />
Regelkreismo<strong>de</strong>ll (89-90) von Rolf Zerfaß sehr<br />
kurz aus. Die knappe Darstellung <strong>de</strong>s Regelkreismo<strong>de</strong>lls<br />
auf nur einer Seite begrün<strong>de</strong>t Klein damit:<br />
„In <strong>de</strong>r Praktischen Theologie ist es so bekannt,<br />
dass ich es hier nicht weiter ausführen<br />
muss.“ (90) Dies scheint umso mehr für <strong>de</strong>n methodischen<br />
Dreischritt „Kriteriologie“, „Kairologie“<br />
und „Praxeologie“ von Paul M. Zulehner zu<br />
gelten, <strong>de</strong>r mit seinem methodischen Ansatz in<br />
dieser Untersuchung we<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r wissenschaftlichen<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung kritisch gewürdigt<br />
wird noch im Literaturverzeichnis zu fin<strong>de</strong>n ist.<br />
Der in dieser Studie aufgestellten For<strong>de</strong>rung<br />
nach einer Weiterentwicklung <strong>de</strong>s Mo<strong>de</strong>lls <strong>de</strong>s<br />
„Dreischritts“ ist zuzustimmen und in <strong>de</strong>m Ansatz<br />
einer Ermöglichungspastoral (Speyer, Nor<strong>de</strong>rstedt<br />
2004) vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>s Deutungsmusteransatzes<br />
von Rolf Arnold und <strong>de</strong>m<br />
Diskurs mit <strong>de</strong>m Konstruktivismus durch <strong>de</strong>n<br />
Vierschritt: „Kriteriologie“, „Kairologie“, „Praxeologie“<br />
und „Epistemologie“ im Sinne eines<br />
Handlungs- und Wahrnehmungsmo<strong>de</strong>lls bereits<br />
geschehen. Joachim Eckart<br />
Sill, Bernhard (Hg.)<br />
GGeewwiisssseenn<br />
Gedanken, die zu <strong>de</strong>nken geben<br />
(Quellenbän<strong>de</strong> zur Christlichen<br />
Ethik; Bd. 1). – Pa<strong>de</strong>rborn: Bonifatius-Verlag. 2006.<br />
514 S., € 34.90 (ISBN 978-3-89710-348-1)<br />
Der an <strong>de</strong>r Katholischen Universität Eichstätt-<br />
Ingolstadt lehren<strong>de</strong> Moraltheologe Bernhard Sill<br />
legt einen Quellenband zum Thema „Gewissen“<br />
vor, <strong>de</strong>r durch die Verschie<strong>de</strong>nartigkeit <strong>de</strong>r Texte<br />
und die unterschiedlichen Zugänge zum Thema<br />
eine reichhaltige Materialsammlung darstellt, die<br />
für <strong>de</strong>n Einsatz in Schule (Oberstufe) und Studium<br />
geeignet ist, aber auch zur persönlichen Lektüre<br />
einlädt.<br />
Das Buch beginnt mit einer problemindikatorischen<br />
Skizze, in <strong>de</strong>r Sill die Komplexität <strong>de</strong>s<br />
ethischen Zentralbegriffs „Gewissen“ darlegt, sowie<br />
die Schwierigkeit, es begrifflich zu fassen.<br />
„Es stimmt, dass keiner <strong>de</strong>r Grundbegriffe aus<br />
<strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>s sittlichen Lebens so strittig gewor<strong>de</strong>n<br />
ist wie <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Gewissens. (S. 17)“ Sill skizziert<br />
in seiner Einleitung die unterschiedlichen<br />
Interpretationsmöglichkeiten, hebt einige Positionen<br />
hervor und benennt Schlüsselbegriffe hinsichtlich<br />
<strong>de</strong>s Phänomens „Gewissen“, wie etwa<br />
I<strong>de</strong>ntität, Bildung und Bindung <strong>de</strong>s Gewissens<br />
u.a. Dieser einleiten<strong>de</strong> Teil kommt zu keinem<br />
Schluss, er eröffnet vielmehr das Forum, das <strong>de</strong>n<br />
folgen<strong>de</strong>n Stimmen Raum bietet, sich zum Thema<br />
zu äußern.<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
Es folgen sechs Kapitel. Sie präsentieren:<br />
Stimmen aus Dichtung und Literatur, psychologische,<br />
politische, philosophische, lehramtliche<br />
und theologische Stimmen. Die Kapitel umfassen<br />
zwischen vier (Psychologie) und 28 (Literatur)<br />
Texte unterschiedlicher Länge. Die Kapitel wer<strong>de</strong>n<br />
nicht eigens eingeleitet, und es fin<strong>de</strong>t keine<br />
Begründung <strong>de</strong>r jeweiligen Textauswahl statt. Es<br />
ist hervorzuheben, dass vor je<strong>de</strong>m Text eigens eine<br />
Hinführung erfolgt, die Informationen zum<br />
Autor bietet und – mal mehr, mal weniger ausführlich<br />
– in <strong>de</strong>ssen Denken bzw. Gesamtwerk<br />
einführt. Das Buch muss daher nicht zwingend<br />
von <strong>de</strong>r ersten bis zur letzten Seite gelesen wer<strong>de</strong>n,<br />
son<strong>de</strong>rn ein Text lässt sich beliebig herausgreifen.<br />
Die Hinführungen weisen <strong>de</strong>n Leser und<br />
die Leserin immer auch auf die Beson<strong>de</strong>rheiten<br />
<strong>de</strong>s jeweiligen Autors/<strong>de</strong>r Autorin im Umgang<br />
mit <strong>de</strong>m Gewissen hin und geben hilfreiche Hinweise<br />
zur Einordnung <strong>de</strong>rselben. Sie liefern Erstinformationen,<br />
die oft ausreichen, um einen Text<br />
etwa im Unterricht einzusetzen. An manchen<br />
Stellen nehmen die Einleitungen allerdings zentrale<br />
Aussagen <strong>de</strong>s Beitrags vorweg und überschreiten<br />
damit ihre Funktion <strong>de</strong>s Hinführens.<br />
Die Qualität je<strong>de</strong>s Quellenban<strong>de</strong>s erweist sich<br />
an <strong>de</strong>r Auswahl <strong>de</strong>r Quellen. Bernhard Sill hat in<br />
diesem Band viele sehr verschie<strong>de</strong>nartige Beiträge<br />
versammelt. Beson<strong>de</strong>rs hervorzuheben sind<br />
die literarischen Beiträge <strong>de</strong>s ersten Kapitels, die<br />
auf sehr unterschiedliche Weise Zugänge zum<br />
Thema „Gewissen“ bieten. Es wäre bereichernd,<br />
wenn darüber hinaus – hier o<strong>de</strong>r an an<strong>de</strong>rer Stelle –<br />
auch Stimmen aus an<strong>de</strong>ren Kulturkreisen Zugang<br />
gefun<strong>de</strong>n hätten.<br />
Sill gibt <strong>de</strong>m Leser und <strong>de</strong>r Leserin mit seiner<br />
Textauswahl nicht eine spezifische Interpretationsart<br />
<strong>de</strong>s Gewissens als die richtige vor, son<strong>de</strong>rn<br />
er stellt die Texte nebeneinan<strong>de</strong>r, ohne ein<strong>de</strong>utig<br />
zu werten. Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r theologische Teil erhält<br />
durch diese Vielfalt seine Qualität. Er bietet mehrere<br />
Texte, die hervorragend zur Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
mit <strong>de</strong>m Thema geeignet sind. Allerdings<br />
wären in einem Quellenband auch einige „Klassiker“<br />
gut aufgehoben. So erstaunt es v.a., dass ein<br />
Text von Thomas von Aquin fehlt, aber auch Augustinus<br />
o<strong>de</strong>r ein Vertreter <strong>de</strong>r mittelalterlichen<br />
Mystik hätten das Bild gut ergänzt. Das Kapitel<br />
zur Philosophie stellt wichtige Positionen dar,<br />
lässt in seiner Kürze jedoch an<strong>de</strong>re vermissen. Da<br />
freilich je<strong>de</strong>s Buch begrenzt ist, können auch diese<br />
Quellentexte nicht mehr sein als eben eine Auswahl,<br />
über die sich immer trefflich streiten lässt.<br />
Die Frage nach <strong>de</strong>r Auswahl stellt sich in beson<strong>de</strong>rer<br />
Weise im Kapitel <strong>de</strong>r „Politischen Stimmen“.<br />
Es ist gut, auch dort Überlegungen zum<br />
Gewissen einzuholen, wo das Gewissen – wie in<br />
<strong>de</strong>r Praxis <strong>de</strong>r Politik – beson<strong>de</strong>ren Spannungen<br />
ausgesetzt ist. Es ist allerdings nicht nachvollziehbar,<br />
warum die Stimmen zweier Ethikprofessoren<br />
(Sutor und Tödt) <strong>de</strong>r Politik zugeordnet<br />
wer<strong>de</strong>n. Und beim Blick auf die Parteizugehörigkeit<br />
<strong>de</strong>r übrigen Autoren drängt sich die Frage<br />
auf, ob sozial<strong>de</strong>mokratische und grüne Abgeordnete<br />
keine Meinung zum Gewissen haben – bzw.<br />
ob sie sich nicht äußern wollten o<strong>de</strong>r ob sie nicht<br />
gefragt wur<strong>de</strong>n.<br />
Die einzelnen Kritikpunkte min<strong>de</strong>rn nicht <strong>de</strong>n<br />
positiven Gesamteindruck <strong>de</strong>s Ban<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r unterschiedliche<br />
Zugänge zum Thema ermöglicht und<br />
vielseitig einsetzbar ist. Das Buch bietet sowohl<br />
Texte, die als Einstieg in die Thematik geeignet<br />
sind, als auch solche, die <strong>de</strong>r Vertiefung, <strong>de</strong>r Problematisierung<br />
und <strong>de</strong>r Sensibilisierung dienen.<br />
Die ausführliche Bibliographie erleichtert zu<strong>de</strong>m<br />
die weiter gehen<strong>de</strong> Beschäftigung mit <strong>de</strong>m<br />
Thema. Michelle Becka<br />
Brantschen, Johannes B.<br />
GGootttt iisstt aannd<strong>de</strong>errss<br />
Theologische Versuche und Besinnungen<br />
– Luzern: Edition Exodus. 2005. 212 S.,<br />
€ 25.00 (ISBN 978-3-905577-72-3)<br />
Unter <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschsprachigen Theologen <strong>de</strong>r<br />
Gegenwart gibt es wenige, die <strong>de</strong>rart sensibel, behutsam<br />
und lebensnah <strong>de</strong>m Geheimnis <strong>de</strong>s Glaubens<br />
nachspüren wie <strong>de</strong>r emeritierte Dogmatiker<br />
aus Fribourg – eine klare und helle Stimme eher<br />
im Verborgenen, die sich nicht lautstark vermarktet<br />
und um so dringlicher Empfehlung verdient.<br />
Der Schweizer Dominikaner ist stets ganz nah bei<br />
Alltagserfahrungen, sensibel für gesellschaftliche<br />
Probleme und kirchliche Notstän<strong>de</strong> (wie Zentralismus<br />
o<strong>de</strong>r Patriarchalismus). Genauigkeit <strong>de</strong>r<br />
Wahrnehmung und Schärfe <strong>de</strong>r Argumentation<br />
resultieren aus klarem Verstand und gründlicher<br />
Fachkenntnis, mehr aber noch aus einem nach<strong>de</strong>nklichen<br />
Osterglauben und <strong>de</strong>ssen messianischem<br />
Licht. In <strong>de</strong>n hier gesammelten Aufsätzen<br />
geht es zuerst um die Gottesfrage: „Macht und<br />
Ohnmacht <strong>de</strong>r Liebe“, <strong>de</strong>r vergessene Heilige<br />
Geist und <strong>de</strong>r Verlust eines beziehungsstarken<br />
Denkens und Han<strong>de</strong>lns (Trinität!), und immer<br />
wie<strong>de</strong>r: Gott und das Leid. Kaum einer hat so früh<br />
wie Brantschen das Geheimnis <strong>de</strong>s mit-lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n,<br />
ohnmächtigen Gottes ins theologische Gespräch<br />
gebracht. Zusammen mit <strong>de</strong>r Theodizeefrage<br />
ist es natürlich <strong>de</strong>r Osterglaube, <strong>de</strong>r im Mittelpunkt<br />
steht: Worauf hoffen? Wie von Auferstehung<br />
re<strong>de</strong>n? Wie Erbarmen und Gerechtigkeit zusammenhalten?<br />
Endgültige Versöhnung für alle?<br />
Nicht zufällig enthält <strong>de</strong>r Band zwei Porträts<br />
theologischer Lehrer aus <strong>de</strong>m Protestantismus:<br />
Rudolf Bultmann und Ernst Fuchs. Noch bezeichnen<strong>de</strong>r<br />
ist, dass die fachtheologischen und<br />
doch gut lesbaren Meditationen mit ausdrücklich<br />
spirituellen Gedanken schließen – zum Stichwort<br />
„Sehnsucht“, „Staunen“ und „Verzeihen“, „Einbruch<br />
<strong>de</strong>s Neuen“. Fazit: eine lebensfreundliche<br />
einla<strong>de</strong>n<strong>de</strong> und befreien<strong>de</strong> Theologie, die ohne<br />
große Worte und doktrinale Sprüche auskommt,<br />
statt<strong>de</strong>ssen das Geheimnis <strong>de</strong>s Lebens erschließt.<br />
Nicht zufällig ist <strong>de</strong>r heimliche Gesprächspartner<br />
im Hintergrund immer <strong>de</strong>r Pfarrerssohn aus<br />
Naumburg, Friedrich Nietzsche. In <strong>de</strong>ssen Vorre<strong>de</strong><br />
zu „Die fröhliche Wissenschaft“ fragt ein kleines<br />
Mädchen: „Ist es wahr, dass <strong>de</strong>r liebe Gott<br />
überall zugegen ist? … aber ich fin<strong>de</strong> das unanständig“.<br />
Brantschen fin<strong>de</strong>t das auch, wie je<strong>de</strong>r<br />
aufmerksame Christenmensch – und er arbeitet<br />
theologisch beispielhaft daran, solche angstbe-
setzten Verfälschungen <strong>de</strong>s christlichen Glaubens<br />
zu überwin<strong>de</strong>n. Äußerst hilfreich für <strong>de</strong>n Religionsunterricht!<br />
Gotthard Fuchs<br />
Niemann, Ulrich /<br />
Wagner, Marion<br />
VViissiioonneenn<br />
Werk Gottes o<strong>de</strong>r Produkt <strong>de</strong>s Menschen? Theologie<br />
und Humanwissenschaft im Gespräch. – Regensburg:<br />
Verlag F. Pustet. 2005. 206 S., € 16.90<br />
(ISBN 978-3-7917-1954-2)<br />
Das vorliegen<strong>de</strong> Buch praktiziert das Gespräch<br />
zwischen Theologie (Marion Wagner, Dogmatik)<br />
und empirischer Humanwissenschaft (Ulrich<br />
Niemann SJ, Neuropsychiatrik, Psychosomatik)<br />
zur Klärung <strong>de</strong>s Sach- und Sinngehalts von<br />
Visionen. Es versucht, eine Phänomenologie solcher<br />
‚außergewöhnlicher Erfahrungen’ zu leisten<br />
und sich so einer empirisch fassbaren Seite von<br />
‚Visionen’ zu nähern. Nach <strong>de</strong>r theologischen<br />
Reflexion von Möglichkeit, Relevanz und Erkenntnisgewinn<br />
<strong>de</strong>s in Privatvisionen ‚Geschauten’<br />
(Wagner) gibt Niemann aus <strong>de</strong>r Perspektive<br />
<strong>de</strong>s Mediziners einen Überblick über die neurophysiologische<br />
und psychiatrische Erforschung<br />
von außergewöhnlichen Bewusstseinszustän<strong>de</strong>n.<br />
Den Abschluss bil<strong>de</strong>t ein konstruierter Dialog<br />
zwischen bei<strong>de</strong>n über sieben Visionäre aus fünf<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rten.<br />
Die Bibel bezeugt von Anfang bis En<strong>de</strong> Gottes<br />
Offenbarung, die in Jesus Christus ihren unüberbietbaren<br />
Höhepunkt gefun<strong>de</strong>n hat. Sofern mit<br />
diesem Zeugnis göttliches Han<strong>de</strong>ln in <strong>de</strong>r Welt<br />
grundsätzlich für möglich gehalten wird, ergeben<br />
sich zwei Konsequenzen: die Annahme <strong>de</strong>r Möglichkeit<br />
von Offenbarung auch hier und heute und<br />
die Frage nach <strong>de</strong>m ‚theologischen Mehrwert’<br />
solcher nachapostolischer Offenbarungen – <strong>de</strong>nn<br />
wenn in Christus alles gesagt ist, kann eine spätere<br />
Privatoffenbarung diese Selbstkundgabe we<strong>de</strong>r<br />
korrigieren o<strong>de</strong>r ergänzen. ‚Echt’ kann eine<br />
Vision nur dann sein, wenn sie mit <strong>de</strong>m biblisch<br />
bezeugten und kirchlich tradierten Christusglauben<br />
übereinstimmt (36-59). Unter Berufung auf<br />
Rahner und Weissmahr (thomanisch geprägte<br />
Klassiker <strong>de</strong>r Zuordnung göttlichen und menschlichen<br />
Han<strong>de</strong>lns; Zweitursachenlehre) <strong>de</strong>utet Wagner<br />
das Phänomen einer Vision als Verleiblichung,<br />
Materialisierung einer beson<strong>de</strong>ren Gottesbegegnung<br />
durch <strong>de</strong>n Glauben<strong>de</strong>n. Mit Weissmahr<br />
ist sie davon überzeugt, dass Gottes Han<strong>de</strong>ln<br />
in <strong>de</strong>r Welt immer durch die Wahrnehmungs-<br />
und Handlungsbedingungen <strong>de</strong>s Glauben<strong>de</strong>n<br />
vermittelt ist. Das be<strong>de</strong>utet auch, dass ein<br />
objektiver Beweis für das Vorliegen göttlichen<br />
Han<strong>de</strong>lns, sei es im Rahmen <strong>de</strong>r Wun<strong>de</strong>rtheorie,<br />
sei es zur Klärung <strong>de</strong>r Echtheit einer Vision, we<strong>de</strong>r<br />
möglich noch sachgemäß ist. In angenehmer<br />
Nüchternheit entwickelt sie Kriterien und Voraussetzungen,<br />
die ein Han<strong>de</strong>ln Gottes in Wun<strong>de</strong>r<br />
o<strong>de</strong>r Vision <strong>de</strong>nkbar machen. Wichtigstes Positivkriterium<br />
ist die nachhaltige Vertiefung <strong>de</strong>r<br />
Gottesbeziehung <strong>de</strong>s psychisch gesun<strong>de</strong>n ‚Visionärs’<br />
samt seinem Zurücktreten hinter das Erfah-<br />
rene, einer Haltung also, die <strong>de</strong>r alte Begriff ‚Demut’<br />
auf <strong>de</strong>n Punkt bringt (11-35). Angesichts<br />
dieses theoretischen Hintergrun<strong>de</strong>s wird klar,<br />
was die kirchliche Approbation (zum Verfahren<br />
und <strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>r Humanwissenschaften bei <strong>de</strong>r<br />
Urteilsfindung vgl. 40-45) einer Vision (analog:<br />
eines Wun<strong>de</strong>rs) ist und was nicht: Sie besagt,<br />
„dass die mit <strong>de</strong>m Erscheinungsphänomen verknüpfte<br />
Botschaft mit <strong>de</strong>m Glauben und <strong>de</strong>r Lebensweisung<br />
<strong>de</strong>r Kirche übereinstimmt“ (39) und<br />
dass es auf die Verehrung Christi zielt, nicht auf<br />
ein spektakuläres Ereignis. Aber „die Kirche<br />
bürgt durch ihr Urteil keineswegs für die Tatsächlichkeit<br />
<strong>de</strong>s Geschehens“ (39); auch kann sie <strong>de</strong>n<br />
Glauben an die Echtheit einer Privatoffenbarung/<br />
eines Wun<strong>de</strong>rs schon wegen <strong>de</strong>r Endgültigkeit <strong>de</strong>r<br />
Offenbarung in Jesus Christus nicht vorschreiben,<br />
nur zulassen. Besonnen und ausgewogen diskutiert<br />
Wagner Gefahren und Grenzen von Visionsfrömmigkeit<br />
und Wun<strong>de</strong>rgläubigkeit (49-59).<br />
Niemann erläutert die empirische Sicht auf<br />
außergewöhnliche Erfahrungen (z.B. Visionen,<br />
Auditionen, Trance und Ekstase) und gibt einen<br />
Überblick über neurophysiologische und neurochemische<br />
Forschungen zur Deutung <strong>de</strong>s menschlichen<br />
Bewusstseins bzw. seiner empirisch verortbaren<br />
Momente (60-99). Sein Ergebnis: „Je<strong>de</strong>r<br />
menschliche Bewusstseinsakt hat eine neurophysiologische<br />
Grundlage, auch das religiöse Erleben“<br />
(92), bei <strong>de</strong>m mitunter ekstase- und tranceähnliche<br />
Zustän<strong>de</strong> erhoben wer<strong>de</strong>n können. Hier<br />
kann <strong>de</strong>r Empiriker <strong>de</strong>n ‚Visionär’ auf hirnphysiologische<br />
und psychodynamische Störungen,<br />
auf kognitive, affektive und soziale Gesundheit<br />
hin untersuchen; ein Urteil über die ‚Übernatürlichkeit’<br />
eines empirisch (noch) nicht restlos zu<br />
klären<strong>de</strong>n Phänomens kann er nicht treffen. Jedoch<br />
ist die Erforschung <strong>de</strong>s Bewusstseins in ihren<br />
Grundannahmen so disparat wie in ihren Ergebnissen<br />
zumal hinsichtlich außergewöhnlicher<br />
Bewusstseinszustän<strong>de</strong> am Anfang. Anschaulicher<br />
noch als die Sichtung <strong>de</strong>r medizinischen Untersuchungen<br />
an <strong>de</strong>n fünf jungen Leuten, die in Medjugorje<br />
Marienvisionen bezeugen (100-111), ist<br />
<strong>de</strong>r konstruierte Dialog zwischen Theologin und<br />
Mediziner, in <strong>de</strong>m sie anhand konkreter Visionsberichte<br />
ihre Perspektiven kritisch zueinan<strong>de</strong>r<br />
bringen (112-197). Ins Gespräch kommen u.a.<br />
<strong>de</strong>r christliche Journalist André Frossard, Ignatius<br />
v. Loyola und Berna<strong>de</strong>tte Soubirous, die sog. ‚Seherin<br />
von Lour<strong>de</strong>s’, <strong>de</strong>ren soziobiographische<br />
Verortung und Persönlichkeitsstruktur nach allen<br />
Regeln <strong>de</strong>r Kunst auf emotionale und kognitive<br />
Reife, Schwärmertum und pathologische Störungen<br />
abgeklopft wer<strong>de</strong>n.<br />
Das Buch zeichnet sich aus durch eine interessante<br />
und reizvolle Gestaltung (Beiträge verschie<strong>de</strong>ner<br />
Perspektiven, veranschaulichen<strong>de</strong> ‚Fallberichte’,<br />
inszenierter Dialog), klare Sprache und<br />
Gedankenführung, Begriffsklärungen in Text und<br />
Glossar, genaue Abgrenzungen <strong>de</strong>r Fragestellung,<br />
Reichweite und Kompetenzen <strong>de</strong>r einbezogenen<br />
Wissenschaften. Der theologische Beitrag<br />
ist wissenschaftlich-theologisch überzeugend und<br />
auch für Nicht-Fachleute gut lesbar. Der humanwissenschaftliche<br />
Teil ist recht dicht und vermittelt<br />
einen straffen Überblick über <strong>de</strong>n <strong>de</strong>rzeitigen<br />
Forschungsstand. Es überzeugen die nüchterne<br />
Ausgewogenheit und <strong>de</strong>r interdisziplinär-kritische<br />
Dialog im Umgang mit einem eher befremdlichen<br />
Thema. Zusammenfassungen einzelner<br />
Abschnitte und (z.T. etwas konstruierte) Visualisierungen<br />
<strong>de</strong>s Gedankengangs ermöglichen die<br />
kursorische Lektüre v.a. <strong>de</strong>s ersten Teils.<br />
Julia Knop<br />
Niemann, Ulrich / Wagner,<br />
Marion<br />
EExxoorrzziissmmuuss ood<strong>de</strong>err<br />
TThheerraappiiee??<br />
Ansätze zur Befreiung vom Bösen. – Regensburg:<br />
Verlag F. Pustet. 2005. 141 S., € 16.90 (ISBN<br />
978-3-7817-1978-8)<br />
Immer wie<strong>de</strong>r wird <strong>de</strong>r umstrittene Ritus <strong>de</strong>s<br />
Exorzismus zum Medienthema, zuletzt durch <strong>de</strong>n<br />
amerikanischen Spielfilm “Der Exorzismus <strong>de</strong>r<br />
Emily Rose”, <strong>de</strong>r sich stark an <strong>de</strong>n historischen<br />
(und tragischen) Fall <strong>de</strong>r Anneliese Michel 1976<br />
in Klingenberg anlehnt. Um so wichtiger ist ein<br />
soli<strong>de</strong>s Hintergrundwissen für Lehren<strong>de</strong>, wenn<br />
sie in <strong>de</strong>r Schule auf die „Austreibung“ von Teufel<br />
und Dämonen angesprochen wer<strong>de</strong>n. Dazu<br />
bietet das vorliegen<strong>de</strong> Buch soli<strong>de</strong> Informationen<br />
aus <strong>de</strong>n Bereichen Exegese, Dogmatik, Pastoraltheologie,<br />
Liturgiewissenschaft und Psychiatrie/<br />
Psychotherapie. Eine Zusammenfassung in 11<br />
Thesen am Schluss bün<strong>de</strong>lt die gemeinsame Analyse<br />
und Praxis-Empfehlung.<br />
Folgt man dieser Linie (die in <strong>de</strong>n einzelnen<br />
Artikeln weiter entfaltet wird), ergibt sich dieser<br />
Befund:<br />
Die Re<strong>de</strong> vom Teufel entsteht in <strong>de</strong>r Bibel relativ<br />
spät, gehört aber im Ju<strong>de</strong>ntum zur Zeit Jesu<br />
und auch bei Jesus selbst zweifellos zum Weltbild.<br />
„Satan“ hat jedoch immer die untergeordnete<br />
Rolle eines Versuchers, eines Störers und stellt<br />
keine gleichwertige o<strong>de</strong>r gleich starke „böse“<br />
Macht gegenüber <strong>de</strong>m guten Gott dar.<br />
Menschen erfahren sich immer wie<strong>de</strong>r in<br />
Strukturen kollektiver Bosheit (Auschwitz!), <strong>de</strong>nen<br />
gegenüber sie sich machtlos fühlen. Die Re<strong>de</strong><br />
vom Teufel als Person ist dann eine eher metaphorische,<br />
bestenfalls analoge Aussage. Sie stellt<br />
<strong>de</strong>n Versuch dar, „über die furchtbare Realität <strong>de</strong>s<br />
Abgrundbösen etwas mehr auszusagen als nichts.“<br />
Ob es so etwas wie dämonische Besessenheit<br />
gibt, ist we<strong>de</strong>r zu beweisen noch zu wi<strong>de</strong>rlegen.<br />
Möglicherweise bieten Medizin/Psychiatrie und<br />
Theologie einfach unterschiedliche Deutungsmuster<br />
<strong>de</strong>r gleichen verstören<strong>de</strong>n Phänomene.<br />
Die klassischen Kriterien, um „Besessenheit“ und<br />
„Krankheit“ zu unterschei<strong>de</strong>n, sind vor <strong>de</strong>m Hintergrund<br />
heutiger humanwissenschaftlicher Erkenntnisse<br />
untauglich.<br />
Als seelsorgliche Hilfe empfiehlt sich statt <strong>de</strong>s<br />
klassischen Exorzismus eine „Liturgie zur Befreiung<br />
vom Bösen“, die im Gebet mit <strong>de</strong>m Kranken<br />
und im Ritus um Befreiung vom Bösen bittet.<br />
Dazu haben Mitarbeiter dieses Bändchens (Klemens<br />
Richter, Manfred Probst) an an<strong>de</strong>rer Stelle<br />
weiter führen<strong>de</strong> Vorschläge entwickelt.<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
LITERATUR & MEDIEN<br />
65
LITERATUR & MEDIEN<br />
66<br />
Fazit: Das vorliegen<strong>de</strong> Buch bietet für Lehren<strong>de</strong><br />
eine vorzügliche Einführung in die theologische<br />
und psychologische Problematik <strong>de</strong>s Umgangs<br />
mit <strong>de</strong>m Bösen. Fundamentalistische Kurzschlüsse,<br />
wie sie vor allem in neuen Freikirchen,<br />
aber nicht nur dort, an Bo<strong>de</strong>n gewinnen, wer<strong>de</strong>n<br />
vermie<strong>de</strong>n. Ob freilich Schülerinnen und Schüler<br />
unmittelbar mit diesem Buch arbeiten könnten,<br />
scheint zweifelhaft. Die didaktische und methodische<br />
Umsetzung <strong>de</strong>r Analysen dieses Buches bleibt<br />
Sache einer sorgfältigen Unterrichtsvorbereitung.<br />
Zum Thema Teufel/Satan wird dies z. T. an an<strong>de</strong>rer<br />
Stelle geleistet (s. Rezension Okkultismus/ Satanismus<br />
im gleichen Heft). Lutz Lemhöfer<br />
Ebner, Martin /<br />
Heiniger, Bernhard<br />
EExxeeggeessee d<strong>de</strong>ess<br />
NNeeuueenn TTeessttaammeennttss<br />
Ein Arbeitsbuch für Lehre und Praxis (UTB 2677).<br />
– Pa<strong>de</strong>rborn: Verlag F. Schöningh. 2005. 420 S.<br />
€ 19.90 (ISBN 978-3-8252-2677-0)<br />
Das 2005 erstmals erschienene Arbeitsbuch<br />
von Martin Ebner und Bernhard Heininger führt<br />
ein in die Methodik <strong>de</strong>r neutestamentlichen Exegese.<br />
In <strong>de</strong>r Einleitung wird das Vorgehen <strong>de</strong>r Autoren<br />
exemplarisch an einem alttestamentlichen<br />
(!) Text (Spr 9,1-18) ver<strong>de</strong>utlicht. „Der Aufbau<br />
<strong>de</strong>r einzelnen Paragraphen ist immer gleich: Vorstellung<br />
<strong>de</strong>r Metho<strong>de</strong> – Arbeitsschritte/Kriterien –<br />
Demonstration an Mk 2,1-3,6 o<strong>de</strong>r einer Textpassage<br />
daraus – theologischer Ertrag – selbstständiger<br />
Versuch – Literaturhinweise“ (S. 22).<br />
Auf diese Art wird die Leserin, <strong>de</strong>r Leser vertraut<br />
gemacht mit <strong>de</strong>n Elementen <strong>de</strong>r klassischen historisch-kritischen<br />
Exegese: Textkritik, synoptischer<br />
Vergleich, Literaturkritik, Gattung, Sitz im<br />
Leben, Traditionskritik (im Zusammenhang mit<br />
Zeit- und Religionsgeschichte), Überlieferungsgeschichte<br />
und Redaktionsgeschichte. Ein geson<strong>de</strong>rtes<br />
Kapitel ist <strong>de</strong>r „Rückfrage nach Jesus“ gewidmet.<br />
Der umfangreichste Abschnitt <strong>de</strong>s Buches<br />
beschäftigt sich mit <strong>de</strong>r Textbeschreibung.<br />
Hier erhält die Leserin, <strong>de</strong>r Leser Einblick in neuere<br />
Zugänge zur Bibel (zum Beispiel narratologische<br />
und linguistische Verfahren).<br />
Alle Schritte <strong>de</strong>r Exegese wer<strong>de</strong>n didaktisch<br />
gekonnt vermittelt. Die Autoren geben zumeist<br />
„eine spielerische Hinführung zur Metho<strong>de</strong>“ (S. 22).<br />
Die Metho<strong>de</strong>n selbst erläutern sie mit Hilfe vieler<br />
Beispiele. Merksatzartige Zusammenfassungen<br />
helfen bei <strong>de</strong>r Aneignung <strong>de</strong>s Stoffes. Der Vertiefung<br />
dienen auf <strong>de</strong>n laufen<strong>de</strong>n Text bezogene<br />
Lektürevorschläge. Wichtige Begriffe und Sachverhalte<br />
(zum Beispiel „Intertextualität“ o<strong>de</strong>r „Der<br />
Antiochenische Zwischenfall“) wer<strong>de</strong>n in kleinen<br />
„Lexikonartikeln“ erklärt, die mit weiterführen<strong>de</strong>n<br />
aktuellen Literaturangaben versehen<br />
sind. Tabellen und graphische Darstellungen lockern<br />
<strong>de</strong>n Text auf und veranschaulichen ihn.<br />
Die zu je<strong>de</strong>r Metho<strong>de</strong> gestellten Aufgaben bieten<br />
die Möglichkeit, die Anwendung <strong>de</strong>r Metho<strong>de</strong>n<br />
selbstständig zu üben. Die Leserin, <strong>de</strong>r Leser<br />
kann die Ergebnisse seiner Bemühungen mit <strong>de</strong>n<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
ausführlichen Lösungen am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Buches<br />
vergleichen.<br />
Den Autoren gelingt es, fundiertes Wissen in<br />
einer zeitgemäßen Sprache zu vermitteln. Die<br />
Darstellung <strong>de</strong>r Methodik zeichnet sich insgesamt<br />
durch eine wohltuen<strong>de</strong> Kürze aus. An manchen<br />
Stellen hätte man aber gern mehr erfahren.<br />
Der Untertitel verspricht zu Recht, dass es sich<br />
um „ein Arbeitsbuch für Lehre und Praxis“ han<strong>de</strong>lt.<br />
Das Metho<strong>de</strong>nbuch ist für einen breiten Leser/-innenkreis<br />
geeignet, zuallererst natürlich für<br />
Studieren<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Theologie. Studienanfängern erleichtert<br />
es <strong>de</strong>n Zugang zu <strong>de</strong>n Texten <strong>de</strong>r Bibel,<br />
Fortgeschrittenen ist es ein wertvolles Hilfsmittel<br />
zur Präparation auf Seminare o<strong>de</strong>r Prüfungen. Lehren<strong>de</strong>n<br />
kann es als Fundgrube für die Vorbereitung<br />
von Unterrichtsstun<strong>de</strong>n empfohlen wer<strong>de</strong>n, selbst<br />
für die im pastoralen Dienst Tätigen könnte es in<br />
mancherlei Hinsicht nützlich sein, zum Beispiel bei<br />
<strong>de</strong>r Predigtvorbereitung. Ulrich Zalewski<br />
Adam, Gottfried / Englert, Rudolf /<br />
Lachmann, Rainer / Mette, Norbert<br />
(Hg.) unter Mitarbeit von<br />
Papenhausen, Britta<br />
BBiibbeellddiiddaakkttiikk<br />
Ein Lesebuch. – Münster: Comenius-Institut. 2006.<br />
276 S., € 17.90 (ISBN 3-924804-63-3)<br />
Die Intention einer gelungenen Bibeldidaktik<br />
– so Peter Biehl – besteht darin, die Gegenwart<br />
als „Jetztzeit“ zu erkennen, in welcher die Splitter<br />
<strong>de</strong>r messianischen Zeit eingesprengt sind.<br />
Das vorliegen<strong>de</strong> Lesebuch leistet einen wertvollen<br />
Beitrag zum Stellenwert <strong>de</strong>r Bibeldidaktik,<br />
ihrer Entwicklung und eröffnet auch neue Aspekte<br />
biblischer Zugänge im religionspädagogischen<br />
Raum.<br />
Der Aufbau <strong>de</strong>s Lesebuches besteht aus sechs<br />
Teilen: Der erste Teil beginnt mit einer Bilanz bibeldidaktischer<br />
Entwicklungen Anfang <strong>de</strong>r 1990er<br />
Jahre (R. Ott und K. Wegenast). Im zweiten Teil<br />
fin<strong>de</strong>t sich ein Überblick über die klassischen<br />
Autoren didaktisch-hermeneutischer Zugänge (G.<br />
Otto / I. Bal<strong>de</strong>rmann / W. Langer / P. Biehl / K. Wegenast<br />
/ H. Stock). Der dritte Teil dokumentiert<br />
<strong>de</strong>n Beitrag <strong>de</strong>r Entwicklungspsychologie für die<br />
Bibeldidaktik.<br />
Als ein Beispiel entwicklungspsychologischer<br />
Zugänge sei hier <strong>de</strong>r Aufsatz von Anton A. Bucher<br />
genannt. Der Autor stellt die provozierend<br />
kritische Frage: “Ein zu lieber Gott? O<strong>de</strong>r ist die<br />
Tilgung <strong>de</strong>s Bösen aus <strong>de</strong>r Bibeldidaktik nur<br />
gut?“ Bucher konstatiert, dass in <strong>de</strong>n letzten Jahrzehnten<br />
eine theologisch, pädagogisch und auch<br />
entwicklungspsychologisch nicht zu vertreten<strong>de</strong><br />
Selektion von Bibeltexten bei Schulbibeleditionen<br />
vorgenommen wur<strong>de</strong>. Zu Gunsten eines gütigen<br />
Gottes sei auf die ebenfalls biblisch tradierten<br />
zornigen, richten<strong>de</strong>n und unfassbaren Züge<br />
verzichtet wor<strong>de</strong>n. Eine <strong>de</strong>rart überzeichnete<br />
Einseitigkeit <strong>de</strong>s Gottesbil<strong>de</strong>s betrachtet Bucher<br />
als unredlich. Kin<strong>de</strong>r/Jugendliche wer<strong>de</strong>n ihre<br />
wi<strong>de</strong>rsprüchlichen Lebenserfahrungen von Unrecht<br />
und Gewalt keinesfalls in <strong>de</strong>m verharmlo-<br />
send nur „lieb“ gezeichneten Gott wie<strong>de</strong>r fin<strong>de</strong>n<br />
und ebenso einen Gott, <strong>de</strong>r zornig Anteil nimmt<br />
und wie<strong>de</strong>r Recht herstellt, suchen.<br />
Teil vier vermittelt diverse methodische Zugänge<br />
wie z.B. interaktionale, strukturanalytische,<br />
bibliodramatische, befreiungstheologische,<br />
feministische, handlungsorientierte und semiotische.<br />
Dabei wer<strong>de</strong>n die Aspekte <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen<br />
methodischen Zugänge ebenso kritisch hinterfragt<br />
und in ihrer zeitbedingten Genese sowie<br />
Relevanz gesehen. Der fünfte Teil enthält Fragen<br />
nach <strong>de</strong>r Unmittelbarkeit, Aspekte <strong>de</strong>r Korrelation.<br />
Im sechsten Teil wer<strong>de</strong>n neue Perspektiven<br />
aufgezeigt, basierend auf <strong>de</strong>m Dialog zwischen<br />
biblischen Erzählungen und mo<strong>de</strong>rner Literatur.<br />
Beispielhaft für diesen Abschnittes sei <strong>de</strong>r Aufsatz<br />
von Georg Langenhorst erwähnt: „Bibel und<br />
mo<strong>de</strong>rne Literatur: Perspektiven für <strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />
und Religionspädagogik.“ Langenhorst<br />
betrachtet <strong>de</strong>n Vergleich von Urbild (Bibeltext)<br />
und künstlerischer Gestaltung (literarischem<br />
Text) als reizvoll und herausfor<strong>de</strong>rnd. In seinem<br />
Beitrag stellt er sieben I<strong>de</strong>altypen <strong>de</strong>r literarischen<br />
Bibelrezeption vor. Den Ertrag <strong>de</strong>s spannen<strong>de</strong>n<br />
Dialogs zwischen Bibel und Literatur<br />
umschreibt Langenhorst mit <strong>de</strong>n Begriffen: Textspiegelung,<br />
Sprachsensibilisierung, Erfahrungserweiterung,<br />
Wirklichkeitserschließung. Wer die<br />
Bibel als einen Fundus von literarischen Stoffen<br />
und Motiven ent<strong>de</strong>ckt, <strong>de</strong>r vermag für seine Lebens<strong>de</strong>utung<br />
und eigene Sprachwerdung einen<br />
Nährbo<strong>de</strong>n zu fin<strong>de</strong>n.<br />
Das Lesebuch Bibeldidaktik lädt ein, bereits<br />
bekannte Zugänge zu reflektieren, methodische<br />
Schritte nachzuvollziehen, diese in <strong>de</strong>r eigenen<br />
religionspädagogischen Praxis zu überprüfen, sich<br />
dabei auf immer wie<strong>de</strong>r neu zu ent<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>s Terrain<br />
zu begeben und auf überraschen<strong>de</strong> Weise ungeahnte<br />
Schätze zu heben. Marie-Luise Reis<br />
Weth, Irmgard<br />
BBiibbeell--FFeesstt--SSppiieellee<br />
Biblische Geschichten inszenieren<br />
und feiern. Mit Skizzen von Jochen Weth.<br />
– Neukirchen-Vluyn: Aussaat Verlag. 2005. 208 S.,<br />
€ 17.90 (ISBN 978-3-7615-5386-2)<br />
Irmgard Weth, die erfahrene Erzählerin biblischer<br />
Geschichten, stellt in diesem Band Mo<strong>de</strong>lle<br />
vor, wie man biblische Geschichten als Aufführung<br />
inszenieren kann. Die Vorschläge sind entstan<strong>de</strong>n<br />
aus <strong>de</strong>r Praxis <strong>de</strong>r alljährlich stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Neukirchener „Bibel-Fest-Spiele“, mit ca. 30<br />
Minuten dauern<strong>de</strong>n Inszenierungen ausgewählter<br />
biblischer Erzählungen im Rahmen eines Festgottesdienstes.<br />
Sie sind für Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche<br />
zwischen 6 und 15 Jahren gedacht und setzen<br />
keine biblischen Vorkenntnisse voraus.<br />
Das Buch umfasst eine spannen<strong>de</strong> Auswahl<br />
von insgesamt elf Erzählungen (7 AT, 4 NT). Aus<br />
<strong>de</strong>m AT begegnen zum einen Erzählungen, die<br />
Grundschulkin<strong>de</strong>r aufgrund ihres „märchenhaften“<br />
Charakters beson<strong>de</strong>rs ansprechen und faszinieren:<br />
die Rettung <strong>de</strong>s kleinen Mose (Ex 1-2)<br />
unter „S.O.S. – rettet die Kin<strong>de</strong>r!“, und Erzählun-
gen über Daniel, z.B. Daniel in <strong>de</strong>r Löwengrube<br />
(Dan 1,5 und 6). Daneben widmet die Autorin<br />
sich kaum gelesenen aber be<strong>de</strong>utsamen Perikopen.<br />
Gleichsam als Motto über das Buch behan<strong>de</strong>lt<br />
das erste Bibelspiel unter <strong>de</strong>r Überschrift<br />
„Schatz ent<strong>de</strong>ckt!“ <strong>de</strong>n Fund <strong>de</strong>r Torarolle unter<br />
König Josija (2 Kön 22). Ein für Kin<strong>de</strong>r zentrales<br />
Thema „So ist Versöhnung“ greift die tiefe Sehnsucht<br />
nach Versöhnung und Frie<strong>de</strong>n auf. Bemerkenswert<br />
ist, dass die Autorin dazu nicht die bekannte<br />
Versöhnung zwischen Josef und seinen<br />
Brü<strong>de</strong>rn, son<strong>de</strong>rn die zwischen König David und<br />
Mefi-Boschet (2 Sam 9) gestaltet. Mit <strong>de</strong>r Auswahl<br />
<strong>de</strong>r Eroberung Jerichos durch Josua (Jos 1-6)<br />
wagt sich I. Weth an die theologisch schwierige<br />
Thematik <strong>de</strong>r Landnahme und legt daraus die<br />
Botschaft offen: „Wenn <strong>de</strong>r Weg verbaut ist“ –<br />
dann braucht man trotz<strong>de</strong>m im Vertrauen auf Gott<br />
nicht mutlos zu wer<strong>de</strong>n. Auch aus <strong>de</strong>m NT greift<br />
sie bekannte Erzählungen auf, so die von König<br />
Hero<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>m Jesuskind (Mt 2) o<strong>de</strong>r Jesu<br />
Gleichnis vom großen Gastmahl („Einladung<br />
zum Fest“; Lk 14). Daneben wer<strong>de</strong>n weniger bekannte<br />
Erzählungen umgesetzt: Die Erfahrung<br />
„Zutritt verboten“ wird entfaltet anhand <strong>de</strong>r Erzählung<br />
von Petrus und <strong>de</strong>m Bettler am Tor (Apg<br />
3-4), die Grun<strong>de</strong>rfahrung „Endlich frei“ mit Paulus<br />
und <strong>de</strong>m Wachtmeister von Philippi (Apg 16).<br />
Die Überschriften zeigen schon das zentrale Anliegen<br />
<strong>de</strong>r Autorin, biblische Geschichten nicht<br />
für sich allein zu sehen, son<strong>de</strong>rn sie in Beziehung<br />
zu setzen zur Lebenswelt von Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen<br />
heute. Weths Ziel ist es, durch die<br />
Darstellung neue Zugänge zur biblischen Botschaft<br />
zu eröffnen und so erfahren wer<strong>de</strong>n zu lassen,<br />
„dass die Bibel nicht nur ein Lesebuch, son<strong>de</strong>rn<br />
ein ‚Lebebuch’(Luther) ist, in <strong>de</strong>m eine Fülle<br />
und Vielfalt menschlicher Erfahrungen mit<br />
Gott enthalten ist“ (S. 8). Die vorgestellten szenischen<br />
Spiele eröffnen die Möglichkeit, sich auf<br />
die Bibel einzulassen und eigene Fragen und<br />
Hoffnungen darin zu ent<strong>de</strong>cken. Je<strong>de</strong> biblische<br />
Erzählung wird transparent auf die zentrale Botschaft<br />
von Gottes Liebe und Zuwendung zu allen<br />
Menschen, <strong>de</strong>n biblischen wie uns heutigen, mit<br />
all ihren/unseren Fehlern und Begrenzungen.<br />
Positiv hervorzuheben ist, dass zunächst in einem<br />
Einführungskapitel notwendige Faktoren für<br />
<strong>de</strong>n „Erfolg“ <strong>de</strong>r biblischen Geschichten angeführt<br />
wer<strong>de</strong>n: die eigene und gemeinsame intensive<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>m biblischen Text,<br />
das Schaffen eines Erlebnisraums, d.h. die biblischen<br />
Texte so umzusetzen, dass die Zuschauer<br />
sich selbst als Teil <strong>de</strong>s Geschehens erleben, <strong>de</strong>r<br />
Aufbau eines Spannungsbogens, auch durch die<br />
Gestaltung <strong>de</strong>s äußeren Rahmens und als Abschluss<br />
eine gemeinsame offene Festfeier, an <strong>de</strong>r<br />
Akteure und Zuschauer teilnehmen können. Als<br />
Hilfe für die eigene Inszenierung ist je<strong>de</strong>m Vorschlag<br />
ein einführen<strong>de</strong>s Kapitel vorangestellt, in<br />
<strong>de</strong>m das Thema erläutert und seine Relevanz für<br />
heute angesprochen wird. Danach folgt eine Erschließung<br />
<strong>de</strong>r Textgrundlage, in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r historische<br />
Hintergrund auch für „Nicht-Insi<strong>de</strong>r“ verständlich<br />
skizziert wird, bevor dann die Hauptakteure<br />
<strong>de</strong>r Erzählung in ihren spezifischen Merkmalen<br />
und Charakterzügen eingeführt wer<strong>de</strong>n.<br />
Eine Nennung <strong>de</strong>r Ziele sowie hilfreiche Hinweise<br />
zur Gestaltung <strong>de</strong>r Rollen und zur Raumgestaltung<br />
run<strong>de</strong>n die Ausführungen ab.<br />
Durch die Gestaltung <strong>de</strong>r Szenen gelingt es<br />
<strong>de</strong>r Autorin, eine Verbindung zwischen <strong>de</strong>r Welt<br />
<strong>de</strong>r Bibel und <strong>de</strong>n zuschauen<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen<br />
zu schaffen. Das Auftreten eines Kommentators,<br />
<strong>de</strong>r in das Geschehen einführt und eigene<br />
Gedanken zum Verhalten <strong>de</strong>r Hauptakteure<br />
äußert, for<strong>de</strong>rt die Zuschauen<strong>de</strong>n dazu heraus,<br />
sich selbst mit <strong>de</strong>n biblischen Personen auseinan<strong>de</strong>r<br />
zu setzen. Auch die anschauliche und plastische<br />
Darstellung <strong>de</strong>r Hauptakteure (auch wenn<br />
die Charaktere gelegentlich etwas stark vereinfach<br />
und typisiert wer<strong>de</strong>n) sowie die lebendigen<br />
und leicht verständlichen Dialoge bzw. Selbstgespräche<br />
<strong>de</strong>r Akteure eröffnen I<strong>de</strong>ntifikationsmöglichkeiten<br />
und bieten Mo<strong>de</strong>lle für eigenes<br />
Verhalten. Insgesamt ist das religionspädagogische<br />
Grundkonzept <strong>de</strong>s Buches uneingeschränkt<br />
positiv zu würdigen: Die Distanz zwischen <strong>de</strong>n<br />
biblischen Erzählungen und heutigen Lebenserfahrungen<br />
wird aufgebrochen; durch die Verlebendigung<br />
<strong>de</strong>r biblischen Erzählungen wird je<strong>de</strong><br />
und je<strong>de</strong>r mit hineingenommen in die froh<br />
machen<strong>de</strong> Botschaft von Gottes Liebe zu <strong>de</strong>n<br />
Menschen. Gabriele Theuer<br />
La<strong>de</strong>, Eckhard (Hg.)<br />
RReelliiggiioonn<br />
uunntteerrrriicchhtteenn::<br />
Jesus von Nazareth. Sekundarstufe<br />
1. – Kissing: WEKA MEDIA,<br />
2005. Ringbuch, 100 S., CD-Rom,<br />
€ 53.00 (ISBN 978-3-8276-6655-4)<br />
Das von Eckhard La<strong>de</strong> herausgegebene Lehrerhandbuch<br />
enthält Unterrichtsentwürfe zu biblischen<br />
Texten, historischen Berichten sowie<br />
Bildbeispielen aus mo<strong>de</strong>rner Kunst und Film, die<br />
sich mit <strong>de</strong>r Person Jesu von Nazareth beschäftigen.<br />
Zielgruppe sind Schüler/-innen <strong>de</strong>r Sekundarstufe<br />
I. Die verschie<strong>de</strong>nen Stun<strong>de</strong>nentwürfe<br />
bieten sowohl die Möglichkeit zur Projektarbeit<br />
wie auch <strong>de</strong>r kritischen Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit<br />
<strong>de</strong>m Film von Mel Gibson, The Passion of Christ.<br />
Alle Arbeitsblätter und Kopiervorlagen sind in<br />
digitaler Form auf einer beiliegen<strong>de</strong>n CD-Rom<br />
mitgeliefert.<br />
Die Arbeitshilfe bietet 9 verschie<strong>de</strong>ne Themenbereiche:<br />
1. Jesus – eine Annäherung an seine<br />
Person; 2. Wer war Jesus?, 3. Gott o<strong>de</strong>r Mensch?,<br />
4. Jesus Christus; 5. „Jesus! Warum uns dieser<br />
Mann nicht losläßt!“ – Eine faszinieren<strong>de</strong> und provozieren<strong>de</strong><br />
Spurensuche; 6. Is it as it was? Der<br />
lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Gottesknecht in Mel Gibsons „The Passion<br />
of Christ“; 7. Maria Magdalena – Weggefährtin,<br />
Lieben<strong>de</strong> und Zeugin <strong>de</strong>r Auferstehung;<br />
8. Begegnung mit Jesus; 9. Das Leben Jesu anhand<br />
<strong>de</strong>r Feste wie<strong>de</strong>r erkennen.<br />
Verschie<strong>de</strong>ne Symbole hinsichtlich <strong>de</strong>r Tiefe<br />
(einführend, vertiefend, fächervernetzend) sowie<br />
<strong>de</strong>r Methodik (Klassengespräch, Einzelarbeit, Gruppenarbeit,<br />
Textarbeit, Frontalunterricht, Projektarbeit)<br />
führen durch <strong>de</strong>n Aufbau. Je<strong>de</strong>r Baustein<br />
ist klar geglie<strong>de</strong>rt nach erfor<strong>de</strong>rlichem Wissensstand<br />
<strong>de</strong>r Schüler, Lernziele, Unterrichtsmetho<strong>de</strong>,<br />
benötigtes Material, Hintergrundinformationen<br />
für <strong>de</strong>n Lehrer und Unterrichtsverlauf. Ein<br />
Stichwortverzeichnis zu Beginn unterstreicht die<br />
benutzerfreundliche Intention.<br />
Bei <strong>de</strong>r Präsentation <strong>de</strong>r 9 Themenbereiche<br />
steht die Korrelation <strong>de</strong>r Thematik zu gegenwärtigen<br />
Strömungen unter Schüler/-innen zentral.<br />
1. Daher beginnt die Annäherung an Jesus mit<br />
zwei mo<strong>de</strong>rnen, inzwischen klassischen Jesusdarstellungen,<br />
konfrontiert dann aber auch mit<br />
außerbiblischen Quellen. 2. Ein „Steckbrief“, <strong>de</strong>r<br />
mit Hilfe von Bibelstellen ausgefüllt wer<strong>de</strong>n soll,<br />
ist sicher eine gute Erschließungsmetho<strong>de</strong> für die<br />
Erarbeitung <strong>de</strong>r biographischen Daten <strong>de</strong>s historischen<br />
Jesus. 3. Die Frage „Gott o<strong>de</strong>r Mensch?“<br />
wird verhältnismäßig kurz behan<strong>de</strong>lt; sie hat u.a.<br />
zum Ziel, apokryphe Kindheitsgeschichten kennen<br />
zu lernen. Das in diese Sequenz eingefügte<br />
Nizäno-Konstantinopolitanische Credo hängt<br />
eher in <strong>de</strong>r Luft, da sowohl Hintergrundinformationen<br />
zum Verständnis fehlen als auch die Einbindung<br />
in <strong>de</strong>n Kontext <strong>de</strong>r apokryphen Evangelien<br />
nicht ersichtlich ist. 4. Die Präsentation <strong>de</strong>r<br />
Wun<strong>de</strong>rerzählungen zeigt wie<strong>de</strong>rum ein starkes<br />
Interesse für apokryphe Schriften. Die Unterrichtseinheit<br />
zielt aufgrund <strong>de</strong>r ausgewählten<br />
Materialien eher auf die Frage nach <strong>de</strong>r Bewertung<br />
apokrypher Evangelien gegenüber <strong>de</strong>n kanonischen<br />
<strong>de</strong>nn auf die zentrale Frage nach Kriterien<br />
zur Beurteilung <strong>de</strong>r Glaubwürdigkeit <strong>de</strong>r<br />
Wun<strong>de</strong>r und <strong>de</strong>s Wun<strong>de</strong>rtäters Jesu. 5. Die Spurensuche<br />
konfrontiert mit mo<strong>de</strong>rnen Jesuseinschätzungen<br />
(Focus, Spiegel, Stern etc.), die mit<br />
Passagen aus (nicht aktuellen) Einführungen in<br />
die Bibel/das NT kontrastiert wer<strong>de</strong>n. Dies<br />
scheint ein sehr hilfreicher Ansatz zu sein, da er<br />
<strong>de</strong>r gegenwärtigen Situation entspringt; er nimmt<br />
Bezug zu Publikationen verschie<strong>de</strong>nster Art über<br />
Jesus von Nazareth. 6. In diesen Kontext gehört<br />
auch die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit Mel Gibsons<br />
Film im Kontext <strong>de</strong>r Tradition von Jesusfilmen.<br />
Rezensionen zum Film öffnen ein kritisches Bewußtsein,<br />
das bestärkt wer<strong>de</strong>n könnte durch eine<br />
intensive Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>n Passionserzählungen<br />
<strong>de</strong>r Evangelien. 7. Maria Magdalena<br />
darf heute nicht fehlen bei <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
mit Jesus von Nazareth – dies entspricht<br />
mo<strong>de</strong>rner Trivialliteratur. Es darf erlaubt sein zu<br />
bemerken, daß Petrus, Johannes und Jakobus<br />
(o<strong>de</strong>r Judas, Pilatus etc.) keine Unterrichtssequenz<br />
gewidmet ist ... Die Auswahl <strong>de</strong>r Texte<br />
(u.a. L. Rinser), gefolgt von (religiöser) Liebeslyrik<br />
(Johannes vom Kreuz, George Herbert) konfrontiert<br />
weniger mit historisch rekonstruierbaren<br />
Fakten als daß es ein Vor-Urteil ggf. bestärkt.<br />
8. Eine Einheit zu <strong>de</strong>n geographischen, politischen,<br />
sozialen, kulturellen und religiösen Gegebenheiten<br />
<strong>de</strong>s Lebens Jesu kommt relativ spät.<br />
9. Sinnvoll ist hingegen die liturgische Bezugnahme<br />
zu <strong>de</strong>n christlichen Festen zum Schluß.<br />
Aus exegetischer Perspektive sind die fehlen<strong>de</strong><br />
Referenz zu aktuellen Jesusbüchern (M. Ebner<br />
2003; J. Schröter 2002 & 2006; G. Theißen<br />
3 2001; „Welt und Umwelt <strong>de</strong>r Bibel“ u.a.) auffällig,<br />
<strong>de</strong>r starke Rekurs auf die im Trend liegen<strong>de</strong>n<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
LITERATUR & MEDIEN<br />
67
LITERATUR & MEDIEN<br />
68<br />
ntl. Apokryphen und auf literarische und künstlerische<br />
Texte, die auch schon vor 20 Jahren im RU<br />
eingesetzt wur<strong>de</strong>n. Dem mo<strong>de</strong>rnen Trend <strong>de</strong>r Trivialliteratur,<br />
Maria Magdalena große Aufmerksamkeit<br />
zu widmen, wird in diesem Zusammenhang<br />
Rechnung getragen anstatt ihm entgegen zu<br />
wirken. Aus fachwissenschaftlicher Perspektive<br />
wäre eine stärkere Vernetzung zwischen Didaktikern/-innen<br />
und Exegeten/-innen wünschenswert.<br />
Von dieser aus exegetischer Perspektive<br />
formulierten Kritik ist die Benutzerfreundlichkeit<br />
<strong>de</strong>s Handbuches unbenommen.<br />
Beate Kowalski<br />
Auffarth, Christoph / Kippenberg,<br />
Hans G. / Michaels, Axel (Hg.)<br />
WWöörrtteerrbbuucchh<br />
d<strong>de</strong>err RReelliiggiioonneenn<br />
– Stuttgart: Verlag Alfred Kröner. 2006. XVII, 589 S.,<br />
€ 49.80 (ISBN 978-3-520-14001-2)<br />
„Das neue Wörterbuch <strong>de</strong>r Religionen <strong>de</strong>s<br />
Kröner Verlags will unter <strong>de</strong>n einbändigen, handlichen<br />
Lexika und Nachschlagewerken zur Religion<br />
bzw. zu <strong>de</strong>n Religionen das religionswissenschaftliche<br />
Referenzwerk sein: Auf <strong>de</strong>m aktuellen<br />
Stand <strong>de</strong>r Religionswissenschaft, <strong>de</strong>m bisher<br />
nur die großen Handbücher und vielbändigen Lexika<br />
zu entsprechen vermochten, bietet es kanpp<br />
zusammengefasste, zuverlässige Informationen<br />
aus erster Hand.“<br />
Das neue Wörterbuch erhebt also einen vergleichsweise<br />
hohen Anspruch. Es übernimmt <strong>de</strong>n<br />
Titel <strong>de</strong>s bereits 1952 erschienenen Wörterbuchs<br />
<strong>de</strong>r Religionen von Alfred Bertholet, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />
Tradition <strong>de</strong>r liberalen protestantischen Kulturtheologie<br />
stand. Die inhaltliche Ausrichtung hat<br />
sich freilich entschei<strong>de</strong>nd verän<strong>de</strong>rt: Die heutige<br />
Religionswissenschaft versteht sich laut Vorwort<br />
(S. VI) als (empirische) Kulturwissenschaft. Im<br />
kulturwissenschaftlichen Denkrahmen wird, etwas<br />
verkürzt formuliert, Religion als ein Kulturbereich<br />
unter an<strong>de</strong>ren Kulturbereichen betrachtet<br />
und somit <strong>de</strong>r Religion keine kulturtranszendiere<strong>de</strong><br />
Son<strong>de</strong>rstellung zugebilligt. Religion wird<br />
ganz auf die Immanenz <strong>de</strong>s Menschlichen reduziert.<br />
Zu beachten ist, dass die für die Metho<strong>de</strong>ndiskussion<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n programmatischen Artikel<br />
von einigen wenigen Autoren verfasst wor<strong>de</strong>n<br />
sind. So hat z. B. Christoph Auffarth die<br />
wichtigen Grundsatzartikel über Religion, das<br />
Heilige und Religionsphänomenologie verfasst.<br />
Diese Artikel sind keineswegs ten<strong>de</strong>nzfrei und einer<br />
bestimmten Schulrichtung verpflichtet. Es ist<br />
daher lobenswert, dass im Vorwort dieses Vorverständnis<br />
offengelegt wird, etwa die Anknüpfung<br />
an die Programmatik <strong>de</strong>s „Handbuches religionswissenschaftlicher<br />
Grundbegriffe“, das <strong>de</strong>n Studieren<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r Religionswissenschaft eine wissenschaftliche<br />
Begriffssprache an die Hand geben<br />
will. Die grundsätzliche Nichtberücksichtigung<br />
von Gegenpositionen in <strong>de</strong>r Religionswissenschaft<br />
(auch im Hinblick auf die jeweils berücksichtigte<br />
Fachliteratur) beeinträchtigt freilich<br />
die Repräsentativität dieses Wörterbuches.<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
Insbeson<strong>de</strong>re für Religionslehrer-/innen scheint<br />
mir in dieser Hinsicht das im Jahre 2003 von<br />
J. Figl herausgegebene „Handbuch Religionswissenschaft“,<br />
das im neuen Wörterbuch bezeichnen<strong>de</strong>rweise<br />
ignoriert wird, empfehlenswerter, weil<br />
es <strong>de</strong>m heutigen Pluralismus in <strong>de</strong>r Religionswissenschaft<br />
gerechter wird und die eher in einem<br />
theologischen Kontext zu verorten<strong>de</strong>n Ansätze<br />
stärker berücksichtigt.<br />
Es ist in diesem Zusammenhang auch interessant,<br />
dass zwar die evangelischen Lexika „Die<br />
Religion in Geschichte und Gegenwart“ (RGG)<br />
und „Theologische Realenzyklopädie“ (TRE) berücksichtigt<br />
wer<strong>de</strong>n, nicht aber das katholische<br />
„Lexikon für Theologie und Kirche“ (LThK). Es<br />
fehlt auch je<strong>de</strong>r Hinweis auf das bekannte und beliebte,<br />
von Hans Wal<strong>de</strong>nfels herausgegebene<br />
„Lexikon <strong>de</strong>r Religionen“, das mir, was die<br />
Grundsatzartikel anbetrifft, für ein religionspädagogisches<br />
Umfeld nach wie vor beson<strong>de</strong>rs ergiebig<br />
erscheint. Könnte sich hinter <strong>de</strong>n etwas<br />
einseitigen Auswahlentscheidungen <strong>de</strong>s neuen<br />
Wörterbuches eine antikatholische Ten<strong>de</strong>nz verbergen?<br />
Es gibt freilich auch viel Lobenswertes anzumerken.<br />
Dazu gehören die Artikel über relativ<br />
neue Unterdisziplinen <strong>de</strong>r Religionswissenschaft<br />
wie etwa <strong>de</strong>r Religionsästhetik, <strong>de</strong>r Religionsökologie<br />
und <strong>de</strong>r Religionsökonomie, die zeigen,<br />
dass und wie sich die Religionswissenschaft weiterentwickelt.<br />
Ein großes Lob verdienen weiterhin<br />
die durchweg von ausgewählten religionswissenschaftlichen<br />
Fachleuten verfassten Spezialartikel,<br />
die, so weit ich dies beurteilen kann, in <strong>de</strong>r<br />
Tat <strong>de</strong>m aktuellen Stand <strong>de</strong>r Religionswissenschaft<br />
auf <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten Gebieten gerecht<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Der Verschie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r Kulturen will das<br />
Wörterbuch durch das „Prinzip <strong>de</strong>r Eigensprachlichkeit“<br />
gerecht wer<strong>de</strong>n, und es ist sicherlich ein<br />
großer Fortschritt gegenüber einer eurozentrischen<br />
Begrifflichkeit, wenn die Selbstbezeichnungen<br />
<strong>de</strong>r be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Konzeptionen in <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n<br />
Fremdsprache benannt wer<strong>de</strong>n. Dass<br />
man die frem<strong>de</strong> Sprache und die frem<strong>de</strong>n Begriffe<br />
sehr gut kennen und <strong>de</strong>nnoch dialogunfähig<br />
sein kann, ist ein Problem <strong>de</strong>s interkulturellen<br />
Dialoges, das auch in <strong>de</strong>r Religionswissenschaft<br />
gründlicher bedacht wer<strong>de</strong>n sollte, für <strong>de</strong>ssen<br />
Thematisierung ein Wörterbuch allerdings ungeeignet<br />
ist. Immerhin fin<strong>de</strong>t sich ein Kurzartikel<br />
über <strong>de</strong>n heute so wichtigen „Interreligiösen Dialog“,<br />
was keineswegs selbstverständlich und daher<br />
um so begrüßenswerter ist.<br />
Alles in allem scheint mir dieses neue, in <strong>de</strong>r<br />
Tat ausgesprochen handliche Wörterbuch für alle,<br />
die sich für religiöse und religionswissenschaftliche<br />
Fragestellungen interessieren, ein<br />
lohnenswerter Kauf, auch wenn mir die „Verabsolutierung“<br />
<strong>de</strong>s kulturwissenschaftlichen Selbstverständnisses<br />
<strong>de</strong>r Religionswissenschaft problematisch<br />
erscheint. Da es aber das heute vorherrschen<strong>de</strong><br />
Selbstverständnis ist, kann es nicht scha<strong>de</strong>n,<br />
wenn man es, auch als Religionslehrer und<br />
Religionslehrerin, gut kennt, um gera<strong>de</strong> dadurch<br />
auch seine Defizite umso <strong>de</strong>utlicher benennen zu<br />
können. Wolfgang Gantke<br />
Steffahn, Harald<br />
HHeerrrrsscchheerr ––<br />
HHeeiilliiggee –– HHiissttoorriikkeerr<br />
Der Glaube in <strong>de</strong>r Geschichte. I<strong>de</strong>en und Gestalten.<br />
– Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlagshaus.<br />
2006. 199 S., € 16.90 (ISBN 978-3-7975-0128-8)<br />
Leicht liest sich das vorliegen<strong>de</strong> Buch auf alle<br />
Fälle. Das hängt nicht zuletzt mit <strong>de</strong>m Autor zusammen,<br />
einem erfahrenen Journalisten. Die einzelnen<br />
Beiträge wur<strong>de</strong>n alle bereits veröffentlicht,<br />
entwe<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Zeitschrift DAMALS o<strong>de</strong>r<br />
als Hörfunksendungen. Schwierig mag eher <strong>de</strong>r<br />
Inhalt und die Herangehensweise erscheinen. Harald<br />
Steffahns Vorhaben ist es nämlich, zu einem<br />
historischen Denken hinzuführen, das <strong>de</strong>m Rankeschen<br />
„zeigen, wie es eigentlich gewesen ist“<br />
eine christliche Vorstellung von Geschichte entgegen<br />
setzt. Nicht die Wie<strong>de</strong>rkehr <strong>de</strong>s immer<br />
Gleichen, auch nicht die schicksalsschwere Abfolge<br />
von Weltzeitaltern, son<strong>de</strong>rn die Verbindung<br />
<strong>de</strong>r Erwartung eines endzeitlichen Gottesreiches<br />
mit <strong>de</strong>r Gestaltung <strong>de</strong>r zeitlich nicht festlegbaren<br />
und abzugrenzen<strong>de</strong>n Zwischenzeit macht christliches<br />
Geschichts<strong>de</strong>nken aus.<br />
Dieser i<strong>de</strong>engeschichtliche Hintergrund durchzieht<br />
die Beiträge Steffahns. Unterschiedliche<br />
Versuche, mit Welt und Geschichte umzugehen,<br />
wer<strong>de</strong>n dargestellt. Dabei spielt vor allem das<br />
Verhältnis von Kirche und Staat, von Gottesbeziehung<br />
und Weltgestaltung, von Sich-Einmischen<br />
in historische Situationen und politischer<br />
Abstinenz, von Jenseits- und Paradiesesvorstellungen<br />
eine wichtige Rolle. Die gewählten Beispiele<br />
umgreifen im wesentlichen das zweite<br />
christliche Jahrtausend. Sie reichen von <strong>de</strong>n mittelalterlichen<br />
Kaisern und Päpsten über Franz<br />
von Assisi und Erasmus von Rotterdam bis zum<br />
Rabbiner Leo Baeck und <strong>de</strong>m evangelischen<br />
Theologen Dietrich Bonhoeffer. Mit großer Sympathie<br />
wer<strong>de</strong>n unterschiedliche Personengruppen<br />
dargestellt, seien es die nach Preußen emigrierten<br />
Hugenotten, die zwischen „Unerschrockenheit<br />
und Schweigen“ lavieren<strong>de</strong>n katholischen <strong>de</strong>utschen<br />
Bischöfe im Dritten Reich und Zweiten<br />
Weltkrieg o<strong>de</strong>r die aus einer unerschütterlichen<br />
Jenseitserwartung leben<strong>de</strong>n Zeugen Jehovas. Gera<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Blick über <strong>de</strong>n konfessionellen Horizont<br />
hinaus kann Einseitigkeiten <strong>de</strong>r eigenen Weltanschauung<br />
korrigieren helfen. Das wichtige und<br />
bleiben<strong>de</strong> Ergebnis <strong>de</strong>r Essays Harald Steffahns<br />
ist die Überzeugung davon, dass menschliches<br />
geschichtliches Agieren immer in Wechselbeziehung<br />
zu einem göttlichen Heilsplan mit <strong>de</strong>r Welt<br />
steht. Das ist unter Historikern allerdings sehr<br />
umstritten. Um so wichtiger ist es, gelegentlich<br />
darauf aufmerksam zu machen, um nicht <strong>de</strong>r Hybris<br />
menschlicher All-Machbarkeit und All-Erklärbarkeit<br />
zu erliegen. Joachim Schmiedl<br />
Wiese, Hans-Ulrich (Hg.)<br />
PPrroopphheettiisscchhee<br />
GGeessttaalltteenn iimm<br />
2200.. JJaahhrrhhuunnd<strong>de</strong>errtt
Mit Zeichnungen von Max Zimmermann. – Kevelaer:<br />
Verlag Butzon & Bercker. 2005. 144 S. m.<br />
13 Zeichnungen. (ISBN 978-3-7666-9690-5)<br />
Ein ungewöhnliches Buch: Keine (Heiligen/<br />
Seligen) Biographien im herkömmlichen Stil. 13<br />
Autoren berichten und meditieren über ihre ganz<br />
persönlichen Begegnungen mit Menschen <strong>de</strong>s<br />
20. Jahrhun<strong>de</strong>rts bzw. <strong>de</strong>ren Schriften, die beeinflussend<br />
für ihren eigenen Lebensweg gewor<strong>de</strong>n<br />
sind. Prophetische Gestalten, wie <strong>de</strong>r Herausgeber<br />
sie betitelt, die auf eindrucksvolle Weise<br />
Zeugnis vom christlichen Glauben abgelegt haben,<br />
wer<strong>de</strong>n uns als Gottsucher vorgestellt, <strong>de</strong>ren<br />
Be<strong>de</strong>utung bereits in <strong>de</strong>r jeweiligen Überschrift<br />
mit einem knappen Satz gekennzeichnet wird:<br />
Nikolaus Groß, Theresia von Lisieux, Charles <strong>de</strong><br />
Foucauld, Franz Rosenzweig, Edith Stein, Simone<br />
Weil, Dietrich Bonhoeffer, Alfred Delp, Romano<br />
Guardini, Hel<strong>de</strong>r Camara, Heinrich Böll<br />
und Thomas Merton.<br />
Dem persönlichen Bezug zu diesen Frauen und<br />
Männern, <strong>de</strong>n die einzelnen Autoren einleitend<br />
darlegen, folgt eine kurze Biographie <strong>de</strong>r Vorgestellten,<br />
die in knappen Zügen ihren Lebenslauf<br />
schil<strong>de</strong>rt. Charakteristische Originaltexte, z. T. am<br />
Seitenrand ergänzt durch erläutern<strong>de</strong> Hinweise,<br />
run<strong>de</strong>n das jeweilige Porträt ab. Die folgen<strong>de</strong>n<br />
(Gebets-) Impulse und Meditationen sollen zur<br />
persönlichen Auseinan<strong>de</strong>rsetzung einla<strong>de</strong>n. Sie<br />
können aber zugleich Anregungen für die Gestaltung<br />
themenbezogener Gottesdienste bieten.<br />
Der ansprechend gestaltete Band, in <strong>de</strong>m Max<br />
Zimmermann die einzelnen Personen durch pointierte<br />
Zeichnungen charakterisiert, lädt ein, sich anhand<br />
<strong>de</strong>r gebotenen Texte – ergänzt durch ein gut<br />
zusammengestelltes Literaturverzeichnis – eingehen<strong>de</strong>r<br />
mit diesen Frauen und Männern zu befassen,<br />
die durch ihr Leben und ihren Tod, ihr Wirken<br />
und Schreiben wahrlich prophetische Gestalten in<br />
unsere Zeit hinein sind. Bernhard Merten<br />
Starke, Ekkehard (Hg.)<br />
CChhrriissttsseeiinn kkoonnkkrreett<br />
50 wichtige Themen – von kompetenten und prominenten<br />
Autorinnen und Autoren erklärt. Mit einem<br />
Geleitwort von Manfred Kock. – Neukirchen-Vluyn:<br />
Neukirchener Verlagshaus. 2005.<br />
198 S., € 12.90 (ISBN 978-3-7975-0089-2)<br />
„Wer nicht über Religion nach<strong>de</strong>nkt, glaubt<br />
alles“ – dieses Graffiti-Motto versteht das vorliegen<strong>de</strong><br />
Buch als Herausfor<strong>de</strong>rung. Denn „wer mit<br />
Wahrhaftigkeit und Glaub-Würdigkeit überzeugen<br />
will, muss gute Argumente haben und über<br />
seinen Glauben Auskunft geben können“ (VII).<br />
So soll dieses Buch helfen, „mit wichtigen Begriffen<br />
<strong>de</strong>r Theologie verstehend umzugehen“<br />
(VI).<br />
50 Autor(inn)en, „die überwiegend an exponierter<br />
Stelle in <strong>de</strong>r Kirche und <strong>de</strong>r theologischen<br />
Lehre stehen“, erklären, <strong>de</strong>uten und kommentieren<br />
zentrale Themen zwischen „Abendmahl“ und<br />
„Zehn Gebote“.<br />
Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>m kirchlich und theologisch weniger<br />
Kundigen bietet diese Sammlung in überschaubarer<br />
Form erste Informationen und Einblicke,<br />
und dies in ökumenischer Offenheit.<br />
Der theologisch erfahrenere Leser wird natürlich<br />
feststellen, dass vielfach Bekanntes geboten<br />
wird (was er teils an<strong>de</strong>rnorts schon „besser“ erläutert<br />
fand). Dennoch fin<strong>de</strong>n sich hier einige<br />
reizvolle Beiträge. Zum Beispiel die Anmerkungen<br />
von Fulbert Steffensky zum Gebet, von Rudolf<br />
Englert zur Bildung, von Ulrich Luz zum Vaterunser,<br />
von Ingo Bal<strong>de</strong>rmann zu Ostern, von<br />
Bernd Janowski zum Opfer o<strong>de</strong>r von Wolfgang<br />
Kessler zur Gerechtigkeit. Gera<strong>de</strong> die gefor<strong>de</strong>rte<br />
Kürze und die erwartete Verständlichkeit machen<br />
viele <strong>de</strong>r Themenskizzen etwa auch im schulischen<br />
Bereich nutzbar. Reiner Jungnitsch<br />
Bieger, Eckhard<br />
DDaass KKiirrcchheennjjaahhrr eenntt-d<strong>de</strong>ecckkeenn<br />
uunndd eerrlleebbeenn<br />
Entstehung, Be<strong>de</strong>utung, Brauchtum <strong>de</strong>r Festtage.<br />
– Leipzig: St. Benno Verlag. 2006. 148 S., farb.<br />
Ill., € 19.90 (ISBN 978-3-7462-2125-0)<br />
Vielleicht ist ein solches Buch trotz <strong>de</strong>utlich<br />
rückläufiger Kirchlichkeit – aber gleichzeitig steigen<strong>de</strong>m<br />
Bedarf und Interesse an Religiosität und<br />
Spiritualität – ein richtiger Beitrag zum richtigen<br />
Zeitpunkt. Denn gera<strong>de</strong> die sinnlich-erfahrbare<br />
Seite <strong>de</strong>r Religion bil<strong>de</strong>t die vorrangige Anknüpfungsstelle<br />
für das Fragen und Verstehenwollen.<br />
Und beson<strong>de</strong>rs auf <strong>de</strong>m Feld <strong>de</strong>r Zeichen, Symbole<br />
und Rituale gibt es vielerlei zu ent<strong>de</strong>cken<br />
und zu erleben.<br />
So ist für Bieger das Kirchenjahr ein „lebendiger<br />
Organismus, <strong>de</strong>r über Jahrhun<strong>de</strong>rte gewachsen<br />
ist“ (7). Worin genauer betrachtet „die wichtigen<br />
Erfahrungen und Fragen <strong>de</strong>r menschlichen<br />
Existenz im Laufe <strong>de</strong>s Jahres thematisiert wer<strong>de</strong>n“<br />
(ebd.): Geburt und Tod, die Familie, das<br />
Mahl, das Böse und seine Überwindung, das Verhältnis<br />
zu <strong>de</strong>n Toten usw.<br />
Es wer<strong>de</strong>n also „nicht leere Feiern absolviert,<br />
son<strong>de</strong>rn das Leben auf die zentralen Heilsaussagen<br />
hingeführt, die durch die Ereignisse <strong>de</strong>s Lebens<br />
Jesu ihre Be<strong>de</strong>utung erhalten“ (8).<br />
Nach einführen<strong>de</strong>n Bemerkungen zur Relevanz<br />
von Kirchenjahr und Brauchtum erläutert<br />
Bieger in überschaubaren und leicht verständlichen<br />
Abschnitten, was diesbezüglich zwischen<br />
Advent und Christkönigssonntag getan, gefeiert<br />
und erinnert wird. Sowohl die großen Festkreise<br />
als auch die zahlreichen Heiligenfeste und Ge<strong>de</strong>nktage<br />
wer<strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n Leser transparent und lebendig.<br />
Die vielen hervorragen<strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>r stützen<br />
ihrerseits die Anschaulichkeit <strong>de</strong>r Darlegungen.<br />
Ein eigenes Kapitel über die Marienfeste run<strong>de</strong>t<br />
<strong>de</strong>n Gang durch die Kirchenfeste ab.<br />
Das beson<strong>de</strong>re Plus <strong>de</strong>s Buches ist die innere<br />
Verknüpfung von biblischem Hintergrund, geschichtlichem<br />
Wan<strong>de</strong>l und auch neuen Erkenntnissen<br />
<strong>de</strong>r Brauchtumsforschung.<br />
Reiner Jungnitsch<br />
Bubmann, Peter /<br />
Landgraf, Michael (Hg.)<br />
MMuussiikk iinn SScchhuullee<br />
uunndd GGeemmeeiinnd<strong>de</strong>e<br />
Grundlagen – Metho<strong>de</strong>n – I<strong>de</strong>en. Ein Handbuch<br />
für die religionspädagogische Praxis. – Stuttgart:<br />
Calwer Verlag. 2006. 484 S. m. zahlr. sw-Abb. und<br />
Notenbeispielen. € 25.00 (ISBN 978-3-7668-<br />
3929-9)<br />
Musik zur Vermittlung von religiösen Inhalten<br />
zu nutzen, ist nicht neu. Die geistliche Musik<br />
diente immer schon nicht nur <strong>de</strong>r Erbauung, son<strong>de</strong>rn<br />
auch <strong>de</strong>r Glaubensweitergabe und Interpretation.<br />
Oft genug wur<strong>de</strong> die Musik jedoch nicht<br />
genutzt, son<strong>de</strong>rn benutzt. Rock- und Popmusik<br />
wur<strong>de</strong> und wird immer wie<strong>de</strong>r als vermeintlicher<br />
Brückenschlag zur Welt <strong>de</strong>r Jugendlichen zum<br />
Einsatz gebracht. Schieflagen entstehen immer<br />
dann, wenn sie nur als „Kö<strong>de</strong>r“ genutzt wer<strong>de</strong>n.<br />
Schülerinnen und Schüler merken sehr schnell,<br />
ob sich <strong>de</strong>r Pädagoge o<strong>de</strong>r Katechet mit Interpret<br />
und Text wirklich beschäftigt hat o<strong>de</strong>r einfach nur<br />
mal eine RAP vorführt.<br />
Das neue Handbuch „Musik in Schule und<br />
Gemein<strong>de</strong>“ erläutert auf fast 500 großen Seiten<br />
die Be<strong>de</strong>utung und Funktionsweise von Musik in<br />
<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen religionspädagogischen Arbeitsfel<strong>de</strong>rn<br />
und gibt zahlreiche Praxistipps, wo<br />
und wie Musik im Unterricht und in <strong>de</strong>r Bildungsarbeit<br />
erfolgreich eingesetzt wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Die Herausgeber verzichten dabei auf zu aktuelle<br />
Kopiervorlagen, son<strong>de</strong>rn bieten dafür umso<br />
mehr Textgrundlagen, konkrete Metho<strong>de</strong>n mit<br />
Kurzbeschreibungen und einen umfangreichen<br />
Anhang. Ein ausführlichen Katalog geeigneter<br />
Lie<strong>de</strong>r und Musikstücke wird zur Verfügung gestellt<br />
und gibt eine Fülle praktischer Anregungen<br />
an die Hand, mit <strong>de</strong>nen Musik auf höchst kreative<br />
Weise in Schule und Gemein<strong>de</strong> eingesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Wirklich Freu<strong>de</strong> macht <strong>de</strong>r Band durch seine<br />
einfache und gleichzeitig fundierte Sprache, die<br />
eine spezielle musikalische Ausbildung nicht erfor<strong>de</strong>rlich<br />
macht. Lobenswert ist auch die Bandbreite,<br />
<strong>de</strong>r sich Peter Bubmann und Michael<br />
Landgraf verpflichtet fühlen: Von „Musik in an<strong>de</strong>ren<br />
Religionen“, über „Musik selber machen“<br />
bis „Die dunklen Seiten <strong>de</strong>r Rockmusik“ reicht<br />
<strong>de</strong>r Inhalt. So eignet sich das Buch nicht nur für<br />
<strong>de</strong>n religionspädagogischen Einsatz, son<strong>de</strong>rn<br />
auch für „normale“ Musikpädagogen. Sie wer<strong>de</strong>n<br />
dankbar die Notenbeispiele nutzen o<strong>de</strong>r auch<br />
Textauszüge geistlicher Werke.<br />
Insgesamt eine äußerst angemessener Preis<br />
für ein umfangreiches Buch, <strong>de</strong>m man viele Leserinnen<br />
und Leser wünscht. Pluspunkt bei <strong>de</strong>r Gestaltung<br />
ist <strong>de</strong>r klare Seitenaufbau, bei <strong>de</strong>m je<strong>de</strong><br />
Seite mit einer neuen Metho<strong>de</strong>nüberschrift beginnt<br />
und das Wesentliche in einer farbig unterlegten<br />
Tabelle steht. Einzig die sachlich-kühle,<br />
aber gut lesbare Gestaltung hätte noch mehr Fotobeispiele<br />
vertragen können, die über niedliche<br />
Cartoons hinaus geht, die nett anzusehen aber für<br />
ein Praxisbuch überflüssig sind. Vielleicht wird<br />
<strong>de</strong>r Verlag aber auch zu einem Praxisbegleitbuch<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
LITERATUR & MEDIEN<br />
69
LITERATUR & MEDIEN<br />
70<br />
mit Kopiervorlagen o<strong>de</strong>r gleich einer CD mit<br />
Musikbeispielen und Material motiviert? Zu<br />
wünschen wäre es. Marcus C. Leitschuh<br />
Trutwin, Werner (Hg.) /<br />
Wisskir<strong>de</strong>n Hubert<br />
IImmppuullssee MMuussiikk ––<br />
ZZeeiicchheenn<br />
d<strong>de</strong>err HHooffffnnuunngg<br />
Düsseldorf: Patmos Verlag. 2006. 64 S., 1 CD,<br />
€ 16.90 (ISBN 978-3-491-75729-5)<br />
Keine Frage – hier sind musikalische Profis<br />
am Werk. Zum einen be<strong>de</strong>utet dies: hoher, themenbedingter<br />
Anspruch. Zum an<strong>de</strong>ren muss die<br />
Frage erlaubt sein: Entspricht das hohe Niveau<br />
<strong>de</strong>n realen Gegebenheiten im Religionsunterricht?<br />
Die Erfahrung zeigt: Unterrichtsmo<strong>de</strong>lle<br />
können nicht immer in <strong>de</strong>r Praxis vollständig umgesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n. Dies gilt natürlich auch für das<br />
vorliegen<strong>de</strong> Werk. Insofern darf ein Religionspädagoge<br />
nicht entmutigt sein, wenn nicht alle angebotenen<br />
Details in die Praxis umgesetzt wer<strong>de</strong>n<br />
können.<br />
Einige grundsätzliche Aspekte zur Reihe: Impulse<br />
Musik, z. B. die didaktische Struktur, sind<br />
bereits in <strong>de</strong>r Rezension zu: Impulse Musik – Zeit<br />
<strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong> (in <strong>IN</strong><strong>FO</strong> 1/2004, S. 48) erschienen<br />
und gelten auch hier. Die Einleitung zum hier<br />
vorliegen<strong>de</strong>n Band gibt wertvolle Anregungen<br />
zur „Musikerschließung“. Was für einen „Fachmusiker“<br />
selbstverständlich sein könnte, ist für<br />
einen musikalischen „Laien“ oft nicht selbstverständlich.<br />
Daher ist dieses Kapitel als allgemeine<br />
Vorbereitung für die Bearbeitung <strong>de</strong>r Inhalte sehr<br />
zu begrüßen.<br />
Der folgen<strong>de</strong> Inhalt ist in sechs Einheiten geglie<strong>de</strong>rt:<br />
1. Kirchenlied, 2. Liturgie, 3. Kunst, 4.<br />
Jugendszene, 5. Weltkirche, 6. Religionen. Die<br />
letzte Seite listet die Musikbeispiele auf zu <strong>de</strong>r<br />
mitgelieferten CD. Wenn auch die im ersten<br />
Kapitel angebotenen Lie<strong>de</strong>r: „Der Mond ist<br />
aufgegangen“ (auf <strong>de</strong>r CD mit allen 5 Strophen)<br />
und: „Nun ruhen alle Wäl<strong>de</strong>r“ im katholischen<br />
Bereich nicht so sehr als Kirchenlie<strong>de</strong>r empfun<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n – sie gibt es in evangelischen Gesangbüchern<br />
– so wird durch <strong>de</strong>n Kommentar<br />
<strong>de</strong>ren ursprüngliche Intension als Kirchenlied<br />
klar. Die die Inhalte und die Musik betreffen<strong>de</strong>n<br />
Erläuterungen überzeugen sowohl hier als auch<br />
für die Musikbeispiele im nächsten Kapitel.<br />
Diese Beispiele zur Liturgie zeigen die Bandbreite<br />
von <strong>de</strong>r Gregorianik bis hin zu zeitgenössischen<br />
Kompositionen. Mehrere Beispiele<br />
bringt das Kapitel: Kunst. Neben Bach an hervorragen<strong>de</strong>r<br />
Stelle und Haydn mit einem Beispiel<br />
aus seinem Oratorium: „Die Schöpfung“<br />
wer<strong>de</strong>n zwei zeitgenössische Kompositionen<br />
(Biermann: „Soldatenmelodie“ und Pärt: „Les<br />
Beatitu<strong>de</strong>s“) vorgestellt. Ausgesprochen gegenwartsnahe<br />
Inhalte bieten die drei nächsten Kapitel:<br />
Jugendszene (z. B. Beatles mit „let it be“)<br />
Weltkirche („we shall overcome“) und: Religionen<br />
(mit Beispielen aus <strong>de</strong>m Hinduismus,<br />
Buddhismus und New Age).<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
Die meisten Musikbeispiele auf <strong>de</strong>r mitgelieferten<br />
CD liegen in ausreichen<strong>de</strong>r Länge vor. Lediglich<br />
ein Beispiel zur Gregorianik, ein Beispiel<br />
zu Schütz und zwei Beispiele zu Bach mit jeweils<br />
weniger als 60 Sekun<strong>de</strong>n scheinen äußerst knapp<br />
geraten zu sein. Es bleibt ohnehin die Frage, ob es<br />
nicht sinnvoll ist, Ausschnitte durch vollständige<br />
Wie<strong>de</strong>rgabe <strong>de</strong>s Musikstückes zu ergänzen. Die<br />
oben genannte Rezension schließt mit <strong>de</strong>m Satz:<br />
„Impulse Musik“ ist sehr zu begrüßen. Diese Beurteilung<br />
kann hier wie<strong>de</strong>rholt wer<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m<br />
Zusatz: … und ist eine echte Bereicherung <strong>de</strong>s<br />
Religionsunterrichtes. Helmut Bahr<br />
Piësch, Kirsten /<br />
Spinkovà, Martina<br />
PPiiaa iimm VVaattiikkaann<br />
Ent<strong>de</strong>ckungen rund um <strong>de</strong>n<br />
Petersdom. – München: Bernward bei Don Bosco.<br />
2006. 48 S., farb. ill., € 7.90 (ISBN 978-3-7698-<br />
1579-5)<br />
Spätestens seit <strong>de</strong>m Besuch Papst Benedikts XVI.<br />
in Deutschland ist dieser auch <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn bekannt.<br />
An<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r Vatikan, <strong>de</strong>r unbekannte Ort,<br />
an <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Papst lebt und wirkt, die Kunstwerke,<br />
Bauten und Alltäglichkeiten, die ihn umgeben.<br />
Die jungen Leserinnen und Leser begleiten<br />
Pia auf ihrem Vatikanbesuch. Im Getümmel verliert<br />
Pia ihre Familie, trifft dafür aber Julius, <strong>de</strong>r<br />
im Vatikan zu Hause ist. Auf <strong>de</strong>r Suche nach <strong>de</strong>n<br />
Eltern führt er als erstklassiger Frem<strong>de</strong>nführer<br />
Pia durch <strong>de</strong>n Vatikan und erzählt ihr dabei vieles<br />
über die Hintergrün<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zentrums <strong>de</strong>r katholischen<br />
Christen.<br />
Der Aufbau <strong>de</strong>s 44 Seiten umfassen<strong>de</strong>n Büchleins<br />
ist anschaulich und kindgerecht. Es gibt für<br />
12 unterschiedliche Schwerpunkte (u. a. Vatikan,<br />
Petersdom, Kardinal, Papstwahl, Sixtinische Kapelle)<br />
klare und übersichtliche Abschnitte, die<br />
Fragen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r beantworten und zum Weiterfragen<br />
anregen. Auch wenn das Buch scheinbar<br />
in 12 Wissensgebiete zum Vatikan unterteilt ist,<br />
gelingt es <strong>de</strong>r Autorin, diese in einer flüssigen<br />
Geschichte miteinan<strong>de</strong>r zu verbin<strong>de</strong>n. Die farbenfrohen<br />
Illustrationen von Maria Spinkovà unterstützen<br />
<strong>de</strong>n Text und rufen bei Vatikankundigen<br />
eine gewisse Wie<strong>de</strong>rerkennung hervor.<br />
Etwas unglücklich und nicht ganz kindgerecht<br />
erscheint mir jedoch <strong>de</strong>r gewählte Anlass <strong>de</strong>r exklusiven<br />
Vatikanerkundung: Nicht nur die kleine<br />
Pia, son<strong>de</strong>rn auch manch junger Leser mag sich<br />
bei <strong>de</strong>r Vorstellung erschrecken, seine Mutter und<br />
Oma im Getümmel auf <strong>de</strong>m Petersplatz aus <strong>de</strong>n<br />
Augen zu verlieren. Die unfreiwillige Rundtour<br />
im Vatikan auf <strong>de</strong>r Suche nach Mutter und Oma<br />
dürfte <strong>de</strong>shalb bei mancher Leserin und manchem<br />
Leser die Aufmerksamkeit für die Schönheiten<br />
<strong>de</strong>r Stadt in <strong>de</strong>n Hintergrund drängen und Zweifel<br />
an <strong>de</strong>m elterlichen Gebot: „Gehe nie mit einem<br />
Frem<strong>de</strong>n!“ wecken. Dennoch ist es Kirsten<br />
Piësch gelungen, einen lesenswerten Vatikanführer<br />
für Kin<strong>de</strong>r zu schreiben, <strong>de</strong>r viel Wissenswertes<br />
in eine Kurzgeschichte verpackt.<br />
Birgitta Lahner-Ahnert<br />
Niehues, Norbert/Rux, Johannes<br />
SScchhuull-- uunndd<br />
PPrrüüffuunnggssrreecchhtt<br />
Band 1: Schulrecht. – München: Verlag C. H. Beck.<br />
4., vollst. neu bearb. Aufl. 2006. XXVI, 329 S.,<br />
€ 38.00 (ISBN 978-3-406-54614-3)<br />
Das Schulrecht ist – aufgrund sich verän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r<br />
Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Wissensgesellschaft<br />
und infolge <strong>de</strong>s politischen Gestaltungswillens<br />
– häufig von Än<strong>de</strong>rungen betroffen, die<br />
Neuauflagen wie die hier zu besprechen<strong>de</strong> erfor<strong>de</strong>rlich<br />
machen. Die Vorauflage erschien im<br />
Jahr 2000. Sechs Jahre später ist die von Johannes<br />
Rux bearbeitete 4. Auflage nicht nur umfangreicher,<br />
son<strong>de</strong>rn befasst sich auch mit einer<br />
ganzen Reihe neuer Themenfel<strong>de</strong>r. Viele<br />
neue Entwicklungen waren aufzuzeigen und<br />
ihre Auswirkungen auf das Schulrecht darzustellen.<br />
Nicht ohne Folgen für dasselbe blieben<br />
etwa die Erkenntnisse aus <strong>de</strong>n PISA-Studien,<br />
die Probleme bei <strong>de</strong>r Beschulung von Kin<strong>de</strong>rn<br />
mit Migrationshintergrund, die wachsen<strong>de</strong><br />
Zahl von schulpflichtigen Kin<strong>de</strong>rn muslimischen<br />
Glaubens sowie das Erkennen <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung<br />
frühkindlicher Bildung. Johannes Rux<br />
nimmt sich <strong>de</strong>r daraus folgen<strong>de</strong>n Neuerungen<br />
im Schulrecht kenntnisreich und mit großer<br />
Ausführlichkeit an. Überwiegend beantwortet<br />
er aktuelle schulrechtliche Fragestellungen auf<br />
<strong>de</strong>r Grundlage herrschen<strong>de</strong>r Auffassungen. So<br />
teilt Rux die Ansicht, dass es sich beim Religionsunterricht<br />
um einen zwingend bekenntnisgebun<strong>de</strong>nen<br />
Unterricht han<strong>de</strong>lt und ein Unterricht,<br />
<strong>de</strong>r die Bekenntnisbindung aufgibt, kein<br />
Religionsunterricht mehr ist (S. 72 ff.). Und<br />
zu <strong>de</strong>r Frage eines Grundrechts auf Religionsunterricht<br />
nimmt er an, dass das Grundgesetz<br />
insoweit nur <strong>de</strong>n Religionsgemeinschaften ein<br />
subjektives Recht gewährt, nicht jedoch Schülern<br />
und ihren Eltern. Vereinzelt weicht Rux<br />
aber auch von <strong>de</strong>r jeweiligen Mehrheitsauffassung<br />
ab. So vertritt er zur Frage <strong>de</strong>r Grundrechtsberechtigung<br />
von Lehrern die These,<br />
Lehrkräfte könnten sich in Bezug auf ihr Verhalten<br />
im Zusammenwirken mit Schülern nicht<br />
auf Grundrechte berufen (S. 155 u. 246).<br />
Wenn ein Verhalten bei Gelegenheit <strong>de</strong>r<br />
Dienstausübung in Frage steht, wird das mehrheitlich<br />
– wohl zu Recht – an<strong>de</strong>rs gesehen,<br />
nicht zuletzt vom Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht.<br />
Dem Autor ist an dieser Stelle allerdings zuzugeben,<br />
dass die Trennlinie zwischen Grundrechtsberechtigung<br />
und Grundrechtsverpflichtung<br />
von Lehrern, wenn sie in <strong>de</strong>r Schule tätig<br />
sind, schwierig zu ziehen ist.<br />
Insgesamt bietet das Buch eine gut lesbare und<br />
profun<strong>de</strong> Darstellung <strong>de</strong>s gelten<strong>de</strong>n Schulrechts,<br />
die <strong>de</strong>n aktuellen Wissens- und Diskussionsstand<br />
sorgfältig dokumentiert. Wie schon in <strong>de</strong>r Vorauflage<br />
wird auf alle wichtigen Fragen <strong>de</strong>r Schulpflicht,<br />
<strong>de</strong>r Leistungsbewertung, <strong>de</strong>r Unterrichtsgestaltung,<br />
<strong>de</strong>r Organisation und Finanzierung<br />
<strong>de</strong>s Schulwesens sowie Fragen <strong>de</strong>s Rechtsschutzes<br />
im Schulverhältnis eingegangen.<br />
Thorsten Anger
Zur Person<br />
<strong>Bistum</strong> <strong>Limburg</strong><br />
Roland Büskens (45) verstärkt seit<br />
September 2006 als weiterer Studienleiter<br />
das Team <strong>de</strong>s Pädagogischen Zentrums<br />
<strong>de</strong>r Bistümer im Lan<strong>de</strong> Hessen.<br />
Zu seinem Aufgabenfeld zählt u.a. die<br />
Organisation, Durchführung und Auswertung<br />
von Fortbildungsangeboten für<br />
Lehrerinnen und Lehrer in Hessen.<br />
Der verheiratete Diplomtheologe<br />
und Diplompädagoge arbeitete zuvor<br />
über 10 Jahre als Bildungsreferent beim<br />
Kolpingwerk in Frankfurt. Vorher war<br />
er mehrere Jahre in Zürich (Schweiz) in<br />
Seelsorge und Unterricht tätig. Erste<br />
Erfahrungen in <strong>de</strong>r Erwachsenenbildung<br />
und Schulpastoral sammelte er<br />
davor in seinem Heimatbistum Aachen.<br />
Dr. Walter Fischedick (33) ist seit<br />
September 2006 Justitiar im Kommissariat<br />
<strong>de</strong>r Katholischen Bischöfe im Lan<strong>de</strong><br />
Hessen, <strong>de</strong>r offiziellen Verbindungsstelle<br />
<strong>de</strong>r Hessischen Diözesen mit <strong>de</strong>r<br />
Hessischen Lan<strong>de</strong>sregierung und <strong>de</strong>n<br />
Institutionen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Hessen.<br />
Der in Kleve geborene Nie<strong>de</strong>rrheiner<br />
studierte zunächst Katholische Theologie<br />
an <strong>de</strong>r Westfälischen Wilhelms-<br />
Universität Münster. Nach <strong>de</strong>m Vordiplom<br />
wechselte er an die Philosophisch-<br />
Theologische Hochschule Sankt Georgen<br />
in Frankfurt, wo er 2000 seine<br />
theologischen Studien mit <strong>de</strong>m Diplom<br />
in Katholischer Theologie abschloss.<br />
Mit seinem Wechsel nach Frankfurt<br />
nahm Fischedick zusätzlich ein Jurastudium<br />
an <strong>de</strong>r Johann Wolfgang Goethe-Universität<br />
Frankfurt auf, das er<br />
2002 been<strong>de</strong>te. Ebenfalls in Frankfurt<br />
absolvierte er sein Referendariat. Seine<br />
2006 im Verlag Peter Lang erschienene<br />
Dissertation han<strong>de</strong>lt vom Zeugnisverweigerungsrechte<br />
von Geistlichen und<br />
kirchlichen Mitarbeitern.<br />
Vor seinem Stellenantritt im Wiesba<strong>de</strong>ner<br />
Kommissariat war Fischedick<br />
freiberuflich als Anwalt tätig. Zusammen<br />
mit <strong>de</strong>m Leiter <strong>de</strong>s Kommissariats,<br />
Dr. Guido Amend, und <strong>de</strong>m bildungs-<br />
und schulpolitischen Referenten,<br />
Dr. Johann E. Maier, wird <strong>de</strong>r neue<br />
Justitiar Fragen im Schnittbereich von<br />
Kirche und Staat bearbeiten. Walter Fischedick<br />
wird zukünftig in unregelmäßiger<br />
Folge eine Kolumne zu Rechtsfragen<br />
in Schule und Religionsunterricht<br />
für die Zeitschrift <strong>IN</strong><strong>FO</strong> verfassen.<br />
Praktische Erfahrungen aus seiner früheren<br />
nebenberuflichen Tätigkeit als<br />
Religionslehrer wird er sicher hier gewinnbringend<br />
einfließen lassen. MR<br />
Universität Koblenz-Landau<br />
Mit Beginn <strong>de</strong>s Wintersemesters<br />
2006/2007 hat Frau Prof. Dr. Beate<br />
Kowalski ihre Tätigkeit an <strong>de</strong>r Universität<br />
Koblenz-Landau, Abt. Koblenz,<br />
mit <strong>de</strong>r Professurvertretung Neues Testament<br />
aufgenommen.<br />
Die 1965 in Dortmund geborene<br />
Professorin studierte die Fächer Katho-<br />
lische Theologie und Geschichte an <strong>de</strong>r<br />
Ruhr-Universität Bochum mit <strong>de</strong>m Abschluss<br />
Sek I und II (1990). 1995 promovierte<br />
sie dort in Katholischer Theologie<br />
zum Thema „Die Hirtenre<strong>de</strong> (Joh<br />
10.1-18) im Kontext <strong>de</strong>s Johannesevangeliums“<br />
und habilitierte sich 2003 im<br />
Fach Neutestamentliche Bibelwissenschaften<br />
an <strong>de</strong>r Leopold-Franzens-Universität,<br />
Innsbruck, mit <strong>de</strong>r Arbeit: „Die<br />
Rezeption <strong>de</strong>s Propheten Ezechiel in<br />
<strong>de</strong>r Offenbarung <strong>de</strong>s Johannes“.<br />
Vor Beginn ihrer Lehrtätigkeit war<br />
Brigitte Kowalski Wissenschaftliche<br />
Hilfskraft am Institut für franziskanische<br />
Geschichte, Bochum, und danach<br />
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am<br />
Lehrstuhl NT <strong>de</strong>r Ruhr-Universität Bochum.<br />
1995-2000 war sie zugleich aktiv<br />
in <strong>de</strong>r pastoralen Arbeit tätig. Es<br />
folgte eine Zeit als Wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin/Junior Fellowship an <strong>de</strong>r<br />
Katholischen Universität Leuven.<br />
Nach einem Post-doc Stipendium an<br />
<strong>de</strong>r Universität Passau übernahm sie<br />
Lehrstuhlvertretungen und Lehraufträge<br />
an <strong>de</strong>r Theologischen Fakultät Pa<strong>de</strong>rborn<br />
(Neues Testament), <strong>de</strong>r Universität<br />
Siegen (Bibelkun<strong>de</strong> AT/NT),<br />
<strong>de</strong>r Philosophisch-Theologischen<br />
Hochschule <strong>de</strong>r Jesuiten, München,<br />
und <strong>de</strong>r Universität Passau (Johannesevangelium).<br />
Vor ihrer Berufung nach<br />
Koblenz war sie seit 2004 am Terence<br />
Albert O’Brien Chair of Biblical Studies<br />
in Limerick (Irland) tätig. BM<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />
71
<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />
72<br />
Frankfurter Dommuseum zeigt<br />
Heiligenverehrung und Reliquienkult<br />
im Haus am Dom<br />
„Die Gemein<strong>de</strong>n lassen ihre Heiligen<br />
nur ungern ziehen“, sagt <strong>de</strong>r Frankfurter<br />
Kirchenhistoriker Dr. Matthias<br />
Th. Kloft mit einem Schmunzeln. Dass<br />
die erste Ausstellung <strong>de</strong>s Frankfurter<br />
Dommuseum im neuen Haus am Dom<br />
<strong>de</strong>nnoch zustan<strong>de</strong> kam und noch dazu<br />
mit etlichen Prachtexemplaren aufwarten<br />
kann, das kostete Kloft und Museumsdirektor<br />
Prof. August Heuser einige<br />
Überzeugungskraft. Noch am Vortag<br />
<strong>de</strong>r Ausstellungseröffnung etwa feierte<br />
Pfarrer Kloft in <strong>de</strong>r Stiftskirche<br />
von Dietkirchen bei <strong>Limburg</strong> eine Andacht,<br />
in <strong>de</strong>ren Verlauf das versehrte<br />
Haupt <strong>de</strong>s Heiligen Lubentius umgebettet<br />
wur<strong>de</strong>. So kann die Reliquie in <strong>de</strong>r<br />
Lubentiuskapelle bleiben, wo die Überreste<br />
<strong>de</strong>s Schä<strong>de</strong>ls seit mehr als 1 000<br />
Jahren ruhen, während das wertvolle<br />
Gefäß, das um 1270 entstand, nach<br />
Frankfurt gebracht wer<strong>de</strong>n konnte.<br />
Hier wird das vergol<strong>de</strong>te Kopfreliquiar<br />
bis zum 27. Mai eines <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren<br />
Stücke in einer beson<strong>de</strong>ren Ausstellung<br />
sein: „Der heilige Leib und die<br />
Leiber <strong>de</strong>r Heiligen“ ist sie betitelt.<br />
Und sie zeigt mit einzigartigen Beispielen<br />
die Vielschichtigkeit <strong>de</strong>r Reliquienverehrung<br />
in <strong>de</strong>r katholischen<br />
Kirche. Seit <strong>de</strong>m Mittelalter wur<strong>de</strong>n<br />
die Leiber <strong>de</strong>r Heiligen immer mehr<br />
durch kostbare Schreine geschmückt<br />
und in Szene gesetzt. Später dann sind<br />
es auch Sachreliquien – die be<strong>de</strong>utendsten<br />
wohl die Kreuzreliquien, <strong>de</strong>r Heilige<br />
Rock und das Turiner Grabtuch –<br />
die als „Souvenirs“ die fromme Erinnerung<br />
an die Heiligen wach hielten.<br />
Vier Aspekte nimmt die Ausstellung<br />
in <strong>de</strong>r Schatzkammer <strong>de</strong>s neuen katholischen<br />
Bildungs- und Kulturzentrums<br />
Haus am Dom auf: Da ist zum einen die<br />
Eucharistie, die Gegenwart Christi in<br />
Brot und Wein, die mit herausragen<strong>de</strong>n<br />
liturgischen Geräten dargestellt wird,<br />
aber auch die klassische Heiligenverehrung,<br />
die sich im Reliquienkult Bahn<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
Der heilige Leib und die Leiber <strong>de</strong>r Heiligen<br />
bricht: Bis heute sind die Überreste <strong>de</strong>r<br />
heiligen Leiber im Altar je<strong>de</strong>r Kirche<br />
präsent, während die Seelen <strong>de</strong>r Heiligen<br />
in <strong>de</strong>r Vorstellung <strong>de</strong>r Gläubigen<br />
bereits im Himmel weilen.<br />
So ließ etwa die Pfarrgemein<strong>de</strong> St.<br />
Martin in Lorch ihre große Turmmonstranz<br />
für zwei Monate nach Frankfurt<br />
ziehen. Auch das älteste Stück <strong>de</strong>r kurfürstlich<br />
trierischen Landrentamtspretiosen,<br />
die Monstranz von 1667, wird<br />
mit ihrem e<strong>de</strong>lsteingeschmückten Baldachin<br />
alle Blicke auf sich ziehen.<br />
Auch Prunkkelche aus Frankfurt und<br />
Trier zeigen nicht nur die Kunstfertigkeit<br />
vergangener Jahrhun<strong>de</strong>rte, son<strong>de</strong>rn<br />
auch <strong>de</strong>n Wunsch, wertvolle<br />
Zeugnisse <strong>de</strong>s Glaubens beson<strong>de</strong>rs<br />
gottgefällig zu gestalten.<br />
Zu <strong>de</strong>n wichtigsten Reliquien und<br />
ihren kostbaren Behältern gehören <strong>de</strong>r<br />
Schrein <strong>de</strong>s Heiligen Simon aus Bendorf-Sayn<br />
(um 1220), durch <strong>de</strong>ssen kleine<br />
Kristallfenster ein silbernes Kästlein<br />
zu sehen ist, in <strong>de</strong>m wie<strong>de</strong>rum <strong>de</strong>r Arm<br />
<strong>de</strong>s Heiligen Simon geborgen ist. Gleich<br />
daneben zeigt ein hoch gereckter silberner<br />
Arm, die Hand im Segenszeichen<br />
<strong>de</strong>s Priesters zum Himmel zeigend,<br />
ebenfalls einen Armknochen, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />
Heiligen Lubentius von Kobern.<br />
In <strong>de</strong>r Ausstellung kommt aber<br />
auch <strong>de</strong>r Gedanke <strong>de</strong>s Souvenirs nicht<br />
zu kurz: Die abgelaufenen Schuhe und<br />
die schäbige Reisetasche <strong>de</strong>r Or<strong>de</strong>nsgrün<strong>de</strong>rin<br />
Maria Katharina Kasper,<br />
aber auch Splitter vom Kreuz Jesu o<strong>de</strong>r<br />
ein Maßband aus seinem Grab in Jerusalem,<br />
geben einen unmittelbaren Eindruck<br />
von tiefer Volksfrömmigkeit. In<br />
einem vierten Teil dann zeigt die Schau<br />
Gottes Gegenwart im Wort: Mit <strong>de</strong>r Bibel,<br />
aber auch mit Tora und Koran, wird<br />
hier <strong>de</strong>r Bogen geschlagen vom Christentum<br />
zu Ju<strong>de</strong>ntum und Islam.<br />
Mit dieser Ausstellung nimmt das<br />
Frankfurter Dommuseum einen zweiten<br />
Raum in Besitz, <strong>de</strong>r – wenn auch im<br />
mo<strong>de</strong>rnen Gewand – die Struktur <strong>de</strong>s<br />
mittelalterlichen Kreuzganges am<br />
Frankfurter Bartholomäusdom wi<strong>de</strong>r-<br />
Flyer<br />
spiegelt. Dort ist das Dommuseum seit<br />
vielen Jahren untergebracht. Mit <strong>de</strong>m<br />
neuen 290 Quadratmeter großen Schauraum<br />
im Untergeschoss <strong>de</strong>s gegenüberliegen<strong>de</strong>n<br />
Hauses am Dom wird die<br />
Ausstellungsfläche <strong>de</strong>s Museums nahezu<br />
verdoppelt. Im Frühsommer sollen<br />
in <strong>de</strong>m sorgsam ausgestatteten neuen<br />
Domizil die Kirchenschätze von St. Leonhard<br />
und Liebfrauen präsentiert wer<strong>de</strong>n,<br />
während <strong>de</strong>r Domschatz im Kreuzgang<br />
<strong>de</strong>s Kaiserdomes bleibt.<br />
Die Ausstellung „Der heilige Leib<br />
und die Leiber <strong>de</strong>r Heiligen“ ist vom<br />
24. März bis zum 27. Mai 2007 dienstags<br />
bis freitags von 10.00 bis 17.00<br />
Uhr, samstags und sonntags von 11.00<br />
bis 17.00 Uhr geöffnet. Zur Ausstellung<br />
ist ein umfangreicher Katalog (25<br />
Euro) erschienen<br />
Führungen:<br />
Führungen sind nach Anmeldung<br />
möglich (Tel.: 069 133 76 186)<br />
Eintritt: 4,-- €<br />
Schüler und Stu<strong>de</strong>nten: 2,-- €
Wenn Lehrer schulfrei haben möchten ...<br />
„U Plus“ und die Dienstbefreiung zur Teilnahme an kirchlichen Arbeitsgemeinschaften<br />
Lehrkräfte, die in jüngster Vergangenheit<br />
an Ereignissen wie <strong>de</strong>m Tag <strong>de</strong>r<br />
Religionspädagogik in <strong>Limburg</strong> o<strong>de</strong>r<br />
an Veranstaltungen <strong>de</strong>r religionspädagogischen<br />
Ämter teilnehmen wollten,<br />
hatten es schwer. Was in vergangenen<br />
Schuljahren eine unterstützenswerte<br />
Selbstverständlichkeit war und von<br />
vielen Religionslehrerinnen und -lehrern<br />
gewinnbringend genutzt wur<strong>de</strong>,<br />
führt neuerlich in unangenehme Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen<br />
mit <strong>de</strong>r Schulleitung<br />
und <strong>de</strong>n Kollegen. Seit die so genannte<br />
Unterrichtsgarantie Plus <strong>de</strong>n Alltag in<br />
hessischen Schulen durcheinan<strong>de</strong>r wirbelt,<br />
wird die Teilnahme an solchen<br />
kirchlichen Veranstaltungen nicht mehr<br />
ohne weiteres gewährt o<strong>de</strong>r sogar versagt.<br />
Dabei han<strong>de</strong>ln die Schulleiter, die<br />
ihren Lehrkräften die Dienstbefreiung<br />
verweigern nicht aus Willkür. Sie berufen<br />
sich meist auf das „Lehrerfortbildungsgesetz“<br />
o<strong>de</strong>r die „Verordnung zur<br />
Sicherstellung <strong>de</strong>r Verlässlichen Schule“.<br />
Demnach haben die Schulen selbst<br />
Maßnahmen zur Gewährleistung einer<br />
vollständigen Unterrichtsversorgung<br />
zu gewährleisten. Ausfallstun<strong>de</strong>n, die<br />
Religionslehrkräfte durch die Teilnahme<br />
an Arbeitsgemeinschaften <strong>de</strong>r Kirche<br />
verursachen, sind personell und finanziell<br />
aus <strong>de</strong>n Mitteln <strong>de</strong>r Schule zu<br />
ersetzen. Beim Blick auf <strong>de</strong>n Vertretungsplan<br />
lässt <strong>de</strong>r Unmut <strong>de</strong>r Schulleitung<br />
nicht lange auf sich warten. Und<br />
auch die Kollegen fragen sich, warum<br />
<strong>de</strong>n Lehrkräften <strong>de</strong>s Faches Religion<br />
plötzlich eine Son<strong>de</strong>rbehandlung zuteil<br />
wird. Nicht selten gehen daher die Religionslehrkräfte<br />
Konflikten aus <strong>de</strong>m<br />
Weg und beugen sich <strong>de</strong>m Willen ihrer<br />
Dienstvorgesetzten, um <strong>de</strong>n Schulfrie<strong>de</strong>n<br />
nicht zusätzlich zu belasten.<br />
Sicherlich kann gera<strong>de</strong> auch von<br />
Religionspädagogen erwartet wer<strong>de</strong>n,<br />
dass sie eine gewisse Sensibilität für<br />
die Situation in <strong>de</strong>r Schule vor Ort<br />
mitbringen. Dennoch – sie sind nicht<br />
gezwungen, auf kirchliche Angebote<br />
zu verzichten, die ihnen, <strong>de</strong>n Schülern<br />
und damit letztlich auch <strong>de</strong>r Schule<br />
nutzen.<br />
Trotz <strong>de</strong>r gegenwärtig nicht immer<br />
einfachen Umstän<strong>de</strong> können und sollten<br />
daher Religionslehrerinnen und –<br />
lehrer die von <strong>de</strong>r Kirche veranstalteten<br />
Arbeitsgemeinschaften mit gutem<br />
Recht besuchen. Dabei können sie sich<br />
auf ein wichtiges Dokument zum Religionsunterricht<br />
in Hessen stützen: <strong>de</strong>n<br />
Erlass <strong>de</strong>s Kultusministeriums zum<br />
Religionsunterricht vom 1. Juli 1999.<br />
Er nämlich sieht solche Ausnahmen zur<br />
Dienstbefreiung vor. Religionslehrern<br />
und -lehrerinnen „ist auf Antrag bis zu<br />
zwei Tagen im Schuljahr Dienstbefreiung<br />
zur Teilnahme an von <strong>de</strong>n Kirchen<br />
veranstalteten Arbeitsgemeinschaften<br />
zu erteilen“ (III, Nr. 4 <strong>de</strong>s Erlasses zum<br />
Religionsuntericht).<br />
Der Erlass zum Religionsunterricht<br />
ist Ausprägung von Art. 7 <strong>de</strong>s Grundgesetzes,<br />
von Art. 57 <strong>de</strong>r Hessischen Verfassung<br />
sowie von § 8 <strong>de</strong>s Hessischen<br />
Schulgesetzes. Er beinhaltet zahlreiche<br />
Regelungen für <strong>de</strong>n Religionsunterricht,<br />
in <strong>de</strong>nen seine Be<strong>de</strong>utung herausgestellt<br />
wird, Möglichkeiten <strong>de</strong>r Mitbestimmung<br />
<strong>de</strong>r Kirchen erwähnt wer<strong>de</strong>n,<br />
geklärt wird, wer Religionsunterricht<br />
erteilen darf, wie die Ab<strong>de</strong>ckung<br />
<strong>de</strong>s Religionsunterrichts zu erfolgen<br />
hat und <strong>de</strong>r Unterricht zu organisieren<br />
ist, welche Schülerinnen und Schüler<br />
am Religionsunterricht teilnehmen und<br />
ob Ausnahmen für Lerngruppen möglich<br />
sind, er klärt die Teilnahme an<br />
kirchlichen Veranstaltungen und regelt<br />
die staatliche Schulaufsicht und das<br />
kirchliche Einsichtnahmerecht in <strong>de</strong>n<br />
Religionsunterricht.<br />
Der Erlass zum Religionsunterricht<br />
hat durch die neuesten schulrechtlichen<br />
Regelungen seine Be<strong>de</strong>utung nicht verloren,<br />
<strong>de</strong>nn we<strong>de</strong>r die Kirchen noch <strong>de</strong>r<br />
Staat können unabhängig voneinan<strong>de</strong>r<br />
einseitige Regelungen treffen, die bei<strong>de</strong><br />
Sphären berühren. Daran än<strong>de</strong>rn<br />
auch die Bestrebungen im Rahmen <strong>de</strong>r<br />
Unterrichtsgarantie Plus nichts. Sinn<br />
und Zweck <strong>de</strong>s Erlasses ist es, das<br />
kirchliche Selbstbestimmungsrecht zu<br />
wahren und zugleich die staatlichen<br />
Belange bei <strong>de</strong>r Durchführung <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />
zu gewährleisten. Entsprechend<br />
sind auch die von <strong>de</strong>r Kirche<br />
durchgeführten Arbeitsgemeinschaften<br />
nicht plötzlich hinfällig. Zwar schreibt<br />
auch das Hessische Lehrerbildungsgesetz<br />
klar vor, dass Fortbildung in <strong>de</strong>r<br />
unterrichtsfreien Zeit stattfin<strong>de</strong>n soll<br />
(§ 62 Abs. 5). Bei <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Kirchen<br />
veranstalteten Arbeitsgemeinschaften<br />
han<strong>de</strong>lt es sich aber nicht einfach um<br />
Fortbildungsveranstaltungen wie für<br />
je<strong>de</strong>s an<strong>de</strong>re Fach. Auch, wenn <strong>de</strong>r Religionsunterricht<br />
selbstverständlich or<strong>de</strong>ntliches<br />
Lehrfach ist und ihm daher<br />
schulorganisatorisch min<strong>de</strong>stens <strong>de</strong>r<br />
gleiche Status zukommt, wie je<strong>de</strong>m an<strong>de</strong>rem<br />
Unterrichtsfach, so genießt er<br />
doch eine beson<strong>de</strong>re Rolle. Denn <strong>de</strong>r<br />
Religionsunterricht ist ein Fach, das in<br />
enger Bindung an die jeweilige Religionsgemeinschaft<br />
unterrichtet wird,<br />
was beispielsweise an <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n<br />
Kirchen mitverantworteten Lehrplangestaltung,<br />
<strong>de</strong>r Genehmigung <strong>de</strong>r Religionsbücher<br />
und <strong>de</strong>r Erteilung <strong>de</strong>r<br />
Missio zum Ausdruck kommt. Deshalb<br />
sind auch die von <strong>de</strong>r Kirche veranstalteten<br />
Arbeitsgemeinschaften nicht<br />
ohne weiteres gleichzusetzen mit an<strong>de</strong>ren<br />
Veranstaltungen berufsbegleiten<strong>de</strong>r<br />
Fortbildungsmöglichkeiten für<br />
Religionslehrer – selbst wenn diese<br />
von kirchlichen Einrichtungen durchgeführt<br />
wer<strong>de</strong>n. Auch schließt dies<br />
nicht aus, dass die von <strong>de</strong>r Kirche veranstalteten<br />
Arbeitsgemeinschaften Elemente<br />
<strong>de</strong>r klassischen Lehrerfortbildung<br />
enthalten, die aufgrund von Akkreditierung<br />
zum Erwerb von Leistungspunkten<br />
führen kann. Es ist also<br />
weiterhin möglich, sich im Konfliktfall<br />
auf <strong>de</strong>n Erlass zum Religionsunterricht<br />
zu berufen.<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />
73
<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />
74<br />
Die Beachtung <strong>de</strong>s Erlasses im<br />
Schulalltag ist nicht zuletzt schon <strong>de</strong>shalb<br />
wichtig, um ihn in <strong>de</strong>r Praxis nicht<br />
leerlaufen zu lassen. Solche Rechte waren<br />
nie eine Selbstverständlichkeit.<br />
Kirche und Staat haben um viele dieser<br />
Regelungen in <strong>de</strong>r Vergangenheit immer<br />
wie<strong>de</strong>r gerungen. Allerdings gilt<br />
es, verantwortlich damit umzugehen.<br />
Zehn Lehrerinnen haben am 23.<br />
März 2007 an <strong>de</strong>r Philosophisch-Theologischen<br />
Hochschule <strong>de</strong>r Pallottiner in<br />
Vallendar eine Nachqualifizierung im<br />
Fach Katholische Religion für das<br />
Lehramt an Grund- und Hauptschulen<br />
in Rheinland-Pfalz erfolgreich abgeschlossen<br />
und die staatliche Unterrichtserlaubnis<br />
erworben.<br />
Hoch motiviert, mit Elan und wachsen<strong>de</strong>m<br />
Interesse reisten die angehen<strong>de</strong>n<br />
Religionslehrerinnen zu sechs<br />
zweitägigen Vorlesungsveranstaltungen,<br />
fünf Begleitzirkeln und zwei Seminartagen<br />
zur Hochschule <strong>de</strong>r Pallottiener<br />
in Vallendar an. Grundlegen<strong>de</strong><br />
theologische Themen, wie die Exegese<br />
<strong>de</strong>s Alten und Neuen Testaments, die<br />
Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Gottessohnschaft Jesu<br />
Christi, <strong>de</strong>r Kirche, <strong>de</strong>r Liturgie, <strong>de</strong>s<br />
Kirchenjahrs und <strong>de</strong>r Sakramente wur<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>n Teilnehmerinnen von Professoren<br />
<strong>de</strong>r Hochschule vermittelt. Ergänzt<br />
wur<strong>de</strong>n diese Inhalte durch das<br />
Erlernen kindgemäßer Vermittlung im<br />
Religionsunterricht - hier kam <strong>de</strong>r mystagogisch-performative<br />
Ansatz innerhalb<br />
<strong>de</strong>r Religionspädagogik beson<strong>de</strong>rs<br />
zum Tragen. Zeitgemäß Religion zu<br />
unterrichten, be<strong>de</strong>utet, die Kin<strong>de</strong>r im<br />
Religionsunterricht in christliche Glaubensgrundlagen<br />
und ihre Ausdrucksweisen<br />
einzuführen, beispielsweise das<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
Ob immer gleich eine ganze Fachschaft<br />
einen entsprechen<strong>de</strong>n Antrag stellen<br />
muss, sollte je<strong>de</strong>r für sich sorgfältig<br />
prüfen. Und nicht vergessen wer<strong>de</strong>n<br />
darf, dass <strong>de</strong>r viel beklagte Ausfall <strong>de</strong>s<br />
Religionsunterrichts nicht auch noch<br />
durch die eigenen Fachlehrer erhöht<br />
wer<strong>de</strong>n sollte. Ein Erlass kann auch geän<strong>de</strong>rt<br />
wer<strong>de</strong>n... Dies sollte auch im<br />
Beten im Religionsunterricht, christliche<br />
Zeichen und Sprache verstehen<br />
und nachvollziehen lernen, die Be<strong>de</strong>utung<br />
<strong>de</strong>r Liturgie und <strong>de</strong>r Sakramente<br />
für das eigene Leben erkennen.<br />
Das Klima <strong>de</strong>r Hochschule, die<br />
geistlichen Angebote, mit <strong>de</strong>n Teilnehmerinnen<br />
gestaltete Gottesdienste und<br />
Gebetszeiten, trugen zu einem ganzheitlichen<br />
Erleben <strong>de</strong>s Erlernten bei.<br />
Das Erstellen einer Hausarbeit und eine<br />
Abschlussprüfung bil<strong>de</strong>ten <strong>de</strong>n Abschluss<br />
<strong>de</strong>s Kurses. Die Nachqualifizierung<br />
wur<strong>de</strong> in Kooperation mit <strong>de</strong>m<br />
Bischöflichen Ordinariat <strong>Limburg</strong>, <strong>de</strong>r<br />
Philosophisch-Theologischen Hochschule<br />
Vallendar, <strong>de</strong>m Institut für Leh-<br />
Blick haben, wer zur Teilnahme am<br />
nächsten Katholikentag bis zu drei Tage<br />
Dienstbefreiung beantragen will,<br />
<strong>de</strong>nn auch dies ist möglich aufgrund eines<br />
an<strong>de</strong>ren Erlasses (vom 16. Juli<br />
2002) ...<br />
Walter Fischedick<br />
Nachqualifizierungskurs erfolgreich abgeschlossen<br />
rerfort- und -weiterbildung Mainz und<br />
<strong>de</strong>r Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion<br />
Trier, Außenstelle Koblenz,<br />
durchgeführt. Der nächste Nachqualifizierungskurs<br />
startet im Januar 2008.<br />
Katharina Sauer<br />
Kontakt:<br />
Katharina Sauer<br />
Dezernat Bildung und Kultur<br />
Rossmarkt 12<br />
65549 <strong>Limburg</strong><br />
Foto: privat<br />
Fon 06431-295-360<br />
E-Mail: k.sauer@<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong>
Die Stadt als Ort kirchlicher Präsenz neu ent<strong>de</strong>cken<br />
Bischof Kamphaus weiht das Haus am Dom ein – „Geschenk an die Stadt“<br />
Mit <strong>de</strong>m neuen Bildungs- und Kulturzentrum<br />
Haus am Dom in Frankfurt<br />
am Main will das <strong>Bistum</strong> <strong>Limburg</strong> die<br />
Stadt als Ort kirchlicher Präsenz neu<br />
ent<strong>de</strong>cken. Darauf hat <strong>de</strong>r <strong>Limburg</strong>er<br />
Bischof Dr. Franz Kamphaus am 14. Januar<br />
2007 bei <strong>de</strong>r feierlichen Eröffnung<br />
<strong>de</strong>s Hauses in unmittelbarer Nachbarschaft<br />
zum Kaiserdom hingewiesen.<br />
„Verschwin<strong>de</strong>t die Kirche aus <strong>de</strong>n<br />
Städten, dann verschwin<strong>de</strong>t sie aus<br />
<strong>de</strong>m Leben <strong>de</strong>r Menschen“, warnte <strong>de</strong>r<br />
Bischof, <strong>de</strong>r auch darauf hinwies, dass<br />
Religion „ganz ursprünglich“ zur Kultur<br />
gehöre. Zum „Geist <strong>de</strong>s Hauses“,<br />
wie er ihn erhoffe, gehöre aber auch,<br />
dass hier Menschen aller Schichten<br />
miteinan<strong>de</strong>r ins Gespräch kommen und<br />
„nicht nur diejenigen, die ohnehin <strong>de</strong>n<br />
Ton angeben“: Der diakonische Dienst<br />
<strong>de</strong>r Kirche in <strong>de</strong>r Stadtkultur „besteht<br />
nicht zuletzt darin, Menschen füreinan<strong>de</strong>r<br />
erreichbar zu machen, die sich<br />
sonst in Subkulturen voneinan<strong>de</strong>r abschotten“,<br />
sagte <strong>de</strong>r Bischof.<br />
Das <strong>Bistum</strong> <strong>Limburg</strong> hat rund 22<br />
Millionen Euro in <strong>de</strong>n Umbau <strong>de</strong>s frü-<br />
(...) „Von je her haben die Menschen<br />
die Entstehung <strong>de</strong>r Stadt als einen<br />
wichtigen Schritt in ihrer Geschichte<br />
verstan<strong>de</strong>n. Aus <strong>de</strong>r Entwicklung<br />
<strong>de</strong>r Kultur lässt sie sich<br />
kaum weg <strong>de</strong>nken. Die Hochkulturen<br />
beginnen als Stadtkulturen. Was wäre<br />
Europa, was Deutschland ohne seine<br />
Städte? Das Christentum trat seinen<br />
Weg von <strong>de</strong>n Städten aus an, erst<br />
spät kam es von dort auf das Land. Es<br />
gibt keine natürliche Affinität von<br />
Religion und Land. Manche <strong>de</strong>nken<br />
immer noch: ‚Stadtluft macht frei,<br />
aufgeklärt, da weht ein an<strong>de</strong>rer Wind<br />
als in <strong>de</strong>r Kirche. Da ist für die Kirche<br />
wenig zu holen.’ Weit gefehlt!<br />
Das Christentum ist von Anfang an<br />
eine Stadtreligion: Jerusalem, Rom,<br />
Byzanz, Wien, Moskau. „Kirche fin-<br />
heren Hauptzollamtes <strong>de</strong>r Stadt gesteckt,<br />
das um eine gläserne Eingangshalle<br />
und ein mo<strong>de</strong>rnes Tagungszentrum<br />
erweitert wur<strong>de</strong>. Hier sollen künftig<br />
klassische Erwachsenenbildung und<br />
anspruchsvolle Aka<strong>de</strong>mieveranstaltun-<br />
<strong>de</strong>t Stadt!“ So das Thema <strong>de</strong>s letzten<br />
Kreuzfestes hier in Frankfurt. Da gehört<br />
sie hin, ohne je<strong>de</strong> Berührungsangst.<br />
Es sind die Städte, in <strong>de</strong>nen<br />
sich die Zukunft <strong>de</strong>r Menschheit abspielt<br />
und entschei<strong>de</strong>t. UN-Prognosen<br />
sprechen davon, dass in absehbarer<br />
Zeit etwa 80 Prozent <strong>de</strong>r<br />
Weltbevölkerung in Städten leben<br />
wer<strong>de</strong>n. Verschwin<strong>de</strong>t die Kirche aus<br />
<strong>de</strong>n Städten, dann verschwin<strong>de</strong>t sie<br />
aus <strong>de</strong>m Leben <strong>de</strong>r Menschen. Niemand<br />
sollte sich damit trösten, sie<br />
wer<strong>de</strong> in ihren ländlichen Hochburgen<br />
überwintern. Die gibt es längst<br />
nicht mehr. Die Abgrenzung Stadt -<br />
Land ist fließend gewor<strong>de</strong>n. So hoffen<br />
wir, dass durch das Haus am Dom<br />
die Verbindung zwischen Frankfurt<br />
und <strong>de</strong>m übrigen <strong>Bistum</strong> noch flie-<br />
Foto: En<strong>de</strong>rs<br />
gen für das gesamte <strong>Bistum</strong> spannen<strong>de</strong><br />
Fragen und strittige Themen <strong>de</strong>r Gegenwart<br />
aufgreifen. Den intellektuellen<br />
Austausch mit <strong>de</strong>n Bürgern <strong>de</strong>r Main-<br />
Metropole, mit Politik, Wirtschaft und<br />
Gesellschaft, wird dabei vor allem das<br />
ßen<strong>de</strong>r wird, zur wechselseitigen Bereicherung.<br />
Es kommt darauf an, die Stadt als<br />
Ort kirchlicher Präsenz neu zu ent<strong>de</strong>cken.<br />
In einer Zeit, in <strong>de</strong>r die Kirchengebäu<strong>de</strong><br />
leerer wer<strong>de</strong>n und viele Menschen<br />
sie mehr als Museen <strong>de</strong>nn als<br />
Gotteshäuser wahrnehmen, ist das<br />
nicht leicht. Kirche und Stadt scheinen<br />
einan<strong>de</strong>r frem<strong>de</strong>r zu wer<strong>de</strong>n. Wenn die<br />
Kirche das än<strong>de</strong>rn will, muss sie versuchen,<br />
die Frem<strong>de</strong> als Heimat zu begreifen.<br />
Das Haus am Dom ist ein Zeichen<br />
<strong>de</strong>s kirchlichen Willens, das ernst<br />
zu nehmen. (...)<br />
Ausschnitte <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong>, die Bischof Dr. Franz Kamphaus<br />
bei <strong>de</strong>r Einweihung <strong>de</strong>s „Haus am Dom“ in Frankfurt/<br />
Main gehalten hat.<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />
75
<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />
76<br />
Aka<strong>de</strong>mische Zentrum Rabanus Maurus<br />
suchen.<br />
Das Haus am Dom beherbergt außer<strong>de</strong>m<br />
Einrichtungen <strong>de</strong>r katholischen<br />
Stadtkirche Frankfurt, das Religionspädagogische<br />
Amt, das Referat für<br />
Weltanschauungsfragen, die Medienund<br />
Öffentlichkeitsarbeit <strong>de</strong>s <strong>Bistum</strong>s,<br />
die Kirchenzeitung „Der Sonntag“ und<br />
die Katholische Erwachsenenbildung.<br />
Im Souterrain erhält das benachbarte<br />
Dommuseum zusätzliche Ausstellungsflächen,<br />
<strong>de</strong>r ehemalige Hauptzollsaal<br />
steht <strong>de</strong>m Museum für mo<strong>de</strong>rne<br />
Kunst (MMK) zur Verfügung.<br />
Die Frankfurter Oberbürgermeisterin<br />
Petra Roth dankte <strong>de</strong>m Bischof von<br />
<strong>Limburg</strong> ausdrücklich für das Kulturund<br />
Begegnungszentrum im Herzen <strong>de</strong>r<br />
Stadt: „Wir fühlen uns mit dieser einmaligen<br />
Einrichtung reich beschenkt.“ Das<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
Foto: En<strong>de</strong>rs<br />
Besuchen Sie auch im Internet:<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong>-Online:<br />
www.ifrr.<strong>de</strong><br />
Haus am Dom sei das erste Element einer<br />
wie<strong>de</strong>rerstehen<strong>de</strong>n Altstadt, die<br />
„Heimat und Urbanität zugleich vermittelt“.<br />
Der Frankfurter Architekt Prof. Jochem<br />
Jourdan habe hier Maßstäbe gesetzt.<br />
Bei <strong>de</strong>r Neugestaltung <strong>de</strong>s Areals<br />
zwischen Dom und Römer sei <strong>de</strong>r Neubau<br />
Verpflichtung, Alt und Neu zu einem<br />
harmonischen Ganzen zu formen.<br />
Bischof Kamphaus hatte sich viele<br />
Jahre für <strong>de</strong>n Bau dieses Begegnungszentrums<br />
eingesetzt und seine Finanzierung<br />
trotz <strong>de</strong>s strikten Sparkurses<br />
<strong>de</strong>s <strong>Bistum</strong>s durchgesetzt. Nach <strong>de</strong>m<br />
Festakt am Mittag, an <strong>de</strong>m rund 400<br />
Menschen aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />
teilnahmen, strömten am<br />
Nachmittag mehrere hun<strong>de</strong>rt Bürger zu<br />
einem bunten Programm in die neuen<br />
Räume. Den Tag beschloss ein festlicher<br />
Gottesdienst im Bartholomäusdom.<br />
Doris Wiese-Gutheil<br />
Foto: En<strong>de</strong>rs
„Der Zusammenhang von Religion und Gewalt<br />
ist einfach hoch aktuell“<br />
Interview mit Altbischof Dr. Franz Kamphaus über<br />
das Buch „Toleranz und Gewalt“ von Prof. Dr. Arnold Angenendt<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong>: Herr Bischof, sie empfehlen Arnold<br />
Angenendts Buch „Toleranz und<br />
Gewalt“ vor allem für Religionslehrerinnen<br />
und Religionslehrer. Das Buch<br />
ist Ihnen gewidmet. Ist das so etwas wie<br />
eine Empfehlung in eigener Sache?<br />
Bischof:Das können Sie durchaus so<br />
sehen. Die Fragen nach <strong>de</strong>r Gewalt sind<br />
in <strong>de</strong>r Tat meine „eigene Sache“. Aber<br />
wir müssen uns alle damit beschäftigen.<br />
Natürlich ist Arnold Angenendt<br />
ein alter Freund, aber ganz unabhängig<br />
davon freue ich mich, dass er ein so<br />
wichtiges Buch geschrieben hat.<br />
Was ist an <strong>de</strong>m Buch so wichtig?<br />
Die Frage nach <strong>de</strong>m Zusammenhang<br />
von Religion und Gewalt ist einfach<br />
hoch aktuell! Viele, die geistig offen<br />
und interessiert sind, interessieren<br />
sich vermehrt für die Religion. Und da<br />
wir in <strong>de</strong>n Zeiten <strong>de</strong>s Pluralismus leben,<br />
geht es Ihnen wie <strong>de</strong>m Altbun<strong>de</strong>skanzler<br />
Helmut Schmidt. Es gab Zeiten,<br />
da hat er sich als evangelischer<br />
Christ bekannt. Nun aber zieht er sich<br />
in eine allgemeine Spiritualität zurück,<br />
weil er meint, dass die vielen Religionen<br />
alle doch nur dasselbe wollen und<br />
alle irgendwie Recht haben, am En<strong>de</strong><br />
aber keine so richtig. Der durchschnittliche<br />
Intellektuelle ist gleichzeitig Individualist<br />
und Relativist. Je<strong>de</strong>r soll für<br />
sich selbst entschei<strong>de</strong>n. Wofür er sich<br />
entschei<strong>de</strong>t – davon hängt nicht viel ab.<br />
Was hat das mit <strong>de</strong>m Problem <strong>de</strong>r Gewalt<br />
zu tun?<br />
Sehr viel! Denn die Anhänger dieser<br />
flauen Spiritualität, die mit Recht<br />
abgeschreckt sind von Fanatikern und<br />
fundamentalistischen Gewalttätern, haben<br />
einen Generalverdacht gegen <strong>de</strong>n<br />
Monotheismus als Quelle <strong>de</strong>r Gewalt.<br />
Der Ägyptologe Jan Assmann hat diesen<br />
Eindruck durch die These verstärkt,<br />
mit <strong>de</strong>r „mosaischen Entgegensetzung“,<br />
also mit <strong>de</strong>r Religionskritik, die Mose<br />
an <strong>de</strong>n selbst gemachten Göttern <strong>de</strong>r<br />
Ägypter geübt hat, sei ein schweres<br />
Übel in die Welt gekommen. Seine Beschreibung<br />
<strong>de</strong>s Glaubens an die vielen<br />
Buchcover<br />
Götter liest sich dagegen wie eine<br />
friedliche Idylle, in <strong>de</strong>r alle friedlich<br />
nebeneinan<strong>de</strong>r leben und je<strong>de</strong>r nach<br />
seiner Fasson selig wird. Arnold Angenendt<br />
hat in seinem Buch dagegen<br />
<strong>de</strong>n Forschungsstand <strong>de</strong>r Religionswissenschaft<br />
aufgezeigt. Traditionelle Religionen<br />
sind „Gentilreligionen“. Sie<br />
sind das, was <strong>de</strong>r eigene Clan glaubt,<br />
<strong>de</strong>r die Nachbarreligion keineswegs<br />
gewaltfrei und friedlich betrachtet.<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />
77
<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />
78<br />
Altbischof Dr. Franz Kamphaus<br />
Stichwort Forschungsstand. Das Buch<br />
ist dick, wenn auch sehr gut lesbar. Das<br />
kommt daher, dass Angenendt im klassischen<br />
Gelehrtenstil nicht einfach seine<br />
Meinung hinschreibt, son<strong>de</strong>rn die<br />
Stimmen <strong>de</strong>r Spezialforschung durch<br />
geschickte Zitate hören lässt.<br />
Wer nicht gerne dicke Bücher von<br />
vorne bis hinten durchliest, kann das<br />
Buch fast wie ein Nachschlagewerk benutzen.<br />
Es ist aber kein Lexikon.<br />
Ein Lexikon ist es nicht, aber Angenendt<br />
geht die „Skandalkapitel“ <strong>de</strong>r<br />
Kirchengeschichte so ziemlich <strong>de</strong>r Reihe<br />
nach durch. Darin sehe ich auch <strong>de</strong>n<br />
großen Nutzen für die Religionslehrer,<br />
<strong>de</strong>nn wie ich aus vielen Gesprächen<br />
weiß und es oft auch selbst erlebe, es<br />
sind doch immer dieselben Reizworte,<br />
die in Debatten, wie sie auch in <strong>de</strong>n älteren<br />
Jahrgangsklassen <strong>de</strong>r Schule geführt<br />
wer<strong>de</strong>n, immer wie<strong>de</strong>r vorkommen:<br />
Zwangsbekehrung, Kreuzzüge,<br />
Inquisition, Hexen- und Bücherverbrennungen.<br />
Aber da ist doch was dran?<br />
Was dran ist und was nicht, ist nicht<br />
ganz unwichtig. Bevor das Geschichtsbild<br />
durch eine Aneinan<strong>de</strong>rreihung von<br />
Klischees vergröbert wird, kommt es<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
doch zuerst einmal auf die Beantwortung<br />
<strong>de</strong>r Frage an: Wie ist es <strong>de</strong>nn tatsächlich<br />
gewesen?<br />
Alles halb so schlimm?<br />
Darin sehe ich einen beson<strong>de</strong>ren<br />
Vorzug <strong>de</strong>s Buches, dass es nicht revisionistisch<br />
ist, d. h. dass es nicht einfach<br />
in apologetischer Manier die Verbrechen<br />
und Untaten, die es in <strong>de</strong>r Tat<br />
wirklich gegeben hat, verniedlicht und<br />
relativiert. Aber es gibt einfach wichtige<br />
Unterschie<strong>de</strong>. Es ist schon interessant,<br />
mit <strong>de</strong>r Forschung festzustellen,<br />
dass die Empfehlung Christi, das Unkraut<br />
zusammen mit <strong>de</strong>m Weizen aufwachsen<br />
zu lassen und das letzte Urteil<br />
<strong>de</strong>m Herrn <strong>de</strong>r Ernte zu überlassen, dafür<br />
gesorgt hat, dass im ersten Jahrtausend<br />
praktisch keine Häretiker umgekommen<br />
sind. Nur einer ist am Kaiserhof<br />
zu Trier 385 hingerichtet wor<strong>de</strong>n,<br />
unter großem Protest übrigens. Natürlich<br />
ist es in <strong>de</strong>r Folge dann doch zu<br />
Ketzerverfolgungen und einer systematischen<br />
Intoleranz gekommen. Angenendt<br />
ist hier sehr klar. Da gibt es<br />
nichts zu beschönigen. Aber es macht<br />
einfach einen Unterschied, ob es Millionen<br />
gewesen sind, wie das die einschlägigen<br />
Spiegel- und Focus-Artikel<br />
und eine bestimmte Art von Bestsellerliteratur<br />
so wollen, o<strong>de</strong>r ob es einige<br />
Tausend gewesen sind. Und das Kapitel<br />
Inquisition bleibt ein schlimmes,<br />
auch wenn ich erfahre, dass es die Inquisition<br />
gewesen ist, die in Spanien<br />
die Hexenverfolgung been<strong>de</strong>t hat und<br />
die für die Rechtsgeschichte eine Be<strong>de</strong>utung<br />
hat, weil hier große Fortschritte<br />
im Prozessverfahren erreicht wor<strong>de</strong>n<br />
sind. Das hat mit Aufrechten nichts zu<br />
tun, aber es ernüchtert <strong>de</strong>n Blick.<br />
An<strong>de</strong>re Zeiten an<strong>de</strong>re Sitten?<br />
Man kann moralisch ein<strong>de</strong>utig sein<br />
und doch darauf verzichten, über die<br />
Vorfahren zu Gericht zu sitzen. Für uns<br />
Christen ist es gut zu wissen, wo die<br />
Straßengräben verlaufen, in die man in<br />
<strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r Kirche schon gefahren<br />
ist. Die Markierung dieser Fehler<br />
und Sün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Kirche sollte man auch<br />
von einem Schuldbekenntnis unterschei<strong>de</strong>n,<br />
wie wir es aus <strong>de</strong>m Bußsakrament<br />
kennen. Hier bin ich selbst ein<br />
Täter, <strong>de</strong>r umkehren will und auf die<br />
Gna<strong>de</strong> Gottes setzt. Ein Schuldbekenntnis,<br />
das ich für an<strong>de</strong>re ablege,<br />
kann eine raffinierte Form <strong>de</strong>r Anklage<br />
sein. Und immer gilt: Wir sitzen nicht<br />
auf <strong>de</strong>m Richterstuhl Gottes.<br />
Letzte Frage. Herr Bischof, wie geht es<br />
Ihnen?<br />
Mir geht es sehr gut. Ich kann wie<strong>de</strong>r<br />
besser schlafen als in <strong>de</strong>n letzten<br />
Jahren. Die Verabschiedung von meinem<br />
Amt, wie überhaupt <strong>de</strong>r Abschied<br />
von <strong>Limburg</strong>, hat mich nicht kalt gelassen.<br />
Aber ich freue mich auf meine<br />
neue Aufgabe in Aulhausen. Das ist<br />
nicht <strong>de</strong>r schlechteste Ort im <strong>Bistum</strong><br />
<strong>Limburg</strong>.<br />
Vielen Dank, Bischof Franz.<br />
Anzeige
Beate Denfeld ist neue Vorsitzen<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s Religionslehrerverban<strong>de</strong>s VKR-Hessen<br />
Auf <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>rversammlung <strong>de</strong>s<br />
Verban<strong>de</strong>s Katholischer Religionslehrer<br />
an Berufsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Schulen (VKR), Lan<strong>de</strong>sverband<br />
Hessen, wur<strong>de</strong> ein neuer Vorstand<br />
gewählt. Sieben Jahre stand Diakon<br />
Joachim Pauli an <strong>de</strong>r Spitze <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s,<br />
<strong>de</strong>r sich als Sprachrohr <strong>de</strong>r Religionslehrinnen<br />
und Religionslehrer an Beruflichen<br />
Schulen in Hessen versteht.<br />
Unter <strong>de</strong>r Regie von Pauli wur<strong>de</strong> in<br />
Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m Päd. Zentrum<br />
<strong>de</strong>r Bistümer in Wiesba<strong>de</strong>n-Naurod<br />
eine Vielzahl von akkreditierten<br />
Lehrerfortbildungen durchgeführt. Diese<br />
Fortbildungsveranstaltungen sind regelmäßig<br />
sehr gut besucht und zeigen,<br />
Der Frankfurter Kirchenführer auf<br />
CD-ROM lädt ein zu einer Ent<strong>de</strong>ckungsreise<br />
durch drei Kirchen Frankfurts:<br />
St. Katharinen, <strong>de</strong>n Frankfurter<br />
Dom und die alte Nikolaikirche, Orte<br />
Bezug:<br />
welchen Stellenwert sie in <strong>de</strong>n Beruflichen<br />
Schulen haben. So war auch die<br />
Mitglie<strong>de</strong>rversammlung in Wiesba<strong>de</strong>n-<br />
Naurod umrahmt von einer Wochenendfortbildung<br />
zu <strong>de</strong>n Themen „Selbstbil<strong>de</strong>r<br />
von Jugendlichen“ und „Internet“<br />
mit Referent Prof. Dr. Stefan Aufenanger,<br />
an <strong>de</strong>r über 40 Lehrerinnen<br />
und Lehrer aus ganz Hessen teilnahmen.<br />
Zugegen waren auch die Referenten<br />
<strong>de</strong>r bischöflichen Schul<strong>de</strong>zernate,<br />
um aktuelle Fragen zu beantworten.<br />
Auf <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>rversammlung<br />
wur<strong>de</strong> Beate Denfeld, Religionslehrerin<br />
an <strong>de</strong>r Hochtaunusschule in Oberursel,<br />
zur neuen Vorsitzen<strong>de</strong>n gewählt.<br />
Frankfurter Kirchenführer als CD-ROM<br />
Der Schatz vor <strong>de</strong>r Haustür – Eine Ent<strong>de</strong>ckungsreise<br />
Ton- und Bildstelle e.V.<br />
Rechneigrabstr. 10<br />
60311 Frankfurt am Main<br />
Fon: 069-29961100<br />
E-Mail: info@tonbild.<strong>de</strong><br />
Homepage: www.tonbild.<strong>de</strong><br />
25.00 EUR zzgl. Versandkosten<br />
lebendigen christlichen Glaubens, die<br />
Zeugnisse geistiger und gesellschaftlicher<br />
Tradition aus vielen Jahrhun<strong>de</strong>rten<br />
bewahren. Der ökumenische Kirchenführer<br />
bietet viele Informationen<br />
in Text und Bild, mit zahlreichen Anregungen<br />
und Extras. Er hilft dabei, so<br />
manches Kleinod zu ent<strong>de</strong>cken.<br />
In <strong>de</strong>n drei vorgestellten Kirchen<br />
dreht sich so gut wie alles um zentrale<br />
Fragen, die speziell in <strong>de</strong>r Sekundarstufe<br />
in <strong>de</strong>n Fächern Evangelische / Katholische<br />
Religion und Ethik zum<br />
Pflichtprogramm gehören, die aber<br />
auch in Gesellschaftslehre, Geschichte,<br />
Deutsch, Kunst und Musik eine wichtige<br />
Rolle spielen – i<strong>de</strong>al für alle, die im<br />
Bildungsbereich arbeiten.<br />
Sie rückt damit neu in <strong>de</strong>n Vorstand <strong>de</strong>s<br />
VKR-Hessen. Gleichzeitig wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />
schei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Vorsitzen<strong>de</strong> Joachim Pauli<br />
für seine Verdienste geehrt. Wie<strong>de</strong>rgewählt<br />
wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Stellvertr. Vorsitzen<strong>de</strong><br />
Ulrich Kinz ebenso wie <strong>de</strong>r Schriftführer<br />
Wolfgang Hafemann und <strong>de</strong>r<br />
Kassenwart Horst Conze.<br />
Die Mitglie<strong>de</strong>rversammlung war<br />
sich darüber einig, dass <strong>de</strong>r VKR-Hessen<br />
die bewährten Veranstaltungen<br />
weiterführen wird und die Interessensvertretung<br />
für die hessischen Religionslehrerinnen<br />
und -lehrer, auch auf<br />
politischer Ebene, verstärken wird.<br />
Wolfgang Hafemann<br />
Die CD-ROM bietet darüber hinaus<br />
reichlich Material für einen Einsatz in <strong>de</strong>r<br />
kirchlichen Gemein<strong>de</strong>arbeit, in <strong>de</strong>r außerschulischen<br />
wie nichtkirchlichen Jugendarbeit<br />
und <strong>de</strong>r Erwachsenenbildung.<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />
79
I. Zielsetzung<br />
Die Stiftung DEY för<strong>de</strong>rt charakterlich<br />
geeignete Kin<strong>de</strong>r, Jugendliche,<br />
Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> und Stu<strong>de</strong>nten/-innen<br />
aus katholischen Familien, die eine hohe<br />
Begabung intellektueller o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rer<br />
Art besitzen, i<strong>de</strong>ell und materiell. Durch<br />
ihre För<strong>de</strong>rung will die Stiftung DEY zur<br />
Heranbildung qualifizierten katholischen<br />
Nachwuchses in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten<br />
Bereichen unserer Gesellschaft<br />
beitragen.<br />
II. För<strong>de</strong>rungskriterien<br />
Für eine Bewerbung müssen folgen<strong>de</strong><br />
Kriterien gleichzeitig erfüllt sein:<br />
• katholische Konfession<br />
• beson<strong>de</strong>re Begabung und fachliche<br />
Qualifikation<br />
• kirchliches Engagement<br />
• charakterliche Eignung<br />
III. För<strong>de</strong>rungsleistungen<br />
• Zuwendungen durch einmalige<br />
o<strong>de</strong>r periodische Geldleistungen<br />
• Unterstützung beim Ergreifen<br />
bestehen<strong>de</strong>r Bildungsmöglichkeiten<br />
und bei <strong>de</strong>r Erschließung neuer<br />
Bildungswege<br />
• Ermöglichung menschlicher Kontakte<br />
innerhalb <strong>de</strong>s geför<strong>de</strong>rten Kreises<br />
IV. För<strong>de</strong>rungsdauer<br />
Die För<strong>de</strong>rung wird zunächst für die<br />
Dauer eines Kalen<strong>de</strong>rjahres gewährt.<br />
Eine Verlängerung <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung kann<br />
vom Stipendiaten, von <strong>de</strong>r Stipendatin<br />
ggf. beantragt wer<strong>de</strong>n. Vor <strong>de</strong>r Entscheidung<br />
über eine weitere För<strong>de</strong>rung<br />
wird u.a. durch eine Leistungskontrolle<br />
(Arbeitsbericht) festgestellt, ob dies<br />
gerechtfertigt ist. Eine Verlängerung wird<br />
jeweils für <strong>de</strong>n Zeitraum eines weiteren<br />
Jahres gewährt.<br />
Anträge sind zu richten an:<br />
Bischöfliches Ordinariat<br />
Kuratorium <strong>de</strong>r Stiftung DEY<br />
z. Hd. Herrn Martin W. Ramb<br />
Roßmarkt 12<br />
65549 <strong>Limburg</strong>/Lahn<br />
V. Bewerbungs- und<br />
Auswahlverfahren<br />
Es gilt das Prinzip <strong>de</strong>r Selbstbewerbung.<br />
Der standardisierte Bewerbungsbogen<br />
kann mit einem formlosen Schreiben<br />
bei <strong>de</strong>r Stiftung angefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />
Die vollständigen Bewerbungsunterlagen<br />
müssen bis spätestens 31.12. für das<br />
Folgejahr vorliegen.<br />
Die Bewerbung soll folgen<strong>de</strong> Unterlagen<br />
enthalten:<br />
• Bewerbungsbogen<br />
• ausführlicher Lebenslauf<br />
• Zusammenstellung <strong>de</strong>r bisherigen<br />
Ausbildungs- und Studienschwerpunkte<br />
• ggf. eine Darstellung <strong>de</strong>s<br />
Dissertationsvorhabens<br />
• Abschlusszeugnisse bzw. sonstige<br />
Qualifikationen und Nachweise<br />
• Referenz durch einen Priester<br />
und/o<strong>de</strong>r Pastorale Mitarbeiter/-in<br />
Bewerber/-innen, die in die engere<br />
Wahl einbezogen wer<strong>de</strong>n, bittet die<br />
Stiftung zu einem Gespräch.<br />
Die endgültige Entscheidung über einen<br />
För<strong>de</strong>rungsantrag trifft das Kuratorium.<br />
Das Bemühen um eine möglichst faire,<br />
umfassen<strong>de</strong> Beurteilung <strong>de</strong>r Persönlichkeit<br />
eines je<strong>de</strong>n Bewerbers, einer je<strong>de</strong>n<br />
Bewerberin kennzeichnet das Auswahlverfahren<br />
<strong>de</strong>r Stiftung; dazu gehört ein<br />
differenziertes Verständnis von Begabung.<br />
Auf generalisieren<strong>de</strong> Metho<strong>de</strong>n<br />
zu ihrer Bestimmung wird bewusst<br />
verzichtet. Im Vor<strong>de</strong>rgrund steht die<br />
individuelle Bewertung von Eignung,<br />
Leistungsfähigkeit und –bereitschaft mit<br />
Blick auf das jeweils angestrebte<br />
Bildungs- bzw. Ausbildungsziel.<br />
Das Kuratorium erwartet, dass <strong>de</strong>r/die<br />
Bewerber/-in darüber informiert, ob<br />
von einer an<strong>de</strong>ren Einrichtung eine<br />
För<strong>de</strong>rung beantragt wur<strong>de</strong> bzw.<br />
bereits geleistet wird.<br />
Grün<strong>de</strong> für die Aufnahme o<strong>de</strong>r die<br />
Ablehnung wer<strong>de</strong>n nicht mitgeteilt.<br />
Ein Rechtsanspruch auf Aufnahme in<br />
die För<strong>de</strong>rung besteht nicht.<br />
BISTUM LIMBURG<br />
Die unselbstständige<br />
Stiftung DEY mit <strong>de</strong>m Sitz<br />
in <strong>Limburg</strong> an <strong>de</strong>r Lahn<br />
geht zurück auf eine<br />
Schenkung <strong>de</strong>r<br />
Geschwister Dey aus <strong>de</strong>m<br />
Jahr 1987
Bestell-Liste<br />
Themen <strong>de</strong>r Hefte 1980 – 2006<br />
Die nachfolgen<strong>de</strong>n Hefte können, solange <strong>de</strong>r Vorrat reicht, nachbestellt wer<strong>de</strong>n:<br />
Jahrgang 1980<br />
Heft 1/2: *Audiovisuelle Medien<br />
Heft 3: * Die Bibel im Religionsunterricht<br />
Heft 4: Jesus Christus – Gott wird Mensch ❏<br />
Jahrgang 1981<br />
Heft 1/2: Beten in <strong>de</strong>r Schule ❏<br />
Heft 3: Im Dialog ❏<br />
Heft 4: Für euch und für alle ❏<br />
Jahrgang 1982<br />
Heft 1/2: Religiöse Erziehung in <strong>de</strong>r Eingangsstufe ❏<br />
Heft 3: Religionsunterricht in <strong>de</strong>r Primarstufe ❏<br />
Heft 4: * Religionsunterricht<br />
Jahrgang 1983<br />
Heft 1: * Katholische Soziallehre<br />
Heft 2/3:* Nehmet einan<strong>de</strong>r an ...<br />
Heft 4: * Das Reich Gottes ist nahe ... (Mk 1.15)<br />
Jahrgang 1984<br />
Heft 1/2:* Maria<br />
Heft 3: * Das Kirchenjahr<br />
Heft 4: * Lebenswege – Glaubenswege<br />
Jahrgang 1985<br />
Heft 1/2:* 750 Jahre <strong>Limburg</strong>er Dom<br />
Heft 3: * Theologie <strong>de</strong>r Befreiung<br />
Heft 4: Armuts-Bewegungen ❏<br />
Jahrgang 1986<br />
Heft 1/2: Kirche im Aufbruch ❏<br />
Heft 3: Christen und Ju<strong>de</strong>n ❏<br />
Heft 4: Mit Wi<strong>de</strong>rsprüchen leben ❏<br />
Jahrgang 1987<br />
Heft 1/2:* Christen und Muslime<br />
Heft 3: * Christen und New Age<br />
Heft 4: Christen und Schöpfung ❏<br />
Jahrgang 1988<br />
Heft 1: Afrika begegnen – MISEREOR ‘88 ❏<br />
Heft 2/3: Schule und Leben ❏<br />
Heft 4: * Mystik und Politik<br />
Jahrgang 1989<br />
Heft 1/2: Brennpunkt: Religionsunterricht ❏<br />
Heft 3: * Sakramente im Religionsunterricht<br />
Heft 4: * Der lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Mensch – Der lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Gott<br />
Jahrgang 1990<br />
Heft 1: * Paulus – Der Lehrer<br />
Heft 2/3:* Religion und Musik<br />
Heft 4: * Impulse für die Kirche<br />
Jahrgang 1991<br />
Heft 1/2: *Prophetinnen und Propheten im<br />
Religionsunterricht<br />
Heft 3: Mitwelt – Schöpfung ❏<br />
Heft 4: Neue Re<strong>de</strong> von Maria ❏<br />
Jahrgang 1992<br />
Heft 1/2:* Herausfor<strong>de</strong>rung Islam<br />
Heft 3: * Biotechnik und Ethik<br />
Jahrgang 1993<br />
Heft 1: Qumran Essener Jesus ❏<br />
Heft 2/3:* Sterben / Tod / Eschatologie<br />
Heft 4: Religionsunterricht und Literatur ❏<br />
Jahrgang 1994<br />
Heft 1: * Fundamentalismus in Gesellschaft<br />
und Kirche<br />
Heft 2: * Von Gott re<strong>de</strong>n im Religionsunterricht<br />
Heft 3: Kirchengeschichte im Religionsunterricht ❏<br />
Heft 4: Das Erste Tesament und die Christen ❏<br />
Jahrgang 1995<br />
Heft 1: „Wenn die Kirche zur Schule geht ...“ ❏<br />
Heft 2: „Ich wer<strong>de</strong> von meinem Geist ausgießen<br />
über alles Fleisch“ (Apg 2,17) ❏<br />
Heft 3: Gespeicherte Erinnerung –<br />
Das Museum als Lernort ❏<br />
Heft 4: „Ich war hungrig; und ihr ...“ (Mt 25,35; 42)<br />
Vom Umgang mit <strong>de</strong>r Armut ❏<br />
Anzahl Anzahl<br />
Jahrgang 1996<br />
Heft 1: „Ihr seid zur Freiheit berufen ...“ (Gal 5,13)<br />
Er-löst! ❏<br />
Heft 2: „Er stellte ein Kind in ihre Mitte ...“ (Mt 18,1) ❏<br />
Heft 3: „... und spielte vor ihm allezeit.“ (Spr. 8,30 b) ❏<br />
Heft 4: Konfessionalität <strong>de</strong>s Religionsunterrichts ❏<br />
Jahrgang 1997<br />
Heft 1: * „Und vergib uns unsere Schuld.“ (Mt 6,12)<br />
Heft 2: * Alternativ leben<br />
Heft 3: * Mit mehr Sinn(en) leben<br />
Heft 4: „Typisch Mädchen?“<br />
Mädchenerziehung in <strong>de</strong>r Schule ❏<br />
Jahrgang 1998<br />
Heft 1: „Kehrt um, damit ihr am Leben bleibt!“<br />
(Ez 18,32) ❏<br />
Heft 2: „Vergesst mir die Berufsschüler nicht“ ❏<br />
Heft 3: Gemeinschaft <strong>de</strong>r Heiligen. Große Gestalten <strong>de</strong>s<br />
<strong>Bistum</strong>s und ihre Wirkung in unserer Zeit ❏<br />
Heft 4: * Ju<strong>de</strong>n – Muslime – Christen.<br />
Die drei Kin<strong>de</strong>r in Abrahams Schoß<br />
Jahrgang 1999<br />
Heft 1: Gottes Er<strong>de</strong> – Zum Wohnen gemacht.<br />
Unsere Verantwortung für die Schöpfung ❏<br />
Heft 2: En<strong>de</strong>? Apokalyptische Visionen in<br />
Vergangenheit und Gegenwart ❏<br />
Heft 3: Begegnungen mit <strong>de</strong>m Buddhismus ❏<br />
Heft 4: Jugendliche I<strong>de</strong>ntität–Christlicher Glaube ❏<br />
Jahrgang 2000<br />
Heft 1: * Heiliges Jahr 2000<br />
Heft 2: * RU online. Neue Medien im Religionsunterricht<br />
Heft 3: Kirchenraum als Lernort ❏<br />
Heft 4: „Schwarz greift ein“. Vom kritischen Verhältnis<br />
kirchlicher Religiosität zur „civil religion“ ❏<br />
Jahrgang 2001<br />
Heft 1: * Erinnerung für die Zukunft.<br />
Kirchengeschichte im Religionsunterricht<br />
Heft 2: * Religionsunterricht – Da steckt Musik drin<br />
Heft 3: * Chancen sehen – Der Religionsunterricht <strong>de</strong>r<br />
Zukunft<br />
Heft 4: * Auf <strong>de</strong>r Suche nach einer lebendigen Mystik<br />
Jahrgang 2002<br />
Heft 1: * In <strong>de</strong>r Spur <strong>de</strong>s Auferstan<strong>de</strong>nen<br />
Heft 2: „Das wäre ja gelacht!“ Humor und<br />
Komik im Religionsunterricht ❏<br />
Heft 3: * Perspektivenwechsel – Behin<strong>de</strong>rung mit<br />
an<strong>de</strong>ren Augen sehen<br />
Heft 4: Was ist schief an PISA? ❏<br />
Jahrgang 2003<br />
Heft 1: * Der achte Schöpfungstag?<br />
Heft 2: * „Nimm und lies!“<br />
Heft 3: Zeit für die Zeit ❏<br />
Heft 4: Der Sinn für die Fülle ❏<br />
Jahrgang 2004<br />
Heft 1: Ars moriendi – Ars vivendi. ❏<br />
Heft 2: Philosophieren mit Kin<strong>de</strong>rn<br />
im Religionsunterricht. ❏<br />
Heft 3: Einfach fantastisch!<br />
Das Fantastische im Religionsunterricht. ❏<br />
Heft 4: Erstaunliche Nähe – bedrängen<strong>de</strong> Ferne<br />
Der Islam im Verhältnis zum Christentum. ❏<br />
Jahrgang 2005<br />
Heft 1: Bewegung Gottes – Wege <strong>de</strong>s Pilgerns ❏<br />
Heft 2: Freu<strong>de</strong> am Lernen ❏<br />
Heft 3: Sag an, wer ist doch diese ... ❏<br />
Heft 4: Arbeiten an ungeliebten Bibeltexten ❏<br />
Jahrgang 2006<br />
Heft 1: Faszination Vatikan ❏<br />
Heft 2: „Er hat Gott gelästert“ –<br />
Blasphemie und Sakralität ❏<br />
Heft 3: Alles reiner Zufall? – Streit um Gott als<br />
intelligenten Designer ❏<br />
Heft 4: Erfahrung – Werte – Religion ❏<br />
je Ausgabe € 2.00<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong><br />
Name<br />
Vorname<br />
Schule<br />
Straße<br />
PLZ/Ort<br />
Telefon<br />
Bitte ausfüllen, kopieren<br />
und faxen an:<br />
06431/295-237<br />
o<strong>de</strong>r per Post sen<strong>de</strong>n an:<br />
Dezernat<br />
Bildung und Kultur<br />
Bischöfliches Ordinariat<br />
<strong>Limburg</strong><br />
Dipl.-Theol. Martin W. Ramb<br />
Postfach 1355<br />
65533 <strong>Limburg</strong><br />
* Diese Ausgaben sind vergriffen.<br />
Alle Ausgaben ab Jahrgang 1985 sind als<br />
PDF-Dateien im Internet unter www.ifrr.<strong>de</strong><br />
erhältlich.
<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />
82<br />
Veranstaltungen<br />
PÄDAGOGISCHES<br />
<strong>de</strong>r Bistümer im Lan<strong>de</strong> Hessen<br />
Soweit nicht an<strong>de</strong>rs angegeben, fin<strong>de</strong>n alle<br />
Kurse im Wilhelm-Kempf-Haus, Wiesba<strong>de</strong>n-<br />
Naurod, statt.<br />
PZ 54/2007<br />
23.05.2007, 14.30 Uhr bis 25.05.2007, 13.00 Uhr<br />
Schulpastoral an meiner Schule ?!<br />
Stefan Herok, <strong>Limburg</strong>; Dr. Brigitte Lob, Mainz;<br />
Wolfgang Ritz, Fulda<br />
Schulseelsorger/-innen aller Schulformen und an <strong>de</strong>r<br />
Schulpastoral interessierte Religionslehrer/-innen<br />
Eigenkostenanteil: 80.00 €; Leistungspunkte: ??<br />
PZ 57/2007<br />
11.06.2007, 14.30 Uhr bis 13.06.2007, 13.00 Uhr<br />
Regions in Britain<br />
Geoff Sammon, Bonn; Dominik Eberhard, Bonn<br />
Englischlehrer/-innen Schwerpunkt Sek I<br />
Eigenkostenanteil: 80.00 €; Leistungspunkte: 25<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
PZ 58/2007<br />
13.06.2007, 14.30 Uhr bis 15.06.2007, 13.00 Uhr<br />
Mit Kopf, Herz und Hand<br />
Ein Seminar zum lebendigen und<br />
ganzheitlichen Lernen in <strong>de</strong>r Schule<br />
Astrid Reinhardt, Gießen; Kathleen Fritz, Frankfurt<br />
Lehrer/-innen aller Schularten (Teilnehmerzahl: 16)<br />
Eigenkostenanteil: 80.00 €; Leistungspunkte: 25<br />
PZ 59/2007<br />
15.06.2007, 14.30 Uhr bis 16.06.2007, 17.00 Uhr<br />
Wieviel Sinne hat <strong>de</strong>r Mensch ?<br />
Olef Keser-Wagner, Wiesba<strong>de</strong>n<br />
Lehrer/-innen <strong>de</strong>r Sekundarstufe I<br />
Eigenkostenanteil: 60.00 €; Leistungspunkte: 20<br />
PZ 60/2007<br />
22.06.2007, 14.30 Uhr bis 23.06.2007, 18.00 Uhr<br />
Zwischen Verantwortung, Habgier<br />
und Sozialneid<br />
Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r exemplarischen Arbeit zur<br />
Wirtschaftsethik<br />
Dr. Armin Schnei<strong>de</strong>r, Lohmar<br />
Lehrer/-innen <strong>de</strong>r Fächer Politik und Wirtschaft, Sozialkun<strong>de</strong>,<br />
Ethik und Religion in Abschlussklassen <strong>de</strong>r Sek I und Sek II und<br />
an Berufsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Schulen<br />
Eigenkostenanteil: 60.00 €; Leistungspunkte: 20<br />
Veranstaltungen <strong>de</strong>r Ferienaka<strong>de</strong>mie entnehmen Sie bitte <strong>de</strong>m Flyer aus <strong>de</strong>r Heftmitte.<br />
* Der Eigenkostenanteil bezieht sich auf anteilige Kosten: Kurs mit Übernachtung/Vollverpflegung. Alle weiteren anfallen<strong>de</strong>n<br />
Kosten wer<strong>de</strong>n vom Pädagogischen Zentrum übernommen und aus Kirchensteuermitteln finanziert.<br />
Weitere IInnffoorrmmaattiioonneenn zu <strong>de</strong>n KKuurrsseenn fin<strong>de</strong>n Sie auf <strong>de</strong>r Homepage <strong>de</strong>s Pädagogischen Zentrums: iinnffoo@@ppzz--hheesssseenn..d<strong>de</strong>e o<strong>de</strong>r wwwwww..ppzz-hheesssseenn..d<strong>de</strong>e<br />
ab ca. 2 Monate vor Kursbeginn.<br />
SScchhrriiffttlliicchhee AAnnmmeelldduunnggeenn wer<strong>de</strong>n umgehend erbeten, spätestens jedoch bis vviieerr Wochen vor Lehrgangsbeginn an: PPääddaaggooggiisscchheess ZZeenn-ttrruumm<br />
d<strong>de</strong>err BBiissttüümmeerr iimm LLaannd<strong>de</strong>e HHeesssseenn,, WWiillhheellmm--KKeemmppff--HHaauuss,, 6655220077 WWiieessbbaad<strong>de</strong>enn--NNaauurroodd.. Fon: 0 61 27 / 7 72 85; Fax: 0 61 27 / 7 72 46; E-Mail:<br />
anmeldung@pz-hessen.<strong>de</strong>. Anmeldung auch über die Homepage: www.pz-hessen.<strong>de</strong>, entsprechen<strong>de</strong>n Kurs anklicken, dann auf „Anmeldung<br />
zu diesem Kurs“.<br />
Alle Fortbildungs- und Qualifizierungsangebote sind beim Institut für Qualitätsentwicklung in Wiesba<strong>de</strong>n zur Akkreditierung beantragt<br />
und können im IQ-Veranstaltungskatalog unter www.iq.hessen.<strong>de</strong> aufgerufen wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Unterrichtsbefreiung für die Teilnahme an <strong>de</strong>n Lehrgängen erfolgt bei 1-3tägigen Veranstaltungen durch die Schulleitung, bei 4und<br />
mehrtägigen Veranstaltungen durch das Staatliche Schulamt (vgl. Erlass <strong>de</strong>s HKM v. 01.07.1997 – B V 3.1-960-500 –2000–) bzw. bei<br />
<strong>de</strong>n Katholischen Schulen in Freier Trägerschaft durch <strong>de</strong>n Schulträger.
Bibelschule Königstein<br />
Programm 2006<br />
Ursulinenkloster St. Angela, Gerichtstr. 19, 61462 Königstein<br />
Angebote zum Alten Testament<br />
AT 2: 19.05.2007, 9.00-17.30 Uhr<br />
Auszug aus Ägypten und<br />
Gesetzgebung am Sinai<br />
Prof. Dr. E. Gerstenberger, Gießen<br />
AT 3: 23.06.2007, 9.00-17.30 Uhr<br />
Die Bewältigung <strong>de</strong>r Exilserfahrung<br />
bei Deutero-Jesaia<br />
Dr. Gabriele Theuer, Frankfurt am Main<br />
Tagungskosten: 25.00 € je<strong>de</strong>r Samstag;<br />
Leistungspunkte für Lehrer/-innen: 10<br />
Angebote zum Neuen Testament<br />
Prof. Dr. Josef Hainz, Königstein<br />
NT 3: 12.05.2007, 9.00-17.30 Uhr<br />
„Selig seid ihr ...”.<br />
Zum Verständnis <strong>de</strong>r „Bergpredigt” Jesu<br />
NT 4: 02.06.2007, 9.00-17.30 Uhr<br />
Das heilsgeschichtliche Konzept<br />
<strong>de</strong>s Lukas in Evangelium und<br />
Apostelgeschichte<br />
Tagungskosten: 25.00 € je<strong>de</strong>r Samstag<br />
Leistungspunkte für Lehrer/-innen: 10<br />
Interpretation von Briefen im NT<br />
Prof. Dr. Josef Hainz, Königstein<br />
BR 3: 25./26.06.2007, jeweils 18.00-21.00 Uhr<br />
Jak, die „strohene Epistel” (so Luther)<br />
Tagungskosten Montage/Dienstage: jew. 5.00 €<br />
Die Wahrheit <strong>de</strong>r biblischen Symbole<br />
OStR´ Irmgard Hess, Wiesloch<br />
SY 3: 16.06.2007, 10.00-17.30 Uhr<br />
Das Vaterunser als<br />
ganzheitliches Heilungsgebet<br />
Tagungskosten: 25.00 € je<strong>de</strong>r Samstag;<br />
Leistungspunkte für Lehrer/-innen: 10<br />
Weitere Veranstaltung<br />
SO 4: 10.-18.07.2007<br />
Irland-Reise<br />
9 Tage; ca. 1.275.00 € pro Person im DZ<br />
AAuusskküünnffttee erteilt: Prof. Dr. Josef Hainz, BBiibbeellsscchhuullee KKöönniiggsstteeiinn ee..VV..,, UUrrssuulliinneennkklloosstteerr SStt.. AAnnggeellaa,, GGeerriicchhttssttrr.. 1199,, 6611446622 KKöönniiggsstteeiinn,,<br />
Fon: 06174/9381-0; Fax: 06174/9381-55; E-Mail: Bibelschule.Koenigstein@gmx.<strong>de</strong><br />
RHE<strong>IN</strong>LAND - PFALZ<br />
ILF<br />
M A I N Z<br />
Institut für Lehrerfort- und<br />
-weiterbildung (ILF),<br />
Mainz<br />
ÜÜbbeerrrreeggiioonnaallee<br />
VVeerraannssttaallttuunnggeenn<br />
ILF-Nr. 71/201101<br />
21.-22.05.2007<br />
Gästehaus <strong>de</strong>r Barmherzigen Brü<strong>de</strong>r, Trier<br />
Ein Kaiser fürs Museum?<br />
Konstantin <strong>de</strong>r Große im fächerübergreifen<strong>de</strong>n<br />
Unterricht<br />
StR Frank-Thomas Ott, Trier; Lothar Schwin<strong>de</strong>n, Trier<br />
Lehrer/-innen aller Schularten mit <strong>de</strong>n Fächern Geschichte, Deutsch,<br />
Latein, Griechisch, Religion, Sozialkun<strong>de</strong>, Kunst<br />
ILF-Nr. 71/200901<br />
13.-15.06.2007<br />
Kloster Jakobsberg, Ockenheim<br />
Das Brot, das wir teilen<br />
Mit Grundschülern das Thema Eucharistie<br />
erschließen<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />
83
<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />
84<br />
FL Norbert Wolf, Studienseminar GHS, Mainz<br />
Lehrer/-innen <strong>de</strong>r Grundschule<br />
ILF-Nr. 71/201001<br />
25.06.2007<br />
Herz-Jesu-Kloster, Neustadt<br />
AAnnmmeelldduunnggeenn erfolgen sscchhrriiffttlliicchh – d.h. bis spätestens 3 Wochen vor Kursbeginn – mit <strong>de</strong>r ggeellbbeenn AAnnmmeelld<strong>de</strong>ekkaarrttee (erhältlich beim<br />
Schulleiter o<strong>de</strong>r beim ILF Mainz) üübbeerr IIhhrree SScchhuulllleeiittuunngg an das ILF Mainz.<br />
AAnnsscchhrriifftt:: ILF Mainz, Postfach 24 50, 55014 Mainz; Kötherhofstr. 4, 55116 Mainz, Fon: 0 61 31 / 28 45 - 0; Fax: 0 61 31 / 28 45 25;<br />
Sie können die NNeewwsslleetttteerr <strong>de</strong>s ILF auf <strong>de</strong>r Internetseite http://www.ilf.bildung-rp.<strong>de</strong>/aktuell/in<strong>de</strong>x.html abonnieren.<br />
Anzeige<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
“... die Zeit zum Singen ist da”<br />
Auf Lie<strong>de</strong>r-Reise durch die Bibel<br />
Michael Gorius, Wiebelskirchen<br />
Lehrer/-innen <strong>de</strong>r Grundschule<br />
Tagungshäuser im <strong>Bistum</strong> <strong>Limburg</strong><br />
Familienferiendorf Hübingen<br />
Familienerholung und Familienbildung im Einklang von Natur, Körper, Seele und Geist.<br />
Der Ort für Familienkreisarbeit, Katechese, Religiöse Wochen, Familientreffen, auch für sportlich<br />
Aktive (Sportplatz, Tischtennishalle, Sauna)<br />
56412 Hübingen / Westerwald<br />
Fon 0 64 39 / 92 00 40; Fax 0 64 39 / 66 82; info @familienferiendorf-huebingen.<strong>de</strong><br />
Karlsheim Kirchähr<br />
Die Jugendbegegnungsstätte <strong>de</strong>s <strong>Bistum</strong>s <strong>Limburg</strong>.<br />
Die beson<strong>de</strong>re Atmosphäre <strong>de</strong>s historischen Pfarrhauses und <strong>de</strong>r alten Kirche im romantischen Gelbachtal.<br />
56412 Kirchähr, Post Gackenbach<br />
Fon 0 64 39 / 70 23; Fax 0 64 39 / 70 16; karlsheim@t-online.<strong>de</strong><br />
Hil<strong>de</strong>gardishof Wal<strong>de</strong>rnbach<br />
Das Haus für Kids<br />
I<strong>de</strong>al für Kin<strong>de</strong>r- und Jugendgruppen, Zeltlager, Freizeiten für Besinnungstage, Themenwochenen<strong>de</strong>n,<br />
Seminare und Tagungen.<br />
35794 Mengerskirchen-Wal<strong>de</strong>rnbach , Klosterstraße<br />
Fon 0 64 76 / 83 53; Fax 0 64 76 / 23 22; hil<strong>de</strong>gardis-hof@t-online.<strong>de</strong><br />
www.tagungshaeuser.org
Überregional interessieren<strong>de</strong><br />
Veranstaltungen <strong>de</strong>r Ämter für<br />
Katholische Religionspädagogik<br />
in <strong>de</strong>n Bezirken<br />
Frankfurt am Main<br />
24.05.2007, 15.00-17.30 Uhr<br />
Fachbereiche Katholische Theologie,<br />
Grüneburgplatz 1, Franfurt am Main<br />
Eingeloggt ins Kirchenjahr ?!?<br />
Eine Lernwerkstatt zu neuen Medien<br />
im Religionsunterricht<br />
Ilka Rupp, Universität Frankfurt am Main<br />
Anmeldung bis 18.05.2007, RPA Frankfurt<br />
Montabaur<br />
ILF-Nr. 71/610401<br />
16.05.2007<br />
Heime Scheuern, Nassau<br />
Es wird erzählt ...<br />
Ökumenischer Religionslehrertag<br />
Nico Terlin<strong>de</strong>n, Amsterdam (angefragt)<br />
Religionslehrer/-innen aus <strong>de</strong>m Rhein-Lahn und <strong>de</strong>m Westerwaldkreis<br />
ILF-Nr. 71/610401<br />
20.06.2007<br />
Priesterseminar, <strong>Limburg</strong><br />
Begegnungstagung für<br />
Fachkonferenzleiterinnen und -leiter<br />
Stefan Herok, Wiesba<strong>de</strong>n<br />
Fachkonferenzleiterinnen und -leiter im Rhein-Lahn- und Westerwaldkreis<br />
NNäähheerree AAuusskküünnffttee bei <strong>de</strong>n angegebenen ÄÄmmtteerrnn.. –<br />
AAnnsscchhrriifftteenn uunndd TTeelleeffoonnnnuummmmeerrnn ssiieehhee SSeeiittee 8877..<br />
Unsere Autorinnen und Autoren:<br />
Dr. Walter Fischedick, Kommissariat <strong>de</strong>r Kath. Bischöfe im<br />
Lan<strong>de</strong> Hessen, Viktoriastr. 19, 65189 Wiesba<strong>de</strong>n<br />
Dommuseumsdirektor Prof. Dr. August Heuser,<br />
Rauenthaler Weg 1, 60529 Frankfurt am Main<br />
Prof. Dr. Hans Mendl, Jägerwirth 19, 94081 Fürstenzell<br />
Studienleiter i. K. Bernhard Merten, (BM)<br />
Altheimstr. 18, 60431 Frankfurt am Main<br />
Dezernent Dr. Eckhard Nordhofen,<br />
Postfach 13 55, 65533 <strong>Limburg</strong><br />
Dipl.-Theol. Martin W. Ramb, (MR)<br />
Im Silbertal 15, 56203 Höhr-Grenzhausen<br />
Dr. Ulrich Riegel, Bayerische Julius-Maxilmilian-Universität,<br />
Institut für Praktische Theologie,<br />
Wittelsbacherplatz 1, 90740 Würzburg<br />
Prof. Dr. Thomas Ruster, Brüsseler Straße 26, 53332 Bornheim<br />
Dipl.-Theol. Katharina Sauer, Römerstr. 30, 56337 Ka<strong>de</strong>nbach<br />
Thomas Stillbauer, c/o Fischer Taschenbuch Verlag,<br />
Postfach 70 03 44, 60553 Frankfurt am Main<br />
Doris Walter-Guthell, Haus am Dom,<br />
Domplatz 3, 60311 Frankfurt am Main<br />
Matthias Werner, Am Zehnten Stein 24, 65549 <strong>Limburg</strong><br />
Unsere Rezensentinnen und Rezensenten:<br />
Dr. Thorsten Anger, Gutenbergstr. 91, 50823 Köln<br />
OStR. i. R. Helmut Bahr, Auf <strong>de</strong>r Au 22, 56132 Dausenau<br />
Dr. Michelle Becka,<br />
Bürgermeister-Beheim-Str. 36, 63165 Mühlheim<br />
Prof. Dr. Joachim Eckart, Rothkehlchenweg 23, 67346 Speyer<br />
OR Dr. Gotthard Fuchs, Rheingoldstr. 3, 65203 Wiesba<strong>de</strong>n<br />
Prof. Dr. Wolfgang Gantke,<br />
Julius-Leber-Str. 23, 53340 Meckenheim<br />
Prof. Dr. Peter Hofmann, In <strong>de</strong>r Weglänge 19, 56072 Koblenz<br />
Dipl.-Theol.; Dipl.-Religionspäd. Reiner Jungnitsch,<br />
Eichenweg 3, 64839 Münster<br />
Dr. Julia Knop, Rölsdorfstr. 23, 53225 Bonn<br />
Prof. Dr. Beate Kowalski, Trierer Str. 388, 56070 Koblenz<br />
Birgitta Lahner-Ahnert,<br />
Rhaban-Fröhlich-Str. 16, 60433 Frankfurt am Main<br />
Lehrer Markus C. Leitschuh, Blücherstr. 10, 34123 Kassel<br />
Dipl.-Theol. Lutz Lemhöfer,<br />
Domplatz 3, 60311 Frankfurt am Main<br />
StL i. K. Bernhard Merten,<br />
Altheimstr. 18, 60431 Frankfurt am Main<br />
Dr. Marie-Luise Reis, Am Eckwald 13, 56112 Lahnstein<br />
Prof. P. Dr. Joachim Schmiedl, Berg Sion 6, 56179 Vallendar<br />
Dr. Gabriele Theuer, Reichsburgstr. 8, 60489 Frankfurt am Main<br />
Lic. Theol. Ulrich Zalewski,<br />
Cuxhavener Str. 2, 65933 Frankfurt am Main<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />
85
SONSTIGES<br />
86<br />
Dezernat Bildung und Kultur<br />
im Bischöflichen Ordinariat <strong>Limburg</strong><br />
Abteilung Religionspädagogik (Stand: 01.05.2007)<br />
Roßmarkt 12 · 65549 <strong>Limburg</strong> · Postfach 13 55 · Fon: 06431/295-2 35 · Fax: 06431/295-237<br />
E-Mail: schule@<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong> · Internet: schule.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
Dezernatsleitung Dr. Eckhard Nordhofen (-234)<br />
Sekretariat Sabrina Gilles (-424), Jutta Stähler (-235)<br />
Abteilung Religionspädagogik<br />
Leitung Dipl.-Theol. Martin W. Ramb (-434)<br />
Referat I Dipl.-Theol. Martin W. Ramb (-434)<br />
Kommunikation / Hochschulen<br />
Referat II Thomas Menges (-430)<br />
Gymnasien / Gesamtschulen / Grundsatzfragen<br />
Referat III Dipl.-Theol. Katharina Sauer (-360)<br />
Grund-, Haupt-, Real- und För<strong>de</strong>rschulen / Missio canonica<br />
Referat IV Dipl.-Theol. Andreas von Erdmann (-431)<br />
Berufsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Schulen<br />
Referat V Franz-Günther Weyrich (-424)<br />
Religionspädagogische Ausbildung für hauptamtlich<br />
Pastorale Mitarbeiter/innen und Geistliche<br />
Referat VI<br />
Schulpastoral, Elternarbeit, Verbän<strong>de</strong> (DKV, KED) Dipl.-Theol. Stefan Herok (-430)<br />
Referat VII<br />
Statistik Rainer Ratmann (-386)<br />
Biblio- und Mediothek Rosemarie Hansel (-435)<br />
Öffnungszeiten:<br />
Montag bis Donnerstag 10.00-12.00 Uhr und 14.00-16.00 Uhr. Während <strong>de</strong>r Ferien nach Absprache.<br />
Fragen zu Missio canonica Marianne Roos (-460)<br />
Montag bis Donnerstag 13.30-15.30 Uhr<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 • 1-2/2007
Ämter für Katholische Religionspädagogik<br />
im <strong>Bistum</strong> <strong>Limburg</strong> (Stand: 01.05.2007)<br />
Frankfurt am Main<br />
Haus am Dom,<br />
Domplatz 3, 60311 Frankfurt am Main<br />
Fon: 069/8 00 87 18 - 3 00; Fax: 069/8 00 87 18 - 3 04<br />
E-Mail: relpaed-frankfurt@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />
Internet: relpaed-frankfurt.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
Mitarbeiter/-innen:<br />
Peter Eberhardt , Leiter (-301)<br />
Sabine Christe (-302)<br />
Ute Schüßler-Telschow (-305)<br />
Sekretariat: Rita Merkel (-303)<br />
Waltraud Schäfer (-300)<br />
Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />
Mo 16.00-18.00 Uhr, Di 12.30-16.30 Uhr,<br />
Mi 16.00-18.00 Uhr, Do 9.00-12.00 Uhr und<br />
12.30-16.30 Uhr, Fr 9.00-12.00 Uhr.<br />
Während <strong>de</strong>r Schulferien auf Anfrage.<br />
Taunus / Oberursel<br />
Herzbergstr. 34, 61440 Oberursel<br />
Fon: 06171/69 42 -20; Fax: 06171/69 42 -25<br />
E-Mail: realpaed-oberursel@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />
Internet: relpaed-oberursel.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
Mitarbeiter/-innen:<br />
Dipl.-Theol. Wolfgang Bentrup, Leiter (- 22)<br />
Dipl.-Theol. Juliane Schlaud-Wolf (-23)<br />
Sekretariat: Renate Fritz (-20)<br />
Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />
Mo - Do 11.00-16.00 Uhr.<br />
Während <strong>de</strong>r Schulferien nach Vereinbarung.<br />
<strong>Limburg</strong><br />
Franziskanerplatz 3, 65589 Hadamar<br />
Fon: 06433/88 1 - 45; Fax: 06433/88 1 - 46<br />
E-Mail: relpaed-limburg@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />
Internet: relpaed-hadamar.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
Mitarbeiter/-innen:<br />
Franz-Josef Arthen, Leiter (-44)<br />
Sekretariat: Heidi Egenolf (-45)<br />
Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />
Mo bis Do 13.30-16.30 Uhr.<br />
Während <strong>de</strong>r Schulferien nach Vereinbarung.<br />
Montabaur<br />
Auf <strong>de</strong>m Kalk 11, 56410 Montabaur<br />
Fon: 02602/6802-20; Fax: 02602/6802-25<br />
E-Mail: relpaed-montabaur@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />
Internet: relpaed-montabaur.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
Mitarbeiter/-innen:<br />
Josef Weingarten, Leiter ( - 23)<br />
Sekretariat: Gisela Roos ( - 22)<br />
Biblio- und Mediothek: Gisela Roos ( - 22)<br />
Rita Kurtenacker ( - 22)<br />
Öffnungszeiten:<br />
Mo - Fr 10.00-12.00 Uhr, Mo und Do 14.30-16.30 Uhr.<br />
Während <strong>de</strong>r Schulferien geschlossen.<br />
Wetzlar<br />
Kirchgasse 4, 35578 Wetzlar<br />
Fon: 06441/4 47 79 -18; Fax: 06441/4 47 79-50<br />
E-Mail: relpaed-wetzlar@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />
Internet: relpaed-wetzlar.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
Mitarbeiter/-innen:<br />
Franz-Günther Weyrich, Leiter (-20)<br />
Dipl.-Theol. Beate Mayerle-Jarmer (-19)<br />
Sekretariat: Elvira Heinrich, Anne Ruggia (- 18)<br />
Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />
Di, Mi und Do 13.00-16.00 Uhr<br />
und nach Vereinbarung.<br />
Wiesba<strong>de</strong>n<br />
Roncalli-Haus, Friedrichstr. 26-28, 65185 Wiesba<strong>de</strong>n<br />
Fon: 0611/174-0; Fax: 0611/174-122<br />
E-Mail: relpaed-wiesba<strong>de</strong>n@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />
Internet: relpaed-wiesba<strong>de</strong>n.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />
Mitarbeiter/-innen:<br />
Martin E. Musch-Himmerich, Leiter (-113)<br />
Elisabeth Kessels (-115)<br />
Sekretariat: Gisela Meffert (-112)<br />
Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />
Di - Fr 10.00-12.00 Uhr, Mo, Di, Do 13.00-17.00 Uhr.<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 • 1-2/2007<br />
SONSTIGES
„Trotz all <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
ISBN 978-3-921221-48-8<br />
ISSN 0937-8162<br />
Religionen,<br />
trotz <strong>de</strong>r mitunter<br />
brillianten Antithesen,<br />
ja sogar trotz einer<br />
gewissen neuen<br />
Gleichgültigkeit gegenüber<br />
<strong>de</strong>m Mann aus Nazareth,<br />
trotz all dieser<br />
Relativierungen<br />
ist die Welt,<br />
die vom Christentum<br />
berührt ist,<br />
um einiges größer als die,<br />
die von ihm frei ist.“<br />
Ulrich, Bernd: Die christliche Revolution in<br />
Die Zeit vom 08.02.2007<br />
<strong>IN</strong><strong>FO</strong>