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<strong>IN</strong><strong>FO</strong><br />

1-2/2007<br />

36. Jahrgang<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong>RMATIONEN<br />

FÜR RELIGIONS-<br />

LEHRER<strong>IN</strong>NEN UND<br />

RELIGIONSLEHRER<br />

BISTUM LIMBURG<br />

Quo vadis –<br />

Religionspädagogik?<br />

Einng<br />

In Kooperation mit <strong>de</strong>m<br />

Pädagogischem Zentrum <strong>de</strong>r<br />

Bistümer im Lan<strong>de</strong> Hessen


EDITORIAL<br />

© shotshop.com<br />

Seit PISA ist nichts mehr wie zuvor. Mit <strong>de</strong>m Start <strong>de</strong>r ersten<br />

PISA-Studie im Jahr 2000 ist eine gesellschaftliche Groß<strong>de</strong>batte über <strong>de</strong>n<br />

richtigen Weg aus <strong>de</strong>r schulischen Bildungsmisere entbrannt. Sieben Jahre<br />

später ordnet sich die fö<strong>de</strong>rative Bildungslandschaft allmählich – schulische<br />

Bildung post PISA(m) erhält institutionelle Konturen. Für das selbst ernannte<br />

„Bildungsland“ Hessen sind hier nur die Stichworte „Bildungsstandards“,<br />

„Zentralabitur“ und „eigenverantwortliche Schule“ zu nennen – drei von<br />

etlichen bildungspolitischen Großbaustellen im Land, in Rheinland-Pfalz<br />

geht es nicht viel an<strong>de</strong>rs zu.<br />

Was heißt das alles für <strong>de</strong>n Religionsunterricht? Er steht nicht nur gesellschaftlich<br />

vor neuen Herausfor<strong>de</strong>rungen. Kann es sein, dass gera<strong>de</strong> dann,<br />

wenn man ihn von <strong>de</strong>r Schule her <strong>de</strong>nkt, <strong>de</strong>r Fachunterricht „Katholische<br />

Religion“ sein unverwechselbares Profil ausprägen muss? Wenn es in einer<br />

pluraler wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Gesellschaft darum geht, mit Differenzen friedlich umzugehen,<br />

ist die klare Kontur gefragt. Wenn ein Kind weiß, warum es katholisch<br />

ist und „wie das geht“, wird es für an<strong>de</strong>re interessant und verlässlich.<br />

So ist die Religionspädagogik gut beraten, ihren Standort im rasanten Reformprozess<br />

neu zu justieren – ein ambitioniertes Pensum. Damit ist <strong>de</strong>r Grund<br />

benannt, warum sich <strong>IN</strong><strong>FO</strong> in Kooperation mit <strong>de</strong>m Pädagogischen Zentrum<br />

<strong>de</strong>r Bistümer in Hessen unter <strong>de</strong>m Titel „Quo vadis – Religionspädagogik?“<br />

Gedanken über <strong>de</strong>n zukünftigen Weg <strong>de</strong>r schulischen Religionspädagogik<br />

gemacht hat. Die Beiträge von Ulrich Riegel, Thomas Ruster und Hans<br />

Mendl sind Früchte einer Fachtagung<br />

Anfang <strong>de</strong>s Jahres im Pädagogischen Zentrum<br />

unter Leitung von Paul Platzbecker.<br />

Der seit einiger Zeit vom Dezernat Bildung<br />

und Kultur für <strong>de</strong>n Religionsunterricht unter<br />

<strong>de</strong>m Stichwort „<strong>Limburg</strong>er Grundschulprojekt“<br />

akzentuierte mystagogisch-performative<br />

Weg erfährt durch <strong>de</strong>n Beitrag „Diskursive<br />

und performative Mystagogie“ von Eckhard<br />

Nordhofen sowie durch die Unterrichtseinheit<br />

vom Matthias Werner „So schmeckt<br />

katholisch“ weitere Konkretisierung. Die<br />

hochkarätige Ausstellung <strong>de</strong>s Frankfurter<br />

Dommuseums im neuen Haus am Dom<br />

„Der heilige Leib und die Leiber <strong>de</strong>r Heiligen“<br />

ist bis zu <strong>de</strong>n Sommerferien verlängert.<br />

Sie ist eine Stilvorlage für <strong>de</strong>n Religionsunterricht aller Altersstufen.<br />

Der Beitrag „Schrift, Monstranz und Knochen o<strong>de</strong>r wie kommt <strong>de</strong>r Geist<br />

ins Fleisch?“ erschließt <strong>de</strong>n religionsgeschichtlichen und theologischen<br />

Hintergrund und gibt unterrichtspraktische Anregungen.<br />

Mit Blick auf das Fortbildungsangebot für <strong>de</strong>n Religionsunterricht möchte<br />

ich Ihr Augenmerk noch beson<strong>de</strong>rs auf ein neu eingerichtetes Konzept <strong>de</strong>s<br />

Pädagogischen Zentrums richten: die erstmals in diesem Jahr veranstalteten<br />

Ferienaka<strong>de</strong>mien im Sommer und Herbst. Als Erweiterung <strong>de</strong>s bewährten<br />

Schuljahresprogramms wird hier in <strong>de</strong>n Sommerferien professionelle<br />

Fortbildung für eine breite Palette von Fächern aller Schularten geboten.<br />

Das alles in einer angenehmen Umgebung und Atmosphäre. Das beigelegte<br />

Informationsblatt lädt hierzu ein!<br />

Martin W. Ramb<br />

– Schriftleitung –


BEITRÄGE<br />

Glauben machen – Mein Gott - Religion! / Thomas Stillbauer 4<br />

Diskursive und performative Mystagogie / Eckhard Nordhofen 7<br />

Jugend ohne Gott – Eckdaten zur Religiosität Jugendlicher / Urlich Riegel<br />

Abduktive Korrelation – Konzept und religionspädagogische<br />

15<br />

Be<strong>de</strong>utung / Urlich Riegel 21<br />

Religion(sunterricht) inszenieren – eine Gratwan<strong>de</strong>rung / Hans Mendl<br />

Beobachten, wie die Bibel die Welt beobachtet – Der Religions-<br />

27<br />

unterricht eines differenzbewussten Christentums / Thomas Ruster 35<br />

UNTERRICHTSPRAXIS<br />

„So schmeckt katholisch“ o<strong>de</strong>r Sinn durch Sinnlichkeit – Erfahrungsberichte<br />

und Bausteine zur Gestaltung einer Unterrichtseinheit im<br />

Kontext liturgischer Bildung / Matthias Werner 45<br />

Schrift, Montranz und Knochen o<strong>de</strong>r wie kommt <strong>de</strong>r Geist<br />

ins Fleisch – Unterrichtspraktische Anregung zur Ausstellung<br />

„Der heilige Leib und die Leiber <strong>de</strong>r Heiligen“ / Eckhard Nordhofen 53<br />

LITERATUR & MEDIEN<br />

Rezensionen 63<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />

Zur Person 71<br />

Ausstellung „Der heilige Leib und die Leiber <strong>de</strong>r Heiligen“ 72<br />

Wenn Lehrer schulfrei haben möchten 73<br />

Nachqualifizierungskurs erfolgreich abgeschlossen 74<br />

Die Stadt als Ort kirchlicher Präsenz neu ent<strong>de</strong>cken<br />

„Der Zusammenhang von Religion und Gewalt ist einfach<br />

75<br />

hoch aktuell“ – Interview mit Altbischof Dr. Franz Kamphaus 77<br />

Beate Denfeld ist neue Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Religionslehrerverban<strong>de</strong>s 79<br />

Frankfurter Kirchenführer als CD-ROM 79<br />

Veranstaltungen 82<br />

SONSTIGES<br />

Unsere Autorinnen und Autoren / Rezensentinnen und Rezensenten 85<br />

Dezernat Bildung und Kultur im Bischöfl. Ordinariat <strong>Limburg</strong> 86<br />

Ämter für Katholische Religionspädagogik im <strong>Bistum</strong> <strong>Limburg</strong> 87<br />

Impressum<br />

Verlag:<br />

Verlag <strong>de</strong>s Bischöflichen Ordinariats<br />

<strong>Limburg</strong><br />

Roßmarkt 12, 65549 <strong>Limburg</strong><br />

Herausgeber:<br />

Dr. Eckhard Nordhofen<br />

Leiter <strong>de</strong>s Dezernats Bildung<br />

und Kultur im Bischöflichen<br />

Ordinariat <strong>Limburg</strong><br />

Roßmarkt 12, 65549 <strong>Limburg</strong><br />

Fon 06431/295-235<br />

Fax 06431/295-237<br />

www.schule.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

schule@<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

Schriftleitung:<br />

Dipl.-Theol. Martin W. Ramb<br />

m.ramb@<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

Redaktion:<br />

Franz-Josef Arthen, Bernhard Merten,<br />

Martin E. Musch-Himmerich, Martin<br />

W. Ramb, Franz-Günther Weyrich<br />

Offizielle Äußerungen <strong>de</strong>s Dezernates<br />

Bildung und Kultur wer<strong>de</strong>n als solche gekennzeichnet.<br />

Alle übrigen Beiträge drücken die<br />

persönliche Meinung <strong>de</strong>r Verfasser/-innen aus.<br />

Nachdruck, elektronische o<strong>de</strong>r photomechanische<br />

Vervielfältigung nur mit beson<strong>de</strong>rer<br />

Genehmigung <strong>de</strong>r Redaktion.<br />

Bei Abbildungen und Texten, <strong>de</strong>ren Urheber<br />

wir nicht ermitteln konnten, bitten wir um<br />

Nachricht zwecks Gebührenerstattung.<br />

Buchbesprechungen:<br />

Rezensionsexemplare bitte direkt an<br />

die Redaktion sen<strong>de</strong>n. Besprechung<br />

und Rücksendung nicht verlangter<br />

Bücher kann nicht zugesagt wer<strong>de</strong>n.<br />

Redaktionsanschrift:<br />

Bernhard Merten, Altheimstraße 18<br />

60431 Frankfurt am Main<br />

Fon 069/515057<br />

Layout:<br />

Ute Stotz, Kommunikations-Design,<br />

Westerwaldstr. 14, 56337 Ka<strong>de</strong>nbach<br />

Fon 0 26 20 / 95 35 39<br />

Druck:<br />

JVA Diez, <strong>Limburg</strong>er Straße 122<br />

65582 Diez<br />

Fon 06432 /609 -3 40, Fax -3 43<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> erscheint vierteljährlich und kostet<br />

8.00 EUR im Jahr (zzgl. Versandkosten),<br />

Einzelheft: 2.00 EUR (zzgl. Versandkosten).<br />

Religionslehrer/-innen, Pastorale Mitarbeiter/-innen<br />

und Geistliche, die im Bereich<br />

<strong>de</strong>r Diözese <strong>Limburg</strong> arbeiten, erhalten<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> kostenlos zugesandt.<br />

Beilagenhinweis:<br />

Der Gesamtauflage sind Faltblätter<br />

folgen<strong>de</strong>r Einrichtungen beigelegt:<br />

Verlag Katholisches Bibelwerk,<br />

Institut für berufsorientierte Religionspädagogik,<br />

Amt für Kath. Religionspädagogik<br />

Wiesba<strong>de</strong>n, Psycholog.<br />

Beratungsdienst <strong>de</strong>r Diözese<br />

<strong>Limburg</strong>, Dommuseum Frankfurt,<br />

Pädagogisches Zentrum Naurod.<br />

Wir bitten um freundliche Beachtung.<br />

Titelbild:<br />

© shotshop.com<br />

© Verlag <strong>de</strong>s Bischöflichen Ordinariats,<br />

<strong>Limburg</strong>/Lahn 2007<br />

ISBN 978-3-921221-48-8<br />

ISSN 0937-8162 (print)<br />

ISSN 1617-9234 (online)<br />

<strong>IN</strong>HALT


BEITRÄGE<br />

4<br />

Rechnen, Lesen, Schreiben: Das<br />

sind Dinge, die je<strong>de</strong> Erstklässlerin und<br />

je<strong>de</strong>r Erstklässler in einer anständigen<br />

Schule zu lernen wünscht. O<strong>de</strong>r sagen<br />

wir: Man macht’s eben mit. Doch da ist<br />

noch etwas zwischen Himmel und Er<strong>de</strong>:<br />

Religion. Der Einstieg in dieses<br />

Thema ist eine Aufgabe, die von uns<br />

beson<strong>de</strong>rs viel Geist verlangt.<br />

Tschuldigung, zurzeit sind wir alle<br />

ein bisschen durch <strong>de</strong>n Wind. Muss an<br />

<strong>de</strong>r immensen Arbeitsbelastung liegen,<br />

unsere Unaufmerksamkeit, sogar <strong>de</strong>m<br />

lieben Gott gegenüber, beziehungsweise<br />

seiner Mitarbeiterin Frau Bartsch.<br />

Das ist unsere Religionslehrerin.<br />

Religion geht so: Alle Kin<strong>de</strong>r legen<br />

<strong>de</strong>n Kopf auf die Arme, auch <strong>de</strong>r gelbe<br />

Bär namens Josip, <strong>de</strong>n Megi zu ihrer<br />

persönlichen Sicherheit mitgebracht<br />

hat. Und Ruhe. Frau Bartsch will<br />

nichts mehr hören. Ein Moment <strong>de</strong>r<br />

inneren Einkehr. Erwachsene wür<strong>de</strong>n<br />

vielleicht sagen: Kontemplation. O<strong>de</strong>r<br />

Chill-out. Lei<strong>de</strong>r ist es einer dieser<br />

Momente, in <strong>de</strong>nen die ganze Klasse<br />

plötzlich husten muss. Also gut, in<br />

Gottes Namen: Alle mal husten, gestattet<br />

die Lehrerin.<br />

Dann aber bitte wie<strong>de</strong>r leise, unser<br />

Bauch geht langsam raus und rein, sagt<br />

Frau Bartsch, wie bei einem Igel, <strong>de</strong>r<br />

unterm Heuhaufen sitzt und an die Sonne<br />

<strong>de</strong>nkt. Wir Igel aus <strong>de</strong>r 1b <strong>de</strong>nken<br />

nicht so intensiv an die Sonne, eher an<br />

Digimons und an Klassenkamera<strong>de</strong>nbeine,<br />

die man unterm Tisch treten<br />

kann. Als die Köpfe wie<strong>de</strong>r hochdürfen:<br />

kleiner Erfahrungsaustausch. Wie<br />

war das jetzt, wie haben wir sie empfun<strong>de</strong>n,<br />

diese kleine Ruhephase? Haldun<br />

fand’s voll geil, Lukas geht es auf<br />

Nachfrage gut, Svenja und Nico<br />

schlecht, Nenad super und Hrvoje supergenial.<br />

David ist angeblich eingeschlafen<br />

und muss von vier Mitschülern<br />

gerüttelt wer<strong>de</strong>n.<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

Glauben machen<br />

Mein Gott – Religion!<br />

Anschließend liest Frau Bartsch<br />

die Geschichte von <strong>de</strong>m Jungen vor,<br />

<strong>de</strong>r beteuert, er habe die Fahrradreifen<br />

vom Nachbarn nicht zerschnitten,<br />

aber <strong>de</strong>r Papa sperrt ihn trotz<strong>de</strong>m ein,<br />

weil er ihm nicht glaubt. Ein<strong>de</strong>utige<br />

Indizien gibt es nicht. Was kann man<br />

da machen? Kristian fin<strong>de</strong>t Einsperren<br />

grundsätzlich nicht gut, Hrvoje<br />

erörtert Fluchtmöglichkeiten: „Der<br />

Junge kann eine Abkürzung nehmen.“<br />

David wen<strong>de</strong>t ein, es sei überhaupt<br />

nicht bewiesen, dass <strong>de</strong>r Sohn <strong>de</strong>r<br />

Fahrradfrevler war. David ist nämlich<br />

ein sehr aufgeweckter Junge, nicht<br />

nur wenn er kurz zuvor angeblich eingeschlafen<br />

ist.<br />

Um <strong>de</strong>r Sache auf <strong>de</strong>n Grund zu<br />

kommen, schlägt die Religionslehrerin<br />

vor, kleben wir ein Fahrrad ins Heft<br />

und malen einen Jungen dazu. Wir wissen<br />

zwar nicht so genau, was das bringen<br />

soll, aber bitte, wenn es zur Religion<br />

dazugehört – vielleicht hilft es uns ja<br />

auf die Sprünge. Zwischenfall bei Nico:<br />

„Mein Ratze ist tot!“ Haldun kippt<br />

vom Stuhl (Übermut), Nenad fliegt<br />

raus (nicht zu bändigen), Adriana weint<br />

(will nach <strong>de</strong>m Unterricht nicht in <strong>de</strong>n<br />

Schülerla<strong>de</strong>n), Nico fällt beinahe in<br />

<strong>de</strong>n Mülleimer (beim Bleistift-Anspitzen<br />

verunglückt).<br />

Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Schulstun<strong>de</strong> möchte<br />

Frau Bartsch die Geschichte noch einmal<br />

vorlesen, damit wir unsere ersten<br />

Eindrücke vergleichen können mit <strong>de</strong>n<br />

Erkenntnissen, die das Gespräch und<br />

das Fahrrad-ins-Heft-Kleben gebracht<br />

haben. Wer ist dafür? Kristian: „Ich<br />

nicht.“ Lukas, Daniel und Tommy: „Ich<br />

ja.“ Kristian: „Ich nicht!“ Lukas, Daniel,<br />

Tommy: „Ich ja!“ Kris: „Ich<br />

nicht!“ Lu-Da-To: „Ich ja!“ (30-mal<br />

wie<strong>de</strong>rholen, Lautstärke langsam steigern.)<br />

Der Himmel wird voraussichtlich<br />

noch ein bisschen Arbeit mit uns<br />

Erstklässlern haben.<br />

Thomas Stillbauer<br />

Einige Wochen nach <strong>de</strong>r gelungenen<br />

Einführung ins Thema Gott empfiehlt<br />

sich zur Vertiefung <strong>de</strong>r gewonnenen<br />

Erkenntnisse ein Besuch in <strong>de</strong>ssen<br />

Haus. Also alle zusammen durch die<br />

Stadt in die Kirche marschieren. Die<br />

ganze Schwarzburgschule. 120 Millionen<br />

Kin<strong>de</strong>r, darunter unsere kleine 1b-<br />

Abteilung, angeführt von Frau Mußmann.<br />

Dahinter immer Zwei und Zwei:<br />

Nico mit Eleni, Svenja mit Adriana,<br />

Doris mit Megi, Jörg mit Ken und so<br />

weiter. Am En<strong>de</strong> unserer Prozession<br />

geht <strong>de</strong>r Riesenerstklässler, diesmal gar<br />

mit Aufsichtsauftrag. Dass uns ja niemand<br />

auf <strong>de</strong>m Weg zum Herrn abhan<strong>de</strong>n<br />

kommt. Von einer vorsorglichen<br />

Sperrung <strong>de</strong>r Innenstadt für motorisierte<br />

Fahrzeuge hat die Polizei abgesehen.<br />

Wir kommen trotz<strong>de</strong>m ganz gut voran<br />

– im Gegensatz zum Berufsverkehr.<br />

Die Autofahrer haben aber vollstes Verständnis<br />

für die Unterbrechung. Wir<br />

machen das ja schließlich nicht zum<br />

Spaß, son<strong>de</strong>rn zu unserer religiösen<br />

Weiterbildung.<br />

Einer fehlt allerdings: Hrvoje. Er<br />

hat einen gebrochenen Fuß. Das wirft<br />

ein schwieriges Problem auf – wie<br />

kommt er zum Gotteshaus? Laufen<br />

geht verletzungsbedingt nicht. Fliegen<br />

hat er im ersten Schuljahr noch nicht<br />

gelernt. Da sollten sich <strong>de</strong>utsche Bildungseinrichtungen<br />

mal ein Beispiel<br />

an Hogwarts nehmen, <strong>de</strong>r Schule von<br />

Harry Potter. Besenfliegen von Anfang<br />

an. Aber das löst unser aktuelles Transportproblem<br />

nicht. Hrvojes Mutter hätte<br />

da einen hervorragen<strong>de</strong>n Plan: Da ist<br />

ja noch <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rwagen, in <strong>de</strong>m ihr<br />

Sohnemann einst fuhr. Der könnte doch<br />

für <strong>de</strong>n weiten Weg zur Kirche...<br />

Es bedarf vermutlich keines Kin<strong>de</strong>rpsychologen,<br />

die strikte Abneigung<br />

zu beschrieben, die ein Erstklässler –<br />

also ein gera<strong>de</strong> endgültig erwachsen<br />

gewor<strong>de</strong>ner Mensch – dagegen entwi-


ckelt, vor <strong>de</strong>n Augen seiner Mit-Erwachsenen<br />

aus <strong>de</strong>r Schule in einem<br />

Kin<strong>de</strong>rwagen (!) transportiert zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Überhaupt keine Chance. Da<br />

könnte er ja gleich wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Schnuller<br />

nehmen. Also wird Plan B in die Tat<br />

umgesetzt: Morgendliche Anfahrt zur<br />

Kirche mit Papas Auto. Das geht in<br />

Ordnung; geringer Peinlichkeitsfaktor.<br />

Rückweg nach Haus dann unter erheblichen<br />

Sicherheitsvorkehrungen,<br />

sprich: Abschirmung gegen die Augen<br />

<strong>de</strong>r Umwelt, in <strong>de</strong>r Babykutsche.<br />

Teil eins <strong>de</strong>s Plans klappt wun<strong>de</strong>rbar.<br />

Hrvoje sitzt bereits in <strong>de</strong>r Kirche,<br />

als unsere Prozession eintrifft. Er hat<br />

sich auch schon ein wenig umgesehen.<br />

Ganz coole Atmosphäre hier. Und da<br />

sind einige Frage aufgetaucht: „Wer ist<br />

<strong>de</strong>r Mann?“ Mann? „Der da an <strong>de</strong>r<br />

Wand. Mit <strong>de</strong>m Kreuz.“ Ach <strong>de</strong>r Mann<br />

– Jesus. Interessiertes Betrachten: Das<br />

also ist dieser berühmte Jesus. Auch die<br />

an<strong>de</strong>ren Kin<strong>de</strong>r wollen jetzt mehr wissen.<br />

Wie lang hängt <strong>de</strong>r Mann schon<br />

da? Wie? Zwei-tausend Jah-re! Und<br />

warum? Was? Der wur<strong>de</strong> an <strong>de</strong>m Kreuz<br />

festgenagelt? Von wem? Sind das echte<br />

Nägel gewesen? Und vor allem: Tut<br />

das <strong>de</strong>nn nicht furchtbar weh? Abgesehen<br />

davon: Was steht da Kleines daneben,<br />

diese Hütte mit <strong>de</strong>n Tieren und <strong>de</strong>n<br />

merkwürdig geklei<strong>de</strong>ten Menschen?<br />

Aha, die so genannte Krippe. Darin also<br />

ist <strong>de</strong>r Mann geboren wor<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r da<br />

jetzt am Kreuz hängt.<br />

Lebensgeschichten gibt’s...<br />

So nah liegen Freud und Leid eben<br />

manchmal beieinan<strong>de</strong>r: Hier die Krippe<br />

– da das Kreuz. Die 1b akzeptiert<br />

das als historische Wahrheit, interessiert<br />

sich aber nicht wirklich brennend<br />

für die Worte <strong>de</strong>s freundlichen Pfarrers,<br />

son<strong>de</strong>rn will jetzt singen: „Zumba<br />

Zumba“ zum Beispiel, ein Lied aus<br />

Spanien, zu <strong>de</strong>m man nach raffiniertem<br />

Rhythmus in die Hän<strong>de</strong> klatscht. Anschließend<br />

ein englisches Lied, und<br />

fertig, danke, tschüs Herr Jesus, bis<br />

zum nächsten Mal.<br />

Aber wo ist Hrvoje? In <strong>de</strong>r Kirche<br />

ist er nicht mehr. Wird wohl schon vor-<br />

Buchcover<br />

gegangen sein. Taxi rufen wahrscheinlich.<br />

Und religiös fortbil<strong>de</strong>n. Eine Woche<br />

später berichtet er nämlich, er war<br />

zu Gast bei einer kirchlichen Zeremonie.<br />

Es ging sehr feierlich zu, und es<br />

gab etwas Interessantes zu lernen:<br />

„Wenn man in <strong>de</strong>r dritten Klasse ist“,<br />

gibt Hrvoje bekannt, „dann kriegt man<br />

so ein kleines Plättchen von Gott so<br />

rein.“ In <strong>de</strong>n Mund. Aha, sagte Frau<br />

Mußmann. Oblate. Kommunion.<br />

Mit <strong>de</strong>m Religionsunterricht verhält<br />

es sich wie mit <strong>de</strong>r Farbe <strong>de</strong>r Turnschuhe:<br />

reine Geschmackssache. Und<br />

so lange wir Schuhgröße 29 tragen,<br />

müssen wir wohl noch dran glauben,<br />

dass alles Gute von oben kommt.<br />

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung <strong>de</strong>s S. Fischer<br />

Taschenbuch Verlages; aus: Stillbauer, Thomas:<br />

Neues aus <strong>de</strong>r 1b. Was machen eigentlich unsere Erstklässler?<br />

– Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch<br />

Verlag, 3. Aufl., 2005. 63-67.<br />

Thomas Stillbauer ließ sich erstmals<br />

1970 in Frankfurt am Main einschulen.<br />

Vor <strong>de</strong>m zweiten Versuch studierte<br />

er Germanistik, absolvierte die Deutsche<br />

Journalistenschule und wur<strong>de</strong><br />

Redakteur <strong>de</strong>r Frankfurter Rundschau.<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

BEITRÄGE<br />

5


BEITRÄGE<br />

6<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

© V. Reiche 2006 www.strizz.<strong>de</strong>


Diskursive und performative Mystagogie<br />

Über das, was im Religionsunterricht gesagt und das,<br />

was nicht gesagt wer<strong>de</strong>n kann<br />

Warum kann man sich selbst nicht<br />

kitzeln? Ob <strong>de</strong>r Stimulus für Haut und<br />

Nerven vom eigenen Finger o<strong>de</strong>r vom<br />

frem<strong>de</strong>n kommt, kann doch so viel Unterschied<br />

nicht ausmachen. O<strong>de</strong>r doch?<br />

Es ist ein Unterschied ums Ganze. Offenbar<br />

akzeptiert das Gehirn nicht das<br />

als fremd, was es selbst produziert hat.<br />

Das ist zunächst einmal ein hirnphysiologisch<br />

erklärbarer Tatbestand. Es han<strong>de</strong>lt<br />

sich um eine anthropologische<br />

Grunddisposition, die auf die Dialektik<br />

von Innen und Außen, von Selbstheit<br />

und Fremdheit erweitert wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Ein Placebo, die Pille, die vorgibt, einen<br />

Wirkstoff zu enthalten, wirkt tatsächlich,<br />

solange an diesen Wirkstoff<br />

geglaubt wird. Die leere Pille, <strong>de</strong>r ein<br />

kraftvoller Inhalt unterstellt wird, erfüllt<br />

die Min<strong>de</strong>stbedingung, eine Intervention<br />

von außen zu sein. Offenbar<br />

reicht <strong>de</strong>r Glaube an die wirksame Einwirkung<br />

von außen aus, um wie ein Appell<br />

an die Selbstheilungskräfte <strong>de</strong>s<br />

Menschen erstaunliche Wirkungen auszulösen.<br />

Sie sind durch vielfache klinische<br />

Doppelblindversuche bestens belegt.<br />

Warum aber wirkt ein Placebo<br />

schlagartig nicht mehr, wenn mich jemand<br />

darüber aufklärt, dass es sich nur<br />

um Krei<strong>de</strong> und Traubenzucker, o<strong>de</strong>r<br />

nur eines von bei<strong>de</strong>n, han<strong>de</strong>lt? Ich<br />

könnte doch <strong>de</strong>n Versuch machen, mir<br />

selbst zu suggerieren: „Nun stimuliere<br />

ich meine Selbstheilungskräfte“. Der<br />

Appell, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Lage ist, die un<strong>de</strong>finierten<br />

Selbstheilungskräfte <strong>de</strong>s Körpers<br />

zu stimulieren, wäre ein willentlicher<br />

und käme nicht von außen. Das<br />

entlarvte Placebo wirkt nachweislich<br />

nicht. Ludwig Wittgensteins (1889-<br />

1951) anrühren<strong>de</strong> Tagebücher, in <strong>de</strong>nen<br />

er seine privatesten Gefühle, aber auch<br />

die sprachlogischen Vorarbeiten zu seinem<br />

berühmten „tractatus logico phi-<br />

losophicus“ in einer verschlüsselten<br />

Schrift nie<strong>de</strong>rlegt, enthält <strong>de</strong>n verzweifelten<br />

Ruf nach <strong>de</strong>r finalen Erkenntnis:<br />

„... von außerhalb mir.“ Die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Erkenntnis, <strong>de</strong>r Schlussstein, <strong>de</strong>r<br />

für die Sprachinsel, auf <strong>de</strong>r alles klar<br />

wäre, noch fehlte, muss von außen<br />

kommen. Er darf nicht selbst fabriziert<br />

wor<strong>de</strong>n sein.<br />

Wenn wir alle Kontingenzen und<br />

narrativen Zeitbedingungen weglassen,<br />

können wir als <strong>de</strong>n heißen Kern<br />

<strong>de</strong>s Monotheismus, so wie er sich in <strong>de</strong>r<br />

Phase seiner Entstehung herausschält,<br />

Gott als <strong>de</strong>n „ganz An<strong>de</strong>ren“ angesprochen<br />

fin<strong>de</strong>n. Rudolf Ottos (1869- 1937)<br />

und Paul Tillichs (1886-1965) Formulierung<br />

ist hier sehr treffsicher. Von diesem<br />

alteritären Kern her erschließt sich<br />

<strong>de</strong>r rote Fa<strong>de</strong>n, an <strong>de</strong>m entlang die biblische<br />

Aufklärung ihre Kritik an <strong>de</strong>n<br />

selbst gemachten Göttern erzählt. Warum<br />

sonst beschreibt Exodus 3 so <strong>de</strong>tailfreudig<br />

die einzelnen Arbeitsschritte,<br />

mit <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r selbst gemachte Gott,<br />

das gol<strong>de</strong>ne Kalb, von <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn Israels,<br />

hergestellt wird? Warum erfahren<br />

wir etwas vom gol<strong>de</strong>nen Schmuck, <strong>de</strong>n<br />

Ohrringen <strong>de</strong>r Israeliten, aus <strong>de</strong>nen das<br />

Götzenbild gegossen wird? Auch Aarons<br />

Messschnur und die Umrisszeichnung<br />

wer<strong>de</strong>n eigens erwähnt, um <strong>de</strong>n<br />

Herstellungsprozess herauszustellen.<br />

Ihm entspricht die Inversion, mit <strong>de</strong>r<br />

schließlich Mose das pulverisierte gol<strong>de</strong>ne<br />

Kultbild in Wasser schüttet und<br />

die Israeliten heißt, die Götzenmaterie<br />

sich wie<strong>de</strong>r einzuverleiben. Diese Lehrperformance<br />

in Wörtersprache übersetzt<br />

heißt: Aus euch heraus ist es gemacht<br />

wor<strong>de</strong>n, in euch muss es wie<strong>de</strong>r<br />

zurück.<br />

In mehreren Anläufen beschreibt<br />

Deuterojesaja 44 die unterschiedlichen<br />

Möglichkeiten <strong>de</strong>r Götzenbildproduk-<br />

Eckhard Nordhofen<br />

tion. Er lenkt <strong>de</strong>n Aufmerksamkeitsstrahl<br />

schon auf das kleine Bäumchen<br />

im Wald. Von Anfang an ist <strong>de</strong>r Mensch<br />

im Blick, <strong>de</strong>r mit diesem Baum etwas<br />

vor hat, <strong>de</strong>nn er lässt ihn größer wer<strong>de</strong>n<br />

als die an<strong>de</strong>ren im Wald. Diese profane<br />

Materie kann dann zu vielerlei Zwecken<br />

benutzt wer<strong>de</strong>n, zum Heizen, zum<br />

Kochen und schließlich dazu, sich aus<br />

ihm ein Götzenbild zu machen. Der Erzähler<br />

arbeitet auf seine Pointe hin, die<br />

darin besteht, dass am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Hersteller<br />

vor <strong>de</strong>m selbst geschnitzten Bild<br />

nie<strong>de</strong>rfällt und spricht: „Rette mich, du<br />

bist mein Gott!“ Die Profanität <strong>de</strong>s<br />

Herstellungsprozesses wird auch bei<br />

<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Möglichkeit herausgestellt,<br />

einem Gottesbild aus Metall: Der<br />

Schmied facht die Kohleglut an. Die<br />

Arbeit strengt ihn an, er wird mü<strong>de</strong> und<br />

hungrig. Alles geht mit rechten, d.h. natürlichen<br />

und profanen Dingen zu.<br />

Es geht darum, <strong>de</strong>n Punkt zu treffen,<br />

von <strong>de</strong>m auch <strong>de</strong>r griechische Pygmalion-Mythos<br />

lebt, die anrühren<strong>de</strong><br />

Geschichte von <strong>de</strong>m Bildhauer, <strong>de</strong>r<br />

sein weibliches Schönheitsi<strong>de</strong>al im Stein<br />

in ein vollkommenes Kunstwerk umgesetzt<br />

hat. Soeben hat er noch die letzte<br />

Hand angelegt und <strong>de</strong>m Stein <strong>de</strong>n<br />

letzten Schliff gegeben, als <strong>de</strong>r Zauber<br />

in ihn fährt und er sich in sein eigenes<br />

Werk sterblich verliebt. Tatsächlich<br />

kennen die bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Künstler das<br />

Phänomen, dass das Bild, an <strong>de</strong>m sie<br />

gera<strong>de</strong> arbeiten, „... etwas von mir will“.<br />

Wie eine Person ist das Selbstgemachte<br />

in <strong>de</strong>r Lage, in eine Art Dialog mit seinem<br />

Verfertiger zu treten. Das Bil<strong>de</strong>rmachen<br />

ist eine Art Schöpfungsakt, vor<br />

allem, wenn es sich um das Bild eines<br />

Menschen han<strong>de</strong>lt. In diesem Zusammenhang<br />

gehört natürlich auch die Geschichte<br />

von <strong>de</strong>r Herstellung Adams in<br />

Genesis 2. Wie ein menschlicher Plasti-<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

BEITRÄGE<br />

7


BEITRÄGE<br />

8<br />

ker verfertigt Gott aus Lehm <strong>de</strong>n Menschen.<br />

Und die Auslegungstradition<br />

hört in diesem Zusammenhang auch<br />

die richtige Auskunft von Genesis 1<br />

mit, dass dieses Bild „Selem“ ein Abbild<br />

seiner selbst ist: gottähnlich. Mit<br />

„Selem“ wird auch das Bild <strong>de</strong>s Herrschers<br />

bezeichnet, <strong>de</strong>r in Ägypten, später<br />

auch im Imperium Romanum, seine<br />

ubiquitäre Präsenz im ganzen Reich<br />

durch Statuen sichert. Wo <strong>de</strong>r Kaiser<br />

selbst nicht sein kann, ist immerhin<br />

sein Standbild. Adam ist zweifellos von<br />

Gott gemacht, aus Lehm, wie bei einem<br />

menschlichen Plastiker, aber es ist<br />

dann doch <strong>de</strong>r Unterschied ums Ganze,<br />

dass <strong>de</strong>r göttliche Atem <strong>de</strong>n Er<strong>de</strong>nkloß<br />

beleben kann.<br />

Diese Fähigkeit<br />

hat gera<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Mensch<br />

selbst nicht, dass er die Bil<strong>de</strong>r, die er<br />

nach seinem Abbild formt, dann auch<br />

noch beleben kann; dieser Wunsch<br />

bleibt ihm grundsätzlich versagt. Den<br />

mirakulösen Ausgang <strong>de</strong>r Pygmalion-<br />

Geschichte, bei <strong>de</strong>r schließlich die Götter<br />

<strong>de</strong>n Pygmalion dadurch beschenken<br />

und erlösen, dass sie seine Statue beleben,<br />

läuft auf dieselbe Erkenntnis hinaus:<br />

Es müsste schon die göttliche<br />

Kraft sein, die aus einem Standbild ein<br />

lebendiges Wesen machen kann. Die<br />

Mundöffnungsrituale, mit <strong>de</strong>nen die<br />

altägyptischen Priester die Mumie für<br />

ein Jenseits beleben wollen, zeigen<br />

gleichermaßen <strong>de</strong>n Wunsch nach Leben<br />

und wie er im Ernst nicht erfüllt<br />

wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Die biblische Aufklärung besteht<br />

darauf, dass das Göttermachen ein<br />

Selbstbetrug ist. An vielen Stellen,<br />

nicht nur in Deuterojesaja, auch im<br />

Buch <strong>de</strong>r Weisheit und in <strong>de</strong>n Psalmen<br />

bringt sie die Herstellung von Götterfiguren<br />

mit <strong>de</strong>m grundsätzlichen Verdacht<br />

in Zusammenhang, dass die Götter<br />

tatsächlich nichts an<strong>de</strong>res sind als<br />

selbst gemachte Verlängerungen menschlicher<br />

Bedürfnisse und Wünsche.<br />

Auch die Opferpraxis ist im Grun<strong>de</strong> eine<br />

fiktive Wechselwirtschaft, die <strong>de</strong>n<br />

Opfern<strong>de</strong>n um <strong>de</strong>n Tauschwert betrügen<br />

muss, auf <strong>de</strong>n er hofft. Jan Ass-<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

mann, <strong>de</strong>r mit seinem Buch „Moses <strong>de</strong>r<br />

Ägypter“ 1 von 1999 eine noch andauern<strong>de</strong><br />

Debatte um die funktionalen Folgen<br />

<strong>de</strong>s Monotheismus entfacht hat,<br />

nennt die religionsgeschichtliche Schwelle,<br />

in <strong>de</strong>r Gott tatsächlich als ein An<strong>de</strong>rer,<br />

als <strong>de</strong>r Schöpfer <strong>de</strong>r Welt, als das,<br />

was gera<strong>de</strong> nicht selbst gemacht ist, erscheint,<br />

die „mosaische Entgegensetzung“.<br />

Aufklärung ist immer mit Wahrheitsansprüchen<br />

verbun<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn wenn<br />

etwas als falsch und als Selbstbetrug<br />

entlarvt wird, ist schon aus logischen<br />

Grün<strong>de</strong>n min<strong>de</strong>stens die Annäherung<br />

an die Wahrheit zu unterstellen. Wenn<br />

es Gott gibt, dann darf er nicht selbst<br />

gemacht sein.<br />

Er ist kein<br />

Ding in <strong>de</strong>r<br />

Welt, er ist an<strong>de</strong>rs,<br />

<strong>de</strong>r „ganz An<strong>de</strong>re“ (Otto/Tillich).<br />

Naturgemäß geht die Bibel in <strong>de</strong>r Regel<br />

sehr streng mit allem, was selbst gemacht<br />

und heidnisch ist, um. Wir wissen,<br />

dass <strong>de</strong>r Monotheismus sich nicht<br />

blitzartig durchgesetzt hat, und wenn<br />

Erkenntnis etwas Blitzartiges haben<br />

sollte, so braucht es doch seine Zeit, bis<br />

sie sich überall herumgesprochen hat.<br />

Zweifellos ist Abraham Monotheist,<br />

ebenso Isaak und Jakob. Aber auf <strong>de</strong>ssen<br />

Flucht vor Laban, lässt Rahel die<br />

Götterfiguren <strong>de</strong>s Vaters mitgehen, die<br />

sie dann trickreich unter ihrem Rock<br />

bei <strong>de</strong>r Durchsuchung über die Grenze<br />

bringt. Der Erzähler entrüstet sich darüber<br />

keineswegs. Dies tut hingegen<br />

Ezechiel zweifellos, wenn er die Silberfiguren,<br />

mit <strong>de</strong>nen auch noch Unzucht<br />

getrieben wer<strong>de</strong>n kann, eindrucksvoll<br />

anprangert (Ezechiel 14-22).<br />

Überall in <strong>de</strong>r hebräischen Bibel fin<strong>de</strong>n<br />

sich die Spuren solcher Übergänge,<br />

aber <strong>de</strong>swegen darf man <strong>de</strong>n Hauptpunkt<br />

nicht aus <strong>de</strong>m Auge verlieren:<br />

Ein selbst gemachter Gott ist kein Gott.<br />

Wie aber gehen wir heute mit <strong>de</strong>r<br />

anthropogenen Religiosität <strong>de</strong>r Bedürfnisbefriedigung<br />

um? Sie ist ja keineswegs<br />

verschwun<strong>de</strong>n, sie tritt uns heute<br />

in bunter Vielfalt im Bereich <strong>de</strong>r psychohygienischen<br />

Wellness, in Gestalt<br />

von asiatischen Importen, die Selbster-<br />

» Die Interaktion von Innen und Außen ist<br />

die Basis anthropogener Religiosität.<br />

lösung versprechen, entgegen. Wahrscheinlich<br />

sind auch die soziobiologischen<br />

Forschungen nach einer physiologischen<br />

Disposition zur Religion gar<br />

nicht so abwegig. Und wenn die ungeduldigen<br />

Atheisten <strong>de</strong>s 19. und 20.<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rts ärgerlich und resigniert<br />

feststellen, dass <strong>de</strong>r Mensch „unheilbar<br />

religiös“ sei, dann treffen sie offenbar<br />

auf eine in unsere Natur tief eingelassene<br />

Sehnsucht, die etwas Ungerichtetes<br />

hat, und sich daher an so ziemlich alles<br />

anheften kann. Ob <strong>de</strong>r Wun<strong>de</strong>rheiler<br />

von <strong>de</strong>n Strahlen raunt, die von seinen<br />

Hän<strong>de</strong>n ausgehen, ob er seine Patienten<br />

in die Meeresbrandung schickt, ob er<br />

ihnen befielt, bei Vollmond dreimal<br />

ums Haus zu rennen und dabei Erdklumpen<br />

über die linke Schulter zu<br />

werfen – im Grun<strong>de</strong> ist es gleichgültig,<br />

was da gemacht und getrieben wird,<br />

Hauptsache es wird überhaupt etwas<br />

gemacht und getrieben, das wie ein Appell<br />

an die verborgenen Kräfte wirkt,<br />

von <strong>de</strong>nen dann die Heilung ausgeht<br />

und die nur die immer gleiche Min<strong>de</strong>stbedingung<br />

erfüllen müssen, sie müssen<br />

von außen kommen. Diese Interaktion<br />

von Innen und Außen ist die Basis anthropogener<br />

Religiosität.<br />

Der große Wechselgesang zwischen<br />

Natur und Mensch kann auch für die<br />

Bibel nichts Schlechtes sein, wenn er<br />

zur Natur <strong>de</strong>s Menschen gehört. Der<br />

Mensch als Teil <strong>de</strong>r Natur, Adam aus<br />

Er<strong>de</strong> gemacht, hat aber <strong>de</strong>n göttlichen<br />

Atem empfangen. Es ist <strong>de</strong>rselbe Atem,<br />

von <strong>de</strong>m die Re<strong>de</strong> ist, wenn Gott<br />

spricht. Wir können in <strong>de</strong>r biblischen<br />

Metaphorik und Bildlichkeit bleiben,<br />

wenn wir das, was an Adam nicht natürlich<br />

ist, son<strong>de</strong>rn Teilhabe am göttlichen<br />

Logos, <strong>de</strong>n sprechen<strong>de</strong>n Atem <strong>de</strong>s<br />

Schöpfers, als seine Vernunft bezeichnen.<br />

Die vom göttlichen Atem eingehauchte<br />

Vernunft lässt ihn <strong>de</strong>n Logos<br />

als das erkennen, was ihn von allem an<strong>de</strong>ren,<br />

was lebt, unterschei<strong>de</strong>t. Dass<br />

hier Religion und Vernunft sich auf einzigartige<br />

Weise berühren, macht die Eigenart<br />

<strong>de</strong>r biblischen Aufklärung aus.<br />

Dass die vorsokratische griechische<br />

Aufklärung einen eigenen Anlauf<br />

nimmt, dass in <strong>de</strong>r Väterzeit die bei<strong>de</strong>n


Aufklärungsströme zusammengeführt<br />

wer<strong>de</strong>n, hat in <strong>de</strong>r Vergangenheit zu einer<br />

eher künstlichen Trennung griechischer<br />

Philosophie und biblischer<br />

Offenbarung geführt. Johannes Paul II.<br />

hat mit seiner Enzyklika „Fi<strong>de</strong>s et ratio“<br />

schon die Spur gewiesen, die von<br />

Benedikt XVI. in seiner Regensburger<br />

Re<strong>de</strong>, die aus an<strong>de</strong>ren Grün<strong>de</strong>n skandalisiert<br />

wur<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>r es aber im Wesentlichen<br />

um Glaube und Vernunft ging,<br />

ausgezogen wird. Es geht um eine Vernunft,<br />

die sich für ihr An<strong>de</strong>res öffnet.<br />

Sie hat ein Grenzbewusstsein, mit <strong>de</strong>r<br />

sie selbst klärt, wie weit sie reicht. Karl<br />

Popper (1902-1994) hat das „Abgrenzungsproblem“<br />

als das zentrale wissenschaftstheoretische<br />

Thema seines Kriti-<br />

schenRationalismusbezeichnet.HolistischeVernunftkonzepte ohne Grenzbewusstsein<br />

sind in <strong>de</strong>r Regel totalitär. Auch hier hat<br />

die Bibel in <strong>de</strong>r Genesis, genauer in <strong>de</strong>r<br />

Erzählung vom Baum <strong>de</strong>r Erkenntnis,<br />

von Gut und Böse, das Grenzbewusstsein<br />

geschärft. Es hat fast etwas Tautologisches,<br />

dass nach <strong>de</strong>m Zugriff auf<br />

die verbotene Frucht, <strong>de</strong>r entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Grenzüberschreitung, das Menschenpaar<br />

aus <strong>de</strong>m Garten E<strong>de</strong>n vertrieben<br />

wird, in ein Gelän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Grenzen.<br />

Nun erst ist es sterblich, <strong>de</strong>r Tod<br />

begrenzt das Leben. Nun erst muss die<br />

begrenzte Kraft in Arbeit umgesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn nicht nur <strong>de</strong>r Erkenntnis<br />

sind Grenzen gesetzt. Was bleibt, ist die<br />

Erinnerung und die Sehnsucht nach<br />

<strong>de</strong>m grenzenlos Guten.<br />

Wenn Gott nicht selbst gemacht<br />

ist, wird es ihn nur geben, wenn er sich<br />

offenbart. So einfach ist das. Deshalb<br />

ist mit <strong>de</strong>m, was die Stimme aus <strong>de</strong>m<br />

brennen<strong>de</strong>n aber nicht verbrennen<strong>de</strong>n<br />

Dornbusch spricht: „Ich bin <strong>de</strong>r Ich bin<br />

da“ eigentlich schon alles gesagt. Nach<strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>r In<strong>de</strong>x <strong>de</strong>s nicht Normalen die<br />

Koordinaten <strong>de</strong>r physischen Realität<br />

auf sich beruhen lässt, ist die An<strong>de</strong>rsartigkeit<br />

<strong>de</strong>s ganz An<strong>de</strong>ren sicher. Aber er<br />

ist nicht nur da, er hat auch die Schreie<br />

<strong>de</strong>r versklavten Kin<strong>de</strong>r Israels gehört.<br />

Er befiehlt <strong>de</strong>n Exodus, <strong>de</strong>n Weg aus<br />

<strong>de</strong>m Sklavenhaus in das gute Leben. Es<br />

gibt Gott, und er ist gut. Ist das genug?<br />

Die Geschichte <strong>de</strong>s Monotheismus<br />

ist voll von Versuchen, über die Ausrufung<br />

einer Präsenz <strong>de</strong>s guten Gottes hinaus<br />

bei <strong>de</strong>r Steuerung unserer Alltagsprobleme<br />

Son<strong>de</strong>rmitteilungen von Offenbarungsqualität<br />

zu erhalten. Die biblische<br />

Aufklärung, die sich als Kritik<br />

am selbst gemachten Gott <strong>de</strong>r göttlichen<br />

Vernunft bedient, legt großen<br />

Wert auf <strong>de</strong>n Gott, <strong>de</strong>r sich entzieht. Alle<br />

Offenbarungsgeschichten haben <strong>de</strong>n<br />

In<strong>de</strong>x <strong>de</strong>s Entzugs. Alle kühnen Offenbarungserzählungen,<br />

in <strong>de</strong>nen Gott<br />

fast, beinahe o<strong>de</strong>r von hinten gesehen<br />

wird, legen Wert auf diese Differenz.<br />

Mose stellt <strong>de</strong>n Antrag, Gott zu sehen<br />

(Ex 33,18), für<br />

<strong>de</strong>n Augenblick<br />

<strong>de</strong>s Vorübergangs,<br />

so die wun<strong>de</strong>rsame Choreographie,<br />

darf er <strong>de</strong>n Rücken Gottes sehen, während<br />

dieser ihm die Hand vor die Augen<br />

hält. Diese dramatische Inszenierung<br />

<strong>de</strong>s Wunsches, Gott zu sehen, und seiner<br />

Vereitelung, ist nur das vielleicht<br />

kurioseste Beispiel. Wenn Gott sich offenbart<br />

als das leuchten<strong>de</strong> Licht, das<br />

vor <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn Israels herzieht, so ist<br />

es doch eine Wolke, die leuchtet, jene<br />

Naturerscheinung also, die uns die<br />

Sicht nimmt.<br />

Jakob ringt am Grenzfluss Jabbok<br />

mit <strong>de</strong>m „Mann“, von <strong>de</strong>m sich dann<br />

herausstellt, dass es Gott war. War Gott<br />

ein Mann? Es ist eine richtige und gute<br />

Intuition <strong>de</strong>r christlichen Kunst, die<br />

diese Szene als „Jakobs Kampf mit<br />

<strong>de</strong>m Engel“ verarbeitet. Wie<strong>de</strong>rum fin<strong>de</strong>n<br />

wir in <strong>de</strong>r Begründung für die Beendigung<br />

<strong>de</strong>s Kampfes <strong>de</strong>n In<strong>de</strong>x <strong>de</strong>s<br />

Entzugs. Der Kampf muss en<strong>de</strong>n, weil<br />

die Morgenröte heraufzieht. In vollem<br />

Licht soll <strong>de</strong>r Gottesstreiter sein Gegenüber<br />

am En<strong>de</strong> doch nicht erkennen<br />

können. „Keiner hat Gott je gesehen“,<br />

wird Johannes <strong>de</strong>r Evangelist (1,18)<br />

später mit Recht formulieren. Gott offenbart<br />

sich als <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r sich entzieht. Er<br />

ist da, bleibt aber ein Geheimnis.<br />

Die Religionspädagogik hat mit<br />

<strong>de</strong>m Begriff Mystagogie nichts weni-<br />

» Wenn Gott nicht selbst gemacht ist, wird<br />

es ihn nur geben, wenn er sich offenbart.<br />

ger als das Zentrum <strong>de</strong>s biblischen Monotheismus<br />

auf die Tagesordnung gesetzt.<br />

Den Gott Abrahams, Isaaks, Jakobs<br />

und Jesu als das präsente und nahe<br />

gekommene gute Geheimnis zu lehren,<br />

ist das oberste Ziel <strong>de</strong>r christlichen Religionspädagogik.<br />

Ist <strong>de</strong>r entzogene, geheimnisvolle<br />

Gott auch <strong>de</strong>r Gott Jesu? Hat nicht Jesus<br />

die Gottesnähe auf einzigartige Weise<br />

vorgelebt und gepredigt? Eine <strong>de</strong>r<br />

wichtigen Einsichten <strong>de</strong>r exegetisch<br />

gestützten Theologie <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />

war die Rehabilitation <strong>de</strong>s Alten<br />

Testaments bzw. die Erkenntnis, wie<br />

wichtig die Vorgeschichte <strong>de</strong>s alttestamentlichen<br />

Monotheismus für das Verständnis<br />

<strong>de</strong>r zentralen Gestalt <strong>de</strong>s Christentums<br />

ist. Es geht im Grun<strong>de</strong> um einen<br />

Medienwechsel.<br />

Dass die Schrift als Königsmedium<br />

<strong>de</strong>s Monotheismus <strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong>rzeit gegen<br />

die Medien <strong>de</strong>r selbstgemachten<br />

Götter installiert wird, dass die Kultbil<strong>de</strong>r<br />

durch die Tora ersetzt wur<strong>de</strong>n, liegt<br />

an <strong>de</strong>r einzigartigen Fähigkeit dieses<br />

Mediums, Anwesenheit und Abwesenheit<br />

zugleich zu vermitteln. Die Schrift<br />

kann, an<strong>de</strong>rs als je<strong>de</strong>s Kultbild, nicht<br />

mit <strong>de</strong>m verwechselt wer<strong>de</strong>n, was sie<br />

be<strong>de</strong>utet. Gott selbst hatte geschrieben<br />

und seine Weisung hinterlassen. Hinter<br />

diese Errungenschaft gibt es kein Zurück.<br />

Kein Jota, so <strong>de</strong>r Jesus <strong>de</strong>r Bergpredigt,<br />

soll von Gesetz und Propheten<br />

weggenommen wer<strong>de</strong>n: „Aber wenn<br />

Eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist<br />

als die <strong>de</strong>r Schriftgelehrten und Pharisäer,<br />

so wer<strong>de</strong>t ihr nicht in das Himmelreich<br />

kommen“ (Mt. 5,20). Johannes<br />

bringt es auf <strong>de</strong>n Punkt (1,14): „Das<br />

Wort ist Fleisch gewor<strong>de</strong>n“.<br />

Der Monotheismus <strong>de</strong>r Inkarnation<br />

hat in Jesus das Beispiel vor Augen,<br />

dass Gottes Geist im Menschenfleisch<br />

wohnen kann. An diesem Beispiel<br />

messen sich alle Christen, auch<br />

wenn sie die Differenz <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong><br />

schmerzlich erfahren. Gottesnähe ist<br />

möglich, wir vereinigen uns in <strong>de</strong>r Eucharistie<br />

mit <strong>de</strong>m fleischgewor<strong>de</strong>nen<br />

Wort, in<strong>de</strong>m wir es mit unserem<br />

Fleisch vereinigen. Damit ist <strong>de</strong>r ungeheure<br />

Anspruch erhoben, die Differenz<br />

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BEITRÄGE<br />

9


BEITRÄGE<br />

10<br />

zwischen Zeichen und Bezeichnetem<br />

einzuziehen. Dass dieses Fleisch<br />

schwach ist, auch wenn <strong>de</strong>r Geist willig<br />

ist und uns treibt, erzeugt eine Spannung,<br />

einen „Stachel im Fleisch“ von<br />

Anfang an. Diese eschatologische Differenz<br />

zwischen <strong>de</strong>m, was ist, und <strong>de</strong>m,<br />

was sein soll, ist Gefahren- und Energiequelle<br />

zugleich. Wir sollen und wollen<br />

<strong>de</strong>n Willen Gottes tun, können ihn<br />

aber nicht einfach nachlesen. So präzise,<br />

wie wir ihn kennen müssten, kann er<br />

nirgendwo aufgeschrieben sein. Wir<br />

haben ihn nicht wie ein Ding in Besitz<br />

genommen, wissen aber, dass wir ihm<br />

sehr nahe kommen können. Das Drama<br />

einer Wahrheit, die in uns wohnen will<br />

und doch nicht festgehalten wer<strong>de</strong>n<br />

kann, ist das Drama von Präsenz und<br />

Entzug. Es verlangt eine eigene Semantik,<br />

eine Zeichenklasse, die sich<br />

von <strong>de</strong>n Symbolwelten und Fiktionen,<br />

die zum Wesen <strong>de</strong>s Menschen gehören,<br />

unterschei<strong>de</strong>t.<br />

Die Einsicht <strong>de</strong>r philosophischen<br />

Anthropologie seit Aristoteles lautet:<br />

Der Mensch ist das Lebewesen, das<br />

Sprache hat. Sie muss nach Ernst Cassirer<br />

(1874-1945), <strong>de</strong>m Philosophen<br />

<strong>de</strong>r symbolischen Formen, erweitert<br />

wer<strong>de</strong>n, weil Ernst Cassirer <strong>de</strong>n<br />

Sprachbegriff erweitert hat. Auch Dinge,<br />

auch Architekturen, auch <strong>de</strong>r Körper,<br />

vieles, fast alles kann semantisch<br />

besetzt und damit zum Symbol wer<strong>de</strong>n.<br />

Diese Welt <strong>de</strong>r symbolischen Formen<br />

ist es, die uns eine Realität <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>r-<br />

klasse,nämlich die Realität<br />

aus <strong>de</strong>m<br />

Kopf, an<strong>de</strong>rs<br />

als <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>renLebewe-<br />

sen, zur Verfügung stellt. Dass wir unser<br />

Bewusstsein über die unmittelbare<br />

empirische Gegenwärtigkeit herausspannen<br />

können, unterschei<strong>de</strong>t uns<br />

vom Tier und macht uns zu Lebewesen,<br />

die von ihrer Endlichkeit wissen. Das<br />

20. Jahrhun<strong>de</strong>rt ist zu Recht als das<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Sprachphilosophie bezeichnet<br />

wor<strong>de</strong>n. Deutlicher als früher<br />

ist erkannt wor<strong>de</strong>n, dass Denken und<br />

Sprechen zusammen gehören, dass<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

durch die symbolischen Formen die<br />

„Sprache“ jenseits <strong>de</strong>s Verbalismus unser<br />

Bewusstsein prägt.<br />

Für <strong>de</strong>n Gott, <strong>de</strong>r uns sehr nahe<br />

kommen kann und sich gleichwohl entzieht,<br />

hat seit <strong>de</strong>r Entstehung <strong>de</strong>s Monotheismus<br />

im alten Israel eine semantische<br />

Son<strong>de</strong>rfallregelung gegolten. Haben<br />

an<strong>de</strong>re Realitäten und Personen<br />

Namen, so ist <strong>de</strong>r Name Gottes coextensional<br />

mit <strong>de</strong>r Ausrufung seiner Anwesenheit.<br />

Dass er da ist, das ist sein<br />

Name. Mehr erfährt <strong>de</strong>r Mose, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Namen wissen will, nicht. „Ich bin <strong>de</strong>r<br />

‚Ich bin da’“. Aber das genügt auch.<br />

Wenn etwas bezeichnet wer<strong>de</strong>n muss,<br />

das anwesend und doch verborgen ist,<br />

muss die Art und Weise, wie diese Ein-<br />

zigartigkeit<br />

bezeichnet<br />

wird, sich<br />

<strong>de</strong>utlich von<br />

<strong>de</strong>r Art und<br />

Weise unterschei<strong>de</strong>n,<br />

mit <strong>de</strong>r die normalen Dinge<br />

in <strong>de</strong>r Welt bezeichnet wer<strong>de</strong>n, auf die<br />

im Zweifelsfall mit <strong>de</strong>m Finger gewiesen<br />

wer<strong>de</strong>n kann. Auf diese Weise entsteht<br />

die biblische Tradition einer Semantik<br />

<strong>de</strong>r An<strong>de</strong>rsheit, einer Alteritätsmarkierung.<br />

Die Zeichen für <strong>de</strong>n Heiligen<br />

und das Heilige müssen sich von<br />

an<strong>de</strong>ren Symbolen unterschei<strong>de</strong>n. Daher<br />

ist es wichtig, die Re<strong>de</strong> über die<br />

Symbole und die Symboldidaktik nicht<br />

als Sakramentenre<strong>de</strong> auszugeben. So<br />

wie <strong>de</strong>r Name Gottes eine Singularität<br />

ist, so ist nach<br />

christlichem<br />

Glauben das<br />

Fleisch gewor<strong>de</strong>ne<br />

Wort in Christus<br />

eine heilsgeschichtliche Singularität.<br />

Sie ist eingelassen in eine kontingente<br />

Geschichte. Es ist die Geschichte<br />

Israels, die Geschichte <strong>de</strong>s Volkes, <strong>de</strong>ssen<br />

Heilsgeschichte als Befreiung aus<br />

<strong>de</strong>m Sklavenhaus Ägypten erzählt wird.<br />

Das ungesäuerte Brot <strong>de</strong>s Pessach-<br />

Mahles wur<strong>de</strong> als Brot <strong>de</strong>r Befreiung<br />

alljährlich im Familienkreis gegessen.<br />

Israel übt eine eigene Semantik <strong>de</strong>r<br />

Gotteszeichen ein. Brot und Wein sind<br />

» Das Drama einer Wahrheit, die in uns<br />

wohnen will und doch nicht festgehalten<br />

wer<strong>de</strong>n kann, ist das Drama von Präsenz<br />

und Entzug.<br />

nicht irgen<strong>de</strong>in Brot und nicht irgen<strong>de</strong>in<br />

Wein, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r zeitvernichten<strong>de</strong>n<br />

Gegenwärtigkeit <strong>de</strong>s Se<strong>de</strong>rabends,<br />

in <strong>de</strong>m das Heute <strong>de</strong>s Exodus<br />

ausgerufen wird, Zeichen für die<br />

schreckliche und gleichzeitig herrliche<br />

Anwesenheit Gottes im Vorübergang.<br />

Diesen Vorübergang ruft Jesus am<br />

Vorabend seiner Kreuzigung aus, in<strong>de</strong>m<br />

er sich selbst mit <strong>de</strong>m Brot <strong>de</strong>r<br />

Freiheit i<strong>de</strong>ntifiziert: „Das ist mein<br />

Leib“. Der Auftrag „Tut dies zu meinem<br />

Gedächtnis“ ist ein mystagogischer<br />

Initialauftrag. Der Auftrag, etwas,<br />

was seiner Natur nach ein Vorübergang<br />

ist, zur Gegenwart auszurufen,<br />

ist ein Verstoß gegen die physikalische<br />

Zeitkoordinate, in die wir unwi<strong>de</strong>rruf-<br />

licheingespannt sind.<br />

Hier wer<strong>de</strong>n<br />

die Koordinaten<br />

unserer<br />

physischen<br />

Realität mit <strong>de</strong>utlicher Absicht außer<br />

Kraft gesetzt. Dass immer wie<strong>de</strong>r etwas<br />

Gegenwart wer<strong>de</strong>n kann, was unter<br />

<strong>de</strong>m Diktum <strong>de</strong>r Zeit normalerweise<br />

in <strong>de</strong>n tiefen Brunnen <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />

gefallen wäre, ist ein Wun<strong>de</strong>r. Eine<br />

bewusste Installation dafür, dass die<br />

Grenzen <strong>de</strong>r Realität mit <strong>de</strong>r Autorität<br />

Gottes aufgehoben wer<strong>de</strong>n können.<br />

Für die Religionspädagogik ist beson<strong>de</strong>rs<br />

wichtig, dass hier tatsächlich<br />

ein Auftrag zum Einüben und zur Wie<strong>de</strong>rholung<br />

erteilt wird. Es ist eine Art<br />

Alphabetisierung, die sich dann in <strong>de</strong>r<br />

Geschichte <strong>de</strong>r jungen Kirche im Brotbrechen<br />

fortsetzt und die im Laufe <strong>de</strong>r<br />

Kirchengeschichte sich zu einem ausdifferenzierten<br />

Alphabet <strong>de</strong>r Heiligkeit,<br />

zu einer Sprache <strong>de</strong>r Sakramente<br />

und Sakramentalien verlängert. Diese<br />

Sprache in ihrer An<strong>de</strong>rsheit zur Normalsprache<br />

herauszustellen, ist <strong>de</strong>r<br />

Grundauftrag <strong>de</strong>s Mystagogen. Das<br />

Agogische, d. h. das Einführen, Anleiten<br />

und Einüben lüftet nicht <strong>de</strong>n Schleier<br />

vor <strong>de</strong>m göttlichen Mysterium, es<br />

lehrt nur <strong>de</strong>n angemessenen Umgang<br />

mit ihm und schärft die Sinne, um es<br />

überhaupt erst wahrzunehmen und ihm<br />

einen Platz in <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

» Die Religionspädagogik hat mit <strong>de</strong>m Begriff<br />

Mystagogie nichts weniger als das<br />

Zentrum <strong>de</strong>s biblischen Monotheismus auf<br />

die Tagesordnung gesetzt


Dinge zu verschaffen. Das ist ein Kontrastprogramm!<br />

Auf diese Weise sehen<br />

wir, wie <strong>de</strong>r Mystagoge als Trainer <strong>de</strong>s<br />

alteritären Alphabets wirken muss. Er<br />

lehrt, wie man das Heilige vom Unheiligen<br />

unterschei<strong>de</strong>t. Er erklärt, warum<br />

das Heilige, wenn <strong>de</strong>nn von Gott nicht<br />

geschwiegen wer<strong>de</strong>n soll, auch einen<br />

Platz in unserer Kultur braucht. Er muss<br />

auch die Welt <strong>de</strong>r heiligen Zeichen vor<br />

Missverständnissen und schrägen Deutungen<br />

schützen. Zu einer solchen Apologie<br />

<strong>de</strong>r Sakralität gehört, dass <strong>de</strong>utlich<br />

gemacht wird, dass diese Kunst <strong>de</strong>s<br />

Abstandhaltens zwischen <strong>de</strong>m was ist,<br />

<strong>de</strong>m Empirischen und Vorhan<strong>de</strong>nen,<br />

und <strong>de</strong>m, was sein soll, eine Sprache<br />

<strong>de</strong>r Eschatologie und Utopie braucht.<br />

Ernst Bloch (1885-1977) hat in seiner<br />

expressionistischen und sprachmächtigen<br />

Art und Weise versucht, die-<br />

sen Abstand<br />

von einer metaphysischen<br />

Welt<strong>de</strong>utung<br />

abzusetzen.<br />

Das Interessante<br />

an <strong>de</strong>n<br />

Marxisten, die wie Bloch und Walter<br />

Benjamin (1892-1940) in <strong>de</strong>r Materie<br />

die utopische Aufladung ent<strong>de</strong>cken<br />

wollten, ist, dass sie noch mit einem<br />

Gottesverständnis konfrontiert waren,<br />

bei <strong>de</strong>m Gott <strong>de</strong>r Bewohner einer metaphysischen<br />

Zweitwelt gewesen sein<br />

sollte, die es nicht gab. In <strong>de</strong>r Philosophie<br />

ist die Diskussion über <strong>de</strong>n Fortbestand<br />

<strong>de</strong>r Metaphysik inzwischen<br />

weiter gegangen. Es hat sich gezeigt,<br />

dass die voreilige Ausrufung eines<br />

„nachmetaphysischen Zeitalters“ (Jürgen<br />

Habermas) mit einem Begriff von<br />

Metaphysik operiert hatte, <strong>de</strong>r auf einen<br />

Kategorienfehler hinausläuft. Wer<br />

von <strong>de</strong>n großen Metaphysikern hat<br />

<strong>de</strong>nn wirklich von einer Welt <strong>de</strong>r Metaphysik<br />

im Sinne einer Hinterwelt gesprochen,<br />

in <strong>de</strong>r die empirische und die<br />

nichtempirische Realität äquivok nebeneinan<strong>de</strong>r<br />

gesetzt sind? Wie auch<br />

immer – wir sehen hier sehr <strong>de</strong>utlich<br />

das kritische Potential einer nichtempirischen<br />

Realität aus <strong>de</strong>m Geist, die<br />

gleichwohl nicht nichts ist.<br />

Für die biblische Offenbarungstradition<br />

ist die Ausrufung <strong>de</strong>r Anwesenheit<br />

Gottes immer mehr gewesen,<br />

als bloßes Abstandhalten. Wer sich vom<br />

Ist-Zustand abstößt, geht gewiss auf<br />

Abstand und ist immerhin <strong>de</strong>n Zwängen<br />

und <strong>de</strong>m Zauber <strong>de</strong>ssen, was ist,<br />

schon einmal entkommen. Ob er aber<br />

ins Nichts fällt und keinen Ort hat (Utopos),<br />

mag zunächst offen sein. Die<br />

Zusage, dass die Sprengung <strong>de</strong>r uns<br />

vorgegebenen Realitätskoordinaten unter<br />

einem guten Stern steht o<strong>de</strong>r, wie es<br />

am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Schöpfungsgeschichte<br />

heißt, dass „alles gut war“, das ist Gegenstand<br />

<strong>de</strong>s Glaubens. Wenn wir als<br />

Menschen uns mit <strong>de</strong>m Bewusstsein<br />

unserer Endlichkeit vorfin<strong>de</strong>n, das<br />

gleichzeitig die Hoffnung enthält, dieser<br />

Endlichkeit nicht endgültig ausgeliefert<br />

zu sein, dann heißt die Antwort<br />

<strong>de</strong>s Glaubens<br />

Ja. In diesem<br />

Ja ist die Überwindung<br />

<strong>de</strong>r<br />

Endlichkeit<br />

angesagt.<br />

Gleichzeitig<br />

ist sicher, dass diese Überwindung <strong>de</strong>r<br />

eigenen Endlichkeit, die Auferstehung<br />

<strong>de</strong>r Toten, nicht ein Produkt eigener<br />

Anstrengungen sein kann.<br />

Gegen eine eigene Semantik <strong>de</strong>r Alterität<br />

und eine Kultur <strong>de</strong>r Sakralität ist<br />

in <strong>de</strong>r Neuzeit eine sehr erfolgreiche<br />

Polemik geführt wor<strong>de</strong>n. Seit Immanuel<br />

Kants (1724-1804) Religionsschrift<br />

ist vom „Afterdienst“ die Re<strong>de</strong> und von<br />

sinnlosem Brimborium und von rituellem<br />

Pomp. Die Christen sind daran<br />

nicht ganz schuldlos, <strong>de</strong>nn es kommt<br />

immer wie<strong>de</strong>r vor, dass die Herrlichkeit<br />

Gottes ausgerufen und gefeiert wird,<br />

ohne dass dies für das Zusammenleben<br />

<strong>de</strong>r Menschen, für <strong>de</strong>n barmherzigen<br />

Umgang miteinan<strong>de</strong>r, für die aktive Arbeit<br />

an <strong>de</strong>r Heiligung <strong>de</strong>r Welt im Sinne<br />

einer Verbesserung <strong>de</strong>r Verhältnisse etwas<br />

zu be<strong>de</strong>uten gehabt hätte. Aber abusus<br />

non tollit usum – <strong>de</strong>r Missbrauch<br />

ist kein Argument gegen <strong>de</strong>n sinnhaften<br />

Gebrauch, die richtige Praxis.<br />

In <strong>de</strong>r Religionspädagogik sind zwei<br />

mystagogische Pensen <strong>de</strong>nkbar:<br />

» Die Zeichen für <strong>de</strong>n Heiligen und das Heilige<br />

müssen sich von an<strong>de</strong>ren Symbolen<br />

unterschei<strong>de</strong>n. Daher ist es wichtig, die Re<strong>de</strong><br />

über die Symbole und die Symboldidaktik<br />

nicht als Sakramentenre<strong>de</strong> auszugeben.<br />

Liturgie im Leben – Rituale<br />

Wenn ich es einmal vergesse, erinnern<br />

die Schüler mich daran und sind<br />

fast schon beleidigt: „Und das Meditieren?“,<br />

fragen sie dann. Es sind lediglich<br />

zwei Minuten, in <strong>de</strong>nen wir am<br />

Anfang <strong>de</strong>r Religionsstun<strong>de</strong> aufrecht<br />

sitzen und in die Stille, in uns selbst hineinhören.<br />

In einer „neuen“ Klasse<br />

gibt es häufig fragen<strong>de</strong> Gesichter, ein<br />

Gekicher auch. Doch rasch gehört die<br />

kurze Besinnung dazu wird von <strong>de</strong>n<br />

Schülern als ein unerlässlicher Teil <strong>de</strong>r<br />

Stun<strong>de</strong> wahrgenommen. Ein „an<strong>de</strong>res“<br />

Anfangsritual.<br />

Rituale gehören zum Leben, wesentlich<br />

auch zu Religion und Liturgie.<br />

Sie entlasten <strong>de</strong>n Einzelnen wie<br />

die Gemeinschaft. Sie <strong>de</strong>uten Verlässlichkeit<br />

an, ja Geborgenheit. Freilich<br />

müssen Rituale <strong>de</strong>m Fluß <strong>de</strong>s Lebens<br />

folgen, dürfen nicht leere Gewohnheiten<br />

wi<strong>de</strong>rspiegeln. Wenn sie<br />

auf Wie<strong>de</strong>rholungen <strong>de</strong>s Oberflächlichen<br />

o<strong>de</strong>r Altbackenen hinauslaufen,<br />

bereichern sie nieman<strong>de</strong>n und wer<strong>de</strong>n<br />

schließlich fallengelassen. Nichts<br />

scha<strong>de</strong>t <strong>de</strong>m religiösen Leben und<br />

<strong>de</strong>r Liturgie mehr als gedankenlose<br />

Routine.<br />

Die Stille am Anfang <strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong><br />

wird wohl auch <strong>de</strong>shalb angenommen,<br />

weil sie einen Hauch <strong>de</strong>s „An<strong>de</strong>ren“<br />

ins Spiel bringt. Schule und<br />

Unterricht sind sehr wortlastig, sind<br />

auf überprüfbare Leistung hin angelegt.<br />

Das Anfangsritual hat damit<br />

nichts zu tun. Niemand muss etwas<br />

leisten, niemand etwas Überprüfbares<br />

zustan<strong>de</strong> bringen. Und <strong>de</strong>nnoch –<br />

davon bin ich überzeugt – geschieht<br />

etwas, kann in kleinsten Schritten etwas<br />

wachsen. Man muss es nicht benennen.<br />

Wichtig ist, dass hier ein<br />

Fenster aufgemacht, eine Spur gelegt<br />

wird. „Der Weg wächst im Gehen unter<br />

<strong>de</strong>inen Füßen, wie durch ein Wun<strong>de</strong>r“<br />

heißt es einmal bei Reinhold<br />

Schnei<strong>de</strong>r.<br />

Christian Heidrich – Quelle: Christ in <strong>de</strong>r Gegenwart,<br />

Nr. 6/07, S. 48.<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

BEITRÄGE<br />

11


BEITRÄGE<br />

12<br />

Performance –<br />

Ich sag’ mal sozusagen, sagichmal<br />

Zaubern – das müsste man können! Eine<br />

schöne Fantasie für Kin<strong>de</strong>r und Poeten.<br />

„Mutabor“ spricht <strong>de</strong>r kleine Muck, und<br />

schon passiert’s. „Und die Welt hebt an zu<br />

singen, triffst du nur das Zauberwort“,<br />

meint <strong>de</strong>r nahezu heilige Dichter Josef<br />

(von Eichendorff). Was aber wäre <strong>de</strong>r wahre<br />

Zauber – nein, <strong>de</strong>r Zauber <strong>de</strong>r Wahrheit?<br />

Dass die Wörter und die Sachen zusammenfallen<br />

... Wenn das geschähe, wäre<br />

nach <strong>de</strong>r klassischen Verständnis <strong>de</strong>r<br />

höchste Punkt <strong>de</strong>r Wahrheit erreicht. Denn<br />

nach <strong>de</strong>r scholastischen Definition fin<strong>de</strong>t<br />

Wahrheit statt, wenn Sache und Begriff<br />

zur Deckung kommen: adaequatio rei et<br />

intellectus.<br />

In <strong>de</strong>r „Metasprache“ spricht Sprache<br />

über sich selbst. Das hat <strong>de</strong>rzeit Konjunktur.<br />

Unsere Sprachpraxis macht <strong>de</strong>rzeit eine<br />

barocke Phase durch. Wir leben im Zeitalter<br />

<strong>de</strong>s metasprachlichen Barock. Vor allem in<br />

<strong>de</strong>n prätentiösen Diskursen <strong>de</strong>r wissenschaftlichen<br />

Qualifikationsprosa schwebt<br />

über allem, was da formulierend gedrechselt<br />

wird, ein „sozusagen“. Als wenn sich<br />

ein Schleier <strong>de</strong>s Vorbehalts über alle rhetorischen<br />

Wahrheitsansprüche legte, signalisiert<br />

dieses „sozusagen“: ich könnte es<br />

auch an<strong>de</strong>rs sagen, weiß selber, dass ich im<br />

Ungefähren bleibe, es eigentlich an<strong>de</strong>rs<br />

und besser sagen müsste! Im Theologenjargon<br />

müsste das als Karikatur und<br />

Schwundstufe <strong>de</strong>s „eschatologischen Vorbehalts“<br />

bezeichnet wer<strong>de</strong>n.<br />

Gerinnt die Sprache zur Schrift, erscheinen<br />

die Anführungszeichen wie eine<br />

relativieren<strong>de</strong> Entschuldigung für das, was<br />

sie einrahmen. „Ich sag mal“ und „Sagichmal“<br />

sind noch ausdrücklichere metasprachliche<br />

Ornamente, kleine Demutsgesten,<br />

mit <strong>de</strong>nen die Sprache sich selbst kommentiert,<br />

relativiert und für überbietbar erklärt.<br />

Dieser metasprachliche Barock ist<br />

zur Hintergrundmusik unserer Sprechpraxis<br />

gewor<strong>de</strong>n. Er gehört zum Jargon <strong>de</strong>r<br />

Podien und Verlautbarungen, <strong>de</strong>r Interviews<br />

und Statements.<br />

Die Skepsis, dass Sprache überhaupt<br />

treffen kann, ist nicht neu. Von Platons Dialog<br />

Phaidros bis zu Hofmannsthals berühmtem<br />

Chandos-Brief und zu <strong>de</strong>n großen<br />

Aktionen <strong>de</strong>r Zertrümmerung in <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>konstruktivistischen Sprachphilosophie<br />

zieht sich eine Spur von Bröseln.<br />

Auf dieser Hintergrundfolie wird die<br />

Karriere eines neuen Zauberworts verständlich:<br />

Performanz. Zunächst war es ei-<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

ne Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r analytischen Sprachphilosophie,<br />

dass es Verben gibt, die von<br />

<strong>de</strong>r Norm abweichen, weil sie nicht zweistellig<br />

sind. Mit Zweistelligkeit ist gemeint,<br />

dass Wort und Sache als zwei unterschiedliche<br />

Tatbestän<strong>de</strong> auseinan<strong>de</strong>r treten.<br />

Wer sagt „Da lach ich doch!“ und dabei<br />

eine to<strong>de</strong>rnste Miene macht, inszeniert einen<br />

performativen Selbstwi<strong>de</strong>rspruch. Er<br />

tut nicht, was er sagt. Das Eine ist das „Lachen“,<br />

das An<strong>de</strong>re das Verbum „lachen“.<br />

Beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>r Moral, vor allen Dingen<br />

dort wo sie gepredigt wird, gilt mit Recht<br />

als Klassiker <strong>de</strong>r Heuchelei und Unwahrhaftigkeit,<br />

wenn einer Wasser predigt und<br />

Wein trinkt. Je höher die I<strong>de</strong>ale sind, umso<br />

größer die Wahrscheinlichkeit, dass <strong>de</strong>r,<br />

welcher sie verkün<strong>de</strong>t, hinter ihnen zurückbleibt.<br />

Wer könnte wie Jesus in <strong>de</strong>r Bergpredigt<br />

sagen: „Ihr sollt also vollkommen<br />

sein, wie es auch euer himmlischer Vater<br />

ist“ (Mt 5,48). Schließt nicht, wenn einer<br />

einen solchen Satz von <strong>de</strong>r Kanzel herab<br />

aus eigenem Recht auf seine Zuhörer prallen<br />

lässt, dieser Sprechakt die unausgesprochene<br />

Behauptung ein: „Vollkommen<br />

– wie ich es auch selber bin“. Mit <strong>de</strong>m<br />

Überschuss <strong>de</strong>s Ungesagten ist das so eine<br />

Sache. Von ihr zehrt die Lyrik, sie organisiert<br />

einen solchen Überschuss. Dennoch<br />

bleibt wahr: Wort und Tat sollen nicht auseinan<strong>de</strong>r<br />

treten dürfen.<br />

Dies beför<strong>de</strong>rt die <strong>de</strong>rzeitige Karriere<br />

<strong>de</strong>r so genannten performativen Verben,<br />

die in <strong>de</strong>r analytischen Sprachphilosophie<br />

herausgestellt wor<strong>de</strong>n sind. Wer sagt „Ich<br />

befehle Dir!“ hat einen Befehl erteilt. Wer<br />

sagt: „Topp, die Wette gilt!“, <strong>de</strong>r hat gewettet<br />

und zwar ohne Vorbehalt und Anführungszeichen.<br />

Wer sagt: „Ich ernenne“, hat<br />

ernannt, wer sagt: „Ich verspreche“, hat<br />

versprochen. Es gibt sie also, die Koinzi<strong>de</strong>nz<br />

von Wort und Tat. Ein Sprachzeichen,<br />

das gleichzeitig das ist, was es be<strong>de</strong>utet.<br />

Es wird einstellig, hat keine Referenz<br />

als sich selbst.<br />

Um die stärkste Singularität han<strong>de</strong>lt es<br />

sich bei <strong>de</strong>m Sprechakt <strong>de</strong>s Priesters <strong>de</strong>r<br />

sagt: „Das ist mein Leib“. Dass er dies<br />

nicht aus eigenem Recht, son<strong>de</strong>rn in figura<br />

Christi sagt, macht die Sache noch singulärer.<br />

Denn es macht die Göttlichkeit <strong>de</strong>s Jesus<br />

von Nazareth aus, dass er gezeigt hat,<br />

wie und dass es möglich ist, <strong>de</strong>n Willen<br />

<strong>de</strong>s Vaters zu tun und ihn nicht nur zu verkün<strong>de</strong>n.<br />

Das eucharistische Brot ist, was<br />

es be<strong>de</strong>utet, ein – ja <strong>de</strong>r semantische Son<strong>de</strong>rfall.<br />

Ein Son<strong>de</strong>rfall <strong>de</strong>r zum Maßstab<br />

gewor<strong>de</strong>n ist.<br />

Eckhard Nordhofen<br />

Der Religionsunterricht muss erstens<br />

für die Eigensprache <strong>de</strong>r Alteritätsmarkierung<br />

einen metasprachlichen<br />

Diskurs aufmachen. Er muss helfen zu<br />

sortieren, wie das auch hier versucht<br />

wird, und eine Art Platzanweisung versuchen.<br />

Er muss zeigen, welchen „Sitz<br />

im Leben“ die Welt <strong>de</strong>s Heiligen und<br />

die Welt <strong>de</strong>r heiligen Zeichen hat. Er<br />

kann erklären, warum wir sie brauchen,<br />

er kann ihr kritisches Potential aufzeigen,<br />

aber auch die ethische Verpflichtung,<br />

die sich aus ihm ergibt. Er muss<br />

sich mit Miss<strong>de</strong>utungen auseinan<strong>de</strong>r<br />

setzen und berechtigte Kritik akzeptieren.<br />

Dieses Pensum ist kognitiv und ist<br />

aus entwicklungspsychologischen Grün<strong>de</strong>n<br />

nach <strong>de</strong>r Pubertät zu erledigen.<br />

Aber alles Sprechen über enthebt ihn<br />

nicht <strong>de</strong>r Performanz.<br />

In <strong>de</strong>r Religionspädagogik ist in<br />

jüngerer Zeit viel von performativen<br />

Ansätzen die Re<strong>de</strong>. Dies ist ein glücklicher<br />

Import aus <strong>de</strong>m Diskurs <strong>de</strong>r<br />

Sprachanalyse. Die performativen Verben:<br />

„Ich verspreche“, „ich befehle“,<br />

„ich wette“, etc. sind von allen an<strong>de</strong>ren<br />

Verben dadurch unterschie<strong>de</strong>n, dass sie<br />

sind, was sie be<strong>de</strong>uten. Auch im Religionsunterricht<br />

hat man die Performanzen<br />

ent<strong>de</strong>ckt. Es darf nicht beim Re<strong>de</strong>n<br />

über Religion bleiben, die Religion<br />

muss auch eingeübt wer<strong>de</strong>n. Religiöse<br />

„Sprache“ im Sinne Ernst Cassirers,<br />

die mehr ist als Wörtersprache, hat ihre<br />

Eigenheiten. Zwar kann auch die Wörtersprache<br />

alteritär vere<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n.<br />

Nicht umsonst sträuben sich viele ernste<br />

Protestanten gegen die Banalisierung<br />

<strong>de</strong>r biblischen Sprache und hängen an<br />

<strong>de</strong>m altfränkischen Luther<strong>de</strong>utsch. Was<br />

ist da passiert? Das, was nach 500 Jahren<br />

altertümlich und halb fremd erscheint,<br />

war zu Zeiten <strong>de</strong>s Reformators<br />

ein Produkt seiner Kunst, <strong>de</strong>m „Volk<br />

aufs Maul zu schauen“. Das damals<br />

heutige Deutsch wirkt heute fremd und<br />

alteritär. Es hat einen sakralisieren<strong>de</strong>n<br />

Nebeneffekt, über <strong>de</strong>n sich <strong>de</strong>r fromme<br />

Lutheraner nicht immer Rechenschaft<br />

gibt, für das er aber eine gute Intuition<br />

hat. Da die reformatorische Tradition<br />

sich weitgehend von <strong>de</strong>n nonverbalen<br />

Alteritätsmarkierungen verabschie<strong>de</strong>t


hat – die Musik bil<strong>de</strong>t hier die großartige<br />

Ausnahme – ist es eine nachvollziehbare<br />

Intuition, an <strong>de</strong>r Sprachgestalt<br />

festzuhalten, die das Deutsch erst zur<br />

„Heiligen Schrift“ macht.<br />

Die katholische Tradition ist auf<br />

die Textgestalt weniger angewiesen. In<br />

<strong>de</strong>n Richtungskämpfen nach <strong>de</strong>m 2.<br />

Vatikanischen Konzil galt es lange Zeit<br />

als progressiv, die Sakralität beiseite zu<br />

räumen. Inzwischen hat sich gezeigt,<br />

dass die erhoffte Authentizität und Unmittelbarkeit<br />

sich keineswegs in <strong>de</strong>r<br />

Weise ausgewirkt hat, dass das Christentum<br />

dadurch einen Glaubwürdigkeitsvorsprung<br />

erhalten hätte. Sakralität<br />

ist ein knappes Gut gewor<strong>de</strong>n. Ein<br />

Christentum, das sich rein funktional<br />

auf die Weltverbesserung durch Diakonie<br />

verlässt, kann <strong>de</strong>n Unterschied zwischen<br />

social engineering und Diakonie<br />

nicht mehr angeben. Der Denkfehler<br />

liegt in einer falschen Alternative. Orthopraxie,<br />

gelebtes Christentum, praktische<br />

Nächstenliebe, scheint zunächst<br />

ohne die fromme Welt <strong>de</strong>r heiligen Zeichen<br />

auskommen zu können. Die Trennung<br />

<strong>de</strong>r Wege in eine weltflüchtige,<br />

weihrauchgeschwängerte, von schweren<br />

Mönchsgesängen begleitete Welt<br />

<strong>de</strong>r Orthodoxie und in eine Welt <strong>de</strong>s<br />

wahren Christentums, für die eine reine<br />

Diakonie das einzige legitime Gotteslob<br />

ist, macht fatale Fronten auf.<br />

An <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>s europäischen<br />

Mönchtums und <strong>de</strong>r Klöster lässt<br />

sich sehr gut ablesen, was es mit <strong>de</strong>r<br />

Weltflucht auf sich hat. In <strong>de</strong>r Tat hatte<br />

es eine Abstoßungsbewegung, eine<br />

Flucht aus <strong>de</strong>r <strong>de</strong>ka<strong>de</strong>nten Welt in die<br />

Wüste gegeben. Es blieb aber nicht bei<br />

<strong>de</strong>r abgeschlossenen Welt <strong>de</strong>s Kreuzgangs,<br />

<strong>de</strong>r ein Paradiesgärtlein umschloss.<br />

Die I<strong>de</strong>e Benedikts von Nursia<br />

(480-547) tarierte die weltverneinen<strong>de</strong><br />

Fluchtbewegung durch das „labora“<br />

aus, die Arbeit, die das Gebet ergänzt<br />

und sich vom Gebet selber inspirieren<br />

lässt: ora et labora. Wir wissen heute,<br />

dass kaum eine an<strong>de</strong>re christliche Kulturleistung<br />

so folgenreich gewor<strong>de</strong>n<br />

ist, wie die Klöster, die zu Musterbetrieben<br />

für Gartenbau und Viehzucht<br />

wur<strong>de</strong>n, die das Schulwesen systemati-<br />

sierten und über viele Jahrhun<strong>de</strong>rte hin<br />

trugen. Aus <strong>de</strong>n ausgegrenzten, d. h. sakralisierten<br />

Räumen hallt immer noch<br />

das Echo jener Auffor<strong>de</strong>rung an Mose<br />

„Zieh <strong>de</strong>ine Schuhe aus, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Ort<br />

wo du stehst ist heiliger Bo<strong>de</strong>n“. Dieselbe<br />

Dialektik, die <strong>de</strong>n Sabbat in eine<br />

fruchtbare Spannungsbeziehung zum<br />

Werktag bringt, kennzeichnet auch die<br />

lokalen Ausgrenzungen, ja alle Sakralisierungen.<br />

Die Dialektik von heilig und profan<br />

ist ur-monotheistisch. Sie gibt eine<br />

semantische Abstandshaltung wie<strong>de</strong>r,<br />

die es erst möglich macht, <strong>de</strong>n Ist-Zustand<br />

als etwas Vorläufiges, als etwas,<br />

das so nicht bleiben kann, zu qualifizieren.<br />

In diesem Sinn ist Sakralität in <strong>de</strong>r<br />

Wurzel politisch, gera<strong>de</strong> weil hier das<br />

An<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Arbeit und auch <strong>de</strong>r Gestaltung<br />

am Gemeinwesen ausgerufen<br />

wird. Nur auf dieser Folie kann die Arbeit<br />

als Arbeit, als selbstbestimmt erfahren<br />

wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn es gibt eine Grenze<br />

<strong>de</strong>r Selbstbestimmung, die durch das<br />

Sakrale bezeichnet wird. Diese Dialektik<br />

einzuüben, ist eine zentrale Aufgabe<br />

auch <strong>de</strong>s Religionsunterrichts. Das<br />

Credo <strong>de</strong>r Grundschulpädagogen ist in<br />

die Formel eines Lernens mit „Kopf,<br />

Herz und Hand“ gefasst wor<strong>de</strong>n. Vielleicht<br />

ist es diese ganzheitliche Lernbereitschaft<br />

von Kin<strong>de</strong>rn, die <strong>de</strong>n Lehrer<br />

Jesus (er wird immer wie<strong>de</strong>r als Didaskalos<br />

= Lehrer angesprochen) zu <strong>de</strong>r<br />

Auffor<strong>de</strong>rung an seine Hörer veranlasst:<br />

„Wer<strong>de</strong>t wie die Kin<strong>de</strong>r!“<br />

Die europäische religiöse Welt ist<br />

durch <strong>de</strong>n Verbalismus <strong>de</strong>r Theologie<br />

geprägt. Das kann ein großer Vorzug<br />

sein, was die Anschlussfähigkeit an die<br />

wissenschafts- und theoriegeprägte<br />

Mo<strong>de</strong>rne betrifft, enthält aber auch Gefahren.<br />

Der interkulturelle Vergleich<br />

zeigt, dass das europäische Christentum,<br />

so stark es auch diskursiv sein<br />

mag, in eine Schräglage geraten ist.<br />

Ihm fehlt das religiöse Exerzitium, das<br />

<strong>de</strong>n Islam so stark und lebensförmig<br />

macht. Waschungen, Gebetszeiten, die<br />

vorgeschriebenen Verneigungen, die<br />

Fastenregeln, ja alle Vorschriften für<br />

die Lebensform sind tief in <strong>de</strong>r islamischen<br />

Kultur verankert. Sie machen sie<br />

Am Kollaps:<br />

Französischer Religionsunterricht<br />

In Frankreich wird <strong>de</strong>r Religionsunterricht<br />

aufgrund <strong>de</strong>r laizistischen<br />

Verfassung außerhalb <strong>de</strong>s staatlichen<br />

Schulunterrichts erteilt. Inzwischen<br />

nimmt nur noch je<strong>de</strong>s dritte Kind zwischen<br />

acht und zwölf Jahren daran<br />

leil. 1993 waren es noch 45 Prozent,<br />

1945 neunzig Prozent. Darauf weist<br />

Bischof Christophe Dufour in „Le Figaro“<br />

hin.<br />

Quelle: Christ in <strong>de</strong>r Gegenwart, Nr. 8/07, S. 58.<br />

im Wesentlichen aus. Auf diese Weise<br />

wird die Religion zu einem spirituellen<br />

Haus, zur Heimat, aus <strong>de</strong>r sich niemand<br />

vertreiben lassen will, auch wenn er aus<br />

an<strong>de</strong>ren Grün<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Westen übergesie<strong>de</strong>lt<br />

ist. Diese lebensförmige Stärke<br />

<strong>de</strong>s Islam macht uns darauf aufmerksam,<br />

wo unsere Defizite liegen.<br />

Fast alles, was wir dort selbstverständlich<br />

aus- und eingeübt fin<strong>de</strong>n, gab es<br />

bei uns auch. Auch Ethnologen, die Experten<br />

<strong>de</strong>s interkulturellen Vergleichs,<br />

haben eine fast nostalgische Sympathie<br />

für die im Entschwin<strong>de</strong>n begriffenen<br />

sakralen Zeichensysteme einer alten<br />

christlichen Kultur. Thomas Hauschild,<br />

<strong>de</strong>r sich als doktrinaler Agnostiker gibt,<br />

hat sich jahrelang zu Feldforschungen<br />

in Süditalien aufgehalten und dort die<br />

Spuren eines archaischen Katholizismus<br />

mit großer Sympathie und Begeisterung<br />

erforscht. 2 Ist es nun realistisch,<br />

eine untergegangene Welt <strong>de</strong>r Maialtärchen,<br />

Bittgänge, Prozessionen, Wallfahrten<br />

und Andachten, <strong>de</strong>r Rosenkränze,<br />

<strong>de</strong>s Weihwassers und <strong>de</strong>s Weihrauchs<br />

wie<strong>de</strong>rbeleben zu wollen? Selbst wenn<br />

man um einer verlorenen Ganzheitlichkeit<br />

im religiösen Exerzitium willen<br />

dazu Anstalten machte, wäre die Gefahr<br />

groß, in pure Nostalgie o<strong>de</strong>r in<br />

Folklore abzugleiten. Aber Renaissancen<br />

sind möglich! Noch niemals hat<br />

eine Renaissance wirklich das wie<strong>de</strong>rgeboren,<br />

von <strong>de</strong>m sie sich mit <strong>de</strong>m<br />

Blick in die Vergangenheit hat anregen<br />

lassen. Es ist ja auch nicht nur <strong>de</strong>r Blick<br />

in die Vergangenheit, es ist auch <strong>de</strong>r<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

BEITRÄGE<br />

13


BEITRÄGE<br />

14<br />

Mehr Theologiestu<strong>de</strong>nten –<br />

aber nicht fürs Diplom<br />

Die Zahl <strong>de</strong>r katholischen Theologiestu<strong>de</strong>nten<br />

steigt wie<strong>de</strong>r an. Zum<br />

Wintersemester 2005/2006 zählte<br />

man in Deutschland insgesamt 20515<br />

Stu<strong>de</strong>nten. Das geht aus einer Statistik<br />

<strong>de</strong>r Bischofskonferenz hervor. Allerdings<br />

fällt auf, dass das Interesse<br />

am Diplom-Abschluss und an <strong>de</strong>r<br />

entsprechen<strong>de</strong>n kirchlichen Prüfung<br />

für Priester stark gesunken, das Interesse<br />

am Staatsexamen dagegen gestiegen<br />

ist. Die jungen Leute streben<br />

also nicht ein kirchliches Amt als<br />

Geistlicher o<strong>de</strong>r als Pastoralreferent<br />

an, son<strong>de</strong>rn wollen eher Religionslehrer<br />

wer<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>n Studienanfängern<br />

2005/2006 lag <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r<br />

„Diplom“-Stu<strong>de</strong>nten bei nur noch 43<br />

Prozent. Vor zehn Jahren betrug er<br />

noch siebzig Prozent. Auch die Zahl<br />

jener, die eine Doktorarbeit schreiben,<br />

nahm ab: Von 1202 (im Jahr<br />

1997/1998) auf 828 (im Jahr 2005/<br />

2006). Die beliebteste Universität <strong>de</strong>r<br />

Theologie ist nach wie vor Münster.<br />

Dort sind 2338 <strong>de</strong>r insgesamt 20515<br />

eingeschrieben. om<br />

Quelle: Christ in <strong>de</strong>r Gegenwart, Nr. 3/07, S. 20<br />

Blick in lebendige Vorbil<strong>de</strong>r in Afrika,<br />

in Indien und in die katholische Weltkirche,<br />

die oft einen reichen Schatz von<br />

nonverbalen Liturgien ausgebil<strong>de</strong>t hat.<br />

Für die Religionspädagogik wäre es<br />

gut, wenn man ohne Scheu vor <strong>de</strong>m binären<br />

Co<strong>de</strong> progressiv-konservativ<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

sich für die entstehen<strong>de</strong>n Formen neuer<br />

geistlicher Bewegungen öffnete, wie<br />

sie etwa in Sant’Egidio in Rom o<strong>de</strong>r in<br />

<strong>de</strong>r Gemeinschaft Emmanuel zu beobachten<br />

sind. Natürlich ist die ausgesetzte<br />

Monstranz mit <strong>de</strong>m Allerheiligsten<br />

etwas, was an Andachten erinnert, wie<br />

sie vor <strong>de</strong>m 2. Vatikanischen Konzil<br />

üblich waren. Die ausgesetzte Monstranz<br />

im vollen Kölner Stadion o<strong>de</strong>r bei<br />

einer Anbetung <strong>de</strong>r Gemeinschaft Emmanuel<br />

ist etwas Neues. Wichtig ist<br />

nur, dass die alteritären Zeichensysteme<br />

wie<strong>de</strong>rgewonnen wer<strong>de</strong>n.<br />

Dabei ist eines wichtig: Es gilt, das<br />

Missverständnis falscher Authentizität<br />

zu vermei<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r Hochzeit <strong>de</strong>r Liturgiereform<br />

waren die reformwilligen<br />

Priester angestrengt bestrebt, das<br />

Hochgebet und die an<strong>de</strong>ren festen Gebete<br />

<strong>de</strong>r Eucharistiefeier zwar im Wesentlichen<br />

zu treffen, aber in ihrer Sprache<br />

<strong>de</strong>n Anschein zu erwecken, als seien<br />

ihnen die Worte, die sie sprechen,<br />

soeben gedanklich aus <strong>de</strong>m Hirn entsprungen<br />

und somit authentisch. Was<br />

es heißt, sich etwas sagen zu lassen, eine<br />

Form zu benutzen und sie innerlich<br />

zu beleben und auszufüllen, das ist eines<br />

<strong>de</strong>r Geheimnisse gelungener Liturgie.<br />

Die performative Botschaft <strong>de</strong>s zelebrieren<strong>de</strong>n<br />

Priesters heißt: Ich trete in<br />

eine Figurine ein, ich zelebriere „in figura<br />

Christi“. Die Wie<strong>de</strong>rgewinnung<br />

einer Welt <strong>de</strong>r alteritären Zeichen, sollte<br />

daher nicht einen Workshop-Ehrgeiz<br />

entwickeln und eine unangebrachte<br />

Kreativität an <strong>de</strong>n Tag legen.<br />

Mystagogie kann ganz einfach<br />

sein. Wir lehren die Kin<strong>de</strong>r, wie Weih-<br />

wasser zu nehmen sei, wie eine Kirche<br />

zu betreten sei, wie und warum eine<br />

Kniebeuge zu machen sei, und je<strong>de</strong>s<br />

Ding hat bekanntlich seine Zeit. Wir<br />

lehren sie, mit Orten und Zeiten <strong>de</strong>r<br />

Stille umzugehen, zu gehen, zu stehen,<br />

zu beten und zu singen. Wir verhelfen<br />

ihnen zum Erlebnis einer singen<strong>de</strong>n<br />

und beten<strong>de</strong>n Gemeinschaft. Mystagogie<br />

hat ein<strong>de</strong>utig in <strong>de</strong>r Grundschule<br />

und davor im Elementarbereich ihre<br />

Konjunktur. Hier muss eine Selbstverständlichkeit<br />

erarbeitet wer<strong>de</strong>n, die<br />

dann später auch zu <strong>de</strong>r Teilnehmerperspektive<br />

die Beobachterperspektive<br />

treten lässt. Für die Sekundarstufen I<br />

und II wird die Beobachterperspektive<br />

und <strong>de</strong>r oben beschriebene Diskurs in<br />

<strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund treten müssen, wobei<br />

an Schulendtagen, bei beson<strong>de</strong>ren pädagogischen<br />

Gelegenheiten, beim Aufsuchen<br />

außerschulischer Lernorte auch<br />

das religiöse Exerzitium einen guten<br />

Platz fin<strong>de</strong>n sollte. Aber auch hier gilt<br />

<strong>de</strong>r Grundsatz: Ein Religionsunterricht,<br />

<strong>de</strong>r sich nur auf Kognition und Diskurs<br />

beschränkt, ist wie ein Musikunterricht,<br />

<strong>de</strong>r sich auf die Analyse <strong>de</strong>r Sonatenhauptsatzform,<br />

<strong>de</strong>s Quintenzirkels<br />

und <strong>de</strong>s Kontrapunktes beschränkte.<br />

Anmerkungen<br />

1 Assmann, Jan: Mose <strong>de</strong>r Ägypter. Entzifferung einer<br />

Gedächtnisspur – Frankfurt am Main: Verlag S. Fischer.<br />

5. Aufl. 2004.<br />

2<br />

Vgl. Hauschild, Thomas: Macht und Magie in Italien<br />

– Gifkendorf. 2002.<br />

Dr. Eckhard Nordhofen ist Leiter <strong>de</strong>s<br />

Dezernats Bildung und Kultur.


Jugend ohne Gott?<br />

Eckdaten zur Religiosität Jugendlicher<br />

„Jugend ohne Gott” titelte die<br />

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung<br />

in ihrer Weihnachtsausgabe und<br />

reiht sich damit ein in <strong>de</strong>n Strom <strong>de</strong>rer,<br />

die eine Säkularisierung <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen<br />

Gesellschaft voraussagen.<br />

Gleichzeitig wird aber auch eine Renaissance<br />

von Religion festgestellt.<br />

Die Mohammed-Karikaturen einer<br />

dänischen Zeitung führen zu ernsthaften<br />

politischen Verwerfungen und<br />

zum Boykott dänischer Waren durch<br />

Muslime. Und Papst Benedikt XVI.<br />

konstatiert auf <strong>de</strong>m Weltjugendtag in<br />

Köln, dass die Katholische Kirche<br />

jung sei. Wie ist es um die Religiosität<br />

heutiger Jugendlicher bestellt?<br />

Religiosität in einer<br />

mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft<br />

Das wesentliche Kennzeichen <strong>de</strong>s<br />

Alltags heutiger Jugendlicher ist die<br />

grundsätzliche Freisetzung <strong>de</strong>s Menschen<br />

aus traditionalen Zusammenhängen<br />

(Beck 1986). Viele Aufgaben <strong>de</strong>s<br />

täglichen Lebens, <strong>de</strong>ren Erledigung<br />

vormals durch Bräuche und althergebrachte<br />

Sitten vorbestimmt waren, liegen<br />

heute im Entscheidungsbereich <strong>de</strong>s<br />

einzelnen Menschen. Traditionen sind<br />

in solchen Entscheidungsvorgängen oft<br />

nur von begrenztem Wert, weil die Lebenserfahrungen<br />

vergangener Generationen<br />

in einer globalisierten und technisierten<br />

Welt nur ungenügen<strong>de</strong> Antworten<br />

bereit halten. Niemand kann garantieren,<br />

dass bewährte Strategien von<br />

gestern auch heute und morgen noch<br />

erfolgreich sind. Im religiösen Bereich<br />

hat diese Freisetzung aus Traditionen<br />

zu einem tief greifen<strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>l geführt<br />

(Gabriel 1993). Das Christentum<br />

ist nicht mehr die allgemein akzeptierte<br />

Leitreligion. Neben seine Glaubensüberzeugungen<br />

sind solche aus <strong>de</strong>m Is-<br />

lam, <strong>de</strong>n fernöstlichen Religionen o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Esoterik getreten. Zwar sind die<br />

bei<strong>de</strong>n christlichen Kirchen noch fest<br />

in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Gesellschaft verankert,<br />

ihre beson<strong>de</strong>re Stellung wird jedoch<br />

zunehmend hinterfragt, so etwa<br />

beim Religionsunterricht o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Kirchensteuer.<br />

Und die Religiosität <strong>de</strong>r<br />

einzelnen Menschen verliert erkennbare<br />

konfessionelle Züge, <strong>de</strong>nn die spirituellen<br />

Angebote <strong>de</strong>r Kirchen wie etwa<br />

<strong>de</strong>r Gottesdienst, das Sakrament <strong>de</strong>r<br />

Beichte o<strong>de</strong>r das Gebet verlieren an öffentlicher<br />

Akzeptanz.<br />

Die Loslösung aus althergebrachten<br />

Traditionen führt zu einer Vielfalt<br />

religiöser Ausdrucksformen (Englert<br />

2002). Das religiöse Feld setzt sich<br />

nicht nur aus <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Religionen<br />

und Konfessionen zusammen.<br />

Hier fin<strong>de</strong>n sich auch unterschiedliche<br />

Spielarten eines volkskirchlichen Christentums,<br />

spirituelle Angebote sektenartiger<br />

Gruppierungen, umfassen<strong>de</strong> Sinnmuster<br />

wie etwa ein ökologischer Lebensstil<br />

o<strong>de</strong>r sog. funktionale Äquivalente<br />

wie Sport o<strong>de</strong>r Konsum. Das Beson<strong>de</strong>re<br />

an <strong>de</strong>r Lebenssituation heutiger<br />

Jugendlicher ist nun, dass sie in diese<br />

religiöse Vielfalt hineingeboren sind.<br />

Sie kennen eine Gesellschaft, die durch<br />

feste Traditionen geprägt ist, praktisch<br />

nicht mehr und nehmen die plurale Gesellschaft<br />

als selbstverständlich wahr<br />

(Helsper 2000). Die Freiheit, selbst entschei<strong>de</strong>n<br />

zu können, an was man glauben<br />

kann und will, ist ein zentrales<br />

Kennzeichen <strong>de</strong>r Religiosität heutiger<br />

Jugendlicher. Sie gehen in ihrer Mehrzahl<br />

unbefangen mit <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />

religiösen Sinnangeboten um und<br />

entwerfen sich aus ihnen ihren eigenen<br />

Glauben. Sie greifen religiöse Symbole<br />

und Überzeugungen aus ihrer Umwelt<br />

auf und <strong>de</strong>uten sie im Rahmen ihres eigenen<br />

Lebens. In <strong>de</strong>r Folge setzt sich<br />

die religiöse Vielfalt, die die Gesell-<br />

schaft kennzeichnet, in <strong>de</strong>r Religiosität<br />

<strong>de</strong>r Jugendlichen fort. Im Detail lässt<br />

sich durchaus fragen, ob je<strong>de</strong> und je<strong>de</strong>r<br />

ein religiöser „Son<strong>de</strong>rfall“ sei (Dubach/<br />

Campiche 1993).<br />

Allerdings stehen <strong>de</strong>r Freisetzung<br />

aus Traditionen ebenso neue Formen<br />

<strong>de</strong>r sozialen Einbindung gegenüber<br />

(Beck 1986). Auch in einer mo<strong>de</strong>rnen<br />

Gesellschaft richtet die Umwelt bestimmte<br />

Erwartungen an <strong>de</strong>n Menschen,<br />

und er muss seine Lebensplanung<br />

mit <strong>de</strong>n Regeln <strong>de</strong>r einschlägigen<br />

Institutionen abgleichen. Im Bereich<br />

von Religion prägen z.B. christliche<br />

Grundüberzeugungen die Alltagskultur<br />

(Davie 2000). Fin<strong>de</strong>n Jugendliche etwa<br />

<strong>de</strong>n Gedanken <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rgeburt attraktiv,<br />

begrün<strong>de</strong>n sie dies mit <strong>de</strong>r Chance<br />

auf ein weiteres Leben (vgl. Sachau<br />

1998). Diese Wertschätzung <strong>de</strong>s Lebens<br />

ist aber ein typischer Zug <strong>de</strong>s<br />

Christentums und fin<strong>de</strong>t sich so in fernöstlichen<br />

Religionen nicht. Ferner gelten<br />

christlich-abendländische Prinzipien<br />

als selbstverständliche Grundlage<br />

<strong>de</strong>s öffentlichen Rechtssystems, wie<br />

sich z.B. an <strong>de</strong>r Kritik <strong>de</strong>r Scharia als<br />

Rechtsgrundlage in islamischen Gesellschaften<br />

zeigt. Schließlich fin<strong>de</strong>n<br />

sich viele religiöse Motive in Kunst<br />

und Architektur wie<strong>de</strong>r und wer<strong>de</strong>n an<br />

spirituellen Orten wie Taizé o<strong>de</strong>r Assisi<br />

und in religiösen Festen mit öffentlicher<br />

Be<strong>de</strong>utung wie etwa Weihnachten<br />

o<strong>de</strong>r Ostern weitergegeben. Die religiöse<br />

Vielfalt mün<strong>de</strong>t also nicht in ein<br />

konturloses Potpourri individueller Religiosität,<br />

son<strong>de</strong>rn hat verschie<strong>de</strong>ne religiöse<br />

Stile zur Folge.<br />

Grundzüge <strong>de</strong>r<br />

Religiosität Jugendlicher<br />

Ulrich Riegel<br />

In<strong>de</strong>m Jugendliche in einem mo<strong>de</strong>rnen<br />

Umfeld aufwachsen, färbt <strong>de</strong>s-<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

BEITRÄGE<br />

15


BEITRÄGE<br />

16<br />

sen Kontext auf ihre Religiosität ab. Im<br />

folgen<strong>de</strong>n Abschnitt soll dieser Zusammenhang<br />

anhand von vier typischen<br />

Fragestellungen nachgezeichnet wer<strong>de</strong>n.<br />

Es han<strong>de</strong>lt sich dabei um die<br />

Fragen:<br />

– Haben Religion und Kirche in einer<br />

mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft eine Zukunft?<br />

– Wie sehen Jugendliche das Verhältnis<br />

zwischen verschie<strong>de</strong>nen Religionen?<br />

– Halten Jugendliche religiöse Erfahrungen<br />

in einer mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft<br />

für möglich, und haben<br />

sie schon selbst <strong>de</strong>rartige Erfahrungen<br />

gemacht?<br />

– An welchen Gott glauben Jugendliche?<br />

Diese vier Fragen wur<strong>de</strong>n Jugendlichen<br />

2002 in einer Umfrage zu „Religiosität<br />

und Lebenseinstellung“ vorgelegt<br />

(Ziebertz/Riegel/Heil 2007). Sie<br />

besuchten in Aachen, Augsburg, Dortmund,<br />

Dres<strong>de</strong>n, Hil<strong>de</strong>sheim, Rostock<br />

o<strong>de</strong>r Würzburg die 11. Jahrgangsstufe<br />

eines Gymnasiums bzw. einer Gesamtschule.<br />

Insgesamt haben 1925 Jugendliche<br />

geantwortet, von <strong>de</strong>nen 55%<br />

weiblich sind. Knapp die Hälfte dieser<br />

Jugendlichen sind römisch-katholisch,<br />

ein knappes Viertel protestantisch und<br />

ein weiteres knappes Viertel ohne Bekenntnis<br />

1<br />

.<br />

Die Frage nach <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnitätsfähigkeit<br />

von Religion und Kirche bezieht<br />

sich auf <strong>de</strong>n gesellschaftlichen<br />

Ort von Religion. Grundzüge <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen<br />

Gesellschaft basieren auf naturwissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen, technischen<br />

Neuerungen und sozialen Errungenschaften,<br />

die vielfach gegen<br />

kirchliche Positionen durchgesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n mussten. Augenfälliger Höhe-<br />

punkt dieser<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

ist die<br />

sog. „Mo<strong>de</strong>rnismuskrise“<br />

im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt, in <strong>de</strong>ren<br />

Verlauf die Katholische Kirche wissenschaftliche<br />

Erkenntnisse auf <strong>de</strong>n In<strong>de</strong>x<br />

setze und ihre Überzeugungen in<br />

geschlossenen kirchlichen Milieus lebendig<br />

zu erhalten versuchte (Aubert<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

1985). Allerdings liegen diese Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen<br />

nun über ein Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

zurück, und es stellt sich die Frage,<br />

wie die Jugendlichen das Verhältnis<br />

von mo<strong>de</strong>rner Gesellschaft und Religion<br />

sehen. Stimmen sie hierin mit <strong>de</strong>n<br />

Vertretern <strong>de</strong>r Säkularisierungsthese<br />

überein, die davon ausgehen, dass die<br />

mo<strong>de</strong>rne Gesellschaft keiner Religion<br />

bedarf und religiöse Überzeugungen<br />

folglich mit <strong>de</strong>r Zeit verdunsten? O<strong>de</strong>r<br />

sehen Jugendliche in <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft<br />

einen Bedarf an religiösen<br />

Sinnangeboten, so dass es auch in Zukunft<br />

einen gesellschaftlichen Ort für<br />

Religion geben wird? Die Antwort auf<br />

diese Fragen hängt stark davon ab, ob<br />

man nach <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnitätsfähigkeit von<br />

Religion im Allgemeinen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Kirche<br />

im Beson<strong>de</strong>ren fragt. Hinsichtlich<br />

<strong>de</strong>r Zukunft von Religion sind sich die<br />

Jugendlichen mehrheitlich unsicher. Es<br />

ist für die Jugendlichen we<strong>de</strong>r ausge-<br />

macht, dass<br />

die mo<strong>de</strong>rne<br />

Gesellschaft<br />

<strong>de</strong>r Religion<br />

bedarf, noch sind sie davon überzeugt,<br />

dass die Gesellschaft ohne Religion<br />

auskommt. Die Mo<strong>de</strong>rnitätsfähigkeit<br />

von Religion ist für die Jugendlichen<br />

eine offene Frage. Bezeichnen<strong>de</strong>rweise<br />

sind weibliche Jugendliche bezüglich<br />

» Die Mo<strong>de</strong>rnitätsfähigkeit von Religion ist<br />

für die Jugendlichen eine offene Frage.<br />

Dr. Ulrich Riegel Foto: En<strong>de</strong>rs<br />

<strong>de</strong>r Zukunft von Religion etwas optimistischer<br />

als männliche. An<strong>de</strong>rs stellt<br />

sich die Situation dar, wenn man nach<br />

<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnitätsfähigkeit <strong>de</strong>r Kirche<br />

fragt. 54% <strong>de</strong>r Jugendlichen glauben,<br />

dass die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Kirche als orientieren<strong>de</strong><br />

Kraft immer mehr nachlässt.<br />

33% sind sich in dieser Hinsicht<br />

unsicher. Ferner meinen 25%, dass die<br />

Wi<strong>de</strong>rsprüchlichkeiten <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen<br />

Welt die Menschen wie<strong>de</strong>r verstärkt<br />

zum kirchlichen Glauben zurückführen,<br />

44% gehen jedoch davon aus, dass<br />

<strong>de</strong>m nicht so ist. Insgesamt erleben die<br />

Jugendlichen die Kirche mehrheitlich<br />

als nicht mehr zeitgemäß. Zwar sind<br />

auch in dieser Frage die weiblichen Jugendlichen<br />

weniger skeptisch als die<br />

männlichen, was jedoch nichts am Gesamteindruck<br />

än<strong>de</strong>rt. Fasst man diese<br />

Befun<strong>de</strong> zusammen, geben Jugendliche<br />

Religion durchaus eine Zukunft in<br />

einer mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft. Dies gilt<br />

jedoch nicht für die Kirche in ihrer aktuellen<br />

Verfasstheit.<br />

Neben <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnitätsfähigkeit<br />

von Religion greift die Frage nach <strong>de</strong>m<br />

Verhältnis zwischen <strong>de</strong>n Religionen einen<br />

charakteristischen Wesenszug <strong>de</strong>r<br />

Mo<strong>de</strong>rne auf. Wie oben gesehen, erweist<br />

sich die mo<strong>de</strong>rne Gesellschaft als<br />

religiös plural. Vor <strong>de</strong>m Hintergrund<br />

<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne gelten die verschie<strong>de</strong>nen


Religionen als prinzipiell gleichberechtigt.<br />

In einer aufgeklärten Gesellschaft<br />

gibt es keinen allgemein verbindlichen<br />

Maßstab, <strong>de</strong>r eine Religion<br />

als die einzig wahre auszeichnen wür<strong>de</strong>.<br />

Dies wi<strong>de</strong>rspricht jedoch <strong>de</strong>m Selbstverständnis<br />

<strong>de</strong>r abrahamitischen Religionen.<br />

Sie beanspruchen je<strong>de</strong> für sich<br />

die authentisch geoffenbarte Wahrheit<br />

zu vertreten. Dieser Anspruch wird z.T.<br />

exklusiv vertreten, so dass an<strong>de</strong>re Religionen<br />

keinen Anteil an dieser Wahrheit<br />

reklamieren können. Er wird aber<br />

auch inklusiv vertreten, wonach an<strong>de</strong>re<br />

Religionen insofern wahrheitsfähig sind,<br />

als sie <strong>de</strong>n Ansprüchen <strong>de</strong>r eigenen Religion<br />

gerecht wer<strong>de</strong>n. Wie sehen nun<br />

Jugendliche das Verhältnis <strong>de</strong>r Religionen?<br />

Stehen sie für eine eher multireligiöse<br />

Position, wie sie typisch ist für<br />

die mo<strong>de</strong>rne Gesellschaft? O<strong>de</strong>r stimmen<br />

sie einer monoreligiösen Position<br />

zu, wie sie typisch ist für die abrahamitischen<br />

Religionen? O<strong>de</strong>r vertreten<br />

sie eine interreligiöse Position, gemäß<br />

<strong>de</strong>r die Wahrheit nur im Dialog zwischen<br />

<strong>de</strong>n Religionen gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n<br />

kann? Nach <strong>de</strong>n empirischen Daten<br />

erweisen sich die Jugendlichen<br />

beim Verhältnis zwischen <strong>de</strong>n Religionen<br />

als Kin<strong>de</strong>r ihrer Zeit. Monoreligiöse<br />

Stimmen, nach <strong>de</strong>nen nur die<br />

eigene Religion <strong>de</strong>n wahren Weg zum<br />

Heil anbietet, wer<strong>de</strong>n von ihnen sehr<br />

stark abgelehnt. Solche Positionen<br />

treffen – zumin<strong>de</strong>st auf <strong>de</strong>n ersten<br />

Blick – auf keinerlei Verständnis bei<br />

<strong>de</strong>n Jugendlichen. Statt <strong>de</strong>ssen stimmen<br />

sie einer Haltung zu, nach <strong>de</strong>r alle<br />

Religionen gleichwertig sind. Geht<br />

man ins Detail, erleben Jugendliche<br />

die religiöse Vielfalt als stimulierend.<br />

Sie bietet verschie<strong>de</strong>ne Möglichkeiten,<br />

die eigene Religiosität zu entwickeln,<br />

und regt dazu an, die eigene Position<br />

zu hinterfragen. Hinsichtlich<br />

<strong>de</strong>r interreligiösen Position, die die<br />

Wahrheit im Dialog <strong>de</strong>r Religionen<br />

sucht, sind sich die Jugendlichen unsicher.<br />

Es liegt auf <strong>de</strong>r Hand, dass <strong>de</strong>r<br />

interreligiöse Dialog an sich keine<br />

schlechte Sache ist. Es gibt also keinen<br />

Grund, ihn abzulehnen. Allerdings<br />

setzt ein <strong>de</strong>rartiger Dialog ein<br />

gewisses religiöses Interesse und Engagement<br />

<strong>de</strong>r Teilnehmer voraus. Dieses<br />

muss unter <strong>de</strong>n Jugendlichen nicht<br />

gegeben sein. Fasst man die Befun<strong>de</strong><br />

zum Verhältnis <strong>de</strong>r Religionen zusammen,<br />

erweisen sich die Jugendlichen<br />

in ihrer Haltung als <strong>de</strong>utlich multireligiös.<br />

Monoreligiöse Positionen dagegen,<br />

seien sie exklusiv o<strong>de</strong>r inklusiv<br />

formuliert, fin<strong>de</strong>n kein Verständnis.<br />

Der dritte Fragebereich bezieht sich<br />

auf die Möglichkeit religiöser Erfahrungen.<br />

Die Erfahrung Gottes bzw. einer<br />

transzen<strong>de</strong>nten Wirklichkeit spielt<br />

eine zentrale Rolle im religiösen Erleben,<br />

und die Religionen kennen eine<br />

Vielzahl an Bil<strong>de</strong>rn, Symbolen, Erzählungen<br />

und Praktiken, in <strong>de</strong>nen sie <strong>de</strong>rartige<br />

Erfahrungen fassen. Allerdings<br />

gilt die Erfahrung einer transzen<strong>de</strong>nten<br />

Wirklichkeit in einer mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft<br />

nicht als selbstverständlich. Traditionelle<br />

Bil<strong>de</strong>r und Symbole für religiöse<br />

Erfahrungen bieten einer aufgeklärten<br />

Vernunft vielfach nur wenige<br />

Anknüpfungspunkte. Das Staunen angesichts<br />

einer unberührten Natur bleibt<br />

– wenn überhaupt – auf Urlaubserfahrungen<br />

etwa in <strong>de</strong>n Bergen o<strong>de</strong>r am<br />

Meer begrenzt. Und Erfahrungen von<br />

Sicherheit und Erlösung lassen sich<br />

vielfach schlüssig mit psychologischen<br />

Konzepten erklären. Religiöse Erfahrungen<br />

gehören nicht zum Alltag einer<br />

mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft. Von daher stellt<br />

sich die Frage, ob Jugendliche es überhaupt<br />

für möglich halten, dass <strong>de</strong>r<br />

Glaube einem Menschen Sicherheit<br />

verschaffen kann, dass Gott in Notsituationen<br />

helfen kann, dass ein Leben<br />

ohne Gott als sinnlos erfahren wer<strong>de</strong>n<br />

kann. Die von uns befragten Jugendlichen<br />

halten <strong>de</strong>rartige Erfahrungen<br />

durchaus für möglich. 86% glauben an<strong>de</strong>ren<br />

Menschen, wenn sie erzählen,<br />

dass ihnen ihr Glaube geholfen hat, in<br />

bestimmten Situationen nicht zu verzweifeln.<br />

77% halten es für möglich,<br />

dass Religion Sicherheit im Leben gibt,<br />

und etwa die Hälfte <strong>de</strong>r Jugendlichen<br />

glaubt, dass Gott in konkreten Notsituationen<br />

helfen kann. Lediglich die<br />

Erfahrung, dass ein Leben ohne Gott<br />

sinnlos ist, wird von <strong>de</strong>r Mehrheit <strong>de</strong>r<br />

Jugendlichen für unmöglich gehalten.<br />

Das liegt jedoch nahe, schließt sie doch<br />

ein sinnvolles Leben ohne Gottesbezug<br />

aus – und das wi<strong>de</strong>rspricht <strong>de</strong>r alltäglichen<br />

Erfahrung. Halten die meisten Jugendlichen<br />

religiöse Erfahrungen somit<br />

für möglich, be<strong>de</strong>utet das noch<br />

nicht, dass sie <strong>de</strong>rartige Erfahrungen<br />

bereits selbst gemacht haben. Eine Sicherheit<br />

im Leben, die aus <strong>de</strong>m Glauben<br />

heraus erwachsen ist, haben erst<br />

20% erfahren. 22% geben an, dass ihnen<br />

Gott in einer konkreten Notsituation<br />

geholfen hat, und 9% haben die Erfahrung<br />

gemacht, dass ein Leben ohne<br />

Gott sinnlos ist. Der prinzipiellen Möglichkeit<br />

zu religiöser Erfahrung steht<br />

somit ein faktisches Erfahrungs<strong>de</strong>fizit<br />

gegenüber. Wollen die Jugendlichen<br />

überhaupt religiöse Erfahrungen machen?<br />

Hier halten sich die zustimmen<strong>de</strong>n<br />

und verneinen<strong>de</strong>n Antworten in <strong>de</strong>r<br />

Regel die Waage. So gibt es nahezu<br />

ebenso viele Jugendliche, die eine Sicherheit<br />

im Leben durch <strong>de</strong>n Glauben<br />

erfahren möchten, wie solche, die sich<br />

dies nicht wünschen. Gleiches gilt für<br />

die Hilfe Gottes in Notsituationen und<br />

<strong>de</strong>n Beitrag <strong>de</strong>s Glaubens, in bestimmten<br />

Situationen nicht zu verzweifeln.<br />

Lediglich die Erfahrung, ein Leben ohne<br />

Gott sei sinnlos, wünschen sich 65%<br />

<strong>de</strong>r Jugendlichen nicht, und weitere<br />

23% sind in dieser Frage unentschie<strong>de</strong>n.<br />

Es ist also nicht so, dass sich die<br />

Mehrheit <strong>de</strong>r Jugendlichen wünscht,<br />

religiöse Erfahrungen zu machen. Fasst<br />

man <strong>de</strong>n empirischen Befund zu <strong>de</strong>n<br />

religiösen Erfahrungen zusammen, halten<br />

heutige Jugendliche <strong>de</strong>rartige Erlebnisse<br />

für möglich, ohne mehrheitlich<br />

solche bereits gemacht zu haben –<br />

und ohne sich solche mehrheitlich zu<br />

wünschen.<br />

Die vierte Frage richtet sich auf <strong>de</strong>n<br />

Gottesglauben <strong>de</strong>r Jugendlichen. In einer<br />

mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft fin<strong>de</strong>t sich<br />

eine Vielzahl von religiösen Traditionen,<br />

die jeweils ihr eigenes Gottesbild<br />

vertreten. Das Christentum und <strong>de</strong>r Islam<br />

teilen ein theistisches Konzept, das<br />

viele Gemeinsamkeiten, aber auch zentrale<br />

Unterschie<strong>de</strong> aufweist. Ferner lassen<br />

sich im Alltagsglauben verschie<strong>de</strong>-<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

BEITRÄGE<br />

17


BEITRÄGE<br />

18<br />

ne Ableitungen <strong>de</strong>s Theismus fin<strong>de</strong>n.<br />

Deistische Gottesbil<strong>de</strong>r etwa nehmen<br />

die Existenz Gottes an, ohne dieser<br />

Wirklichkeit eine Be<strong>de</strong>utung für die<br />

Gegenwart zuzuschreiben. Metatheis-<br />

tische Konzepte<br />

betonen die<br />

Transzen<strong>de</strong>nz<br />

Gottes, in<strong>de</strong>m<br />

sie von einer höheren<br />

Macht<br />

sprechen, über die nichts Genaues gesagt<br />

wer<strong>de</strong>n kann. Immanente Konzepte<br />

dagegen suchen Gott im zwischenmenschlichen<br />

Tun o<strong>de</strong>r im Inneren <strong>de</strong>s<br />

Menschen. Diesen im weitesten Sinn<br />

religiösen Gottesi<strong>de</strong>en stehen aber<br />

auch gottkritische Konzepte entgegen.<br />

Für Agnostiker etwa ist die Existenz<br />

Gottes eine offene Frage, die we<strong>de</strong>r<br />

bejaht noch verneint wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Religionskritiker lehnen dagegen die<br />

Existenz Gottes als eine Erfindung<br />

<strong>de</strong>r Kirchen ab, Atheisten aus pragmatischen<br />

o<strong>de</strong>r philosophischen Beweggrün<strong>de</strong>n.<br />

Ferner muss damit gerechnet<br />

wer<strong>de</strong>n, dass Menschen die<br />

Gottesi<strong>de</strong>e durch säkulare o<strong>de</strong>r mystische<br />

Äquivalente ersetzt haben. Aus<br />

naturwissenschaftlicher Perspektive<br />

lässt sich die Welt z.B. mit <strong>de</strong>m Konzept<br />

<strong>de</strong>r Evolution erklären. Man<br />

kann aber auch <strong>de</strong>n Kosmos als ganzheitliche<br />

Kraftquelle an die Stelle<br />

Gottes setzen. Wie verorten sich die<br />

Jugendlichen innerhalb dieses Spektrums?<br />

Die größte Zustimmung erfahren<br />

Aussagen, die Gott als <strong>de</strong>n Konvergenzpunkt<br />

<strong>de</strong>r Bemühungen sämtlicher<br />

Religionen darstellen. In dieser<br />

universalistischen Perspektive sucht<br />

je<strong>de</strong> Religion Gott auf die ihr eigene<br />

Weise. Sie stellt damit einen Zugang<br />

zu Gott zur Verfügung, Gott selbst ist<br />

aber min<strong>de</strong>stens die Summe dieser<br />

Zugänge, wenn nicht sogar mehr. Diese<br />

universalistische Haltung hat einen<br />

Mittelwert von 3,63, was auf einer<br />

Skala von 1 (= sehr starke Ablehnung)<br />

bis 5 (= sehr starke Zustimmung) einer<br />

starken Zustimmung entspricht.<br />

Auf <strong>de</strong>n Plätzen folgen eine agnostische<br />

Haltung, die nicht sagen kann,<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

» Die größte Zustimmung erfahren<br />

Aussagen, die Gott als <strong>de</strong>n Konvergenzpunkt<br />

<strong>de</strong>r Bemühungen sämtlicher<br />

Religionen darstellen.<br />

ob es Gott gibt (Mittelwert: 3,37) und<br />

eine säkulare Haltung, die die Welt<br />

ausschließlich durch natürliche Prozesse<br />

erklärt (Mittelwert: 3,36). Bei<strong>de</strong><br />

Konzepte sind für die befragten Ju-<br />

gendlichenplausibel und nachvollziehbar.<br />

Ebenfalls noch<br />

auf Zustimmung<br />

stößt eine metatheistische<br />

Haltung, die Gott als höhere<br />

Macht begreift (Mittelwert: 3,28).<br />

Bringt man diesen Befund auf einen<br />

Nenner, vertreten Jugendliche entwe<strong>de</strong>r<br />

ein säkulares Konzept, das auf naturwissenschaftlichen<br />

Annahmen aufbaut,<br />

o<strong>de</strong>r sie begreifen Gott als höhere<br />

Macht, die zwar irgendwie für die<br />

Wirklichkeit von Be<strong>de</strong>utung ist, wobei<br />

man jedoch nicht sagen kann, was<br />

diese Be<strong>de</strong>utung genau ausmacht. Bezeichnen<strong>de</strong>rweise<br />

lehnen die Jugendlichen<br />

im Durchschnitt alle religionskritischen<br />

o<strong>de</strong>r atheistischen Aussagen<br />

ab. Und auch explizit christliche<br />

Aussagen über Gott (z.B. „Es gibt einen<br />

Gott, <strong>de</strong>r sich in Jesus Christus zu<br />

erkennen gegeben hat“ o<strong>de</strong>r „Gott ist<br />

für mich <strong>de</strong>r Gott <strong>de</strong>r Bibel“) bleiben<br />

für sie ohne Be<strong>de</strong>utung.<br />

Zieht man eine erste Bilanz aus<br />

diesen Befun<strong>de</strong>n, die sämtlich auf<br />

Durchschnittswerten beruhen, lässt<br />

sich feststellen, dass die Religiosität<br />

<strong>de</strong>r Jugendlichen „mo<strong>de</strong>rne“ Züge<br />

trägt. Sie geht selbstverständlich von<br />

einer religiösen Vielfalt aus, die <strong>de</strong>n<br />

Verzicht auf exklusive Ansprüche einer<br />

konkreten religiösen Tradition<br />

einschließt. Ihr Gottesbild ist inhaltlich<br />

vage und unterbestimmt – wenn<br />

es nicht durch ein naturwissenschaftliches<br />

Konzept ersetzt ist. Erfahrungen,<br />

die als religiös gelten, haben nur<br />

wenige <strong>de</strong>r Befragten gemacht. Vor<br />

diesem Hintergrund sehen die Jugendlichen<br />

durchaus einen Bedarf<br />

<strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft für religiöse<br />

Impulse, sind mehrheitlich<br />

aber davon überzeugt, dass diese Impulse<br />

nicht von <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Kirchen<br />

in ihrer aktuellen Form ausgehen<br />

können.<br />

Charakteristische<br />

religiöse Stile Jugendlicher<br />

Es liegt auf <strong>de</strong>r Hand, dass Durchschnittswerte<br />

nur in Ausnahmefällen<br />

für <strong>de</strong>n einzelnen Jugendlichen zutreffen.<br />

Nach<strong>de</strong>m im zweiten Abschnitt sozusagen<br />

die „Großwetterlage“ dargestellt<br />

wur<strong>de</strong>, bleibt noch die Frage nach<br />

– um im Bild zu bleiben – <strong>de</strong>n „lokalen<br />

Wetterverhältnissen“ zu klären. Mit an<strong>de</strong>ren<br />

Worten: Welche unterschiedlichen<br />

religiösen Stile zeigen die Jugendlichen?<br />

Gibt es charakteristische<br />

Typen, die auf mehrere Jugendliche zutreffen,<br />

diese aber auch von an<strong>de</strong>ren Jugendlichen<br />

unterschei<strong>de</strong>n? In einer Untersuchung<br />

unterfränkischer Gymnasiasten<br />

konnten fünf <strong>de</strong>rartige typische<br />

religiöse Stile festgestellt wer<strong>de</strong>n (Ziebertz/Kalbheim/Riegel<br />

2003).<br />

Der erste Typ wur<strong>de</strong> „kirchlichchristlich“<br />

genannt. Diese Jugendlichen<br />

leben einen christlichen Glauben,<br />

wie er kirchlich repräsentiert ist. Sie sehen<br />

keinen Wi<strong>de</strong>rspruch zwischen Religion<br />

und mo<strong>de</strong>rner Gesellschaft und<br />

erkennen die Kirche als religiöse Gemeinschaft<br />

an, die vorlebt, was Glaube<br />

be<strong>de</strong>utet. Religion gilt ihnen als Orientierungshilfe<br />

für ihr eigenes Leben und<br />

Werte wie Gottvertrauen und Gläubig-<br />

Sein sind ihnen sehr wichtig. Sie nehmen<br />

häufig am sonntäglichen Gottesdienst<br />

teil, akzeptieren als einzige unter<br />

<strong>de</strong>n befragten Jugendlichen einen<br />

Religionsunterricht, <strong>de</strong>r ins Christentum<br />

einführen will, und greifen auf<br />

biblische Vorstellungen zurück, um ihr<br />

Gottesbild zu beschreiben. Entgegen<br />

mancher Klischeevorstellungen stimmen<br />

diese Jugendlichen mit Grundpositionen<br />

einer mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft<br />

überein: So akzeptieren sie gesellschaftliche<br />

und religiöse Pluralität und<br />

lehnen einen Exklusivanspruch <strong>de</strong>r<br />

Kirchen ab. Insgesamt zeigen kirchlich-christliche<br />

Jugendliche also eine<br />

religiöse Orientierung, die stark mit<br />

<strong>de</strong>n Überzeugungen <strong>de</strong>s kirchlich verfassten<br />

Christentums übereinstimmt.<br />

Sie haben darüber hinaus in ihrer Gemein<strong>de</strong><br />

eine Heimat gefun<strong>de</strong>n, die ihren<br />

Glauben sozial stützt.


Der zweite Typ ist <strong>de</strong>r „christlichautonome“.<br />

Diese Jugendlichen halten<br />

Religion und Mo<strong>de</strong>rne für miteinan<strong>de</strong>r<br />

vereinbar, orientieren ihr Leben<br />

an Religion, schätzen religiöse<br />

Werte als wichtig ein und nehmen relativ<br />

oft am sonntäglichen Gottesdienst<br />

teil. Allerdings sind christlichautonome<br />

Jugendliche fest davon<br />

überzeugt, dass je<strong>de</strong>r selbst herausfin<strong>de</strong>n<br />

muss, was er glauben will und<br />

kann. Einer religiösen Institution wie<br />

etwa <strong>de</strong>r Kirche schreiben sie in dieser<br />

Frage keine Autorität zu. Entsprechend<br />

schätzen sie einen Religionsunterricht,<br />

<strong>de</strong>r über Religion und Religionen<br />

informiert. Will <strong>de</strong>r Religionsunterricht<br />

ins Christentum einführen,<br />

lehnen sie ihn ab. Ferner halten sie<br />

Glauben außerhalb einer religiösen<br />

Gemeinschaft für möglich. In ihrem<br />

Gottesbild fin<strong>de</strong>n sich starke metatheistische<br />

und immanente Züge, d.h.<br />

sie stellen sich Gott als höhere Macht<br />

vor, die das Leben bestimmt und <strong>de</strong>n<br />

Menschen in seinem Innersten bewegt.<br />

Christlich-autonome Jugendliche<br />

nehmen am kirchlichen Leben<br />

teil, wahren dabei jedoch ihre individuelle<br />

Freiheit und setzen sich kritisch<br />

mit verschie<strong>de</strong>nen Glaubensrichtungen<br />

auseinan<strong>de</strong>r.<br />

Der dritte Typ heißt „konventionellreligiös“.<br />

Diese Jugendlichen bewegen<br />

sich bei nahezu allen Fragen im religiösen<br />

Mainstream. Auf die Frage, ob Religion<br />

und mo<strong>de</strong>rne Gesellschaft zusammenpassen,<br />

wissen sie nicht so<br />

recht zu antworten, <strong>de</strong>r Mittelwert zum<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Faktor liegt nur knapp<br />

oberhalb <strong>de</strong>s Mittelpunkts <strong>de</strong>r Skala.<br />

Das gilt auch für religiöse Werte wie<br />

Gottvertrauen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Wunsch, dass<br />

man von Gott durchs Leben begleitet<br />

wird. An kirchlich-religiöser Praxis<br />

nehmen sie nur gelegentlich Teil, hier<br />

vor allem an Festen wie Weihnachten<br />

o<strong>de</strong>r Ostern. Ebenso wird eine kirchliche<br />

Feier an <strong>de</strong>n Lebenswen<strong>de</strong>n Geburt,<br />

Eheschließung und Tod weitgehend<br />

akzeptiert. Dass es sich bei dieser<br />

Orientierung nicht um religiöse Indifferenz<br />

han<strong>de</strong>lt, zeigt <strong>de</strong>r Befund, dass<br />

diese Jugendlichen Religion als Orien-<br />

tierungs- und Lebenshilfe anerkennen<br />

und sich einen Religionsunterricht<br />

wünschen, <strong>de</strong>r über verschie<strong>de</strong>ne Religionen<br />

informiert. Insgesamt ist Religion<br />

für konventionell-religiöse Jugendliche<br />

also kein vorherrschen<strong>de</strong>s Thema<br />

und ihr Verhältnis zu religiösen Einstellungen<br />

und religiösen Gruppen ist unverbindlich.<br />

Sie befin<strong>de</strong>n sich quasi in<br />

einem religiösen Moratorium.<br />

Der vierte Stil beschreibt eine<br />

„autonom-religiöse“ Religiosität.<br />

Seine charakteristischen Merkmale<br />

sind <strong>de</strong>r Wille zur religiösen Selbstbestimmung<br />

und die starke Abgrenzung<br />

gegenüber <strong>de</strong>m kirchlich verfassten<br />

Christentum. Autonom-religiöse Jugendliche<br />

nehmen praktisch nicht am<br />

kirchlichen Leben teil und lehnen einen<br />

Exklusivanspruch <strong>de</strong>r Kirchen<br />

sowie Werte wie Gottvertrauen o<strong>de</strong>r<br />

Gläubigsein ab. Religion und Mo<strong>de</strong>rne<br />

passen für sie nicht zusammen,<br />

wobei sie Religion stark mit <strong>de</strong>m<br />

kirchlichen Christentum verbin<strong>de</strong>n.<br />

Religiöse Autonomie ist für diese Jugendlichen<br />

jedoch nicht mit einer areligiösen<br />

Einstellung i<strong>de</strong>ntisch. Sie akzeptieren<br />

Religion als Orientierungshilfe<br />

für das eigene Leben und vertreten<br />

immanente und metatheistische<br />

Gottesvorstellungen. Sie sind also<br />

von <strong>de</strong>r Existenz einer höheren Macht<br />

überzeugt, die sich in <strong>de</strong>r Welt und im<br />

eigenen Leben zeigt. Biblische Bil<strong>de</strong>r<br />

für Gott lehnen sie dagegen ab. Autonom-religiöse<br />

Jugendliche legen großen<br />

Wert auf ihre religiöse Selbstbestimmung,<br />

was sich in einer institutionskritischen,<br />

aber nicht anti-religiösen<br />

Einstellung äußert. Sie setzen sich<br />

mit verschie<strong>de</strong>nen spirituellen Angeboten<br />

auseinan<strong>de</strong>r und „basteln“ sich<br />

ihren persönlichen Glauben im Rückgriff<br />

auf verschie<strong>de</strong>ne religiöse Traditionen.<br />

Als fünfte Gruppe konnten „nichtreligiöse“<br />

Jugendliche i<strong>de</strong>ntifiziert wer<strong>de</strong>n.<br />

Sie sind davon überzeugt, dass Religion<br />

und Mo<strong>de</strong>rne unvereinbar sind,<br />

können sich nicht vorstellen, dass Religion<br />

ihrem Leben Orientierung geben<br />

könnte und lehnen religiöse Werte und<br />

die Existenz Gottes ab. Sie nehmen<br />

nicht an kirchlich-religiösen Vollzügen<br />

teil, lehnen unabhängig von seinen Zielen<br />

Religionsunterricht ab und wünschen<br />

sich auch nicht, selbst einmal religiöse<br />

Erfahrungen zu machen. Religions-<br />

und gottkritischen Aussagen stimmen<br />

sie als einzige Gruppe dagegen<br />

stets zu. Nicht-religiöse Jugendliche<br />

gewinnen religiösen Angeboten für<br />

sich selbst also keine Be<strong>de</strong>utung ab. Allerdings<br />

können sie anerkennen, dass<br />

Religion für an<strong>de</strong>re Menschen relevant<br />

sein mag. Jugendliche dieses Typs sind<br />

nicht atheistisch in i<strong>de</strong>ologischem Sinn.<br />

Sie kämpfen nicht gegen Religion. Sie<br />

haben mit Religion nichts im Sinn: Sie<br />

sind nicht religiös.<br />

Wie wür<strong>de</strong>n sich Jugendliche aus<br />

diesen Stilen in einem „Supermarkt“<br />

verhalten, in <strong>de</strong>m je<strong>de</strong> religiöse Tradition<br />

ein eigenes Regal mit ihren Angeboten<br />

beliefern wür<strong>de</strong>? Kirchlich-christliche<br />

Jugendliche wür<strong>de</strong>n zielstrebig<br />

zum Regal „Christentum“ laufen und<br />

unbefangen auf alle Waren zugreifen.<br />

Christlich-autonome Jugendliche wür<strong>de</strong>n<br />

zwar auch ausschließlich zum Regal<br />

„Christentum“ gehen. Sie wür<strong>de</strong>n<br />

aber bei je<strong>de</strong>r Ware zuerst <strong>de</strong>n Beipackzettel<br />

lesen und dann entschei<strong>de</strong>n, ob<br />

das Angebot in <strong>de</strong>n Einkaufskorb gelegt<br />

o<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r ins Regal zurückgestellt<br />

wird. Konventionell-religiöse Jugendliche<br />

wür<strong>de</strong>n, bevor sie <strong>de</strong>n Supermarkt<br />

betreten, die einschlägigen Bestseller-Listen<br />

studieren und im Supermarkt<br />

dann die Angebote aus <strong>de</strong>n Top<br />

Ten mitnehmen. In Deutschland ist<br />

noch damit zu rechnen, dass diese Top<br />

Ten vor allem im Regal „Christentum“<br />

zu fin<strong>de</strong>n sind. Autonom-religiöse Jugendliche<br />

wür<strong>de</strong>n sich wie ihre christlich-autonomen<br />

Altersgenossen verhalten<br />

– mit <strong>de</strong>m zentralen Unterschied,<br />

dass sie das Regal „Christentum“ mei<strong>de</strong>n<br />

und alle an<strong>de</strong>ren Regale nach passen<strong>de</strong>n<br />

Angeboten absuchen. Nicht religiöse<br />

Jugendliche schließlich wür<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>n Supermarkt erst gar nicht betreten.<br />

Hier fin<strong>de</strong>n sie nicht, was sie<br />

suchen. Allerdings wür<strong>de</strong>n sie auch<br />

nicht nach <strong>de</strong>n Jugendlichen, die aus<br />

<strong>de</strong>m Supermarkt kommen, mit Steinen<br />

schmeißen.<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

BEITRÄGE<br />

19


BEITRÄGE<br />

20<br />

Diskussion<br />

Was be<strong>de</strong>uten nun die verschie<strong>de</strong>nen<br />

Befun<strong>de</strong> dieses Beitrags? Eine erste<br />

Frage gilt <strong>de</strong>r Verallgemeinerung.<br />

Bei<strong>de</strong> Studien sind nicht repräsentativ<br />

im Blick auf Jugendliche in Deutschland.<br />

Die Durchschnittsdaten wur<strong>de</strong>n<br />

zwar in allen Teilen Deutschlands gesammelt,<br />

sie wur<strong>de</strong>n aber nur von<br />

Gymnasiasten bzw. Gesamtschülern<br />

erhoben. Und die beschriebene Typologie<br />

religiöser Stile fußt auf Daten unterfränkischer<br />

Gymnasiasten. Eine<br />

Verallgemeinerung <strong>de</strong>r Daten aus sich<br />

heraus ist also nicht möglich. Allerdings<br />

entsprechen die beschriebenen<br />

Durchschnittswerte <strong>de</strong>m Bild <strong>de</strong>r Religiosität<br />

Jugendlicher, wie sie auch in<br />

repräsentativen Studien dargestellt<br />

wird (vgl. Feige 1993, Fuchs-Heinritz<br />

2000, Gensicke 2006, Helsper 2000).<br />

Sie sind somit geeignet, die vorliegen<strong>de</strong>n<br />

Befun<strong>de</strong> zu bestätigen, zu ergänzen<br />

und zu differenzieren. Zieht man diese<br />

Linien aus, bleibt festzuhalten, dass die<br />

Religiosität Jugendlicher stark individualisiert<br />

ist. Dies be<strong>de</strong>utet, dass die<br />

Jugendlichen mehrheitlich selbst entschei<strong>de</strong>n<br />

wollen, was sie glauben und<br />

welche religiöse Überzeugung ihr Leben<br />

trägt. Diese Individualisierung ist<br />

verbun<strong>de</strong>n mit einer Relativierung<br />

christlicher Erzählungen, Symbole und<br />

Praktiken zu Gunsten einer großen Offenheit<br />

gegenüber an<strong>de</strong>ren religiösen<br />

Traditionen. Dies muss nicht notwendig<br />

auf eine Erosion <strong>de</strong>s Christentums<br />

hinauslaufen. Die Kirchen sind immer<br />

noch gesellschaftlich fest verankert<br />

und christliche Werte und Überzeugungen<br />

bil<strong>de</strong>n vielmals <strong>de</strong>n latenten Hintergrund<br />

jugendlicher Sinnkonstruktion<br />

(vgl. Davie 2000, Hervieu-Léger<br />

2000). In <strong>de</strong>r Offenheit gegenüber an<strong>de</strong>ren<br />

religiösen Traditionen kann also<br />

auch die Chance liegen, christliche<br />

Konzepte in eine mo<strong>de</strong>rne Gesellschaft<br />

hinein zu tradieren. Hier könnte eine<br />

Aufgabe <strong>de</strong>s Religionsunterrichts liegen<br />

(vgl. auch <strong>de</strong>n Beitrag zur abduktiven<br />

Korrelation in diesem Heft).<br />

Die Typologie religiöser Stile fin<strong>de</strong>t<br />

ebenfalls Entsprechungen in empi-<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

rischen Studien (vgl. Fischer/Schöll<br />

1998, Sandt 1996, Streib 2001). Dass<br />

es die beschriebenen Typen gibt, steht<br />

damit außer Frage. Allerdings lässt sich<br />

ihre Verteilung in Unterfranken nicht<br />

auf das Bun<strong>de</strong>sgebiet verallgemeinern.<br />

Im Blick auf <strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />

ist dies jedoch nicht von Be<strong>de</strong>utung.<br />

Religionslehrerinnen und -lehrer haben<br />

es immer mit einer spezifischen Klassensituation<br />

zu tun, die praktisch nie<br />

mit <strong>de</strong>m bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen Durchschnitt<br />

übereinstimmt. Es gehört daher<br />

zu <strong>de</strong>n grundlegen<strong>de</strong>n Aufgaben <strong>de</strong>r<br />

Unterrichtsvorbereitung, die Lernbedingungen<br />

innerhalb <strong>de</strong>r Klasse zu erfassen.<br />

Dazu kann die vorgestellte Typologie<br />

beitragen. Sie bietet eine Perspektive<br />

an, die Religiosität nicht an<br />

das Christentum bin<strong>de</strong>t und <strong>de</strong>ren verschie<strong>de</strong>ne<br />

Typen nicht ohne weiters in<br />

ein Gut-Böse-Schema eingeordnet<br />

wer<strong>de</strong>n können. In diesem Sinn kann<br />

die Typologie<br />

nicht nur helfen,<br />

die jeweiligeLerngruppe<br />

besser<br />

zu beschreiben.<br />

Sie kann auch herangezogen wer<strong>de</strong>n<br />

zur Hinterfragung <strong>de</strong>r eigenen<br />

Normativität. Welchem Typ gehört<br />

meine Sympathie? Wen spreche ich mit<br />

meinem Religionsunterricht an? Wen<br />

kann und will ich ansprechen? Was be<strong>de</strong>utet<br />

es für meinen Unterricht, wenn<br />

ich nicht religiöse Schülerinnen und<br />

Schüler stärker berücksichtige? Was,<br />

wenn es die autonom-religiösen sind?<br />

usw.<br />

Lässt sich diese Perspektive auch in<br />

einer Grundschule nutzen? Empirisch<br />

kann diese Frage (noch) nicht beantwortet<br />

wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn es liegen keine<br />

einschlägigen Daten vor. Allerdings<br />

lässt sich die Typologie theoretisch<br />

schlüssig auf das religiöse Leben in <strong>de</strong>n<br />

Elternhäusern <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r übertragen.<br />

So sind kirchlich-christliche Elternhäuser<br />

ebenso <strong>de</strong>nkbar, wie christlich-autonome,<br />

konventionell-religiöse, autonom-religiöse<br />

und nicht religiöse. Die<br />

Kin<strong>de</strong>r wür<strong>de</strong>n dann im Sinn <strong>de</strong>s charakteristischen<br />

religiösen Stils im El-<br />

ternhaus sozialisiert und diesen religiösen<br />

Stil auch im Unterricht zeigen. Dabei<br />

gilt es zu be<strong>de</strong>nken, dass Grundschulkin<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>n jeweiligen religiösen<br />

Stil mit <strong>de</strong>n ihnen zu Gebote stehen<strong>de</strong>n<br />

entwicklungsbedingten Mitteln und<br />

Möglichkeiten umsetzen. Autonom-religiöse<br />

Kin<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n sich also nicht<br />

wie autonom-religiöse Jugendliche<br />

verhalten. Aber diesen Kin<strong>de</strong>rn wer<strong>de</strong>n<br />

an<strong>de</strong>re religiöse Erzählungen, Symbole<br />

und Praktiken selbstverständlich sein<br />

als kirchlich-christlichen Kin<strong>de</strong>rn. So<br />

könnten Räucherstäbchen und ein afrikanischer<br />

Totem Teil ihres Glaubens<br />

sein, was sie von Kin<strong>de</strong>rn aus an<strong>de</strong>ren<br />

Elternhäusern unterschei<strong>de</strong>t.<br />

Bezieht man die empirischen Befun<strong>de</strong><br />

auf <strong>de</strong>n Titel <strong>de</strong>s Beitrags, so<br />

lässt sich keine „Jugend ohne Gott“<br />

feststellen. Die Durchschnittswerte<br />

verweisen auf eine individualisierte<br />

Religiosität, die nicht mehr die ein<strong>de</strong>u-<br />

tige Signatur<br />

einer bestimmtenreligiösenTradition<br />

trägt.<br />

In dieser Hinsicht<br />

kann man zwar nach <strong>de</strong>n christlichen<br />

Bezügen dieser Religiosität fragen.<br />

Diese Frage ist aber nicht gleichbe<strong>de</strong>utend<br />

mit einer vollständig säkularisierten<br />

Haltung, wie sie <strong>de</strong>r Titel an<strong>de</strong>utet.<br />

Auch von <strong>de</strong>n fünf Stilen entspricht<br />

nur einer einer gottlosen Haltung. Sie<br />

mag in manchen Regionen Ost<strong>de</strong>utschlands<br />

dominant sein. Als Zustandsbeschreibung<br />

„<strong>de</strong>r Jugend“ taugt sie aber<br />

nicht. Statt auf eine vollständige Säkularisierung<br />

verweisen die Daten eher auf<br />

eine Pluralisierung <strong>de</strong>r Religiosität Jugendlicher<br />

mit stark individualisiertem<br />

Grundzug. In diesem Sinn eint die Jugendlichen<br />

die Be<strong>de</strong>utung religiöser Autonomie:<br />

Religiosität gleich welchen<br />

Stils muss individuell plausibel sein.<br />

Dies weist aber weniger auf eine religiöse<br />

Krise hin <strong>de</strong>nn auf die Möglichkeit zu<br />

frei ausgeübter Religiosität. Darüber hinaus<br />

empfin<strong>de</strong>n die Jugendlichen religiöse<br />

Vielfalt als stimulierend. Sie erleben<br />

diese Vielfalt mehrheitlich als Chance,<br />

Anregungen und Impulse für ihren ei-<br />

» In <strong>de</strong>r Offenheit gegenüber an<strong>de</strong>ren religiösen<br />

Traditionen kann die Chance liegen,<br />

christliche Konzepte in eine mo<strong>de</strong>rne<br />

Gesellschaft hinein zu tradieren.


genen Glauben zu bekommen. In diesem<br />

Sinn ist religiöse Pluralität produktiv und<br />

kann zu bewussteren Glaubenshaltungen<br />

führen. Im Blick auf das Christentum<br />

be<strong>de</strong>utet das, dass es immer wie<strong>de</strong>r<br />

neu begreiflich machen muss, warum<br />

diese nun über 2000 Jahre alte Überzeugung<br />

auch in einer mo<strong>de</strong>rnen und immer<br />

stärker globalisieren<strong>de</strong>n Gesellschaft<br />

Sinn und Be<strong>de</strong>utung hat. Dies ist aber<br />

<strong>de</strong>r inhaltliche Kern von Tradition.<br />

Anmerkung:<br />

1 Näheres zur Stichprobe, zum Hintergrund <strong>de</strong>r Untersuchung<br />

und zu <strong>de</strong>n empirischen Befun<strong>de</strong>n fin<strong>de</strong>t<br />

man im <strong>de</strong>mnächst erscheinen<strong>de</strong>n Band „Letzte Sicherheiten“<br />

von Hans-Georg Ziebertz, Ulrich Riegel<br />

und Stefan Heil.<br />

Dr. Ulrich Riegel ist Wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Lehrstuhl für Religionspädagogik<br />

und Didaktik <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />

<strong>de</strong>r Julius-Maximilians-Universität<br />

Würzburg.<br />

Literatur:<br />

Aubert, R. (1985): Die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung zwischen<br />

Katholizismus und Liberalismus, in: Jedin, H. (Hg.):<br />

Handbuch <strong>de</strong>r Kirchengeschichte. Band VI/1 – Freiburg,<br />

696-760.<br />

Beck, U. (1986): Risikogesellschaft. Auf <strong>de</strong>m Weg in eine<br />

an<strong>de</strong>re Mo<strong>de</strong>rne – Frankfurt.<br />

Davie, G. (2000): Religion in Mo<strong>de</strong>rn Europe – Oxford.<br />

Dubach, A./Campiche, R.J. (1993): Je<strong>de</strong>(r) ein Son<strong>de</strong>rfall?<br />

Religion in <strong>de</strong>r Schweiz – Zürich.<br />

Englert, R. (2002): Dimensionen religiöser Pluralität, in:<br />

Schweitzer, F./Englert, R./Schwab, U./Ziebertz, H.-G.: Entwurf<br />

einer pluralitätsfähigen Religionspädagogik – Gütersloh/Freiburg.<br />

17-51.<br />

Feige, A. (1993): Jugend und Religion, in: Krüger, H.-H.<br />

(Hg.): Handbuch <strong>de</strong>r Jugendforschung – Opla<strong>de</strong>n, 543-<br />

558.<br />

Fischer, D./Schöll, A. (1998): Lebenspraxis und Religion.<br />

Fallanalysen zur subjektiven Religiosität Jugendlicher<br />

(2. korr. Aufl.) – Gütersloh.<br />

Fuchs-Heinritz, W. (2000): Religion, in: Deutsche Shell<br />

(Hg.): Jugend 2000. 13. Shell Jugendstudie. Band 1 – Opla<strong>de</strong>n.<br />

157-180.<br />

Gabriel, K. (1993): Christentum zwischen Tradition und<br />

Postmo<strong>de</strong>rne – Freiburg.<br />

Gensicke, Th. (2006): Jugend und Religiosität, in: Dt.<br />

Shell (Hg.): Jugend 2006. 15. Shell-Jugendstudie –<br />

Frankfurt. 203-239.<br />

Helsper, W. (2000): Jugend und Religion, in: San<strong>de</strong>r, U./<br />

Vollbrecht, R. (Hg.): Jugend im 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt – Neuwied/Berlin.<br />

279-314.<br />

Hervieu-Léger, D. (2000): Religion as a Chain of Memory<br />

– Oxford.<br />

Sachau, R. (1998): Individueller Synkretismus als Lebensform<br />

mo<strong>de</strong>rner Religiosität. Westliche Reinkarnati-<br />

onsvorstellungen im Kontext neuzeitlichen Christentums,<br />

in: Fechtner, K./Haspel M. (Hg.): Religion in <strong>de</strong>r Lebenswelt<br />

<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne – Stuttgart/Berlin/Köln. 67-87.<br />

Sandt, F.-O. (1996): Religiosität von Jugendlichen in <strong>de</strong>r<br />

multikulturellen Gesellschaft. Eine qualitative Untersuchung<br />

zu atheistischen, christlichen, spiritualistischen<br />

und muslimischen Orientierungen – München.<br />

Streib, H. (2001): Faith Development Theory Revisted:<br />

The Religious Styles Perspective, in: The International<br />

Journal for the Psychology of Religion, 11/3, 143-158.<br />

Ziebertz, H.-G./Kalbheim, B./Riegel U. (2003): Religiöse<br />

Signaturen heute. Ein religionspädagogischer Beitrag<br />

zur empirischen Jugendforschung – Gütersloh/Freiburg.<br />

Ziebertz, H.-G./Riegel, U./Heil, St. (2007): Letzte Sicherheiten.<br />

Eine empirische Studie zu Weltbil<strong>de</strong>rn Jugendlicher<br />

– Gütersloh/Freiburg (im Erscheinen).<br />

Veröffentlichungen Dr. Ulrich Riegel:<br />

Riegel, Ulrich: Gott und Gen<strong>de</strong>r. Eine empirisch-religionspädagogische<br />

Untersuchung nach Geschlechtsvorstellungen<br />

in Gotteskonzepten (Empirische Theologie).<br />

– Münster u.a.: LIT Verlag. 2004. 416 S., Abb. (ISBN 978-<br />

3-8258-7559-6)<br />

Ziebert, Hans G./Kalbheim, Boris/Riegel, Ulrich: Religiöse<br />

Signaturen heute (Religionspädagogik in pluraler<br />

Gesellschaft). – Freiburg u.a..: Verlag Her<strong>de</strong>r / Gütersloh:<br />

Gütersloher Verlagshaus. 2003. 443 S. (ISBN 978-3-<br />

451-28069-6)<br />

Ziebert, Hans G./Riegel, Ulrich/Heil, Stefan: Letzte Sicherheiten.<br />

Eine empirische Studie zu Weltbil<strong>de</strong>rn Jugendlicher.<br />

– Freiburg u.a.: Verlag Her<strong>de</strong>r / Gütersloh:<br />

Gütersloher Verlagshaus. 2007.<br />

Abduktive Korrelation<br />

Konzept und religionspädagogische Be<strong>de</strong>utung<br />

Wie soll man im Religionsunterricht<br />

mit Schülerinnen und Schülern<br />

umgehen, <strong>de</strong>nen ein Bezug zum gelebten<br />

Christentum fehlt? Bis vor kurzem<br />

lautete die selbstverständliche Antwort<br />

auf diese Herausfor<strong>de</strong>rung: korrelativ!<br />

Diese Überzeugung wur<strong>de</strong> durch die<br />

Debatte um die Korrelationsdidaktik<br />

Anfang dieses Jahrtausends erschüttert.<br />

Ist die Entfremdung heutiger Kin<strong>de</strong>r<br />

und Jugendlicher vom christlichen<br />

Glauben nicht zu groß, um überhaupt<br />

noch seriöse Anknüpfungspunkte für<br />

christliche Überzeugungen zu fin<strong>de</strong>n?<br />

Das Konzept <strong>de</strong>r abduktiven Korrelati-<br />

on, das hier skizziert wer<strong>de</strong>n soll, stellt<br />

sich dieser Herausfor<strong>de</strong>rung.<br />

Die Diskussion um das<br />

Konzept <strong>de</strong>r Korrelation<br />

Die Anfänge <strong>de</strong>r Korrelationsdidaktik<br />

liegen in <strong>de</strong>n Erfahrungen <strong>de</strong>s<br />

Zweiten Vatikanischen Konzils. Auf<br />

ihm wur<strong>de</strong> sich die Kirche <strong>de</strong>r Differenzen<br />

zwischen gelebtem und überliefertem<br />

Glauben wie<strong>de</strong>r stärker bewusst<br />

und betonte in <strong>de</strong>r Konstitution „Gaudium<br />

et Spes“ die pastorale Dimension<br />

<strong>de</strong>s christlichen Glaubens. Die Deut-<br />

Ulrich Riegel<br />

schen Bischöfe griffen diese Beziehung<br />

zwischen Glaube und Leben im<br />

Syno<strong>de</strong>nbeschluss „Der Religionsunterricht<br />

an <strong>de</strong>r Schule“ (1974) auf. Auf<br />

<strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s sog. „Konvergenzmo<strong>de</strong>lls“<br />

begrün<strong>de</strong>ten sie <strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />

sowohl pädagogisch als<br />

auch theologisch. Diese Konvergenz<br />

von Lebenswelt und Tradition wur<strong>de</strong><br />

anschließend im Konzept <strong>de</strong>r Korrelation<br />

religionsdidaktisch ausformuliert.<br />

In ihrem Kern geht es <strong>de</strong>r Korrelationsdidaktik<br />

um das Zusammenspiel von<br />

alltäglicher Lebenswelt und überliefertem<br />

Glauben, wobei dieses Zusammen-<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

BEITRÄGE<br />

21


BEITRÄGE<br />

22<br />

spiel als wechselseitige Verschränkung<br />

bzw. Kritik begriffen wird (Baudler<br />

1984; Bitter 1981; Hilger/Reilly 1993;<br />

Mette 1994; Niehl 1980). Auf <strong>de</strong>r einen<br />

Seite stellt <strong>de</strong>r überlieferte Glaube<br />

Maßstäbe und Richtlinien zur Verfügung,<br />

die heutigem Leben Sinn und<br />

Orientierung geben können. Auf <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren Seite verortet <strong>de</strong>r lebensweltliche<br />

Blick die christliche Tradition in<br />

<strong>de</strong>r Gegenwart und verleiht ihr auf diese<br />

Weise aktuelle Be<strong>de</strong>utung.<br />

Ziel <strong>de</strong>s korrelativen Ansatzes ist<br />

es, zwei Engführungen religiöser Erziehung<br />

zu vermei<strong>de</strong>n (Hilger 2001a,<br />

322-324). Er setzt materialkerygmatischen<br />

Ansätzen, die die Tradition als<br />

abgeschlossenes System wohl <strong>de</strong>finierter<br />

Wahrheiten und Vollzüge ohne Bezug<br />

zum konkreten Leben vermitteln,<br />

die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Lebenslage <strong>de</strong>r<br />

Schülerinnen und Schüler entgegen.<br />

Ferner betont er gegenüber problemorientierten<br />

Ansätzen, die von <strong>de</strong>n Fragen<br />

<strong>de</strong>r Lernen<strong>de</strong>n ausgehend nach<br />

Antworten in <strong>de</strong>r Tradition suchen, die<br />

Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r gewachsenen Gestalt<br />

christlicher Überzeugungen.<br />

Allerdings stellt bereits die praktische<br />

Umsetzung <strong>de</strong>s korrelativen Ansatzes<br />

eine große Herausfor<strong>de</strong>rung<br />

dar. Lässt sich Korrelation durch didaktische<br />

Arrangements anregen?<br />

Georg Baudler (1979, 96-209) schlägt<br />

hierzu zwei Wege vor: Der erste Weg<br />

geht von <strong>de</strong>r Lebenssituation <strong>de</strong>r<br />

Schülerinnen und Schüler aus und<br />

führt zum Dialog mit <strong>de</strong>m christlichen<br />

Glauben. Dieser Weg führt nach<br />

Baudler zu einer „situativ-existenziellen<br />

Konzentration <strong>de</strong>s Glaubens“. Der<br />

zweite Weg nimmt Aspekte <strong>de</strong>s Glaubens<br />

zum Anlass, sie in einem lebensweltlichen<br />

Kontext zu hinterfragen.<br />

Dieser Weg bewirkt nach Baudler eine<br />

„analytisch-assoziative Übertragung“<br />

<strong>de</strong>s christlichen Glaubens in die Lebenswelt<br />

<strong>de</strong>r Schülerinnen und Schüler<br />

hinein.<br />

Bei<strong>de</strong> Wege zeigen bereits an, dass<br />

das Wechselspiel zwischen Tradition<br />

und Lebenswelt nicht ohne Probleme<br />

ist (vgl. Hilger 2001b, 1109-1110). So<br />

wird eine Dominanz <strong>de</strong>r christlichen<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

Tradition gegenüber <strong>de</strong>r Lebenswelt<br />

ebenso angemahnt wie das Fehlen seriöser<br />

theologischer Ansätze im Versuch,<br />

christlichen Glauben heute be<strong>de</strong>utsam<br />

wer<strong>de</strong>n zu lassen. Auch wird<br />

gefragt, ob die analytische Unterscheidung<br />

zwischen Tradition und Lebenswelt<br />

nicht etwas trenne, was konstitutiv<br />

zusammen gehöre. Georg Hilger bilanziert,<br />

dass diese Anfragen das inspirieren<strong>de</strong><br />

Konzept <strong>de</strong>r Korrelation weiter<br />

zu profilieren suchen. Dabei erkennen<br />

sie die grundsätzliche Unverzichtbarkeit<br />

einer korrelativen Theologie für einen<br />

theologisch verantworteten Religionsunterricht<br />

an.<br />

Grundsätzlicher fragt Thomas Ruster<br />

(2000) <strong>de</strong>n korrelativen Ansatz an.<br />

Im Sinn <strong>de</strong>r Säkularisierungsthese geht<br />

Ruster davon aus, dass heutige Kin<strong>de</strong>r<br />

und Jugendliche in ihrer überwiegen<strong>de</strong>n<br />

Mehrzahl bestenfalls rudimentäre<br />

Kenntnisse gelebten Christentums mit<br />

in <strong>de</strong>n Religionsunterricht bringen.<br />

Schülerinnen und Schüler aber, die mit<br />

Gott nichts mehr anfangen könnten,<br />

hätten auch nichts, woran sie anschließen<br />

könnten (vgl. Werbick 1993). Im<br />

besten Fall wür<strong>de</strong>n funktionale Äquivalente<br />

korreliert, was aber zu unsachgemäßen<br />

Einträgen in die christliche<br />

Überlieferung führe. Angesichts dieses<br />

Dilemmas schlägt Ruster eine sachgemäße<br />

christliche Instruktion im Religionsunterricht<br />

vor, um auf dieser Basis<br />

das eigene Leben in <strong>de</strong>n Blick zu nehmen.<br />

Analog dazu plädiert Burkard<br />

Porzelt für eine „respektieren<strong>de</strong> Konfrontation“<br />

im Unterricht (2000).<br />

Fasst man die Diskussion um die<br />

Korrelationsdidaktik zusammen, stellt<br />

sich vor allem das Zusammenspiel von<br />

Tradition und Lebenswelt als proble-<br />

matisch dar.<br />

Auf <strong>de</strong>r einen<br />

Seite fin<strong>de</strong>n<br />

sich <strong>de</strong>duktive<br />

Ansätze,<br />

die <strong>de</strong>n über-<br />

lieferten Glauben in die Lebenswelt <strong>de</strong>r<br />

Schülerinnen und Schüler hinein vermitteln<br />

wollen. Sie stehen im Horizont<br />

<strong>de</strong>s korrelativen Ansatzes in <strong>de</strong>r Gefahr,<br />

die Gegenwart ausschließlich in-<br />

strumentell zu berücksichtigen. In <strong>de</strong>r<br />

Folge bliebe <strong>de</strong>r vermittelte Glaube ohne<br />

Be<strong>de</strong>utung für die Gegenwart. Auf<br />

<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite fin<strong>de</strong>n sich induktive<br />

Ansätze, die ausgehend von konkreten<br />

lebensweltlichen Problemstellungen<br />

nach Antworten aus <strong>de</strong>m Glauben suchen.<br />

Sie stehen im Horizont <strong>de</strong>s korrelativen<br />

Ansatzes in <strong>de</strong>r Gefahr, die Entstehungsgeschichte<br />

<strong>de</strong>r christlichen<br />

Überlieferung zu missachten und <strong>de</strong>n<br />

Glauben zu funktionalisieren.<br />

Das Konzept <strong>de</strong>r Abduktion<br />

und seine religionspädagogische<br />

Be<strong>de</strong>utung<br />

Das Konzept <strong>de</strong>r abduktiven Korrelation<br />

will angesichts <strong>de</strong>s skizzierten<br />

Dilemmas die wechselseitige Verschränkung<br />

von Tradition und Lebenswelt<br />

in <strong>de</strong>r Balance halten. Dazu greift<br />

es auf das Konzept <strong>de</strong>r Abduktion zurück,<br />

wie es von Charles San<strong>de</strong>rs Peirce<br />

(1839-1914) formuliert wur<strong>de</strong>.<br />

Abduktion stellt nach Peirce einen<br />

dritten Weg logischer Schlussfolgerung<br />

neben <strong>de</strong>r Deduktion und <strong>de</strong>r Induktion<br />

dar (vgl. Harthshorne/Weiß<br />

1958). Bei <strong>de</strong>r Deduktion wird in einem<br />

Fall, <strong>de</strong>r bekannt ist, anhand einer<br />

ebenfalls bekannten Regel auf ein noch<br />

unbekanntes Resultat geschlossen. Im<br />

Religionsunterricht könnte etwa gemäß<br />

<strong>de</strong>r Regel, dass alle Menschen, die auf<br />

Gott vertrauen, <strong>de</strong>ssen Gna<strong>de</strong> erfahren,<br />

im Fall von Gen 22, in <strong>de</strong>m Abraham<br />

Gott vertraut, darauf geschlossen wer<strong>de</strong>n,<br />

dass sich Gott Abraham gegenüber<br />

als gnädig erweisen wird (vgl. Heil<br />

2006, 78-80). Bei <strong>de</strong>r Induktion wird<br />

von einem bekannten Fall und einem<br />

bekannten Resultat auf eine unbekann-<br />

te Regel geschlossen.<br />

Im<br />

Religionsunterricht<br />

läge<br />

ein induktiver<br />

Schluss<br />

vor, wenn durch die Lektüre von Gen<br />

22, gemäß <strong>de</strong>r Abraham auf Gott vertraut<br />

(Fall) und <strong>de</strong>shalb Gottes Gna<strong>de</strong><br />

erfährt (Resultat), darauf geschlossen<br />

wird, dass Gott sich allen Menschen,<br />

» Das Konzept <strong>de</strong>r abduktiven Korrelation<br />

will die wechselseitige Verschränkung<br />

von Tradition und Lebenswelt in <strong>de</strong>r Balance<br />

halten.


die ihm vertrauen, gnädig erweist (Regel).<br />

Abduktives Schlussfolgern be<strong>de</strong>utet<br />

nach Peirce nun, gemäß einer bekannten<br />

Regel anhand eines bekannten<br />

Resultats nach möglichen Fällen zu su-<br />

chen. Wenn<br />

etwa <strong>de</strong>r Zusammenhang<br />

zwischen<br />

<strong>de</strong>m Vertrau-<br />

en in Gott und Gottes Gna<strong>de</strong>nerweisen<br />

bekannt ist und in Gen 22 erkannt wur<strong>de</strong>,<br />

dass sich Gott Abraham gegenüber<br />

als gnädig erwiesen hat, so liegt es nahe,<br />

dass Abraham Gott vertraut hat.<br />

Das Beson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>s abduktiven<br />

Schlusses ist, dass er zwar möglich,<br />

aber nicht notwendig ist. Abduktives<br />

Schlussfolgern heißt immer, Hypothesen<br />

über mögliche bzw. wahrscheinliche<br />

Rahmenbedingungen zu erstellen,<br />

innerhalb <strong>de</strong>rer eine bekannte Regel zu<br />

einem bekannten Resultat führen kann.<br />

Damit bedürfen abduktive Schlüsse<br />

immer einer Überprüfung. Deutlich<br />

wird dieser Zusammenhang im klassischen<br />

Beispiel <strong>de</strong>tektivischer Arbeit<br />

(Schulz 2003). Hier liegt ein Resultat<br />

vor, nämlich <strong>de</strong>r Anlass, weswegen <strong>de</strong>r<br />

Detektiv engagiert wur<strong>de</strong>. Außer<strong>de</strong>m<br />

hat ein guter Detektiv ein bestimmtes<br />

kriminologisches Grundwissen zur<br />

Verfügung, d.h. einen Überblick über<br />

verschie<strong>de</strong>ne Regelhaftigkeiten. Die<br />

Aufgabe <strong>de</strong>s Detektivs besteht darin,<br />

durch Recherche und Kombination von<br />

Indizien <strong>de</strong>n Fall zu lösen, d.h. ein<br />

mögliches Szenario zu entwickeln und<br />

zu beweisen. Das Beispiel belegt aber<br />

nicht nur die Notwendigkeit einer<br />

Überprüfung abduktiver Schlüsse. Es<br />

verweist auch auf die Tatsache, dass in<br />

<strong>de</strong>r Abduktion Neues entstehen kann.<br />

„Durch Abduktion wer<strong>de</strong>n bisher unverbun<strong>de</strong>ne<br />

Elemente als Erklärung für<br />

bisher unerklärte Phänomene zusammengebracht.“<br />

(Heil 2006, 81). Zieht<br />

man nochmals Gen 22 heran, so steht<br />

das Gottesbild dieser Perikope sicher<br />

im Wi<strong>de</strong>rspruch zu alltagsweltlichen<br />

Vorstellungen: In <strong>de</strong>r Regel wird Gott<br />

in Gen 22 als zynisch erlebt. Eugen Drewermann<br />

bietet in dieser Hinsicht eine<br />

abduktive Auflösung <strong>de</strong>s Dilemmas, in-<br />

<strong>de</strong>m er Abraham als archetypisches Beispiel<br />

für das Loslassen erwachsen wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r<br />

Kin<strong>de</strong>r durch ihre Eltern begreift<br />

(1986). Gott erscheint in dieser Lesart<br />

nicht mehr als zynisch, son<strong>de</strong>rn als Ka-<br />

talysatordieses Prozesses.<br />

Dies erreicht<br />

Drewermann,<br />

in<strong>de</strong>m er die<br />

Konstellation aus Gen 22 durch psychoanalytische<br />

Sachverhalte neu arrangiert.<br />

In <strong>de</strong>r Abduktion wer<strong>de</strong>n also erklären<strong>de</strong><br />

Hypothesen zu überraschen<strong>de</strong>n Tatsachen<br />

gebil<strong>de</strong>t. Das Ergebnis bleibt<br />

vorerst hypothetisch. Die Abduktion beschreibt<br />

somit ein kreatives Wahrnehmungsurteil<br />

(vgl. Prokopf/Heil/Ziebertz<br />

2003, 90-91).<br />

Die religionspädagogische Be<strong>de</strong>utung<br />

<strong>de</strong>s abduktiven Ansatzes liegt zum<br />

einen in seiner Fähigkeit, <strong>de</strong>n Ort neuer<br />

Erkenntnisse im Forschungsprozess systematisch<br />

erfassen zu können. Bisherige<br />

Mo<strong>de</strong>lle arbeiteten vor allem mit <strong>de</strong>m<br />

Zusammenspiel <strong>de</strong>duktiver und induktiver<br />

Verfahren (vgl. Ven 1990, Ziebertz<br />

2004). Aus bei<strong>de</strong>n Arten <strong>de</strong>s Schlussfolgerns<br />

gehen jedoch keine neuen Erkenntnisse<br />

hervor (Kelle 1996, 160). Stefan<br />

Heil entwickelt <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>n empirischtheologischen<br />

Zyklus dahin gehend weiter,<br />

dass er die Orte abduktiver Schlüsse<br />

in diesem Prozess verortet (Heil 2006,<br />

42-51). Er kann damit transparent machen,<br />

wo im Forschungsprozess neuartige<br />

Hypothesen entstehen, und an welcher<br />

Stelle sie mit <strong>de</strong>duktiven und induktiven<br />

Verfahren überprüft wer<strong>de</strong>n.<br />

Zum an<strong>de</strong>ren liegt die religionspädagogische<br />

Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Abduktion<br />

darin, dass sie einen neuen Zugang zur<br />

empfun<strong>de</strong>nen Differenz zwischen Tradition<br />

und Lebenswelt anbietet. Mit ihr<br />

ist es möglich, das Anliegen <strong>de</strong>r Korrelationsdidaktik<br />

in einem religiös pluralen<br />

Umfeld aufrecht zu erhalten.<br />

» Das Beson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>s abduktiven Schlusses<br />

ist, dass er zwar möglich, aber nicht notwendig<br />

ist.<br />

Das Konzept <strong>de</strong>r<br />

abduktiven Korrelation<br />

Das Konzept <strong>de</strong>r abduktiven Korrelation<br />

setzt bei <strong>de</strong>r Annahme an, dass in<br />

<strong>de</strong>n vorfindlichen Erfahrungen heuti-<br />

ger Kin<strong>de</strong>r und Jugendlicher substanzielle<br />

und/o<strong>de</strong>r funktionale Elemente<br />

<strong>de</strong>r christlichen Überlieferung in ihrer<br />

jeweiligen kulturellen Transformation<br />

enthalten sind (Ziebertz/Heil/Prokopf<br />

2003, 17-21). Dies ist eine möglicherweise<br />

überraschen<strong>de</strong> These angesichts<br />

<strong>de</strong>r diagnostizierten Erosion <strong>de</strong>s Christentums<br />

in einer mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft.<br />

Sie kann sich jedoch auf verschie<strong>de</strong>ne<br />

empirische Befun<strong>de</strong> stützen.<br />

So belegen Studien zur Religiosität Jugendlicher<br />

eher eine religiöse Pluralisierung<br />

als eine Säkularisierung <strong>de</strong>r Jugend<br />

(siehe Beitrag in diesem Heft).<br />

Ferner zeigen kulturethnologische Studien,<br />

dass die europäische Kultur von<br />

christlichen Residuen durchzogen ist<br />

(Davie 2000; Hervieu-Legér 2000).<br />

Noch sind <strong>de</strong>r Sonntag und christliche<br />

Feiertage wie Weihnachten und Ostern<br />

beson<strong>de</strong>re Tage, gibt es ein Gespür für<br />

Werte wie Barmherzigkeit und Nächstenliebe,<br />

lassen sich Kunst und Musik<br />

durch religiöse Symbole und Erzählungen<br />

inspirieren, erregen romanische<br />

und gotische Kathedralen die Aufmerksamkeit<br />

von Touristen und wer<strong>de</strong>n<br />

die Geburt eines Kin<strong>de</strong>s, die Hochzeit<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Abschied von einem Verstorbenen<br />

im kirchlichen Rahmen gefeiert.<br />

Diese Residuen stehen für die<br />

tiefe Verwurzelung <strong>de</strong>r abendländischen<br />

Kultur im Christentum. Es liegt<br />

auf <strong>de</strong>r Hand, dass es sich hierbei nicht<br />

um einen bewussten und im dogmatischen<br />

Sinn korrekten Glauben han<strong>de</strong>lt.<br />

Allerdings wi<strong>de</strong>rsprechen diese Belege<br />

<strong>de</strong>r Annahme einer vollständig säkularisierten<br />

Gesellschaft. Sie verweisen<br />

auf Sinnhorizonte, die kulturell vom<br />

Christentum überformt sind (Daiber<br />

1996).<br />

Akzeptiert man die Annahme, dass<br />

auch die gegenwärtige Kultur von –<br />

u.U. latenten – christlichen Sinnmustern<br />

durchzogen ist, wird die Metapher<br />

vom Graben zwischen tradierten Überzeugungen<br />

und Lebenswelt hinfällig.<br />

Was sollte diesen Graben markieren?<br />

Verzichtet man auf die Grabenmetapher,<br />

kann man davon ausgehen, dass<br />

in je<strong>de</strong>r lebensweltlichen Erfahrung,<br />

die religiös assoziiert wer<strong>de</strong>n kann,<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

BEITRÄGE<br />

23


BEITRÄGE<br />

24<br />

christliche Sinnmuster verwoben sind.<br />

Erfahrungen stellen sich in dieser Perspektive<br />

als komplexe Gemengelage<br />

verschie<strong>de</strong>ner Sinnbezüge dar. Sind<br />

diese Erfahrungen religiös anschlussfähig,<br />

spielen – zumin<strong>de</strong>st im Kontext<br />

<strong>de</strong>s Religionsunterrichts – auch christliche<br />

Bezüge eine Rolle. Diese Bezüge<br />

können bewusst sein, aber auch unbewusst.<br />

Sie können in einen kirchlich<br />

gestützten Glauben verwoben sein, in<br />

eine sog. Patchwork-Religiosität o<strong>de</strong>r<br />

auch nur situativ aktiviert wer<strong>de</strong>n. Will<br />

man diese Konstellation veranschaulichen,<br />

muss die Metapher <strong>de</strong>s Grabens<br />

durch das Bild <strong>de</strong>s Zeichens ersetzt<br />

wer<strong>de</strong>n. Das Zeichen repräsentiert bzw.<br />

symbolisiert die betreffen<strong>de</strong> Erfahrung.<br />

In ihm durchdringen sich Tradition<br />

und Lebenswelt, wobei bei<strong>de</strong> Größen<br />

hier nur in analytischer Absicht unterschie<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n (vgl. Abb).<br />

Abduktives Korrelieren im Religionsunterricht<br />

be<strong>de</strong>utet angesichts<br />

dieses Szenarios, die komplexe Gemengelage<br />

aus unterschiedlichen Sinnbezügen<br />

aufzu<strong>de</strong>cken. Es geht um die<br />

Rekonstruktion <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Zugänge,<br />

die Schülerinnen und Schüler<br />

zum behan<strong>de</strong>lten Thema einbringen,<br />

wobei <strong>de</strong>r Religionsunterricht ein beson<strong>de</strong>res<br />

Interesse an <strong>de</strong>n theologischen<br />

Perspektiven – auch in ihrer lebensweltlichen<br />

Präsenz – hat. Die obige<br />

Abbildung kann also <strong>de</strong>rart auf <strong>de</strong>n<br />

Religionsunterricht übertragen wer<strong>de</strong>n,<br />

als das Zeichen für das Thema<br />

steht, mit <strong>de</strong>m sich die Lerngruppe auseinan<strong>de</strong>rsetzt.<br />

In <strong>de</strong>n Zugängen <strong>de</strong>r<br />

Schülerinnen und Schüler sind lebensweltliche<br />

wie theologische Perspektiven<br />

ebenso präsent wie in <strong>de</strong>n Zugängen<br />

<strong>de</strong>r Lehrkraft. In einem abduktiv<br />

angelegten Unterricht geht es nun darum,<br />

diese Durchdringung aufzu<strong>de</strong>cken<br />

und die Bezügen zwischen <strong>de</strong>n<br />

verschie<strong>de</strong>nen Perspektiven zu rekonstruieren.<br />

Der hypothetische Charakter <strong>de</strong>r<br />

Abduktion kommt in diesem Prozess in<br />

doppelter Weise zum Tragen. Erstens<br />

können die Schülerinnen und Schüler<br />

in <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>n<br />

theologischen und lebensweltlichen<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

Perspektiven verschie<strong>de</strong>ne Szenarien<br />

entwickeln, die ihnen im Blick auf das<br />

Thema plausibel erscheinen. Dieser<br />

Prozess entspricht <strong>de</strong>r Konstruktion erklären<strong>de</strong>r<br />

Hypothesen aus bislang unverbun<strong>de</strong>nen<br />

Elementen im Blick auf<br />

ein überraschen<strong>de</strong>s Phänomen. Auf<br />

diese Weise eröffnet sich <strong>de</strong>n Schülerinnen<br />

und Schülern eine vielfältige<br />

Welt im Horizont <strong>de</strong>r verhan<strong>de</strong>lten<br />

Thematik. Diese Szenarien bedürfen<br />

freilich <strong>de</strong>r Überprüfung. Das kann im<br />

Abgleich <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Szenarien<br />

untereinan<strong>de</strong>r und mit <strong>de</strong>m aktuellen<br />

theologischen Stand <strong>de</strong>r Diskussion<br />

geschehen. Im Sinn <strong>de</strong>r Abduktion geht<br />

es bei diesem Abgleich nicht darum,<br />

die theologische Perspektive als einzig<br />

wahre zu vermitteln. Vielmehr geht es<br />

darum, dass die Schülerinnen und<br />

Schüler eine für sie selbst plausible<br />

Perspektive auf die Thematik entwickeln,<br />

die eine verantwortete Position<br />

gegenüber <strong>de</strong>n Perspektiven <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

und <strong>de</strong>r Tradition darstellt.<br />

Ein abduktiv angelegter Unterricht<br />

zu Gen 22 könnte etwa so aussehen,<br />

dass die Perikope bis zum Auftrag Gottes<br />

an Abraham erzählt wird. In einer<br />

folgen<strong>de</strong>n Gruppenarbeit wird die Geschichte<br />

zu En<strong>de</strong> geschrieben. Die<br />

Bandbreite dieser Geschichten kann<br />

von <strong>de</strong>r Ablehnung <strong>de</strong>s Auftrags um<br />

<strong>de</strong>r Liebe zu<br />

Isaak willen,<br />

über das Verhan<strong>de</strong>ln<br />

Abrahams<br />

mit Gott bzgl.<br />

<strong>de</strong>s Opfergegenstands bis hin zum Ausführen<br />

<strong>de</strong>s Auftrags ohne Eingreifen<br />

Gottes gehen. Eventuell wird auch Gen<br />

22 nacherzählt. Ergibt sich die dargestellte<br />

Bandbreite, können die Erzählungen<br />

miteinan<strong>de</strong>r und mit Gen 22<br />

verglichen wer<strong>de</strong>n. Dabei tauschen<br />

sich die Schülerinnen und Schüler über<br />

die verschie<strong>de</strong>nen Erzähllogiken aus<br />

und erleben, wo ihre eigene Geschichte<br />

für an<strong>de</strong>re nachvollziehbar ist und wo<br />

sie auf Unverständnis stößt. Ferner<br />

können sie erkennen, inwieweit ihre eigene<br />

Argumentation überzeugt, und inwieweit<br />

sie die Argumentation <strong>de</strong>r an-<br />

<strong>de</strong>ren fesselt. Ferner entwickeln sie im<br />

Abgleich ihrer Szenarien mit Gen 22<br />

ein tieferes Verständnis für die biblische<br />

Erzählung und die theologischen<br />

Positionen, die mit ihr verbun<strong>de</strong>n sind.<br />

Das Ergebnis kann eine neue Perspektive<br />

auf Gen 22 sein, die persönlich plausibel<br />

und theologisch aufgeklärt(er) ist.<br />

Stellt sich die skizzierte Bandbreite<br />

nicht ein – etwa wenn alle Gruppen<br />

Gen 22 reproduzieren –, geht die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

um die Erzähllogik<br />

<strong>de</strong>r vorgelegten Geschichte. Hier liegt<br />

<strong>de</strong>r Schwerpunkt <strong>de</strong>s Unterrichtsgesprächs<br />

auf <strong>de</strong>n Perspektiven, die die<br />

Schülerinnen und Schüler dazu bewegten,<br />

die Geschichte so und nicht an<strong>de</strong>rs<br />

zu schreiben. Wie<strong>de</strong>rum beginnt <strong>de</strong>r<br />

Tanz verschie<strong>de</strong>ner Argumentationen<br />

mit <strong>de</strong>m soeben beschriebenen Effekt.<br />

Abduktives Schlussfolgern als<br />

Kennzeichen religionspädagogischer<br />

Professionalität<br />

Der hypothetische Charakter <strong>de</strong>r<br />

Abduktion kommt außer<strong>de</strong>m im Han<strong>de</strong>ln<br />

<strong>de</strong>r Lehrkraft zum Ausdruck. Im<br />

Unterrichtsgespräch äußern sich die<br />

Schülerinnen und Schüler in ihrer<br />

Sprache. Religiöse Aussagen haben damit<br />

nicht die Gestalt dogmatischer Formulierungen<br />

und theologischer Konzepte,son-<br />

<strong>de</strong>rn liegen in<br />

lebensweltlichenFormulierungen<br />

vor.<br />

Um angemessen<br />

reagieren zu können, muss sich<br />

die Lehrkraft ein Urteil sowohl über<br />

<strong>de</strong>n lebensweltlichen Kontext <strong>de</strong>r Formulierung<br />

als auch über mögliche<br />

theologische Anknüpfungspunkte bil<strong>de</strong>n.<br />

Bei<strong>de</strong>s kann nur <strong>de</strong>n Charakter einer<br />

Hypothese haben, die sich im weiteren<br />

Unterrichtsgespräch als angemessen<br />

o<strong>de</strong>r unangemessen herausstellen<br />

wird.<br />

Andreas Prokopf veranschaulicht<br />

das Hypothetische dieser Urteilsbildung<br />

in <strong>de</strong>r Interpretation eines Interviewausschnitts<br />

mit einer Jugendlichen<br />

(Prokopf/Heil/Ziebertz 2003, 98-108).<br />

» Mit <strong>de</strong>r Abduktionsdidaktik ist es möglich,<br />

das Anliegen <strong>de</strong>r Korrelationsdidaktik<br />

in einem religiös pluralen Umfeld aufrecht<br />

zu erhalten.


Die Jugendliche antwortet auf die Frage,<br />

ob sie sich etwas dabei <strong>de</strong>nke, wenn<br />

sie das Kreuz sehe, sehr ambivalent.<br />

Auf <strong>de</strong>r einen Seite ist das Kreuz in ihrem<br />

Alltag sehr präsent und mit nur wenig<br />

attraktiven Gehalten verknüpft<br />

(z.B. <strong>de</strong>m Korpus <strong>de</strong>s lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Christus).<br />

Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite veranlasst<br />

sie das Schulkreuz immer wie<strong>de</strong>r, ihre<br />

Gedanken schweifen zu lassen, und sie<br />

erlebt schlichte Kreuze durchaus als<br />

Kraftspen<strong>de</strong>r. „Die Attraktivität <strong>de</strong>s<br />

Kreuzes schwankt bei Claudia 1<br />

im täglichen<br />

Umgang zwischen Unerheblichkeit<br />

und höchstem Interesse.“ (ebd.<br />

101) Wie lässt sich diese Differenz erklären?<br />

Claudias Interesse kann a) ein<br />

zufälliges schweifen lassen <strong>de</strong>r Gedanken<br />

sein, das durch <strong>de</strong>n Anblick <strong>de</strong>s<br />

Kreuzes ausgelöst wird, b) dadurch gespeist<br />

wer<strong>de</strong>n, dass das Kreuz ihre subjektive<br />

Welt transzendiert, o<strong>de</strong>r c)<br />

durch eine archetypische Kraft <strong>de</strong>s<br />

Kreuzes verursacht wer<strong>de</strong>n. Alle drei<br />

Hypothesen sind für sich genommen<br />

plausible Erklärungen <strong>de</strong>r Differenz<br />

zwischen Unerheblichkeit und Interesse.<br />

Sie stellen die Äußerungen Claudias<br />

in einen je-<br />

weilsspezifischenKontext, <strong>de</strong>r ihnen<br />

eine konkreteBe<strong>de</strong>utungzuschreibt.<br />

Alle<br />

drei Szenarien<br />

sind mögliche, aber nicht notwendig<br />

zutreffen<strong>de</strong> Erklärungsmuster.<br />

Welches <strong>de</strong>r Position Claudias am<br />

nächsten kommt, muss in <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

mit Claudia herausgefun<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n. Ohne <strong>de</strong>n Spielraum,<br />

<strong>de</strong>n die drei Szenarien eröffnen, bliebe<br />

Claudias Position jedoch im dunkeln.<br />

Nach Stefan Heil ist die Kompetenz,<br />

abduktiv zu schließen, ein Ausdruck<br />

religionspädagogischer Professionalität<br />

(2006). Letztere besteht u.a.<br />

darin, „auf Be<strong>de</strong>utungen von Zeichen<br />

individueller Religiosität von Schülerinnen<br />

und Schülern durch die fallspezifische<br />

Transformation <strong>de</strong>s theologischen<br />

Repertoires reflexiv zu schließen<br />

…“ (ebd., 307). Entschei<strong>de</strong>nd ist die<br />

fallspezifische Transformation. In ihr<br />

wer<strong>de</strong>n theologische Konzepte und lebensweltliche<br />

Ansprüche miteinan<strong>de</strong>r<br />

verschränkt und in einen neuen Zusammenhang<br />

gestellt. Sie ermöglicht es,<br />

vorliegen<strong>de</strong> theologische Positionen in<br />

Schüleräuße-<br />

rungenaufzu<strong>de</strong>cken und<br />

zur Diskussion<br />

zu stellen.<br />

Abduktive<br />

Schlüsse eröffnen<br />

im Religionsunterricht<br />

<strong>de</strong>n Raum, <strong>de</strong>r notwendig ist,<br />

kreativ mit überlieferten Überzeugungen<br />

umzugehen und sie in die Gegenwart<br />

hinein lebendig wer<strong>de</strong>n zu<br />

lassen.<br />

» Das Konzept <strong>de</strong>r abduktiven Korrelation<br />

setzt bei <strong>de</strong>r Annahme an, dass in <strong>de</strong>n vorfindlichen<br />

Erfahrungen heutiger Kin<strong>de</strong>r<br />

und Jugendlicher substanzielle und/o<strong>de</strong>r<br />

funktionale Elemente <strong>de</strong>r christlichen Überlieferung<br />

in ihrer jeweiligen kulturellen<br />

Transformation enthalten sind.<br />

Diskussion<br />

Das Konzept <strong>de</strong>r abduktiven Korrelation<br />

wur<strong>de</strong> vielfach kritisiert. Es soll<br />

an dieser Stelle nicht auf alle Anfragen<br />

eingegangen wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn das wur<strong>de</strong><br />

bereits an an<strong>de</strong>rer Stelle getan (vgl.<br />

Heil 2006, 97-100). An dieser Stelle<br />

soll lediglich <strong>de</strong>m vielfach geäußerten<br />

Eindruck entgegengetreten wer<strong>de</strong>n,<br />

dass die abduktive Korrelation die<br />

Grafik: Riegel<br />

klassische Korrelationsdidaktik ablösen<br />

will. Dies ist nicht <strong>de</strong>r Fall. Es geht<br />

nicht darum, die Korrelation neu zu erfin<strong>de</strong>n.<br />

Vielmehr geht es darum, das<br />

Grundanliegen <strong>de</strong>r Korrelationsdidaktik<br />

im Licht <strong>de</strong>r aktuellen Anfragen zu<br />

reformulieren. Hier scheint mir vor allem<br />

die kritische Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

mit <strong>de</strong>r Graben-Metapher weiterführend.<br />

Sie verweist darauf, dass Korrelationen<br />

zwischen Tradition und Lebenswelt<br />

nicht eigens hergestellt wer<strong>de</strong>n<br />

müssen. Vielmehr geht es um ein Auf<strong>de</strong>cken,<br />

Rekonstruieren und Neu-Arrangieren<br />

bereits vorliegen<strong>de</strong>r Verschränkungen<br />

bei<strong>de</strong>r Bereiche.<br />

Ferner wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Konzept <strong>de</strong>r<br />

Abduktion das bisher zugängliche<br />

Spektrum von <strong>de</strong>duktiven und induktiven<br />

Unterrichtsstrategien nachhaltig<br />

erweitert. So sperrig das Konzept auf<br />

<strong>de</strong>n ersten Blick wirkt, so hilfreich hat<br />

es sich in <strong>de</strong>r Analyse von Unterrichtsprozessen<br />

erwiesen. Denn faktischer<br />

Unterricht besteht – und bestand auch<br />

bisher! – nicht nur daraus, Schülerinnen<br />

und Schüler über theologische<br />

Lehrmeinungen zu instruieren (Deduktion)<br />

o<strong>de</strong>r Aussagen von Schülerinnen<br />

und Schülern theologischen Lehrmeinungen<br />

zuzuordnen (Induktion). Mit<br />

<strong>de</strong>m Konzept <strong>de</strong>r Abduktion können<br />

die vielfachen kreativen Prozesse <strong>de</strong>r<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

BEITRÄGE<br />

25


BEITRÄGE<br />

26<br />

Unterrichtswirklichkeit theoriegeleitet<br />

analysiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Wie weit reicht nun <strong>de</strong>r Anspruch<br />

<strong>de</strong>r abduktiven Korrelation? Als globales<br />

Paradigma für <strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />

betont das abduktive Konzept die<br />

Aufmerksamkeit für die lebensweltlich<br />

geformten Elemente christlicher Religiosität,<br />

die in <strong>de</strong>n Äußerungen <strong>de</strong>r<br />

Schülerinnen und Schüler mehr o<strong>de</strong>r<br />

weniger bewusst präsent sind. Entwickelt<br />

man ein Gespür für sie und gelingt<br />

es, sie kreativ in <strong>de</strong>n Unterrichtsprozess<br />

einzubin<strong>de</strong>n, wer<strong>de</strong>n die traditionell<br />

ge<strong>de</strong>ckten theologischen Perspektiven<br />

für die Gegenwart be<strong>de</strong>utsam.<br />

In <strong>de</strong>r thematischen Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

können neue, zeitgemäße Szenarien<br />

christlicher Religiosität entstehen.<br />

Sie haben einen hypothetischen Charakter,<br />

d.h. ihre Relevanz muss sich sowohl<br />

im Blick auf <strong>de</strong>n Alltag bzw. <strong>de</strong>n gelebten<br />

Glauben als auch auf die Theologie<br />

erst noch bewähren. Nicht alles, was neu<br />

entsteht, hält dieser Überprüfung stand.<br />

Ohne dass jedoch etwas Neues entsteht,<br />

verknöchert die Tradition.<br />

Bezogen auf die Mikroprozesse <strong>de</strong>s<br />

Unterrichts ist die abduktive Schlussfolgerung<br />

ein Modus, <strong>de</strong>r qualifiziert<br />

eingesetzt wer<strong>de</strong>n muss. Stefan Heil<br />

konnte in seiner Studie nachweisen,<br />

dass gelingen<strong>de</strong>n Unterricht ein sachgemäßer<br />

Wechsel von <strong>de</strong>duktiven, induktiven<br />

und abduktiven Strategien<br />

kennzeichnet (2006). Das entspricht<br />

auch <strong>de</strong>r theoretischen Struktur abduktiver<br />

Schlüsse. Aufgrund ihres hypothetischen<br />

Charakters bedürfen sie einer<br />

steten Überprüfung. Dies kann<br />

durch <strong>de</strong>duktive und induktive<br />

Schlussfolgerungen geschehen. Diese<br />

relative Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Abduktion legt<br />

sich auch im Blick auf <strong>de</strong>n grundlegen<strong>de</strong>n<br />

Charakter einer Unterrichtsstun<strong>de</strong><br />

nahe. Nicht je<strong>de</strong>s Thema und Unter-<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

richtsziel verlangt nach einem abduktiven<br />

Zugang. Ohne die Möglichkeiten<br />

ent<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>n Lernens bei theologischen<br />

Sachverhalten leugnen zu wollen,<br />

lässt sich theologisches Fachwissen<br />

wie etwa die Kenntnis <strong>de</strong>r Zwei-<br />

Quellen-Theorie auch instruktiv unterrichten.<br />

Dies entspräche einer grundsätzlich<br />

<strong>de</strong>duktiv angelegten Stun<strong>de</strong>.<br />

Ebenso kann ein induktiver Stil dann<br />

geboten sein, wenn es darum geht, dass<br />

sich die Schülerinnen und Schüler über<br />

sich selbst klar wer<strong>de</strong>n – etwa in ihrer<br />

Wertorientierung o<strong>de</strong>r in ihrer Haltung<br />

bezüglich eines kontroversen Themas.<br />

Eine abduktiv angelegte Stun<strong>de</strong> ist<br />

dann angezeigt, wenn es um die Be<strong>de</strong>utung<br />

einer theologischen Position geht.<br />

Diese Be<strong>de</strong>utung lässt sich nicht aus<br />

<strong>de</strong>r Tradition ableiten (Deduktion),<br />

noch lässt sich die Gegenwart unter eine<br />

<strong>de</strong>rartige Position subsumieren (Induktion).<br />

Die lebensweltliche Relevanz<br />

einer theologischen Position –<br />

wie auch die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Alltags für<br />

die Theologie – kann nur abduktiv erschlossen<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Anmerkung<br />

1 Der Name <strong>de</strong>r Jugendlichen wur<strong>de</strong> geän<strong>de</strong>rt.<br />

Dr. Ulrich Riegel ist Wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Lehrstuhl für Religionspädagogik<br />

und Didaktik <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />

<strong>de</strong>r Julius-Maximilians-Universität<br />

Würzburg.<br />

Literatur:<br />

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Baudler, G. (1984): Korrelationsdidaktik. Leben durch<br />

Glauben erschließen – Pa<strong>de</strong>rborn.<br />

Bitter, G. (1981): Was ist Korrelation? Versuch einer Bestimmung,<br />

in: Katechetische Blätter 106, 343-345.<br />

Daiber, F. (1996): Religiöse Gruppenbildung als Reaktionsmuster<br />

gesellschaftlicher Individualisierungsprozes-<br />

se, in: Gabriel, K. (Hrsg.): Religiöse Individualisierung<br />

o<strong>de</strong>r Säkularisierung. Biographie und Gruppe als Bezugspunkte<br />

mo<strong>de</strong>rner Religiosität – Gütersloh. 86-100.<br />

Davie, G. (2000): Religion in Mo<strong>de</strong>rn Europe – Oxford.<br />

Drewermann, E. (1986): Abrahams Opfer in: Bibel und<br />

Kirche 91, 113-124.<br />

Hartshorne, Ch./Weiß, P. (1958) (eds.): Collected Papers<br />

of Charles San<strong>de</strong>rs Peirce – Cambridge.<br />

Heil, St. (2006): Strukturprinzipien religionspädagogischer<br />

Professionalität – Münster.<br />

Hervieu-Léger, D. (2000): Religion as a Chain of Memory<br />

– Oxford.<br />

Hilger, G. (2001a): Korrelieren lernen, in: Hilger, G./Leimgruber,<br />

St./Ziebertz, H.-G.: Religionsdidaktik. Ein Leitfa<strong>de</strong>n<br />

für Studium, Ausbildung und Beruf – München.<br />

319-329.<br />

Hilger, G. (2001b): Korrelationsdidaktik, in: Mette, N./Rickers,<br />

F. (Hg.): Lexikon <strong>de</strong>r Religionspädagogik. Band 1<br />

– Neukirchen-Vluyn, 1106-1111.<br />

Hilger, G./Reilly, G. (1993) (Hg.): Religionsunterricht im<br />

Abseits? – München.<br />

Kelle, U. (1996): Empirisch begrün<strong>de</strong>te Theoriebildung.<br />

Zur Logik und Methodologie interpretativer Sozialforschung<br />

– Weinheim.<br />

Mette, N. (1994): Religionspädagogik – Düsseldorf.<br />

Niehl, F. (1980): Warum geht es nicht mehr wie früher?,<br />

in: Katechetische Blätter 105, 569-616.<br />

Porzelt, B. (2000): Respektieren<strong>de</strong> Konfrontation. Konturen<br />

korrelativer Religionsdidaktik in nachchristlichem<br />

Kontext, in: Trierer Theologische Zeitschrift 109,<br />

308-328.<br />

Prokopf, A./Heil, St./Ziebertz, H.-G. (2003): Abduktives<br />

Schließen im qualitativen Auswertungsverfahren, in:<br />

Ziebertz, H.-G./Heil St./Prokopf A. (Hg.): Abduktive Korrelation<br />

– Münster. 89-108.<br />

Ruster, Th. (2000): Der verwechselbare Gott. Theologie<br />

nach <strong>de</strong>r Entflechtung von Christentum und Religion –<br />

Freiburg.<br />

Schulz, L. (2003): Ermitteln als abduktiver Prozess, in:<br />

Ziebertz, H.-G./Heil, St./Prokopf A. (Hg.): Abduktive Korrelation<br />

– Münster. 241-258.<br />

Ven, J. van <strong>de</strong>r (1990): Entwurf einer empirischen Theologie<br />

– Lei<strong>de</strong>n.<br />

Werbick, J. (1993): Heutige Herausfor<strong>de</strong>rungen an ein<br />

Konzept <strong>de</strong>s Religionsunterrichts, in: Sekretariat <strong>de</strong>r<br />

Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Religionsunterricht.<br />

20 Jahre nach <strong>de</strong>m Syno<strong>de</strong>nbeschluss – Bonn.<br />

Ziebertz, H.-G. (2004): Religionspädagogik und empirische<br />

Methodologie, in: Schweitzer, F./Schlag, Th. (Hg.):<br />

Religionspädagogik im 21. Jahrhun<strong>de</strong>rt – Gütersloh/<br />

Freiburg. 209-222.


Religion(sunterricht) inszenieren –<br />

eine Gratwan<strong>de</strong>rung<br />

Die Ausgangsfrage:<br />

Vermittlung von objektiver und<br />

subjektiver Religion<br />

Wie kann für eine Schülerpopulation,<br />

die nur noch in <strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>rheit über<br />

eine konfessionell orientierte religiöse<br />

Sozialisation verfügt, <strong>de</strong>r Gegenstand<br />

Religion verständlich wer<strong>de</strong>n? Diese<br />

Ausgangsfrage negiert nicht eine durchaus<br />

vorhan<strong>de</strong>ne Form von subjektiver<br />

Religion bei Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen,<br />

z.B. als Bedürfnis, Sehnsucht,<br />

Grundfrage o<strong>de</strong>r individueller Ausprägung.<br />

Sie berührt aber in beson<strong>de</strong>rem<br />

Maße <strong>de</strong>n Brückenschlag zwischen objektiver<br />

und subjektiver Religion, zwischen<br />

transfiguriertem und individualisiertem<br />

religiösem Wissen (Englert<br />

2006, 13). Genau an diesem Punkt setzen<br />

Überlegungen zu einem „performativen<br />

Religionsunterricht“ an. Welcher<br />

Präsentationsmodus erscheint heute<br />

als angemessen, um innerhalb eines<br />

konfessionellen Religionsunterrichts<br />

<strong>de</strong>n Gegenstand Religion und die spezielle<br />

Wirklichkeitserschließung von<br />

Religion didaktisch so ins Spiel zu bringen,<br />

dass die Schülerinnen und Schüler<br />

auf nachhaltige Weise religiöse Kompetenz<br />

ausbil<strong>de</strong>n können?<br />

Das Dilemma:<br />

Grenzen und Notwendigkeiten<br />

inszenieren<strong>de</strong>r Lernformen<br />

„Die Schule ist ein Moratorium <strong>de</strong>s<br />

Lebensernstes, sie ist nicht ‚das Leben’<br />

und kann und soll es nicht sein“, meint<br />

Bernhard Dressler (Dressler 2002,<br />

263). Wer sich in <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r<br />

Pädagogik auskennt, weiß: Der Lehrgang<br />

in Distanz zum Leben gehört zu<br />

<strong>de</strong>n konstituieren<strong>de</strong>n Grundbedingungen<br />

<strong>de</strong>s mo<strong>de</strong>rnen Schulwesens. Wir<br />

greifen in <strong>de</strong>r Schule, auch im Religi-<br />

onsunterricht, zunächst auf reflektierte<br />

und distanzierte Weise auf die Wirklichkeit<br />

zu.<br />

Von dieser Ausgangsbasis aus<br />

muss je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r für die Zunahme inszenieren<strong>de</strong>r<br />

Elemente im Religionsunterricht<br />

plädiert, nicht nur nachweisen,<br />

dass dies im Rahmen schulischen<br />

Lernens auch geschehen darf, son<strong>de</strong>rn<br />

außer<strong>de</strong>m belegen, inwiefern eine<br />

solche Ausweitung konventionellen<br />

Lernens in <strong>de</strong>r Schule einen größeren<br />

Nutzen erbringt als ein primär reflektieren<strong>de</strong>r<br />

Umgang mit Fragen <strong>de</strong>r Religion.<br />

Diese Fragestellung ist ja nicht neu.<br />

Bereits bei <strong>de</strong>r kritischen Diskussion<br />

um die Korrelationsdidaktik in <strong>de</strong>n<br />

90er Jahren meinte Rudolf Englert,<br />

dass innerhalb <strong>de</strong>s Settings Schule das<br />

Bemühen, Glaube und Leben korrelativ<br />

aufeinan<strong>de</strong>r zu beziehen, als bestes<br />

Konzept zur falschen Zeit bzw. am falschen<br />

Ort gewertet wer<strong>de</strong>n müsse (vgl.<br />

Englert 1993, 102). Thomas Ruster hat<br />

Hans Mendl<br />

von links: Dr. Paul Platzbecker, Dr. Eckhard Nordhofen, Prof. Dr. Thomas Ruster Foto: En<strong>de</strong>rs<br />

bei <strong>de</strong>r Wiesba<strong>de</strong>ner Fortbildungstagung<br />

unter <strong>de</strong>m bezeichnen<strong>de</strong>n Titel „Quo<br />

vadis, Religionspädagogik?“ im Januar<br />

2007 diesen Einwand systemtheoretisch<br />

vertieft: Man müsse die Bedingungen<br />

und Kodierungen von Handlungssystemen<br />

respektieren; viele erfahrungsbezogene<br />

Elemente im schulischen<br />

Religionsunterricht wür<strong>de</strong>n Grenzüberschreitungen<br />

darstellen, weil dort nicht<br />

<strong>de</strong>r Ort einer Begegnung mit <strong>de</strong>r frem<strong>de</strong>n<br />

und machtvollen Wirklichkeit Gott<br />

sei. Aber stimmt das überhaupt – sowohl<br />

bezogen auf die Lernbedingungen im<br />

Handlungsfeld Schule als auch auf die<br />

Lernnotwendigkeit und -chancen im<br />

Religionsunterricht?<br />

Es wird aufzuzeigen sein, inwiefern<br />

pädagogisch und theologisch nicht nur<br />

die Deutung <strong>de</strong>r Welt, son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>r<br />

Umgang mit <strong>de</strong>r Welt zur Zweckbestimmung<br />

von Schule gehört, wie Johann<br />

Friedrich Herbart (1776-1841)<br />

meint (vgl. Benner 2004, 30), und <strong>de</strong>swegen<br />

dieser Modus religiösen Welt-<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

BEITRÄGE<br />

27


BEITRÄGE<br />

28<br />

zugangs auch im Religionsunterricht<br />

seinen berechtigten Platz hat.<br />

Eine weitere Hür<strong>de</strong> besteht in <strong>de</strong>r<br />

Entwicklungsgeschichte <strong>de</strong>s Faches<br />

Religionsunterricht: Denn erschwerend<br />

kommt hinzu, dass das Reflexionsmo<strong>de</strong>ll<br />

schulischen Lernens im Religionsunterricht<br />

historisch betrachtet ja als<br />

ein befreien<strong>de</strong>r Fortschritt gegenüber einer<br />

als einengend und fremdbestimmt<br />

erlebten Katechese an <strong>de</strong>r Schule verzeichnet<br />

wird. Zeitlich kann dieses Reflexions-Mo<strong>de</strong>ll<br />

an <strong>de</strong>n konzeptionellen<br />

Vorstellungen vom Religionsunterricht,<br />

wie sie mit <strong>de</strong>r Würzburger Syno<strong>de</strong><br />

begrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n, festgemacht wer<strong>de</strong>n:<br />

„Der Religionsunterricht weckt und<br />

reflektiert die Frage nach Gott“, heißt<br />

es dort (Der Religionsunterricht in <strong>de</strong>r<br />

Schule 1976, 2.5.1). Dieses „Dokument<br />

einer Wen<strong>de</strong>“ (Wolfgang Nastainczyk)<br />

be<strong>de</strong>utete eine radikale Abkehr vom<br />

missionarischen Mo<strong>de</strong>ll katechetischen<br />

Religionsunterrichts zuvor.<br />

Wer also für performative Elemente<br />

im Religionsunterricht eintritt, muss<br />

gleichzeitig die Unterschie<strong>de</strong> zu einem<br />

eng verstan<strong>de</strong>nen katechetischen Konzept<br />

eines schulischen Religionsunterrichts<br />

skizzieren. Denn – soviel sei vorausgeschickt<br />

– ein performativ ausgerichteter<br />

Religionsunterricht darf nicht<br />

mit Katechese verwechselt wer<strong>de</strong>n (vgl.<br />

Mendl 2007); das wäre ein Rückfall in<br />

längst überwun<strong>de</strong>ne Zeiten <strong>de</strong>r Religionsdidaktik.<br />

Die These, die ich im Folgen<strong>de</strong>n<br />

entfalten möchte, lautet: Sowohl von<br />

<strong>de</strong>n lernen<strong>de</strong>n Subjekten her als auch<br />

von <strong>de</strong>r Eigenlogik <strong>de</strong>s Gegenstands<br />

„Religion“ aus erweist sich ein ausschließliches<br />

Reflexionsmo<strong>de</strong>ll schulischen<br />

Lernens heute als <strong>de</strong>fizient;<br />

es sollte <strong>de</strong>shalb mit inszenieren<strong>de</strong>n<br />

Elementen ergänzt – nicht ersetzt! –<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Lernen<strong>de</strong>n:<br />

kirchendistanzierte Subjekte<br />

Die gesellschaftsoffene und pluralitätsfähige<br />

Konzeption <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />

„nach Würzburg“ besticht<br />

auch noch nach dreißig Jahren. Religi-<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

Prof. Dr. Hans Mendl Foto: En<strong>de</strong>rs<br />

onsunterricht ist keine kirchliche Katechese,<br />

führt nicht unbedingt zur Gemein<strong>de</strong><br />

hin, hat nicht die globale Zielmarke,<br />

für alle Schülerinnen und Schüler<br />

eine katholische I<strong>de</strong>ntität zu stiften.<br />

Deshalb sollte man auch nicht die<br />

Grenzen verwischen und <strong>de</strong>m Religionsunterricht<br />

eine „katechetische Dimension“<br />

zusprechen, weil dies we<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>m Selbstverständnis von Katechese<br />

noch <strong>de</strong>m von Religionsunterricht gerecht<br />

wird. Von <strong>de</strong>r Katechese her betrachtet<br />

beschränkt sich <strong>de</strong>r religiöse<br />

Erfahrungsraum im Kontext Schule auf<br />

die präkatechumenale Phase <strong>de</strong>r Erstverkündigung<br />

(vgl. Mendl 2007).<br />

Denn <strong>de</strong>r Religionsunterricht wen<strong>de</strong>t<br />

sich an Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche mit<br />

verschie<strong>de</strong>nen religiösen Sozialisationen<br />

und Einstellungen zu Kirche und<br />

Glaube und zielt auf das, was wir heute<br />

als „religiöse Kompetenz“ bezeichnen:<br />

Er soll zu einem reflexiv selbst verantworteten<br />

Glauben führen.<br />

Als konfessioneller Religionsunterricht<br />

bringt das Fach jedoch Materien<br />

ein, die von <strong>de</strong>r Tradition katholischen<br />

Glaubens geprägt sind. Davon sind<br />

heutige Schüler und Schülerinnen weiter<br />

entfernt als noch vor 30 Jahren. Die<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Daten zum Traditionsabbruch,<br />

zur Kirchendistanz und zur<br />

Zunahme einer „unsichtbaren Religion“<br />

brauchen hier nicht wie<strong>de</strong>rholt zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Man kann davon ausgehen, dass<br />

die Mehrzahl <strong>de</strong>r Schüler und Schülerinnen<br />

über keine grundlegen<strong>de</strong>n und<br />

beständigen konfessionellen Primärerfahrungen<br />

verfügen, dass ihnen mehrheitlich<br />

die Fähigkeit zur Erschließung<br />

religiöser Co<strong>de</strong>s abgeht und sie mit<br />

<strong>de</strong>m spezifischen Modus religiöser<br />

Wirklichkeitswahrnehmung kaum vertraut<br />

sind. Das be<strong>de</strong>utet an<strong>de</strong>rerseits<br />

aber nicht, dass sie nicht religiös offen,<br />

sehnsüchtig o<strong>de</strong>r gar auf die eine o<strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>re Weise aktiv wären. Dennoch<br />

wird hier die Problematik <strong>de</strong>s Korrelationsprinzips<br />

<strong>de</strong>utlich: Der garstige<br />

Graben zwischen irgendwie gearteten<br />

existentiellen Schülererfahrungen und<br />

<strong>de</strong>m Depositum fi<strong>de</strong>i ist größer gewor<strong>de</strong>n.<br />

Um es an einem Beispiel zu ver<strong>de</strong>utlichen:<br />

Freilich kann man kultische<br />

Analogien zwischen <strong>de</strong>r Inszenierung<br />

eines Fußball-Events und einer<br />

Eucharistiefeier herstellen – aber ob dadurch<br />

schon die sakramentale Dimension<br />

gottesdienstlichen Han<strong>de</strong>lns und<br />

vor allem die spezielle Art und Weise<br />

<strong>de</strong>s religiösen Weltzugangs über rituellsakramentales<br />

Han<strong>de</strong>ln im Kontext <strong>de</strong>s<br />

Lebensganzen versteh- o<strong>de</strong>r gar erfahrbar<br />

wird, wage ich zu bezweifeln. Bei<br />

aller gesellschaftlichen Offenheit funktionierte<br />

das Korrelationsmo<strong>de</strong>ll „nach


Würzburg“ letztlich dort halbwegs, wo<br />

man unterrichtliche Fragestellungen<br />

nicht nur auf formal-existentielle, son<strong>de</strong>rn<br />

auch auf annähernd kirchlich geprägte<br />

religiöse Erfahrungen beziehen<br />

konnte: Von daheim mitgebrachte Erfahrungen<br />

konnten einer schulischen<br />

Reflexion unterzogen wer<strong>de</strong>n. Übrigens:<br />

nur so gelang ein immer schon als<br />

öd empfun<strong>de</strong>ner Katechismus-Unterricht<br />

in <strong>de</strong>r Schule, wie er seit <strong>de</strong>r Reformation<br />

stattfand. Der Referenzrahmen,<br />

innerhalb <strong>de</strong>ssen die Heilswahrheiten<br />

kognitiv durchdrungen wur<strong>de</strong>n,<br />

war eine als selbstverständlich angenommene<br />

praktizierte Religion im Alltag<br />

– in <strong>de</strong>r Familie und in <strong>de</strong>r Pfarrgemein<strong>de</strong>.<br />

Nur im Zusammenspiel aller<br />

Lebenswelten konnten religiöse Bildungsprozesse<br />

nachhaltig sein. Diejenigen,<br />

die heute für eine Verstärkung<br />

von Grundwissens-Bausteinen, einen<br />

katechismusartigen Unterricht o<strong>de</strong>r eine<br />

systemtheoretische Beschränkung<br />

allen Han<strong>de</strong>lns im Religionsunterrichts<br />

auf die Position eines Beobachters<br />

zweiter Ordnung plädieren, verkennen<br />

die Ortlosigkeit eines solchen<br />

Unterfangens. Schon immer gelang religiöse<br />

Sozialisation nur im Zusammenspiel<br />

verschie<strong>de</strong>ner Handlungsorte<br />

und Sinnsysteme.<br />

Die Folge dieses aktuellen Dilemmas<br />

zwischen religiös kaum sozialisierten<br />

Schülerinnen und Schülern und<br />

<strong>de</strong>m Anspruch, sie mit einer konfigurierten<br />

konfessionellen Wissensdomäne<br />

in Beziehung zu bringen, sind evi<strong>de</strong>nt:<br />

Auch wenn <strong>de</strong>r Religionsunterricht,<br />

beson<strong>de</strong>res in <strong>de</strong>r Grundschule,<br />

<strong>de</strong>rzeit halbwegs in <strong>de</strong>r Fächerlandschaft<br />

stabil und akzeptiert ist, sind seine<br />

Langzeit-Wirkungen doch sehr fragwürdig,<br />

wie beispielsweise die Untersuchung<br />

„1000 Stun<strong>de</strong>n Religion“ (Kliemann/Rupp<br />

2000) gezeigt hat. Die fehlen<strong>de</strong><br />

Nachhaltigkeit grün<strong>de</strong>t nicht etwa<br />

auf einem schlechten Unterricht,<br />

son<strong>de</strong>rn vielmehr in einer konzeptionellen<br />

Schwäche: Das Reflexionsmo<strong>de</strong>ll<br />

alleine genügt heute nicht mehr,<br />

um <strong>de</strong>r Schülerausgangslage, aber auch<br />

<strong>de</strong>m Gegenstand selbst gerecht zu wer<strong>de</strong>n<br />

und um nachhaltige Lernprozesse<br />

in Gang zu bringen. Das kann man übrigens<br />

auch wissenssoziologisch begrün<strong>de</strong>n:<br />

Träges Wissen entsteht und<br />

wird vergessen, wenn Wissensbausteine<br />

nicht auf situierte Weise erschlossen,<br />

in an<strong>de</strong>re Zusammenhänge integriert<br />

und vor allem mit verschie<strong>de</strong>nen<br />

Wissensdomänen verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n<br />

(vgl. Mendl 2003).<br />

Der Gegenstand: Frem<strong>de</strong> Religion<br />

„Gott gibt es nur im Vokativ“ –<br />

dieser Ausspruch geht auf Martin Buber<br />

(1878-1965) zurück. Der schulische<br />

Religionsunterricht ist we<strong>de</strong>r<br />

Religionskun<strong>de</strong>, bei <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Distanz<br />

und von einer neutralen Beobachterposition<br />

aus Religion betrachtet<br />

wird, noch Religionswissenschaft, bei<br />

<strong>de</strong>r die Gottesfrage mit wissenschaftlichen<br />

Optionen (phänomenologisch,<br />

hermeneutisch, kulturkritisch ...) reflektiert<br />

wird. Wie kann die Gottesfrage<br />

beständig wach gehalten wer<strong>de</strong>n –<br />

als eine, die nicht nur existentiell betrifft,<br />

son<strong>de</strong>rn sich auch in entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Verhaltensweisen und religiösen<br />

Vollzügen konkretisiert? Wie<br />

können zentrale Elemente, ja das Wesen<br />

christlichen Glaubens für eine<br />

Schülerschaft verständlich wer<strong>de</strong>n,<br />

für die die eigene Kirche eine „frem<strong>de</strong><br />

Heimat“ darstellt?<br />

Der christliche Glaube ist ja zunächst<br />

keine Lehre, son<strong>de</strong>rn eine Lebens-<br />

und Glaubens-Praxis <strong>de</strong>rer, die<br />

sich zu Jesus Christus bekennen. Diese<br />

wechselseitige Verschränkung von<br />

Glaubenswissen und Glaubenshan<strong>de</strong>ln<br />

spiegelt sich bereits im Wort „Katechese“<br />

wie<strong>de</strong>r: Es be<strong>de</strong>utet „Unterweisung“<br />

und „Mitteilung“. Die Geschichte christlicher<br />

Erziehung zeigt, wie sehr gera<strong>de</strong><br />

in <strong>de</strong>n ersten christlichen Jahrhun<strong>de</strong>rten<br />

bei<strong>de</strong> Aspekte beim Prozess „Christwer<strong>de</strong>n“<br />

verbun<strong>de</strong>n waren. Aber selbst<br />

auf <strong>de</strong>m Feld schulischen Religionsunterrichts,<br />

bei <strong>de</strong>m, wie eingangs vorgetragen<br />

wur<strong>de</strong>, zu Recht <strong>de</strong>r Aspekt <strong>de</strong>s<br />

reflektierten Umgangs mit Unterrichtsgegenstän<strong>de</strong>n<br />

dominiert, stellt<br />

sich die Frage, ob <strong>de</strong>r Gegenstand Religion<br />

überhaupt verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n<br />

kann, ohne auch die Glaubenspraxis<br />

auf eine noch zu klären<strong>de</strong> Weise ins<br />

Spiel zu bringen. Derzeit wächst die<br />

Sensibilität dafür, „dass die Vermittlung<br />

<strong>de</strong>s gelehrten Glaubens nicht ohne<br />

Bezug zum gelebten Glauben gelingen<br />

kann“ (Sekretariat <strong>de</strong>r Deutschen<br />

Bischofskonferenz 2005, 24).<br />

Religiöse Wirklichkeits<strong>de</strong>utung spiegelt<br />

sich in religiösen Vollzügen wi<strong>de</strong>r.<br />

Kann die Deutung auf einer rein kognitiven<br />

Ebene verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, ohne<br />

die Vollzüge auf irgen<strong>de</strong>ine Weise auch zu<br />

präsentieren o<strong>de</strong>r gar selbst zu erleben?<br />

© Mendl<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

BEITRÄGE<br />

29


BEITRÄGE<br />

30<br />

Diese Problemstellung wird vor<br />

allem am Beispiel religiöser Sprache<br />

<strong>de</strong>utlich, die in ihrer Anlage immer<br />

dialogisch (siehe oben: Gott im Vokativ)<br />

und handlungsorientiert geprägt<br />

ist: Mit einem Gebet, Segen, einem<br />

Lob-Psalm, einem Gelüb<strong>de</strong> wird eine<br />

bestimmte Art <strong>de</strong>r Wirklichkeits<strong>de</strong>utung<br />

und <strong>de</strong>s Gottesbezugs manifest:<br />

Es wird gebetet, gesegnet, etwas o<strong>de</strong>r<br />

jemand gelobt und etwas versprochen.<br />

Kann ich diese Sprechhandlungen<br />

begreifen, ohne diese Akte selbst<br />

schon einmal vollzogen zu haben?<br />

Theoretisch wird dieser Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Ansätzen<br />

eines performativen Religionsunterrichts<br />

zu fassen versucht (vgl. Klie/<br />

Leonhardt). „How to do things with<br />

words“, lautet <strong>de</strong>r Originaltitel eines<br />

Werks von John Austin (1972): Beson<strong>de</strong>re<br />

Worte besitzen eine ihnen eigene<br />

Wirkmächtigkeit.<br />

Interessanterweise haben die Sprachphilosophen<br />

immer wie<strong>de</strong>r auf Beispiele<br />

aus <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>r Religion<br />

zurückgegriffen, um zu zeigen, dass<br />

Sprache mehr ist als nur Syntax und Semantik.<br />

Bestimmte sprachliche Äußerungen<br />

beinhalten immer auch in beson<strong>de</strong>ren<br />

Kommunikationssituationen<br />

schon einen Handlungsaspekt. Löse ich<br />

die Form vom Inhalt, wird <strong>de</strong>r Inhalt<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

ortlos: Man müsse dafür sorgen, dass<br />

Religion in Form bleibe. Darin zeige<br />

sich <strong>de</strong>r „Mehrwert von Religion“; die<br />

„Erschließung <strong>de</strong>r Christentums-Praxis<br />

kann sich nicht nur in diskursiver Sprache<br />

vollziehen, sie verlangt vielmehr<br />

nach szenischer und gestischer, leiblicher<br />

und räumlicher Darstellung“ (Klie/<br />

Leonhard 2003, 149). Weil nur so Religion<br />

erfahren und begriffen wer<strong>de</strong>n könne,<br />

müsse im Religionsunterricht „Religion<br />

als eine Kultur symbolischer Kommunikation<br />

Platz gewinnen“ (Dressler<br />

2002, 11). So besteht beispielsweise die<br />

Liturgie nicht nur aus einer Folge von<br />

Texten, sie ist selber ein komplexer<br />

„Text“, in <strong>de</strong>m aus Handlungs- und<br />

Textzusammenhängen ein Sinnkonstrukt<br />

gebil<strong>de</strong>t wird (vgl. Husmann/<br />

Klie 2005, 20f).<br />

Die Folge: Neue Präsentationsmodi<br />

Rudolf Englert folgert vom lernen<strong>de</strong>n<br />

Subjekt her: Die verän<strong>de</strong>rte Situation<br />

nach <strong>de</strong>m Traditionsabbruch erfor<strong>de</strong>re<br />

einen verän<strong>de</strong>rten Präsentationsmodus<br />

religiöser Ausdrucksformen (Englert<br />

2002, 33). Hans Schmid konkretisiert<br />

dies mit seiner For<strong>de</strong>rung, im Religionsunterricht<br />

müssten die dissoziativen<br />

(„re<strong>de</strong>n über“) mit assoziativen („re<strong>de</strong>n<br />

mit“) Elementen ergänzt wer<strong>de</strong>n<br />

© Mendl<br />

(Schmid 2003). Auf welche Art und<br />

Weise aber gera<strong>de</strong> handlungsbezogene<br />

Elemente didaktisch ins Spiel kommen<br />

müssen o<strong>de</strong>r dürfen, darüber schei<strong>de</strong>n<br />

sich nun die Geister. Umstritten ist beson<strong>de</strong>rs,<br />

inwieweit Schüler und Schülerinnen<br />

in diese für sie frem<strong>de</strong>n Erfahrungen<br />

selber einbezogen wer<strong>de</strong>n und<br />

welche Unmittelbarkeit diesen Erfahrungen<br />

zuerkannt wird. An einem Beispiel<br />

ver<strong>de</strong>utlicht: Wer nicht mit Kirchenräumen<br />

vertraut ist und noch nie in<br />

einer gotischen Kathedrale war, <strong>de</strong>r<br />

kann das mit diesem Kirchenbau verbun<strong>de</strong>ne<br />

Raumempfin<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>ssen<br />

theologische und spirituelle Be<strong>de</strong>utung<br />

über eine Grund- o<strong>de</strong>r Aufrissdarstellung<br />

aus einem Schulbuch nur begrenzt<br />

nachempfin<strong>de</strong>n. Reicht ein 3-D-Durchgang<br />

übers Internet o<strong>de</strong>r eine eindringliche<br />

perspektivische Erzählung aus?<br />

Die Befürworter eines performativen<br />

Konzepts sagen ein<strong>de</strong>utig: nein! Ein<br />

Kirchenraum, und sei es nur die Dorfkirche,<br />

müsse gera<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Schülerpopulation,<br />

die mehrheitlich nicht<br />

kirchlich sozialisiert ist, leibhaftig nach<br />

allen Regeln <strong>de</strong>r (kirchenraumpädagogischen)<br />

Kunst erfahren und erschlossen<br />

wer<strong>de</strong>n. Der Pädagoge Dietrich<br />

Benner bringt dies so auf <strong>de</strong>n Punkt:<br />

„Damit Welterfahrung und Menschenumgang<br />

unterrichtlich und schulisch<br />

erweitert wer<strong>de</strong>n können, bedarf es zunächst<br />

einmal grundlegen<strong>de</strong>r Welt- und<br />

Umgangserfahrungen. Wo diese Voraussetzung<br />

nicht durch vorschulische<br />

Erziehung und Sozialisation gesichert<br />

ist, muss sie zum Zwecke einer nachfolgen<strong>de</strong>n<br />

unterrichtlichen Unterweisung<br />

zunächst einmal künstlich mit<br />

Hilfe schulischer Erkundungen, Hospitationen,<br />

Exkursionen und Übungen<br />

gesichert und gestiftet wer<strong>de</strong>n“ (Benner<br />

2004, 30). In curricularer Zeit wur<strong>de</strong><br />

in <strong>de</strong>n Hintergrund gedrängt, dass<br />

seit Herbart die mo<strong>de</strong>rne öffentliche<br />

Schule eine doppelte Zweckbestimmung<br />

hat: nicht nur eine Welt<strong>de</strong>utung,<br />

son<strong>de</strong>rn auch die Fähigkeit zum Umgang<br />

mit Welt. Deshalb muss heute die<br />

Fähigkeit zur Deutung <strong>de</strong>r Welt ergänzt<br />

wer<strong>de</strong>n mit einer Partizipationskompetenz,<br />

weil nur auf diese Weise


das Wissen durch Erfahrung erweitert<br />

wird. An<strong>de</strong>rerseits muss aber – auch<br />

das ist wichtig! – durch die Reflexion<br />

im Gegenzug ein tieferes Verständnis<br />

<strong>de</strong>s eigenen und frem<strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>lns ermöglicht<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Praxis:<br />

Inszenierungsfel<strong>de</strong>r eines<br />

performativen Religionsunterrichts<br />

Religionsunterricht heute muss in<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit Lerngegenstän<strong>de</strong>n<br />

subjekt-, erfahrungs- und prozessorientiert<br />

angelegt sein (vgl. Mendl<br />

2004, 38-41). Das Fach soll „in Religion“<br />

einführen und darf nicht auf einen<br />

Unterricht „über Religion“ beschränkt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Von dieser wechselseitigen Grunddynamik<br />

her muss <strong>de</strong>r verwen<strong>de</strong>te Erfahrungsbegriff<br />

noch kurz erläutert<br />

wer<strong>de</strong>n: Wenn Religionsunterricht in<br />

<strong>de</strong>n folgend genannten Teilgebieten inszeniert<br />

wird, ermöglicht dies <strong>de</strong>n Schülern<br />

und Schülerinnen zunächst einmal<br />

eine Teilhabe an frem<strong>de</strong>n Erfahrungswelten.<br />

Von einem konstruktivistischen<br />

Ansatz her han<strong>de</strong>lt es sich für die Mehrzahl<br />

<strong>de</strong>r Kirchenfernen um ein Perturbations-Ereignis<br />

(vgl. Mendl 2005a):<br />

die Konfrontation – und zwar nicht nur<br />

auf diskursive Art – mit einer für sie<br />

frem<strong>de</strong>n Art <strong>de</strong>s Welterlebens und <strong>de</strong>r<br />

Welt<strong>de</strong>utung, die im Rahmen mitgebrachter<br />

Deutungsstrukturen auf Attraktivität<br />

und Plausibilität hin überprüft<br />

wer<strong>de</strong>n muss. Um die reflexive<br />

Verarbeitung solcher Konfrontationsprozesse<br />

zu vertiefen, sind ausdrucksund<br />

kommunikationsför<strong>de</strong>rliche Metho<strong>de</strong>n<br />

so be<strong>de</strong>utsam (Grundduktus:<br />

Eindruck – Ausdruck – Austausch; vgl.<br />

Mendl 2005a, 36f). Ob sich solche einzelnen<br />

Erlebnisse als punktuelle Kontaktpunkte<br />

mit erlebter Religion zu eigenen<br />

Erfahrungen verdichten, hängt<br />

auch davon ab, wie sehr es <strong>de</strong>n Lehren<strong>de</strong>n<br />

gelingt, <strong>de</strong>n diesen Frem<strong>de</strong>rfahrungen<br />

zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Modus religiöser<br />

Welt<strong>de</strong>utung herauszuarbeiten und<br />

über die Einzelerlebnisse hinaus so zu<br />

verknüpfen, dass die Lernen<strong>de</strong>n eine<br />

stabile Matrix <strong>de</strong>s speziellen Zugriffs<br />

von Religion auf Wirklichkeit hin erkennen,<br />

verstehen und individuell transformieren<br />

und internalisieren können.<br />

Einige <strong>de</strong>r vielfältigen Fel<strong>de</strong>r, in<br />

<strong>de</strong>nen ein diskursives „Re<strong>de</strong>n über<br />

Religion“ durch „Erfahrungen in Religion“<br />

nicht ersetzt, son<strong>de</strong>rn ergänzt<br />

und vertieft wer<strong>de</strong>n können, sollen im<br />

Folgen<strong>de</strong>n ange<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n (vgl. etwas<br />

breiter erläutert: Mendl 2005b;<br />

2006):<br />

– nicht nur „über“ Religion sprechen,<br />

son<strong>de</strong>rn das Fach so konzipieren,<br />

dass Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche mit ihren<br />

Fragen und Bedürfnissen im<br />

Mittelpunkt stehen;<br />

– nicht nur „über“ Gemein<strong>de</strong> und Gemeinschaft<br />

etc. sprechen, son<strong>de</strong>rn<br />

Gemeinschaft auf jugendgemäße<br />

Weise inszenieren;<br />

– nicht nur „über“ Moral diskutieren,<br />

son<strong>de</strong>rn ethisches Verhalten einüben;<br />

– nicht nur „über“ Kirchen nach<strong>de</strong>nken,<br />

son<strong>de</strong>rn in Kirchen Haltungen,<br />

Lie<strong>de</strong>r, Riten ausprobieren;<br />

– nicht nur „über“ Meditation re<strong>de</strong>n,<br />

son<strong>de</strong>rn meditative Elemente erproben;<br />

– nicht nur „über“ Gebet und Liturgie<br />

sprechen, son<strong>de</strong>rn zum experimentellen<br />

Beten und liturgischen Han<strong>de</strong>ln<br />

anleiten und diese Erfahrung<br />

auch reflektieren;<br />

Foto: En<strong>de</strong>rs<br />

– nicht nur „über“ biblische Texte<br />

sprechen, son<strong>de</strong>rn sich von <strong>de</strong>n<br />

biblischen Erzählern in Geschichten<br />

verwickeln lassen, sie zu Spiegelungsfolien<br />

und Resonanzräumen<br />

für eigene Erfahrungen wer<strong>de</strong>n<br />

lassen;<br />

– nicht nur „über“ religiöse Kunstwerke<br />

re<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn selbst <strong>de</strong>m<br />

Glauben einen künstlerischen Ausdruck<br />

verleihen;<br />

– nicht nur etwas „über“ an<strong>de</strong>re Religionen<br />

kennenlernen, son<strong>de</strong>rn<br />

Menschen einer an<strong>de</strong>ren Religion<br />

begegnen;<br />

– nicht nur „über“ Sakramente und<br />

ihre Symbole und Symbolhandlungen<br />

sprechen, son<strong>de</strong>rn die heilsame<br />

Be<strong>de</strong>utung ritueller Handlungen („to<br />

do things with words“) erspüren;<br />

– sich nicht nur „über“ Mönche, an<strong>de</strong>re<br />

exotische Christen o<strong>de</strong>r local<br />

heroes wun<strong>de</strong>rn, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r<br />

Begegnung Nähe und Distanz<br />

spüren;<br />

– nicht nur „über“ vergangene Geschichte<br />

etwas nachlesen, son<strong>de</strong>rn<br />

Erinnerungsorte aufsuchen.<br />

Je<strong>de</strong>s einzelne dieser Fel<strong>de</strong>r müsste,<br />

ähnlich wie es oben für <strong>de</strong>n Bereich<br />

<strong>de</strong>r Kirchenraum-Erfahrung ange<strong>de</strong>utet<br />

wur<strong>de</strong>, daraufhin durchbuchstabiert<br />

wer<strong>de</strong>n, inwiefern ein inszenieren<strong>de</strong>s<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

BEITRÄGE<br />

31


BEITRÄGE<br />

32<br />

Element einen unverzichtbaren „Mehr-<br />

Wert“ für das Verstehen <strong>de</strong>s jeweiligen<br />

Gegenstands darstellt.<br />

Bei Diskussionen über Chancen<br />

und Grenzen eines performativ erweiterten<br />

Religionsunterrichts stellt sich<br />

heraus, dass von Kritikern inszenieren<strong>de</strong>s<br />

Han<strong>de</strong>ln beson<strong>de</strong>rs im Bereich von<br />

Liturgie und Gebet als problematisch<br />

erachtet wird – und zwar von zwei Blickwinkeln<br />

aus: Religiöse Rituale, Gebete<br />

und liturgische Handlungen könnten<br />

nur in einem Referenzrahmen <strong>de</strong>r<br />

freien Zustimmung und <strong>de</strong>r subjektivexistentiellen<br />

Bejahung vollzogen wer<strong>de</strong>n;<br />

dafür sei <strong>de</strong>r schulische Unterricht<br />

nicht <strong>de</strong>r richtige Ort. Verweist man,<br />

wie unten noch geschehen wird, darauf,<br />

dass solche inszenieren<strong>de</strong>n Elemente<br />

selbstverständlich „nur“ <strong>de</strong>n Charakter<br />

von Probehandlungen hätten,<br />

dann kommt von <strong>de</strong>r Sachebene her <strong>de</strong>r<br />

Einwand, dass ein solches „Ausprobieren“<br />

wie<strong>de</strong>rum <strong>de</strong>r Ernsthaftigkeit <strong>de</strong>s<br />

Gegenstands Gebet und Liturgie nicht<br />

angemessen sei. Deshalb muss abschließend<br />

die Frage nach <strong>de</strong>r Grenzziehung<br />

gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Grenzziehung:<br />

Wie viel Religion darf sein?<br />

Die breite Palette <strong>de</strong>r dargestellten<br />

Handlungsmöglichkeiten mag <strong>de</strong>n einen<br />

faszinieren, <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rn aber abschrecken:<br />

Überfor<strong>de</strong>rt das nicht <strong>de</strong>n<br />

normalen Unterricht? Man sollte Realist<br />

bleiben und die kontextuellen Grenzen<br />

<strong>de</strong>r Institution Schule anerkennen.<br />

Viele <strong>de</strong>r beschriebenen Möglichkeiten<br />

wür<strong>de</strong>n besser organisiert wer<strong>de</strong>n können,<br />

wenn wir „Schule neu <strong>de</strong>nken“<br />

(von Hentig 2004) wür<strong>de</strong>n. Solange<br />

dies nicht <strong>de</strong>r Fall ist, müssen im Rahmen<br />

<strong>de</strong>r gegebenen Möglichkeiten<br />

Grenzen ausgelotet und Handlungsfel<strong>de</strong>r<br />

aufgetan wer<strong>de</strong>n. Diese wer<strong>de</strong>n in<br />

beson<strong>de</strong>rem Maße im außerunterrichtlichen<br />

Rahmen (Maßnahmen <strong>de</strong>r Schulpastoral,<br />

Projekte) und bei evozieren<strong>de</strong>n<br />

Situationen (z.B. „wenn <strong>de</strong>r Tod in<br />

die Schule einbricht“) bereits jetzt<br />

schon genutzt wer<strong>de</strong>n. Doch die Anfrage<br />

ist prinzipieller Natur und bezieht<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

sich vor allem auf das Kerngeschäft im<br />

Religionsunterricht selbst: Passt hier<br />

<strong>de</strong>r Begriff „Inszenierung“? Und wie<br />

viel Religion darf sein?<br />

Inszenierung –<br />

ein umstrittener Begriff<br />

Mehrmals in diesem Beitrag wur<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Begriff „Inszenierung von Religion“<br />

verwen<strong>de</strong>t. Er provoziert vielleicht.<br />

Kann man Religion o<strong>de</strong>r gar<br />

Glaube inszenieren? Theologisch lautet<br />

die Antwort ein<strong>de</strong>utig „nein“. Die<br />

gläubige Antwort <strong>de</strong>s Menschen auf<br />

das vorausgehen<strong>de</strong> Heilsangebot Gottes<br />

lässt sich nicht produzieren, schon<br />

gar nicht außengesteuert und im Kontext<br />

eines verpflichten<strong>de</strong>n schulischen<br />

Religionsunterrichts. Aber Lehren<strong>de</strong><br />

können durchaus Lernumgebungen<br />

schaffen, in <strong>de</strong>nen die Sensibilität für<br />

und die Plausibilität und I<strong>de</strong>ntität von<br />

Religion geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n kann, wo<br />

Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche durch die Teilhabe<br />

an für sie frem<strong>de</strong>n Erfahrungen<br />

Geschmack fin<strong>de</strong>n an Religion.<br />

Der Begriff <strong>de</strong>r „Inszenierung“ will<br />

aber auch einen weiteren Aspekt zum<br />

Ausdruck bringen: Je<strong>de</strong> Form von Erfahrungs-Ermöglichung<br />

im Religionsunterricht<br />

trägt <strong>de</strong>n Charakter eines<br />

spielerischen Probehan<strong>de</strong>lns. Das Spiel<br />

ist etwas sehr Ernstes und Regelhaftes,<br />

es ist emotional geprägt und kommunikativ<br />

ausgehan<strong>de</strong>lt, hat an<strong>de</strong>rerseits aber<br />

seinen begrenzten Raum und seine begrenzte<br />

Zeit. Damit unterschei<strong>de</strong>t sich<br />

die „Inszenierung von Religion“ auch<br />

von Katechese: Der Respekt vor an<strong>de</strong>ren<br />

existentiellen und lebensgeschichtlichen<br />

Entscheidungen verbietet es, über<br />

<strong>de</strong>n Unterricht hinausreichen<strong>de</strong> Konsequenzen<br />

„in Sachen Religion“ verbindlich<br />

vorzuschreiben. Es han<strong>de</strong>lt sich also<br />

bei allen Formen <strong>de</strong>r Inszenierung<br />

von Religion um ernsthafte, aber unverbindliche<br />

Tastversuche, ein Kennenlernen<br />

<strong>de</strong>r Konkretionen von Religion,<br />

die für viele Schüler und Schülerinnen<br />

eine frem<strong>de</strong> Welt darstellen. Auf<br />

einla<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Weise soll Religionsunterricht<br />

„Sinn und Geschmack fürs Unendliche“<br />

(Schleiermacher) wecken.<br />

Grenzüberschreitungen?<br />

Trotz<strong>de</strong>m nochmals die Rückfrage:<br />

Schaut man die möglichen Handlungsfel<strong>de</strong>r<br />

genauer an, so beschleicht vielleicht<br />

doch beim einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

Bereich Unbehagen. Darf man tatsächlich<br />

Schüler und Schülerinnen zu so etwas<br />

veranlassen? Ist das nicht zu vereinnahmend<br />

und zu manipulativ?<br />

Nebenbei bemerkt: Kein Sportlehrer,<br />

Musiklehrer, keine Handarbeits- o<strong>de</strong>r<br />

Englischlehrerin wür<strong>de</strong> auf ihr Fach<br />

bezogen diese Anfrage verstehen. Schule<br />

versteht sich als verpflichten<strong>de</strong> Veranstaltung<br />

für alle Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen,<br />

zumin<strong>de</strong>st im schulpflichtigen<br />

Alter. In diesem gesellschaftlichen<br />

„Zwangsaggregat“ wer<strong>de</strong>n Schüler und<br />

Schülerinnen immer auch zu Erfahrungen<br />

motiviert, veranlasst, gezwungen,<br />

die sie möglicherweise freiwillig nicht<br />

angehen wür<strong>de</strong>n.<br />

Lernen be<strong>de</strong>utet immer: über die<br />

Konfrontation mit neuen Wissensdomänen<br />

herausgefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n und eigene<br />

Weltkonstruktionen im Kleinen<br />

und Großen transformieren. Schule nötigt<br />

Schülern und Schülerinnen Erfahrungen<br />

auf, die Erwachsene für sinnvoll<br />

erachten. Das sehen im Konkreten<br />

die betroffenen Schüler und Schülerinnen<br />

ganz an<strong>de</strong>rs: Der pummelige Tobias<br />

muss über <strong>de</strong>n Kasten springen, die<br />

handwerklich ungeschickte Sarah etwas<br />

zusammenkleben o<strong>de</strong>r gar häkeln,<br />

die unmusikalische Corinna singen, <strong>de</strong>r<br />

coole Jonathan bei einem Erlebnisaufsatz<br />

über Gefühle schreiben.<br />

Von dieser Perspektive aus betrachtet<br />

bin ich zunehmend selbstkritisch, ob<br />

nicht im Religionsunterricht häufig zu<br />

<strong>de</strong>fensiv argumentiert wird, wenn es<br />

darum geht, Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen<br />

frem<strong>de</strong> Erfahrungen zuzumuten.<br />

Grenzziehungen<br />

Dennoch halte ich es angesichts <strong>de</strong>r<br />

historischen Altlasten für sinnvoll, nach<br />

Entlastungs-Argumenten Ausschau zu<br />

halten, um <strong>de</strong>n Verdacht eines Rückfalls<br />

in überwun<strong>de</strong>ne katechetisch eng<br />

geführte Zeiten im Religionsunterricht


auszuräumen: Probeaufenthalte in religiösen<br />

Welten beinhalten immer auch<br />

Fremdheitserfahrungen (Klie/Leonhard<br />

2003, 149). Einige Schüler wer<strong>de</strong>n<br />

sich nach <strong>de</strong>m Ausprobieren ein<strong>de</strong>utig<br />

positionieren („das ist nichts für<br />

mich“), an<strong>de</strong>re fin<strong>de</strong>n vielleicht daran<br />

Geschmack. In einer Mittelstufenklasse<br />

wur<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>m ersten Hören eines<br />

Taizé-Lieds beispielsweise spontan geäußert:<br />

„auf eine solche Musik wären<br />

wir nicht so aus“; nach <strong>de</strong>r meditativen<br />

Erfahrung <strong>de</strong>r Taizé-Spiritualität über<br />

eine Unterrichtsstun<strong>de</strong> hinweg äußerten<br />

immerhin einige Schüler: „<strong>de</strong>s woar<br />

goa ned so schlecht“ – in <strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>rbayerischen<br />

Sprachform ist das schon<br />

fast ein Superlativ!<br />

Es han<strong>de</strong>lt sich bei performativen<br />

Lernformen um ein Probehan<strong>de</strong>ln<br />

„auf Zeit“. Schüler und Schülerinnen<br />

sollen etwas ausprobieren aus <strong>de</strong>m Angebot<br />

christlicher Tradition, sie sollen<br />

sich auf neue Erfahrungen einlassen,<br />

ohne dass daraus eine dauerhafte existentielle<br />

Haltung wer<strong>de</strong>n muss. Auch<br />

dieser Ansatz unterschei<strong>de</strong>t sich nicht<br />

von an<strong>de</strong>ren Fächern: Man mutet Kin<strong>de</strong>rn<br />

und Jugendlichen zu, dass sie im<br />

Sportunterricht turnen, im Musikunterricht<br />

singen, sich im Kunstunterricht<br />

künstlerisch betätigen, in Deutsch einen<br />

Aufsatz schreiben und in englischer<br />

Sprache Konversation betreiben,<br />

ohne dass sie Leistungssportler, Sänger,<br />

Künstler, Journalist o<strong>de</strong>r Übersetzer<br />

wer<strong>de</strong>n müssten.<br />

Wenn im Unterricht dissoziative<br />

mit assoziativen Elementen ergänzt<br />

wer<strong>de</strong>n (Schmid 2003), dann geschieht<br />

dies also auf experimentelle<br />

Weise, gelegentlich sehr sprunghaft<br />

und zumeist punktuell. Außer<strong>de</strong>m<br />

sollte das Erfahrungsangebot breit genug<br />

sein, um individuelle Füllungen<br />

vorzunehmen. Man nennt das ein Arbeiten<br />

mit „offenen Strukturen“. Um<br />

es an einem Beispiel anzu<strong>de</strong>uten: Wenn<br />

Kin<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Jugendliche beispielsweise<br />

nach <strong>de</strong>r Tsunami-Katastrophe über<br />

die Theodizee-Frage nach<strong>de</strong>nken, wieso<br />

dies Gott zugelassen habe, und ihr<br />

Nach<strong>de</strong>nken in eine Gebetsform bringen<br />

sollen, dann können bei solchen<br />

Prozessen Bittgebete für die Verstorbenen<br />

o<strong>de</strong>r ihre Angehörigen, Anfragen<br />

an Gott o<strong>de</strong>r eigene Ratlosigkeit zum<br />

Ausdruck kommen. Wenn im Rahmen<br />

solcher Unterrichtsvorhaben bei manchen<br />

Schülern und Schülerinnen <strong>de</strong>r<br />

Zweifel aufkommt, ob es diesen Gott<br />

überhaupt gibt, dann ist das ebenfalls in<br />

Ordnung. Insgesamt!<br />

Dabei erscheint mir eine Differenzierung<br />

notwendig zu sein: Das Argument<br />

<strong>de</strong>s punktuellen Probehan<strong>de</strong>lns<br />

bezieht sich darauf, dass wir von Schülern<br />

und Schülerinnen keine außerunterrichtlichen<br />

Konsequenzen einfor<strong>de</strong>rn<br />

dürfen. Das darf nicht mit einer „touchand-go“-Pädagogik<br />

verwechselt wer<strong>de</strong>n;<br />

selbstverständlich sollen religiöse<br />

Einzelerfahrungen zu einer „spezifischen<br />

Domäne menschlichen Wissens“<br />

(Englert 2006, 10), welche <strong>de</strong>r eigenständige<br />

religiöse Zugang zur Wirklichkeit<br />

darstellt, verknüpft wer<strong>de</strong>n.<br />

Wenn wir davon sprechen, man<br />

müsse „Religion inszenieren und reflektieren“<br />

o<strong>de</strong>r die Partizipationskompetenz<br />

müsse die Deutekompetenz ergänzen,<br />

so sind jeweils bei<strong>de</strong> Pole als<br />

gleich wichtig zu erachten. Religionsunterricht<br />

ist als or<strong>de</strong>ntliches Unterrichtsfach<br />

immer auch Unterricht „über“<br />

Religion. Deshalb erscheint mir in <strong>de</strong>r<br />

obigen Auflistung von Handlungsmöglichkeiten<br />

die Doppelpoligkeit „nicht<br />

nur“ – „son<strong>de</strong>rn auch“ so be<strong>de</strong>utsam zu<br />

sein. Das Anliegen eines erfahrungsorientierten<br />

Religionsunterrichts wür<strong>de</strong><br />

missverstan<strong>de</strong>n, wenn man dabei völlig<br />

auf diskursive und kommunikative Akte<br />

verzichten wür<strong>de</strong>. Auch um <strong>de</strong>n Vorwurf<br />

<strong>de</strong>r Grenzüberschreitung zu entkräften,<br />

scheint es mir wichtig zu sein,<br />

darauf zu verweisen, dass im Religionsunterricht<br />

keine religiöse Erfahrung ermöglicht<br />

wer<strong>de</strong>n darf, die nicht zugleich<br />

auch einer Reflexion unterzogen wird,<br />

weil damit eine Distanz zur Erfahrung<br />

möglich wird (vgl. Meyer-Blanck 2000,<br />

358). „Was macht das mit mir?“, könnte<br />

eine Grundformel für alle sozialen, meditativen,<br />

liturgischen o<strong>de</strong>r existentiellen<br />

Erfahrungen sein. Durch solche Akte<br />

einer distanzierten Reflexion, Meta-<br />

Kommunikation und <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Austausch in <strong>de</strong>r Lerngruppe wer<strong>de</strong>n<br />

Schüler und Schülerinnen entscheidungsfähig,<br />

handlungsmächtig und religiös<br />

dialogfähig, ent<strong>de</strong>cken die Qualität<br />

eines probehaften Zugriffs auf frem<strong>de</strong><br />

Religion, fin<strong>de</strong>n Geschmack o<strong>de</strong>r entschei<strong>de</strong>n<br />

sich gegen bestimmte Riten,<br />

Mo<strong>de</strong>lle, Praktiken. Wir la<strong>de</strong>n zu einer<br />

Praxis ein, <strong>de</strong>ren nachhaltige Praktizierung<br />

selbstverständlich nicht vorgeschrieben<br />

wer<strong>de</strong>n kann! Man kann hier<br />

vom respektvollen und zugleich entschie<strong>de</strong>nen<br />

Umgang <strong>de</strong>r französischen<br />

Bischöfe mit <strong>de</strong>r Postmo<strong>de</strong>rne lernen,<br />

die in ihrem berühmten Brief aus <strong>de</strong>m<br />

Jahre 1996 <strong>de</strong>r Kirche in ihrer säkularen<br />

Gesellschaft Mut zusprechen, <strong>de</strong>n Glauben<br />

vorzuschlagen.<br />

Der Verdacht, ein solches Plädoyer<br />

für einen performativen Religionsunterricht<br />

be<strong>de</strong>ute einen Rückfall in eine<br />

zu Recht kritisierte vereinnahmen<strong>de</strong><br />

missionarischer Katechese, kann auch<br />

mit einem Verweis auf die grundlegen<strong>de</strong><br />

Lerntheorie <strong>de</strong>s Konstruktivismus ausgeräumt<br />

wer<strong>de</strong>n (vgl. Mendl 2005a):<br />

Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Respekt vor <strong>de</strong>r Selbst-<br />

Konstruktion jeglicher Lernen<strong>de</strong>r, die<br />

aus einer postmo<strong>de</strong>rnen Palette von<br />

Sinn<strong>de</strong>utungen Leben und Glauben<br />

konstruieren, ermöglicht es, selbstbewusst<br />

und entschie<strong>de</strong>n „<strong>de</strong>n Glauben<br />

vorzuschlagen“ (Brief <strong>de</strong>r französischen<br />

Bischöfe 1996; vgl. Sekretariat<br />

<strong>de</strong>r Deutschen Bischofskonferenz 2000)<br />

und zum Ausprobieren und Reflektieren<br />

Didaktische Beispiele zur Performanz im Religionsunterricht<br />

sind aus <strong>de</strong>m Internet zubeziehen: www.ifrr.<strong>de</strong><br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

BEITRÄGE<br />

33


BEITRÄGE<br />

34<br />

<strong>de</strong>r Schätze christlicher Tradition einzula<strong>de</strong>n.<br />

Ein solcher Ansatz kann entlasten,<br />

weil er zwei Perspektiven verbin<strong>de</strong>t:<br />

eine „starke“ Mystagogie, um zu<br />

ver<strong>de</strong>utlichen „wie katholisch geht“<br />

(vgl. Nordhofen 2006) – mit Selbstbewusstsein<br />

und einla<strong>de</strong>nd vorgetragen,<br />

und gleichzeitig <strong>de</strong>n Respekt <strong>de</strong>n Schülern<br />

und Schülerinnen und ihren je eigenen<br />

Konstruktionsprozessen gegenüber.<br />

Der Geschmack:<br />

Das Auskosten <strong>de</strong>r Dinge von innen<br />

(Ignatius von Loyola)<br />

Ein Wahlspruch, <strong>de</strong>r die Notwendigkeit<br />

einer Inszenierung von Religion<br />

untermauert, könnte ein Satz aus<br />

<strong>de</strong>m Exerzitien-Büchlein von Ignatius<br />

von Loyola (1491-1556) be<strong>de</strong>uten:<br />

„Nicht das Vielwissen sättigt die Seele<br />

und gibt ihr Genüge, son<strong>de</strong>rn das Fühlen<br />

und Kosten <strong>de</strong>r Dinge von innen“<br />

(Ignatius von Loyola 1956, 7). In diesem<br />

Sinne möchte ich zu einem Mut zu<br />

verantwortungsvollen Inszenierungen<br />

im Religionsunterricht ermuntern!<br />

Prof. Dr. Hans Mendl ist Professor für<br />

Religionspädagogik und Didaktik <strong>de</strong>s<br />

Religionsunterrichts <strong>de</strong>r Universität<br />

Passau.<br />

Literatur:<br />

Austin, John L. (1972): Zur Theorie <strong>de</strong>r Sprechakte (How<br />

to do things with words), Stuttgart.<br />

Benner, Dietrich (2004): Bildungsstandards und Qualitätssicherung<br />

im Religionsunterricht, in: Theo-web. Zeitschrift<br />

für Religionspädagogik 3. Heft 2, 22-36.<br />

Dressler, Bernhard (2002): Darstellung und Mitteilung.<br />

Religionsdidaktik nach <strong>de</strong>m Traditionsabbruch, in: rhs<br />

45, 11-19.<br />

Englert, Rudolf: Die Korrelationsdidaktik am Ausgang<br />

ihrer Epoche. Plädoyer für einen ehrenhaften Abgang,<br />

in: Hilger, Georg/Reilly, George (Hg.): Religionsunterricht<br />

im Abseits? Das Spannungsfeld Jugend – Schule – Religion<br />

– München. 1993. 97-110.<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

Englert, Rudolf (2002): Performativer Religionsunterricht?<br />

Anmerkungen zu <strong>de</strong>n Ansätzen von Schmid,<br />

Dressler und Schoberth, in: rhs 45, 32-36.<br />

Englert, Rudolf (2006): Religion reflektieren – nötiger<br />

<strong>de</strong>nn je, in: Kirche und Schule. Mitteilungen <strong>de</strong>r Hauptabteilung<br />

Schule und Erziehung im Bischöflichen Generalvikariat<br />

Münster für Religionslehrer/-innen, Schulseelsorger/-innen<br />

an katholischen Schulen 33, Nr. 139, 9-14.<br />

Hentig, Hartmut von (2004): Die Schule neu <strong>de</strong>nken. Eine<br />

Übung in praktischer Vernunft – Weinheim.<br />

Husmann, Bärbel/Klie, Thomas (2005): Gestalteter Glaube.<br />

Liturgisches Lernen in Schule und Gemein<strong>de</strong> – Göttingen.<br />

Ignatius von Loyola (1956): Die Exerzitien. Übertragen<br />

von Hans Urs von Balthasar – Einsie<strong>de</strong>ln.<br />

Klie, Thomas/Leonhard, Silke (Hg.) (2003): Schauplatz<br />

Religion. Grundzüge einer Performativen Religionspädagogik<br />

– Leipzig.<br />

Kliemann, Peter/Rupp, Hartmut (Hg.) (2000): 1000 Stun<strong>de</strong>n<br />

Religion. Wie junge Erwachsene <strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />

erleben – Stuttgart.<br />

Mendl, Hans (2003): Religiöses Wissen – was, wie und<br />

für wen?, in: KatBl 128, 318-325.<br />

Mendl, Hans (2004): Im Mittelpunkt <strong>de</strong>r Mensch. Prinzipien,<br />

Möglichkeiten und Grenzen eines schülerorientierten<br />

Religionsunterrichts – Winzer.<br />

Mendl, Hans (Hg.) (2005a): Konstruktivistische Religionspädagogik<br />

– Münster.<br />

Mendl, Hans (2005b): Mehr als Re<strong>de</strong>n über Religion. Die<br />

Be<strong>de</strong>utung eines performativen Religionsunterrichts, in:<br />

Bischöfliches Ordinariat Passau. Hauptabteilung Schulen<br />

und Hochschule (Hg.), Prisma RU. Impulse für <strong>de</strong>n<br />

Religionsunterricht – Passau. 4-16.<br />

Mendl, Hans (2006): Religionsunterricht inszenieren<br />

und reflektieren. Plädoyer für einen Religionsunterricht,<br />

<strong>de</strong>r mehr ist als „re<strong>de</strong>n über Religion“, in: Rendle, Ludwig<br />

(Hg.): Mehr als re<strong>de</strong>n über Religion. 1. Arbeitsforum Religionspädagogik<br />

21. bis 23. März 2006. Dokumentation<br />

– Donauwörth. 10-41.<br />

Mendl, Hans (2007): Wieviel Annäherung ist gefragt? Einige<br />

Thesen zu notwendigen und problematischen Konvergenzbewegungen<br />

heute. in: KatBl 132 (2007), Heft 2, 92-94.<br />

Meyer-Blanck, Michael (2000): Liturgie und Ritual.<br />

Kirchlicher Gottesdienst o<strong>de</strong>r Inszenierung von Religion<br />

durch Jugendliche? Neue Wahrnehmungs-, Gestaltungs-<br />

und Handlungsaufgaben für <strong>de</strong>n Religionsunterricht,<br />

in: Groß, Engelbert/König, Klaus (Hg.):<br />

Religiöses Lernen <strong>de</strong>r Kirchen im globalen Dialog.<br />

Weltweit akute Herausfor<strong>de</strong>rungen und Praxis einer<br />

Weggemeinschaft für Eine-Welt-Religionspädagogik<br />

– Münster, 349-358.<br />

Nordhofen, Ekkhard (2006): So geht Katholisch. Ein Plädoyer<br />

für starke Mystagogie, in: Internationale Zeitschrift<br />

Communio 35, 224-230.<br />

Der Religionsunterricht in <strong>de</strong>r Schule (1976), in: Gemeinsame<br />

Syno<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Bistümer in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland. Beschlüsse, Offizielle Gesamtausgabe I –<br />

Freiburg u.a. 4. A., 113-152.<br />

Schmid, Hans (2003): Assoziation und Dissoziation als<br />

Grundmomente religiöser Bildung. Zur Frage nach <strong>de</strong>m<br />

‚Wozu’ religiöser Bildung heute, in: Religionspädagogische<br />

Beiträge 50, 49-57.<br />

Sekretariat <strong>de</strong>r Deutschen Bischofskonferenz (2000):<br />

Den Glauben anbieten in <strong>de</strong>r heutigen Gesellschaft.<br />

Brief an die Katholiken Frankreichs von 1996 – Bonn.<br />

Sekretariat <strong>de</strong>r Deutschen Bischofskonferenz (Hg.)<br />

(2005): Der Religionsunterricht vor neuen Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

– Bonn.<br />

Veröffentlichungen von Prof. Dr. Hans Mendl:<br />

Mendl, Hans: Literatur als Spiegel christlichen Lebens.<br />

Religiöse Kin<strong>de</strong>r- und Jugen<strong>de</strong>rzählungen katholischer<br />

Autoren von 1750-1850 (Studien zur praktischen Theologie).<br />

– St. Ottilien: EOS Verlag. 1995. 460 S. (ISBN 798-<br />

3-88096-724-3)<br />

Mendl, Hans: Im Mittelpunkt <strong>de</strong>r Mensch. Prinzipen,<br />

Möglichkeiten und Grenzen eines schülerorientierten<br />

Religionsunterrichts. – Winzer: Verlag J. Duschl. 2004.<br />

126 S., 17 schw.-w. Abb., 7 schw.-w. Tab., 20 schw.-w. Fotos,<br />

11 schw.-w. Zeichn. (ISBN 978-3-937438-13-9)<br />

Mendl, Hans: Lernen an (ausser-)gewöhnlichen Biografien.<br />

Religionspädagogische Anregungen für die<br />

Unterrichtspraxis. – Donauwörth: Auer Verlag. 2005.<br />

272 S. (ISBN 978-3-403-04365-2)<br />

Mendl, Hans: Wie viel Annäherung ist gefragt? Einige<br />

Thesen zu notwendigen und problematischen Konvergenzbewegungen<br />

heute. In.: Katechetische Blätter, 132<br />

(2007), Heft 2, S. 92 - 94<br />

Mendl, Hans (Hg.): Religionslehrer/-innen-Bildung (Reihe<br />

Netzwerk). – Donauwörth: Auer Verlag. 2002. 200 S.<br />

(ISBN 978-3-403-03701-9)<br />

Mendl, Hans (Hg.): Konstruktivistische Religiomspädagogik<br />

(Religionsdidaktik konkret). – Münster u.a.: LIT<br />

Verlag. 2005. 256 S. (ISBN 978-3-8258-8530-4)<br />

Mendl, Hans/Schwienhorst-Schönberger, Ludger/Stinglhammer,<br />

Hermann: Wo war Gott, als er nicht da war?<br />

(Glauben und Leben). – Münster u.a.: LIT Verlag. 2006.<br />

104 S. (ISBN 978-3-8258-9196-1)<br />

Gruber, Bernhard/Mendl, Hans: Zivilcourage im Dritten<br />

Reich! Und heute? Lernzirkel für <strong>de</strong>n Religions-, Geschichts-<br />

und Ethik-Unterricht <strong>de</strong>r Klassen 8-11. – Donauwörth:<br />

Auer Verlag. 2000. 80 S., Kopiervorlagen<br />

(ISBN 978-3-403-03230-4)<br />

Ziebert, Hans G./Heil, Stefan/Mendl, Hans/Simon, Werner:<br />

Religionslehrerbildung an <strong>de</strong>r Universität. Profession<br />

– Religion – Habitus (Forum Theologie und Pädagogik).<br />

– Münster u.a.: LIT Verlag. 2004. 168 S., Abb. (ISBN<br />

978-3-8258-8215-9)


Beobachten, wie die Bibel die Welt beobachtet.<br />

Der Religionsunterricht eines<br />

differenzbewussten Christentums*<br />

Am Religionsunterricht als einer<br />

Schnittstelle zwischen <strong>de</strong>m Kommunikationssystem<br />

Christentum und seiner<br />

gesellschaftlichen Umwelt wer<strong>de</strong>n die<br />

Probleme <strong>de</strong>s Christentums, sich von<br />

seiner Umwelt zu unterschei<strong>de</strong>n und<br />

sich zu ihr in ein Verhältnis zu setzen,<br />

so recht <strong>de</strong>utlich. Freilich können die<br />

Probleme im Religionsunterricht selbst<br />

eine Zeitlang verborgen bleiben, wenn<br />

man <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Religion so unscharf<br />

lässt, dass er alles Mögliche umfasst.<br />

Behoben wer<strong>de</strong>n sie damit nicht.<br />

Es ist aber offensichtlich, dass die Unsicherheit<br />

über die Aufgabe <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />

und die Rolle <strong>de</strong>r Religionslehrer<br />

und Religionslehrerinnen, ihre<br />

Selbst- und Fremdüberfor<strong>de</strong>rung, aus<br />

<strong>de</strong>r unklaren Unterscheidung zwischen<br />

Christentum und Umwelt resultiert. An<br />

dieser Stelle muss man ansetzen, wenn<br />

man die Probleme <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />

lösen will.<br />

Im ersten Schritt unserer Überlegungen<br />

soll es daher um die Leitunterscheidung<br />

zwischen <strong>de</strong>r christlichen Kommunikation<br />

und ihrer Umwelt gehen (<strong>IN</strong>I-<br />

TIATION). Im zweiten Schritt wird diese<br />

Leitunterscheidung auf die theologische<br />

Grundunterscheidung zwischen Natur<br />

und Gna<strong>de</strong> gespiegelt (DIST<strong>IN</strong>KTION).<br />

Die Frage wird hier sein, ob die systematische<br />

Theologie noch die Daten liefert,<br />

die für die Selbstunterscheidung <strong>de</strong>s Systems<br />

notwendig sind. Im dritten Schritt<br />

wird auf die Lage <strong>de</strong>s Christentums in<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft reflektiert (IRRITATION).<br />

Schließlich geht es um die Folgerungen<br />

für <strong>de</strong>n Religionsunterricht selbst (REA-<br />

LISATION).<br />

1. Initiation<br />

Je<strong>de</strong>s System muss sich von seiner<br />

Umwelt unterschei<strong>de</strong>n können; an-<br />

<strong>de</strong>rnfalls besteht es nicht. Bei biologischen<br />

Systemen, vom Einzeller bis<br />

zum Mensch, leistet dies die Haut. Zerfällt<br />

die Haut, ist dies <strong>de</strong>r Tod <strong>de</strong>s Systems.<br />

Bei psychischen Systemen muss<br />

die Unterscheidung zwischen <strong>de</strong>m eigenen<br />

Bewusstsein und <strong>de</strong>r Welt, also<br />

etwa <strong>de</strong>m Bewusstsein an<strong>de</strong>rer Menschen,<br />

gegeben sein; wo das nicht <strong>de</strong>r<br />

Fall ist, hat man es mit psychischen Erkrankungen<br />

zu tun. Bei sozialen Systemen<br />

ist es die Leitunterscheidung <strong>de</strong>r<br />

Kommunikation, die die Unterscheidung<br />

zur Umwelt herstellt. Bei einem<br />

Gespräch beispielsweise spricht man<br />

zu einem gegebenen Zeitpunkt über<br />

dieses und nichts an<strong>de</strong>res; wür<strong>de</strong> man<br />

über nichts Bestimmtes o<strong>de</strong>r über alles<br />

zugleich sprechen wollen, käme kein<br />

Gespräch zustan<strong>de</strong>. Die Funktionssysteme<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft – Recht, Wirtschaft,<br />

Bildung usw. – benutzen jeweils<br />

einen bestimmten Co<strong>de</strong>, mit <strong>de</strong>m sie<br />

sich zur Umwelt abgrenzen. Dass sie<br />

eine spezifische Funktion für die Gesellschaft<br />

erbringen können, setzt die<br />

Unterscheidung zur Gesellschaft vo-<br />

Thomas Ruster<br />

Prof. Dr. Thomas Ruster Foto: En<strong>de</strong>rs<br />

raus, die in <strong>de</strong>r Codierung gegeben ist.<br />

So operiert das Rechtssystem nach <strong>de</strong>r<br />

Unterscheidung Recht/Unrecht. Überall,<br />

wo die Welt nach dieser Unterscheidung<br />

beobachtet wird, ist das Rechtssystem<br />

zugegen. Zwar kann man in einem<br />

Gerichtssaal auch noch an<strong>de</strong>ren<br />

Unterscheidungen beobachten. Der<br />

Richter kann sich fragen, ob ihm <strong>de</strong>r<br />

Angeklagte sympathisch o<strong>de</strong>r unsympathisch<br />

ist, ob er Mitleid mit ihm hat<br />

o<strong>de</strong>r nicht. Diese Fragen liegen aber<br />

außerhalb von Erwägungen, wie sie für<br />

das Rechtssystem leitend sind.<br />

Auch das Christentum – und damit<br />

meine ich an dieser Stelle alle Orte<br />

einer christlichen Kommunikation, die<br />

immer daran zu erkennen sein wird,<br />

dass sie in irgen<strong>de</strong>iner Weise auf Jesus<br />

Christus und damit auf die Heilige<br />

Schrift zurückgeht – bleibt unter dieser<br />

Regel <strong>de</strong>r System-Umwelt-Unterscheidung.<br />

Selbstauflösungserscheinungen<br />

<strong>de</strong>s Christentums, wie man sie heute<br />

beobachten kann, sind immer auf eine<br />

Aufhebung <strong>de</strong>r System-Umwelt-Unterscheidung<br />

zurückzuführen. Darum muss<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

BEITRÄGE<br />

35


BEITRÄGE<br />

36<br />

es zunächst darum gehen, die Leitunterscheidung<br />

<strong>de</strong>s Christentums <strong>de</strong>utlich<br />

zu markieren. Dies zu tun, ist die<br />

Aufgabe <strong>de</strong>r Theologie. Ich halte mich<br />

zu diesem Zweck an die Psalmen, wobei<br />

sicher auch an<strong>de</strong>re Zugänge möglich<br />

wären. Der Psalter galt aber zu allen<br />

Zeiten als eine Art Bibel im Kleinen<br />

o<strong>de</strong>r als das Zentrum <strong>de</strong>r Bibel.<br />

Aus ihm lassen sich wesentliche Angaben<br />

über die biblische Leitunterscheidung<br />

gewinnen.<br />

Psalm 1: Die Unterscheidung zwischen<br />

Innen und Außen<br />

Der Psalm 1 steht wie ein Portal vor<br />

<strong>de</strong>m gesamten Psalter. Er sagt eigentlich<br />

nicht viel, nur eben das Entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>,<br />

dass das, was nun folgt, unter einer<br />

Unterscheidung steht. Unterschie<strong>de</strong>n<br />

wird zwischen <strong>de</strong>nen, die Freu<strong>de</strong><br />

haben an <strong>de</strong>r Weisung <strong>de</strong>s Herrn, und<br />

<strong>de</strong>nen, die das nicht haben. Diese wer<strong>de</strong>n<br />

Frevler und Sün<strong>de</strong>r genannt. Die,<br />

die Freu<strong>de</strong> haben an <strong>de</strong>r Weisung <strong>de</strong>s<br />

Herrn, sind im System, die Frevler und<br />

Sün<strong>de</strong>r sind die an<strong>de</strong>ren, sie sind draußen,<br />

sie sind die Umwelt. Es ist wichtig<br />

zu sehen, dass die Frevler nicht als böse<br />

Menschen geschil<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Sie sind<br />

einfach die, die <strong>de</strong>n Systemco<strong>de</strong> nicht<br />

beachten, die nach einer an<strong>de</strong>ren Weisung<br />

operieren. Von ihnen heißt es,<br />

dass sie im Gericht nicht bestehen – sie<br />

halten sich nicht an die Unterscheidung<br />

<strong>de</strong>s Systems – ; dass sie in <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Gerechten nicht bestehen – sie gehören<br />

nicht dazu – ; dass sie wie Spreu<br />

sind, das im Wind verweht: Sie sind<br />

Umwelt <strong>de</strong>s Systems, im System erzeugen<br />

sie keine spezifischen Informationen,<br />

sie wer<strong>de</strong>n nur als „Rauschen“<br />

(Luhmann) wahrgenommen. Charakteristisch<br />

ist das Missverständnis <strong>de</strong>r<br />

BIBEL <strong>IN</strong> GERECHTER SPRACHE, die die<br />

<strong>de</strong>n Ausdruck Frevler vermei<strong>de</strong>n will<br />

und ihn durch „die Machtgierigen“ ersetzt.<br />

Es geht aber in <strong>de</strong>m Psalm gar<br />

nicht darum, über die Frevler und Sün<strong>de</strong>r<br />

ein moralisches Urteil auszusprechen.<br />

Im Rechtswesen, um auf das<br />

oben gegebene Beispiel zurückzukommen,<br />

wäre nicht nur <strong>de</strong>r Richter ein<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

Schaubild 1: Gott, Schöpfer <strong>de</strong>s Himmels und <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> Grafik: Ruster<br />

Frevler, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Unschuldigen verurteilt,<br />

son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Schuldigen<br />

aus Grün<strong>de</strong>n, die nicht im Recht<br />

liegen, freispricht: auch <strong>de</strong>r Mitleidige<br />

wäre hier ein Frevler. Man versteht<br />

jetzt, warum die Frevler, die Sün<strong>de</strong>r,<br />

die Gottlosen in fast allen Psalmen so<br />

eine große Rolle spielen, und warum<br />

wir so wenig über sie erfahren. Sie wer<strong>de</strong>n<br />

einfach als die an<strong>de</strong>re Seite <strong>de</strong>r Unterscheidung<br />

mitgeführt. Selbst wenn<br />

es keinen einzigen von ihnen gäbe,<br />

müsste man sie nennen, so wie man<br />

nicht bestimmen kann, was Recht ist,<br />

wenn nicht auch über Unrecht gesprochen<br />

wird. Und dass man über sie so<br />

wenig erfährt, ist in Ordnung. Das System<br />

setzt eine Unterscheidung und operiert<br />

dann nur auf einer Seite, <strong>de</strong>r Innenseite.<br />

Die Außenseite bleibt unmarked<br />

space (Luhmann mit G. Spencer<br />

Brown). 1<br />

Psalm 96: Die Unterscheidung von<br />

Gott und Himmel<br />

Der Psalm gibt in beson<strong>de</strong>rer Deutlichkeit<br />

zu erkennen, worin die biblische<br />

Unterscheidung inhaltlich besteht.<br />

Der Auffor<strong>de</strong>rung zum Gotteslob und<br />

zum Jubel (Singt <strong>de</strong>m Herrn ein neues<br />

Lied ...) folgt die Begründung:<br />

Denn groß ist <strong>de</strong>r Herr und hoch zu preisen,<br />

mehr zu fürchten als alle Götter.<br />

Alle Götter <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>n sind nichtig,<br />

<strong>de</strong>r Herr aber hat <strong>de</strong>n Himmel geschaffen.<br />

Dass <strong>de</strong>r Himmel zu Gottes Schöpfung<br />

gehört und also ein Teil <strong>de</strong>r Welt<br />

ist, damit setzt schon <strong>de</strong>r erste Vers <strong>de</strong>r<br />

Bibel ein. Und in <strong>de</strong>r Tat ist damit <strong>de</strong>r<br />

entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Unterschied gesetzt: Was<br />

für die Menschen, die Gott nicht kennen,<br />

als höchste und letzte Macht erscheinen<br />

mag, das, was sie Götter nennen,<br />

vor <strong>de</strong>nen sie sich fürchten und <strong>de</strong>nen<br />

sie dienen, das ist in biblischer<br />

Sicht nur ein Teil <strong>de</strong>r Welt. Dass Gott<br />

hoch zu preisen und mehr zu fürchten<br />

ist als alle Götter, ergibt sich unmittelbar<br />

daraus, dass er <strong>de</strong>n Himmel geschaffen<br />

hat. Die Bibel beobachtet die<br />

Welt also in einer ganz beson<strong>de</strong>ren Perspektive:<br />

Nicht mehr nur in <strong>de</strong>r Unterscheidung<br />

Er<strong>de</strong>/Himmel, son<strong>de</strong>rn in<br />

<strong>de</strong>r Unterscheidung Gott/Schöpfung incl.<br />

Himmel und Götter. Das ist das Neue,<br />

das nun auch, wie <strong>de</strong>r Psalm sagt, ein<br />

neues Lied ertönen lässt.<br />

Nur kurz sei ange<strong>de</strong>utet, was aus<br />

dieser Unterscheidung folgt. 2 Das Erste<br />

ist: Die biblische Gottesverehrung lässt<br />

sich nicht so einfach <strong>de</strong>n Religionen<br />

zuordnen. Nennen wir Religion jene<br />

Instanz, die zwischen Er<strong>de</strong> und Himmel,<br />

zwischen <strong>de</strong>m uns zugänglichen<br />

und <strong>de</strong>m uns unzugänglichen Teil <strong>de</strong>r<br />

Welt vermittelt, dann bleibt zwar auch<br />

in biblischer Sicht die Aufgabe <strong>de</strong>r Religion<br />

voll und ganz erhalten, die biblische<br />

Gottesverehrung selbst operiert<br />

aber an einer an<strong>de</strong>ren Stelle, an einer<br />

an<strong>de</strong>ren Unterscheidung. Für sie gerät<br />

<strong>de</strong>r Bereich <strong>de</strong>s Himmels bzw. <strong>de</strong>r Göt-


ter auf die beobachtbare Seite <strong>de</strong>r Unterscheidung.<br />

Von daher wird <strong>de</strong>nn<br />

auch zweitens klar, worin eigentlich die<br />

Erlösung besteht: eben darin, von <strong>de</strong>r<br />

Macht <strong>de</strong>r – ansonsten – letztbestimmen<strong>de</strong>n<br />

Mächte freizukommen, zu <strong>de</strong>nen<br />

immerhin auch solche gewichtigen<br />

Mächte wie <strong>de</strong>r Tod gehören. Das Gottesreich,<br />

um es einmal in neutestamentlicher<br />

Perspektive zu sagen, ist da gegeben,<br />

wo die Macht Satans, <strong>de</strong>s Verführers,<br />

als ohnmächtig erfahren wird.<br />

Die Evangelisten schicken <strong>de</strong>r Gottesreichverkündigung<br />

Jesu die Geschichte<br />

voraus, wie er in <strong>de</strong>r Wüste <strong>de</strong>n Versucher<br />

überwin<strong>de</strong>t. Er selbst sagt Lk<br />

10,18: Ich sah <strong>de</strong>n Satan wie einen<br />

Blitz vom Himmel fahren. Die Macht<br />

<strong>de</strong>r Gewalten im Himmel ist überwun<strong>de</strong>n,<br />

so <strong>de</strong>r Ausgangspunkt <strong>de</strong>r Botschaft<br />

Jesu, <strong>de</strong>r Weg zum Gottesreich<br />

ist frei; es folgt jetzt nur noch das wie<br />

im Himmel so auf Er<strong>de</strong>n. – Übersieht<br />

man diese Unterscheidung zwischen<br />

Gott und Himmel, rechnet man Gott<br />

<strong>de</strong>m Himmel zu bzw. das Christentum<br />

<strong>de</strong>n Religionen, dann kann gar nicht<br />

mehr verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, was Erlösung<br />

und Befreiung ist. Es wird auch nicht<br />

mehr verstan<strong>de</strong>n, worin das Gottesreich<br />

besteht. Das neue Lied, von <strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>r Psalm spricht, ertönt nicht mehr,<br />

vielmehr wird <strong>de</strong>r biblische Glaube in<br />

das alte Lied aller Religionen eingeglie<strong>de</strong>rt.<br />

(...)<br />

Nun haben wir also die Hauptelemente<br />

<strong>de</strong>r biblischen Leitunterscheidung<br />

zusammen. Für das biblische Kom-<br />

munikationssystem ist die Unterscheidung<br />

zur Umwelt („Frevler“) konstitutiv<br />

(Ps 1). Sie besteht im Rahmen eines<br />

allgemeinen Weltverständnisses in <strong>de</strong>r<br />

Unterscheidung zwischen Gott und<br />

Himmel (Ps 96) bzw. zwischen biblischer<br />

Gottesverehrung und Religion.<br />

Daraus ergibt sich dann die Unterscheidung<br />

zwischen Gottes Volk und <strong>de</strong>m<br />

Rest <strong>de</strong>r Welt. Wo Welt und Dasein so<br />

beobachtet wer<strong>de</strong>n, zeigt sich, dass das<br />

natürliche Daseinsgesetz („Selbsterhaltung“)<br />

nicht das einzige ist. Die Bibel<br />

stellt vielmehr die Heiligung <strong>de</strong>s<br />

göttlichen Namens in <strong>de</strong>n Mittelpunkt<br />

– das be<strong>de</strong>utet soviel wie eine neue<br />

Schöpfung zu machen. (...)<br />

2. Distinktion<br />

Die theologische Tradition hat die<br />

biblische Leitunterscheidung in verschie<strong>de</strong>ne<br />

Gestalten transformiert. In<br />

<strong>de</strong>r katholischen Theologie ist sie in<br />

<strong>de</strong>r Neuzeit in die Form <strong>de</strong>r hochabstrakten<br />

Unterscheidung von Natur und<br />

Gna<strong>de</strong> gebracht wor<strong>de</strong>n. Unter Natur<br />

wird dabei das verstan<strong>de</strong>n, was <strong>de</strong>r<br />

Mensch nach <strong>de</strong>m natürlichen Daseinsgesetz<br />

<strong>de</strong>r Selbsterhaltung ist und wer<strong>de</strong>n<br />

kann, unter Gna<strong>de</strong> das, was Psalm<br />

115 so vortrefflich ausdrückt: ein Leben<br />

zu Gottes Verherrlichung. Wie stehen<br />

nun diese bei<strong>de</strong>n Seiten zueinan<strong>de</strong>r?<br />

Setzt die Gna<strong>de</strong> die Natur voraus,<br />

o<strong>de</strong>r hebt sie sie auf? Dabei ist in Treue<br />

zur biblischen Geschichte noch zu be-<br />

Status-Lehre<br />

rücksichtigen, dass die Natur nicht in<br />

iustitia<br />

Gna<strong>de</strong> originalis<br />

vor__________________________________________________________________________________________<br />

Recht<br />

Reinform vorkommt, son<strong>de</strong>rn immer<br />

schon korrumpiert durch die Sün<strong>de</strong>.<br />

Christus aber hat von <strong>de</strong>r Macht <strong>de</strong>r<br />

Sün<strong>de</strong> erlöst. Was be<strong>de</strong>utet das für das<br />

aktuelle Verhältnis von Natur und Gna<strong>de</strong>?<br />

Die Antwort <strong>de</strong>r klassischen Theologie<br />

darauf lässt sich in ein Schaubild<br />

bringen (vgl. Schaubild 2).<br />

Zur Erläuterung: Die reine Natur<br />

(natura pura) ist bloßes System <strong>de</strong>r<br />

Selbsterhaltung wie bei allen Lebewesen,<br />

nur kommen beim Menschen noch<br />

die spezifischen intellektiven Fähigkeiten<br />

dazu. Der freie Wille und die Neigung,<br />

das Gute zu wollen und das Böse<br />

zu verabscheuen, gehören zur reinen<br />

Natur. Die Figur <strong>de</strong>r reinen Natur ist<br />

aber eine bloß hypothetische Voraussetzung.<br />

In Wirklichkeit hat es nur die<br />

vollständige, integre Natur (natura integra)<br />

gegeben (nämlich, so weiß es die<br />

Tradition, zwischen <strong>de</strong>r Erschaffung<br />

<strong>de</strong>s Menschen in Gen 1,7 und seiner<br />

Einsetzung in <strong>de</strong>n Garten E<strong>de</strong>n in Gen<br />

1,8), das ist die reine Natur plus <strong>de</strong>r Gabe<br />

<strong>de</strong>s Rechttuns (donum rectitudinis).<br />

Unter dieser Gabe ist zu verstehen: Die<br />

Antriebe <strong>de</strong>r Natur ohne die Macht <strong>de</strong>s<br />

sündigen Begehrens. Die Theologie erklärte,<br />

dass für die Menschen mit <strong>de</strong>r<br />

Gna<strong>de</strong>ngabe <strong>de</strong>s donum rectitudinis<br />

drei Gaben verbun<strong>de</strong>n waren: Die Gabe<br />

<strong>de</strong>s Wissens (donum scientiae – ein<br />

Wissen, das die Dinge ohne Begier<strong>de</strong><br />

erfasst und ihnen darum gerecht wird),<br />

die Gabe <strong>de</strong>r Unsterblichkeit (donum<br />

immortalitatis – ein Leben, das auch<br />

durch das Sterben nicht aus <strong>de</strong>r Ge-<br />

natura pura natura integra natura elevata natura lapsa natura reparata status gloriae<br />

peccatum originale visio beatifica<br />

potentia vegetativa natura pura natura pura natura pura - natura pura dotes:<br />

sensitiva (+) donum rectitudinis (+) donum rect. (–) donum rect. - - (–) donum rect. agilitas<br />

intellectiva d. scientiae (+) gratia sanctificans (–) gratia sanctificans (+) gratia sanct. Impassid.<br />

immortalitatis (+) concupiscentia bilitas<br />

d. impassiblitatis subtilitas<br />

liberum arbitrium claritas<br />

appetitus concupiscibilis<br />

et irascibilis<br />

Schaubild 2: Status-Lehre Grafik: Ruster<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

BEITRÄGE<br />

37


BEITRÄGE<br />

38<br />

meinschaft mit Gott gerissen wird) und<br />

die Gabe <strong>de</strong>r Lei<strong>de</strong>nsfreiheit (sie stellt<br />

sich ein, wenn man <strong>de</strong>n Tod nicht mehr<br />

fürchtet). – Die Natur <strong>de</strong>s Menschen im<br />

Paradies war dann die natura elevata,<br />

die erhöhte Natur, und darunter ist zu<br />

verstehen, dass Gott die Menschen in<br />

seine unmittelbare Gemeinschaft beruft,<br />

dass er sie nicht mehr als abhängige<br />

Geschöpfe, son<strong>de</strong>rn als Kin<strong>de</strong>r und<br />

Freun<strong>de</strong> behan<strong>de</strong>lt. Die Verbindung von<br />

donum rectitudinis und gratia sanctificans<br />

(heiligmachen<strong>de</strong> Gna<strong>de</strong>) ergibt<br />

die Urstandsgerechtigkeit: ein Zustand,<br />

in <strong>de</strong>m die Menschen sowohl Gott wie<br />

einan<strong>de</strong>r und <strong>de</strong>r Umwelt absolut gerecht<br />

wer<strong>de</strong>n konnten. Dieser Zustand<br />

wird durch die Sün<strong>de</strong> zerstört. Die gefallene<br />

Natur (natura lapsa) hat sowohl<br />

die Gabe <strong>de</strong>s Rechttuns wie auch die<br />

heiligmachen<strong>de</strong> Gna<strong>de</strong> verloren; an die<br />

Stelle <strong>de</strong>s donum rectitudinis tritt die<br />

unmäßige Begier<strong>de</strong>, die concupiscentia.<br />

Christus ist gekommen, um die Menschen<br />

von <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> zu erlösen. Für<br />

die, die an ihn glauben, ist die gratia<br />

sanctificans, die Gemeinschaft mit Gott,<br />

wie<strong>de</strong>rhergestellt wor<strong>de</strong>n, die concupiscentia<br />

ist in<strong>de</strong>ssen als gerechte Sün<strong>de</strong>nstrafe<br />

geblieben. Im status gloriae,<br />

<strong>de</strong>m Zustand <strong>de</strong>r Herrlichkeit, wird unmittelbare<br />

Gottesfreundschaft und -gemeinschaft<br />

gegeben sein; dieser Zustand<br />

wird vermöge <strong>de</strong>r Brautgaben<br />

(dotes: impassibilitas, subtilitas, agilitas,<br />

claritas) noch herrlicher sein als das<br />

Leben im Paradies.<br />

Wenn man die klassische Lehre in<br />

<strong>de</strong>r Abstraktheit, in <strong>de</strong>r ich sie hier präsentiere,<br />

anschaut, fällt sofort auf, dass<br />

sie die oben genannten Elemente <strong>de</strong>r<br />

biblischen Leitunterscheidung in sich<br />

aufgenommen hat. Der in Ps 1 gegebenen<br />

Unterscheidung zwischen <strong>de</strong>n zwei<br />

Gesetzen bzw. zwischen Innen und Außen<br />

entspricht überhaupt die zwischen<br />

Natur und Gna<strong>de</strong>; mit <strong>de</strong>r systemisch<br />

unabweisbaren Anschlussfrage, wie <strong>de</strong>nn<br />

die Grenze zwischen <strong>de</strong>n zwei Seiten<br />

gekreuzt, <strong>de</strong>r Weg von <strong>de</strong>r Natur zur<br />

Gna<strong>de</strong> und umgekehrt gegangen wer<strong>de</strong>n<br />

kann. Der Unterscheidung von Gott<br />

und Himmel in Ps 96 entspricht sachlich<br />

die zwischen Erlösung und Sün<strong>de</strong>.<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

Das ist nicht so leicht zu sehen, erklärt<br />

sich aber aus <strong>de</strong>r anthropozentrischen<br />

Zuspitzung, die die Theologie in <strong>de</strong>r<br />

Neuzeit erfahren hat. Der Mensch <strong>de</strong>r<br />

Sün<strong>de</strong> ist <strong>de</strong>r Mensch unter <strong>de</strong>n satanischen<br />

Mächten <strong>de</strong>s Himmels, die er<br />

durch seine Sün<strong>de</strong> selbst groß gemacht<br />

hat, 3 während <strong>de</strong>r Glaube an Gott die<br />

Erlösung be<strong>de</strong>utet. Der Differenz zwischen<br />

Israel und <strong>de</strong>n Völkern (Psalm<br />

95) ist in die zwischen <strong>de</strong>n Getauften<br />

und <strong>de</strong>n Nichtgetauften überführt, die<br />

mit <strong>de</strong>r Erlösung <strong>de</strong>r Natur durch Christus<br />

(„natura reparata“) akut wird, tatsächlich<br />

aber schon das ganze Schema<br />

steuert (ist doch die Anschauung <strong>de</strong>r<br />

Geschichte unter <strong>de</strong>n Kategorien von<br />

Natur, Sün<strong>de</strong> und Gna<strong>de</strong> selbst schon<br />

eine spezifisch christliche Erkenntnisleistung).<br />

Die Unterscheidung von Ps<br />

115 ist in <strong>de</strong>r sachlichen Differenz von<br />

Natur und Gna<strong>de</strong> aufbewahrt: Leben<br />

„für uns“ und aus eigenen Kräften, wie<br />

es uns kraft <strong>de</strong>r Geschöpflichkeit gegeben<br />

ist = Natur; Leben zur Ehre Gottes,<br />

wie es nur als ungeschul<strong>de</strong>tes Geschenk<br />

von Gott her empfangen wer<strong>de</strong>n<br />

kann = Gna<strong>de</strong>.<br />

Das klassische Schema enthielt<br />

zugleich <strong>de</strong>n Keim seiner Auflösung in<br />

sich! Dies ist zu zeigen, um zu erklären,<br />

warum es schließlich beiseite gelegt<br />

wur<strong>de</strong>. Die Unterscheidung zwischen<br />

Natur und Gna<strong>de</strong> ist schließlich überhaupt<br />

aus <strong>de</strong>r Theologie verschwun<strong>de</strong>n,<br />

und damit die letzte noch gültige Form,<br />

die biblische Leitunterscheidung im<br />

System aufrecht zu erhalten. Die genannten<br />

Probleme von Kirche und Religionsunterricht<br />

kommen genau daher.<br />

Die Zwei-Seiten-Form <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>nlehre<br />

konnte nach ihren bei<strong>de</strong>n Seiten<br />

hin aufgelöst wer<strong>de</strong>n. Die eine Möglichkeit<br />

war, die Natur bereits als die<br />

von Gott gewollte Lebensform <strong>de</strong>s<br />

Menschen zu nehmen. Eine Vollendung<br />

im Rahmen <strong>de</strong>r natürlichen Selbsterhaltung<br />

wäre <strong>de</strong>mnach schon eine<br />

wirkliche und von Gott gewollte Vollendung<br />

<strong>de</strong>s Menschen gewesen. Die<br />

Gna<strong>de</strong> könnte zwar noch dazukommen,<br />

dies wür<strong>de</strong> aber nur so etwas wie<br />

ein zusätzliches Dekor, einen beson<strong>de</strong>ren<br />

Glanz be<strong>de</strong>uten, wesentlich für <strong>de</strong>n<br />

Menschen wäre das nicht. Das Gute an<br />

dieser Position ist, dass sie <strong>de</strong>n Charakter<br />

<strong>de</strong>r Ungeschul<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, ihren<br />

Geschenkcharakter, schön bewahren<br />

konnte, die Frage war nur, wofür<br />

man dieses Geschenk eigentlich braucht,<br />

wofür Christus kommen und sterben<br />

musste usw. Die an<strong>de</strong>re Möglichkeit<br />

bestand darin, die von Gott gewollte<br />

Vollendung <strong>de</strong>s Menschen allein in <strong>de</strong>r<br />

Kraft <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> für möglich zu halten.<br />

Eine eigene Vollendung <strong>de</strong>r Natur, einen<br />

natürlichen Endzweck <strong>de</strong>r natürlichen<br />

Fähigkeiten <strong>de</strong>s Menschen ist unter<br />

dieser Voraussetzung nicht <strong>de</strong>nkbar.<br />

Die Größe <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> wird <strong>de</strong>utlicher<br />

wahrgenommen als im ersten Konzept:<br />

Die vorfindliche Natur ist immer schon<br />

die von <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> korrumpierte, schon<br />

<strong>de</strong>shalb kann sie keine gottgewollte<br />

Vollendung haben. Das wahre und<br />

herrliche Leben <strong>de</strong>s Menschen käme<br />

allein aus <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gottesfreundschaft.<br />

Wie sollte man aber in dieser<br />

Sicht noch die Ungeschul<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>r<br />

Gna<strong>de</strong> bewahren? Wie kann es möglich<br />

sein, dass Gott vielen Menschen, vielleicht<br />

<strong>de</strong>n meisten, die Gna<strong>de</strong> vorenthält,<br />

obwohl er sie doch auf die gna<strong>de</strong>nhafte<br />

Vollendung hin geschaffen<br />

hat? Sind die meisten Menschen geschaffen,<br />

ohne ihre von Gott gewollte<br />

Vollendung erreichen zu können? (...)<br />

Es blieb dann Karl Rahner überlassen,<br />

in seiner subtilen Kenntnis <strong>de</strong>r<br />

Schultheologie <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rspruch zwischen<br />

<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Positionen offenbar<br />

zu machen und aufzulösen. Ich verstehe<br />

Rahner wesentlich als <strong>de</strong>njenigen,<br />

<strong>de</strong>r mit einem theologischen Genie ohnegleichen<br />

die latente Paradoxie <strong>de</strong>r<br />

Natur-Gna<strong>de</strong>-Unterscheidung aufge<strong>de</strong>ckt<br />

und sie dann einer Lösung zugeführt<br />

hat, die darin bestand, die paradoxe<br />

Einheit <strong>de</strong>r Unterscheidung aufzuweisen.<br />

4 Rahner ist etwa einem Richter<br />

zu vergleichen, <strong>de</strong>r in tiefer Weisheit<br />

erkennt, dass alles Recht letztlich auch<br />

Unrecht ist und auch das Unrecht sein<br />

Recht hat (nach <strong>de</strong>m Diktum summum<br />

ius – summa iniuria) – wun<strong>de</strong>rbar, nur<br />

dieser Mann kann, wenn er mit seinen<br />

Erkenntnissen Ernst macht, nicht mehr<br />

bei Gericht arbeiten. O<strong>de</strong>r mit einem


Künstler, <strong>de</strong>r erkennt, dass auch das<br />

Hässliche schön ist, einem Musiker,<br />

<strong>de</strong>r wahrnimmt, dass auch Geräusche<br />

Musik sind – aber können <strong>de</strong>nn diese<br />

bei<strong>de</strong>n noch ihre Kunst betreiben?<br />

Wür<strong>de</strong> es nicht genügen, auf die trivialen<br />

Gegenstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Alltags, auf die<br />

Geräusche <strong>de</strong>r Umwelt hinzuweisen<br />

und zu sagen: Das ist Kunst, das ist<br />

Musik?! Etwas Ähnliches tut aber Rahner<br />

mit <strong>de</strong>m Glauben, wenn er die Natur-Gna<strong>de</strong>-Unterscheidung<br />

auf ihre<br />

Einheit zurückführt. (...)<br />

Die alte Gna<strong>de</strong>nlehre hatte gesagt,<br />

dass nach <strong>de</strong>r Ursün<strong>de</strong> die Natur alle<br />

Gna<strong>de</strong> verloren hat und sie nur wie<strong>de</strong>rgewinnen<br />

kann, wenn sie von Christus<br />

erlöst wird. Bei Rahner aber wird, und<br />

das ist entschei<strong>de</strong>nd, die gna<strong>de</strong>nvernichten<strong>de</strong><br />

Wirklichkeit <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> aufgehoben.<br />

Bei ihm sind „auch die Ungläubigen<br />

und Sün<strong>de</strong>r“ von <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong><br />

umfangen, auch als „Ungläubige und<br />

Sün<strong>de</strong>r“ können sie aus <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>nordnung<br />

nicht heraustreten. Die Frage<br />

ist dann, welche Be<strong>de</strong>utung die Erlösung<br />

durch Christus noch hat. Offenbar<br />

kann es nach Rahner nur noch darum<br />

gehen, Christus als einen Menschen<br />

vorzuführen, <strong>de</strong>r das gna<strong>de</strong>nhafte Angebot<br />

in unüberbietbarer Weise realisiert<br />

hat, als „einmalig höchsten Fall<br />

menschlichen Daseinsvollzugs“ (wie<br />

er an<strong>de</strong>rer Stelle sagt); von Erlösung<br />

kann aber keine Re<strong>de</strong> mehr sein.<br />

Schauen wir, was aus <strong>de</strong>r biblischen<br />

Leitunterscheidung bei Rahner gewor<strong>de</strong>n<br />

ist. Dass überhaupt eine Unterscheidung<br />

besteht, wie es Psalm 1 einschärft,<br />

wird bei Rahner schon dadurch<br />

geleugnet, dass er die Gna<strong>de</strong> in einer<br />

Weise universalisiert, bei <strong>de</strong>r es eine<br />

an<strong>de</strong>re Seite gar nicht mehr geben<br />

kann. Der „Frevler“ kommt bei Rahner<br />

nicht vor, allenfalls <strong>de</strong>r Mensch, <strong>de</strong>r<br />

das immer schon gegebene Gna<strong>de</strong>nangebot<br />

nicht in <strong>de</strong>r rechten Weise realisiert<br />

(aber dieser Frevler kann nicht beobachtet<br />

wer<strong>de</strong>n). Die Unterscheidung<br />

Gott/Himmel aus Psalm 96, die die<br />

neuzeitliche Theologie auf die Unterscheidung<br />

zwischen <strong>de</strong>m Menschen<br />

unter <strong>de</strong>r Macht <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> und unter<br />

<strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> gebracht hatte, fällt bei ihm<br />

weg, weil vor <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> alle gleich<br />

sind, seien es nun Gläubige, Ungläubige<br />

o<strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong>r. Die Wirklichkeit und<br />

Macht <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> ist überhaupt bei Rahner<br />

gegenüber <strong>de</strong>r klassischen Theologie<br />

stark zurückgetreten. Der Israel-<br />

Bezug Gottes von Psalm 95 ist bei Rahner,<br />

das kann man getrost sagen, gar<br />

nicht präsent, die Unterscheidung aber<br />

zwischen Christen und Nichtchristen<br />

bzw. Getauften/Ungetauften wird bei<br />

ihm wie gezeigt aufgehoben bzw. in die<br />

zwischen unausdrücklich und reflex<br />

Gegebenes transformiert. Da diese Unterscheidung<br />

aber nirgendwo verifiziert<br />

wer<strong>de</strong>n kann, spielt sie faktisch<br />

keine Rolle (= sie kann nicht beobachtet<br />

wer<strong>de</strong>n). Die Unterscheidung von<br />

Psalm 115 – nicht uns, o Herr, son<strong>de</strong>rn<br />

<strong>de</strong>inen heiligen Namen – wird von<br />

Rahner dadurch außer Kraft gesetzt,<br />

dass er die „übernatürliche Erhebung<br />

<strong>de</strong>s Menschen [als] die (wenn auch ungeschul<strong>de</strong>te)<br />

absolute Erfüllung seines<br />

Wesens“ (231) ausweist: Leben aus <strong>de</strong>r<br />

Gna<strong>de</strong> ist dann schlicht menschliche<br />

Selbstverwirklichung, „Glaube Hilfe<br />

zum Menschsein“ (A. Exeler), während<br />

Gott als das unergründliche und<br />

dunkle Geheimnis ohnehin so sehr in<br />

<strong>de</strong>r Abstraktion verschwin<strong>de</strong>t, dass<br />

Gotteslob, gar das Singen neuer Lie<strong>de</strong>r<br />

(Ps 96) im Blick auf das immer-schonvorweg-Gegebene<br />

schwer fällt.<br />

Wie sähe ein Religionsunterricht<br />

nach diesem Mo<strong>de</strong>ll aus? Rahner hat<br />

bereits in diesem frühen Aufsatz auf die<br />

Konsequenzen hingewiesen, die dann<br />

historisch wahr gewor<strong>de</strong>n sind. Er sagt:<br />

„Wo mit <strong>de</strong>m Nichtgläubigen gere<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n muß, ist nur darauf zu achten,<br />

daß keine Prämissen aus <strong>de</strong>r geschichtlichen<br />

Wortoffenbarung entnommen wer<strong>de</strong>n,<br />

solange er <strong>de</strong>ren Bestand nicht anerkennt.<br />

Wo in einem solchen Gespräch<br />

an eine Erfahrung <strong>de</strong>s Menschen von<br />

sich selbst appelliert wird, wird man<br />

schlicht darauf zu merken haben, was<br />

<strong>de</strong>r nichtgläubige Gesprächspartner an<br />

solcher Erfahrung akzeptiert.“ (233)<br />

Also gegenüber Ungläubigen, wie<br />

man sie heute meistens im Religionsunterricht<br />

hat, ist Existenzerhellung angesagt,<br />

wobei sich schon Rahner Ge-<br />

danken darüber macht, woran es liegen<br />

kann, dass jemand seine existenziellen<br />

Erfahrungen nicht in <strong>de</strong>r Weise versteht,<br />

wie es sich <strong>de</strong>r gläubige Partner<br />

vorstellt: Weil ihm entwe<strong>de</strong>r die Eigenart<br />

<strong>de</strong>r natürlichen Erfahrung schlecht<br />

nachgewiesen wird o<strong>de</strong>r weil er sie<br />

trotz guten Aufweises nicht reflex erfasst<br />

o<strong>de</strong>r weil sie ihm noch nicht „in<br />

jener Deutlichkeit gegeben ist, daß er<br />

diesen argumentieren<strong>de</strong>n Hinweis auf<br />

sie versteht“ (233). Alle Lei<strong>de</strong>n und<br />

Überfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s/<strong>de</strong>r Religionslehrer/-innen<br />

sind in diesen Ausführungen<br />

schon präsent! Wovon soll aber <strong>de</strong>r Religionsunterricht<br />

re<strong>de</strong>n, wenn Hinweise<br />

auf die Offenbarung in <strong>de</strong>m Maße,<br />

wie sie nicht anerkannt wer<strong>de</strong>n, unterbleiben<br />

müssen? Rahner hat eine Themenliste<br />

vorgelegt: „das Erlebnis <strong>de</strong>r<br />

unendlichen Sehnsucht, <strong>de</strong>s radikalen<br />

Optimismus, <strong>de</strong>r unstillbaren Unzufrie<strong>de</strong>nheit,<br />

<strong>de</strong>r Qual <strong>de</strong>r Unzulänglichkeit<br />

alles Greifbaren, <strong>de</strong>r radikale Protest<br />

gegen <strong>de</strong>n Tod, die Erfahrung, einer<br />

absoluten Liebe gegenüberzustehen, gera<strong>de</strong><br />

dort, wo sie von tödlicher Unbegreiflichkeit<br />

ist und von schweigen<strong>de</strong>r<br />

Verschlossenheit zu sein scheint, die<br />

Erfahrung einer radikalen Schuld und<br />

einer <strong>de</strong>nnoch bestehen<strong>de</strong>n Hoffnung<br />

usw.“ (231)<br />

Also in etwa das Themenspektrum<br />

eines korrelativ ansetzen<strong>de</strong>n Religionsunterrichts,<br />

das dann, so Rahner, in <strong>de</strong>r<br />

Weise traktiert wer<strong>de</strong>n soll, dass an dieser<br />

Grun<strong>de</strong>rfahrung <strong>de</strong>utlich wird, dass<br />

sie „faktisch getragen ist von einer göttlichen<br />

Kraft, die <strong>de</strong>n geschaffenen Geist<br />

– aus Gna<strong>de</strong> – zu einer absoluten Erfüllung<br />

hinbewegt, darum ist darin Gna<strong>de</strong><br />

erfahren und das naturale Wesen <strong>de</strong>s<br />

Menschen“ (231f).<br />

Die Rahnersche Theologie ist die<br />

letzte schulbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> und wirkmächtige<br />

Theologie in katholischen <strong>de</strong>utschen<br />

Sprachraum. Sie hat, so war zu zeigen,<br />

es bei all ihren Verdiensten dazu gebracht,<br />

die systembil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Leitunterscheidung<br />

biblisch-christlicher Kommunikation<br />

außer Kraft zu setzen. Seit<strong>de</strong>m<br />

steht das von dieser Theologie beeinflusste<br />

Christentum da wie ein Justizpalast<br />

in einer politischen Diktatur:<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

BEITRÄGE<br />

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BEITRÄGE<br />

40<br />

Die Fassa<strong>de</strong> steht noch, aber es wird<br />

nicht mehr nach <strong>de</strong>m systemeigenen<br />

Co<strong>de</strong> operiert. Eine Zeitlang kann man<br />

sich behelfen, in<strong>de</strong>m man sich auf das<br />

Gebiet <strong>de</strong>r Religionen, <strong>de</strong>r Daseins<strong>de</strong>utung<br />

in Kunst und Literatur, <strong>de</strong>r aktuellen<br />

ethischen Tagesfragen verlegt. Es<br />

wird aber je länger je mehr unübersehbar,<br />

dass das System nicht mehr richtig<br />

arbeitet und <strong>de</strong>mentsprechend auch<br />

keine genauen Umweltbeobachtungen<br />

mehr hervorbringt. Die Probleme <strong>de</strong>s<br />

Religionsunterrichts, das möchte ich<br />

hier betonen, resultieren nicht in erster<br />

Linie aus einem Versagen <strong>de</strong>r Religionspädagogen<br />

o<strong>de</strong>r gar <strong>de</strong>r einzelnen<br />

Lehrerinnen und Lehrer, son<strong>de</strong>rn ihre<br />

Fehlerquelle liegt in <strong>de</strong>r systematischen<br />

Theologie.<br />

3. Irritation<br />

Kirche und Welt –Kirche in <strong>de</strong>r Welt<br />

von heute – Kirche, eine Welt für sich<br />

Wenn sich, sicherlich im Gegenzug<br />

zu <strong>de</strong>r eben aufgewiesenen theologischen<br />

Richtung, Kirche, Theologie und<br />

Religionsunterricht differenzbewusst in<br />

<strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft verorten<br />

wollen, dann steht eine Reflexion auf<br />

das Verhältnis von Kirche und Welt an.<br />

»Kirche und Welt« – dieses im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

gebil<strong>de</strong>te Begriffspaar konnte<br />

einmal zur Selbstbeschreibung einer<br />

Kirche dienen, die <strong>de</strong>r »Welt« – und damit<br />

war damals die vom religionskritischen<br />

Geist <strong>de</strong>r Aufklärung inspirierte<br />

naturwissenschaftlich-technisch-industriell-militärisch<br />

geprägte Gesellschaft<br />

gemeint – ablehnend gegenüberstand.<br />

Kirche galt <strong>de</strong>mgemäß als weltfern,<br />

als eine Son<strong>de</strong>rwelt, die notorisch<br />

hinter ihrer Zeit herlief. Es hat lange<br />

gebraucht, bis Katholiken das Illusorische<br />

dieser Verhältnisbestimmung auffiel.<br />

Wie kann sich die Kirche <strong>de</strong>r Welt<br />

gegenübersetzen, wenn sie doch selbst<br />

ein Teil <strong>de</strong>r Welt ist? Vor allem die bei<strong>de</strong>n<br />

Weltkriege, dann aber auch <strong>de</strong>r unaufhaltsame<br />

Siegeszug <strong>de</strong>r kapitalistischen<br />

Wirtschaft, <strong>de</strong>ren Vorteilen sich<br />

auch die Kirche immer weniger versagen<br />

konnte, haben dazu geführt, das je-<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

ne starre Gegenüberstellung aufgegeben<br />

wur<strong>de</strong>. Die „Pastoralkonstitution <strong>de</strong>s<br />

2. Vatikanums über die Kirche in <strong>de</strong>r<br />

Welt von heute“ (Gaudium et spes)<br />

bringt das entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Stichwort:<br />

Die Kirche ist in <strong>de</strong>r Welt, sie begreift<br />

sich als ein Teil <strong>de</strong>r Gesellschaft und<br />

sucht, wie es gera<strong>de</strong> in dieser Konstitution<br />

geschieht, nach ihrem Ort und ihrer<br />

Funktion. Ohne hier auf Einzelheiten<br />

einzugehen, lässt sich doch erkennen,<br />

dass im Hintergrund dieser Konzeption<br />

die Vorstellung steht, es gebe<br />

so etwas wie die Gesellschaft und es<br />

ließe sich in etwa angeben, welche<br />

Werte und Normen, welche Zielvorstellungen<br />

und gemeinsame Orientierungen<br />

ihr zugrun<strong>de</strong> liegen. In diesem<br />

Sinne kann in <strong>de</strong>r Konstitution immer<br />

noch recht pauschal von „<strong>de</strong>r Welt“,<br />

von „<strong>de</strong>r Welt, in <strong>de</strong>r wir leben“ usw.<br />

gesprochen wer<strong>de</strong>n, als sei immer<br />

schon klar, was damit gemeint ist. Gerne<br />

beruft sich die Gaudium et spes auch<br />

auf anthropologische Grundgegebenheiten<br />

wie z.B. das Gewissen, wohl in<br />

<strong>de</strong>r Annahme, über diese ließe sich<br />

Zeitübergreifen<strong>de</strong>s und Allgemeingültiges<br />

sagen. Die Vorstellung war, dass<br />

die Kirche in <strong>de</strong>r Gesellschaft für die<br />

Wahrung von Grundwerten und Normen,<br />

wie sie sich aus <strong>de</strong>m Menschsein<br />

an sich, dann aber auch aus <strong>de</strong>r christlichen<br />

Botschaft ergeben, zuständig sei.<br />

Ich meine nun, dass wir heute, ohne<br />

hinter das Konzil und insbeson<strong>de</strong>re<br />

Gaudium et spes zurückzufallen, genauer<br />

sein und präzise fragen müssen,<br />

in welcher Gesellschaft wir leben und<br />

wie Kirche darin vorkommen kann.<br />

Die Antwort, die ich im Folgen<strong>de</strong>n mit<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaftstheorie von Niklas<br />

Luhmann zu geben versuche, lässt sich<br />

mit <strong>de</strong>n traditionellen Begriffen in die<br />

Formel klei<strong>de</strong>n: Die Kirche ist eine<br />

Welt für sich. Sie erzeugt in <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />

Irritation. – Aus diesem Ansatz<br />

erwachsen weit reichen<strong>de</strong> Folgen für<br />

<strong>de</strong>n Religionsunterricht. (...)<br />

Das Licht <strong>de</strong>r Welt<br />

Doch bevor wir darauf kommen,<br />

soll die überraschen<strong>de</strong> Tatsache nicht<br />

unerwähnt bleiben, dass im Verhältnis<br />

Israel – Völker genau jenes Verhältnis<br />

<strong>de</strong>r Irritation vorliegt, das für die Position<br />

<strong>de</strong>r Kirche in <strong>de</strong>r heutigen Gesellschaft<br />

angemessen ist. Es ist ja eben<br />

nicht so, dass Israel gegenüber <strong>de</strong>n<br />

Völkern als Verkün<strong>de</strong>r einer umgreifen<strong>de</strong>n<br />

und allgemeingültigen Ordnung<br />

auftritt, dass es seinen Anspruch auf<br />

Universalität durch eine abstrakte Metaphysik<br />

o<strong>de</strong>r eine allgemeine Ethik begrün<strong>de</strong>t,<br />

wie es etwa die griechischen<br />

Philosophen in <strong>de</strong>r Zeit getan haben,<br />

als das Alte Testament entstand. Israel,<br />

ausgeson<strong>de</strong>rt aus <strong>de</strong>n Völkern, irritiert<br />

die Völker durch sein An<strong>de</strong>rssein,<br />

durch sein Leben nach einem an<strong>de</strong>ren<br />

Gesetz, und bezeugt eben damit die Eigenart<br />

seines Gottes, <strong>de</strong>r ein Gott für<br />

alle Menschen sein will. Die ganze<br />

Differenzlogik <strong>de</strong>r Bibel, <strong>de</strong>r ständige<br />

Kampf darum, dass Israel nicht tut nach<br />

<strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>r Völker, ist darauf gerichtet,<br />

Irritation zu erzeugen. Und damit Erkenntnis.<br />

Da kann es geschehen, dass<br />

Israel zum Sprichwort und Spott unter<br />

<strong>de</strong>n Völkern wird (1 Kön 8,53), es kann<br />

aber auch passieren, dass die Völker<br />

Lust bekommen, von diesem Israel und<br />

seinem Gesetz mehr zu erfahren, und<br />

sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum<br />

Berg <strong>de</strong>s Herrn ... er zeige uns seine Wege<br />

(Jes 2,3). Der sprö<strong>de</strong> Begriff <strong>de</strong>r Irritation<br />

hat sein biblisches Äquivalent in<br />

<strong>de</strong>m Licht, das Israel für die Völker ist.<br />

Israel leuchtet als Licht, und damit ist<br />

ausdrücklich gesagt, dass es seine Erwählung<br />

nicht für sich hat, son<strong>de</strong>rn für<br />

die an<strong>de</strong>ren, die Völker (Jes 42,9). Am<br />

An<strong>de</strong>rssein Israel, an seiner Irritationskraft,<br />

will Gott von <strong>de</strong>n Völkern erkannt<br />

wer<strong>de</strong>n (und nicht an einer Gottesphilosophie,<br />

die auf <strong>de</strong>m platonischen<br />

Grundsatz aufruht: Gleiches wird<br />

durch Gleiches erkannt – wie mo<strong>de</strong>rn<br />

ist doch die Bibel!). Im Neuen Testament<br />

setzt sich die Lichtmetaphorik in<br />

diesem Sinne ungebrochen fort. Das<br />

Licht, das Jesus nach <strong>de</strong>n Worten <strong>de</strong>s<br />

greisen Simeon für die Erleuchtung <strong>de</strong>r<br />

Hei<strong>de</strong>n ist, das ist er nur, insofern er<br />

ein Zeichen ist, <strong>de</strong>m wi<strong>de</strong>rsprochen<br />

wird (Lk 2,32-34). Den Jüngern sagt<br />

Jesus: Ihr seid das Licht <strong>de</strong>r Welt ... Eu-


er Licht soll leuchten vor <strong>de</strong>n Menschen,<br />

damit sei euren guten Werke sehen<br />

und euren Vater im Himmel preisen<br />

(Mt 5,14.16). Aber er sagt ihnen auch:<br />

Nehmt euch in Acht vor <strong>de</strong>n Menschen<br />

... (Mt 10,17), wohl wissend, dass jenes<br />

Licht nicht mil<strong>de</strong> leuchtet, son<strong>de</strong>rn Irritationen<br />

bewirkt und ggf. Gegenreaktionen<br />

hervorruft. Vollends auf die Irritationskraft<br />

<strong>de</strong>s Lichtes hebt <strong>de</strong>r Johannesprolog<br />

ab. Jesus ist das Licht <strong>de</strong>r<br />

Welt, das je<strong>de</strong>n Menschen erleuchtet.<br />

Das Licht aber scheint in <strong>de</strong>r Finsternis,<br />

und die Finsternis hat es nicht ergriffen<br />

(Joh 1,9.5). Der Weg zum Kreuz<br />

ist darin vorgezeichnet.<br />

Es spricht vieles dafür, das Verhältnis<br />

<strong>de</strong>r Kirche zur Gesellschaft auf das<br />

Mo<strong>de</strong>ll Licht für die Völker umzustellen.<br />

Es gestattet es, Unterscheidung ohne<br />

Isolation und Abweichung ohne Fundamentalismus<br />

zu <strong>de</strong>nken. Es setzt auf<br />

die produktive, die irritieren<strong>de</strong> Kraft<br />

<strong>de</strong>r Differenz.<br />

Konfessionelle Strategien <strong>de</strong>r Irritation<br />

Von hier aus kommen die Unterschie<strong>de</strong><br />

zwischen <strong>de</strong>n christlichen Konfessionen<br />

als unterschiedliche Strategien,<br />

die Irritation <strong>de</strong>s christlichen Systems<br />

zu erzeugen, in <strong>de</strong>n Blick. Im Rahmen<br />

eines differenzbewussten Christentums<br />

erhalten auch die konfessionellen<br />

Differenzen neue Be<strong>de</strong>utung, nicht<br />

so sehr im innerchristlichen Verhältnis<br />

als im Hinblick auf die Umwelt, zu <strong>de</strong>r<br />

sich Christen zu verhalten haben. In <strong>de</strong>n<br />

konfessionellen Traditionen sind verschie<strong>de</strong>ne,<br />

je für sich bewährte Typen <strong>de</strong>r<br />

System-Umwelt-Unterscheidung aufbewahrt,<br />

auf die wir heute zurückgreifen<br />

können, wenn wir das noch nicht durchgeklärte<br />

Verhältnis zur Gesellschaft <strong>de</strong>r<br />

Gegenwart gestalten wollen. Darum hier<br />

zumin<strong>de</strong>st einige An<strong>de</strong>utungen:<br />

Die Eigenart konfessioneller I<strong>de</strong>ntität<br />

zeigt sich in <strong>de</strong>r Regel am <strong>de</strong>utlichsten<br />

im Gottesdienst und <strong>de</strong>n darauf<br />

bezogenen Abendmahlstheologien.<br />

5 Die Orthodoxie scheint, so <strong>de</strong>utet<br />

es schon die Ikonostase im Kirchenraum<br />

an, eine stabile und ein<strong>de</strong>utige<br />

System-Umwelt-Grenze zu ziehen. Die<br />

An<strong>de</strong>rsheit ist stark hervorgehoben:<br />

Der Gottesdienst <strong>de</strong>r Kirche ist Teilnahme<br />

an <strong>de</strong>r himmlischen Festversammlung,<br />

ist jetzt schon Realisierung <strong>de</strong>s<br />

Reiches Gottes. Entsprechend fremd<br />

steht <strong>de</strong>r Gottesdienst zur Umwelt, die<br />

sich an ihm reiben, ihn aber auch übersehen<br />

kann. Die Fremdheit ist so groß, dass<br />

sie schon nicht mehr irritieren muss. Der<br />

System-Umwelt-Austausch scheint gering<br />

zu sein. Dem entsprechend gibt es<br />

im System geringen Verän<strong>de</strong>rungsbedarf.<br />

Die Umwelt wird im System nicht<br />

genau beobachtet, sie wird ihrerseits<br />

kaum als Irritation verwertet.<br />

Das protestantische Kirchentum<br />

verlegt, vereinfacht gesagt, die Differenz<br />

auf die Ebene <strong>de</strong>s Subjekts: Es soll<br />

sich nach Luther als Sün<strong>de</strong>r und gerecht<br />

zugleich (simul) begreifen. Die<br />

Simul-Struktur gibt Anlass zu großer<br />

Dramatik (wie sie sich etwa in <strong>de</strong>n<br />

Bach-Kantaten äußert), ist doch die<br />

Unterscheidung nie endgültig zu fixieren.<br />

Sie entsteht vielmehr nur operativ,<br />

durch die gläubige Selbsterkenntnis<br />

<strong>de</strong>s Menschen. Gottesdienst und<br />

Abendmahl stehen <strong>de</strong>mgegenüber in<br />

ihrer Be<strong>de</strong>utung zurück. Die lutherische<br />

Abendmahlslehre lässt sich formelhaft<br />

in das Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r Konsubstantiation<br />

fassen: In, mit und unter <strong>de</strong>n Gestalten<br />

von Brot und Wein vollzieht<br />

sich die Gegenwart Christi. In diesem<br />

ungeklärten miteinan<strong>de</strong>r von Elementen<br />

und Realpräsenz, in <strong>de</strong>r Flexibilität<br />

<strong>de</strong>r Modalwörter in, mit und unter ist<br />

auch die Beziehung <strong>de</strong>s Protestantismus<br />

zur Gesellschaft zu erkennen. Sie<br />

kann in verschie<strong>de</strong>nen Formen von <strong>de</strong>r<br />

spannungsvollen Unterscheidung (etwa<br />

im Pietismus) bis zur spannungslosen,<br />

kulturprotestantischen Ein- und<br />

Unterordnung reichen können. Die<br />

Ausdifferenzierung <strong>de</strong>r evangelischen<br />

Konfession in verschie<strong>de</strong>ne Gruppen<br />

und Kirchentümer ist in <strong>de</strong>r Abendmahlslehre<br />

schon vorgezeichnet.<br />

Das katholische Verständnis <strong>de</strong>r Gegenwart<br />

Christi im Gottesdienst ist<br />

bündig in <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>r Wandlung<br />

zusammengefasst. Die katholische Kirche<br />

möchte nicht konfrontieren, aber<br />

auch nicht einfach im Abseits stehen,<br />

sie möchte wan<strong>de</strong>ln: die Herzen <strong>de</strong>r<br />

Menschen (durch fortgesetzte Teilnahme<br />

an <strong>de</strong>n kirchlichen Riten; so wie die<br />

archaische Frömmigkeit <strong>de</strong>r Mutterund<br />

Jungfrau-Religion durch die Marienfrömmigkeit<br />

allmählich ins Christliche<br />

gewan<strong>de</strong>lt wird), aber dann auch<br />

die Verhältnisse. Vom mittelalterlichen<br />

Gna<strong>de</strong>nkommerzium an, das das Vorsorgestreben<br />

<strong>de</strong>r Leute in Einrichtungen<br />

<strong>de</strong>s Gottesdienstes, <strong>de</strong>r Caritas und <strong>de</strong>r<br />

Gelehrsamkeit umwan<strong>de</strong>lte 6 , bis hin zur<br />

von <strong>de</strong>r katholischen Soziallehre inspirierten<br />

Sozialen Marktwirtschaft hat die<br />

katholische Kirche die Welt zu wan<strong>de</strong>ln<br />

versucht. Das Problem <strong>de</strong>r Katholiken<br />

ist heute, dass sie einer wandlungsresistenten<br />

Gesellschaft gegenüberstehen;<br />

zumin<strong>de</strong>st sieht es so aus. Wie kann man<br />

da noch katholisch sein?<br />

4. Realisation<br />

Was be<strong>de</strong>utet dies alles für <strong>de</strong>n Religionsunterricht?<br />

Wenn man ermisst,<br />

dass die letzte Phase <strong>de</strong>s Religionsunterrichts,<br />

min<strong>de</strong>stens ab <strong>de</strong>m Syno<strong>de</strong>nbeschluss<br />

von 1974, im Wesentlichen<br />

auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r Theologie Karl<br />

Rahners funktionierte, dann muss wohl<br />

eine an<strong>de</strong>re Theologie auch einen an<strong>de</strong>ren<br />

Religionsunterricht ergeben. Rahner<br />

hatte wie gezeigt damit in die außerkirchliche<br />

Öffentlichkeit wirken wollen<br />

bzw. dadurch die Allgemeingültigkeit<br />

<strong>de</strong>s christlichen Standpunkts reklamieren<br />

wollen, dass er die spezifischen<br />

Unterscheidungen <strong>de</strong>s christlichen Systems<br />

suspendierte. Er wollte zeigen,<br />

dass erfülltes Menschsein schon Christsein<br />

ist, je<strong>de</strong>nfalls ein anonymes. Der<br />

Religionsunterricht hatte <strong>de</strong>mgemäß<br />

die Aufgabe, anthropologische Grun<strong>de</strong>rfahrungen<br />

in ihrer religös-christlichen<br />

Valenz aufzu<strong>de</strong>cken. Auch ein<br />

nichtgläubiger Schüler könnte von<br />

solch einem Religionsunterricht profitieren,<br />

wird er doch zu einer vertieften<br />

Selbstwahrnehmung und zur Suche<br />

nach Sinn angeregt. Der Charme dieses<br />

Ansatzes lag darin, die rigi<strong>de</strong> Dogmatik<br />

<strong>de</strong>r Kirche im Hintergrund halten<br />

und <strong>de</strong>nnoch über Wesentliches <strong>de</strong>s<br />

Glaubens sprechen zu können.<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

BEITRÄGE<br />

41


BEITRÄGE<br />

42<br />

Demgegenüber wird ein differenzbewusstes<br />

Christentum auf die System-<br />

Umwelt-Unterscheidung <strong>de</strong>s Christentums<br />

gera<strong>de</strong> Wert legen. Dem liegt zunächst<br />

ein taktisches Kalkül zugrun<strong>de</strong>:<br />

Christentum muss irritieren, um wahrgenommen<br />

zu wer<strong>de</strong>n. Die Erfahrungen<br />

mit <strong>de</strong>m nicht-differenzbewussten<br />

Christentum <strong>de</strong>r vergangenen Ära bestätigen<br />

dies. Da wur<strong>de</strong>n Schüler und<br />

Schülerinnen hervorgebracht, die nach<br />

ggf. 13 Jahren Religionsunterricht nahezu<br />

nichts über <strong>de</strong>n christlichen Glauben<br />

wussten. 7 Welch ein Kräfteverschleiß<br />

bei Schülern und Lehrern, wie<br />

viel Frustration! Doch geht es nicht nur<br />

um die Wirkung dieses Unterrichts.<br />

Seine weitgehen<strong>de</strong> Wirkungslosigkeit<br />

beruht auf <strong>de</strong>r geringen Leistungsfähigkeit,<br />

d.h. Operationsfähigkeit <strong>de</strong>s<br />

Systems selbst. Da ihm die eigenen Unterscheidungen<br />

abhan<strong>de</strong>n gekommen<br />

sind, kann es nicht mehr spezifisch<br />

operieren, o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rs: Es nimmt keine<br />

spezifischen Umweltbeobachtungen<br />

mehr vor. Ein System beobachtet umso<br />

genauer, je strenger es seine eigenen<br />

Unterscheidungen benutzt. Wenn aber<br />

<strong>de</strong>r Systemco<strong>de</strong> nicht mehr funktioniert,<br />

dann ist nicht mehr zu erkennen,<br />

was mit Hilfe <strong>de</strong>r Systemunterscheidung<br />

gesehen wird, was an<strong>de</strong>re nicht<br />

sehen. Um das oben gegebene Beispiel<br />

wie<strong>de</strong>r aufzugreifen: Ein Rechtssystem<br />

beobachtet in <strong>de</strong>r Welt Recht und Unrecht,<br />

und das ist wichtig und unersetzbar.<br />

Gerät es aber wie in einer Diktatur<br />

in die Abhängigkeit <strong>de</strong>r Politik, wird es<br />

an eigenen Operationen gehin<strong>de</strong>rt, dann<br />

sieht es nur noch, was auch die Politik<br />

sieht: Macht und Ohnmacht.<br />

Religionsunterricht als Beobachtung<br />

zweiter Ordnung: beobachten, wie die<br />

Bibel beobachtet<br />

Be<strong>de</strong>utet das nun, dass die Schülerinnen<br />

und Schüler alle ins System hereingeholt<br />

wer<strong>de</strong>n müssen? Sollen sie, wie<br />

es in Ps 1 heißt, über Gottes Weisung<br />

murmeln bei Tag und bei Nacht, bei Strafe,<br />

sonst zu <strong>de</strong>n Frevlern zu gehören?<br />

Dies eben kann und soll nicht Aufgabe<br />

<strong>de</strong>s Religionsunterrichts sein! Was aber<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

sonst? Hier hilft <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r Beobachtung<br />

zweiter Ordnung weiter. Im Religionsunterricht<br />

wird eingeführt in die<br />

biblisch-christliche Sicht <strong>de</strong>r Welt. Sein<br />

Gegenstand ist alles in <strong>de</strong>r Welt, so wie<br />

es sich in <strong>de</strong>r biblischen Unterscheidung<br />

darbietet. Alles kann Gegenstand <strong>de</strong>s<br />

Religionsunterrichts sein, nicht nur die<br />

Gehalte <strong>de</strong>s Christentums, aber eben in<br />

einer bestimmten Unterscheidung. 8 Was<br />

nimmt man in <strong>de</strong>r Welt wahr, wenn man<br />

sie unter die Unterscheidung Gott/Götter<br />

stellt? Sicher etwas, was keine an<strong>de</strong>re<br />

Sichtweise vermitteln kann: dass das,<br />

was als letzte und höchste Macht erscheint,<br />

doch nicht die letzte Macht ist.<br />

Was sieht man, wenn man von Gottes<br />

unauflöslicher Bindung an Israel ausgeht?<br />

Sicher eine aus aller sonstigen Geschichtsbetrachtung<br />

völlig unableitbare<br />

Auffassung von Geschichte, die Konsequenzen<br />

hat für die Bewertung von Politik,<br />

von Krieg und Frie<strong>de</strong>n usw. Was sagt<br />

es aus, wenn man gesagt bekommt, dass<br />

Selbsterhaltung und die Suche nach<br />

Glück nicht das letzte Ziel <strong>de</strong>r Existenz<br />

sind, son<strong>de</strong>rn das Lob <strong>de</strong>s biblischen<br />

Gottes? Alles, was uns die Werbung und<br />

<strong>de</strong>r gesun<strong>de</strong> Menschenverstand einhämmern,<br />

wird plötzlich kontingent gesetzt.<br />

Es könnte alles auch ganz an<strong>de</strong>rs sein. 9<br />

Der Anschaulichkeit halber verweise<br />

ich auf ein Unterrichtsbeispiel, eine<br />

Unterrichtsreihe zu Ps 82. 10 Der erste<br />

Teil dieser Reihe bestand nur in <strong>de</strong>r<br />

Einführung in die biblische Unterscheidung<br />

zwischen Gott und Göttern,<br />

wie sie sich in Ps 82 und an<strong>de</strong>rswo darbietet.<br />

Diese Unterscheidung war für<br />

die Schüler völlig neu, sie hörten das<br />

zum ersten Mal.<br />

Das Lernziel: Die Welt in biblischer<br />

Unterscheidung beschreiben können<br />

Der Religionsunterricht soll also<br />

nicht die Kin<strong>de</strong>r zum Glauben führen, er<br />

soll sie nicht ins Haus <strong>de</strong>r biblischen<br />

Sprache einführen, ja noch nicht einmal<br />

religiöse Erfahrungen ermöglichen. Seine<br />

Aufgabe ist schlicht, die Eigenart und<br />

Leistungsfähigkeit einer bestimmten<br />

Codierung aufzuzeigen. Er ist darin je<strong>de</strong>m<br />

an<strong>de</strong>ren Schulfach völlig vergleich-<br />

bar. Der Mathematikunterricht zeigt auf,<br />

was man sieht, wenn man die Welt in <strong>de</strong>r<br />

Unterscheidung von zählbar/nicht zählbar<br />

beobachtet, <strong>de</strong>r Geschichtsunterricht<br />

bearbeitet die Unterscheidung Vergangenheit/Gegenwart,<br />

<strong>de</strong>r Musikunterricht<br />

zeigt, was geschieht, wenn man zwischen<br />

Geräuschen und Tönen unterschei<strong>de</strong>t.<br />

Und doch sollen nicht alle<br />

Schüler Mathematiker, Historiker, Musiker<br />

wer<strong>de</strong>n. Sie sollen aber wissen, was<br />

diese Unterscheidungen leisten. Und das<br />

ist <strong>de</strong>nn auch das Lernziel <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />

insgesamt: Die Dinge <strong>de</strong>r<br />

Welt in biblischer Unterscheidung beschreiben<br />

können.<br />

Ob die Schüler dann fromm wer<strong>de</strong>n<br />

o<strong>de</strong>r nicht, steht nicht mehr in <strong>de</strong>r Verantwortung<br />

<strong>de</strong>s Religionsunterrichts.<br />

Die Unterscheidung zur Katechese ist<br />

ganz klar.<br />

Ein Religionsunterricht, <strong>de</strong>r seine<br />

Aufgabe darin sieht, die Beobachtung<br />

<strong>de</strong>r Bibel zu beobachten, <strong>de</strong>r also Beobachtung<br />

zweiter Ordnung betreibt, ist<br />

voll und ganz als Schulfach legitimiert.<br />

Er ist auf <strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>r Zeit – ist doch,<br />

wie Luhmann mit Recht zeigt, Beobachtung<br />

zweiter Ordnung <strong>de</strong>r Erkenntnismodus<br />

par excellence im nachmetaphysischen<br />

und nachi<strong>de</strong>alistischen Zeitalter.<br />

Und dieser Unterricht hat ein klar <strong>de</strong>finiertes,<br />

überprüfbares und bewertbares<br />

Lernziel, eben die Fähigkeit, Sachverhalte<br />

in biblischer Logik zu beschreiben<br />

(so wie ein Schüler in <strong>de</strong>r Lage sein<br />

muss, einen Sachverhalt in mathematischen<br />

Termen zu beschreiben). 11<br />

In <strong>de</strong>m Unterrichtsbeispiel zu Ps 82<br />

bewiesen die Schüler die Fähigkeit, die<br />

Unterscheidung Gott/Götter auf <strong>de</strong>n<br />

Fußball anzuwen<strong>de</strong>n (die Reihe wur<strong>de</strong><br />

in Dortmund durchgeführt). Wenn man<br />

die in <strong>de</strong>m Psalm genannten Pflichten<br />

<strong>de</strong>r Götter einmal auf „Fußballgötter“<br />

anwen<strong>de</strong>t, kommt man zu erstaunlichen,<br />

übrigens auch vom Lehrer nicht<br />

vorherzusehen<strong>de</strong>n Ergebnissen. 12<br />

Der/die ReligionslehrerIn: <strong>de</strong>r/die<br />

beobachtete BeobachterIn<br />

Der Religionslehrer bzw. die Religionslehrerin<br />

muss Teil <strong>de</strong>s Systems


sein, das beobachtet wird, <strong>de</strong>nn nur so<br />

kann er/sie authentisch sagen, wie das<br />

System beobachtet. In gleicher Weise<br />

sollte ein Mathematiklehrer wirklich<br />

mit Zahlen <strong>de</strong>nken können und eine<br />

Musiklehrerin wirklich Musik machen,<br />

nicht nur davon erzählen. Der/die LehrerIn<br />

ist also Beobachter und Beobachteter<br />

zugleich, und daraus entsteht eine<br />

mitunter schwierige Lage. Die Lehrperson<br />

kommt gleichsam in zwei Rollen<br />

vor, und es ist nicht immer ein<strong>de</strong>utig,<br />

in welcher Rolle er/sie agiert. So<br />

wie die Musiklehrerin nicht nur Musik<br />

unterrichtet (beobachtet), son<strong>de</strong>rn<br />

selbst für die Musik steht und mitunter<br />

unter <strong>de</strong>m Unverständnis und Desinteresse<br />

<strong>de</strong>r Schüler persönlich lei<strong>de</strong>t.<br />

Über diesen Rollenkonflikt wäre vieles<br />

zu sagen. Soviel aber steht fest: Weil<br />

<strong>de</strong>r Religionslehrer/die Religionslehrerin<br />

Beobachter und Beobachteter zugleich<br />

ist, muss er/sie Theologie studiert<br />

haben! Denn die Theologie, die<br />

wir in <strong>de</strong>n durch die Aufklärung gegangenen<br />

Kirchen haben, hat diese Doppelrolle<br />

bereits vollzogen. Sie beobachtet<br />

das System Christentum mit <strong>de</strong>n<br />

Augen an<strong>de</strong>rer, mit <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r aufgeklärten<br />

Vernunft, <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Wissenschaft,<br />

<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Konfessionen<br />

o<strong>de</strong>r Religionen usw. Die grundlegen<strong>de</strong><br />

Qualifikation, die RU-Lehrer durch<br />

das Theologiestudium bekommen, ist<br />

das Umgehen-Können mit <strong>de</strong>r Fremdbeobachtung<br />

im System. Nur <strong>de</strong>swegen<br />

kann Religionsunterricht Schulfach<br />

sein, weil RU-Lehrer über diese<br />

Fähigkeit verfügen und damit etwas<br />

an<strong>de</strong>res sind als bloße Propagandisten<br />

ihres Systems.<br />

Das ist übrigens auch <strong>de</strong>r Grund,<br />

warum zurzeit kein islamischer Religionsunterricht<br />

an <strong>de</strong>utschen Schulen<br />

möglich ist. Der Islam hat keine Theologie,<br />

die die Fremdbeobachtung im eigenen<br />

System systematisch durchgeführt<br />

hat. Somit können islamische Religionslehrer<br />

nicht die Qualifikation erwerben,<br />

die für beobachtete Beobachter<br />

unerlässlich ist. Islamischer Religionsunterricht<br />

wäre Glaubensverkündigung,<br />

das aber darf es an <strong>de</strong>r Schule<br />

nicht geben.<br />

Co<strong>de</strong>pflege, die Aufgabe <strong>de</strong>s<br />

Religions-Lehrers<br />

Alles kann wie gesagt Gegenstand<br />

<strong>de</strong>s Religionsunterrichts wer<strong>de</strong>n, nur<br />

eben in <strong>de</strong>r biblischen Unterscheidung.<br />

So wie auch alles Gegenstand <strong>de</strong>s Musikunterrichts<br />

wer<strong>de</strong>n kann, was noch<br />

von Geräuschen zu unterschei<strong>de</strong>n ist.<br />

Eine lärmen<strong>de</strong> Klasse allein macht<br />

noch keine Musik. Die Musiklehrerin<br />

hat das Material <strong>de</strong>s Unterrichts – eigenes<br />

o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Schülern beigebrachtes<br />

– unter <strong>de</strong>r Frage zu überprüfen, inwiefern<br />

es sich überhaupt um Musik<br />

han<strong>de</strong>lt. Und so auch die Religionslehrerin.<br />

Der Lehrer verhin<strong>de</strong>rt, dass<br />

„frem<strong>de</strong> Co<strong>de</strong>s in das Christentum einbrechen<br />

und fremd bleiben“, darin<br />

nicht von ungefähr <strong>de</strong>m Theologen vergleichbar,<br />

<strong>de</strong>r an einer vergleichbaren<br />

Schnittstelle steht. Die Aufgabe <strong>de</strong>s<br />

RU-Lehrers ist „Co<strong>de</strong>pflege“. 13 Er/sie<br />

achtet darauf, dass <strong>de</strong>r Unterricht nicht<br />

unversehens in Ethik abgleitet, in Anthropologie,<br />

in Religionskun<strong>de</strong>, Religionsgeschichte<br />

o<strong>de</strong>r was auch immer.<br />

Das be<strong>de</strong>utet nicht, dass die Mauern<br />

gegen alle frem<strong>de</strong>n Codierungen hochgezogen<br />

wer<strong>de</strong>n, und auch nicht, dass<br />

das Christentum sich als die einzig wahre<br />

o<strong>de</strong>r auch nur irgendwie überlegene<br />

Weltanschauung anzusehen hätte. Es<br />

be<strong>de</strong>utet schlicht, dass man sich in einem<br />

christlichen Religionsunterricht befin<strong>de</strong>t<br />

und dort wie in je<strong>de</strong>m Kommunikationssystem<br />

das Recht besteht, mit <strong>de</strong>r<br />

eigenen Codierung alle an<strong>de</strong>ren in <strong>de</strong>r<br />

Umwelt vorkommen<strong>de</strong>n Codierungen<br />

nach eigenen Maßstäben zu beurteilen. 14<br />

Der Lehrer bzw. die Lehrerin hat dafür<br />

zu sorgen, dass das so bleibt. Wenn also<br />

frem<strong>de</strong> Codierungen auftauchen – oft<br />

genug wer<strong>de</strong>n es ethische sein – dann hat<br />

sie/er dafür zu sorgen, dass sie im System<br />

gelesen wer<strong>de</strong>n können, sie in <strong>de</strong>n<br />

Systemco<strong>de</strong> übersetzt wer<strong>de</strong>n können,<br />

dass sie also nicht „fremd bleiben“. Informationen,<br />

die im Systemco<strong>de</strong> gar<br />

nicht gelesen wer<strong>de</strong>n können, müssen<br />

als solche kenntlich gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />

Sie sind wie die Frevler in Ps 1: Sie verwehen<br />

im Wind, sind in Systemsicht<br />

nur Rauschen. 15<br />

Das didaktische Programm: Irritation<br />

Nach allem, was oben über die Be<strong>de</strong>utung<br />

<strong>de</strong>r Irritation in unserer systemisch<br />

differenzierten Gesellschaft gesagt<br />

wur<strong>de</strong>, legt es sich nahe, im Religionsunterricht<br />

auf Irritationsdidaktik umzuschalten.<br />

Unterrichtsgegenstän<strong>de</strong> sollten<br />

danach ausgesucht wer<strong>de</strong>n, inwieweit<br />

sie das Neue und Unableitbare <strong>de</strong>r<br />

christlichen Unterscheidungen präsentieren,<br />

und sie sollten entsprechend präsentiert<br />

wer<strong>de</strong>n. Religionsunterricht hat<br />

wie kaum ein an<strong>de</strong>rer Unterricht die<br />

Chance, mit seinen Gehalten zu überraschen,<br />

Neues und Frem<strong>de</strong>s zu sagen,<br />

gängige, in an<strong>de</strong>ren Codierungen gebil<strong>de</strong>te<br />

Erwartungen zu enttäuschen bzw.<br />

zu überschreiten. Die Irritation gelingt<br />

umso mehr, je <strong>de</strong>utlicher <strong>de</strong>r Systemco<strong>de</strong><br />

zur Anwendung kommt. Im gegebenen<br />

Unterrichtsbeispiel waren es die<br />

Einführung in die Unterscheidung zwischen<br />

Gott und Göttern, <strong>de</strong>r Aufweis<br />

<strong>de</strong>s Himmels als eines beson<strong>de</strong>ren Orts<br />

in <strong>de</strong>r Welt, die Information über Vorgänge<br />

im Himmel, das Verzeichnis <strong>de</strong>r<br />

Pflichten <strong>de</strong>r Götter, die Schil<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>s Göttersturzes, die irritieren<strong>de</strong> Aufmerksamkeit<br />

erzeugten. So etwas hatten<br />

die Schüler und Schülerinnen noch<br />

nie gehört. Es eröffnete ihnen ganz<br />

neue Perspektiven.<br />

Ist mit <strong>de</strong>rIrritationsdidaktik die Korrelationsdidaktik<br />

passé? Ja und nein. Ja,<br />

insofern die auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Rahnerschen<br />

Theologie geübte Anknüpfung religiöser<br />

Gehalte an anthropologische<br />

Gegebenheiten, an Erfahrungen und Bedürfnisse,<br />

an das Wünschen und Wollen<br />

<strong>de</strong>r Schüler nicht in Betracht kommt.<br />

Das christliche System verhält sich völlig<br />

frei zu dieser – tatsächlich immer von<br />

an<strong>de</strong>ren Systemcodierungen geprägten –<br />

Erfahrungswelt. So wie es beispielsweise<br />

auch nicht möglich ist, die Logik <strong>de</strong>s<br />

Rechtssystems aus Alltagserfahrungen<br />

zu eruieren, kommt doch die Unterscheidung<br />

Recht/Unrecht in <strong>de</strong>r Umwelt <strong>de</strong>s<br />

Systems nicht vor. Aber insofern in einer<br />

Irritationsdidaktik Überraschen<strong>de</strong>s im<br />

Verhältnis zu <strong>de</strong>n Erwartungen im Mittelpunkt<br />

steht, ist nun doch einiges von<br />

<strong>de</strong>n Schülern und ihren Erwartungen zu<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

BEITRÄGE<br />

43


BEITRÄGE<br />

44<br />

wissen. Der Irritationsfaktor bemisst<br />

sich im Verhältnis zu <strong>de</strong>n Erwartungen,<br />

und diese können sehr unterschiedlich<br />

sein. Hier ist also eine Art negativer Korrelation<br />

am Platze.<br />

Doch meine ich, dass diese Art negativer<br />

Korrelation im Unterricht kaum<br />

operationalisiert wer<strong>de</strong>n kann. Der<br />

Lehrer weiß wenig über das Lernen <strong>de</strong>r<br />

Schüler. Lernen geschieht in Selbstorganisation,<br />

und niemand kann ermessen,<br />

wie ein Bewusstsein zu einer gegebenen<br />

Zeit mit einer frem<strong>de</strong>n Information<br />

umgeht. Ein Fehler <strong>de</strong>r herkömmlichen<br />

Korrelationsdidaktik war es<br />

vielleicht, <strong>de</strong>n Lernprozess selbst didaktisch<br />

vorzustrukturieren und organisieren<br />

zu wollen. Dagegen wehren sich<br />

Schüler zu Recht, <strong>de</strong>nn in ihre systeminternen<br />

Operationen kann niemand von<br />

außen eingreifen. Die immer wie<strong>de</strong>r<br />

traktierte religionspädagogische Fragestellung,<br />

wie <strong>de</strong>nn eine Beziehung zwischen<br />

<strong>de</strong>r Lebenswelt <strong>de</strong>r SchülerInnen<br />

und <strong>de</strong>n theologischen Inhalten hergestellt<br />

wer<strong>de</strong>n kann, ist obsolet. Man<br />

überlasse es <strong>de</strong>n Inhalten, wie sie sich<br />

bei <strong>de</strong>n Schülern zur Geltung bringen;<br />

auch <strong>de</strong>r Religionslehrer soll ja noch<br />

überrascht wer<strong>de</strong>n können. Korrelation<br />

geschieht bei je<strong>de</strong>m Lernvorgang, aber<br />

sie kann nicht didaktisiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Dennoch gibt es Erfahrungswerte,<br />

auf die ein erfahrener Lehrer zurückgreifen<br />

kann. Lernen geschieht wesentlich<br />

auf Grund von Wie<strong>de</strong>rholung! Und<br />

dies leuchtet irritationstheoretisch ja<br />

auch ein: Ein System wird erst dann auf<br />

eine Verän<strong>de</strong>rung in <strong>de</strong>r Umwelt reagieren,<br />

wenn sie wie<strong>de</strong>rholt auftritt.<br />

Erst das wie<strong>de</strong>rholte Auftreten einer<br />

Störung in <strong>de</strong>r Umwelt veranlasst das<br />

System zu internen Verän<strong>de</strong>rungen; so<br />

ist es doch bei je<strong>de</strong>m Lernvorgang. Und<br />

schließlich noch ein Weiteres: „Sagen<br />

lassen sich die Leute nichts, aber erzählen<br />

lassen sie sich alles“ (Bernhard von<br />

Brentano). 16 Dieses didaktische Prinzip<br />

aber führt unmittelbar zur Bibel zurück.<br />

Die Rezeptionsgeschichte biblischer<br />

Erzählungen zeigt, wie viele unterschiedliche<br />

Lernerfahrungen aus ihnen<br />

erwachsen sind. Darauf kann <strong>de</strong>r Religionsunterricht<br />

vertrauen.<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

Anmerkungen<br />

* Die Langfassung diesen Aufsatzes steht im Internet<br />

zur Verfügung: www.ifrr.<strong>de</strong><br />

1 Für Luhmann verweise ich allgemein auf sein umfangreiches<br />

Œuvre und die entsprechen<strong>de</strong> Fachliteratur.<br />

Die von D. Baecker hg. Einführung in die Systemtheorie<br />

(Hei<strong>de</strong>lberg ?2006), eine Wie<strong>de</strong>rgabe <strong>de</strong>r<br />

von Luhmann selbst im WS 1991/93 gehaltene Vorlesung,<br />

halte ich als leichtverständliche Einführung<br />

in sein Denken für sehr geeignet. Ein ansprechen<strong>de</strong>s<br />

didaktisches Design hat Margot Berghaus: Luhmann<br />

leicht gemacht – Köln, Weimar, Wien. 2004.<br />

2 Vgl. dazu mein Buch Von Menschen, Mächten und<br />

Gewalten. Eine Himmelslehre – Mainz. 2005.<br />

3 Ich verweise noch mal auf mein Buch Von Menschen,<br />

Mächten und Gewalten (s. Anm. 2).<br />

4 Vgl. meinen Beitrag: Die Einheit <strong>de</strong>r Unterscheidung<br />

und das unterschei<strong>de</strong>nd Christliche –Überlegungen<br />

zu <strong>de</strong>m Mystiker, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Christ <strong>de</strong>r Zukunft sein soll,<br />

in: D. Berger (Hg.)/Karl Rahner: Kritische Annäherungen<br />

– Siegburg. 2004, 43-60.<br />

5 Vgl. zum Folgen<strong>de</strong>n mein Buch. Wandlung. Ein Traktat<br />

über Eucharistie und Ökonomie – Ostfil<strong>de</strong>rn.<br />

2006, 107-119.<br />

6 Hier liegt m.E. <strong>de</strong>r gesellschaftlichen Hintergrund <strong>de</strong>r<br />

Transsubstantiationslehre, die sich <strong>de</strong>shalb gegen<br />

konkurrieren<strong>de</strong> Mo<strong>de</strong>lle durchsetzen konnte: Verwandlung<br />

von Selbsterhaltungsenergie in Reich-<br />

Gottes-Wirklichkeit, das fand in mittelalterlichen Gesellschaft<br />

statt, so dass man auch an die Verwandlung<br />

von Brot und Wein in Leib Christi glauben<br />

konnte. Die „äußere Gestalt“ bliebt dabei gleich, sowohl<br />

beim Brot wie bei <strong>de</strong>n Menschen, die für die<br />

kirchlichen Gna<strong>de</strong>nangebote viel Geld ausgaben,<br />

um ihre Zukunft zu sichern.<br />

7<br />

Ich könnte Erfahrungen mit Theologiestudieren<strong>de</strong>n<br />

aus 20 Jahren universitärer Lehre anführen. Vertrautheit<br />

mit <strong>de</strong>r Bibel, Überblickswissen zur Kirchengeschichte,<br />

Kenntnis <strong>de</strong>r Kernaussagen <strong>de</strong>r<br />

christlichen Glaubenslehre sind selbst bei <strong>de</strong>nen,<br />

die Theologie studieren wollen, kaum vorhan<strong>de</strong>n.<br />

8 Von hier aus kann man sich einen Begriff von <strong>de</strong>r Inspiration<br />

<strong>de</strong>r hl. Schrift bil<strong>de</strong>n: Alles kann Gegenstand<br />

<strong>de</strong>r hl. Schrift sein, aber alles wird in <strong>de</strong>r schriftgemäßen<br />

Unterscheidung kommuniziert. Die Hagiographen<br />

geben laufend Informationen in das System<br />

(geschichtliche, juristische, biographische ...), die aber<br />

in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Schrift eigenen Weise beobachtet und geordnet<br />

wer<strong>de</strong>n. Dass die Unterscheidung <strong>de</strong>s biblischen<br />

Systems nicht einfach erschwinglich ist, son<strong>de</strong>rn<br />

die Offenbarung Gottes voraussetzt, führt dann<br />

zu <strong>de</strong>r Aussage: Die Schrift ist vom Hl. Geist inspiriert.<br />

9 Wenn es keine objektive Wirklichkeitserkenntnis gibt,<br />

son<strong>de</strong>rn man sich zur Erkenntnis <strong>de</strong>r Wirklichkeit an<br />

die Beobachtung zweiter Ordnung halten muss, folgt<br />

daraus, dass alles kontingent gesetzt wird. Alles ist<br />

auch an<strong>de</strong>rs möglich, so ergibt sich aus <strong>de</strong>r unterschiedlichen<br />

Wirklichkeitskonstruktion <strong>de</strong>r Systeme,<br />

vgl. Luhmann, Gesellschaft <strong>de</strong>r Gesellschaft S. 750.<br />

10 Ein Bericht über die von mir durchgeführte Unterrichtsreihe<br />

ist abgedruckt in <strong>IN</strong><strong>FO</strong>, Nr. 2/2002, 31. Jg.,<br />

S. 250-252.<br />

11 Es könnte aber jemand fragen, ob <strong>de</strong>nn die biblischchristliche<br />

Unterscheidung in <strong>de</strong>r Schule gelehrt wer<strong>de</strong>n<br />

muss. Diese Frage haben zwar nicht die Religionspädagogen<br />

son<strong>de</strong>rn die Bildungsverantwortlichen<br />

zu klären, es wür<strong>de</strong> aber bei <strong>de</strong>r vorgeschlagenen<br />

Konzeption leicht fallen zu argumentieren: Diese<br />

Sichtweise ist Teil unserer Kultur, nur durch sie lassen<br />

sich viele Phänomene verstehen. Diese Erklärung<br />

müsste für die Schule genügen, sie ist übrigens für<br />

<strong>de</strong>n RU stichhaltiger als für manch an<strong>de</strong>res Schulfach.<br />

12 Eine Anschlussfrage ist die nach <strong>de</strong>r Religions- bzw.<br />

Konfessionszugehörigkeit <strong>de</strong>r SchülerInnen. Da im<br />

Unterricht nach <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Konzeption kein<br />

Glauben vorausgesetzt wird, können prinzipiell alle<br />

Schüler gleich welcher Religionszugehörigkeit o<strong>de</strong>r<br />

-nichtzugehörigkeit am Unterricht teilnehmen. Meine<br />

eigenen Unterrichtserfahrungen belegen z.B.,<br />

dass auch muslimische o<strong>de</strong>r atheistische Schüler<br />

Interesse zeigen an <strong>de</strong>r biblischen Weltsicht, wenn<br />

ihnen diese als Unterrichtsgegenstand und nicht als<br />

Glaubensauffor<strong>de</strong>rung vermittelt wird. Hingegen<br />

wird die Lehrperson immer nur aus einer konfessionellen<br />

Position heraus agieren können, aus <strong>de</strong>m<br />

einfachen Grund, weil es kein überkonfessionelles<br />

christliches Kommunikationssystem gibt. Sollte von<br />

Seiten <strong>de</strong>r Schüler, <strong>de</strong>r Eltern o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Institution<br />

Schule ein Interesse an einem konfessionell einheitlichen<br />

Unterricht bestehen, etwa dann, wenn die<br />

Schüler tatsächlich überwiegend dieser Konfession<br />

angehören und in ihr gebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n sollen, kann<br />

<strong>de</strong>r RU <strong>de</strong>m entgegenkommen.<br />

13 Dieser Begriff und auch das letzte Zitat nach Joh. Ev.<br />

Hafner: Selbst<strong>de</strong>finition <strong>de</strong>s Christentums. Ein systemtheoretischer<br />

Zugang zur frühchristlichen Ausgrenzung<br />

<strong>de</strong>r Gnosis – Freiburg. 2003, 626.<br />

14 Hafner aaO. 627 bringt es auf die Formel: „Daher gilt<br />

nicht <strong>de</strong>r phänomenologische Grundsatz ‚Wer mehr<br />

sieht, hat Recht’, son<strong>de</strong>rn die Gleichstellung verschie<strong>de</strong>ner<br />

Perspektiven ‚Je<strong>de</strong>r sieht alles, aber an<strong>de</strong>rs’.“<br />

15 Zur Co<strong>de</strong>pflege gehört es auch, <strong>de</strong>n systemischen<br />

Ort von Schule und Kirche klar zu unterschei<strong>de</strong>n. Im<br />

RU geht es um Beobachtung <strong>de</strong>r religiösen Beobachtung,<br />

in <strong>de</strong>r Kirche um religiöse Praxis. Den Versuch,<br />

Religion im Unterricht inszenieren zu wollen,<br />

wie ihn Hans Mendl auf <strong>de</strong>r Tagung vertrat, halte ich<br />

schon aus diesem Grun<strong>de</strong> für abwegig.<br />

Prof. Dr. Thomas Ruster ist Professor<br />

für Systematische Theologie an <strong>de</strong>r<br />

Universität Dortmund.<br />

Veröffentlichungen Prof. Dr. Thomas Ruster :<br />

Ruster, Thomas: Die verlorene Nützlichkeit <strong>de</strong>r Religion.<br />

Katholizismus und Mo<strong>de</strong>rne in <strong>de</strong>r Weimarer Republik.<br />

– Pa<strong>de</strong>rborn u.a.: Verlag Schöningh: 2., erg. Aufl. 1997.<br />

423 S. (ISBN 978-3-506-77381-4)<br />

Ruster, Thomas: Der verwechselbare Gott. Theologie<br />

nach <strong>de</strong>r Entflechtung von Christentum und Religion<br />

(Quaetiones disputatae 181). – Freiburg u.a.: Verlag<br />

Her<strong>de</strong>r. 7. Aufl. 2004. 225 S. (ISBN 978-3-451-02181-7)<br />

Ruster, Thomas: Von Menschen, Mächten und Gewalten.<br />

Eine Himmelslehre – Mainz: Matthias-Drünwald-<br />

Verlag. 2005. 336 S. (ISBN 978-3-7867-2570-1)<br />

Ruster, Thomas: Wandlung. Ein Traktat über Eucharistie<br />

und Ökonomie. – Ostfil<strong>de</strong>rn: Matthias-Günwald-Verlag.<br />

2006. 184 S. (ISBN 978-3-7867-2602-9)<br />

Dormeyer, Detlev/Mölle, Herbert/Ruster, Thomas (Hg.):<br />

Lebenswege und Religion. Biographie in Bibel, Dogmatik<br />

und Religionspädagogik (Religion und Biographie).<br />

– Münster u.a.: LIT Verlag. 2000. 320 S. (ISBN 978-3-<br />

8258-4226-0)


Einleitung<br />

„So schmeckt katholisch“ o<strong>de</strong>r<br />

Sinn durch Sinnlichkeit<br />

Erfahrungsbericht und Bausteine zur Gestaltung<br />

einer Unterrichtseinheit in <strong>de</strong>r Jahrgangsstufe 10<br />

im Kontext liturgischer Bildung<br />

Zugegeben – es passiert einem<br />

nicht alle Tage, dass ein Religionskurs<br />

Jahrgangsstufe 10 von sich aus vorschlägt,<br />

einmal „Gottesdienst“ als Thema<br />

im Unterricht zu behan<strong>de</strong>ln. Auch<br />

im vorliegen<strong>de</strong>n Fall war dies kein<br />

Ausbruch spontaner Frömmigkeit. Den<br />

Schülerinnen eines Mädchengymnasiums<br />

ging es, wie sich herausstellte, um<br />

eine Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit Liturgie,<br />

die bei ihnen zwar einen festen Bestandteil<br />

<strong>de</strong>r Schulkultur ausmacht, gera<strong>de</strong><br />

darin aber auch Reibungspunkte<br />

bietet.<br />

Die Auswertung <strong>de</strong>r Ausgangslage<br />

erbrachte, dass vor allem die liturgischen<br />

Formen, welche die Schülerinnen<br />

zwar auszuüben und vorzubereiten<br />

wissen, weitgehend unverständlich gewor<strong>de</strong>n<br />

sind. Den Formen konnte häufig<br />

kein sinnbezogener Inhalt zugewiesen<br />

wer<strong>de</strong>n. Dabei ging es aufgrund einer<br />

ermittelten positiven Grundhaltung<br />

gar nicht einmal um die Einstellung gegenüber<br />

Religion und Gottesdienst.<br />

Vielmehr stand die Frage ausgesprochen<br />

im Vor<strong>de</strong>rgrund: „Was tun wir da<br />

eigentlich?“<br />

Im Gespräch wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich, dass<br />

es <strong>de</strong>n Schülerinnen nicht um einen liturgischen<br />

Teilaspekt zu tun war, wie es<br />

für eine übersichtliche Unterrichtseinheit<br />

plausibel und aus didaktischen<br />

Grün<strong>de</strong>n eigentlich sinnvoll gewesen<br />

wäre. Es sollte – nicht ganz vernünftig –<br />

ums Ganze gehen.<br />

Mit zwei Fä<strong>de</strong>n – Leitlinien<br />

Angesichts <strong>de</strong>r Breite 1 möglicher<br />

Inhalte und Ziele von Liturgischer Bildung<br />

und <strong>de</strong>s umfänglich ausgesprochenen<br />

„Bildungsauftrages“ musste natürlich<br />

eine thematische Einschränkung<br />

erfolgen. Da die Ausgangsfrage<br />

darauf hinauslief, dass Formen und<br />

Handlungen, liturgische Sprache und<br />

Schrift nicht mehr lesbar waren, haben<br />

wir verabre<strong>de</strong>t, uns bei <strong>de</strong>r Erarbeitung<br />

auf <strong>de</strong>n Bereich liturgischer Formen<br />

und Zeichen zu konzentrieren.<br />

Passend zu sommerlichen Temperaturen,<br />

die Melodie eines Eis-Herstellers<br />

im Kopf, wur<strong>de</strong> die Einheit schnell<br />

getauft: „So schmeckt katholisch!“ Geschmack<br />

dabei wohlverstan<strong>de</strong>n als<br />

Pars pro Toto für alle Sinnenfälligkeit<br />

katholischer Liturgie, dann aber auch<br />

im Sinne ästhetizistischer Auseinan<strong>de</strong>rsetzung.<br />

Um <strong>de</strong>r Einheit aufgrund vielfältiger<br />

Einzelthemen eine klare Stringenz<br />

und Phrasierung zu geben, wur<strong>de</strong>n<br />

zwei Unterrichtslinien zu Grun<strong>de</strong> gelegt,<br />

die dann auch ihre unterrichtliche<br />

Entfaltung gefun<strong>de</strong>n haben. Sie wer<strong>de</strong>n<br />

nachfolgend beschrieben.<br />

Negativ-privative Theologie<br />

Wenn es eine Unterrichtslinie gibt,<br />

die geeignet ist, liturgische Zeichensysteme<br />

und Handlungen in <strong>de</strong>n Blick<br />

zu nehmen, dann ist es die theologische<br />

Einsicht in die Spannung jedwe<strong>de</strong>r<br />

Matthias Werner<br />

christlicher Liturgie und sei sie auch<br />

sakramental vermittelt. In ihrer Bezogenheit<br />

auf das göttliche Heilsmysterium<br />

spiegelt sie die Grundstruktur jener<br />

Spannung, die sich seit <strong>de</strong>r Offenbarung<br />

am Dornbusch (Ex 3) durch alle<br />

theologische Re<strong>de</strong> und Erkenntnis<br />

zieht: Es ist die Polarität zwischen<br />

positiv-affirmativer und negativ-privativer<br />

Theologie. Die im Medium Heilige<br />

Schrift eingespeicherten Erfahrungen<br />

ver<strong>de</strong>utlichen: Der Gott <strong>de</strong>r jüdischen<br />

und christlichen Religion sagt<br />

sich <strong>de</strong>n Menschen zu, geht mit ihnen<br />

durch die Geschichte und inkarniert in<br />

bleibend heilshafter Relevanz (positivaffirmativ),<br />

aber er hinterlässt zugleich<br />

auch ein zeichentheoretisches Darstellungsproblem<br />

(negativ-privativ). Sein<br />

Dasein in <strong>de</strong>r Welt ist ein Dasein, das<br />

sich gegenüber an<strong>de</strong>ren Dingen durch<br />

Alterität auszeichnet, und bedarf eines<br />

Zeichen- und Handlungssystems, welches<br />

<strong>de</strong>n Wesenszug eines anwesen<strong>de</strong>n<br />

Geheimnisses adäquat zu Ausdruck<br />

bringt. An<strong>de</strong>rs gesagt: Dem Wesen Gottes,<br />

<strong>de</strong>ssen Anwesenheit sich in gleichzeitiger<br />

Entzogenheit offenbart, muss<br />

auch eine kultische Form entsprechen,<br />

in <strong>de</strong>r sich die „bleibend dunkle Gestalt<br />

<strong>de</strong>s Göttlichen“ 2 (Schilson) in heilshafter<br />

Anwesenheit bricht.<br />

Auch wenn christliche Liturgie als<br />

Gestalt in erster Linie positiv und affirmativ<br />

gefeiert und wahrgenommen<br />

wird, lebt sie nicht weniger aus diesem<br />

privativen Gottesverständnis. Im liturgischen<br />

Kontext drücken sich diese<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

UNTERRICHTSPRAXIS<br />

45<br />

Unterrichts-Mo<strong>de</strong>ll


UNTERRICHTSPRAXIS<br />

46<br />

Unterrichts-Mo<strong>de</strong>ll<br />

Privationen vielfältig aus. Es ist damit<br />

zu beginnen, dass <strong>de</strong>r theozentrische<br />

Charakter <strong>de</strong>r Liturgie in die Anschauungsformen<br />

hineinwirkt: Hier wer<strong>de</strong>n<br />

eigene Zeiten reklamiert, an <strong>de</strong>nen Liturgie<br />

in absoluter Zweckfreiheit <strong>de</strong>n<br />

menschlichen Alltag unterbricht. 3 Eindrückliches<br />

Beispiel einer solchen Privation<br />

ist <strong>de</strong>r Sabbat bzw. Sonntag, an<br />

<strong>de</strong>m <strong>de</strong>m Mensch das Verfolgen eigener<br />

Zwecke genommen wird. Der Anschauungsform<br />

Zeit entspricht die nicht<br />

weniger kosmische Dimension <strong>de</strong>s Ortes.<br />

Sakrale Gebäu<strong>de</strong> grenzen einen eigenen,<br />

geweihten Bereich aus <strong>de</strong>r alltäglichen<br />

zweckgebun<strong>de</strong>n Räumlichkeit<br />

aus und wollen je nach Ausprägung<br />

mehr o<strong>de</strong>r weniger <strong>de</strong>utlich und<br />

unter <strong>de</strong>m eschatologischen Vorenthalt<br />

einen Abglanz <strong>de</strong>s „Himmlischen Jerusalems“<br />

darstellen.<br />

Auf dieser privativen Linie liegen<br />

ebenfalls die sinnlichen Gestaltungen<br />

<strong>de</strong>r heiligen Zeichen und Bil<strong>de</strong>r, in <strong>de</strong>nen<br />

das ganze Bemühen <strong>de</strong>utlich wird,<br />

Nichtsinnliches in Sinnlichem ausdrücken<br />

zu wollen. Hierzu wird man auch<br />

das vielen Menschen merkwürdig und<br />

anachronistisch anmuten<strong>de</strong> Verhalten<br />

<strong>de</strong>r Gläubigen rechnen wollen, in <strong>de</strong>m<br />

sich diese bald stehend, sitzend,<br />

kniend, schweigend versuchen, <strong>de</strong>m<br />

Geheimnis gegenüber zu verhalten.<br />

Macht man sich erst einmal auf, <strong>de</strong>n<br />

Spuren privativer o<strong>de</strong>r negativer Theologie<br />

zu folgen, lassen sich diese gewissermaßen<br />

bis in die eucharistische<br />

Gegenwart hinein verfolgen. 4<br />

Für die Unterrichtsgestaltung ist<br />

das Folgen <strong>de</strong>r privativ-theologischen<br />

Spur insofern lohnend, als sich daraus<br />

nicht nur ein sinnvoller roter Fa<strong>de</strong>n für<br />

Planung und Durchführung von Unterricht<br />

ergibt. Die Schülerinnen und<br />

Schüler fin<strong>de</strong>n einen guten Zugang zu<br />

dieser Art theologischen Denkens – vor<br />

allem ab <strong>de</strong>r mit Jean Piaget entwicklungspsychologisch<br />

beschreibbaren Phase<br />

<strong>de</strong>s formal-operatorischen Denkens.<br />

Die darin gegebene Ausbildung einer<br />

kritischen Denkweise und <strong>de</strong>r Abschied<br />

vom naiv kindlichen Weltbild 5<br />

treffen einigermaßen unvermutet auf<br />

einen Aspekt christlicher Religion, <strong>de</strong>r<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

im Unterricht häufig nur am Ran<strong>de</strong><br />

o<strong>de</strong>r gar nicht thematisiert wird. Gera<strong>de</strong><br />

für die weitere Glaubensentwicklung<br />

können die im Kontext negativer<br />

Theologie geleisteten Reflexionen eine<br />

Chance und intellektuelle Bewältigung<br />

auf <strong>de</strong>m Weg zu einer Art „Zweiter<br />

Naivität“ (Ricoeur) darstellen.<br />

Liturgie als Ritual?<br />

Als zweite zentrale Unterrichtslinie<br />

bietet sich die Konzentration auf <strong>de</strong>n<br />

Menschen in seiner Körperlichkeit an.<br />

Schließlich zeigt sich bei genauerer<br />

Betrachtung, dass es nahezu keine Dimension<br />

<strong>de</strong>s Menschen gibt, keine<br />

Sinnlichkeit, die vom liturgischen Vollzug<br />

nicht angesprochen wäre: Augen,<br />

Nasen, Ohren, Mund und Tastsensorik<br />

sind zwar zu unterschiedlichen Anteilen<br />

beteiligt, formen jedoch gemeinsam<br />

mit Körperhaltungen und Gestik<br />

die liturgische actio. Da sich in all diesen<br />

Elementen etwas über sie selbst<br />

und zugleich über das Wesen <strong>de</strong>r Liturgie<br />

aufschließt, lässt sich hier in einer<br />

eminenten Weise Sinn über Sinnlichkeit<br />

(re-)konstruieren. „Die Einbeziehung<br />

<strong>de</strong>s Leibes, um die es im Gottesdienst<br />

<strong>de</strong>s fleischgewor<strong>de</strong>nen Wortes<br />

geht, drückt sich in <strong>de</strong>r Liturgie selbst in<br />

einer gewissen Zucht <strong>de</strong>s Leibes aus, in<br />

Gebär<strong>de</strong>n, die aus <strong>de</strong>m inneren Anspruch<br />

<strong>de</strong>r Liturgie erwachsen sind und<br />

sozusagen körperlich ihr Wesen versichtbaren.<br />

(...) Gera<strong>de</strong> wenn man die<br />

innere Sprache <strong>de</strong>r Gebär<strong>de</strong>n zu verstehen<br />

sucht, kann man ihren Ursprung und<br />

ihre seelische Richtung verstehen.“ 6<br />

Der Umstand, dass bei vielen Schülerinnen<br />

und Schülern nicht nur <strong>de</strong>r liturgische<br />

Gestus, son<strong>de</strong>rn auch seine<br />

„rituell“ sich wie<strong>de</strong>rholen<strong>de</strong> Verwendung<br />

fragwürdig gewor<strong>de</strong>n ist, steht einer<br />

Sinnerschließung nicht im Weg.<br />

Wie sich zeigt, kann dies sogar von<br />

Vorteil sein. Es ist insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Ritualforschung<br />

<strong>de</strong>r letzten Jahre zu verdanken,<br />

dass Rituale in ihrem Wert<br />

wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utlicher herausgestellt und<br />

zum Gegenstand von Lernprozessen<br />

gemacht wer<strong>de</strong>n. Rituale können Leben<br />

entlasten, in<strong>de</strong>m sie ihm Struktur<br />

und Ordnung geben, sie helfen in Krisenzeiten,<br />

bei Begehungen <strong>de</strong>s Unbekannten,<br />

sie stiften Gemeinschaft und<br />

nicht zuletzt I<strong>de</strong>ntität. Dass Rituale aber<br />

auch in das Gegenteil umschlagen können<br />

und nicht nur als überkommen und<br />

beengend, son<strong>de</strong>rn auch als nichtssagend<br />

empfun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n können, zeigt<br />

die Ausgangslage <strong>de</strong>r Schülerinnen.<br />

Mit Andreas O<strong>de</strong>nthal ist auch<br />

christliche Liturgie als Ritual zu betrachten,<br />

wenn man als Ritual ein Symbolgeschehen<br />

versteht, „das in einem<br />

eigenen Wirklichkeitsbereich, <strong>de</strong>m ‚intermediären<br />

Raum’ (...) seinen Ort hat.<br />

Es vermittelt zwischen <strong>de</strong>n subjektiven<br />

Erfahrungen <strong>de</strong>s Menschen und <strong>de</strong>n im<br />

Symbol ‚geronnen Erfahrungen’ die<br />

Menschen mit ihrem Gott gemacht haben.“<br />

7 Diese symbolisch verdichteten<br />

Erfahrungen sind in christlicher Liturgie<br />

noch einmal insofern zu konkretisieren<br />

als sich „kirchliche Liturgie dadurch<br />

spezifiziert, dass die symbolische<br />

Erfahrung <strong>de</strong>r Transzen<strong>de</strong>nz Gottes<br />

an Leben und Werk Jesu gebun<strong>de</strong>n<br />

ist und das rituelle Tun in <strong>de</strong>r Gemeinschaft<br />

<strong>de</strong>r Kirche ‚durch Christus, unsern<br />

Herrn’ geschieht.“ 8<br />

Aus <strong>de</strong>n unterschiedlichen Konzeptionen,<br />

wie mit Ritualen im Unterricht zu<br />

verfahren ist 9 , schält sich ein Ansatz heraus,<br />

<strong>de</strong>r auch bei <strong>de</strong>r Bearbeitung liturgischer<br />

Rituale heranzuziehen, dabei<br />

aber noch einmal zu transformieren ist:<br />

Rituale und säkulare Liturgien la<strong>de</strong>n dazu<br />

ein, gesichtet zu wer<strong>de</strong>n. Auch liturgische<br />

Symbolhandlungen sind zunächst<br />

in ihrer alltäglichen Praxis aufzuspüren,<br />

dann im religiösen und schließlich im<br />

spezifisch christlichen Bereich auf ihre<br />

Be<strong>de</strong>utung hin zu befragen. Hier in eine<br />

kritische Auseinan<strong>de</strong>rsetzung zu gehen,<br />

lohnt aus religionspädagogischer Sicht<br />

vor allem <strong>de</strong>swegen, weil häufig erst <strong>de</strong>r<br />

kritische Diskurs die eigentlichen Gehalte<br />

wirklich ans Tageslicht bringt.<br />

In <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit bestehen<strong>de</strong>n<br />

liturgischen Formen ist aber<br />

auch darauf zu achten, dass das unterschei<strong>de</strong>nd<br />

Christliche in seinem Geltungsanspruch<br />

sowie die kritische Dimension<br />

von Liturgie selbst hinreichend<br />

<strong>de</strong>utlich wer<strong>de</strong>n.


Kritik leitet sich vom griechischen<br />

Verb krinein her. Die erste Person Präsens<br />

krino heißt: ich (unter)schei<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r sichte.<br />

Christliche Liturgie kommt vom Inbegriff<br />

<strong>de</strong>r Unterscheidungen her und obwohl<br />

sie ihren Zielpunkt im endgültigen<br />

Opfer <strong>de</strong>s inkarnierten Logos 10 bereits gefun<strong>de</strong>n<br />

hat, bleibt sie in Hoffnung eschatologisch<br />

und vorläufig aufgespannt. In<br />

dieser kritischen Dimension sucht sie<br />

nicht nur die „Routinen <strong>de</strong>s Alltags“ 11 und<br />

das alltäglich zweckrationale Denken zu<br />

durchbrechen, sie for<strong>de</strong>rt Alltag heraus,<br />

setzt ihm in seinen verschie<strong>de</strong>nen Dimensionen<br />

(politisch, sozial, weltanschaulich<br />

etc.) Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Heils entgegen und will<br />

ihn damit zugleich verän<strong>de</strong>rn.<br />

Zielsetzung und Verlauf <strong>de</strong>r Einheit<br />

Die nachfolgend beschriebene Unterrichtsreihe<br />

wollte mit Rücksicht auf<br />

die Ausgangsfrage einen Beitrag zu Liturgischer<br />

Bildung sowohl im Sinne von<br />

Liturgiefähigkeit als auch Aufklärung<br />

leisten: Die Reihe insgesamt zielte auf<br />

ein Verstehen und eine anfanghaft verän<strong>de</strong>rte<br />

Wahrnehmung in Hinsicht auf<br />

ritualisierte Formen und Zeichen von<br />

christlicher Liturgie. In einer verän<strong>de</strong>rten<br />

Wahrnehmung ist impliziert, dass<br />

Menschen einen neuen Blick auf bekannte<br />

Dinge werfen, es ist aber auch<br />

impliziert, dass Menschen aus Liturgie<br />

verän<strong>de</strong>rt hervorgehen.<br />

Beschrieben wer<strong>de</strong>n einzelne Unterrichtssequenzen,<br />

die rund 2-3 Unterrichtsstun<strong>de</strong>n<br />

entsprechen, je nach Anlage<br />

aber variabel zu gestalten sind. Beschrieben<br />

wer<strong>de</strong>n in erster Linie die<br />

Schwerpunkte <strong>de</strong>r Erarbeitungen.<br />

Sequenz 1 –<br />

Menschen üben Kulte aus<br />

Die Schülerinnen und Schüler wer<strong>de</strong>n<br />

für säkulare Kulte sensibilisiert.<br />

Sie stellen zunächst anhand jener säkularen<br />

Kulte, die sie kennen, fest, was<br />

zum Wesen eines Kultes gehört und<br />

warum Menschen ihn ausüben. Erst in<br />

einem zweiten Schritt ist <strong>de</strong>r Blick auf<br />

spezifisch religiöse Kulte zu öffnen.<br />

• Einstieg Unterrichtsgespräch:<br />

Die Schülerinnen und Schüler sammeln<br />

in einem Gespräch, was ihnen<br />

an Kulten aus ihrer Lebenswelt einfällt.<br />

Hilfreich ist hier u.U. <strong>de</strong>r Gesprächseinstieg<br />

über das Adjektiv<br />

„kultig“. Die Palette <strong>de</strong>r Schüleräußerungen<br />

reicht von „Handy“<br />

über „Fußball“ bis „Wellness“. Aus<br />

<strong>de</strong>n gesammelten Kulten sind einige<br />

auszuwählen und <strong>de</strong>n Schülerinnen<br />

und Schülern in Gruppen zur<br />

Bearbeitung zu geben.<br />

• Erarbeitung 1:<br />

Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten<br />

in Gruppen die Merkmale<br />

eines bestimmten Kultes, sichern<br />

diese auf Folie und stellen sie vor.<br />

Im Unterrichtsgespräch wer<strong>de</strong>n<br />

anschließend die allgemeinen<br />

Merkmale bestimmt und gesichert<br />

(gemeinschaftsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> und i<strong>de</strong>ntitätsstiften<strong>de</strong><br />

Funktion, bestimmte<br />

Riten und Regeln, bestimmte<br />

Merkmale an Kleidung, feste Rituale,<br />

eine gemeinsame Grundi<strong>de</strong>e<br />

o<strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ologie etc.). Im Gespräch<br />

ist zu klären, welche Funktion die<br />

einzelnen Merkmale im Gesamtzusammenhang<br />

<strong>de</strong>s Kultes haben.<br />

• Erarbeitung 2:<br />

Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten<br />

die Fragestellung, warum<br />

Menschen religiöse Kulte ausüben.<br />

Da nicht in allen Klassen religionswissenschaftlicheKenntnisse<br />

bezüglich antiker Kultpraxis<br />

vorauszusetzen sind, empfiehlt<br />

sich die Arbeit mit <strong>de</strong>m Artikel<br />

„Kult“ aus einer Onlineenzyklopädie<br />

(etwa Wikipedia). Sie kommen<br />

zu <strong>de</strong>m Ergebnis, dass es sich bei<br />

vielen religiösen Kulten in erster<br />

Linie um Koordinationen <strong>de</strong>s<br />

Göttlichen durch Opferung und die<br />

Sicherung von persönlichem/familiären<br />

Wohlergehen han<strong>de</strong>lt. Gera<strong>de</strong><br />

Erarbeitung 2 kann als Internetrecherche<br />

im Unterricht o<strong>de</strong>r zu<br />

Hause durchgeführt und durch die<br />

Beschäftigung mit bestimmten<br />

Kulten vertieft wer<strong>de</strong>n.<br />

Sequenz 2 – Elemente<br />

negativer Theologie in <strong>de</strong>r Bibel<br />

Da <strong>de</strong>r christliche Kult in sich wesentlich<br />

die Elemente <strong>de</strong>r Alterität<br />

trägt, soll auf die Erarbeitung eines negativ-theologischenGrundverständnisses<br />

in <strong>de</strong>r Gotteslehre nicht verzichtet<br />

wer<strong>de</strong>n. Dies geschieht exemplarisch<br />

an <strong>de</strong>r Erzählung vom brennen<strong>de</strong>n<br />

Dornbusch in Ex 3, 1-15. Die Schülerinnen<br />

und Schüler erarbeiten an dieser<br />

Erzählung, dass Gott kein Ding neben<br />

an<strong>de</strong>ren in dieser Welt ist, und dass es<br />

eines zeichentheoretischen Aufwan<strong>de</strong>s<br />

bedarf, ihn angemessen zur Sprache<br />

und Darstellung zu bringen.<br />

• Einstieg Bildbetrachtung:<br />

Marc Chagalls (1887-1885) Bild<br />

von Mose am brennen<strong>de</strong>n Dornbusch<br />

wird auf Folie geboten; die<br />

Schülerinnen und Schüler bringen<br />

u.U. ihr Vorwissen ein. (M1)<br />

• Erarbeitung 1:<br />

Der Textabschnitt Ex 3,1-15 wird<br />

gelesen. Der Schwerpunkt <strong>de</strong>r Erarbeitung<br />

liegt zunächst auf jenen<br />

Elementen <strong>de</strong>r Erzählung, die das<br />

Außergewöhnliche markieren (ein<br />

Busch spricht nicht, brennt nicht<br />

ohne zu verbrennen etc.). In <strong>de</strong>m<br />

anschließen<strong>de</strong>n Unterrichtsgespräch<br />

verdient dabei <strong>de</strong>r Name, <strong>de</strong>r ein<br />

Nicht-Name, aber eine spezielle<br />

Zusage ist, eine beson<strong>de</strong>re Beachtung.<br />

Es geht dabei um die zeichentheoretische<br />

Entsprechung zwischen<br />

<strong>de</strong>r nichtdinglichen Anwesenheit<br />

und <strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>ren Markierungen<br />

von Alterität im Text.<br />

• Erarbeitung 2:<br />

In einem zweiten Schritt wird erarbeitet,<br />

welche Möglichkeiten es<br />

gibt, Gott angemessen zur Sprache<br />

zu bringen. Dies kann je nach Vorwissen<br />

<strong>de</strong>r Gruppe aus <strong>de</strong>m<br />

Deutschunterricht als eine Übung<br />

in „Uneigentliches Sprechen“ geleistet<br />

wer<strong>de</strong>n. Als vertiefen<strong>de</strong> Erarbeitung<br />

bietet sich <strong>de</strong>r zeichentheoretisch<br />

reflektieren<strong>de</strong> Text von<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

UNTERRICHTSPRAXIS<br />

47<br />

Unterrichts-Mo<strong>de</strong>ll


UNTERRICHTSPRAXIS<br />

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Unterrichts-Mo<strong>de</strong>ll<br />

M1: „Der brennen<strong>de</strong> Dornbusch“ • Marc Chagall Abb.: akg-images<br />

© VG Bild-Kunst, Bonn 2007<br />

E. Kapellari an (M 2). Hier besteht<br />

durch <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Realsymbols<br />

auch die Möglichkeit zu einem Exkurs<br />

zu Sakramenten. Die Aufgabenstellung<br />

ist gegebenenfalls zu<br />

verän<strong>de</strong>rn.<br />

Alternativ könnte hier auch eine<br />

Vertiefung o<strong>de</strong>r ein Einstieg über<br />

das Märchen vom Rumpelstilzchen<br />

erfolgen, in <strong>de</strong>m ja die Einsicht verarbeitet<br />

ist, dass die Kenntnis und<br />

Vergabe eines bestimmten Namens<br />

eine Form <strong>de</strong>r Machtausübung und<br />

Verdinglichung darstellt. Dem wird<br />

die Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>s biblischen<br />

Gottesnamens gegenübergestellt.<br />

Es bietet sich ebenfalls an, hier auf<br />

das biblische Bil<strong>de</strong>rverbot in seiner<br />

Funktion <strong>de</strong>r Wahrung von Transzen<strong>de</strong>nz<br />

einzugehen. 12<br />

Sequenz 3 – Die beson<strong>de</strong>re<br />

jüdisch-christliche Unterscheidung<br />

Die Schülerinnen und Schüler erkennen,<br />

dass <strong>de</strong>r jüdisch-christliche Kult sich<br />

in seiner Zwecksetzung von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />

Kulten unterschei<strong>de</strong>n soll. In diesem Kult<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

geht es nicht um Geschäftsbeziehungen<br />

mit<br />

Gott (do ut <strong>de</strong>s), in diesem<br />

Kult geht es auch<br />

nicht um die Ausgestaltung<br />

eines von Menschen<br />

so gemachten Kultes.<br />

„Der Tanz um das Gol<strong>de</strong>ne<br />

Kalb ist das Bild dieses<br />

sich selbst suchen<strong>de</strong>n<br />

Kultes, <strong>de</strong>r zu einer Art<br />

von banaler Selbstbefriedigung<br />

wird.“ 13 Die Erarbeitung<br />

erfolgt in zwei<br />

Schritten: Zuerst wird <strong>de</strong>r<br />

Verwechslung zwischen<br />

<strong>de</strong>m Kalb und <strong>de</strong>m Gott<br />

<strong>de</strong>s Exodus in Hinsicht<br />

auf die Motive dieser<br />

Verwechselung nachgegangen;<br />

in einem zweiten<br />

Schritt ist dann zu erarbeiten,<br />

welche innere<br />

Haltung in diesem Kult<br />

gefor<strong>de</strong>rt ist.<br />

• Einstieg Bildbetrachtung:<br />

Das Bild René Magrittes (1898-<br />

1967) „Ceci n’est pas une pipe“<br />

wird auf Folie (M 3) aufgelegt. In<strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>n ersten Äußerungen nachgegangen<br />

wird, dass es sich um einen<br />

Pfeife han<strong>de</strong>le, wer<strong>de</strong>n die<br />

Schülerinnen und Schüler für die<br />

menschliche Eigenschaft sensibilisiert,<br />

Zeichen und Bezeichnetes zu<br />

verwechseln. (Thematisierung: Sinn<br />

<strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>rverbotes)<br />

• Erarbeitung 1:<br />

Erzählung vom Gol<strong>de</strong>nen Kalb (Ex<br />

32). Die Erarbeitung wird so angelegt,<br />

dass die Schülerinnen und Schüler<br />

in Partnerarbeit o<strong>de</strong>r Kleingruppen<br />

die unterschiedlichen Perspektiven<br />

in <strong>de</strong>r Geschichte ausfüllen. Es ist<br />

wichtig, die Grün<strong>de</strong> herauszufin<strong>de</strong>n,<br />

warum sich die Israeliten einen Götzen<br />

ersehnen, ebenso welche Grün<strong>de</strong><br />

es für Mose gibt, in Zorn zu geraten<br />

und das Kalb zu zerstören.<br />

Für die Erarbeitung lohnt <strong>de</strong>r Aufwand,<br />

auf ein gelbes Plakat ein<br />

„Gol<strong>de</strong>nes Kalb“ zu zeichnen, dieses<br />

in mehrere Teile zu schnei<strong>de</strong>n<br />

und <strong>de</strong>n Schülerinnen und Schülern<br />

auszuteilen.<br />

Auf <strong>de</strong>n einzelnen Teilen <strong>de</strong>s Kalbes<br />

notieren die Schülerinnen und<br />

Schüler die Argumente, aus <strong>de</strong>nen<br />

sich das Kalb zusammensetzt. Die<br />

Gruppen, welche die Perspektive<br />

<strong>de</strong>s Mose ausfüllen, erhalten rote<br />

Mo<strong>de</strong>rationskarten, die nachher beschriftet<br />

die Argumente für das Bil<strong>de</strong>rverbot<br />

auflisten und über das zusammengesetzte<br />

Kalb geheftet wer<strong>de</strong>n<br />

können. (Je nach Lerngruppe<br />

M3: „Der Verrat <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r“ • René Magritte Abb.: akg-images<br />

© VG Bild-Kunst, Bonn 2007


kann schon in einem Unterrichtsgespräch<br />

über die Frage nachgedacht<br />

wer<strong>de</strong>n, um wen es bei diesem Kult<br />

eigentlich geht.)<br />

• Erarbeitung 2:<br />

Als Vertiefung ist die Erarbeitung<br />

eines Sachtextes vorgesehen, in<br />

<strong>de</strong>m Papst Benedikt XVI. in einer<br />

interessanten Relecture <strong>de</strong>r Erzählung<br />

vom Gol<strong>de</strong>nen Kalb einen<br />

<strong>de</strong>m Gott <strong>de</strong>s Exodus angemessenen<br />

Kult vorschlägt (M 4). Die<br />

Schülerinnen und Schüler erarbeiten<br />

daraus ein positives Grundverständnis<br />

von Liturgie, in<strong>de</strong>m sie <strong>de</strong>r<br />

Frage nachgehen, welche innere<br />

Haltung in <strong>de</strong>r christlichen Liturgie<br />

prinzipiell gefor<strong>de</strong>rt ist.<br />

Je nach Absicht und Intension <strong>de</strong>r<br />

Einheit kann an dieser Stelle die positive<br />

Grundbestimmung von Liturgie in<br />

Richtung Eucharistie vorangetrieben<br />

wer<strong>de</strong>n. Da gera<strong>de</strong> die älteren Schülerinnen<br />

und Schüler in diesem Bereich<br />

weniger Schwierigkeiten mit <strong>de</strong>m Erfassen<br />

<strong>de</strong>s kognitiven Gehaltes von Eucharistie<br />

als vielmehr mit <strong>de</strong>r Frage<br />

nach <strong>de</strong>r Wirklichkeit <strong>de</strong>r Eucharistie<br />

haben, empfiehlt es sich, auf die Wirklichkeit<br />

von Eucharistie einen Schwerpunkt<br />

zu setzen. Hilfreich für diesen<br />

lohnen<strong>de</strong>n Exkurs ist neben <strong>de</strong>m Vorschlag<br />

Eckhard Nordhofens „Tut dies<br />

zu meinem Gedächtnis“ 14 auch ein kurzer<br />

Text Arno Schilsons, <strong>de</strong>r ebenfalls<br />

als Vorlage abgedruckt wird (M 5).<br />

Sequenz 5 –<br />

Sinn und Sinnlichkeit<br />

In dieser Sequenz geht es darum herauszufin<strong>de</strong>n,<br />

wie <strong>de</strong>r Mensch als ganzer<br />

in <strong>de</strong>r Liturgie vorkommt. Angesprochen<br />

sind sowohl die verschie<strong>de</strong>nen<br />

menschlichen Sinne als auch <strong>de</strong>r<br />

Bezug auf Zeichen und bestimmte Haltungen<br />

<strong>de</strong>s ganzen Körpers. Im ersten<br />

Schritt wird gewissermaßen ein Katalog<br />

von Sinnlichkeiten und Haltungen<br />

angelegt, ohne dass dabei schon die zur<br />

äußeren gehören<strong>de</strong> innere Haltung thematisiert<br />

wird.<br />

Collage „Gol<strong>de</strong>nes Kalb“ Foto: Werner<br />

• Einstieg Unterrichtsgespräch:<br />

Kurzes Gespräch über die Sinne <strong>de</strong>s<br />

Menschen und ihre Leistung zur<br />

Orientierung in <strong>de</strong>r Welt.<br />

• Erarbeitung 1:<br />

Im Klassenraum wer<strong>de</strong>n an verschie<strong>de</strong>nen<br />

Stellen D<strong>IN</strong>A4 große<br />

Symbole <strong>de</strong>r menschlichen Sinne<br />

angeheftet (gut im Internet zu fin<strong>de</strong>n).<br />

Die Schülerinnen und Schüler<br />

gehen von Station zu Station<br />

und notieren auf Plakaten, wie diese<br />

Sinne in <strong>de</strong>r Liturgie vorkommen.<br />

(Die tasten<strong>de</strong> Hand im Weihwasserbecken<br />

fühlt das Nass <strong>de</strong>s<br />

Wassers, dann <strong>de</strong>n Menschen<br />

selbst, <strong>de</strong>r sich in das Zeichen <strong>de</strong>s<br />

Kreuzes stellt; die Nase riecht <strong>de</strong>n<br />

Weihrauch, <strong>de</strong>n Geruch von Kerzen,<br />

in Kirchen riecht es sowieso<br />

an<strong>de</strong>rs usw.).<br />

• Vergabe von Referaten:<br />

Die Schülerinnen und Schüler<br />

wählen sich nach Neigung bestimmte<br />

liturgische und ritualisierte<br />

Elemente als Referatthemen,<br />

die sie in <strong>de</strong>n nächsten Stun<strong>de</strong>n<br />

o<strong>de</strong>r zu Hause ausarbeiten.<br />

Hierbei ist es hilfreich, <strong>de</strong>n Schülerinnen<br />

und Schülern einen kleinen<br />

Handapparat mit Literatur 15<br />

anzulegen und auf Internetseiten<br />

wie etwa www.kath.<strong>de</strong> hinzuweisen.<br />

Als zielführen<strong>de</strong> Hilfe für <strong>de</strong>n<br />

Aufbau <strong>de</strong>s Referates wird angegeben,<br />

dass das entsprechen<strong>de</strong> liturgische<br />

Element erst einmal in<br />

seiner Alltäglichkeit betrachtet<br />

wird (z.B. „Wann stehen wir im<br />

Alltag?“, „Welche Be<strong>de</strong>utung hat<br />

Gold als Farbe?“), und dann in seiner<br />

spezifisch liturgischen Be<strong>de</strong>utung<br />

erschlossen wer<strong>de</strong>n soll, dies<br />

auch hinsichtlich seines Ortes etwa<br />

in <strong>de</strong>r Messe. Je nach Vorbildung<br />

<strong>de</strong>r Klasse ist hier ausreichend<br />

Hilfestellung zu geben. An<br />

Referatthemen haben sich vor allem<br />

die liturgischen Haltungen,<br />

die Zeichenhandlungen (Kreuzzeichen)<br />

und nicht zuletzt die Farben<br />

für die Schülerinnen und<br />

Schülern als beson<strong>de</strong>rs interessant<br />

erwiesen. Vielversprechend dürfte<br />

es hier auch sein, Elemente wie<br />

Weihrauch o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Gesang miteinzubeziehen.<br />

Sequenz 6 – Von <strong>de</strong>r Außenperspektive<br />

zur performativen Perspektive<br />

Das Halten <strong>de</strong>r Referate ist zwar<br />

prinzipiell im Klassenraum möglich,<br />

günstiger ist es jedoch, einen entspre-<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

UNTERRICHTSPRAXIS<br />

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Unterrichts-Mo<strong>de</strong>ll


UNTERRICHTSPRAXIS<br />

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Unterrichts-Mo<strong>de</strong>ll<br />

chen<strong>de</strong>n liturgischen Ort zu besuchen.<br />

Die Durchführung ist so anzulegen,<br />

dass die Referenten als jeweilige Experten<br />

fungieren und die Klasse dazu<br />

anleiten, die jeweilige Handlung<br />

durchzuführen und von sich aus im<br />

profanen wie liturgischen Bereich zu<br />

erschließen. Die Experten ergänzen dabei<br />

und führen die jeweiligen Perspektiven<br />

noch zu, die aus <strong>de</strong>m Handlungssprechen<br />

selbst nicht abgeleitet wer<strong>de</strong>n<br />

können. Nimmt man sich ausreichend<br />

Zeit und Ruhe, um die Rituale selbst<br />

durchzugestalten, sprechen diese jedoch<br />

in <strong>de</strong>r Regel für sich selbst. Im<br />

Anschluss daran sind die vollzogenen<br />

Riten noch einmal darauf zu prüfen,<br />

welcher privative Gehalt sich in ihnen<br />

verbirgt. Dies gelingt freilich mit Elementen<br />

wie <strong>de</strong>r Kirchenschwelle – gera<strong>de</strong><br />

unter <strong>de</strong>m Eindruck sommerlicher<br />

Kühle und Stille eines großen Kirchenraumes<br />

–, o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Knien o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m eigentlich<br />

unselbstverständlichen Gold<br />

besser als mit an<strong>de</strong>ren liturgischen Elementen.<br />

Beson<strong>de</strong>rs hilfreich für die Durchführung<br />

dieser Sequenz war es, in <strong>Limburg</strong><br />

durch die Nähe zum Dom und<br />

Dommuseum einen „natürlichen“ Standortvorteil<br />

gehabt zu haben. Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Gesichtspunkt liturgischer Farben ließ<br />

sich mit Hilfe <strong>de</strong>r im Dommuseum ausgestellten<br />

Paramente und liturgischen<br />

Gerätschaften gut visualisieren.<br />

Sequenz 7 – Abschluss<br />

Einigermaßen gut ausgerüstet folgt<br />

am En<strong>de</strong> einer Unterrichtseinheit zu<br />

Liturgischer Bildung nach <strong>de</strong>n liturgiedidaktischen<br />

Grundregeln die Gestaltung<br />

eines Gottesdienstes, um <strong>de</strong>n<br />

Schülerinnen und Schülern ausreichend<br />

Raum zu geben, sich auch im<br />

Hinblick auf die Fähigkeit symbolischgottesdienstlicher<br />

Kommunikation zu<br />

entwickeln. 16 Hier sind die Elemente in<br />

<strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund zu stellen, die in <strong>de</strong>r<br />

Einheit beson<strong>de</strong>rs ausführlich behan<strong>de</strong>lt<br />

wur<strong>de</strong>n.<br />

Im Fall <strong>de</strong>r Klasse 10 kam dies jedoch<br />

an<strong>de</strong>rs: Die Schülerinnen entschie<strong>de</strong>n<br />

sich gegen die Form eines<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

selbst gestalteten Gottesdienstes und<br />

für die Teilnahme an einer Werktagsmesse<br />

im Dom. Für sie hatte es am En<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Einheit eine eigene Be<strong>de</strong>utung,<br />

das Erarbeitete einmal nicht gestalten<br />

zu müssen, son<strong>de</strong>rn Liturgie vor einem<br />

verän<strong>de</strong>rten Hintergrund zu erleben<br />

und sich dabei selbst beobachten zu<br />

können.<br />

Fazit<br />

Die Evaluation <strong>de</strong>s Vorhabens ergab,<br />

dass die Einheit insgesamt gut von<br />

<strong>de</strong>n Schülerinnen angenommen wur<strong>de</strong>.<br />

Wechseln<strong>de</strong> Lernorte und das Lernen<br />

in an<strong>de</strong>ren Zusammenhängen haben<br />

die Attraktivität <strong>de</strong>s Themas und die<br />

Motivation gesteigert. Auch jene, die<br />

<strong>de</strong>m Thema eher distanziert gegenüberstan<strong>de</strong>n,<br />

konnten sich auf diese Art<br />

<strong>de</strong>r Sinnerschließung einlassen.<br />

Da Liturgie immer etwas vom Gesamt<br />

<strong>de</strong>s christlichen Glaubens zur<br />

Darstellung und Sprache bringt, muss<br />

im Verlauf <strong>de</strong>r Einheit immer wie<strong>de</strong>r<br />

mit Nachdruck darauf geachtet wer<strong>de</strong>n,<br />

<strong>de</strong>n roten Fa<strong>de</strong>n nicht aus <strong>de</strong>n<br />

Augen zu verlieren und in Einzelthemen<br />

nicht stecken zu bleiben. Die<br />

Schülerinnen artikulieren im Laufe<br />

einer Einheit zu Liturgischer Bildung<br />

Fragen von einer beson<strong>de</strong>ren Dichte:<br />

Wer etwa über das Kreuzzeichen als<br />

die kürzeste Form christlichen Glaubensbekenntnisses<br />

spricht, hat damit<br />

zu rechnen, dass Schülerinnen und<br />

Schüler auch nachfragen, was es mit<br />

<strong>de</strong>r Heilsbe<strong>de</strong>utung dieses Kreuzes<br />

auf sich hat. Liturgische Bildung verdichtet<br />

religiöse Bildung, setzt sie in<br />

an<strong>de</strong>re Zusammenhänge und schließt<br />

sie noch einmal symbolisch auf. Darin<br />

liegen zugleich auch die Lernchancen,<br />

die sich mit Liturgischer<br />

Bildung verbin<strong>de</strong>n. Ein Religionsunterricht,<br />

<strong>de</strong>r sich auf Liturgische Bildung<br />

einlässt, gewinnt die anschauliche<br />

Dimension von Glauben zurück<br />

und gibt Schülerinnen und Schülern<br />

die Möglichkeit, auch in einem Bereich<br />

auskunftsfähig zu wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r<br />

über <strong>de</strong>n Horizont <strong>de</strong>s Klassenzimmers<br />

hinausreicht. 17<br />

Anmerkungen<br />

1 Einen guten Überblick geben die Artikel von Sauer, R.:<br />

s.v. Liturgische Bildung, in: Lexikon <strong>de</strong>r Religionspädagogik<br />

Band 2, 1269-1275;<br />

Blum, D.: s.v. Liturgische Bildung, in: Neues Handbuch<br />

Religionspädagogischer Grundbegriffe, 255-258.<br />

2 Schilson, A.: Negative Theologie <strong>de</strong>r Liturgie? Über<br />

die liturgische Erfahrung <strong>de</strong>r Verborgenheit <strong>de</strong>s nahen<br />

Gottes, in: LJ 50 (2000) 235-250, 236.<br />

3 König, K.: Liturgiedidaktische Grundregeln, in: Groß,<br />

E./ König, K.: Religionsdidaktik in Grundregeln. Leitfa<strong>de</strong>n<br />

für <strong>de</strong>n Religionsunterricht – Regensburg.<br />

1996. 112-130, 120.<br />

4 Schilson: Negative Theologie, 237ff.<br />

5 Büttner, G./Dieterich, V. J.: Die religiöse Entwicklung<br />

<strong>de</strong>s Menschen. Ein Grundkurs – Stuttgart. 2000. 18.<br />

6 Ratzinger, J./Benedikt XVI.: Der Geist <strong>de</strong>r Liturgie. Eine<br />

Einführung – Freiburg i.Br. Son<strong>de</strong>rausgabe<br />

2006,152; 169.<br />

7 O<strong>de</strong>nthal, A.: Liturgie als Ritual. Theologische und<br />

psychoanalytische Überlegungen zu einer praktisch-theologischen<br />

Theorie <strong>de</strong>s Gottesdienstes als<br />

Symbolgeschehen – Stuttgart. 2002. 195.<br />

8 O<strong>de</strong>nthal: Liturgie, 194.<br />

9 Siehe hier auch grundsätzlich Steinmetz, A.: Wie viel<br />

Form braucht die Religion? Rituale, in: Baumann, U./<br />

Englert, E. (Hg.) et al: Religionsdidaktik. Praxishandbuch<br />

für die Sekundarstufe I und II – Berlin.<br />

2005.226-241.<br />

10 Ratzinger: Liturgie, 41;43.<br />

11 König: Grundregeln, 120.<br />

12 Ähnlich <strong>de</strong>r Verlauf <strong>de</strong>s Romans: Nordhofen, E.: Die<br />

Mädchen, <strong>de</strong>r Lehrer und <strong>de</strong>r liebe Gott. Roman, (Reclam)<br />

– Stuttgart. 1998. 115ff.<br />

Dazu als Arbeitshilfe: Menges, Th.: Lehrpraktische<br />

Analysen, 27. Folge, (Reclam) – Stuttgart. 2000. 31f.<br />

13 Ratzinger: Liturgie, 19.<br />

14 Nordhofen, E.: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“. Unterrichtspraxis<br />

für das Sakrament <strong>de</strong>r Inkarnation, in:<br />

Eingela<strong>de</strong>n zum Fest <strong>de</strong>s Glaubens. <strong>Limburg</strong>er Impulse<br />

zur Religionspädagogik 2, hg. v. Dezernat Bildung<br />

und Kultur im Bischöflichen Ordinariat <strong>Limburg</strong>,<br />

4-9.<br />

15 Bewährt hat sich dabei vor allem: Kapellari, E.: Heilige<br />

Zeichen in Liturgie und Alltag – Graz/Wien/Köln.<br />

Neuauflage 1997. (4. Aufl. 2001); Guardini, R.: Von<br />

heiligen Zeichen – Mainz. 2004. (6. Aufl.)<br />

16 König: Grundregeln, 124f.<br />

17 Der Religionsunterricht vor neuen Herausfor<strong>de</strong>rungen,<br />

hg.v. Sekretariat <strong>de</strong>r Deutschen Bischofskonferenz<br />

– Bonn. 2005. 24 (Die <strong>de</strong>utschen Bischöfe 80).<br />

Matthias Werner ist zur Zeit Lehrer im<br />

Vorbereitungsdienst an <strong>de</strong>r Marienschule<br />

<strong>Limburg</strong>. Bis 2005 war er Wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Lehrstuhl<br />

für Systematische Theologie an<br />

<strong>de</strong>r Justus Liebig Universität Gießen.


Zeichen und Symbole Arbeitsblatt M 2<br />

Zeichen sind Worte und Bil<strong>de</strong>r, Gebär<strong>de</strong>n und an<strong>de</strong>res sinnlich Wahrnehmbare, das einen Hinweis, eine Botschaft<br />

zum Ausdruck bringt. Es gibt ausdrucksschwache Zeichen, die nur auf einer Konvention beruhen und auch ganz an<strong>de</strong>rs<br />

gestaltet sein könnten, wie zum Beispiel manche Wegweiser. Sie zeigen auf etwas hin, das nicht notwendig mit ihnen<br />

verbun<strong>de</strong>n ist. Starke Zeichen aber bringen das Wesen, die Tiefe, das Sein <strong>de</strong>s Bezeichneten zum Ausdruck. Das Gesicht<br />

eines Menschen ist ein solches starkes Zeichen. Es sagt etwas über <strong>de</strong>n Charakter und die Seelentiefe dieses Menschen,<br />

wenn er sich nicht verstellt.<br />

Zeichen nennt man auch Symbole. Das Wort Symbol leitet sich her vom griechischen „symballo”. Es be<strong>de</strong>utet ein<br />

Zusammenfügen zweier getrennter Teile eines Ganzen. Ursprünglich bezeichnete man damit die auseinan<strong>de</strong>rgebrochenen<br />

Teile eines Ringes, Stabes o<strong>de</strong>r ähnlicher Dinge. Sie dienten als Erkennungs- und Beglaubigungszeichen, wenn<br />

beispielsweise ein Bote einen solchen Teil einem Adressaten vorweisen konnte, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Teil in Hän<strong>de</strong>n hielt.<br />

Symbole sind Wegweiser in die Tiefe, in das Herz <strong>de</strong>r Dinge. Je<strong>de</strong>s Ding, das sich unverstellt zeigt, ist ein Realsymbol,<br />

ist Ausdruck seiner eigenen Tiefe, seines Seins. Das gilt auch für <strong>de</strong>n Menschen. Die heute oft gehörte Behauptung,<br />

etwas sei nur symbolisch, ist unzutreffend, wenn Zeichen und Bezeichnetes innerlich zusammenhängen. Das<br />

Wörtchen „nur” hat erst dann sein Recht, wenn lediglich von einem willkürlich gesetzten Zeichen, einem bloßen Konventionssymbol,<br />

die Re<strong>de</strong> ist.<br />

Mit <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>s christlichen Glaubens betrachtet, ist die ganze Weltwirklichkeit ein Symbol, das auf Gott verweist,<br />

<strong>de</strong>m sich die Welt in ihrem Wer<strong>de</strong>n und Bestehen verdankt. Und Jesus Christus ist im radikalsten Sinn dieses<br />

Wortes das Symbol <strong>de</strong>s göttlichen Vaters. „Wer mich gesehen hat, hat <strong>de</strong>n Vater gesehen”, sagt er selbst im Johannesevangelium<br />

(Joh 14,9).<br />

Symbole enthüllen Wirklichkeit, eröffnen ein Geheimnis. Zugleich verhüllen sie aber Tiefenschichten <strong>de</strong>r Wirklichkeit<br />

und belassen diese in <strong>de</strong>r Dimension <strong>de</strong>s Geheimnisses. Sie erinnern daran, dass die Welt über alle Maßstäbe<br />

<strong>de</strong>r menschlichen Vernunft hinaus ein Geheimnis ist und bleibt.<br />

Arbeitsaufträge:<br />

Quelle: Kapellari, Egon: Heilige Zeichen in Liturgie und Alltag – Graz/Wien. 1997. 15.<br />

1) Lies Dir <strong>de</strong>n Text gründlich durch und markiere, was Du nicht verstehst.<br />

2) Versuche, <strong>de</strong>n schon geglie<strong>de</strong>rten Abschnitten Überschriften zu geben.<br />

3) Was meint <strong>de</strong>r Autor, wenn er zwischen starken und schwachen Zeichen unterschei<strong>de</strong>t?<br />

4) Überlege: Welche Be<strong>de</strong>utung haben gera<strong>de</strong> Zeichen und Symbole für die christliche Liturgie?<br />

Der Tanz um das Gol<strong>de</strong>ne Kalb Arbeitsblatt M 4<br />

Für diese Unbeliebigkeit <strong>de</strong>s Kultes gibt es im Alten Testament eine Reihe sehr eindringlicher Zeugnisse. Nirgends<br />

erscheint <strong>de</strong>r Sachverhalt so dramatisch wie in <strong>de</strong>r Geschichte vom gol<strong>de</strong>nen Kalb (o<strong>de</strong>r besser: Jungstier). (...)<br />

Man will <strong>de</strong>n Gott verherrlichen, <strong>de</strong>r Israel aus Ägypten geführt hat, und glaubt, in <strong>de</strong>r Gestalt <strong>de</strong>s Jungstiers seine<br />

geheimnisvolle Kraft richtig abzubil<strong>de</strong>n. Scheinbar ist alles in Ordnung, vermutlich auch das Ritual durchaus <strong>de</strong>n Vorschriften<br />

gemäß. Und doch ist es ein Abfall von Gott zum Götzendienst. Zweierlei bewirkt diesen äußerlich zunächst<br />

kaum wahrnehmbaren Sturz. Zum einen <strong>de</strong>r Verstoß gegen das Bil<strong>de</strong>rverbot: Man hält es bei <strong>de</strong>m unsichtbaren, <strong>de</strong>m<br />

fernen und geheimnisvollen Gott nicht aus. Man holt ihn zu sich herab, ins Eigene, ins Anschauliche und Verständliche.<br />

So ist Kult nicht mehr ein Hinaufsteigen zu ihm, son<strong>de</strong>rn ein Herunterziehen Gottes ins Eigene: Er muß da sein,<br />

wenn er gebraucht wird, und muß so sein, wie er gebraucht wird. Der Mensch gebraucht Gott und stellt sich so, auch<br />

wenn das äußerlich nicht erkennbar ist, in Wirklichkeit über ihn. Damit ist das Zweite schon ange<strong>de</strong>utet: Es ist Kult aus<br />

eigener Vollmacht. Wenn Mose zu lange wegbleibt und damit Gott selbst unzugänglich wird, dann holt man ihn eben<br />

herbei. Dieser Kult wird so zum Fest, das die Gemein<strong>de</strong> sich selber gibt; sie bestätigt darin sich selbst. Aus Anbetung<br />

Gottes wird ein Kreisen um sich selber: Essen, Trinken, Vergnügen. Der Tanz um das gol<strong>de</strong>ne Kalb ist das Bild dieses<br />

sich selbst suchen<strong>de</strong>n Kultes, <strong>de</strong>r zu einer Art von banaler Selbstbefriedigung wird. Die Geschichte vom gol<strong>de</strong>nen<br />

Kalb ist eine Warnung vor einem eigenmächtigen und selbstsüchtigen Kult, in <strong>de</strong>m es letztlich nicht mehr um Gott,<br />

son<strong>de</strong>rn darum geht, sich aus Eigenem eine kleine alternative Welt zu geben. Dann wird Liturgie allerdings wirklich zu<br />

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leerer Spielerei. O<strong>de</strong>r schlimmer: zu einem Abfall vom lebendigen Gott, <strong>de</strong>r sich unter einer sakralen Decke tarnt. Aber<br />

dann bleibt am En<strong>de</strong> auch die Frustration, das Gefühl <strong>de</strong>r Leere. Jene Erfahrung <strong>de</strong>r Befreiung stellt sich nicht mehr<br />

ein, die überall da Ereignis wird, wo wahre Begegnung mit <strong>de</strong>m lebendigen Gott geschieht.<br />

Arbeitsaufträge:<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

Quelle: Ratzinger; J./Benedikt XVI: Der Geist <strong>de</strong>r Liturgie. Eine Einführung – Freiburg. (Son<strong>de</strong>rausgabe) 2006.<br />

1) Lies Dir <strong>de</strong>n Text gründlich durch. Markiere alle Wörter, die Du nicht verstehst. Wir sprechen nach <strong>de</strong>m ersten Lesen<br />

über <strong>de</strong>n Text.<br />

2) Versuche die Argumentation in eigenen Worten wie<strong>de</strong>rzugeben und erarbeite gemeinsam mit Deiner Nachbarin/<br />

Deinem Nachbarn die Hauptaussage <strong>de</strong>s Textes.<br />

3) Überlegt gemeinsam, welche Schlussfolgerungen daraus für das Verständnis von christlicher Liturgie zu ziehen<br />

sind.<br />

Die Kraft <strong>de</strong>s Gedächtnisses Jesu Christi Arbeitsblatt M 5<br />

Die Liturgie versucht diese (…) Gottesferne zu überwin<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m sie das Gedächtnis Jesu Christi feiert und auf<br />

diese Weise Gegenwart schafft, wo zunächst Vergangenheit waltet. Gedächtnis ist die Weise kultureller Aktivität von<br />

Menschen und Gesellschaften, wie etwas als konstitutiv empfun<strong>de</strong>nes Vergangenes unverbraucht bewahrt und als solches<br />

vergegenwärtigt wird. Ganze Völker und gesellschaftliche Gruppen leben aus <strong>de</strong>m Gedächtnis und <strong>de</strong>r Vergegenwärtigung<br />

ihrer längst vergangenen Geschichte.<br />

In diesen Jahren hat kein Geringerer als <strong>de</strong>r bekannte Hei<strong>de</strong>lberger Ägyptologe Jan Assmann dies als Grundcharakter<br />

aller Kultur, nicht nur bei <strong>de</strong>n Ägyptern, son<strong>de</strong>rn ebenso in <strong>de</strong>n neuen westlichen bzw. europäischen Kulturen herausgestellt.<br />

Das Ge<strong>de</strong>nken muß <strong>de</strong>mnach als »Ursprung und Fundament <strong>de</strong>r Kultur« angesehen wer<strong>de</strong>n. »Das kulturelle<br />

Ge<strong>de</strong>nken ist ... die Fähigkeit, über <strong>de</strong>n Alltag hinaus symbolische Sinnwelten aufzubauen, zu vergegenwärtigen<br />

und damit soziale und individuelle Wirklichkeit und I<strong>de</strong>ntität aufzubauen.« Als eine herausragen<strong>de</strong>, die Kultur und <strong>de</strong>n<br />

kulturellen Sinn sicherstellen<strong>de</strong>, also als ausgezeichnete kulturelle Leistung ist solches Gedächtnis <strong>de</strong>mnach einzuschätzen<br />

und hoch zu würdigen. Es bewahrt vor endgültigem Vergessen geschichtlich prägen<strong>de</strong>r Ereignisse ebenso wie<br />

es die I<strong>de</strong>ntität und <strong>de</strong>n Zusammenhalt sozialer Formationen, also auch von Gemeinschaften wie die Kirche, sicherstellt.<br />

Dazu braucht es <strong>de</strong>n beständigen Vollzug solchen Gedächtnisses als eines kulturellen, Zeit und Raum übergreifen<strong>de</strong>n<br />

Zusammenhangs.<br />

Genau dies tut die Liturgie, in<strong>de</strong>m sie das Gedächtnis <strong>de</strong>s Lebens, <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>r Auferweckung Jesu feiert. Damit<br />

macht und hält sie dieses geschichtliche Heilsgeschehen beständig gegenwärtig, um darin bei aller zeitlichen und<br />

räumlichen Ferne Gottes Nähe neu zu fin<strong>de</strong>n. Erst wer sich <strong>de</strong>r strukturellen Probleme und <strong>de</strong>r damit verbun<strong>de</strong>nen Not<br />

dieser Vermittlung bewußt bleibt, die sowohl Nähe als auch Ferne einschließt, kann sich nüchtern und verständig <strong>de</strong>r<br />

Feier <strong>de</strong>r Liturghie nähern und darin <strong>de</strong>n fernen, in Jesus nahegekommenen Gott erfahren.<br />

Arbeitsaufträge:<br />

Quelle: Schilson, A.: Negative Theologie <strong>de</strong>r Liturgie, in: LJ 50 (2000) 235-250<br />

1) Lies Dir <strong>de</strong>n Text gründlich durch und markiere, was Du nicht verstehst.<br />

2) Gib in eigenen Worten die Argumentation <strong>de</strong>s Autors wie<strong>de</strong>r.<br />

3) Welcher Zusammenhang besteht zwischen <strong>de</strong>r ‚Kraft <strong>de</strong>s Gedächntnisses’ und <strong>de</strong>r Liturgie?<br />

Alle Arbeitsmaterialien (M1-M5) sind als kopierfertige Vorlage<br />

aus <strong>de</strong>m Internet zu beziehen: www.ifrr.<strong>de</strong><br />

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Schrift, Monstranz und Knochen o<strong>de</strong>r<br />

wie kommt <strong>de</strong>r Geist ins Fleisch?<br />

Unterrichtspraktische Anregung zur Ausstellung<br />

„Der heilige Leib und die Leiber <strong>de</strong>r Heiligen“<br />

Das Dommuseum, <strong>de</strong>ssen Direktor,<br />

August Heuser, für die Religionslehrer<br />

und Religionslehrerinnen im Großraum<br />

Frankfurt und darüber hinaus ein<br />

beliebter und didaktisch versierter<br />

Partner ist, hat in diesen Tagen die erste<br />

große Son<strong>de</strong>rausstellung in seinen neuen<br />

Räumen im Haus am Dom eröffnet.<br />

Sie heißt „Der heilige Leib und die Leiber<br />

<strong>de</strong>r Heiligen“. Die Ausstellung ist<br />

eine Steilvorlage für alle Religionslehrer/-innen,<br />

die erkannt haben, dass die<br />

visuelle Seite <strong>de</strong>r praktizierten Religion<br />

mehr ist, als nur Oberfläche. Der<br />

Spruch, <strong>de</strong>n man als Leiti<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s Bau-<br />

Flyer zur Ausstellung<br />

hauses in Dessau kennt: „Die Form<br />

folgt <strong>de</strong>r Funktion“, kann nämlich auch<br />

umgedreht wer<strong>de</strong>n. Manchmal und<br />

sehr oft folgt dann auch die Funktion<br />

<strong>de</strong>r Form und <strong>de</strong>r Geist <strong>de</strong>r Materie.<br />

Wir haben es offenbar mit einem Wechselverhältnis<br />

zu tun. Was in <strong>de</strong>n Köpfen<br />

ist, kann auch in <strong>de</strong>n Medien abgelesen<br />

wer<strong>de</strong>n, die zur Verständigung, zur<br />

Selbstverständigung, aber auch zur Verständigung<br />

mit <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren entstan<strong>de</strong>n<br />

sind. Wenn es um <strong>de</strong>n unsichtbaren<br />

Gott geht, <strong>de</strong>r als Schöpfer <strong>de</strong>r Welt<br />

kein Ding in <strong>de</strong>r Welt sein kann, von<br />

<strong>de</strong>m es kein Bild gibt, dann haben wir<br />

es mit einem herausragen<strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rfall<br />

zu tun. Die Gottesfrage, die im<br />

Zentrum eines je<strong>de</strong>n Religionsunterrichts<br />

aller Schulformen und Jahrgangsstufen<br />

steht, ist nicht unabhängig<br />

von <strong>de</strong>n Medien, die für die Präsenz<br />

Gottes benutzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Wir skizzieren hier einmal einen<br />

Längsschnitt durch die Mediengeschichte<br />

<strong>de</strong>s Monotheismus, <strong>de</strong>r als unterrichtspraktische<br />

Anregung gedacht<br />

ist. Auf diese Weise könnten<br />

Schulklassen einen Besuch in <strong>de</strong>r Ausstellung<br />

im Haus am Dom vor- und<br />

nachbereiten. „Man sieht nur, was man<br />

weiß“ – dieser Satz ist vielleicht übertrieben,<br />

aber auch nicht ganz falsch. Alle<br />

Lehrer und Lehrerinnen wissen das.<br />

Die spektakulären Exponate <strong>de</strong>r Ausstellung<br />

müssen zum „Sprechen“ gebracht<br />

wer<strong>de</strong>n, sonst bleiben wir an <strong>de</strong>r<br />

Oberfläche, die immerhin auch noch<br />

spektakulär genug ist, hängen. Aber es<br />

geht nicht um Silber, Gold und E<strong>de</strong>lsteine,<br />

son<strong>de</strong>rn um das, wofür sie stehen.<br />

Nun aber unsere Skizze:<br />

1. Stufe: Die Antiphon –<br />

ein Wechselgesang<br />

Eckhard Nordhofen<br />

Im Klassenraum gibt es „sprechen<strong>de</strong><br />

Dinge“. Gemeint ist nicht das Handy,<br />

son<strong>de</strong>rn die unvermeidlichen Maskottchen,<br />

die in unterschiedlicher Form,<br />

als Stofftier o<strong>de</strong>r als Anhänger am Fe<strong>de</strong>rmäppchen,<br />

ihr Wesen treiben. Sie sind<br />

auf harmlose Weise „beseelt“, d. h. sie<br />

be<strong>de</strong>uten etwas. In einem ersten Schritt<br />

wollen wir <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen<br />

klar machen, dass es so etwas wie<br />

einen Wechselgesang zwischen Drinnen<br />

und Draußen, eine Antiphon zwischen<br />

Ich und Natur gibt. Schon <strong>de</strong>r Blick in<br />

die offene Landschaft löst diesen Wechselgesang<br />

aus, unsere Stimmung folgt<br />

sehr oft <strong>de</strong>n Wetterverhältnissen. Spektakuläre<br />

Wetterverhältnisse, Blitz, Donner,<br />

auch die großen Gestirne, Sonne und<br />

Mond, sind immer auch mit Be<strong>de</strong>utung<br />

„aufgela<strong>de</strong>n“ wor<strong>de</strong>n. Die Ethnologen<br />

sprechen von „aufla<strong>de</strong>n“, wenn sie die<br />

Fetische in Westafrika untersuchen. In<br />

vielen, mit Recht so genannten Naturreligionen,<br />

spielt die Aufladung mit Be<strong>de</strong>utung<br />

(Semantisierung) von bestimmten<br />

Gegenstän<strong>de</strong>n eine große Rolle.<br />

Die Konkordanz <strong>de</strong>r Bibel gibt <strong>de</strong>m<br />

Religionslehrer und <strong>de</strong>r Reli-gionslehrerin<br />

eine Menge Hinweise auf religiös<br />

aufgela<strong>de</strong>ne Bergspitzen, so genannte<br />

„Kulthöhen“, einsame Bäume,<br />

aber auch bestimmte Schau-plätze, die<br />

durch eine Erzählung, die mit ihnen<br />

verbun<strong>de</strong>n wird, gleichsam „getauft“<br />

wer<strong>de</strong>n. Ein Beispiel liefert die Geschichte<br />

von Jakobs Traum und die<br />

Aufladung eines Ortes, nämlich Bet-El<br />

(Haus Gottes) mit Be<strong>de</strong>utung. Gen<br />

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Bet-El • Die Steine re<strong>de</strong>n ©akg-images<br />

28,16-22 „...Jakob stand früh am Morgen<br />

auf, nahm <strong>de</strong>n Stein, <strong>de</strong>n er unter<br />

seinen Kopf gelegt hatte, stellte ihn als<br />

Steinmal auf und goss Öl darauf. Dann<br />

gab er <strong>de</strong>m Ort <strong>de</strong>n Namen Bet-El.“ Es<br />

geht hier noch nicht um <strong>de</strong>n neuen Gott<br />

<strong>de</strong>r Offenbarung, son<strong>de</strong>rn um die Tatsache,<br />

dass bestimmte Punkte <strong>de</strong>r Erdoberfläche<br />

o<strong>de</strong>r Naturphänomene zum<br />

„Sprechen“ gebracht wer<strong>de</strong>n. Die Natur<br />

ist eine gigantische Projektionsfläche,<br />

in die wir hineinlesen und aus<br />

<strong>de</strong>r wir hinauslesen, in die wir aber<br />

auch hineinschreiben.<br />

M 1: Jesaja 44, 9-20<br />

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2. Stufe: Götterproduktion<br />

Der Mensch erlebt sich selbst als<br />

Person und wenn er einen Wechselgesang<br />

anstimmt, liegt darin schon <strong>de</strong>r<br />

Keim von Personalität, auch für das<br />

Gegenüber <strong>de</strong>s Menschen. So ist es<br />

nicht verwun<strong>de</strong>rlich, dass die auffälligen,<br />

zur Antiphon geeigneten Punkte<br />

und Gegenstän<strong>de</strong>, alsbald Gesicht und<br />

Gestalt bekommen. Ein Wechsel-gesang<br />

braucht <strong>de</strong>n Partner. In Kin-<strong>de</strong>rbüchern<br />

fin<strong>de</strong>n sich oft Bäume, die Nasen,<br />

Mund und Augen haben<br />

– auch an<strong>de</strong>re Mischungen fin<strong>de</strong>n sich.<br />

Hier sind <strong>de</strong>r Veranschaulichung keine<br />

Grenzen gesetzt, auch wäre hier <strong>de</strong>r<br />

Ort, an <strong>de</strong>m wir in unserer Rekonstruktion<br />

<strong>de</strong>s menschlichen Bewusst-seins<br />

die Maskottchen und Lieblingstiere aus<br />

Stoff und an<strong>de</strong>ren Materialien unterbringen<br />

können. Grundschullehrer/-innen<br />

können hier in die Kiste greifen<br />

und <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn klar machen, wie unser<br />

Bewusstsein gestrickt ist. Es liegt<br />

offenbar im Wesen <strong>de</strong>s Menschen, dass<br />

er mit seinem Gegenüber in gewisser<br />

Weise kommuniziert, sich ansprechen<br />

lässt: „Wie man in <strong>de</strong>n Wald hinein<br />

ruft, so schallt es heraus“. Die nächste<br />

Stufe ist also die Kon<strong>de</strong>nsation von frei<br />

flottieren<strong>de</strong>r Spiritualität in <strong>de</strong>n Dingen<br />

<strong>de</strong>r Natur. Sie wer<strong>de</strong>n zu Personen,<br />

sie erhalten die Qualität, wie <strong>de</strong>r<br />

Mensch sie sich selber zubilligt. Auf<br />

diese Weise rekonstruieren wir die Genese<br />

von Gottheiten.<br />

Für die Entstehung <strong>de</strong>r polytheistischen<br />

Gottheit ist wichtig, dass man<br />

sich klar macht, dass wir nicht interesse-<br />

und bedürfnislos wie Spaziergänger<br />

durch die Natur lustwan<strong>de</strong>ln, son<strong>de</strong>rn<br />

dass wir mit ihr Geschäfte machen. Wir<br />

haben z.B. ein Interesse an Ernährung,<br />

und wenn wir dieses Interesse im Modus<br />

eines Wechselgesprächs o<strong>de</strong>r eines<br />

Wechselgesangs artikulieren, dann fin<strong>de</strong>t<br />

sich kulturgeschichtlich sehr schnell<br />

die Partnerin, nämlich eine meist weibliche<br />

Gottheit <strong>de</strong>r Frucht-barkeit und<br />

<strong>de</strong>s Lebens.<br />

Man kann sagen, dass schlechterdings<br />

alle Bedürfnisse und Interessen<br />

<strong>de</strong>s Lebens sich in die Natur hinein verlängern<br />

lassen. Auf diese Weise hat je<strong>de</strong>s<br />

menschliche Interesse eine himmlische<br />

Adresse. Wir könnten unsere<br />

Schülerinnen und Schüler die wichtigsten<br />

menschlichen Interessen aufzählen<br />

lassen und eine Art Wette anbieten: Es<br />

müsste mir als Lehrer/-in, doch möglich<br />

sein, für je<strong>de</strong>s menschliche Interesse<br />

eine Gottheit zu fin<strong>de</strong>n, die es bedient.<br />

Liebe (Venus), Jagdglück (Diana),<br />

Schutz vor Blitz und Donner (Jupiter),<br />

Krankheit und Gesundheit (Aesculap),<br />

Schutz vor <strong>de</strong>n Gefahren <strong>de</strong>s<br />

Meeres (Neptun) etc.<br />

In <strong>de</strong>r Bibel fin<strong>de</strong>t sich vor allem in<br />

Deuterojesaja (44) ein einrucksvoller<br />

Text (M 1), auch im Buch <strong>de</strong>r Weisheit,<br />

<strong>de</strong>r die Mechanismen <strong>de</strong>s Göttermachens<br />

beschreibt und natürlich lächerlich<br />

machen will.<br />

9 Ein Nichts sind alle, die ein Götterbild formen; / ihre geliebten Götzen nützen nichts. Wer sich zu seinen Göttern bekennt, sieht nichts, /<br />

ihm fehlt es an Einsicht; darum wird er beschämt.<br />

10 Wer sich einen Gott macht / und sich ein Götterbild gießt, / hat keinen Nutzen davon.<br />

11 Seht her, alle, die sich ihm anschließen, wer<strong>de</strong>n beschämt, / die Schmie<strong>de</strong> sind nichts als Menschen. Sie sollen sich alle versammeln und<br />

vor mich treten; / dann wer<strong>de</strong>n sie alle von Schrecken gepackt und beschämt.<br />

12 Der Schmied facht die Kohlenglut an, / er formt (das Götterbild) mit seinem Hammer / und bearbeitet es mit kräftigem Arm. Dabei<br />

wird er hungrig und hat keine Kraft mehr. / Trinkt er kein Wasser, so wird er ermatten.<br />

13 Der Schnitzer misst das Holz mit <strong>de</strong>r Messschnur, / er entwirft das Bild mit <strong>de</strong>m Stift / und schnitzt es mit seinem Messer; er umreißt es<br />

mit seinem Zirkel / und formt die Gestalt eines Mannes, das prächtige Bild eines Menschen; / in einem Haus soll es wohnen.<br />

14 Man fällt eine Ze<strong>de</strong>r, wählt eine Eiche / o<strong>de</strong>r sonst einen mächtigen Baum, <strong>de</strong>n man stärker wer<strong>de</strong>n ließ / als die übrigen Bäume im Wald.<br />

O<strong>de</strong>r man pflanzt einen Lorbeerbaum, / <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Regen groß wer<strong>de</strong>n lässt.<br />

15 Das Holz nehmen die Menschen zum Heizen; / man macht ein Feuer und wärmt sich daran. Auch schürt man das Feuer und bäckt<br />

damit Brot. / O<strong>de</strong>r man schnitzt daraus einen Gott / und wirft sich nie<strong>de</strong>r vor ihm; man macht ein Götterbild / und fällt vor ihm auf<br />

die Knie.


16 Den einen Teil <strong>de</strong>s Holzes wirft man ins Feuer / und röstet Fleisch in <strong>de</strong>r Glut / und sättigt sich an <strong>de</strong>m Braten. O<strong>de</strong>r man wärmt sich am<br />

Feuer und sagt: / Oh, wie ist mir warm! Ich spüre die Glut.<br />

17 Aus <strong>de</strong>m Rest <strong>de</strong>s Holzes aber macht man sich einen Gott, / ein Götterbild, vor das man sich hinkniet, zu <strong>de</strong>m man betet und sagt: / Rette<br />

mich, du bist doch mein Gott!<br />

18 Unwissend sind sie und ohne Verstand; / <strong>de</strong>nn ihre Augen sind verklebt, sie sehen nichts mehr / und ihr Herz wird nicht klug.<br />

19 Sie überlegen nichts, / sie haben keine Erkenntnis und Einsicht, / sodass sie sich sagen wür<strong>de</strong>n: Den einen Teil habe ich ins Feuer geworfen,<br />

/ habe Brot in <strong>de</strong>r Glut gebacken / und Fleisch gebraten und es gegessen. Aus <strong>de</strong>m Rest <strong>de</strong>s Holzes aber habe ich mir / einen abscheulichen<br />

Götzen gemacht / und nun knie ich nie<strong>de</strong>r vor einem Holzklotz.<br />

20 Wer Asche hütet, / <strong>de</strong>n hat sein Herz verführt und betrogen. Er wird sein Leben nicht retten / und wird nicht sagen: / Ich halte ja nur ein<br />

Trugbild in meiner rechten Hand.<br />

Fazit: Die Gottespräsenz in <strong>de</strong>r Natur<br />

kon<strong>de</strong>nsiert sich in Personen. Diese<br />

Personen entspringen <strong>de</strong>n menschlichen<br />

Bedürfnissen und seiner Fähigkeit,<br />

Fiktionen auszubil<strong>de</strong>n, seiner Fantasie.<br />

Entschei<strong>de</strong>nd ist, dass alle diese Hervorbringungen<br />

selbst gemacht sind.<br />

3. Stufe: Biblische Aufklärung<br />

Die Religionskritik <strong>de</strong>s Alten Testaments<br />

inszeniert einen großen Medienwechsel.<br />

Es ist für die Kin<strong>de</strong>r Israels<br />

nicht mehr möglich, an selbst gemachte<br />

Gottheiten zu glauben. Ein selbst gemachter<br />

Gott kann kein Gott sein und<br />

in <strong>de</strong>r Rekonstruktion <strong>de</strong>s Selbermachens<br />

zerfließen die Gottheiten zu<br />

nichts. Diese Religion <strong>de</strong>r Religionskritik<br />

hat aber nicht nur zum Ergebnis,<br />

dass die Götter „Nichtse“ sind, es entsteht<br />

auch ein neues, ein ganz an<strong>de</strong>res<br />

Gottesbild: das Konzept vom nicht<br />

selbst gemachten Gott, <strong>de</strong>r sich offenbart.<br />

Dieser neue Offenbarungsglaube<br />

an einen ganz an<strong>de</strong>ren und einzigen<br />

Gott, wäre nicht artikulationsfähig,<br />

wenn er nicht auch ein neues Gottesmedium<br />

hätte. Es ist nur folgerichtig,<br />

dass er dieses Medium aus <strong>de</strong>r Hand<br />

Gottes (Ex 31,18) empfängt. Es ist die<br />

Schrift. Die Schrift ist uns so selbstverständlich,<br />

dass wir die unglaubliche<br />

kulturhistorische Be<strong>de</strong>utung, die ihr<br />

zukommt, uns eigens klar machen<br />

müssen.<br />

Eine Präsenz, die ein wirklicher<br />

Gegenstand in unserem Bewusstsein<br />

erzeugt, ist wirklich an<strong>de</strong>rs als die Präsenz,<br />

die durch Buchstaben in unseren<br />

Geist gerufen wird. Das Bild eines<br />

Hähnchens ist zwar kein Kult-bild,<br />

aber es vertritt doch ein Hähn-chen, das<br />

man essen könnte. Wir können im<br />

Klassenraum ein Experiment machen,<br />

in <strong>de</strong>m wir uns die Abbildung eines<br />

Brathähnchens vor Augen führen (siehe<br />

S. 8). Die Kin<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n rufen: „Lecker,<br />

lecker!“ Ihnen läuft mit ziemlicher<br />

Sicherheit das Wasser im Mund<br />

zusammen, sie bekommen Hunger –<br />

ein Auslösereiz. Im nächsten Schritt<br />

zeigen wir zum Vergleich das Wort<br />

„Brathähnchen“. Auch hier wird es<br />

hungrige Kin<strong>de</strong>r geben, die anfangen,<br />

an das Essen zu <strong>de</strong>nken, aber die Präsenz<br />

von „Brathähnchen“ ist irgendwie<br />

schwächer.<br />

Auf diese Weise haben wir uns eine<br />

entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Eigenschaft <strong>de</strong>s Mediums<br />

Schrift klar gemacht. Sie ist in <strong>de</strong>r<br />

Lage, Abwesen<strong>de</strong>s sehr ein<strong>de</strong>utig in<br />

unser Bewusstsein zu rufen, aber<br />

gleichzeitig transportiert sie auch die<br />

Abwesenheit <strong>de</strong>s Gegenstan<strong>de</strong>s.<br />

Die Schrift produziert Anwesenheit<br />

und Abwesenheit zugleich!<br />

Dieser Satz sollte an <strong>de</strong>r Tafel stehen<br />

o<strong>de</strong>r sonst wie festgehalten wer<strong>de</strong>n. Die<br />

Schrift ist ein echtes Medium, das im<br />

Unterschied zur flüchtigen Sprache, auf<br />

Dauer zielt. Bewusstseinsinhalte können<br />

nicht nur ausgesprochen, son<strong>de</strong>rn auch<br />

festgehalten und mit diesem Medium<br />

kommuniziert wer<strong>de</strong>n. Diese beson<strong>de</strong>re<br />

Fähigkeit, nämlich neben <strong>de</strong>r Anwesenheit<br />

auch die Abwesenheit <strong>de</strong>ssen, was<br />

sie bezeichnet, erzeugen zu können,<br />

macht das Medium Schrift beson<strong>de</strong>rs<br />

geeignet, das neue Gottesbild im alten<br />

Israel zu bedienen. Gott offenbart sich<br />

nämlich immer, in<strong>de</strong>m er sich gleichzeitig<br />

entzieht.<br />

Biblische Belege – Jakob am Jabbok<br />

(Gen 32,23-33): Jakob hat Gott gesehen<br />

und ist doch mit <strong>de</strong>m Leben davon<br />

gekommen (31). Dagegen heißt es<br />

in Johannes 1,18: „Keiner hat Gott je<br />

gesehen“. Johannes hat mit Sicherheit<br />

auch die Geschichte von Jakobs Kampf<br />

mit <strong>de</strong>m „Mann“ gekannt. Er kann seinen<br />

Satz formulieren, weil Jakob gese-<br />

„Chicken“ ©CSH - Shotshop.com<br />

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hen und doch nicht gesehen hat. Er hat<br />

die Kraft Gottes zwar gespürt, aber als<br />

die Morgenröte aufsteigt, muss er ihn<br />

loslassen (27). Bei vollem Licht hat er<br />

ihn nicht gesehen, es ist ihm die volle<br />

Kenntnis Gottes vorenthalten wor<strong>de</strong>n,<br />

<strong>de</strong>nn seinen Namen erfährt er nicht.<br />

Die Frage wird ihm verwiesen: „Was<br />

fragst du mich nach meinem Namen?“<br />

Alle Offenbarungsgeschichten haben<br />

<strong>de</strong>n In<strong>de</strong>x von Entzug. Die Normalität<br />

wird fremd gemacht. Ein Dornbusch<br />

brennt und verbrennt doch nicht<br />

– eine Sache, die es nach <strong>de</strong>m zweiten<br />

Hauptsatz <strong>de</strong>r Thermodynamik normalerweise<br />

nicht geben kann. Das Wun<strong>de</strong>rbare<br />

<strong>de</strong>r Offenbarungsgeschichten<br />

lesen wir als In<strong>de</strong>x für die An<strong>de</strong>rsheit<br />

(Alterität) <strong>de</strong>s Gottes, <strong>de</strong>n man nicht<br />

sehen kann, aber gerne sehen möchte.<br />

In Exodus 33 (M 2) ist vom mitgehen<strong>de</strong>n<br />

Angesicht die Re<strong>de</strong>. Die<br />

ver-rückteste Szene folgt in 33,18-23.<br />

Mose wird in eine Felsspalte gestellt, <strong>de</strong>r<br />

vorüberziehen<strong>de</strong> Herr hält seine Hand<br />

über ihn, bis er vorüber ist und Mose<br />

„Pygmalion und Galatea“ (1886) � Ernest Normand<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

M 2: Exodus 33,18-23<br />

18 Dann sagte Mose: Lass mich doch <strong>de</strong>ine Herrlichkeit sehen!<br />

19 Der Herr gab zur Antwort: Ich will meine ganze Schönheit vor dir vorüberziehen lassen<br />

und <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s Herrn vor dir ausrufen. Ich gewähre Gna<strong>de</strong>, wem ich will, und<br />

ich schenke Erbarmen, wem ich will.<br />

20 Weiter sprach er: Du kannst mein Angesicht nicht sehen; <strong>de</strong>nn kein Mensch kann mich<br />

sehen und am Leben bleiben.<br />

21 Dann sprach <strong>de</strong>r Herr: Hier, diese Stelle da! Stell dich an diesen Felsen!<br />

22 Wenn meine Herrlichkeit vorüberzieht, stelle ich dich in <strong>de</strong>n Felsspalt und halte meine<br />

Hand über dich, bis ich vorüber bin.<br />

23 Dann ziehe ich meine Hand zurück und du wirst meinen Rücken sehen. Mein Angesicht<br />

aber kann niemand sehen.<br />

kann seinen Rücken sehen: „Mein Angesicht<br />

aber kann niemand sehen“. Merksatz:<br />

„Gott offenbart sich, in<strong>de</strong>m er<br />

sich entzieht“. Das alte Israel verehrt die<br />

Schrift, legt die Bun<strong>de</strong>surkun<strong>de</strong> in die<br />

Bun<strong>de</strong>sla<strong>de</strong>, die religionsgeschichtlich<br />

so behan<strong>de</strong>lt wird wie ein Kultbild, mit<br />

<strong>de</strong>m wichtigen Unterschied, dass die La<strong>de</strong><br />

und damit die Schrift keinen festen Ort<br />

hat, son<strong>de</strong>rn mitgeführt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Kultbil<strong>de</strong>r haben in <strong>de</strong>r Regel Wohnsitze<br />

und Tempel, in <strong>de</strong>nen sie ortsfest installiert<br />

sind und in Wallfahrten<br />

aufgesucht wer<strong>de</strong>n<br />

können.<br />

Es gibt handliche,<br />

transportable Götterbil<strong>de</strong>r.<br />

Die Geschichte Rahels,<br />

die ihrem Vater<br />

(Gen 31,19) die Götterbil<strong>de</strong>r<br />

gestohlen hatte<br />

und sich mit ihnen davon<br />

macht, hat einen hohen<br />

Unterhaltungswert.<br />

Beim Durchsuchen ihres<br />

Zelts verbirgt sie sie unter<br />

ihrem Rock und sagt<br />

zum Vater: „Ich kann vor<br />

dir nicht aufstehen, es<br />

geht mir gera<strong>de</strong>, wie es<br />

eben Frauen ergeht.“<br />

Am En<strong>de</strong> wird das<br />

ganze Haus Jakob zum<br />

Monotheismus und zur<br />

Ver-abschiedung <strong>de</strong>r<br />

Götterbil<strong>de</strong>r erzogen. In<br />

Genesis 35 wer<strong>de</strong>n auf<br />

<strong>de</strong>m Weg nach Bet-El,<br />

<strong>de</strong>m Ort, <strong>de</strong>n wir schon<br />

©akg-images kennen gelernt haben,<br />

unter <strong>de</strong>r Eiche von Sichem die Götterbil<strong>de</strong>r<br />

vergraben und damit aus <strong>de</strong>m Verkehr<br />

gezogen.<br />

Aber es ist die Schrift, die wie gemacht<br />

ist für <strong>de</strong>n ganz an<strong>de</strong>ren Gott.<br />

Sie ist in <strong>de</strong>r Lage, seine Präsenz überall<br />

zu re-präsentieren. In <strong>de</strong>r Folge verehrt<br />

das Ju<strong>de</strong>ntum die Schrift als heilig.<br />

Hier fin<strong>de</strong>n wir <strong>de</strong>n ersten Typus einer<br />

heiligen Schrift im emphatischen Sinn,<br />

<strong>de</strong>r uns im Koran und im Buch Mormon<br />

in jeweils an<strong>de</strong>rer Variante ebenfalls<br />

begegnet. Die Faszination <strong>de</strong>s<br />

neuen Mediums, das somit zum Königsmedium<br />

<strong>de</strong>s jungen Monotheismus<br />

wird, liegt darin, dass eine große Gefahr,<br />

die bei Kultbil<strong>de</strong>rn nicht zu vermei<strong>de</strong>n<br />

ist, ausgeschlossen wird: Die<br />

physische und dingliche, dreidimensionale<br />

Präsenz <strong>de</strong>s Kultbilds und die Bereitschaft<br />

zum Gestaltsehen, die in uns<br />

Menschen vorhan<strong>de</strong>n ist, führen dazu,<br />

dass je<strong>de</strong>s Kultbild mit <strong>de</strong>m, was es re-<br />

M 3: Mythos von Pygmalion<br />

Der Künstler Pygmalion war enttäuscht<br />

von weiblichen Lastern und machte sich<br />

daran, die Statue einer i<strong>de</strong>alen Frau zu<br />

schaffen. Die Statue war viel schöner als<br />

je<strong>de</strong> Frau, die er vorher lebendig gesehen<br />

hatte. Bezaubert von <strong>de</strong>r Schönheit, hatte<br />

er kaum das Poliereisen hingelegt, als er<br />

sich sterblich in das Bildnis verliebte.<br />

Aber was war ein toter Stein, auch wenn er<br />

noch so schön war? Die Göttin Venus war<br />

von <strong>de</strong>m Künstler so gerührt, <strong>de</strong>r nach<br />

<strong>de</strong>m I<strong>de</strong>al <strong>de</strong>r Schönheit strebend nicht<br />

an<strong>de</strong>rs konnte, als sein eigenes Produkt zu<br />

begehren, dass sie die Statue zum Leben<br />

erweckte. Schönheit, Leben und Liebe<br />

konnten sich treffen.


präsentiert, verwechselt wer<strong>de</strong>n kann –<br />

Es besteht Verwechselungsgefahr. In<br />

Exodus 32,2-4 wird eigens klar gemacht,<br />

dass die Kin<strong>de</strong>r Israels bei <strong>de</strong>r<br />

Herstellung <strong>de</strong>s gol<strong>de</strong>nen Kalbes selbst<br />

beteiligt waren. Sie müssen ihre Ohrringe<br />

abgeben, Aaron zeichnet <strong>de</strong>n<br />

Umriss etc. Der Herstellungsprozess<br />

wird eigens kleinschrittig erzählt, damit<br />

die Verblendung o<strong>de</strong>r Dummheit<br />

herauskommt, die darin besteht, dass<br />

die Kin<strong>de</strong>r Israels um das Selbstgemachte<br />

herumtanzen. Was ist geschehen?<br />

Hier bietet sich <strong>de</strong>r kleine antike<br />

Mythos von Pygmalion an (M3).<br />

Ovid erzählt diese Geschichte von<br />

Pygmalion in <strong>de</strong>n Metamorphosen. Was<br />

war geschehen? Irgen<strong>de</strong>in Kick, ein Umsprung<br />

in <strong>de</strong>r Perspektive musste zwischen<br />

<strong>de</strong>m letzten Schliff <strong>de</strong>s Steines und<br />

<strong>de</strong>r Verzauberung <strong>de</strong>s Künstlers durch<br />

sein eigenes Werk geschehen sein. Das<br />

von Menschen Selbstgemachte verselbständigt<br />

sich und tritt ihm wie ein echtes<br />

Gegenüber entgegen.<br />

M 4: Buch <strong>de</strong>r Weisheit 13, 1-19<br />

Hier besteht, vor allem für die<br />

Oberstufe, die Gelegenheit, die Feuerbach’sche<br />

Projektionstheorie zum Vergleich<br />

heranzuziehen, am Besten in einer<br />

Synopse mit <strong>de</strong>m Jesaja-Text (Jes<br />

44). Der Text Weisheit 13,1-19 (M 4)<br />

liefert neben <strong>de</strong>r Schil<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Götterproduktion<br />

auch noch allerhand<br />

Psychologie und zeigt auch Ansätze zu<br />

einer positiven Bewertung. „Vielleicht<br />

suchen sie Gott und wollen ihn fin<strong>de</strong>n,<br />

gehen aber dabei in die Irre“ (13,6).<br />

Das Defizit <strong>de</strong>s Götterbil<strong>de</strong>s ist,<br />

dass es tot ist. Daher ist das Motiv, die<br />

tote Statue zum Leben zu erwecken,<br />

sehr stark. Gott bläst <strong>de</strong>m Adam <strong>de</strong>n<br />

Lebensatem ein, nach<strong>de</strong>m er ihn aus<br />

Er<strong>de</strong> gebil<strong>de</strong>t hat. Der radikal bil<strong>de</strong>rlose<br />

Islam kennt in <strong>de</strong>n Hadithen die Geschichte<br />

von <strong>de</strong>n Künstlern, die Statuen<br />

gemacht haben. Sie wer<strong>de</strong>n am jüngsten<br />

Tag vor Gottes Richterstuhl aufgefor<strong>de</strong>rt,<br />

die Statuen lebendig zu machen,<br />

so wie Gott <strong>de</strong>m Adam <strong>de</strong>n Lebensatem<br />

eingehaucht hat. Da sie dies<br />

aber nicht können, wer<strong>de</strong>n sie in die<br />

Hölle geschickt.<br />

Irgendwie scheinen Statuen unausgesprochen<br />

<strong>de</strong>n Anspruch zu stellen,<br />

lebendig zu sein. Wenn es einer Statue<br />

gelingt, möglichst diesen Anschein einigermaßen<br />

zu erwecken, dann wird<br />

dies als beson<strong>de</strong>res Qualitätsmerkmal<br />

gepriesen – „lebensecht“ ist ein Qualitätsprädikat.<br />

Je ähnlicher eine Statue<br />

ist, umso mehr kann sie sich aber gegenüber<br />

<strong>de</strong>m, <strong>de</strong>n sie doch nur darstellen<br />

sollte, verselbstständigen. Die Differenz<br />

zwischen Zeichen und Bezeichnetem<br />

ist aus erkenntnistheoretischer<br />

Sicht eine Notwendigkeit. Als in <strong>de</strong>r<br />

Spätantike sich das junge Christentum<br />

vom Bil<strong>de</strong>rverbot nicht betroffen wähnte,<br />

hat immerhin die Stilistik <strong>de</strong>r Ikonen<br />

die Differenz zwischen einer verfrem<strong>de</strong>ten<br />

Darstellungsweise und illusionistischer<br />

Bildnerei <strong>de</strong>utlich gemacht. Alle<br />

Ikonen verzichten auf die Zentralperspektive,<br />

sie streben nicht ein illusionistisches<br />

Bild an, son<strong>de</strong>rn wer<strong>de</strong>n orna-<br />

1 Töricht waren von Natur alle Menschen, <strong>de</strong>nen die Gotteserkenntnis fehlte. Sie hatten die Welt in ihrer Vollkommenheit vor Augen,<br />

ohne <strong>de</strong>n wahrhaft Seien<strong>de</strong>n erkennen zu können. Beim Anblick <strong>de</strong>r Werke erkannten sie <strong>de</strong>n Meister nicht,<br />

2 son<strong>de</strong>rn hielten das Feuer, <strong>de</strong>n Wind, die flüchtige Luft, <strong>de</strong>n Kreis <strong>de</strong>r Gestirne, die gewaltige Flut o<strong>de</strong>r die Himmelsleuchten für weltbeherrschen<strong>de</strong><br />

Götter.<br />

3 Wenn sie diese, entzückt über ihre Schönheit, als Götter ansahen, dann hätten sie auch erkennen sollen, wie viel besser ihr Gebieter ist;<br />

<strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Urheber <strong>de</strong>r Schönheit hat sie geschaffen.<br />

4 Und wenn sie über ihre Macht und ihre Kraft in Staunen gerieten, dann hätten sie auch erkennen sollen, wie viel mächtiger jener ist, <strong>de</strong>r<br />

sie geschaffen hat;<br />

5 <strong>de</strong>nn von <strong>de</strong>r Größe und Schönheit <strong>de</strong>r Geschöpfe lässt sich auf ihren Schöpfer schließen.<br />

6 Dennoch verdienen jene nur geringen Ta<strong>de</strong>l. Vielleicht suchen sie Gott und wollen ihn fin<strong>de</strong>n, gehen aber dabei in die Irre.<br />

7 Sie verweilen bei <strong>de</strong>r Erforschung seiner Werke und lassen sich durch <strong>de</strong>n Augenschein täuschen; <strong>de</strong>nn schön ist, was sie schauen.<br />

8 Doch auch sie sind unentschuldbar:<br />

9 Wenn sie durch ihren Verstand schon fähig waren, die Welt zu erforschen, warum fan<strong>de</strong>n sie dann nicht eher <strong>de</strong>n Herrn <strong>de</strong>r Welt?<br />

10 Unselig aber sind jene, die auf Totes ihre Hoffnung setzen und Werke von Menschenhand als Götter bezeichnen, Gold und Silber,<br />

kunstvolle Gebil<strong>de</strong> und Tiergestalten o<strong>de</strong>r einen nutzlosen Stein, ein Werk uralter Herkunft.<br />

11 Da sägte ein Holzschnitzer einen geeigneten Baum ab, entrin<strong>de</strong>te ihn ringsum geschickt, bearbeitete ihn sorgfältig und machte daraus<br />

ein nützliches Gerät für <strong>de</strong>n täglichen Gebrauch.<br />

12 Die Abfälle seiner Arbeit verwen<strong>de</strong>te er, um sich die Nahrung zu bereiten, und aß sich satt.<br />

13 Was dann noch übrig blieb und zu nichts brauchbar war, ein krummes, knotiges Stück Holz, das nahm er, schnitzte daran so eifrig und<br />

fachgemäß, wie man es tut, wenn man am Abend von <strong>de</strong>r Arbeit abgespannt ist, formte es zum Bild eines Menschen<br />

14 o<strong>de</strong>r machte es einem armseligen Tier ähnlich, beschmierte es mit Mennig und roter Schminke, überstrich alle schadhaften Stellen,<br />

15 machte ihm eine würdige Wohnstatt, stellte es an <strong>de</strong>r Wand auf und befestigte es mit Eisen.<br />

16 So sorgte er dafür, dass es nicht herunterfiel, wusste er doch, dass es sich nicht helfen kann; es ist ein Bild und braucht Hilfe.<br />

17 Aber wenn er um Besitz, Ehe und Kin<strong>de</strong>r betet, dann schämt er sich nicht, das Leblose anzure<strong>de</strong>n. Um Gesundheit ruft er das Kraftlose an,<br />

18 Leben begehrt er vom Toten. Hilfe erfleht er vom ganz Hilflosen und gute Reise von <strong>de</strong>m, was nicht einmal <strong>de</strong>n Fuß bewegen kann.<br />

19 Für seine Arbeit, für Gewinn und Erfolg seines Handwerks bittet er um Kraft von einem, <strong>de</strong>ssen Hän<strong>de</strong> völlig kraftlos sind.<br />

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UNTERRICHTSPRAXIS<br />

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Unterrichts-Mo<strong>de</strong>ll


UNTERRICHTSPRAXIS<br />

58<br />

Unterrichts-Mo<strong>de</strong>ll<br />

mental, und <strong>de</strong>r „unrealistische“ Goldhinterhund<br />

setzt sich durch.<br />

Die Frage nach <strong>de</strong>m Bild als möglichem<br />

Gottesmedium durchzieht die Geschichte<br />

<strong>de</strong>s Monotheismus auch in seiner<br />

christlichen Zeit. Hier gäbe es einen<br />

Querverweis zum Thema Bil<strong>de</strong>rstreit<br />

und Bil<strong>de</strong>rverbot.<br />

4. Der letzte Medienwechsel<br />

Für das Christentum ist <strong>de</strong>r entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Medienwechsel verbun<strong>de</strong>n<br />

mit einer Entthronung <strong>de</strong>r<br />

Schrift. Zwar hat Jesus als frommer<br />

Ju<strong>de</strong> großen Respekt vor „Gesetz und<br />

Propheten“ so groß, dass er (Mt 5)<br />

kein Jota davon weglassen will. Entschei<strong>de</strong>nd<br />

ist aber seine Überbietung<br />

<strong>de</strong>r Schrift: „Wenn aber Eure Gerechtigkeit<br />

nicht größer ist als die <strong>de</strong>r<br />

Schriftgelehrten und Pharisäer, wer<strong>de</strong>t<br />

ihr nicht in das Himmelreich<br />

kommen“ (Mt 5,20). Auch das Neue<br />

Testament inszeniert regelrechte Dramen<br />

<strong>de</strong>s Medienwechsels. Kann <strong>de</strong>r<br />

Buchstabe töten, wie es Paulus behauptet?<br />

Zunächst sieht es in <strong>de</strong>r Geschichte<br />

von <strong>de</strong>r Ehebrecherin, die im 8. Kapitel<br />

<strong>de</strong>s Johannesevangeliums steht, tatsächlich<br />

so aus. „Mose hat uns im Gesetz vorgeschrieben,<br />

solche Frauen zu steinigen.<br />

Nun, was sagst Du?“. Jesus<br />

schreibt Gegenschrift auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>s Tempels. Der Finger Gottes, <strong>de</strong>r<br />

schon die Tora beschriftet hatte, wird<br />

zum zweiten Mal aktiv. Für Johannes ist<br />

<strong>de</strong>r Finger Jesu zweifellos <strong>de</strong>r Finger<br />

Gottes. Wir erfahren bzw. sollen nicht erfahren,<br />

was er schreibt, son<strong>de</strong>rn nur, dass<br />

er schreibt. Es ist eine Art Lehr-Performance,<br />

welche die Leere <strong>de</strong>r Schrift<br />

vor Augen führt. Jesus, <strong>de</strong>r von sich sagt,<br />

„Ich und <strong>de</strong>r Vater sind eins und wer<br />

mich sieht, sieht <strong>de</strong>n Vater“, ist selbst<br />

das neue Gottesmedium. Die Schrift ist<br />

<strong>de</strong>swegen am En<strong>de</strong> doch nicht zur vollen<br />

Repräsentanz Gottes geeignet, weil<br />

auch sie sich vom Ort und Zeit ihrer<br />

Triftigkeit entfernen kann. Der Wille<br />

Gottes hier und jetzt kann daher nicht<br />

einfach nachgelesen wer<strong>de</strong>n. Um ihn<br />

betet <strong>de</strong>r Christ je<strong>de</strong>n Tag im Vater Un-<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

ser: „Dein Wille geschehe.“<br />

Er muss ihn<br />

herausfin<strong>de</strong>n, und er<br />

kann ihn herausfin<strong>de</strong>n.<br />

Zwar ist er ein Sün<strong>de</strong>r,<br />

aber Christen haben<br />

„die Macht, Kin<strong>de</strong>r<br />

Gottes zu wer<strong>de</strong>n“ (Joh<br />

1,12). Die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

und unübertroffen<br />

treffen<strong>de</strong> Formulierung<br />

steht im Johannes-Prolog:<br />

„Und das Wort ist<br />

Fleisch gewor<strong>de</strong>n und<br />

hat unter uns gezeltet“<br />

(1,14). Der Ausdruck<br />

„eskenesen“, „hat gezeltet“,<br />

zeigt das Vorübergehen<strong>de</strong><br />

dieses Wortes,<br />

das, so lange es im<br />

Fleisch lebendig bleibt,<br />

auf gleicher Höhe mit<br />

<strong>de</strong>m Zeitstrahl, niemals<br />

veraltet. Diese Inkarnation<br />

ist das Zentrum <strong>de</strong>s<br />

christlichen Glaubens.<br />

Wenn wir uns entschließen,<br />

Kin<strong>de</strong>r Gottes zu<br />

wer<strong>de</strong>n, die Taufe ist<br />

das Sakrament, das diesen Entschluss<br />

für alle besiegelt, können wir zum<br />

Ort Gottes wer<strong>de</strong>n. Wir können ihm<br />

zur Präsenz verhelfen, auch wenn unser<br />

Fleisch schwach ist. Im Vertrauen<br />

darauf, dass Gott dieser Schwäche<br />

aufhilft, weil er barmherzig ist und<br />

die Liebe – <strong>de</strong>r vielleicht schönste<br />

seiner vielen Namen – können wir,<br />

die Gläubigen, selbst zum Ort Gottes<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Es gibt auch Menschen, die durch<br />

ihre christliche Lebenspraxis sich<br />

zum Zeichen für an<strong>de</strong>re machen. Es<br />

sind die großen Heiligen, <strong>de</strong>r sympathische<br />

Franziskus und Theresa von<br />

Kalkutta, die uns noch in frischer Erinnerung<br />

ist. Jesus selbst, das Urbeispiel<br />

<strong>de</strong>r Inkarnation, in <strong>de</strong>r Gottesgeist<br />

und Menschenfleisch zusammengekommen<br />

waren, hat aber ein eigenes<br />

Zeichen gestiftet, das uns hilft,<br />

über seine physische Abwesenheit<br />

hinweg seine Anwesenheit wirksam<br />

wer<strong>de</strong>n zu lassen.<br />

„Die Passion Christi“ • Jesus schreibt in <strong>de</strong>n Sand ©Cinetext<br />

5. Brot als heiliger Leib<br />

Die zentrale Frage, die hinter fast<br />

allen Erzählungen <strong>de</strong>s Neuen Testamentes<br />

steht, lautet: Wie wird es erreicht,<br />

dass die Gottespräsenz im Menschenfleisch,<br />

genauer in Jesus, nicht<br />

eine Episo<strong>de</strong> bleibt? Da gibt es natürlich<br />

die Geschichten von und über Jesus,<br />

die man sich erzählen kann: Der<br />

narrative Weg. Die Passionsgeschichte,<br />

die sein Lei<strong>de</strong>n erzählt und die in <strong>de</strong>r<br />

Auferstehung mün<strong>de</strong>t, ist ebenfalls<br />

narrativ, d. h. sie erzählt Geschehnisse.<br />

Sie ist aber auch ein Arrangement von<br />

Fakten- und Handlungssprechen. Jesus<br />

selbst benutzt im letzten Abendmahl<br />

die Sprache <strong>de</strong>r Dinge in einer Weise,<br />

wie sie im alten Israel begrün<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n<br />

ist. Der vorübergehen<strong>de</strong> schreckliche<br />

und gleichzeitig befreien<strong>de</strong> Gott<br />

wird je<strong>de</strong>s Jahr im Se<strong>de</strong>rabend in die<br />

Gegenwart geholt. Die Len<strong>de</strong>n gegürtet,<br />

<strong>de</strong>n Stab in <strong>de</strong>r Hand, essen die<br />

Kin<strong>de</strong>r Israels hastig das ungesäuerte


Brot, das Brot, das sie an <strong>de</strong>n Durchzug<br />

durch die Wüste Sinai erinnert. Es ist<br />

für sie das Brot <strong>de</strong>r Befreiung aus <strong>de</strong>m<br />

Sklavenhaus und Jesus ist einer von<br />

vielen jüdischen Hausvätern, <strong>de</strong>r diesen<br />

Ritus vollzieht. Ein sprechen<strong>de</strong>s<br />

Faktum ist auch die Anzahl seiner Jünger,<br />

es sind 12, wie die Stämme Israels<br />

12 sind. In<strong>de</strong>m er sich mit <strong>de</strong>m Brot <strong>de</strong>r<br />

Freiheit i<strong>de</strong>ntifiziert, in<strong>de</strong>m er sagt,<br />

„das ist mein Leib“, gibt er etwas zu<br />

verstehen. Er macht sich zum Zentrum<br />

einer alten Freiheitsgeschichte (vgl.<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 3/ 2003, 182-188 und <strong>IN</strong><strong>FO</strong><br />

4/2003, 240-245). Seit dieser Zeit feiert<br />

die Kirche das Gedächtnis- und<br />

Herrenmahl in <strong>de</strong>m über das ungesäuerte<br />

Brot <strong>de</strong>r Priester „in figura Christi“,<br />

d.h. in<strong>de</strong>m er in die Gestalt Christi<br />

stellvertretend eintritt, die Wandlungsworte<br />

spricht: „Das ist mein<br />

Leib“. Rein medientheoretisch haben<br />

wir es hier mit einer Singularität zu<br />

tun. Zeichen und Bezeichnetes fallen<br />

zusammen. Die Eucharistie ist kein<br />

Symbol für Christus, son<strong>de</strong>rn ist<br />

Christus selber. Für die Sprachtheoretiker:<br />

Semantik und Pragmatik fallen<br />

zusammen.<br />

Wie kann man Kin<strong>de</strong>rn, Hauptschülern<br />

und Jugendlichen so etwas erklären?<br />

Es ist ein durchaus einfacher<br />

und nachvollziehbarer Gedankengang,<br />

wenn wir die Geschichten von und<br />

über Jesus, die die Kin<strong>de</strong>r schon kennen<br />

(von <strong>de</strong>r geretteten Ehebrecherin,<br />

vom barmherzigen Vater, <strong>de</strong>n Arbeitern<br />

im Weinberg) aufrufen und dann<br />

die zentrale Frage stellen: „War das<br />

nur eine Episo<strong>de</strong>?“ Jesus lebt nicht<br />

mehr unter uns. Er hatte sein Zelt aufgeschlagen<br />

und das Neue Testament<br />

tut alles, damit wir diese Geschichten<br />

nicht für vergangen halten. Wenn Jesus<br />

selbst das schon für <strong>de</strong>n Pessachabend<br />

eingeführte Gedächtniszeichen nimmt<br />

und sich in dieses Zeichen einträgt,<br />

dann liefert er uns die Möglichkeit,<br />

seinen Leib unter uns zu haben, ja sogar<br />

ihn zu essen.<br />

Nun wird es für die Frankfurter interessant.<br />

Im Jahre 794 fand in Frankfurt<br />

das erste lateinische Konzil <strong>de</strong>s<br />

Westens statt. Im zweiten Konzil von<br />

Nikaia 787 hatte man im oströmischen<br />

Reich eine Theorie festgehalten, die<br />

<strong>de</strong>n Ikonen eine quasi-sakramentale<br />

Be<strong>de</strong>utung gab. Dies war <strong>de</strong>r im Osten<br />

bis heute beschrittene Weg, die Präsenz<br />

Gottes und <strong>de</strong>s Heiligen aufzurufen.<br />

Die westliche Kirche geht einen an<strong>de</strong>ren<br />

Weg. In <strong>de</strong>n Libri Carolini, <strong>de</strong>n<br />

Schriften aus <strong>de</strong>m Umkreis Karls <strong>de</strong>s<br />

Großen, welche die Texte <strong>de</strong>s Frankfurter<br />

Konzils vorbereiten, wird <strong>de</strong>n<br />

Bil<strong>de</strong>rn eine schwächere Be<strong>de</strong>utung<br />

Hostien © picture-alliance<br />

Christusikone © KNA-Bild<br />

gegeben, wie sie schon Gregor <strong>de</strong>r Große<br />

vorgeschlagen hatte. Sie helfen <strong>de</strong>r<br />

christlichen Einbildungskraft, sich die<br />

heiligen Ereignisse vorzustellen, sie<br />

dienen als Erinnerungsstütze und helfen<br />

<strong>de</strong>m Analphabeten, die biblischen<br />

Ereignisse zu verstehen.<br />

Im Westen wird dagegen die Eucharistie<br />

stark gemacht. Dies kann<br />

man an <strong>de</strong>n Frömmigkeitsübungen sehen,<br />

<strong>de</strong>ren Spuren wir in <strong>de</strong>r Ausstellung<br />

„Der heilige Leib und die Leiber<br />

<strong>de</strong>r Heiligen“ im Haus am Dom lesen<br />

können. Dass das Brot, das in <strong>de</strong>n Leib<br />

Christi gewan<strong>de</strong>lt wird, etwas Beson<strong>de</strong>res<br />

und an<strong>de</strong>res ist, soll man ihm<br />

schon ansehen. Deshalb haben die<br />

Hostien die Gestalt einer weißen run<strong>de</strong>n<br />

Scheibe, die eine eigene Ausstrahlung<br />

haben kann, vor allen Dingen<br />

dann, wenn man sie auch <strong>de</strong>r Anschauung<br />

aussetzt.<br />

Was sieht, wer eine Hostie sieht?<br />

Eigentlich nichts. Eine weiße Scheibe<br />

ist fast so etwas wie das weiße Quadrat<br />

<strong>de</strong>s russischen Künstlers Kasimir Malewitsch<br />

(1878-1935), <strong>de</strong>m es auch um<br />

ein Paradox, die Präsentation <strong>de</strong>s Entzugs,<br />

zu tun war. Wir glauben, dass das<br />

Allerheiligste, die Fülle <strong>de</strong>s Seins, eine<br />

Gestalt angenommen hat, die weniger<br />

nicht sein könnte: Eine weiße Oblate.<br />

Der Kreis, Zeichen <strong>de</strong>r Vollkommenheit,<br />

hat eine eigene Suggestion. Weiß,<br />

die Abwesenheit von Farbe, hat mit<br />

Entzug zu tun. Eigentlich sieht, wer die<br />

Hostie sieht, dass er Gott nicht sehen<br />

kann und doch ist er da! Er ist anwe-<br />

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UNTERRICHTSPRAXIS<br />

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UNTERRICHTSPRAXIS<br />

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<strong>Limburg</strong>er Kreuzla<strong>de</strong> © KNA-Bild<br />

send und abwesend zugleich. Diese<br />

Dialektik haben wir in verwandter<br />

Form schon bei <strong>de</strong>r Schrift kennen gelernt.<br />

Nur dieses Zeichen ist eine echte<br />

Alternative zur Gottespräsenz in <strong>de</strong>r<br />

Schrift. Ja mehr noch, es ist eine Überbietung.<br />

Die Schrift sagt mir, was ich<br />

tun und lassen soll. Die Hostie, vor allen<br />

Dingen, wenn ich sie kommuniziere,<br />

also esse, sagt mir, dass ich selbst<br />

<strong>de</strong>n Willen Gottes ermitteln muss, um<br />

sein Stellvertreter sein zu können und<br />

zwar je<strong>de</strong>n Tag neu. Ich selbst bin ein<br />

möglicher Ort Gottes. Diese Tatsache<br />

zu meditieren, dazu gibt es Monstranzen.<br />

Dazu gibt es eigene Feste wie das<br />

Fronleichnamsfest, das die Präsenz im<br />

heiligen Brot aus <strong>de</strong>n Kirchen herausholt<br />

und in <strong>de</strong>n Straßen und Gassen zur<br />

Anschauung bringt. Das sehen<strong>de</strong> Auge,<br />

hinter <strong>de</strong>m ein <strong>de</strong>nken<strong>de</strong>r Kopf<br />

sitzt, wird zum Organ <strong>de</strong>s Glaubens. In<br />

<strong>de</strong>r Ausstellung sind Kelche zu sehen,<br />

Monstranzen und viele Gefäße und<br />

Dinge, die alle das Ziel haben, die<br />

Gleichzeitigkeit von Gottespräsenz<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

6. Souvenirs, Souvenirs<br />

und Entzug zu vermitteln:<br />

Gottespräsenz in<br />

<strong>de</strong>r Schrift, repräsentiert<br />

durch eine Torarolle,<br />

auch durch alte und<br />

ehrwürdige Exemplare<br />

<strong>de</strong>s Koran und Gottespräsenz<br />

im Leib.<br />

Der Kult für <strong>de</strong>n<br />

Leib Christi ist auch<br />

Hintergrund und Quelle<br />

für einen Kult um<br />

die Leiber <strong>de</strong>r Christen.<br />

Was einmal „Tempel<br />

<strong>de</strong>s heiligen Geistes“<br />

war, so nennt Paulus<br />

<strong>de</strong>n Leib, wird, zumal<br />

wenn es sich um<br />

vorbildliche Christen<br />

han<strong>de</strong>lt, zu einem kleinen<br />

Denkmal ausgebaut,<br />

das es erlaubt,<br />

<strong>de</strong>m Geist, <strong>de</strong>r diese<br />

Knochen einmal belebt<br />

hatte, auch eine physische<br />

Stütze <strong>de</strong>r Erinnerung<br />

zu geben.<br />

An<strong>de</strong>nken, das ist eine Tätigkeit und<br />

eine Sache. Solche sprachlichen Auffälligkeiten<br />

machen uns darauf aufmerksam,<br />

wie wir offenbar gestrickt sind.<br />

„Eine Locke von <strong>de</strong>inem Haar“, das ist<br />

das klassische Souvenir. Ein Stück vom<br />

Leib eines geliebten Menschen, das er<br />

auch ohne Schmerzen abschnei<strong>de</strong>n und<br />

Methodische Möglichkeiten:<br />

Aufgela<strong>de</strong>ne Gegenstän<strong>de</strong> und normale Gegenstän<strong>de</strong><br />

entbehren kann. Die Damen trugen es<br />

früher in kleinen verschließbaren Kapseln<br />

als Anhänger. Wie viel unscheinbare<br />

Steine, die an irgen<strong>de</strong>inem Strand<br />

o<strong>de</strong>r an irgen<strong>de</strong>inem beson<strong>de</strong>ren Ort<br />

aufgehoben und zuhause aufbewahrt<br />

wer<strong>de</strong>n, mag es wohl geben?<br />

In <strong>de</strong>r Frankfurter Ausstellung fin<strong>de</strong>t<br />

sich ein unscheinbarer Beutel, <strong>de</strong>r<br />

ein doppeltes Souvenir enthält. Als die<br />

Kreuzfahrer aus Nazareth weichen<br />

mussten, nahmen sie vor <strong>de</strong>r Wohnhöhle<br />

Marias zwei Wän<strong>de</strong> mit, die, zusammen<br />

mit dieser, das Haus Mariens<br />

bil<strong>de</strong>ten. Diese Steine wur<strong>de</strong>n in Dalmatien<br />

zwischengelagert und eine Familie<br />

namens Angeli brachte die Steine<br />

in die italienische Provinz Marken.<br />

Dort errichtete man wie<strong>de</strong>r das „Haus<br />

Mariens“ und die Legen<strong>de</strong> erzählte<br />

später, dass es die Engel (Angeli) dorthin<br />

getragen hätten. Was lange als<br />

dreisteste Unwahrscheinlichkeit galt,<br />

hat also durchaus eine gewisse Plausibilität:<br />

Die Pilger stehen in Loreto vor<br />

<strong>de</strong>n Mauern <strong>de</strong>s Hauses, in <strong>de</strong>m die<br />

Gottesmutter und Jesus gelebt haben<br />

dürften. Fromme Pilger haben nun davon<br />

ein paar Stäubchen abgekratzt.<br />

Also von <strong>de</strong>m Souvenir ein Souvenir<br />

abgezweigt.<br />

Das vielleicht für Christen kostbare<br />

Souvenir ist das Kreuz Christi. Im<br />

Kreuz sehen wir Christen <strong>de</strong>n Wen<strong>de</strong>punkt<br />

<strong>de</strong>r Heilsgeschichte, <strong>de</strong>r gleichzeitig<br />

eine unbestrittene materielle<br />

Realität hatte: Holz. Jesus war ein<br />

wirklicher Mensch, <strong>de</strong>r an ein wirkli-<br />

– Zwei Batterien liegen nebeneinan<strong>de</strong>r, eine volle und eine leere. Einen sichtbaren<br />

Unterschied gibt es nicht. Ob die Batterie gela<strong>de</strong>n ist, kann ich aber leicht<br />

<strong>de</strong>monstrieren (z.B. Taschenlampe).<br />

– Zwei i<strong>de</strong>ntische Gegenstän<strong>de</strong> liegen nebeneinan<strong>de</strong>r: Der eine mit Geschichte,<br />

<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re ohne. Den einen habe ich von meinem geliebten Großvater geschenkt<br />

bekommen, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re ist gekauft.<br />

Fazit: Das Beson<strong>de</strong>re an einem Gegenstand ist oft das, was man nicht sieht. Dinge<br />

„zum Sprechen“ bringen. Z. B. Dinge mit einem eigenen Be<strong>de</strong>utungsgehalt (Ehering)<br />

gegenüber an<strong>de</strong>ren Dingen. Hier sind <strong>de</strong>r Fantasie keine Grenzen gesetzt.


ches Kreuz geschlagen wur<strong>de</strong>. Die Kaiserin<br />

Helena, die Mutter <strong>de</strong>s Kaisers<br />

Konstantin, unternahm eine Expedition<br />

ins Heilige Land, um womöglich dieses<br />

echte Kreuz Christi zu i<strong>de</strong>ntifizieren.<br />

Die Kreuzreliquie <strong>de</strong>r <strong>Limburg</strong>er Staurothek<br />

ist, da sie vom oströmischen<br />

Kaiserhof stammt, mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />

auf <strong>de</strong>n Fund <strong>de</strong>r Kaiserin<br />

zurückzuführen. Im liturgischen<br />

Kalen<strong>de</strong>r steht das Fest <strong>de</strong>r Kreuzerhöhung<br />

am 14. September. In <strong>de</strong>r Ausstellung<br />

fin<strong>de</strong>n sich auch eine Reihe an<strong>de</strong>rer<br />

kostbarer kleiner Monstranzen, in<br />

<strong>de</strong>nen jeweils winzige Späne vom<br />

Kreuz Christi aufbewahrt wer<strong>de</strong>n. Ob<br />

sie in je<strong>de</strong>m Falle echt sind – darüber<br />

kann man streiten. Für <strong>de</strong>n Glauben<br />

hängt davon nichts ab. Es wer<strong>de</strong>n auch<br />

an<strong>de</strong>re, anrühren<strong>de</strong> Souvenirs gezeigt.<br />

Die einfachen Schuhe <strong>de</strong>r Or<strong>de</strong>nsgrün<strong>de</strong>rin<br />

Katharina Kasper und ihre Reisetasche<br />

...<br />

7. Ein Medienvergleich:<br />

Der große Denker und Philosoph<br />

Dionysius Areopagita (5. Jhd.) war <strong>de</strong>r<br />

Meinung, dass ein Gottesmedium umso<br />

besser ist, je weniger es durch Pracht<br />

und Ähnlichkeit die Gefahr heraufbeschwört,<br />

mit <strong>de</strong>m, was es darstellen<br />

soll, verwechselt zu wer<strong>de</strong>n. Die Stilis-<br />

Eucharistische Anbetung © KNA-Bild<br />

tik und Ästhetik <strong>de</strong>r<br />

Ikone, die <strong>de</strong>m Antlitz<br />

Christi gilt, sorgt dafür,<br />

dass diese Verwechselung<br />

ausgeschlossen<br />

ist. Ikonen betonen die<br />

Differenz. Sie streben<br />

nicht eine fotografische<br />

Ähnlichkeit an und nutzen<br />

alle möglichen Verfremdungsmittel,<br />

um<br />

ihre An<strong>de</strong>rsheit (Alterität)<br />

zu zeigen.<br />

8. Corpus Christi<br />

Corpus Christi, so<br />

heißt in <strong>de</strong>n romanischen<br />

Län<strong>de</strong>rn unser<br />

Fronleichnamsfest. Zu<br />

seiner Entstehungszeit<br />

im 12. Jahrhun<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong><br />

in Deutschland althoch<strong>de</strong>utschgesprochen,<br />

wir kennen noch<br />

das Wort „Frau“ in <strong>de</strong>r<br />

alten Be<strong>de</strong>utung als<br />

„Herrin“. Die männliche<br />

Form ist untergegangen und steckt<br />

in <strong>de</strong>r ersten Silbe „Fron“. Die Be<strong>de</strong>utung<br />

von „Leichnam“ ist geschrumpft.<br />

Sie umfasste damals auch <strong>de</strong>n lebendigen<br />

Körper. In <strong>de</strong>n Kirchen und Kathedralen<br />

<strong>de</strong>s Westens entstehen eigene<br />

kostbare Sakramentenschreine, Tabernakel<br />

und Sakramentshäuschen, vor<br />

<strong>de</strong>nen das „ewige Licht“, die rote Lampe,<br />

brennt. Wo das <strong>de</strong>r Fall ist, beugen<br />

die Gläubigen die Knie und zeigen <strong>de</strong>m<br />

verborgenen Allerheiligsten ihre Verehrung.<br />

In <strong>de</strong>n eucharistischen Andachten<br />

früherer Tage spielte die<br />

Monstranz eine wichtige Rolle. Das<br />

Anschauen <strong>de</strong>s Allerheiligsten ist eine<br />

eigene Meditationsform. Man könnte<br />

sie als eine Einübung in die Abstraktion<br />

<strong>de</strong>uten. Dies bietet unserem Unterricht<br />

auch die Möglichkeit, die run<strong>de</strong> weiße<br />

Scheibe, die dann natürlich nicht konsekriert<br />

ist, zum Mittelpunkt einer<br />

„Bildmeditation“ zu machen, vielleicht<br />

im Vergleich mit Malewitschs<br />

weißem Quadrat. Wir sehen das Allerheiligste,<br />

also die Fülle <strong>de</strong>s Seins und<br />

Fronleichnamsprozession © KNA-Bild<br />

gleichzeitig nichts. Die Dialektik von<br />

Fülle und Entzug kann unmittelbar erlebt<br />

wer<strong>de</strong>n. Wenn dieses Nichts <strong>de</strong>r<br />

Fülle nun von einer strahlen<strong>de</strong>n Monstranz<br />

umfangen wird, wird ein Kontrast<br />

inszeniert, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Begriff eines Gottes,<br />

<strong>de</strong>r sich offenbart und entzieht,<br />

sehr gut entspricht. Eucharistische Andachten,<br />

bei <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r von einem breiten<br />

Velum umhüllte Priester mit diesem<br />

seine Hän<strong>de</strong> umschlägt, um die Monstranz<br />

nicht mit <strong>de</strong>n Fingern zu berühren<br />

und <strong>de</strong>n Segen erteilt, schienen schon<br />

fast ausgestorben. In <strong>de</strong>m Bestreben,<br />

alles „Überflüssige wegzulassen“, wur<strong>de</strong><br />

in <strong>de</strong>n letzten dreißig Jahren mit Berufung<br />

auf das Zweite Vatikanische<br />

Konzil, das freilich dazu keinerlei Befehl<br />

erteilt hatte, aufgeräumt und abgeräumt.<br />

Zum großen Erstaunen <strong>de</strong>r<br />

Altfünfundsechziger Konzilstraditionalisten<br />

leben auf Kirchen- und Weltjugendtagen<br />

plötzlich die Formen eucharistischer<br />

Anbetung wie<strong>de</strong>r auf,<br />

von <strong>de</strong>nen man sich gera<strong>de</strong> im Begriffe<br />

war, zu verabschie<strong>de</strong>n. Im Allerhei-<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

UNTERRICHTSPRAXIS<br />

61<br />

Unterrichts-Mo<strong>de</strong>ll


UNTERRICHTSPRAXIS<br />

62<br />

Unterrichts-Mo<strong>de</strong>ll<br />

ligsten hat <strong>de</strong>r Gedanke: Gott ist mitten<br />

unter uns, eine überzeugen<strong>de</strong> und<br />

sinnfällige Ausdruckskraft.<br />

Zusammenfassung:<br />

– Religiöse Medien wer<strong>de</strong>n im Wechselgesang<br />

zwischen Drinnen und<br />

Draußen in <strong>de</strong>r Antiphon mit <strong>de</strong>r<br />

Natur erzeugt.<br />

– Je<strong>de</strong>s menschliche Interesse hat eine<br />

himmlische Adresse. Menschen<br />

machen sich Götter, um mit Ihnen<br />

in eine Beziehung treten zu können.<br />

– Die Religionskritik <strong>de</strong>s alten Israel<br />

(biblische Aufklärung) setzt an die<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

Stelle selbst gemachter Götter, die<br />

nichts weiter sind als die Verlängerung<br />

menschlicher Bedürfnisse,<br />

einen ganz an<strong>de</strong>ren Gott, <strong>de</strong>r<br />

sich offenbart, in<strong>de</strong>m er sich entzieht.<br />

Das Medium <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren<br />

Gottes Israels ist die Schrift.<br />

– In Jesu Schriftkritik wird <strong>de</strong>r letzte<br />

und wichtigste Medienwechsel vorbereitet.<br />

An die Stelle <strong>de</strong>r Gottespräsenz<br />

im Text tritt die Gottespräsenz<br />

im „Fleisch“ (Inkarnation).<br />

Die Zeichenwelt <strong>de</strong>s eucharistischen<br />

Sakraments und ihr Umfeld,<br />

die Reliquienverehrung, die Präsenz<br />

Gottes in <strong>de</strong>r Ikone und die<br />

Jetzt bitte schon vormerken!<br />

Präsenz <strong>de</strong>s Heiligen in <strong>de</strong>n Reliquien<br />

und Souvenirs treten nebeneinan<strong>de</strong>r.<br />

Das ist <strong>de</strong>r Hintergrund<br />

<strong>de</strong>r Ausstellung „Der heilige Leib<br />

und die Leiber <strong>de</strong>r Heiligen“.<br />

Im Dommuseum und im Amt für kath.<br />

Religionspädagogik Frankfurt können<br />

sich Schulklassen für eine spezielle<br />

Führung durch die Ausstellung<br />

anmel<strong>de</strong>n.<br />

Eckhard Nordhofen ist Leiter <strong>de</strong>s Dezernats<br />

Bildung und Kultur.<br />

49. <strong>Limburg</strong>er Kreuzwoche<br />

Tag <strong>de</strong>r Religionspädagogik 2007<br />

Dienstag, 11. September 2007<br />

Wir und die An<strong>de</strong>ren<br />

Sind Differenzen zwischen <strong>de</strong>n Religionen eine Chance<br />

für <strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />

Anzeige<br />

Bald mehr unter:<br />

www.schule.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong>


Rezensionen<br />

Stosch, Klaus von<br />

EEiinnffüühhrruunngg iinn<br />

ddiiee SSyysstteemmaattiisscchhee<br />

TThheeoollooggiiee<br />

(UTB 2819). – Pa<strong>de</strong>rborn u.a.: Verlag Schöningh.<br />

2006. 352 S., € 16.90 (ISBN 978-3-8252-2819-4)<br />

Klaus von Stosch, wissenschaftlicher Assistent<br />

von Hans-Joachim Höhn (Köln) und Privatdozent<br />

an <strong>de</strong>r Katholisch-Theologischen Fakultät<br />

in Münster, bietet eine Einführung in die Systematische<br />

Theologie (unter Ausschluss <strong>de</strong>r Ethik,<br />

was <strong>de</strong>n Titel etwas irreführend macht), die erfrischend<br />

von üblichen Kompendien und flächigmonologischen<br />

Darstellungen abweicht. Er orientiert<br />

sich an <strong>de</strong>r triadischen Struktur <strong>de</strong>s Credo,<br />

mischt aber Textgenres und Metho<strong>de</strong>n. Fiktive<br />

Dialoge zwischen <strong>de</strong>m philosophieren<strong>de</strong>n Macho<br />

Albert und <strong>de</strong>r intellektuell-frommen Theologiestu<strong>de</strong>ntin<br />

Maria eröffnen <strong>de</strong>n jeweiligen Problemhorizont<br />

<strong>de</strong>r systematischen Fragestellung –<br />

eine didaktische Reduktion mit beachtlichem Mitnehmereffekt,<br />

auch wenn <strong>de</strong>r theologisch-weibliche<br />

Part (die augenzwinkern<strong>de</strong> Ironie ist spürbar)<br />

nicht selten halbverarbeitete und angelernte Diskursweisheiten<br />

vor allem aus <strong>de</strong>m theologischen<br />

Biotop Münster zum Besten gibt und damit natürlich<br />

ihren Gesprächspartner irritiert. Für Kenner<br />

<strong>de</strong>r Szene sind überhaupt die vielfältigen freundlichen<br />

Spitzen ein beson<strong>de</strong>rer Lesereiz, wenn z. B.<br />

<strong>de</strong>r Marathonläufer und „verehrte HJH“ (100 bzw.<br />

166: Hans-Joachim Höhn) bzw. namentlich o<strong>de</strong>r<br />

anonym die Meinungsführer <strong>de</strong>r Münsteraner<br />

Theologie durch <strong>de</strong>n Text geistern. Diese anregen<strong>de</strong>,<br />

weil die theologische Streitpunkte situieren<strong>de</strong><br />

und diskussionswürdig machen<strong>de</strong> „Propä<strong>de</strong>utik“<br />

wird jeweils durch einen theologiegeschichtlichen<br />

Input vertieft und um aktuelle strittige<br />

Gesprächspunkte erweitert. Profilierte Diskursteilnehmer<br />

wer<strong>de</strong>n mit gut verständlichen<br />

Porträts ihrer systematischen Beiträge am passen<strong>de</strong>n<br />

Ort eingeführt (Thomas von Aquin, Karl<br />

Barth, Wolfhart Pannenberg, Johann Baptist Metz,<br />

Romano Guardini, Rudolf Bultmann, Dietrich<br />

Bonheffer, Hans Urs von Balthasar, Karl Rahner,<br />

Dorothee Sölle, Martin Luther, John Hick, Jürgen<br />

Werbick). So bekommt <strong>de</strong>r Diskurs Gesicht und<br />

Gestalt.<br />

Im Einzelnen: Stosch betreibt keine spezifische<br />

Dogmatik o<strong>de</strong>r dogmatische Prinzipienlehre,<br />

son<strong>de</strong>rn folgt <strong>de</strong>r klassischen Einteilung <strong>de</strong>r<br />

Fundamentaltheologie in die drei Kapitel von<br />

quaestio religiosa, christiana und catholica (Gott,<br />

Christus, Kirche). In Anlehnung an Anselm und<br />

Thomas entwickelt er im ersten Kapitel (13-129)<br />

Grundbegriffe von Gottes trinitarischem Wesen<br />

und Han<strong>de</strong>ln. Er führt <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Offenbarung<br />

ein (nicht <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Schöpfung, <strong>de</strong>r eigenartiger<br />

Weise erst nachträglich christologisch profiliert<br />

wird: 168-171), betont mit M. Striet entschie<strong>de</strong>n<br />

das affirmative Anliegen <strong>de</strong>r Theologie<br />

(60-65) und entfaltet die Probleme <strong>de</strong>r Theodizeefrage<br />

(umsichtig und entschie<strong>de</strong>n, wenn er die<br />

Probleme <strong>de</strong>r free will <strong>de</strong>fense auf J. B. Metz hin<br />

expliziert: 95-129). Vom kirchlichen Bekenntnis<br />

her eröffnet Stosch das christologische Kapitel<br />

(133-222) mit <strong>de</strong>r Basiskategorie <strong>de</strong>r Kenosis; er<br />

diskutiert Anspruch und Probleme <strong>de</strong>s Osterglaubens,<br />

<strong>de</strong>r Soteriologie und <strong>de</strong>r Eschatologie. Das<br />

dritte Kapitel (226-292) führt im Eröffnungsdialog<br />

zu einer griffigen Bestimmung <strong>de</strong>s Dogma-<br />

Begriffs (230ff.), um dann Gottes Han<strong>de</strong>ln im<br />

Geist als Eröffnung <strong>de</strong>s Freiheitsraums Kirche zu<br />

entfalten. Den „Streitfall Unfehlbarkeit“ (240-<br />

243) und die Gesprächspunkte ökumenischer Theologie<br />

rekonstruiert Stosch behutsam und einla<strong>de</strong>nd.<br />

Weniger einleuchtend scheint mir, dass er<br />

<strong>de</strong>n Grundbegriff <strong>de</strong>r personal-dialogischen Gotteserfahrung<br />

erst hier im Zusammenhang mit <strong>de</strong>n<br />

sakramentalen Realsymbolen (261-267) einführt,<br />

ihn aber im ersten Kapitel zugunsten eines etwas<br />

„kopflastigen“ anselmianischen Gottesbegriffs<br />

ausspart. Das vierte und letzte Kapitel behan<strong>de</strong>lt<br />

nicht, wie vielleicht nach <strong>de</strong>m herkömmlichen<br />

fundamentaltheologischen Muster zu erwarten<br />

wäre, die theologische Erkenntnislehre, son<strong>de</strong>rn<br />

zwei Grundfragen <strong>de</strong>r „Glaubensverantwortung<br />

heute“ (295-343): Es geht um die Verantwortung<br />

<strong>de</strong>r einen Wahrheit angesichts <strong>de</strong>r vielen Religionen<br />

(und dabei um <strong>de</strong>n Testfall eines religionstheologischen<br />

Konzepts, nämlich um die Verhältnisbestimmung<br />

von Ju<strong>de</strong>ntum und Christentum)<br />

sowie um eine insgesamt abschließen<strong>de</strong> Reflexion,<br />

wie christlicher Glaube zu <strong>de</strong>nken gibt – das<br />

klassische, aber neu artikulierte Verhältnis von<br />

Glaube und Vernunft.<br />

Stosch hat ein anspruchsvolles Buch geschrieben,<br />

das sich <strong>de</strong>m aktuellen theologischen Diskurs<br />

ausdrücklich vom Credo her stellt und <strong>de</strong>nnoch<br />

ein (wenn auch nicht immer leicht zu lesen<strong>de</strong>s)<br />

Lehr- und Arbeitsbuch ist (vgl. jeweils die<br />

Aufgaben und Lesehinweise, vor allem die – ein<br />

seltener Fall! – vorzüglichen Grafiken). Dieses<br />

Buch unterläuft die weitverbreiteten religionspädagogischen<br />

Versuche, eine bedürfnisorientierte<br />

und als anthropologisch etikettierte Theologie<br />

„light“ zu liefern. Von <strong>de</strong>n ange<strong>de</strong>uteten systematischen<br />

Anfragen einmal abgesehen, die ja nur die<br />

systematische Diskussionswürdigkeit <strong>de</strong>s Buchs<br />

belegen, frage ich mich <strong>de</strong>nnoch, ob das Buch für<br />

ein Lehrbuch nicht recht viel (zu viel?) voraussetzt,<br />

nämlich eine hochmotivierte Intellektualität<br />

<strong>de</strong>r Studieren<strong>de</strong>n. So kommen die fiktiven<br />

Dialoge gelegentlich noch anspruchsvoller daher<br />

als <strong>de</strong>r fachtheologische Input. Mensagespräche<br />

in Münster mögen häufiger so verlaufen, an<strong>de</strong>re<br />

Orte bieten (lei<strong>de</strong>r) an<strong>de</strong>re Erfahrungen. Wie wären<br />

aber diese aufzunehmen? Hier müsste die didaktische<br />

Reduktion <strong>de</strong>rer beginnen, die mit diesem<br />

Buch arbeiten und sich erst einmal selbst von<br />

ihm herausfor<strong>de</strong>rn lassen. In diesem Sinne hat<br />

Stosch auch ein wichtiges Lernbuch für Lehren<strong>de</strong><br />

geschrieben, die im universitären und im gymnasialen<br />

Bereich arbeiten. Peter Hofmann<br />

Klein, Stephanie<br />

EErrkkeennnnttnniiss uunndd<br />

MMeetthhood<strong>de</strong>e iinn d<strong>de</strong>err<br />

PPrraakkttiisscchheenn TThheeoollooggiiee<br />

– Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer. 2005. 317 S.,<br />

€ 25.00 (ISBN 978-3-17-018669-9)<br />

Unverzichtbar stellt sich (nicht nur) für die<br />

Praktische Theologie die Gretchenfrage: Wie<br />

hältst Du‘s mit <strong>de</strong>r Metho<strong>de</strong>? – Denn im Sinne<br />

<strong>de</strong>s griechischen „met-hodos“ als „Weg zu etwas<br />

hin“ erweist sich die Metho<strong>de</strong>nfrage als grundlegend<br />

für <strong>de</strong>n Wirklichkeitsbezug im Allgemeinen<br />

und <strong>de</strong>n Praxisbezug <strong>de</strong>r Praktischen Theologie<br />

im Beson<strong>de</strong>ren. Geht es doch darum, wie die<br />

Praktische Theologie zu einer methodisch nachvollziehbaren<br />

und somit wissenschaftlich begrün<strong>de</strong>ten<br />

Erkenntnis über die Praxis gelangt.<br />

Dazu eruiert diese Studie, die im SS 2002 als Habilitationsschrift<br />

im Fachbereich Katholische Theologie<br />

<strong>de</strong>r Johannes Gutenberg-Universität Mainz<br />

angenommen wur<strong>de</strong>, zunächst die „Metho<strong>de</strong>nfrage<br />

in <strong>de</strong>r Praktischen Theologie“ (25-125) und<br />

skizziert ausgehend vom methodischen Dreischritt<br />

„Sehen – Urteilen – Han<strong>de</strong>ln“ nach Joseph<br />

Cardijn und <strong>de</strong>n daran anknüpfen<strong>de</strong>n lateinamerikanischen<br />

und europäischen Varianten methodische<br />

Mo<strong>de</strong>lle <strong>de</strong>r Theoriebildung, die zugleich<br />

exemplarisch einen Einblick in eine Grundstruktur<br />

<strong>de</strong>s methodischen Vorgehens vermitteln. Wie<br />

Stephanie Klein in Anlehnung an die Kooperationsmo<strong>de</strong>lle<br />

von Johannes A. van <strong>de</strong>r Ven sowie<br />

Norbert Mette und Hermann Steinkamp aufzeigt,<br />

ist die Praktische Theologie angefragt, sich über das<br />

innertheologische Gespräch hinaus <strong>de</strong>m interdisziplinären<br />

Dialog insbeson<strong>de</strong>re mit <strong>de</strong>n Humanund<br />

Sozialwissenschaften zu stellen; teilen sich<br />

doch diese Wissenschaften <strong>de</strong>n gleichen Gegenstandsbereich:<br />

Der Mensch und seine Sozialwelt.<br />

Bei <strong>de</strong>r Frage nach <strong>de</strong>m methodischen Zugang<br />

zur menschlichen und sozialen Wirklichkeit wählt<br />

Klein für die erkenntnis- und wissenschaftstheoretische<br />

Theoriebildung die phänomenologische<br />

Metho<strong>de</strong> von Edmund Husserl und die daran anknüpfen<strong>de</strong>n<br />

Überlegungen von Alfred Schütz; <strong>de</strong>ren<br />

Erkenntnisse erweisen sich für die Theoriebildung<br />

dahingehend von Be<strong>de</strong>utung, als die Sozialwelt<br />

durch subjektive und verobjektivierte<br />

Sinngebungsprozesse ge<strong>de</strong>utet und konstruiert<br />

erscheint. Mit <strong>de</strong>n methodologischen Erkenntnissen<br />

<strong>de</strong>s Ethnologen und Psychoanalythikers Georges<br />

Devereux und <strong>de</strong>m Verfahren <strong>de</strong>r Groun<strong>de</strong>d<br />

Theory von Barney G. Glaser sowie Anselm L.<br />

Strauss mün<strong>de</strong>n die Überlegungen in die konkrete<br />

methodische Forschungspraxis. Mit <strong>de</strong>n daraus<br />

gewonnenen methodologischen Erkenntnissen<br />

intendiert diese Studie, Theologie und Glaube in<br />

einer solchen Weise zur Sprache zu bringen, dass<br />

die Subjektivität <strong>de</strong>r Menschen in <strong>de</strong>r Sozialwelt<br />

und damit ihre subjektive Sicht wie auch das forschen<strong>de</strong><br />

Subjekt selbst eine signifikante Rele-<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

LITERATUR & MEDIEN<br />

63


LITERATUR & MEDIEN<br />

64<br />

vanz in <strong>de</strong>r Metho<strong>de</strong> und damit in <strong>de</strong>r Theoriegenerierung<br />

erhält.<br />

Kritisch bleibt gegenüber <strong>de</strong>m ersten Teil <strong>de</strong>r<br />

Studie anzumerken: Im Vergleich zu <strong>de</strong>r umfangreichen<br />

Darstellung <strong>de</strong>s methodischen Dreischrittes<br />

„Sehen – Urteilen – Han<strong>de</strong>ln“ nach Joseph<br />

Cardijn (53-77) fällt <strong>de</strong>r Diskurs über die lateinamerikanischen<br />

(77-86) und europäischen<br />

(86-89) Varianten <strong>de</strong>s Dreischritts bis hin zum<br />

Regelkreismo<strong>de</strong>ll (89-90) von Rolf Zerfaß sehr<br />

kurz aus. Die knappe Darstellung <strong>de</strong>s Regelkreismo<strong>de</strong>lls<br />

auf nur einer Seite begrün<strong>de</strong>t Klein damit:<br />

„In <strong>de</strong>r Praktischen Theologie ist es so bekannt,<br />

dass ich es hier nicht weiter ausführen<br />

muss.“ (90) Dies scheint umso mehr für <strong>de</strong>n methodischen<br />

Dreischritt „Kriteriologie“, „Kairologie“<br />

und „Praxeologie“ von Paul M. Zulehner zu<br />

gelten, <strong>de</strong>r mit seinem methodischen Ansatz in<br />

dieser Untersuchung we<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r wissenschaftlichen<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzung kritisch gewürdigt<br />

wird noch im Literaturverzeichnis zu fin<strong>de</strong>n ist.<br />

Der in dieser Studie aufgestellten For<strong>de</strong>rung<br />

nach einer Weiterentwicklung <strong>de</strong>s Mo<strong>de</strong>lls <strong>de</strong>s<br />

„Dreischritts“ ist zuzustimmen und in <strong>de</strong>m Ansatz<br />

einer Ermöglichungspastoral (Speyer, Nor<strong>de</strong>rstedt<br />

2004) vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>s Deutungsmusteransatzes<br />

von Rolf Arnold und <strong>de</strong>m<br />

Diskurs mit <strong>de</strong>m Konstruktivismus durch <strong>de</strong>n<br />

Vierschritt: „Kriteriologie“, „Kairologie“, „Praxeologie“<br />

und „Epistemologie“ im Sinne eines<br />

Handlungs- und Wahrnehmungsmo<strong>de</strong>lls bereits<br />

geschehen. Joachim Eckart<br />

Sill, Bernhard (Hg.)<br />

GGeewwiisssseenn<br />

Gedanken, die zu <strong>de</strong>nken geben<br />

(Quellenbän<strong>de</strong> zur Christlichen<br />

Ethik; Bd. 1). – Pa<strong>de</strong>rborn: Bonifatius-Verlag. 2006.<br />

514 S., € 34.90 (ISBN 978-3-89710-348-1)<br />

Der an <strong>de</strong>r Katholischen Universität Eichstätt-<br />

Ingolstadt lehren<strong>de</strong> Moraltheologe Bernhard Sill<br />

legt einen Quellenband zum Thema „Gewissen“<br />

vor, <strong>de</strong>r durch die Verschie<strong>de</strong>nartigkeit <strong>de</strong>r Texte<br />

und die unterschiedlichen Zugänge zum Thema<br />

eine reichhaltige Materialsammlung darstellt, die<br />

für <strong>de</strong>n Einsatz in Schule (Oberstufe) und Studium<br />

geeignet ist, aber auch zur persönlichen Lektüre<br />

einlädt.<br />

Das Buch beginnt mit einer problemindikatorischen<br />

Skizze, in <strong>de</strong>r Sill die Komplexität <strong>de</strong>s<br />

ethischen Zentralbegriffs „Gewissen“ darlegt, sowie<br />

die Schwierigkeit, es begrifflich zu fassen.<br />

„Es stimmt, dass keiner <strong>de</strong>r Grundbegriffe aus<br />

<strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>s sittlichen Lebens so strittig gewor<strong>de</strong>n<br />

ist wie <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Gewissens. (S. 17)“ Sill skizziert<br />

in seiner Einleitung die unterschiedlichen<br />

Interpretationsmöglichkeiten, hebt einige Positionen<br />

hervor und benennt Schlüsselbegriffe hinsichtlich<br />

<strong>de</strong>s Phänomens „Gewissen“, wie etwa<br />

I<strong>de</strong>ntität, Bildung und Bindung <strong>de</strong>s Gewissens<br />

u.a. Dieser einleiten<strong>de</strong> Teil kommt zu keinem<br />

Schluss, er eröffnet vielmehr das Forum, das <strong>de</strong>n<br />

folgen<strong>de</strong>n Stimmen Raum bietet, sich zum Thema<br />

zu äußern.<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

Es folgen sechs Kapitel. Sie präsentieren:<br />

Stimmen aus Dichtung und Literatur, psychologische,<br />

politische, philosophische, lehramtliche<br />

und theologische Stimmen. Die Kapitel umfassen<br />

zwischen vier (Psychologie) und 28 (Literatur)<br />

Texte unterschiedlicher Länge. Die Kapitel wer<strong>de</strong>n<br />

nicht eigens eingeleitet, und es fin<strong>de</strong>t keine<br />

Begründung <strong>de</strong>r jeweiligen Textauswahl statt. Es<br />

ist hervorzuheben, dass vor je<strong>de</strong>m Text eigens eine<br />

Hinführung erfolgt, die Informationen zum<br />

Autor bietet und – mal mehr, mal weniger ausführlich<br />

– in <strong>de</strong>ssen Denken bzw. Gesamtwerk<br />

einführt. Das Buch muss daher nicht zwingend<br />

von <strong>de</strong>r ersten bis zur letzten Seite gelesen wer<strong>de</strong>n,<br />

son<strong>de</strong>rn ein Text lässt sich beliebig herausgreifen.<br />

Die Hinführungen weisen <strong>de</strong>n Leser und<br />

die Leserin immer auch auf die Beson<strong>de</strong>rheiten<br />

<strong>de</strong>s jeweiligen Autors/<strong>de</strong>r Autorin im Umgang<br />

mit <strong>de</strong>m Gewissen hin und geben hilfreiche Hinweise<br />

zur Einordnung <strong>de</strong>rselben. Sie liefern Erstinformationen,<br />

die oft ausreichen, um einen Text<br />

etwa im Unterricht einzusetzen. An manchen<br />

Stellen nehmen die Einleitungen allerdings zentrale<br />

Aussagen <strong>de</strong>s Beitrags vorweg und überschreiten<br />

damit ihre Funktion <strong>de</strong>s Hinführens.<br />

Die Qualität je<strong>de</strong>s Quellenban<strong>de</strong>s erweist sich<br />

an <strong>de</strong>r Auswahl <strong>de</strong>r Quellen. Bernhard Sill hat in<br />

diesem Band viele sehr verschie<strong>de</strong>nartige Beiträge<br />

versammelt. Beson<strong>de</strong>rs hervorzuheben sind<br />

die literarischen Beiträge <strong>de</strong>s ersten Kapitels, die<br />

auf sehr unterschiedliche Weise Zugänge zum<br />

Thema „Gewissen“ bieten. Es wäre bereichernd,<br />

wenn darüber hinaus – hier o<strong>de</strong>r an an<strong>de</strong>rer Stelle –<br />

auch Stimmen aus an<strong>de</strong>ren Kulturkreisen Zugang<br />

gefun<strong>de</strong>n hätten.<br />

Sill gibt <strong>de</strong>m Leser und <strong>de</strong>r Leserin mit seiner<br />

Textauswahl nicht eine spezifische Interpretationsart<br />

<strong>de</strong>s Gewissens als die richtige vor, son<strong>de</strong>rn<br />

er stellt die Texte nebeneinan<strong>de</strong>r, ohne ein<strong>de</strong>utig<br />

zu werten. Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r theologische Teil erhält<br />

durch diese Vielfalt seine Qualität. Er bietet mehrere<br />

Texte, die hervorragend zur Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

mit <strong>de</strong>m Thema geeignet sind. Allerdings<br />

wären in einem Quellenband auch einige „Klassiker“<br />

gut aufgehoben. So erstaunt es v.a., dass ein<br />

Text von Thomas von Aquin fehlt, aber auch Augustinus<br />

o<strong>de</strong>r ein Vertreter <strong>de</strong>r mittelalterlichen<br />

Mystik hätten das Bild gut ergänzt. Das Kapitel<br />

zur Philosophie stellt wichtige Positionen dar,<br />

lässt in seiner Kürze jedoch an<strong>de</strong>re vermissen. Da<br />

freilich je<strong>de</strong>s Buch begrenzt ist, können auch diese<br />

Quellentexte nicht mehr sein als eben eine Auswahl,<br />

über die sich immer trefflich streiten lässt.<br />

Die Frage nach <strong>de</strong>r Auswahl stellt sich in beson<strong>de</strong>rer<br />

Weise im Kapitel <strong>de</strong>r „Politischen Stimmen“.<br />

Es ist gut, auch dort Überlegungen zum<br />

Gewissen einzuholen, wo das Gewissen – wie in<br />

<strong>de</strong>r Praxis <strong>de</strong>r Politik – beson<strong>de</strong>ren Spannungen<br />

ausgesetzt ist. Es ist allerdings nicht nachvollziehbar,<br />

warum die Stimmen zweier Ethikprofessoren<br />

(Sutor und Tödt) <strong>de</strong>r Politik zugeordnet<br />

wer<strong>de</strong>n. Und beim Blick auf die Parteizugehörigkeit<br />

<strong>de</strong>r übrigen Autoren drängt sich die Frage<br />

auf, ob sozial<strong>de</strong>mokratische und grüne Abgeordnete<br />

keine Meinung zum Gewissen haben – bzw.<br />

ob sie sich nicht äußern wollten o<strong>de</strong>r ob sie nicht<br />

gefragt wur<strong>de</strong>n.<br />

Die einzelnen Kritikpunkte min<strong>de</strong>rn nicht <strong>de</strong>n<br />

positiven Gesamteindruck <strong>de</strong>s Ban<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r unterschiedliche<br />

Zugänge zum Thema ermöglicht und<br />

vielseitig einsetzbar ist. Das Buch bietet sowohl<br />

Texte, die als Einstieg in die Thematik geeignet<br />

sind, als auch solche, die <strong>de</strong>r Vertiefung, <strong>de</strong>r Problematisierung<br />

und <strong>de</strong>r Sensibilisierung dienen.<br />

Die ausführliche Bibliographie erleichtert zu<strong>de</strong>m<br />

die weiter gehen<strong>de</strong> Beschäftigung mit <strong>de</strong>m<br />

Thema. Michelle Becka<br />

Brantschen, Johannes B.<br />

GGootttt iisstt aannd<strong>de</strong>errss<br />

Theologische Versuche und Besinnungen<br />

– Luzern: Edition Exodus. 2005. 212 S.,<br />

€ 25.00 (ISBN 978-3-905577-72-3)<br />

Unter <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschsprachigen Theologen <strong>de</strong>r<br />

Gegenwart gibt es wenige, die <strong>de</strong>rart sensibel, behutsam<br />

und lebensnah <strong>de</strong>m Geheimnis <strong>de</strong>s Glaubens<br />

nachspüren wie <strong>de</strong>r emeritierte Dogmatiker<br />

aus Fribourg – eine klare und helle Stimme eher<br />

im Verborgenen, die sich nicht lautstark vermarktet<br />

und um so dringlicher Empfehlung verdient.<br />

Der Schweizer Dominikaner ist stets ganz nah bei<br />

Alltagserfahrungen, sensibel für gesellschaftliche<br />

Probleme und kirchliche Notstän<strong>de</strong> (wie Zentralismus<br />

o<strong>de</strong>r Patriarchalismus). Genauigkeit <strong>de</strong>r<br />

Wahrnehmung und Schärfe <strong>de</strong>r Argumentation<br />

resultieren aus klarem Verstand und gründlicher<br />

Fachkenntnis, mehr aber noch aus einem nach<strong>de</strong>nklichen<br />

Osterglauben und <strong>de</strong>ssen messianischem<br />

Licht. In <strong>de</strong>n hier gesammelten Aufsätzen<br />

geht es zuerst um die Gottesfrage: „Macht und<br />

Ohnmacht <strong>de</strong>r Liebe“, <strong>de</strong>r vergessene Heilige<br />

Geist und <strong>de</strong>r Verlust eines beziehungsstarken<br />

Denkens und Han<strong>de</strong>lns (Trinität!), und immer<br />

wie<strong>de</strong>r: Gott und das Leid. Kaum einer hat so früh<br />

wie Brantschen das Geheimnis <strong>de</strong>s mit-lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n,<br />

ohnmächtigen Gottes ins theologische Gespräch<br />

gebracht. Zusammen mit <strong>de</strong>r Theodizeefrage<br />

ist es natürlich <strong>de</strong>r Osterglaube, <strong>de</strong>r im Mittelpunkt<br />

steht: Worauf hoffen? Wie von Auferstehung<br />

re<strong>de</strong>n? Wie Erbarmen und Gerechtigkeit zusammenhalten?<br />

Endgültige Versöhnung für alle?<br />

Nicht zufällig enthält <strong>de</strong>r Band zwei Porträts<br />

theologischer Lehrer aus <strong>de</strong>m Protestantismus:<br />

Rudolf Bultmann und Ernst Fuchs. Noch bezeichnen<strong>de</strong>r<br />

ist, dass die fachtheologischen und<br />

doch gut lesbaren Meditationen mit ausdrücklich<br />

spirituellen Gedanken schließen – zum Stichwort<br />

„Sehnsucht“, „Staunen“ und „Verzeihen“, „Einbruch<br />

<strong>de</strong>s Neuen“. Fazit: eine lebensfreundliche<br />

einla<strong>de</strong>n<strong>de</strong> und befreien<strong>de</strong> Theologie, die ohne<br />

große Worte und doktrinale Sprüche auskommt,<br />

statt<strong>de</strong>ssen das Geheimnis <strong>de</strong>s Lebens erschließt.<br />

Nicht zufällig ist <strong>de</strong>r heimliche Gesprächspartner<br />

im Hintergrund immer <strong>de</strong>r Pfarrerssohn aus<br />

Naumburg, Friedrich Nietzsche. In <strong>de</strong>ssen Vorre<strong>de</strong><br />

zu „Die fröhliche Wissenschaft“ fragt ein kleines<br />

Mädchen: „Ist es wahr, dass <strong>de</strong>r liebe Gott<br />

überall zugegen ist? … aber ich fin<strong>de</strong> das unanständig“.<br />

Brantschen fin<strong>de</strong>t das auch, wie je<strong>de</strong>r<br />

aufmerksame Christenmensch – und er arbeitet<br />

theologisch beispielhaft daran, solche angstbe-


setzten Verfälschungen <strong>de</strong>s christlichen Glaubens<br />

zu überwin<strong>de</strong>n. Äußerst hilfreich für <strong>de</strong>n Religionsunterricht!<br />

Gotthard Fuchs<br />

Niemann, Ulrich /<br />

Wagner, Marion<br />

VViissiioonneenn<br />

Werk Gottes o<strong>de</strong>r Produkt <strong>de</strong>s Menschen? Theologie<br />

und Humanwissenschaft im Gespräch. – Regensburg:<br />

Verlag F. Pustet. 2005. 206 S., € 16.90<br />

(ISBN 978-3-7917-1954-2)<br />

Das vorliegen<strong>de</strong> Buch praktiziert das Gespräch<br />

zwischen Theologie (Marion Wagner, Dogmatik)<br />

und empirischer Humanwissenschaft (Ulrich<br />

Niemann SJ, Neuropsychiatrik, Psychosomatik)<br />

zur Klärung <strong>de</strong>s Sach- und Sinngehalts von<br />

Visionen. Es versucht, eine Phänomenologie solcher<br />

‚außergewöhnlicher Erfahrungen’ zu leisten<br />

und sich so einer empirisch fassbaren Seite von<br />

‚Visionen’ zu nähern. Nach <strong>de</strong>r theologischen<br />

Reflexion von Möglichkeit, Relevanz und Erkenntnisgewinn<br />

<strong>de</strong>s in Privatvisionen ‚Geschauten’<br />

(Wagner) gibt Niemann aus <strong>de</strong>r Perspektive<br />

<strong>de</strong>s Mediziners einen Überblick über die neurophysiologische<br />

und psychiatrische Erforschung<br />

von außergewöhnlichen Bewusstseinszustän<strong>de</strong>n.<br />

Den Abschluss bil<strong>de</strong>t ein konstruierter Dialog<br />

zwischen bei<strong>de</strong>n über sieben Visionäre aus fünf<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rten.<br />

Die Bibel bezeugt von Anfang bis En<strong>de</strong> Gottes<br />

Offenbarung, die in Jesus Christus ihren unüberbietbaren<br />

Höhepunkt gefun<strong>de</strong>n hat. Sofern mit<br />

diesem Zeugnis göttliches Han<strong>de</strong>ln in <strong>de</strong>r Welt<br />

grundsätzlich für möglich gehalten wird, ergeben<br />

sich zwei Konsequenzen: die Annahme <strong>de</strong>r Möglichkeit<br />

von Offenbarung auch hier und heute und<br />

die Frage nach <strong>de</strong>m ‚theologischen Mehrwert’<br />

solcher nachapostolischer Offenbarungen – <strong>de</strong>nn<br />

wenn in Christus alles gesagt ist, kann eine spätere<br />

Privatoffenbarung diese Selbstkundgabe we<strong>de</strong>r<br />

korrigieren o<strong>de</strong>r ergänzen. ‚Echt’ kann eine<br />

Vision nur dann sein, wenn sie mit <strong>de</strong>m biblisch<br />

bezeugten und kirchlich tradierten Christusglauben<br />

übereinstimmt (36-59). Unter Berufung auf<br />

Rahner und Weissmahr (thomanisch geprägte<br />

Klassiker <strong>de</strong>r Zuordnung göttlichen und menschlichen<br />

Han<strong>de</strong>lns; Zweitursachenlehre) <strong>de</strong>utet Wagner<br />

das Phänomen einer Vision als Verleiblichung,<br />

Materialisierung einer beson<strong>de</strong>ren Gottesbegegnung<br />

durch <strong>de</strong>n Glauben<strong>de</strong>n. Mit Weissmahr<br />

ist sie davon überzeugt, dass Gottes Han<strong>de</strong>ln<br />

in <strong>de</strong>r Welt immer durch die Wahrnehmungs-<br />

und Handlungsbedingungen <strong>de</strong>s Glauben<strong>de</strong>n<br />

vermittelt ist. Das be<strong>de</strong>utet auch, dass ein<br />

objektiver Beweis für das Vorliegen göttlichen<br />

Han<strong>de</strong>lns, sei es im Rahmen <strong>de</strong>r Wun<strong>de</strong>rtheorie,<br />

sei es zur Klärung <strong>de</strong>r Echtheit einer Vision, we<strong>de</strong>r<br />

möglich noch sachgemäß ist. In angenehmer<br />

Nüchternheit entwickelt sie Kriterien und Voraussetzungen,<br />

die ein Han<strong>de</strong>ln Gottes in Wun<strong>de</strong>r<br />

o<strong>de</strong>r Vision <strong>de</strong>nkbar machen. Wichtigstes Positivkriterium<br />

ist die nachhaltige Vertiefung <strong>de</strong>r<br />

Gottesbeziehung <strong>de</strong>s psychisch gesun<strong>de</strong>n ‚Visionärs’<br />

samt seinem Zurücktreten hinter das Erfah-<br />

rene, einer Haltung also, die <strong>de</strong>r alte Begriff ‚Demut’<br />

auf <strong>de</strong>n Punkt bringt (11-35). Angesichts<br />

dieses theoretischen Hintergrun<strong>de</strong>s wird klar,<br />

was die kirchliche Approbation (zum Verfahren<br />

und <strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>r Humanwissenschaften bei <strong>de</strong>r<br />

Urteilsfindung vgl. 40-45) einer Vision (analog:<br />

eines Wun<strong>de</strong>rs) ist und was nicht: Sie besagt,<br />

„dass die mit <strong>de</strong>m Erscheinungsphänomen verknüpfte<br />

Botschaft mit <strong>de</strong>m Glauben und <strong>de</strong>r Lebensweisung<br />

<strong>de</strong>r Kirche übereinstimmt“ (39) und<br />

dass es auf die Verehrung Christi zielt, nicht auf<br />

ein spektakuläres Ereignis. Aber „die Kirche<br />

bürgt durch ihr Urteil keineswegs für die Tatsächlichkeit<br />

<strong>de</strong>s Geschehens“ (39); auch kann sie <strong>de</strong>n<br />

Glauben an die Echtheit einer Privatoffenbarung/<br />

eines Wun<strong>de</strong>rs schon wegen <strong>de</strong>r Endgültigkeit <strong>de</strong>r<br />

Offenbarung in Jesus Christus nicht vorschreiben,<br />

nur zulassen. Besonnen und ausgewogen diskutiert<br />

Wagner Gefahren und Grenzen von Visionsfrömmigkeit<br />

und Wun<strong>de</strong>rgläubigkeit (49-59).<br />

Niemann erläutert die empirische Sicht auf<br />

außergewöhnliche Erfahrungen (z.B. Visionen,<br />

Auditionen, Trance und Ekstase) und gibt einen<br />

Überblick über neurophysiologische und neurochemische<br />

Forschungen zur Deutung <strong>de</strong>s menschlichen<br />

Bewusstseins bzw. seiner empirisch verortbaren<br />

Momente (60-99). Sein Ergebnis: „Je<strong>de</strong>r<br />

menschliche Bewusstseinsakt hat eine neurophysiologische<br />

Grundlage, auch das religiöse Erleben“<br />

(92), bei <strong>de</strong>m mitunter ekstase- und tranceähnliche<br />

Zustän<strong>de</strong> erhoben wer<strong>de</strong>n können. Hier<br />

kann <strong>de</strong>r Empiriker <strong>de</strong>n ‚Visionär’ auf hirnphysiologische<br />

und psychodynamische Störungen,<br />

auf kognitive, affektive und soziale Gesundheit<br />

hin untersuchen; ein Urteil über die ‚Übernatürlichkeit’<br />

eines empirisch (noch) nicht restlos zu<br />

klären<strong>de</strong>n Phänomens kann er nicht treffen. Jedoch<br />

ist die Erforschung <strong>de</strong>s Bewusstseins in ihren<br />

Grundannahmen so disparat wie in ihren Ergebnissen<br />

zumal hinsichtlich außergewöhnlicher<br />

Bewusstseinszustän<strong>de</strong> am Anfang. Anschaulicher<br />

noch als die Sichtung <strong>de</strong>r medizinischen Untersuchungen<br />

an <strong>de</strong>n fünf jungen Leuten, die in Medjugorje<br />

Marienvisionen bezeugen (100-111), ist<br />

<strong>de</strong>r konstruierte Dialog zwischen Theologin und<br />

Mediziner, in <strong>de</strong>m sie anhand konkreter Visionsberichte<br />

ihre Perspektiven kritisch zueinan<strong>de</strong>r<br />

bringen (112-197). Ins Gespräch kommen u.a.<br />

<strong>de</strong>r christliche Journalist André Frossard, Ignatius<br />

v. Loyola und Berna<strong>de</strong>tte Soubirous, die sog. ‚Seherin<br />

von Lour<strong>de</strong>s’, <strong>de</strong>ren soziobiographische<br />

Verortung und Persönlichkeitsstruktur nach allen<br />

Regeln <strong>de</strong>r Kunst auf emotionale und kognitive<br />

Reife, Schwärmertum und pathologische Störungen<br />

abgeklopft wer<strong>de</strong>n.<br />

Das Buch zeichnet sich aus durch eine interessante<br />

und reizvolle Gestaltung (Beiträge verschie<strong>de</strong>ner<br />

Perspektiven, veranschaulichen<strong>de</strong> ‚Fallberichte’,<br />

inszenierter Dialog), klare Sprache und<br />

Gedankenführung, Begriffsklärungen in Text und<br />

Glossar, genaue Abgrenzungen <strong>de</strong>r Fragestellung,<br />

Reichweite und Kompetenzen <strong>de</strong>r einbezogenen<br />

Wissenschaften. Der theologische Beitrag<br />

ist wissenschaftlich-theologisch überzeugend und<br />

auch für Nicht-Fachleute gut lesbar. Der humanwissenschaftliche<br />

Teil ist recht dicht und vermittelt<br />

einen straffen Überblick über <strong>de</strong>n <strong>de</strong>rzeitigen<br />

Forschungsstand. Es überzeugen die nüchterne<br />

Ausgewogenheit und <strong>de</strong>r interdisziplinär-kritische<br />

Dialog im Umgang mit einem eher befremdlichen<br />

Thema. Zusammenfassungen einzelner<br />

Abschnitte und (z.T. etwas konstruierte) Visualisierungen<br />

<strong>de</strong>s Gedankengangs ermöglichen die<br />

kursorische Lektüre v.a. <strong>de</strong>s ersten Teils.<br />

Julia Knop<br />

Niemann, Ulrich / Wagner,<br />

Marion<br />

EExxoorrzziissmmuuss ood<strong>de</strong>err<br />

TThheerraappiiee??<br />

Ansätze zur Befreiung vom Bösen. – Regensburg:<br />

Verlag F. Pustet. 2005. 141 S., € 16.90 (ISBN<br />

978-3-7817-1978-8)<br />

Immer wie<strong>de</strong>r wird <strong>de</strong>r umstrittene Ritus <strong>de</strong>s<br />

Exorzismus zum Medienthema, zuletzt durch <strong>de</strong>n<br />

amerikanischen Spielfilm “Der Exorzismus <strong>de</strong>r<br />

Emily Rose”, <strong>de</strong>r sich stark an <strong>de</strong>n historischen<br />

(und tragischen) Fall <strong>de</strong>r Anneliese Michel 1976<br />

in Klingenberg anlehnt. Um so wichtiger ist ein<br />

soli<strong>de</strong>s Hintergrundwissen für Lehren<strong>de</strong>, wenn<br />

sie in <strong>de</strong>r Schule auf die „Austreibung“ von Teufel<br />

und Dämonen angesprochen wer<strong>de</strong>n. Dazu<br />

bietet das vorliegen<strong>de</strong> Buch soli<strong>de</strong> Informationen<br />

aus <strong>de</strong>n Bereichen Exegese, Dogmatik, Pastoraltheologie,<br />

Liturgiewissenschaft und Psychiatrie/<br />

Psychotherapie. Eine Zusammenfassung in 11<br />

Thesen am Schluss bün<strong>de</strong>lt die gemeinsame Analyse<br />

und Praxis-Empfehlung.<br />

Folgt man dieser Linie (die in <strong>de</strong>n einzelnen<br />

Artikeln weiter entfaltet wird), ergibt sich dieser<br />

Befund:<br />

Die Re<strong>de</strong> vom Teufel entsteht in <strong>de</strong>r Bibel relativ<br />

spät, gehört aber im Ju<strong>de</strong>ntum zur Zeit Jesu<br />

und auch bei Jesus selbst zweifellos zum Weltbild.<br />

„Satan“ hat jedoch immer die untergeordnete<br />

Rolle eines Versuchers, eines Störers und stellt<br />

keine gleichwertige o<strong>de</strong>r gleich starke „böse“<br />

Macht gegenüber <strong>de</strong>m guten Gott dar.<br />

Menschen erfahren sich immer wie<strong>de</strong>r in<br />

Strukturen kollektiver Bosheit (Auschwitz!), <strong>de</strong>nen<br />

gegenüber sie sich machtlos fühlen. Die Re<strong>de</strong><br />

vom Teufel als Person ist dann eine eher metaphorische,<br />

bestenfalls analoge Aussage. Sie stellt<br />

<strong>de</strong>n Versuch dar, „über die furchtbare Realität <strong>de</strong>s<br />

Abgrundbösen etwas mehr auszusagen als nichts.“<br />

Ob es so etwas wie dämonische Besessenheit<br />

gibt, ist we<strong>de</strong>r zu beweisen noch zu wi<strong>de</strong>rlegen.<br />

Möglicherweise bieten Medizin/Psychiatrie und<br />

Theologie einfach unterschiedliche Deutungsmuster<br />

<strong>de</strong>r gleichen verstören<strong>de</strong>n Phänomene.<br />

Die klassischen Kriterien, um „Besessenheit“ und<br />

„Krankheit“ zu unterschei<strong>de</strong>n, sind vor <strong>de</strong>m Hintergrund<br />

heutiger humanwissenschaftlicher Erkenntnisse<br />

untauglich.<br />

Als seelsorgliche Hilfe empfiehlt sich statt <strong>de</strong>s<br />

klassischen Exorzismus eine „Liturgie zur Befreiung<br />

vom Bösen“, die im Gebet mit <strong>de</strong>m Kranken<br />

und im Ritus um Befreiung vom Bösen bittet.<br />

Dazu haben Mitarbeiter dieses Bändchens (Klemens<br />

Richter, Manfred Probst) an an<strong>de</strong>rer Stelle<br />

weiter führen<strong>de</strong> Vorschläge entwickelt.<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

LITERATUR & MEDIEN<br />

65


LITERATUR & MEDIEN<br />

66<br />

Fazit: Das vorliegen<strong>de</strong> Buch bietet für Lehren<strong>de</strong><br />

eine vorzügliche Einführung in die theologische<br />

und psychologische Problematik <strong>de</strong>s Umgangs<br />

mit <strong>de</strong>m Bösen. Fundamentalistische Kurzschlüsse,<br />

wie sie vor allem in neuen Freikirchen,<br />

aber nicht nur dort, an Bo<strong>de</strong>n gewinnen, wer<strong>de</strong>n<br />

vermie<strong>de</strong>n. Ob freilich Schülerinnen und Schüler<br />

unmittelbar mit diesem Buch arbeiten könnten,<br />

scheint zweifelhaft. Die didaktische und methodische<br />

Umsetzung <strong>de</strong>r Analysen dieses Buches bleibt<br />

Sache einer sorgfältigen Unterrichtsvorbereitung.<br />

Zum Thema Teufel/Satan wird dies z. T. an an<strong>de</strong>rer<br />

Stelle geleistet (s. Rezension Okkultismus/ Satanismus<br />

im gleichen Heft). Lutz Lemhöfer<br />

Ebner, Martin /<br />

Heiniger, Bernhard<br />

EExxeeggeessee d<strong>de</strong>ess<br />

NNeeuueenn TTeessttaammeennttss<br />

Ein Arbeitsbuch für Lehre und Praxis (UTB 2677).<br />

– Pa<strong>de</strong>rborn: Verlag F. Schöningh. 2005. 420 S.<br />

€ 19.90 (ISBN 978-3-8252-2677-0)<br />

Das 2005 erstmals erschienene Arbeitsbuch<br />

von Martin Ebner und Bernhard Heininger führt<br />

ein in die Methodik <strong>de</strong>r neutestamentlichen Exegese.<br />

In <strong>de</strong>r Einleitung wird das Vorgehen <strong>de</strong>r Autoren<br />

exemplarisch an einem alttestamentlichen<br />

(!) Text (Spr 9,1-18) ver<strong>de</strong>utlicht. „Der Aufbau<br />

<strong>de</strong>r einzelnen Paragraphen ist immer gleich: Vorstellung<br />

<strong>de</strong>r Metho<strong>de</strong> – Arbeitsschritte/Kriterien –<br />

Demonstration an Mk 2,1-3,6 o<strong>de</strong>r einer Textpassage<br />

daraus – theologischer Ertrag – selbstständiger<br />

Versuch – Literaturhinweise“ (S. 22).<br />

Auf diese Art wird die Leserin, <strong>de</strong>r Leser vertraut<br />

gemacht mit <strong>de</strong>n Elementen <strong>de</strong>r klassischen historisch-kritischen<br />

Exegese: Textkritik, synoptischer<br />

Vergleich, Literaturkritik, Gattung, Sitz im<br />

Leben, Traditionskritik (im Zusammenhang mit<br />

Zeit- und Religionsgeschichte), Überlieferungsgeschichte<br />

und Redaktionsgeschichte. Ein geson<strong>de</strong>rtes<br />

Kapitel ist <strong>de</strong>r „Rückfrage nach Jesus“ gewidmet.<br />

Der umfangreichste Abschnitt <strong>de</strong>s Buches<br />

beschäftigt sich mit <strong>de</strong>r Textbeschreibung.<br />

Hier erhält die Leserin, <strong>de</strong>r Leser Einblick in neuere<br />

Zugänge zur Bibel (zum Beispiel narratologische<br />

und linguistische Verfahren).<br />

Alle Schritte <strong>de</strong>r Exegese wer<strong>de</strong>n didaktisch<br />

gekonnt vermittelt. Die Autoren geben zumeist<br />

„eine spielerische Hinführung zur Metho<strong>de</strong>“ (S. 22).<br />

Die Metho<strong>de</strong>n selbst erläutern sie mit Hilfe vieler<br />

Beispiele. Merksatzartige Zusammenfassungen<br />

helfen bei <strong>de</strong>r Aneignung <strong>de</strong>s Stoffes. Der Vertiefung<br />

dienen auf <strong>de</strong>n laufen<strong>de</strong>n Text bezogene<br />

Lektürevorschläge. Wichtige Begriffe und Sachverhalte<br />

(zum Beispiel „Intertextualität“ o<strong>de</strong>r „Der<br />

Antiochenische Zwischenfall“) wer<strong>de</strong>n in kleinen<br />

„Lexikonartikeln“ erklärt, die mit weiterführen<strong>de</strong>n<br />

aktuellen Literaturangaben versehen<br />

sind. Tabellen und graphische Darstellungen lockern<br />

<strong>de</strong>n Text auf und veranschaulichen ihn.<br />

Die zu je<strong>de</strong>r Metho<strong>de</strong> gestellten Aufgaben bieten<br />

die Möglichkeit, die Anwendung <strong>de</strong>r Metho<strong>de</strong>n<br />

selbstständig zu üben. Die Leserin, <strong>de</strong>r Leser<br />

kann die Ergebnisse seiner Bemühungen mit <strong>de</strong>n<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

ausführlichen Lösungen am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Buches<br />

vergleichen.<br />

Den Autoren gelingt es, fundiertes Wissen in<br />

einer zeitgemäßen Sprache zu vermitteln. Die<br />

Darstellung <strong>de</strong>r Methodik zeichnet sich insgesamt<br />

durch eine wohltuen<strong>de</strong> Kürze aus. An manchen<br />

Stellen hätte man aber gern mehr erfahren.<br />

Der Untertitel verspricht zu Recht, dass es sich<br />

um „ein Arbeitsbuch für Lehre und Praxis“ han<strong>de</strong>lt.<br />

Das Metho<strong>de</strong>nbuch ist für einen breiten Leser/-innenkreis<br />

geeignet, zuallererst natürlich für<br />

Studieren<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Theologie. Studienanfängern erleichtert<br />

es <strong>de</strong>n Zugang zu <strong>de</strong>n Texten <strong>de</strong>r Bibel,<br />

Fortgeschrittenen ist es ein wertvolles Hilfsmittel<br />

zur Präparation auf Seminare o<strong>de</strong>r Prüfungen. Lehren<strong>de</strong>n<br />

kann es als Fundgrube für die Vorbereitung<br />

von Unterrichtsstun<strong>de</strong>n empfohlen wer<strong>de</strong>n, selbst<br />

für die im pastoralen Dienst Tätigen könnte es in<br />

mancherlei Hinsicht nützlich sein, zum Beispiel bei<br />

<strong>de</strong>r Predigtvorbereitung. Ulrich Zalewski<br />

Adam, Gottfried / Englert, Rudolf /<br />

Lachmann, Rainer / Mette, Norbert<br />

(Hg.) unter Mitarbeit von<br />

Papenhausen, Britta<br />

BBiibbeellddiiddaakkttiikk<br />

Ein Lesebuch. – Münster: Comenius-Institut. 2006.<br />

276 S., € 17.90 (ISBN 3-924804-63-3)<br />

Die Intention einer gelungenen Bibeldidaktik<br />

– so Peter Biehl – besteht darin, die Gegenwart<br />

als „Jetztzeit“ zu erkennen, in welcher die Splitter<br />

<strong>de</strong>r messianischen Zeit eingesprengt sind.<br />

Das vorliegen<strong>de</strong> Lesebuch leistet einen wertvollen<br />

Beitrag zum Stellenwert <strong>de</strong>r Bibeldidaktik,<br />

ihrer Entwicklung und eröffnet auch neue Aspekte<br />

biblischer Zugänge im religionspädagogischen<br />

Raum.<br />

Der Aufbau <strong>de</strong>s Lesebuches besteht aus sechs<br />

Teilen: Der erste Teil beginnt mit einer Bilanz bibeldidaktischer<br />

Entwicklungen Anfang <strong>de</strong>r 1990er<br />

Jahre (R. Ott und K. Wegenast). Im zweiten Teil<br />

fin<strong>de</strong>t sich ein Überblick über die klassischen<br />

Autoren didaktisch-hermeneutischer Zugänge (G.<br />

Otto / I. Bal<strong>de</strong>rmann / W. Langer / P. Biehl / K. Wegenast<br />

/ H. Stock). Der dritte Teil dokumentiert<br />

<strong>de</strong>n Beitrag <strong>de</strong>r Entwicklungspsychologie für die<br />

Bibeldidaktik.<br />

Als ein Beispiel entwicklungspsychologischer<br />

Zugänge sei hier <strong>de</strong>r Aufsatz von Anton A. Bucher<br />

genannt. Der Autor stellt die provozierend<br />

kritische Frage: “Ein zu lieber Gott? O<strong>de</strong>r ist die<br />

Tilgung <strong>de</strong>s Bösen aus <strong>de</strong>r Bibeldidaktik nur<br />

gut?“ Bucher konstatiert, dass in <strong>de</strong>n letzten Jahrzehnten<br />

eine theologisch, pädagogisch und auch<br />

entwicklungspsychologisch nicht zu vertreten<strong>de</strong><br />

Selektion von Bibeltexten bei Schulbibeleditionen<br />

vorgenommen wur<strong>de</strong>. Zu Gunsten eines gütigen<br />

Gottes sei auf die ebenfalls biblisch tradierten<br />

zornigen, richten<strong>de</strong>n und unfassbaren Züge<br />

verzichtet wor<strong>de</strong>n. Eine <strong>de</strong>rart überzeichnete<br />

Einseitigkeit <strong>de</strong>s Gottesbil<strong>de</strong>s betrachtet Bucher<br />

als unredlich. Kin<strong>de</strong>r/Jugendliche wer<strong>de</strong>n ihre<br />

wi<strong>de</strong>rsprüchlichen Lebenserfahrungen von Unrecht<br />

und Gewalt keinesfalls in <strong>de</strong>m verharmlo-<br />

send nur „lieb“ gezeichneten Gott wie<strong>de</strong>r fin<strong>de</strong>n<br />

und ebenso einen Gott, <strong>de</strong>r zornig Anteil nimmt<br />

und wie<strong>de</strong>r Recht herstellt, suchen.<br />

Teil vier vermittelt diverse methodische Zugänge<br />

wie z.B. interaktionale, strukturanalytische,<br />

bibliodramatische, befreiungstheologische,<br />

feministische, handlungsorientierte und semiotische.<br />

Dabei wer<strong>de</strong>n die Aspekte <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen<br />

methodischen Zugänge ebenso kritisch hinterfragt<br />

und in ihrer zeitbedingten Genese sowie<br />

Relevanz gesehen. Der fünfte Teil enthält Fragen<br />

nach <strong>de</strong>r Unmittelbarkeit, Aspekte <strong>de</strong>r Korrelation.<br />

Im sechsten Teil wer<strong>de</strong>n neue Perspektiven<br />

aufgezeigt, basierend auf <strong>de</strong>m Dialog zwischen<br />

biblischen Erzählungen und mo<strong>de</strong>rner Literatur.<br />

Beispielhaft für diesen Abschnittes sei <strong>de</strong>r Aufsatz<br />

von Georg Langenhorst erwähnt: „Bibel und<br />

mo<strong>de</strong>rne Literatur: Perspektiven für <strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />

und Religionspädagogik.“ Langenhorst<br />

betrachtet <strong>de</strong>n Vergleich von Urbild (Bibeltext)<br />

und künstlerischer Gestaltung (literarischem<br />

Text) als reizvoll und herausfor<strong>de</strong>rnd. In seinem<br />

Beitrag stellt er sieben I<strong>de</strong>altypen <strong>de</strong>r literarischen<br />

Bibelrezeption vor. Den Ertrag <strong>de</strong>s spannen<strong>de</strong>n<br />

Dialogs zwischen Bibel und Literatur<br />

umschreibt Langenhorst mit <strong>de</strong>n Begriffen: Textspiegelung,<br />

Sprachsensibilisierung, Erfahrungserweiterung,<br />

Wirklichkeitserschließung. Wer die<br />

Bibel als einen Fundus von literarischen Stoffen<br />

und Motiven ent<strong>de</strong>ckt, <strong>de</strong>r vermag für seine Lebens<strong>de</strong>utung<br />

und eigene Sprachwerdung einen<br />

Nährbo<strong>de</strong>n zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Das Lesebuch Bibeldidaktik lädt ein, bereits<br />

bekannte Zugänge zu reflektieren, methodische<br />

Schritte nachzuvollziehen, diese in <strong>de</strong>r eigenen<br />

religionspädagogischen Praxis zu überprüfen, sich<br />

dabei auf immer wie<strong>de</strong>r neu zu ent<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>s Terrain<br />

zu begeben und auf überraschen<strong>de</strong> Weise ungeahnte<br />

Schätze zu heben. Marie-Luise Reis<br />

Weth, Irmgard<br />

BBiibbeell--FFeesstt--SSppiieellee<br />

Biblische Geschichten inszenieren<br />

und feiern. Mit Skizzen von Jochen Weth.<br />

– Neukirchen-Vluyn: Aussaat Verlag. 2005. 208 S.,<br />

€ 17.90 (ISBN 978-3-7615-5386-2)<br />

Irmgard Weth, die erfahrene Erzählerin biblischer<br />

Geschichten, stellt in diesem Band Mo<strong>de</strong>lle<br />

vor, wie man biblische Geschichten als Aufführung<br />

inszenieren kann. Die Vorschläge sind entstan<strong>de</strong>n<br />

aus <strong>de</strong>r Praxis <strong>de</strong>r alljährlich stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Neukirchener „Bibel-Fest-Spiele“, mit ca. 30<br />

Minuten dauern<strong>de</strong>n Inszenierungen ausgewählter<br />

biblischer Erzählungen im Rahmen eines Festgottesdienstes.<br />

Sie sind für Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche<br />

zwischen 6 und 15 Jahren gedacht und setzen<br />

keine biblischen Vorkenntnisse voraus.<br />

Das Buch umfasst eine spannen<strong>de</strong> Auswahl<br />

von insgesamt elf Erzählungen (7 AT, 4 NT). Aus<br />

<strong>de</strong>m AT begegnen zum einen Erzählungen, die<br />

Grundschulkin<strong>de</strong>r aufgrund ihres „märchenhaften“<br />

Charakters beson<strong>de</strong>rs ansprechen und faszinieren:<br />

die Rettung <strong>de</strong>s kleinen Mose (Ex 1-2)<br />

unter „S.O.S. – rettet die Kin<strong>de</strong>r!“, und Erzählun-


gen über Daniel, z.B. Daniel in <strong>de</strong>r Löwengrube<br />

(Dan 1,5 und 6). Daneben widmet die Autorin<br />

sich kaum gelesenen aber be<strong>de</strong>utsamen Perikopen.<br />

Gleichsam als Motto über das Buch behan<strong>de</strong>lt<br />

das erste Bibelspiel unter <strong>de</strong>r Überschrift<br />

„Schatz ent<strong>de</strong>ckt!“ <strong>de</strong>n Fund <strong>de</strong>r Torarolle unter<br />

König Josija (2 Kön 22). Ein für Kin<strong>de</strong>r zentrales<br />

Thema „So ist Versöhnung“ greift die tiefe Sehnsucht<br />

nach Versöhnung und Frie<strong>de</strong>n auf. Bemerkenswert<br />

ist, dass die Autorin dazu nicht die bekannte<br />

Versöhnung zwischen Josef und seinen<br />

Brü<strong>de</strong>rn, son<strong>de</strong>rn die zwischen König David und<br />

Mefi-Boschet (2 Sam 9) gestaltet. Mit <strong>de</strong>r Auswahl<br />

<strong>de</strong>r Eroberung Jerichos durch Josua (Jos 1-6)<br />

wagt sich I. Weth an die theologisch schwierige<br />

Thematik <strong>de</strong>r Landnahme und legt daraus die<br />

Botschaft offen: „Wenn <strong>de</strong>r Weg verbaut ist“ –<br />

dann braucht man trotz<strong>de</strong>m im Vertrauen auf Gott<br />

nicht mutlos zu wer<strong>de</strong>n. Auch aus <strong>de</strong>m NT greift<br />

sie bekannte Erzählungen auf, so die von König<br />

Hero<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>m Jesuskind (Mt 2) o<strong>de</strong>r Jesu<br />

Gleichnis vom großen Gastmahl („Einladung<br />

zum Fest“; Lk 14). Daneben wer<strong>de</strong>n weniger bekannte<br />

Erzählungen umgesetzt: Die Erfahrung<br />

„Zutritt verboten“ wird entfaltet anhand <strong>de</strong>r Erzählung<br />

von Petrus und <strong>de</strong>m Bettler am Tor (Apg<br />

3-4), die Grun<strong>de</strong>rfahrung „Endlich frei“ mit Paulus<br />

und <strong>de</strong>m Wachtmeister von Philippi (Apg 16).<br />

Die Überschriften zeigen schon das zentrale Anliegen<br />

<strong>de</strong>r Autorin, biblische Geschichten nicht<br />

für sich allein zu sehen, son<strong>de</strong>rn sie in Beziehung<br />

zu setzen zur Lebenswelt von Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen<br />

heute. Weths Ziel ist es, durch die<br />

Darstellung neue Zugänge zur biblischen Botschaft<br />

zu eröffnen und so erfahren wer<strong>de</strong>n zu lassen,<br />

„dass die Bibel nicht nur ein Lesebuch, son<strong>de</strong>rn<br />

ein ‚Lebebuch’(Luther) ist, in <strong>de</strong>m eine Fülle<br />

und Vielfalt menschlicher Erfahrungen mit<br />

Gott enthalten ist“ (S. 8). Die vorgestellten szenischen<br />

Spiele eröffnen die Möglichkeit, sich auf<br />

die Bibel einzulassen und eigene Fragen und<br />

Hoffnungen darin zu ent<strong>de</strong>cken. Je<strong>de</strong> biblische<br />

Erzählung wird transparent auf die zentrale Botschaft<br />

von Gottes Liebe und Zuwendung zu allen<br />

Menschen, <strong>de</strong>n biblischen wie uns heutigen, mit<br />

all ihren/unseren Fehlern und Begrenzungen.<br />

Positiv hervorzuheben ist, dass zunächst in einem<br />

Einführungskapitel notwendige Faktoren für<br />

<strong>de</strong>n „Erfolg“ <strong>de</strong>r biblischen Geschichten angeführt<br />

wer<strong>de</strong>n: die eigene und gemeinsame intensive<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>m biblischen Text,<br />

das Schaffen eines Erlebnisraums, d.h. die biblischen<br />

Texte so umzusetzen, dass die Zuschauer<br />

sich selbst als Teil <strong>de</strong>s Geschehens erleben, <strong>de</strong>r<br />

Aufbau eines Spannungsbogens, auch durch die<br />

Gestaltung <strong>de</strong>s äußeren Rahmens und als Abschluss<br />

eine gemeinsame offene Festfeier, an <strong>de</strong>r<br />

Akteure und Zuschauer teilnehmen können. Als<br />

Hilfe für die eigene Inszenierung ist je<strong>de</strong>m Vorschlag<br />

ein einführen<strong>de</strong>s Kapitel vorangestellt, in<br />

<strong>de</strong>m das Thema erläutert und seine Relevanz für<br />

heute angesprochen wird. Danach folgt eine Erschließung<br />

<strong>de</strong>r Textgrundlage, in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r historische<br />

Hintergrund auch für „Nicht-Insi<strong>de</strong>r“ verständlich<br />

skizziert wird, bevor dann die Hauptakteure<br />

<strong>de</strong>r Erzählung in ihren spezifischen Merkmalen<br />

und Charakterzügen eingeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

Eine Nennung <strong>de</strong>r Ziele sowie hilfreiche Hinweise<br />

zur Gestaltung <strong>de</strong>r Rollen und zur Raumgestaltung<br />

run<strong>de</strong>n die Ausführungen ab.<br />

Durch die Gestaltung <strong>de</strong>r Szenen gelingt es<br />

<strong>de</strong>r Autorin, eine Verbindung zwischen <strong>de</strong>r Welt<br />

<strong>de</strong>r Bibel und <strong>de</strong>n zuschauen<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen<br />

zu schaffen. Das Auftreten eines Kommentators,<br />

<strong>de</strong>r in das Geschehen einführt und eigene<br />

Gedanken zum Verhalten <strong>de</strong>r Hauptakteure<br />

äußert, for<strong>de</strong>rt die Zuschauen<strong>de</strong>n dazu heraus,<br />

sich selbst mit <strong>de</strong>n biblischen Personen auseinan<strong>de</strong>r<br />

zu setzen. Auch die anschauliche und plastische<br />

Darstellung <strong>de</strong>r Hauptakteure (auch wenn<br />

die Charaktere gelegentlich etwas stark vereinfach<br />

und typisiert wer<strong>de</strong>n) sowie die lebendigen<br />

und leicht verständlichen Dialoge bzw. Selbstgespräche<br />

<strong>de</strong>r Akteure eröffnen I<strong>de</strong>ntifikationsmöglichkeiten<br />

und bieten Mo<strong>de</strong>lle für eigenes<br />

Verhalten. Insgesamt ist das religionspädagogische<br />

Grundkonzept <strong>de</strong>s Buches uneingeschränkt<br />

positiv zu würdigen: Die Distanz zwischen <strong>de</strong>n<br />

biblischen Erzählungen und heutigen Lebenserfahrungen<br />

wird aufgebrochen; durch die Verlebendigung<br />

<strong>de</strong>r biblischen Erzählungen wird je<strong>de</strong><br />

und je<strong>de</strong>r mit hineingenommen in die froh<br />

machen<strong>de</strong> Botschaft von Gottes Liebe zu <strong>de</strong>n<br />

Menschen. Gabriele Theuer<br />

La<strong>de</strong>, Eckhard (Hg.)<br />

RReelliiggiioonn<br />

uunntteerrrriicchhtteenn::<br />

Jesus von Nazareth. Sekundarstufe<br />

1. – Kissing: WEKA MEDIA,<br />

2005. Ringbuch, 100 S., CD-Rom,<br />

€ 53.00 (ISBN 978-3-8276-6655-4)<br />

Das von Eckhard La<strong>de</strong> herausgegebene Lehrerhandbuch<br />

enthält Unterrichtsentwürfe zu biblischen<br />

Texten, historischen Berichten sowie<br />

Bildbeispielen aus mo<strong>de</strong>rner Kunst und Film, die<br />

sich mit <strong>de</strong>r Person Jesu von Nazareth beschäftigen.<br />

Zielgruppe sind Schüler/-innen <strong>de</strong>r Sekundarstufe<br />

I. Die verschie<strong>de</strong>nen Stun<strong>de</strong>nentwürfe<br />

bieten sowohl die Möglichkeit zur Projektarbeit<br />

wie auch <strong>de</strong>r kritischen Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit<br />

<strong>de</strong>m Film von Mel Gibson, The Passion of Christ.<br />

Alle Arbeitsblätter und Kopiervorlagen sind in<br />

digitaler Form auf einer beiliegen<strong>de</strong>n CD-Rom<br />

mitgeliefert.<br />

Die Arbeitshilfe bietet 9 verschie<strong>de</strong>ne Themenbereiche:<br />

1. Jesus – eine Annäherung an seine<br />

Person; 2. Wer war Jesus?, 3. Gott o<strong>de</strong>r Mensch?,<br />

4. Jesus Christus; 5. „Jesus! Warum uns dieser<br />

Mann nicht losläßt!“ – Eine faszinieren<strong>de</strong> und provozieren<strong>de</strong><br />

Spurensuche; 6. Is it as it was? Der<br />

lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Gottesknecht in Mel Gibsons „The Passion<br />

of Christ“; 7. Maria Magdalena – Weggefährtin,<br />

Lieben<strong>de</strong> und Zeugin <strong>de</strong>r Auferstehung;<br />

8. Begegnung mit Jesus; 9. Das Leben Jesu anhand<br />

<strong>de</strong>r Feste wie<strong>de</strong>r erkennen.<br />

Verschie<strong>de</strong>ne Symbole hinsichtlich <strong>de</strong>r Tiefe<br />

(einführend, vertiefend, fächervernetzend) sowie<br />

<strong>de</strong>r Methodik (Klassengespräch, Einzelarbeit, Gruppenarbeit,<br />

Textarbeit, Frontalunterricht, Projektarbeit)<br />

führen durch <strong>de</strong>n Aufbau. Je<strong>de</strong>r Baustein<br />

ist klar geglie<strong>de</strong>rt nach erfor<strong>de</strong>rlichem Wissensstand<br />

<strong>de</strong>r Schüler, Lernziele, Unterrichtsmetho<strong>de</strong>,<br />

benötigtes Material, Hintergrundinformationen<br />

für <strong>de</strong>n Lehrer und Unterrichtsverlauf. Ein<br />

Stichwortverzeichnis zu Beginn unterstreicht die<br />

benutzerfreundliche Intention.<br />

Bei <strong>de</strong>r Präsentation <strong>de</strong>r 9 Themenbereiche<br />

steht die Korrelation <strong>de</strong>r Thematik zu gegenwärtigen<br />

Strömungen unter Schüler/-innen zentral.<br />

1. Daher beginnt die Annäherung an Jesus mit<br />

zwei mo<strong>de</strong>rnen, inzwischen klassischen Jesusdarstellungen,<br />

konfrontiert dann aber auch mit<br />

außerbiblischen Quellen. 2. Ein „Steckbrief“, <strong>de</strong>r<br />

mit Hilfe von Bibelstellen ausgefüllt wer<strong>de</strong>n soll,<br />

ist sicher eine gute Erschließungsmetho<strong>de</strong> für die<br />

Erarbeitung <strong>de</strong>r biographischen Daten <strong>de</strong>s historischen<br />

Jesus. 3. Die Frage „Gott o<strong>de</strong>r Mensch?“<br />

wird verhältnismäßig kurz behan<strong>de</strong>lt; sie hat u.a.<br />

zum Ziel, apokryphe Kindheitsgeschichten kennen<br />

zu lernen. Das in diese Sequenz eingefügte<br />

Nizäno-Konstantinopolitanische Credo hängt<br />

eher in <strong>de</strong>r Luft, da sowohl Hintergrundinformationen<br />

zum Verständnis fehlen als auch die Einbindung<br />

in <strong>de</strong>n Kontext <strong>de</strong>r apokryphen Evangelien<br />

nicht ersichtlich ist. 4. Die Präsentation <strong>de</strong>r<br />

Wun<strong>de</strong>rerzählungen zeigt wie<strong>de</strong>rum ein starkes<br />

Interesse für apokryphe Schriften. Die Unterrichtseinheit<br />

zielt aufgrund <strong>de</strong>r ausgewählten<br />

Materialien eher auf die Frage nach <strong>de</strong>r Bewertung<br />

apokrypher Evangelien gegenüber <strong>de</strong>n kanonischen<br />

<strong>de</strong>nn auf die zentrale Frage nach Kriterien<br />

zur Beurteilung <strong>de</strong>r Glaubwürdigkeit <strong>de</strong>r<br />

Wun<strong>de</strong>r und <strong>de</strong>s Wun<strong>de</strong>rtäters Jesu. 5. Die Spurensuche<br />

konfrontiert mit mo<strong>de</strong>rnen Jesuseinschätzungen<br />

(Focus, Spiegel, Stern etc.), die mit<br />

Passagen aus (nicht aktuellen) Einführungen in<br />

die Bibel/das NT kontrastiert wer<strong>de</strong>n. Dies<br />

scheint ein sehr hilfreicher Ansatz zu sein, da er<br />

<strong>de</strong>r gegenwärtigen Situation entspringt; er nimmt<br />

Bezug zu Publikationen verschie<strong>de</strong>nster Art über<br />

Jesus von Nazareth. 6. In diesen Kontext gehört<br />

auch die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit Mel Gibsons<br />

Film im Kontext <strong>de</strong>r Tradition von Jesusfilmen.<br />

Rezensionen zum Film öffnen ein kritisches Bewußtsein,<br />

das bestärkt wer<strong>de</strong>n könnte durch eine<br />

intensive Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>n Passionserzählungen<br />

<strong>de</strong>r Evangelien. 7. Maria Magdalena<br />

darf heute nicht fehlen bei <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

mit Jesus von Nazareth – dies entspricht<br />

mo<strong>de</strong>rner Trivialliteratur. Es darf erlaubt sein zu<br />

bemerken, daß Petrus, Johannes und Jakobus<br />

(o<strong>de</strong>r Judas, Pilatus etc.) keine Unterrichtssequenz<br />

gewidmet ist ... Die Auswahl <strong>de</strong>r Texte<br />

(u.a. L. Rinser), gefolgt von (religiöser) Liebeslyrik<br />

(Johannes vom Kreuz, George Herbert) konfrontiert<br />

weniger mit historisch rekonstruierbaren<br />

Fakten als daß es ein Vor-Urteil ggf. bestärkt.<br />

8. Eine Einheit zu <strong>de</strong>n geographischen, politischen,<br />

sozialen, kulturellen und religiösen Gegebenheiten<br />

<strong>de</strong>s Lebens Jesu kommt relativ spät.<br />

9. Sinnvoll ist hingegen die liturgische Bezugnahme<br />

zu <strong>de</strong>n christlichen Festen zum Schluß.<br />

Aus exegetischer Perspektive sind die fehlen<strong>de</strong><br />

Referenz zu aktuellen Jesusbüchern (M. Ebner<br />

2003; J. Schröter 2002 & 2006; G. Theißen<br />

3 2001; „Welt und Umwelt <strong>de</strong>r Bibel“ u.a.) auffällig,<br />

<strong>de</strong>r starke Rekurs auf die im Trend liegen<strong>de</strong>n<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

LITERATUR & MEDIEN<br />

67


LITERATUR & MEDIEN<br />

68<br />

ntl. Apokryphen und auf literarische und künstlerische<br />

Texte, die auch schon vor 20 Jahren im RU<br />

eingesetzt wur<strong>de</strong>n. Dem mo<strong>de</strong>rnen Trend <strong>de</strong>r Trivialliteratur,<br />

Maria Magdalena große Aufmerksamkeit<br />

zu widmen, wird in diesem Zusammenhang<br />

Rechnung getragen anstatt ihm entgegen zu<br />

wirken. Aus fachwissenschaftlicher Perspektive<br />

wäre eine stärkere Vernetzung zwischen Didaktikern/-innen<br />

und Exegeten/-innen wünschenswert.<br />

Von dieser aus exegetischer Perspektive<br />

formulierten Kritik ist die Benutzerfreundlichkeit<br />

<strong>de</strong>s Handbuches unbenommen.<br />

Beate Kowalski<br />

Auffarth, Christoph / Kippenberg,<br />

Hans G. / Michaels, Axel (Hg.)<br />

WWöörrtteerrbbuucchh<br />

d<strong>de</strong>err RReelliiggiioonneenn<br />

– Stuttgart: Verlag Alfred Kröner. 2006. XVII, 589 S.,<br />

€ 49.80 (ISBN 978-3-520-14001-2)<br />

„Das neue Wörterbuch <strong>de</strong>r Religionen <strong>de</strong>s<br />

Kröner Verlags will unter <strong>de</strong>n einbändigen, handlichen<br />

Lexika und Nachschlagewerken zur Religion<br />

bzw. zu <strong>de</strong>n Religionen das religionswissenschaftliche<br />

Referenzwerk sein: Auf <strong>de</strong>m aktuellen<br />

Stand <strong>de</strong>r Religionswissenschaft, <strong>de</strong>m bisher<br />

nur die großen Handbücher und vielbändigen Lexika<br />

zu entsprechen vermochten, bietet es kanpp<br />

zusammengefasste, zuverlässige Informationen<br />

aus erster Hand.“<br />

Das neue Wörterbuch erhebt also einen vergleichsweise<br />

hohen Anspruch. Es übernimmt <strong>de</strong>n<br />

Titel <strong>de</strong>s bereits 1952 erschienenen Wörterbuchs<br />

<strong>de</strong>r Religionen von Alfred Bertholet, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />

Tradition <strong>de</strong>r liberalen protestantischen Kulturtheologie<br />

stand. Die inhaltliche Ausrichtung hat<br />

sich freilich entschei<strong>de</strong>nd verän<strong>de</strong>rt: Die heutige<br />

Religionswissenschaft versteht sich laut Vorwort<br />

(S. VI) als (empirische) Kulturwissenschaft. Im<br />

kulturwissenschaftlichen Denkrahmen wird, etwas<br />

verkürzt formuliert, Religion als ein Kulturbereich<br />

unter an<strong>de</strong>ren Kulturbereichen betrachtet<br />

und somit <strong>de</strong>r Religion keine kulturtranszendiere<strong>de</strong><br />

Son<strong>de</strong>rstellung zugebilligt. Religion wird<br />

ganz auf die Immanenz <strong>de</strong>s Menschlichen reduziert.<br />

Zu beachten ist, dass die für die Metho<strong>de</strong>ndiskussion<br />

entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n programmatischen Artikel<br />

von einigen wenigen Autoren verfasst wor<strong>de</strong>n<br />

sind. So hat z. B. Christoph Auffarth die<br />

wichtigen Grundsatzartikel über Religion, das<br />

Heilige und Religionsphänomenologie verfasst.<br />

Diese Artikel sind keineswegs ten<strong>de</strong>nzfrei und einer<br />

bestimmten Schulrichtung verpflichtet. Es ist<br />

daher lobenswert, dass im Vorwort dieses Vorverständnis<br />

offengelegt wird, etwa die Anknüpfung<br />

an die Programmatik <strong>de</strong>s „Handbuches religionswissenschaftlicher<br />

Grundbegriffe“, das <strong>de</strong>n Studieren<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Religionswissenschaft eine wissenschaftliche<br />

Begriffssprache an die Hand geben<br />

will. Die grundsätzliche Nichtberücksichtigung<br />

von Gegenpositionen in <strong>de</strong>r Religionswissenschaft<br />

(auch im Hinblick auf die jeweils berücksichtigte<br />

Fachliteratur) beeinträchtigt freilich<br />

die Repräsentativität dieses Wörterbuches.<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

Insbeson<strong>de</strong>re für Religionslehrer-/innen scheint<br />

mir in dieser Hinsicht das im Jahre 2003 von<br />

J. Figl herausgegebene „Handbuch Religionswissenschaft“,<br />

das im neuen Wörterbuch bezeichnen<strong>de</strong>rweise<br />

ignoriert wird, empfehlenswerter, weil<br />

es <strong>de</strong>m heutigen Pluralismus in <strong>de</strong>r Religionswissenschaft<br />

gerechter wird und die eher in einem<br />

theologischen Kontext zu verorten<strong>de</strong>n Ansätze<br />

stärker berücksichtigt.<br />

Es ist in diesem Zusammenhang auch interessant,<br />

dass zwar die evangelischen Lexika „Die<br />

Religion in Geschichte und Gegenwart“ (RGG)<br />

und „Theologische Realenzyklopädie“ (TRE) berücksichtigt<br />

wer<strong>de</strong>n, nicht aber das katholische<br />

„Lexikon für Theologie und Kirche“ (LThK). Es<br />

fehlt auch je<strong>de</strong>r Hinweis auf das bekannte und beliebte,<br />

von Hans Wal<strong>de</strong>nfels herausgegebene<br />

„Lexikon <strong>de</strong>r Religionen“, das mir, was die<br />

Grundsatzartikel anbetrifft, für ein religionspädagogisches<br />

Umfeld nach wie vor beson<strong>de</strong>rs ergiebig<br />

erscheint. Könnte sich hinter <strong>de</strong>n etwas<br />

einseitigen Auswahlentscheidungen <strong>de</strong>s neuen<br />

Wörterbuches eine antikatholische Ten<strong>de</strong>nz verbergen?<br />

Es gibt freilich auch viel Lobenswertes anzumerken.<br />

Dazu gehören die Artikel über relativ<br />

neue Unterdisziplinen <strong>de</strong>r Religionswissenschaft<br />

wie etwa <strong>de</strong>r Religionsästhetik, <strong>de</strong>r Religionsökologie<br />

und <strong>de</strong>r Religionsökonomie, die zeigen,<br />

dass und wie sich die Religionswissenschaft weiterentwickelt.<br />

Ein großes Lob verdienen weiterhin<br />

die durchweg von ausgewählten religionswissenschaftlichen<br />

Fachleuten verfassten Spezialartikel,<br />

die, so weit ich dies beurteilen kann, in <strong>de</strong>r<br />

Tat <strong>de</strong>m aktuellen Stand <strong>de</strong>r Religionswissenschaft<br />

auf <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten Gebieten gerecht<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Der Verschie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r Kulturen will das<br />

Wörterbuch durch das „Prinzip <strong>de</strong>r Eigensprachlichkeit“<br />

gerecht wer<strong>de</strong>n, und es ist sicherlich ein<br />

großer Fortschritt gegenüber einer eurozentrischen<br />

Begrifflichkeit, wenn die Selbstbezeichnungen<br />

<strong>de</strong>r be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Konzeptionen in <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n<br />

Fremdsprache benannt wer<strong>de</strong>n. Dass<br />

man die frem<strong>de</strong> Sprache und die frem<strong>de</strong>n Begriffe<br />

sehr gut kennen und <strong>de</strong>nnoch dialogunfähig<br />

sein kann, ist ein Problem <strong>de</strong>s interkulturellen<br />

Dialoges, das auch in <strong>de</strong>r Religionswissenschaft<br />

gründlicher bedacht wer<strong>de</strong>n sollte, für <strong>de</strong>ssen<br />

Thematisierung ein Wörterbuch allerdings ungeeignet<br />

ist. Immerhin fin<strong>de</strong>t sich ein Kurzartikel<br />

über <strong>de</strong>n heute so wichtigen „Interreligiösen Dialog“,<br />

was keineswegs selbstverständlich und daher<br />

um so begrüßenswerter ist.<br />

Alles in allem scheint mir dieses neue, in <strong>de</strong>r<br />

Tat ausgesprochen handliche Wörterbuch für alle,<br />

die sich für religiöse und religionswissenschaftliche<br />

Fragestellungen interessieren, ein<br />

lohnenswerter Kauf, auch wenn mir die „Verabsolutierung“<br />

<strong>de</strong>s kulturwissenschaftlichen Selbstverständnisses<br />

<strong>de</strong>r Religionswissenschaft problematisch<br />

erscheint. Da es aber das heute vorherrschen<strong>de</strong><br />

Selbstverständnis ist, kann es nicht scha<strong>de</strong>n,<br />

wenn man es, auch als Religionslehrer und<br />

Religionslehrerin, gut kennt, um gera<strong>de</strong> dadurch<br />

auch seine Defizite umso <strong>de</strong>utlicher benennen zu<br />

können. Wolfgang Gantke<br />

Steffahn, Harald<br />

HHeerrrrsscchheerr ––<br />

HHeeiilliiggee –– HHiissttoorriikkeerr<br />

Der Glaube in <strong>de</strong>r Geschichte. I<strong>de</strong>en und Gestalten.<br />

– Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlagshaus.<br />

2006. 199 S., € 16.90 (ISBN 978-3-7975-0128-8)<br />

Leicht liest sich das vorliegen<strong>de</strong> Buch auf alle<br />

Fälle. Das hängt nicht zuletzt mit <strong>de</strong>m Autor zusammen,<br />

einem erfahrenen Journalisten. Die einzelnen<br />

Beiträge wur<strong>de</strong>n alle bereits veröffentlicht,<br />

entwe<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Zeitschrift DAMALS o<strong>de</strong>r<br />

als Hörfunksendungen. Schwierig mag eher <strong>de</strong>r<br />

Inhalt und die Herangehensweise erscheinen. Harald<br />

Steffahns Vorhaben ist es nämlich, zu einem<br />

historischen Denken hinzuführen, das <strong>de</strong>m Rankeschen<br />

„zeigen, wie es eigentlich gewesen ist“<br />

eine christliche Vorstellung von Geschichte entgegen<br />

setzt. Nicht die Wie<strong>de</strong>rkehr <strong>de</strong>s immer<br />

Gleichen, auch nicht die schicksalsschwere Abfolge<br />

von Weltzeitaltern, son<strong>de</strong>rn die Verbindung<br />

<strong>de</strong>r Erwartung eines endzeitlichen Gottesreiches<br />

mit <strong>de</strong>r Gestaltung <strong>de</strong>r zeitlich nicht festlegbaren<br />

und abzugrenzen<strong>de</strong>n Zwischenzeit macht christliches<br />

Geschichts<strong>de</strong>nken aus.<br />

Dieser i<strong>de</strong>engeschichtliche Hintergrund durchzieht<br />

die Beiträge Steffahns. Unterschiedliche<br />

Versuche, mit Welt und Geschichte umzugehen,<br />

wer<strong>de</strong>n dargestellt. Dabei spielt vor allem das<br />

Verhältnis von Kirche und Staat, von Gottesbeziehung<br />

und Weltgestaltung, von Sich-Einmischen<br />

in historische Situationen und politischer<br />

Abstinenz, von Jenseits- und Paradiesesvorstellungen<br />

eine wichtige Rolle. Die gewählten Beispiele<br />

umgreifen im wesentlichen das zweite<br />

christliche Jahrtausend. Sie reichen von <strong>de</strong>n mittelalterlichen<br />

Kaisern und Päpsten über Franz<br />

von Assisi und Erasmus von Rotterdam bis zum<br />

Rabbiner Leo Baeck und <strong>de</strong>m evangelischen<br />

Theologen Dietrich Bonhoeffer. Mit großer Sympathie<br />

wer<strong>de</strong>n unterschiedliche Personengruppen<br />

dargestellt, seien es die nach Preußen emigrierten<br />

Hugenotten, die zwischen „Unerschrockenheit<br />

und Schweigen“ lavieren<strong>de</strong>n katholischen <strong>de</strong>utschen<br />

Bischöfe im Dritten Reich und Zweiten<br />

Weltkrieg o<strong>de</strong>r die aus einer unerschütterlichen<br />

Jenseitserwartung leben<strong>de</strong>n Zeugen Jehovas. Gera<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Blick über <strong>de</strong>n konfessionellen Horizont<br />

hinaus kann Einseitigkeiten <strong>de</strong>r eigenen Weltanschauung<br />

korrigieren helfen. Das wichtige und<br />

bleiben<strong>de</strong> Ergebnis <strong>de</strong>r Essays Harald Steffahns<br />

ist die Überzeugung davon, dass menschliches<br />

geschichtliches Agieren immer in Wechselbeziehung<br />

zu einem göttlichen Heilsplan mit <strong>de</strong>r Welt<br />

steht. Das ist unter Historikern allerdings sehr<br />

umstritten. Um so wichtiger ist es, gelegentlich<br />

darauf aufmerksam zu machen, um nicht <strong>de</strong>r Hybris<br />

menschlicher All-Machbarkeit und All-Erklärbarkeit<br />

zu erliegen. Joachim Schmiedl<br />

Wiese, Hans-Ulrich (Hg.)<br />

PPrroopphheettiisscchhee<br />

GGeessttaalltteenn iimm<br />

2200.. JJaahhrrhhuunnd<strong>de</strong>errtt


Mit Zeichnungen von Max Zimmermann. – Kevelaer:<br />

Verlag Butzon & Bercker. 2005. 144 S. m.<br />

13 Zeichnungen. (ISBN 978-3-7666-9690-5)<br />

Ein ungewöhnliches Buch: Keine (Heiligen/<br />

Seligen) Biographien im herkömmlichen Stil. 13<br />

Autoren berichten und meditieren über ihre ganz<br />

persönlichen Begegnungen mit Menschen <strong>de</strong>s<br />

20. Jahrhun<strong>de</strong>rts bzw. <strong>de</strong>ren Schriften, die beeinflussend<br />

für ihren eigenen Lebensweg gewor<strong>de</strong>n<br />

sind. Prophetische Gestalten, wie <strong>de</strong>r Herausgeber<br />

sie betitelt, die auf eindrucksvolle Weise<br />

Zeugnis vom christlichen Glauben abgelegt haben,<br />

wer<strong>de</strong>n uns als Gottsucher vorgestellt, <strong>de</strong>ren<br />

Be<strong>de</strong>utung bereits in <strong>de</strong>r jeweiligen Überschrift<br />

mit einem knappen Satz gekennzeichnet wird:<br />

Nikolaus Groß, Theresia von Lisieux, Charles <strong>de</strong><br />

Foucauld, Franz Rosenzweig, Edith Stein, Simone<br />

Weil, Dietrich Bonhoeffer, Alfred Delp, Romano<br />

Guardini, Hel<strong>de</strong>r Camara, Heinrich Böll<br />

und Thomas Merton.<br />

Dem persönlichen Bezug zu diesen Frauen und<br />

Männern, <strong>de</strong>n die einzelnen Autoren einleitend<br />

darlegen, folgt eine kurze Biographie <strong>de</strong>r Vorgestellten,<br />

die in knappen Zügen ihren Lebenslauf<br />

schil<strong>de</strong>rt. Charakteristische Originaltexte, z. T. am<br />

Seitenrand ergänzt durch erläutern<strong>de</strong> Hinweise,<br />

run<strong>de</strong>n das jeweilige Porträt ab. Die folgen<strong>de</strong>n<br />

(Gebets-) Impulse und Meditationen sollen zur<br />

persönlichen Auseinan<strong>de</strong>rsetzung einla<strong>de</strong>n. Sie<br />

können aber zugleich Anregungen für die Gestaltung<br />

themenbezogener Gottesdienste bieten.<br />

Der ansprechend gestaltete Band, in <strong>de</strong>m Max<br />

Zimmermann die einzelnen Personen durch pointierte<br />

Zeichnungen charakterisiert, lädt ein, sich anhand<br />

<strong>de</strong>r gebotenen Texte – ergänzt durch ein gut<br />

zusammengestelltes Literaturverzeichnis – eingehen<strong>de</strong>r<br />

mit diesen Frauen und Männern zu befassen,<br />

die durch ihr Leben und ihren Tod, ihr Wirken<br />

und Schreiben wahrlich prophetische Gestalten in<br />

unsere Zeit hinein sind. Bernhard Merten<br />

Starke, Ekkehard (Hg.)<br />

CChhrriissttsseeiinn kkoonnkkrreett<br />

50 wichtige Themen – von kompetenten und prominenten<br />

Autorinnen und Autoren erklärt. Mit einem<br />

Geleitwort von Manfred Kock. – Neukirchen-Vluyn:<br />

Neukirchener Verlagshaus. 2005.<br />

198 S., € 12.90 (ISBN 978-3-7975-0089-2)<br />

„Wer nicht über Religion nach<strong>de</strong>nkt, glaubt<br />

alles“ – dieses Graffiti-Motto versteht das vorliegen<strong>de</strong><br />

Buch als Herausfor<strong>de</strong>rung. Denn „wer mit<br />

Wahrhaftigkeit und Glaub-Würdigkeit überzeugen<br />

will, muss gute Argumente haben und über<br />

seinen Glauben Auskunft geben können“ (VII).<br />

So soll dieses Buch helfen, „mit wichtigen Begriffen<br />

<strong>de</strong>r Theologie verstehend umzugehen“<br />

(VI).<br />

50 Autor(inn)en, „die überwiegend an exponierter<br />

Stelle in <strong>de</strong>r Kirche und <strong>de</strong>r theologischen<br />

Lehre stehen“, erklären, <strong>de</strong>uten und kommentieren<br />

zentrale Themen zwischen „Abendmahl“ und<br />

„Zehn Gebote“.<br />

Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>m kirchlich und theologisch weniger<br />

Kundigen bietet diese Sammlung in überschaubarer<br />

Form erste Informationen und Einblicke,<br />

und dies in ökumenischer Offenheit.<br />

Der theologisch erfahrenere Leser wird natürlich<br />

feststellen, dass vielfach Bekanntes geboten<br />

wird (was er teils an<strong>de</strong>rnorts schon „besser“ erläutert<br />

fand). Dennoch fin<strong>de</strong>n sich hier einige<br />

reizvolle Beiträge. Zum Beispiel die Anmerkungen<br />

von Fulbert Steffensky zum Gebet, von Rudolf<br />

Englert zur Bildung, von Ulrich Luz zum Vaterunser,<br />

von Ingo Bal<strong>de</strong>rmann zu Ostern, von<br />

Bernd Janowski zum Opfer o<strong>de</strong>r von Wolfgang<br />

Kessler zur Gerechtigkeit. Gera<strong>de</strong> die gefor<strong>de</strong>rte<br />

Kürze und die erwartete Verständlichkeit machen<br />

viele <strong>de</strong>r Themenskizzen etwa auch im schulischen<br />

Bereich nutzbar. Reiner Jungnitsch<br />

Bieger, Eckhard<br />

DDaass KKiirrcchheennjjaahhrr eenntt-d<strong>de</strong>ecckkeenn<br />

uunndd eerrlleebbeenn<br />

Entstehung, Be<strong>de</strong>utung, Brauchtum <strong>de</strong>r Festtage.<br />

– Leipzig: St. Benno Verlag. 2006. 148 S., farb.<br />

Ill., € 19.90 (ISBN 978-3-7462-2125-0)<br />

Vielleicht ist ein solches Buch trotz <strong>de</strong>utlich<br />

rückläufiger Kirchlichkeit – aber gleichzeitig steigen<strong>de</strong>m<br />

Bedarf und Interesse an Religiosität und<br />

Spiritualität – ein richtiger Beitrag zum richtigen<br />

Zeitpunkt. Denn gera<strong>de</strong> die sinnlich-erfahrbare<br />

Seite <strong>de</strong>r Religion bil<strong>de</strong>t die vorrangige Anknüpfungsstelle<br />

für das Fragen und Verstehenwollen.<br />

Und beson<strong>de</strong>rs auf <strong>de</strong>m Feld <strong>de</strong>r Zeichen, Symbole<br />

und Rituale gibt es vielerlei zu ent<strong>de</strong>cken<br />

und zu erleben.<br />

So ist für Bieger das Kirchenjahr ein „lebendiger<br />

Organismus, <strong>de</strong>r über Jahrhun<strong>de</strong>rte gewachsen<br />

ist“ (7). Worin genauer betrachtet „die wichtigen<br />

Erfahrungen und Fragen <strong>de</strong>r menschlichen<br />

Existenz im Laufe <strong>de</strong>s Jahres thematisiert wer<strong>de</strong>n“<br />

(ebd.): Geburt und Tod, die Familie, das<br />

Mahl, das Böse und seine Überwindung, das Verhältnis<br />

zu <strong>de</strong>n Toten usw.<br />

Es wer<strong>de</strong>n also „nicht leere Feiern absolviert,<br />

son<strong>de</strong>rn das Leben auf die zentralen Heilsaussagen<br />

hingeführt, die durch die Ereignisse <strong>de</strong>s Lebens<br />

Jesu ihre Be<strong>de</strong>utung erhalten“ (8).<br />

Nach einführen<strong>de</strong>n Bemerkungen zur Relevanz<br />

von Kirchenjahr und Brauchtum erläutert<br />

Bieger in überschaubaren und leicht verständlichen<br />

Abschnitten, was diesbezüglich zwischen<br />

Advent und Christkönigssonntag getan, gefeiert<br />

und erinnert wird. Sowohl die großen Festkreise<br />

als auch die zahlreichen Heiligenfeste und Ge<strong>de</strong>nktage<br />

wer<strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n Leser transparent und lebendig.<br />

Die vielen hervorragen<strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>r stützen<br />

ihrerseits die Anschaulichkeit <strong>de</strong>r Darlegungen.<br />

Ein eigenes Kapitel über die Marienfeste run<strong>de</strong>t<br />

<strong>de</strong>n Gang durch die Kirchenfeste ab.<br />

Das beson<strong>de</strong>re Plus <strong>de</strong>s Buches ist die innere<br />

Verknüpfung von biblischem Hintergrund, geschichtlichem<br />

Wan<strong>de</strong>l und auch neuen Erkenntnissen<br />

<strong>de</strong>r Brauchtumsforschung.<br />

Reiner Jungnitsch<br />

Bubmann, Peter /<br />

Landgraf, Michael (Hg.)<br />

MMuussiikk iinn SScchhuullee<br />

uunndd GGeemmeeiinnd<strong>de</strong>e<br />

Grundlagen – Metho<strong>de</strong>n – I<strong>de</strong>en. Ein Handbuch<br />

für die religionspädagogische Praxis. – Stuttgart:<br />

Calwer Verlag. 2006. 484 S. m. zahlr. sw-Abb. und<br />

Notenbeispielen. € 25.00 (ISBN 978-3-7668-<br />

3929-9)<br />

Musik zur Vermittlung von religiösen Inhalten<br />

zu nutzen, ist nicht neu. Die geistliche Musik<br />

diente immer schon nicht nur <strong>de</strong>r Erbauung, son<strong>de</strong>rn<br />

auch <strong>de</strong>r Glaubensweitergabe und Interpretation.<br />

Oft genug wur<strong>de</strong> die Musik jedoch nicht<br />

genutzt, son<strong>de</strong>rn benutzt. Rock- und Popmusik<br />

wur<strong>de</strong> und wird immer wie<strong>de</strong>r als vermeintlicher<br />

Brückenschlag zur Welt <strong>de</strong>r Jugendlichen zum<br />

Einsatz gebracht. Schieflagen entstehen immer<br />

dann, wenn sie nur als „Kö<strong>de</strong>r“ genutzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Schülerinnen und Schüler merken sehr schnell,<br />

ob sich <strong>de</strong>r Pädagoge o<strong>de</strong>r Katechet mit Interpret<br />

und Text wirklich beschäftigt hat o<strong>de</strong>r einfach nur<br />

mal eine RAP vorführt.<br />

Das neue Handbuch „Musik in Schule und<br />

Gemein<strong>de</strong>“ erläutert auf fast 500 großen Seiten<br />

die Be<strong>de</strong>utung und Funktionsweise von Musik in<br />

<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen religionspädagogischen Arbeitsfel<strong>de</strong>rn<br />

und gibt zahlreiche Praxistipps, wo<br />

und wie Musik im Unterricht und in <strong>de</strong>r Bildungsarbeit<br />

erfolgreich eingesetzt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Die Herausgeber verzichten dabei auf zu aktuelle<br />

Kopiervorlagen, son<strong>de</strong>rn bieten dafür umso<br />

mehr Textgrundlagen, konkrete Metho<strong>de</strong>n mit<br />

Kurzbeschreibungen und einen umfangreichen<br />

Anhang. Ein ausführlichen Katalog geeigneter<br />

Lie<strong>de</strong>r und Musikstücke wird zur Verfügung gestellt<br />

und gibt eine Fülle praktischer Anregungen<br />

an die Hand, mit <strong>de</strong>nen Musik auf höchst kreative<br />

Weise in Schule und Gemein<strong>de</strong> eingesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Wirklich Freu<strong>de</strong> macht <strong>de</strong>r Band durch seine<br />

einfache und gleichzeitig fundierte Sprache, die<br />

eine spezielle musikalische Ausbildung nicht erfor<strong>de</strong>rlich<br />

macht. Lobenswert ist auch die Bandbreite,<br />

<strong>de</strong>r sich Peter Bubmann und Michael<br />

Landgraf verpflichtet fühlen: Von „Musik in an<strong>de</strong>ren<br />

Religionen“, über „Musik selber machen“<br />

bis „Die dunklen Seiten <strong>de</strong>r Rockmusik“ reicht<br />

<strong>de</strong>r Inhalt. So eignet sich das Buch nicht nur für<br />

<strong>de</strong>n religionspädagogischen Einsatz, son<strong>de</strong>rn<br />

auch für „normale“ Musikpädagogen. Sie wer<strong>de</strong>n<br />

dankbar die Notenbeispiele nutzen o<strong>de</strong>r auch<br />

Textauszüge geistlicher Werke.<br />

Insgesamt eine äußerst angemessener Preis<br />

für ein umfangreiches Buch, <strong>de</strong>m man viele Leserinnen<br />

und Leser wünscht. Pluspunkt bei <strong>de</strong>r Gestaltung<br />

ist <strong>de</strong>r klare Seitenaufbau, bei <strong>de</strong>m je<strong>de</strong><br />

Seite mit einer neuen Metho<strong>de</strong>nüberschrift beginnt<br />

und das Wesentliche in einer farbig unterlegten<br />

Tabelle steht. Einzig die sachlich-kühle,<br />

aber gut lesbare Gestaltung hätte noch mehr Fotobeispiele<br />

vertragen können, die über niedliche<br />

Cartoons hinaus geht, die nett anzusehen aber für<br />

ein Praxisbuch überflüssig sind. Vielleicht wird<br />

<strong>de</strong>r Verlag aber auch zu einem Praxisbegleitbuch<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

LITERATUR & MEDIEN<br />

69


LITERATUR & MEDIEN<br />

70<br />

mit Kopiervorlagen o<strong>de</strong>r gleich einer CD mit<br />

Musikbeispielen und Material motiviert? Zu<br />

wünschen wäre es. Marcus C. Leitschuh<br />

Trutwin, Werner (Hg.) /<br />

Wisskir<strong>de</strong>n Hubert<br />

IImmppuullssee MMuussiikk ––<br />

ZZeeiicchheenn<br />

d<strong>de</strong>err HHooffffnnuunngg<br />

Düsseldorf: Patmos Verlag. 2006. 64 S., 1 CD,<br />

€ 16.90 (ISBN 978-3-491-75729-5)<br />

Keine Frage – hier sind musikalische Profis<br />

am Werk. Zum einen be<strong>de</strong>utet dies: hoher, themenbedingter<br />

Anspruch. Zum an<strong>de</strong>ren muss die<br />

Frage erlaubt sein: Entspricht das hohe Niveau<br />

<strong>de</strong>n realen Gegebenheiten im Religionsunterricht?<br />

Die Erfahrung zeigt: Unterrichtsmo<strong>de</strong>lle<br />

können nicht immer in <strong>de</strong>r Praxis vollständig umgesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n. Dies gilt natürlich auch für das<br />

vorliegen<strong>de</strong> Werk. Insofern darf ein Religionspädagoge<br />

nicht entmutigt sein, wenn nicht alle angebotenen<br />

Details in die Praxis umgesetzt wer<strong>de</strong>n<br />

können.<br />

Einige grundsätzliche Aspekte zur Reihe: Impulse<br />

Musik, z. B. die didaktische Struktur, sind<br />

bereits in <strong>de</strong>r Rezension zu: Impulse Musik – Zeit<br />

<strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong> (in <strong>IN</strong><strong>FO</strong> 1/2004, S. 48) erschienen<br />

und gelten auch hier. Die Einleitung zum hier<br />

vorliegen<strong>de</strong>n Band gibt wertvolle Anregungen<br />

zur „Musikerschließung“. Was für einen „Fachmusiker“<br />

selbstverständlich sein könnte, ist für<br />

einen musikalischen „Laien“ oft nicht selbstverständlich.<br />

Daher ist dieses Kapitel als allgemeine<br />

Vorbereitung für die Bearbeitung <strong>de</strong>r Inhalte sehr<br />

zu begrüßen.<br />

Der folgen<strong>de</strong> Inhalt ist in sechs Einheiten geglie<strong>de</strong>rt:<br />

1. Kirchenlied, 2. Liturgie, 3. Kunst, 4.<br />

Jugendszene, 5. Weltkirche, 6. Religionen. Die<br />

letzte Seite listet die Musikbeispiele auf zu <strong>de</strong>r<br />

mitgelieferten CD. Wenn auch die im ersten<br />

Kapitel angebotenen Lie<strong>de</strong>r: „Der Mond ist<br />

aufgegangen“ (auf <strong>de</strong>r CD mit allen 5 Strophen)<br />

und: „Nun ruhen alle Wäl<strong>de</strong>r“ im katholischen<br />

Bereich nicht so sehr als Kirchenlie<strong>de</strong>r empfun<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n – sie gibt es in evangelischen Gesangbüchern<br />

– so wird durch <strong>de</strong>n Kommentar<br />

<strong>de</strong>ren ursprüngliche Intension als Kirchenlied<br />

klar. Die die Inhalte und die Musik betreffen<strong>de</strong>n<br />

Erläuterungen überzeugen sowohl hier als auch<br />

für die Musikbeispiele im nächsten Kapitel.<br />

Diese Beispiele zur Liturgie zeigen die Bandbreite<br />

von <strong>de</strong>r Gregorianik bis hin zu zeitgenössischen<br />

Kompositionen. Mehrere Beispiele<br />

bringt das Kapitel: Kunst. Neben Bach an hervorragen<strong>de</strong>r<br />

Stelle und Haydn mit einem Beispiel<br />

aus seinem Oratorium: „Die Schöpfung“<br />

wer<strong>de</strong>n zwei zeitgenössische Kompositionen<br />

(Biermann: „Soldatenmelodie“ und Pärt: „Les<br />

Beatitu<strong>de</strong>s“) vorgestellt. Ausgesprochen gegenwartsnahe<br />

Inhalte bieten die drei nächsten Kapitel:<br />

Jugendszene (z. B. Beatles mit „let it be“)<br />

Weltkirche („we shall overcome“) und: Religionen<br />

(mit Beispielen aus <strong>de</strong>m Hinduismus,<br />

Buddhismus und New Age).<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

Die meisten Musikbeispiele auf <strong>de</strong>r mitgelieferten<br />

CD liegen in ausreichen<strong>de</strong>r Länge vor. Lediglich<br />

ein Beispiel zur Gregorianik, ein Beispiel<br />

zu Schütz und zwei Beispiele zu Bach mit jeweils<br />

weniger als 60 Sekun<strong>de</strong>n scheinen äußerst knapp<br />

geraten zu sein. Es bleibt ohnehin die Frage, ob es<br />

nicht sinnvoll ist, Ausschnitte durch vollständige<br />

Wie<strong>de</strong>rgabe <strong>de</strong>s Musikstückes zu ergänzen. Die<br />

oben genannte Rezension schließt mit <strong>de</strong>m Satz:<br />

„Impulse Musik“ ist sehr zu begrüßen. Diese Beurteilung<br />

kann hier wie<strong>de</strong>rholt wer<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m<br />

Zusatz: … und ist eine echte Bereicherung <strong>de</strong>s<br />

Religionsunterrichtes. Helmut Bahr<br />

Piësch, Kirsten /<br />

Spinkovà, Martina<br />

PPiiaa iimm VVaattiikkaann<br />

Ent<strong>de</strong>ckungen rund um <strong>de</strong>n<br />

Petersdom. – München: Bernward bei Don Bosco.<br />

2006. 48 S., farb. ill., € 7.90 (ISBN 978-3-7698-<br />

1579-5)<br />

Spätestens seit <strong>de</strong>m Besuch Papst Benedikts XVI.<br />

in Deutschland ist dieser auch <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn bekannt.<br />

An<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r Vatikan, <strong>de</strong>r unbekannte Ort,<br />

an <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Papst lebt und wirkt, die Kunstwerke,<br />

Bauten und Alltäglichkeiten, die ihn umgeben.<br />

Die jungen Leserinnen und Leser begleiten<br />

Pia auf ihrem Vatikanbesuch. Im Getümmel verliert<br />

Pia ihre Familie, trifft dafür aber Julius, <strong>de</strong>r<br />

im Vatikan zu Hause ist. Auf <strong>de</strong>r Suche nach <strong>de</strong>n<br />

Eltern führt er als erstklassiger Frem<strong>de</strong>nführer<br />

Pia durch <strong>de</strong>n Vatikan und erzählt ihr dabei vieles<br />

über die Hintergrün<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zentrums <strong>de</strong>r katholischen<br />

Christen.<br />

Der Aufbau <strong>de</strong>s 44 Seiten umfassen<strong>de</strong>n Büchleins<br />

ist anschaulich und kindgerecht. Es gibt für<br />

12 unterschiedliche Schwerpunkte (u. a. Vatikan,<br />

Petersdom, Kardinal, Papstwahl, Sixtinische Kapelle)<br />

klare und übersichtliche Abschnitte, die<br />

Fragen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r beantworten und zum Weiterfragen<br />

anregen. Auch wenn das Buch scheinbar<br />

in 12 Wissensgebiete zum Vatikan unterteilt ist,<br />

gelingt es <strong>de</strong>r Autorin, diese in einer flüssigen<br />

Geschichte miteinan<strong>de</strong>r zu verbin<strong>de</strong>n. Die farbenfrohen<br />

Illustrationen von Maria Spinkovà unterstützen<br />

<strong>de</strong>n Text und rufen bei Vatikankundigen<br />

eine gewisse Wie<strong>de</strong>rerkennung hervor.<br />

Etwas unglücklich und nicht ganz kindgerecht<br />

erscheint mir jedoch <strong>de</strong>r gewählte Anlass <strong>de</strong>r exklusiven<br />

Vatikanerkundung: Nicht nur die kleine<br />

Pia, son<strong>de</strong>rn auch manch junger Leser mag sich<br />

bei <strong>de</strong>r Vorstellung erschrecken, seine Mutter und<br />

Oma im Getümmel auf <strong>de</strong>m Petersplatz aus <strong>de</strong>n<br />

Augen zu verlieren. Die unfreiwillige Rundtour<br />

im Vatikan auf <strong>de</strong>r Suche nach Mutter und Oma<br />

dürfte <strong>de</strong>shalb bei mancher Leserin und manchem<br />

Leser die Aufmerksamkeit für die Schönheiten<br />

<strong>de</strong>r Stadt in <strong>de</strong>n Hintergrund drängen und Zweifel<br />

an <strong>de</strong>m elterlichen Gebot: „Gehe nie mit einem<br />

Frem<strong>de</strong>n!“ wecken. Dennoch ist es Kirsten<br />

Piësch gelungen, einen lesenswerten Vatikanführer<br />

für Kin<strong>de</strong>r zu schreiben, <strong>de</strong>r viel Wissenswertes<br />

in eine Kurzgeschichte verpackt.<br />

Birgitta Lahner-Ahnert<br />

Niehues, Norbert/Rux, Johannes<br />

SScchhuull-- uunndd<br />

PPrrüüffuunnggssrreecchhtt<br />

Band 1: Schulrecht. – München: Verlag C. H. Beck.<br />

4., vollst. neu bearb. Aufl. 2006. XXVI, 329 S.,<br />

€ 38.00 (ISBN 978-3-406-54614-3)<br />

Das Schulrecht ist – aufgrund sich verän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Wissensgesellschaft<br />

und infolge <strong>de</strong>s politischen Gestaltungswillens<br />

– häufig von Än<strong>de</strong>rungen betroffen, die<br />

Neuauflagen wie die hier zu besprechen<strong>de</strong> erfor<strong>de</strong>rlich<br />

machen. Die Vorauflage erschien im<br />

Jahr 2000. Sechs Jahre später ist die von Johannes<br />

Rux bearbeitete 4. Auflage nicht nur umfangreicher,<br />

son<strong>de</strong>rn befasst sich auch mit einer<br />

ganzen Reihe neuer Themenfel<strong>de</strong>r. Viele<br />

neue Entwicklungen waren aufzuzeigen und<br />

ihre Auswirkungen auf das Schulrecht darzustellen.<br />

Nicht ohne Folgen für dasselbe blieben<br />

etwa die Erkenntnisse aus <strong>de</strong>n PISA-Studien,<br />

die Probleme bei <strong>de</strong>r Beschulung von Kin<strong>de</strong>rn<br />

mit Migrationshintergrund, die wachsen<strong>de</strong><br />

Zahl von schulpflichtigen Kin<strong>de</strong>rn muslimischen<br />

Glaubens sowie das Erkennen <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung<br />

frühkindlicher Bildung. Johannes Rux<br />

nimmt sich <strong>de</strong>r daraus folgen<strong>de</strong>n Neuerungen<br />

im Schulrecht kenntnisreich und mit großer<br />

Ausführlichkeit an. Überwiegend beantwortet<br />

er aktuelle schulrechtliche Fragestellungen auf<br />

<strong>de</strong>r Grundlage herrschen<strong>de</strong>r Auffassungen. So<br />

teilt Rux die Ansicht, dass es sich beim Religionsunterricht<br />

um einen zwingend bekenntnisgebun<strong>de</strong>nen<br />

Unterricht han<strong>de</strong>lt und ein Unterricht,<br />

<strong>de</strong>r die Bekenntnisbindung aufgibt, kein<br />

Religionsunterricht mehr ist (S. 72 ff.). Und<br />

zu <strong>de</strong>r Frage eines Grundrechts auf Religionsunterricht<br />

nimmt er an, dass das Grundgesetz<br />

insoweit nur <strong>de</strong>n Religionsgemeinschaften ein<br />

subjektives Recht gewährt, nicht jedoch Schülern<br />

und ihren Eltern. Vereinzelt weicht Rux<br />

aber auch von <strong>de</strong>r jeweiligen Mehrheitsauffassung<br />

ab. So vertritt er zur Frage <strong>de</strong>r Grundrechtsberechtigung<br />

von Lehrern die These,<br />

Lehrkräfte könnten sich in Bezug auf ihr Verhalten<br />

im Zusammenwirken mit Schülern nicht<br />

auf Grundrechte berufen (S. 155 u. 246).<br />

Wenn ein Verhalten bei Gelegenheit <strong>de</strong>r<br />

Dienstausübung in Frage steht, wird das mehrheitlich<br />

– wohl zu Recht – an<strong>de</strong>rs gesehen,<br />

nicht zuletzt vom Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht.<br />

Dem Autor ist an dieser Stelle allerdings zuzugeben,<br />

dass die Trennlinie zwischen Grundrechtsberechtigung<br />

und Grundrechtsverpflichtung<br />

von Lehrern, wenn sie in <strong>de</strong>r Schule tätig<br />

sind, schwierig zu ziehen ist.<br />

Insgesamt bietet das Buch eine gut lesbare und<br />

profun<strong>de</strong> Darstellung <strong>de</strong>s gelten<strong>de</strong>n Schulrechts,<br />

die <strong>de</strong>n aktuellen Wissens- und Diskussionsstand<br />

sorgfältig dokumentiert. Wie schon in <strong>de</strong>r Vorauflage<br />

wird auf alle wichtigen Fragen <strong>de</strong>r Schulpflicht,<br />

<strong>de</strong>r Leistungsbewertung, <strong>de</strong>r Unterrichtsgestaltung,<br />

<strong>de</strong>r Organisation und Finanzierung<br />

<strong>de</strong>s Schulwesens sowie Fragen <strong>de</strong>s Rechtsschutzes<br />

im Schulverhältnis eingegangen.<br />

Thorsten Anger


Zur Person<br />

<strong>Bistum</strong> <strong>Limburg</strong><br />

Roland Büskens (45) verstärkt seit<br />

September 2006 als weiterer Studienleiter<br />

das Team <strong>de</strong>s Pädagogischen Zentrums<br />

<strong>de</strong>r Bistümer im Lan<strong>de</strong> Hessen.<br />

Zu seinem Aufgabenfeld zählt u.a. die<br />

Organisation, Durchführung und Auswertung<br />

von Fortbildungsangeboten für<br />

Lehrerinnen und Lehrer in Hessen.<br />

Der verheiratete Diplomtheologe<br />

und Diplompädagoge arbeitete zuvor<br />

über 10 Jahre als Bildungsreferent beim<br />

Kolpingwerk in Frankfurt. Vorher war<br />

er mehrere Jahre in Zürich (Schweiz) in<br />

Seelsorge und Unterricht tätig. Erste<br />

Erfahrungen in <strong>de</strong>r Erwachsenenbildung<br />

und Schulpastoral sammelte er<br />

davor in seinem Heimatbistum Aachen.<br />

Dr. Walter Fischedick (33) ist seit<br />

September 2006 Justitiar im Kommissariat<br />

<strong>de</strong>r Katholischen Bischöfe im Lan<strong>de</strong><br />

Hessen, <strong>de</strong>r offiziellen Verbindungsstelle<br />

<strong>de</strong>r Hessischen Diözesen mit <strong>de</strong>r<br />

Hessischen Lan<strong>de</strong>sregierung und <strong>de</strong>n<br />

Institutionen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Hessen.<br />

Der in Kleve geborene Nie<strong>de</strong>rrheiner<br />

studierte zunächst Katholische Theologie<br />

an <strong>de</strong>r Westfälischen Wilhelms-<br />

Universität Münster. Nach <strong>de</strong>m Vordiplom<br />

wechselte er an die Philosophisch-<br />

Theologische Hochschule Sankt Georgen<br />

in Frankfurt, wo er 2000 seine<br />

theologischen Studien mit <strong>de</strong>m Diplom<br />

in Katholischer Theologie abschloss.<br />

Mit seinem Wechsel nach Frankfurt<br />

nahm Fischedick zusätzlich ein Jurastudium<br />

an <strong>de</strong>r Johann Wolfgang Goethe-Universität<br />

Frankfurt auf, das er<br />

2002 been<strong>de</strong>te. Ebenfalls in Frankfurt<br />

absolvierte er sein Referendariat. Seine<br />

2006 im Verlag Peter Lang erschienene<br />

Dissertation han<strong>de</strong>lt vom Zeugnisverweigerungsrechte<br />

von Geistlichen und<br />

kirchlichen Mitarbeitern.<br />

Vor seinem Stellenantritt im Wiesba<strong>de</strong>ner<br />

Kommissariat war Fischedick<br />

freiberuflich als Anwalt tätig. Zusammen<br />

mit <strong>de</strong>m Leiter <strong>de</strong>s Kommissariats,<br />

Dr. Guido Amend, und <strong>de</strong>m bildungs-<br />

und schulpolitischen Referenten,<br />

Dr. Johann E. Maier, wird <strong>de</strong>r neue<br />

Justitiar Fragen im Schnittbereich von<br />

Kirche und Staat bearbeiten. Walter Fischedick<br />

wird zukünftig in unregelmäßiger<br />

Folge eine Kolumne zu Rechtsfragen<br />

in Schule und Religionsunterricht<br />

für die Zeitschrift <strong>IN</strong><strong>FO</strong> verfassen.<br />

Praktische Erfahrungen aus seiner früheren<br />

nebenberuflichen Tätigkeit als<br />

Religionslehrer wird er sicher hier gewinnbringend<br />

einfließen lassen. MR<br />

Universität Koblenz-Landau<br />

Mit Beginn <strong>de</strong>s Wintersemesters<br />

2006/2007 hat Frau Prof. Dr. Beate<br />

Kowalski ihre Tätigkeit an <strong>de</strong>r Universität<br />

Koblenz-Landau, Abt. Koblenz,<br />

mit <strong>de</strong>r Professurvertretung Neues Testament<br />

aufgenommen.<br />

Die 1965 in Dortmund geborene<br />

Professorin studierte die Fächer Katho-<br />

lische Theologie und Geschichte an <strong>de</strong>r<br />

Ruhr-Universität Bochum mit <strong>de</strong>m Abschluss<br />

Sek I und II (1990). 1995 promovierte<br />

sie dort in Katholischer Theologie<br />

zum Thema „Die Hirtenre<strong>de</strong> (Joh<br />

10.1-18) im Kontext <strong>de</strong>s Johannesevangeliums“<br />

und habilitierte sich 2003 im<br />

Fach Neutestamentliche Bibelwissenschaften<br />

an <strong>de</strong>r Leopold-Franzens-Universität,<br />

Innsbruck, mit <strong>de</strong>r Arbeit: „Die<br />

Rezeption <strong>de</strong>s Propheten Ezechiel in<br />

<strong>de</strong>r Offenbarung <strong>de</strong>s Johannes“.<br />

Vor Beginn ihrer Lehrtätigkeit war<br />

Brigitte Kowalski Wissenschaftliche<br />

Hilfskraft am Institut für franziskanische<br />

Geschichte, Bochum, und danach<br />

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am<br />

Lehrstuhl NT <strong>de</strong>r Ruhr-Universität Bochum.<br />

1995-2000 war sie zugleich aktiv<br />

in <strong>de</strong>r pastoralen Arbeit tätig. Es<br />

folgte eine Zeit als Wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin/Junior Fellowship an <strong>de</strong>r<br />

Katholischen Universität Leuven.<br />

Nach einem Post-doc Stipendium an<br />

<strong>de</strong>r Universität Passau übernahm sie<br />

Lehrstuhlvertretungen und Lehraufträge<br />

an <strong>de</strong>r Theologischen Fakultät Pa<strong>de</strong>rborn<br />

(Neues Testament), <strong>de</strong>r Universität<br />

Siegen (Bibelkun<strong>de</strong> AT/NT),<br />

<strong>de</strong>r Philosophisch-Theologischen<br />

Hochschule <strong>de</strong>r Jesuiten, München,<br />

und <strong>de</strong>r Universität Passau (Johannesevangelium).<br />

Vor ihrer Berufung nach<br />

Koblenz war sie seit 2004 am Terence<br />

Albert O’Brien Chair of Biblical Studies<br />

in Limerick (Irland) tätig. BM<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />

71


<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />

72<br />

Frankfurter Dommuseum zeigt<br />

Heiligenverehrung und Reliquienkult<br />

im Haus am Dom<br />

„Die Gemein<strong>de</strong>n lassen ihre Heiligen<br />

nur ungern ziehen“, sagt <strong>de</strong>r Frankfurter<br />

Kirchenhistoriker Dr. Matthias<br />

Th. Kloft mit einem Schmunzeln. Dass<br />

die erste Ausstellung <strong>de</strong>s Frankfurter<br />

Dommuseum im neuen Haus am Dom<br />

<strong>de</strong>nnoch zustan<strong>de</strong> kam und noch dazu<br />

mit etlichen Prachtexemplaren aufwarten<br />

kann, das kostete Kloft und Museumsdirektor<br />

Prof. August Heuser einige<br />

Überzeugungskraft. Noch am Vortag<br />

<strong>de</strong>r Ausstellungseröffnung etwa feierte<br />

Pfarrer Kloft in <strong>de</strong>r Stiftskirche<br />

von Dietkirchen bei <strong>Limburg</strong> eine Andacht,<br />

in <strong>de</strong>ren Verlauf das versehrte<br />

Haupt <strong>de</strong>s Heiligen Lubentius umgebettet<br />

wur<strong>de</strong>. So kann die Reliquie in <strong>de</strong>r<br />

Lubentiuskapelle bleiben, wo die Überreste<br />

<strong>de</strong>s Schä<strong>de</strong>ls seit mehr als 1 000<br />

Jahren ruhen, während das wertvolle<br />

Gefäß, das um 1270 entstand, nach<br />

Frankfurt gebracht wer<strong>de</strong>n konnte.<br />

Hier wird das vergol<strong>de</strong>te Kopfreliquiar<br />

bis zum 27. Mai eines <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren<br />

Stücke in einer beson<strong>de</strong>ren Ausstellung<br />

sein: „Der heilige Leib und die<br />

Leiber <strong>de</strong>r Heiligen“ ist sie betitelt.<br />

Und sie zeigt mit einzigartigen Beispielen<br />

die Vielschichtigkeit <strong>de</strong>r Reliquienverehrung<br />

in <strong>de</strong>r katholischen<br />

Kirche. Seit <strong>de</strong>m Mittelalter wur<strong>de</strong>n<br />

die Leiber <strong>de</strong>r Heiligen immer mehr<br />

durch kostbare Schreine geschmückt<br />

und in Szene gesetzt. Später dann sind<br />

es auch Sachreliquien – die be<strong>de</strong>utendsten<br />

wohl die Kreuzreliquien, <strong>de</strong>r Heilige<br />

Rock und das Turiner Grabtuch –<br />

die als „Souvenirs“ die fromme Erinnerung<br />

an die Heiligen wach hielten.<br />

Vier Aspekte nimmt die Ausstellung<br />

in <strong>de</strong>r Schatzkammer <strong>de</strong>s neuen katholischen<br />

Bildungs- und Kulturzentrums<br />

Haus am Dom auf: Da ist zum einen die<br />

Eucharistie, die Gegenwart Christi in<br />

Brot und Wein, die mit herausragen<strong>de</strong>n<br />

liturgischen Geräten dargestellt wird,<br />

aber auch die klassische Heiligenverehrung,<br />

die sich im Reliquienkult Bahn<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

Der heilige Leib und die Leiber <strong>de</strong>r Heiligen<br />

bricht: Bis heute sind die Überreste <strong>de</strong>r<br />

heiligen Leiber im Altar je<strong>de</strong>r Kirche<br />

präsent, während die Seelen <strong>de</strong>r Heiligen<br />

in <strong>de</strong>r Vorstellung <strong>de</strong>r Gläubigen<br />

bereits im Himmel weilen.<br />

So ließ etwa die Pfarrgemein<strong>de</strong> St.<br />

Martin in Lorch ihre große Turmmonstranz<br />

für zwei Monate nach Frankfurt<br />

ziehen. Auch das älteste Stück <strong>de</strong>r kurfürstlich<br />

trierischen Landrentamtspretiosen,<br />

die Monstranz von 1667, wird<br />

mit ihrem e<strong>de</strong>lsteingeschmückten Baldachin<br />

alle Blicke auf sich ziehen.<br />

Auch Prunkkelche aus Frankfurt und<br />

Trier zeigen nicht nur die Kunstfertigkeit<br />

vergangener Jahrhun<strong>de</strong>rte, son<strong>de</strong>rn<br />

auch <strong>de</strong>n Wunsch, wertvolle<br />

Zeugnisse <strong>de</strong>s Glaubens beson<strong>de</strong>rs<br />

gottgefällig zu gestalten.<br />

Zu <strong>de</strong>n wichtigsten Reliquien und<br />

ihren kostbaren Behältern gehören <strong>de</strong>r<br />

Schrein <strong>de</strong>s Heiligen Simon aus Bendorf-Sayn<br />

(um 1220), durch <strong>de</strong>ssen kleine<br />

Kristallfenster ein silbernes Kästlein<br />

zu sehen ist, in <strong>de</strong>m wie<strong>de</strong>rum <strong>de</strong>r Arm<br />

<strong>de</strong>s Heiligen Simon geborgen ist. Gleich<br />

daneben zeigt ein hoch gereckter silberner<br />

Arm, die Hand im Segenszeichen<br />

<strong>de</strong>s Priesters zum Himmel zeigend,<br />

ebenfalls einen Armknochen, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

Heiligen Lubentius von Kobern.<br />

In <strong>de</strong>r Ausstellung kommt aber<br />

auch <strong>de</strong>r Gedanke <strong>de</strong>s Souvenirs nicht<br />

zu kurz: Die abgelaufenen Schuhe und<br />

die schäbige Reisetasche <strong>de</strong>r Or<strong>de</strong>nsgrün<strong>de</strong>rin<br />

Maria Katharina Kasper,<br />

aber auch Splitter vom Kreuz Jesu o<strong>de</strong>r<br />

ein Maßband aus seinem Grab in Jerusalem,<br />

geben einen unmittelbaren Eindruck<br />

von tiefer Volksfrömmigkeit. In<br />

einem vierten Teil dann zeigt die Schau<br />

Gottes Gegenwart im Wort: Mit <strong>de</strong>r Bibel,<br />

aber auch mit Tora und Koran, wird<br />

hier <strong>de</strong>r Bogen geschlagen vom Christentum<br />

zu Ju<strong>de</strong>ntum und Islam.<br />

Mit dieser Ausstellung nimmt das<br />

Frankfurter Dommuseum einen zweiten<br />

Raum in Besitz, <strong>de</strong>r – wenn auch im<br />

mo<strong>de</strong>rnen Gewand – die Struktur <strong>de</strong>s<br />

mittelalterlichen Kreuzganges am<br />

Frankfurter Bartholomäusdom wi<strong>de</strong>r-<br />

Flyer<br />

spiegelt. Dort ist das Dommuseum seit<br />

vielen Jahren untergebracht. Mit <strong>de</strong>m<br />

neuen 290 Quadratmeter großen Schauraum<br />

im Untergeschoss <strong>de</strong>s gegenüberliegen<strong>de</strong>n<br />

Hauses am Dom wird die<br />

Ausstellungsfläche <strong>de</strong>s Museums nahezu<br />

verdoppelt. Im Frühsommer sollen<br />

in <strong>de</strong>m sorgsam ausgestatteten neuen<br />

Domizil die Kirchenschätze von St. Leonhard<br />

und Liebfrauen präsentiert wer<strong>de</strong>n,<br />

während <strong>de</strong>r Domschatz im Kreuzgang<br />

<strong>de</strong>s Kaiserdomes bleibt.<br />

Die Ausstellung „Der heilige Leib<br />

und die Leiber <strong>de</strong>r Heiligen“ ist vom<br />

24. März bis zum 27. Mai 2007 dienstags<br />

bis freitags von 10.00 bis 17.00<br />

Uhr, samstags und sonntags von 11.00<br />

bis 17.00 Uhr geöffnet. Zur Ausstellung<br />

ist ein umfangreicher Katalog (25<br />

Euro) erschienen<br />

Führungen:<br />

Führungen sind nach Anmeldung<br />

möglich (Tel.: 069 133 76 186)<br />

Eintritt: 4,-- €<br />

Schüler und Stu<strong>de</strong>nten: 2,-- €


Wenn Lehrer schulfrei haben möchten ...<br />

„U Plus“ und die Dienstbefreiung zur Teilnahme an kirchlichen Arbeitsgemeinschaften<br />

Lehrkräfte, die in jüngster Vergangenheit<br />

an Ereignissen wie <strong>de</strong>m Tag <strong>de</strong>r<br />

Religionspädagogik in <strong>Limburg</strong> o<strong>de</strong>r<br />

an Veranstaltungen <strong>de</strong>r religionspädagogischen<br />

Ämter teilnehmen wollten,<br />

hatten es schwer. Was in vergangenen<br />

Schuljahren eine unterstützenswerte<br />

Selbstverständlichkeit war und von<br />

vielen Religionslehrerinnen und -lehrern<br />

gewinnbringend genutzt wur<strong>de</strong>,<br />

führt neuerlich in unangenehme Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen<br />

mit <strong>de</strong>r Schulleitung<br />

und <strong>de</strong>n Kollegen. Seit die so genannte<br />

Unterrichtsgarantie Plus <strong>de</strong>n Alltag in<br />

hessischen Schulen durcheinan<strong>de</strong>r wirbelt,<br />

wird die Teilnahme an solchen<br />

kirchlichen Veranstaltungen nicht mehr<br />

ohne weiteres gewährt o<strong>de</strong>r sogar versagt.<br />

Dabei han<strong>de</strong>ln die Schulleiter, die<br />

ihren Lehrkräften die Dienstbefreiung<br />

verweigern nicht aus Willkür. Sie berufen<br />

sich meist auf das „Lehrerfortbildungsgesetz“<br />

o<strong>de</strong>r die „Verordnung zur<br />

Sicherstellung <strong>de</strong>r Verlässlichen Schule“.<br />

Demnach haben die Schulen selbst<br />

Maßnahmen zur Gewährleistung einer<br />

vollständigen Unterrichtsversorgung<br />

zu gewährleisten. Ausfallstun<strong>de</strong>n, die<br />

Religionslehrkräfte durch die Teilnahme<br />

an Arbeitsgemeinschaften <strong>de</strong>r Kirche<br />

verursachen, sind personell und finanziell<br />

aus <strong>de</strong>n Mitteln <strong>de</strong>r Schule zu<br />

ersetzen. Beim Blick auf <strong>de</strong>n Vertretungsplan<br />

lässt <strong>de</strong>r Unmut <strong>de</strong>r Schulleitung<br />

nicht lange auf sich warten. Und<br />

auch die Kollegen fragen sich, warum<br />

<strong>de</strong>n Lehrkräften <strong>de</strong>s Faches Religion<br />

plötzlich eine Son<strong>de</strong>rbehandlung zuteil<br />

wird. Nicht selten gehen daher die Religionslehrkräfte<br />

Konflikten aus <strong>de</strong>m<br />

Weg und beugen sich <strong>de</strong>m Willen ihrer<br />

Dienstvorgesetzten, um <strong>de</strong>n Schulfrie<strong>de</strong>n<br />

nicht zusätzlich zu belasten.<br />

Sicherlich kann gera<strong>de</strong> auch von<br />

Religionspädagogen erwartet wer<strong>de</strong>n,<br />

dass sie eine gewisse Sensibilität für<br />

die Situation in <strong>de</strong>r Schule vor Ort<br />

mitbringen. Dennoch – sie sind nicht<br />

gezwungen, auf kirchliche Angebote<br />

zu verzichten, die ihnen, <strong>de</strong>n Schülern<br />

und damit letztlich auch <strong>de</strong>r Schule<br />

nutzen.<br />

Trotz <strong>de</strong>r gegenwärtig nicht immer<br />

einfachen Umstän<strong>de</strong> können und sollten<br />

daher Religionslehrerinnen und –<br />

lehrer die von <strong>de</strong>r Kirche veranstalteten<br />

Arbeitsgemeinschaften mit gutem<br />

Recht besuchen. Dabei können sie sich<br />

auf ein wichtiges Dokument zum Religionsunterricht<br />

in Hessen stützen: <strong>de</strong>n<br />

Erlass <strong>de</strong>s Kultusministeriums zum<br />

Religionsunterricht vom 1. Juli 1999.<br />

Er nämlich sieht solche Ausnahmen zur<br />

Dienstbefreiung vor. Religionslehrern<br />

und -lehrerinnen „ist auf Antrag bis zu<br />

zwei Tagen im Schuljahr Dienstbefreiung<br />

zur Teilnahme an von <strong>de</strong>n Kirchen<br />

veranstalteten Arbeitsgemeinschaften<br />

zu erteilen“ (III, Nr. 4 <strong>de</strong>s Erlasses zum<br />

Religionsuntericht).<br />

Der Erlass zum Religionsunterricht<br />

ist Ausprägung von Art. 7 <strong>de</strong>s Grundgesetzes,<br />

von Art. 57 <strong>de</strong>r Hessischen Verfassung<br />

sowie von § 8 <strong>de</strong>s Hessischen<br />

Schulgesetzes. Er beinhaltet zahlreiche<br />

Regelungen für <strong>de</strong>n Religionsunterricht,<br />

in <strong>de</strong>nen seine Be<strong>de</strong>utung herausgestellt<br />

wird, Möglichkeiten <strong>de</strong>r Mitbestimmung<br />

<strong>de</strong>r Kirchen erwähnt wer<strong>de</strong>n,<br />

geklärt wird, wer Religionsunterricht<br />

erteilen darf, wie die Ab<strong>de</strong>ckung<br />

<strong>de</strong>s Religionsunterrichts zu erfolgen<br />

hat und <strong>de</strong>r Unterricht zu organisieren<br />

ist, welche Schülerinnen und Schüler<br />

am Religionsunterricht teilnehmen und<br />

ob Ausnahmen für Lerngruppen möglich<br />

sind, er klärt die Teilnahme an<br />

kirchlichen Veranstaltungen und regelt<br />

die staatliche Schulaufsicht und das<br />

kirchliche Einsichtnahmerecht in <strong>de</strong>n<br />

Religionsunterricht.<br />

Der Erlass zum Religionsunterricht<br />

hat durch die neuesten schulrechtlichen<br />

Regelungen seine Be<strong>de</strong>utung nicht verloren,<br />

<strong>de</strong>nn we<strong>de</strong>r die Kirchen noch <strong>de</strong>r<br />

Staat können unabhängig voneinan<strong>de</strong>r<br />

einseitige Regelungen treffen, die bei<strong>de</strong><br />

Sphären berühren. Daran än<strong>de</strong>rn<br />

auch die Bestrebungen im Rahmen <strong>de</strong>r<br />

Unterrichtsgarantie Plus nichts. Sinn<br />

und Zweck <strong>de</strong>s Erlasses ist es, das<br />

kirchliche Selbstbestimmungsrecht zu<br />

wahren und zugleich die staatlichen<br />

Belange bei <strong>de</strong>r Durchführung <strong>de</strong>s Religionsunterrichts<br />

zu gewährleisten. Entsprechend<br />

sind auch die von <strong>de</strong>r Kirche<br />

durchgeführten Arbeitsgemeinschaften<br />

nicht plötzlich hinfällig. Zwar schreibt<br />

auch das Hessische Lehrerbildungsgesetz<br />

klar vor, dass Fortbildung in <strong>de</strong>r<br />

unterrichtsfreien Zeit stattfin<strong>de</strong>n soll<br />

(§ 62 Abs. 5). Bei <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Kirchen<br />

veranstalteten Arbeitsgemeinschaften<br />

han<strong>de</strong>lt es sich aber nicht einfach um<br />

Fortbildungsveranstaltungen wie für<br />

je<strong>de</strong>s an<strong>de</strong>re Fach. Auch, wenn <strong>de</strong>r Religionsunterricht<br />

selbstverständlich or<strong>de</strong>ntliches<br />

Lehrfach ist und ihm daher<br />

schulorganisatorisch min<strong>de</strong>stens <strong>de</strong>r<br />

gleiche Status zukommt, wie je<strong>de</strong>m an<strong>de</strong>rem<br />

Unterrichtsfach, so genießt er<br />

doch eine beson<strong>de</strong>re Rolle. Denn <strong>de</strong>r<br />

Religionsunterricht ist ein Fach, das in<br />

enger Bindung an die jeweilige Religionsgemeinschaft<br />

unterrichtet wird,<br />

was beispielsweise an <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n<br />

Kirchen mitverantworteten Lehrplangestaltung,<br />

<strong>de</strong>r Genehmigung <strong>de</strong>r Religionsbücher<br />

und <strong>de</strong>r Erteilung <strong>de</strong>r<br />

Missio zum Ausdruck kommt. Deshalb<br />

sind auch die von <strong>de</strong>r Kirche veranstalteten<br />

Arbeitsgemeinschaften nicht<br />

ohne weiteres gleichzusetzen mit an<strong>de</strong>ren<br />

Veranstaltungen berufsbegleiten<strong>de</strong>r<br />

Fortbildungsmöglichkeiten für<br />

Religionslehrer – selbst wenn diese<br />

von kirchlichen Einrichtungen durchgeführt<br />

wer<strong>de</strong>n. Auch schließt dies<br />

nicht aus, dass die von <strong>de</strong>r Kirche veranstalteten<br />

Arbeitsgemeinschaften Elemente<br />

<strong>de</strong>r klassischen Lehrerfortbildung<br />

enthalten, die aufgrund von Akkreditierung<br />

zum Erwerb von Leistungspunkten<br />

führen kann. Es ist also<br />

weiterhin möglich, sich im Konfliktfall<br />

auf <strong>de</strong>n Erlass zum Religionsunterricht<br />

zu berufen.<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />

73


<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />

74<br />

Die Beachtung <strong>de</strong>s Erlasses im<br />

Schulalltag ist nicht zuletzt schon <strong>de</strong>shalb<br />

wichtig, um ihn in <strong>de</strong>r Praxis nicht<br />

leerlaufen zu lassen. Solche Rechte waren<br />

nie eine Selbstverständlichkeit.<br />

Kirche und Staat haben um viele dieser<br />

Regelungen in <strong>de</strong>r Vergangenheit immer<br />

wie<strong>de</strong>r gerungen. Allerdings gilt<br />

es, verantwortlich damit umzugehen.<br />

Zehn Lehrerinnen haben am 23.<br />

März 2007 an <strong>de</strong>r Philosophisch-Theologischen<br />

Hochschule <strong>de</strong>r Pallottiner in<br />

Vallendar eine Nachqualifizierung im<br />

Fach Katholische Religion für das<br />

Lehramt an Grund- und Hauptschulen<br />

in Rheinland-Pfalz erfolgreich abgeschlossen<br />

und die staatliche Unterrichtserlaubnis<br />

erworben.<br />

Hoch motiviert, mit Elan und wachsen<strong>de</strong>m<br />

Interesse reisten die angehen<strong>de</strong>n<br />

Religionslehrerinnen zu sechs<br />

zweitägigen Vorlesungsveranstaltungen,<br />

fünf Begleitzirkeln und zwei Seminartagen<br />

zur Hochschule <strong>de</strong>r Pallottiener<br />

in Vallendar an. Grundlegen<strong>de</strong><br />

theologische Themen, wie die Exegese<br />

<strong>de</strong>s Alten und Neuen Testaments, die<br />

Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Gottessohnschaft Jesu<br />

Christi, <strong>de</strong>r Kirche, <strong>de</strong>r Liturgie, <strong>de</strong>s<br />

Kirchenjahrs und <strong>de</strong>r Sakramente wur<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>n Teilnehmerinnen von Professoren<br />

<strong>de</strong>r Hochschule vermittelt. Ergänzt<br />

wur<strong>de</strong>n diese Inhalte durch das<br />

Erlernen kindgemäßer Vermittlung im<br />

Religionsunterricht - hier kam <strong>de</strong>r mystagogisch-performative<br />

Ansatz innerhalb<br />

<strong>de</strong>r Religionspädagogik beson<strong>de</strong>rs<br />

zum Tragen. Zeitgemäß Religion zu<br />

unterrichten, be<strong>de</strong>utet, die Kin<strong>de</strong>r im<br />

Religionsunterricht in christliche Glaubensgrundlagen<br />

und ihre Ausdrucksweisen<br />

einzuführen, beispielsweise das<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

Ob immer gleich eine ganze Fachschaft<br />

einen entsprechen<strong>de</strong>n Antrag stellen<br />

muss, sollte je<strong>de</strong>r für sich sorgfältig<br />

prüfen. Und nicht vergessen wer<strong>de</strong>n<br />

darf, dass <strong>de</strong>r viel beklagte Ausfall <strong>de</strong>s<br />

Religionsunterrichts nicht auch noch<br />

durch die eigenen Fachlehrer erhöht<br />

wer<strong>de</strong>n sollte. Ein Erlass kann auch geän<strong>de</strong>rt<br />

wer<strong>de</strong>n... Dies sollte auch im<br />

Beten im Religionsunterricht, christliche<br />

Zeichen und Sprache verstehen<br />

und nachvollziehen lernen, die Be<strong>de</strong>utung<br />

<strong>de</strong>r Liturgie und <strong>de</strong>r Sakramente<br />

für das eigene Leben erkennen.<br />

Das Klima <strong>de</strong>r Hochschule, die<br />

geistlichen Angebote, mit <strong>de</strong>n Teilnehmerinnen<br />

gestaltete Gottesdienste und<br />

Gebetszeiten, trugen zu einem ganzheitlichen<br />

Erleben <strong>de</strong>s Erlernten bei.<br />

Das Erstellen einer Hausarbeit und eine<br />

Abschlussprüfung bil<strong>de</strong>ten <strong>de</strong>n Abschluss<br />

<strong>de</strong>s Kurses. Die Nachqualifizierung<br />

wur<strong>de</strong> in Kooperation mit <strong>de</strong>m<br />

Bischöflichen Ordinariat <strong>Limburg</strong>, <strong>de</strong>r<br />

Philosophisch-Theologischen Hochschule<br />

Vallendar, <strong>de</strong>m Institut für Leh-<br />

Blick haben, wer zur Teilnahme am<br />

nächsten Katholikentag bis zu drei Tage<br />

Dienstbefreiung beantragen will,<br />

<strong>de</strong>nn auch dies ist möglich aufgrund eines<br />

an<strong>de</strong>ren Erlasses (vom 16. Juli<br />

2002) ...<br />

Walter Fischedick<br />

Nachqualifizierungskurs erfolgreich abgeschlossen<br />

rerfort- und -weiterbildung Mainz und<br />

<strong>de</strong>r Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion<br />

Trier, Außenstelle Koblenz,<br />

durchgeführt. Der nächste Nachqualifizierungskurs<br />

startet im Januar 2008.<br />

Katharina Sauer<br />

Kontakt:<br />

Katharina Sauer<br />

Dezernat Bildung und Kultur<br />

Rossmarkt 12<br />

65549 <strong>Limburg</strong><br />

Foto: privat<br />

Fon 06431-295-360<br />

E-Mail: k.sauer@<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong>


Die Stadt als Ort kirchlicher Präsenz neu ent<strong>de</strong>cken<br />

Bischof Kamphaus weiht das Haus am Dom ein – „Geschenk an die Stadt“<br />

Mit <strong>de</strong>m neuen Bildungs- und Kulturzentrum<br />

Haus am Dom in Frankfurt<br />

am Main will das <strong>Bistum</strong> <strong>Limburg</strong> die<br />

Stadt als Ort kirchlicher Präsenz neu<br />

ent<strong>de</strong>cken. Darauf hat <strong>de</strong>r <strong>Limburg</strong>er<br />

Bischof Dr. Franz Kamphaus am 14. Januar<br />

2007 bei <strong>de</strong>r feierlichen Eröffnung<br />

<strong>de</strong>s Hauses in unmittelbarer Nachbarschaft<br />

zum Kaiserdom hingewiesen.<br />

„Verschwin<strong>de</strong>t die Kirche aus <strong>de</strong>n<br />

Städten, dann verschwin<strong>de</strong>t sie aus<br />

<strong>de</strong>m Leben <strong>de</strong>r Menschen“, warnte <strong>de</strong>r<br />

Bischof, <strong>de</strong>r auch darauf hinwies, dass<br />

Religion „ganz ursprünglich“ zur Kultur<br />

gehöre. Zum „Geist <strong>de</strong>s Hauses“,<br />

wie er ihn erhoffe, gehöre aber auch,<br />

dass hier Menschen aller Schichten<br />

miteinan<strong>de</strong>r ins Gespräch kommen und<br />

„nicht nur diejenigen, die ohnehin <strong>de</strong>n<br />

Ton angeben“: Der diakonische Dienst<br />

<strong>de</strong>r Kirche in <strong>de</strong>r Stadtkultur „besteht<br />

nicht zuletzt darin, Menschen füreinan<strong>de</strong>r<br />

erreichbar zu machen, die sich<br />

sonst in Subkulturen voneinan<strong>de</strong>r abschotten“,<br />

sagte <strong>de</strong>r Bischof.<br />

Das <strong>Bistum</strong> <strong>Limburg</strong> hat rund 22<br />

Millionen Euro in <strong>de</strong>n Umbau <strong>de</strong>s frü-<br />

(...) „Von je her haben die Menschen<br />

die Entstehung <strong>de</strong>r Stadt als einen<br />

wichtigen Schritt in ihrer Geschichte<br />

verstan<strong>de</strong>n. Aus <strong>de</strong>r Entwicklung<br />

<strong>de</strong>r Kultur lässt sie sich<br />

kaum weg <strong>de</strong>nken. Die Hochkulturen<br />

beginnen als Stadtkulturen. Was wäre<br />

Europa, was Deutschland ohne seine<br />

Städte? Das Christentum trat seinen<br />

Weg von <strong>de</strong>n Städten aus an, erst<br />

spät kam es von dort auf das Land. Es<br />

gibt keine natürliche Affinität von<br />

Religion und Land. Manche <strong>de</strong>nken<br />

immer noch: ‚Stadtluft macht frei,<br />

aufgeklärt, da weht ein an<strong>de</strong>rer Wind<br />

als in <strong>de</strong>r Kirche. Da ist für die Kirche<br />

wenig zu holen.’ Weit gefehlt!<br />

Das Christentum ist von Anfang an<br />

eine Stadtreligion: Jerusalem, Rom,<br />

Byzanz, Wien, Moskau. „Kirche fin-<br />

heren Hauptzollamtes <strong>de</strong>r Stadt gesteckt,<br />

das um eine gläserne Eingangshalle<br />

und ein mo<strong>de</strong>rnes Tagungszentrum<br />

erweitert wur<strong>de</strong>. Hier sollen künftig<br />

klassische Erwachsenenbildung und<br />

anspruchsvolle Aka<strong>de</strong>mieveranstaltun-<br />

<strong>de</strong>t Stadt!“ So das Thema <strong>de</strong>s letzten<br />

Kreuzfestes hier in Frankfurt. Da gehört<br />

sie hin, ohne je<strong>de</strong> Berührungsangst.<br />

Es sind die Städte, in <strong>de</strong>nen<br />

sich die Zukunft <strong>de</strong>r Menschheit abspielt<br />

und entschei<strong>de</strong>t. UN-Prognosen<br />

sprechen davon, dass in absehbarer<br />

Zeit etwa 80 Prozent <strong>de</strong>r<br />

Weltbevölkerung in Städten leben<br />

wer<strong>de</strong>n. Verschwin<strong>de</strong>t die Kirche aus<br />

<strong>de</strong>n Städten, dann verschwin<strong>de</strong>t sie<br />

aus <strong>de</strong>m Leben <strong>de</strong>r Menschen. Niemand<br />

sollte sich damit trösten, sie<br />

wer<strong>de</strong> in ihren ländlichen Hochburgen<br />

überwintern. Die gibt es längst<br />

nicht mehr. Die Abgrenzung Stadt -<br />

Land ist fließend gewor<strong>de</strong>n. So hoffen<br />

wir, dass durch das Haus am Dom<br />

die Verbindung zwischen Frankfurt<br />

und <strong>de</strong>m übrigen <strong>Bistum</strong> noch flie-<br />

Foto: En<strong>de</strong>rs<br />

gen für das gesamte <strong>Bistum</strong> spannen<strong>de</strong><br />

Fragen und strittige Themen <strong>de</strong>r Gegenwart<br />

aufgreifen. Den intellektuellen<br />

Austausch mit <strong>de</strong>n Bürgern <strong>de</strong>r Main-<br />

Metropole, mit Politik, Wirtschaft und<br />

Gesellschaft, wird dabei vor allem das<br />

ßen<strong>de</strong>r wird, zur wechselseitigen Bereicherung.<br />

Es kommt darauf an, die Stadt als<br />

Ort kirchlicher Präsenz neu zu ent<strong>de</strong>cken.<br />

In einer Zeit, in <strong>de</strong>r die Kirchengebäu<strong>de</strong><br />

leerer wer<strong>de</strong>n und viele Menschen<br />

sie mehr als Museen <strong>de</strong>nn als<br />

Gotteshäuser wahrnehmen, ist das<br />

nicht leicht. Kirche und Stadt scheinen<br />

einan<strong>de</strong>r frem<strong>de</strong>r zu wer<strong>de</strong>n. Wenn die<br />

Kirche das än<strong>de</strong>rn will, muss sie versuchen,<br />

die Frem<strong>de</strong> als Heimat zu begreifen.<br />

Das Haus am Dom ist ein Zeichen<br />

<strong>de</strong>s kirchlichen Willens, das ernst<br />

zu nehmen. (...)<br />

Ausschnitte <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong>, die Bischof Dr. Franz Kamphaus<br />

bei <strong>de</strong>r Einweihung <strong>de</strong>s „Haus am Dom“ in Frankfurt/<br />

Main gehalten hat.<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />

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<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />

76<br />

Aka<strong>de</strong>mische Zentrum Rabanus Maurus<br />

suchen.<br />

Das Haus am Dom beherbergt außer<strong>de</strong>m<br />

Einrichtungen <strong>de</strong>r katholischen<br />

Stadtkirche Frankfurt, das Religionspädagogische<br />

Amt, das Referat für<br />

Weltanschauungsfragen, die Medienund<br />

Öffentlichkeitsarbeit <strong>de</strong>s <strong>Bistum</strong>s,<br />

die Kirchenzeitung „Der Sonntag“ und<br />

die Katholische Erwachsenenbildung.<br />

Im Souterrain erhält das benachbarte<br />

Dommuseum zusätzliche Ausstellungsflächen,<br />

<strong>de</strong>r ehemalige Hauptzollsaal<br />

steht <strong>de</strong>m Museum für mo<strong>de</strong>rne<br />

Kunst (MMK) zur Verfügung.<br />

Die Frankfurter Oberbürgermeisterin<br />

Petra Roth dankte <strong>de</strong>m Bischof von<br />

<strong>Limburg</strong> ausdrücklich für das Kulturund<br />

Begegnungszentrum im Herzen <strong>de</strong>r<br />

Stadt: „Wir fühlen uns mit dieser einmaligen<br />

Einrichtung reich beschenkt.“ Das<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

Foto: En<strong>de</strong>rs<br />

Besuchen Sie auch im Internet:<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong>-Online:<br />

www.ifrr.<strong>de</strong><br />

Haus am Dom sei das erste Element einer<br />

wie<strong>de</strong>rerstehen<strong>de</strong>n Altstadt, die<br />

„Heimat und Urbanität zugleich vermittelt“.<br />

Der Frankfurter Architekt Prof. Jochem<br />

Jourdan habe hier Maßstäbe gesetzt.<br />

Bei <strong>de</strong>r Neugestaltung <strong>de</strong>s Areals<br />

zwischen Dom und Römer sei <strong>de</strong>r Neubau<br />

Verpflichtung, Alt und Neu zu einem<br />

harmonischen Ganzen zu formen.<br />

Bischof Kamphaus hatte sich viele<br />

Jahre für <strong>de</strong>n Bau dieses Begegnungszentrums<br />

eingesetzt und seine Finanzierung<br />

trotz <strong>de</strong>s strikten Sparkurses<br />

<strong>de</strong>s <strong>Bistum</strong>s durchgesetzt. Nach <strong>de</strong>m<br />

Festakt am Mittag, an <strong>de</strong>m rund 400<br />

Menschen aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

teilnahmen, strömten am<br />

Nachmittag mehrere hun<strong>de</strong>rt Bürger zu<br />

einem bunten Programm in die neuen<br />

Räume. Den Tag beschloss ein festlicher<br />

Gottesdienst im Bartholomäusdom.<br />

Doris Wiese-Gutheil<br />

Foto: En<strong>de</strong>rs


„Der Zusammenhang von Religion und Gewalt<br />

ist einfach hoch aktuell“<br />

Interview mit Altbischof Dr. Franz Kamphaus über<br />

das Buch „Toleranz und Gewalt“ von Prof. Dr. Arnold Angenendt<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong>: Herr Bischof, sie empfehlen Arnold<br />

Angenendts Buch „Toleranz und<br />

Gewalt“ vor allem für Religionslehrerinnen<br />

und Religionslehrer. Das Buch<br />

ist Ihnen gewidmet. Ist das so etwas wie<br />

eine Empfehlung in eigener Sache?<br />

Bischof:Das können Sie durchaus so<br />

sehen. Die Fragen nach <strong>de</strong>r Gewalt sind<br />

in <strong>de</strong>r Tat meine „eigene Sache“. Aber<br />

wir müssen uns alle damit beschäftigen.<br />

Natürlich ist Arnold Angenendt<br />

ein alter Freund, aber ganz unabhängig<br />

davon freue ich mich, dass er ein so<br />

wichtiges Buch geschrieben hat.<br />

Was ist an <strong>de</strong>m Buch so wichtig?<br />

Die Frage nach <strong>de</strong>m Zusammenhang<br />

von Religion und Gewalt ist einfach<br />

hoch aktuell! Viele, die geistig offen<br />

und interessiert sind, interessieren<br />

sich vermehrt für die Religion. Und da<br />

wir in <strong>de</strong>n Zeiten <strong>de</strong>s Pluralismus leben,<br />

geht es Ihnen wie <strong>de</strong>m Altbun<strong>de</strong>skanzler<br />

Helmut Schmidt. Es gab Zeiten,<br />

da hat er sich als evangelischer<br />

Christ bekannt. Nun aber zieht er sich<br />

in eine allgemeine Spiritualität zurück,<br />

weil er meint, dass die vielen Religionen<br />

alle doch nur dasselbe wollen und<br />

alle irgendwie Recht haben, am En<strong>de</strong><br />

aber keine so richtig. Der durchschnittliche<br />

Intellektuelle ist gleichzeitig Individualist<br />

und Relativist. Je<strong>de</strong>r soll für<br />

sich selbst entschei<strong>de</strong>n. Wofür er sich<br />

entschei<strong>de</strong>t – davon hängt nicht viel ab.<br />

Was hat das mit <strong>de</strong>m Problem <strong>de</strong>r Gewalt<br />

zu tun?<br />

Sehr viel! Denn die Anhänger dieser<br />

flauen Spiritualität, die mit Recht<br />

abgeschreckt sind von Fanatikern und<br />

fundamentalistischen Gewalttätern, haben<br />

einen Generalverdacht gegen <strong>de</strong>n<br />

Monotheismus als Quelle <strong>de</strong>r Gewalt.<br />

Der Ägyptologe Jan Assmann hat diesen<br />

Eindruck durch die These verstärkt,<br />

mit <strong>de</strong>r „mosaischen Entgegensetzung“,<br />

also mit <strong>de</strong>r Religionskritik, die Mose<br />

an <strong>de</strong>n selbst gemachten Göttern <strong>de</strong>r<br />

Ägypter geübt hat, sei ein schweres<br />

Übel in die Welt gekommen. Seine Beschreibung<br />

<strong>de</strong>s Glaubens an die vielen<br />

Buchcover<br />

Götter liest sich dagegen wie eine<br />

friedliche Idylle, in <strong>de</strong>r alle friedlich<br />

nebeneinan<strong>de</strong>r leben und je<strong>de</strong>r nach<br />

seiner Fasson selig wird. Arnold Angenendt<br />

hat in seinem Buch dagegen<br />

<strong>de</strong>n Forschungsstand <strong>de</strong>r Religionswissenschaft<br />

aufgezeigt. Traditionelle Religionen<br />

sind „Gentilreligionen“. Sie<br />

sind das, was <strong>de</strong>r eigene Clan glaubt,<br />

<strong>de</strong>r die Nachbarreligion keineswegs<br />

gewaltfrei und friedlich betrachtet.<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />

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<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />

78<br />

Altbischof Dr. Franz Kamphaus<br />

Stichwort Forschungsstand. Das Buch<br />

ist dick, wenn auch sehr gut lesbar. Das<br />

kommt daher, dass Angenendt im klassischen<br />

Gelehrtenstil nicht einfach seine<br />

Meinung hinschreibt, son<strong>de</strong>rn die<br />

Stimmen <strong>de</strong>r Spezialforschung durch<br />

geschickte Zitate hören lässt.<br />

Wer nicht gerne dicke Bücher von<br />

vorne bis hinten durchliest, kann das<br />

Buch fast wie ein Nachschlagewerk benutzen.<br />

Es ist aber kein Lexikon.<br />

Ein Lexikon ist es nicht, aber Angenendt<br />

geht die „Skandalkapitel“ <strong>de</strong>r<br />

Kirchengeschichte so ziemlich <strong>de</strong>r Reihe<br />

nach durch. Darin sehe ich auch <strong>de</strong>n<br />

großen Nutzen für die Religionslehrer,<br />

<strong>de</strong>nn wie ich aus vielen Gesprächen<br />

weiß und es oft auch selbst erlebe, es<br />

sind doch immer dieselben Reizworte,<br />

die in Debatten, wie sie auch in <strong>de</strong>n älteren<br />

Jahrgangsklassen <strong>de</strong>r Schule geführt<br />

wer<strong>de</strong>n, immer wie<strong>de</strong>r vorkommen:<br />

Zwangsbekehrung, Kreuzzüge,<br />

Inquisition, Hexen- und Bücherverbrennungen.<br />

Aber da ist doch was dran?<br />

Was dran ist und was nicht, ist nicht<br />

ganz unwichtig. Bevor das Geschichtsbild<br />

durch eine Aneinan<strong>de</strong>rreihung von<br />

Klischees vergröbert wird, kommt es<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

doch zuerst einmal auf die Beantwortung<br />

<strong>de</strong>r Frage an: Wie ist es <strong>de</strong>nn tatsächlich<br />

gewesen?<br />

Alles halb so schlimm?<br />

Darin sehe ich einen beson<strong>de</strong>ren<br />

Vorzug <strong>de</strong>s Buches, dass es nicht revisionistisch<br />

ist, d. h. dass es nicht einfach<br />

in apologetischer Manier die Verbrechen<br />

und Untaten, die es in <strong>de</strong>r Tat<br />

wirklich gegeben hat, verniedlicht und<br />

relativiert. Aber es gibt einfach wichtige<br />

Unterschie<strong>de</strong>. Es ist schon interessant,<br />

mit <strong>de</strong>r Forschung festzustellen,<br />

dass die Empfehlung Christi, das Unkraut<br />

zusammen mit <strong>de</strong>m Weizen aufwachsen<br />

zu lassen und das letzte Urteil<br />

<strong>de</strong>m Herrn <strong>de</strong>r Ernte zu überlassen, dafür<br />

gesorgt hat, dass im ersten Jahrtausend<br />

praktisch keine Häretiker umgekommen<br />

sind. Nur einer ist am Kaiserhof<br />

zu Trier 385 hingerichtet wor<strong>de</strong>n,<br />

unter großem Protest übrigens. Natürlich<br />

ist es in <strong>de</strong>r Folge dann doch zu<br />

Ketzerverfolgungen und einer systematischen<br />

Intoleranz gekommen. Angenendt<br />

ist hier sehr klar. Da gibt es<br />

nichts zu beschönigen. Aber es macht<br />

einfach einen Unterschied, ob es Millionen<br />

gewesen sind, wie das die einschlägigen<br />

Spiegel- und Focus-Artikel<br />

und eine bestimmte Art von Bestsellerliteratur<br />

so wollen, o<strong>de</strong>r ob es einige<br />

Tausend gewesen sind. Und das Kapitel<br />

Inquisition bleibt ein schlimmes,<br />

auch wenn ich erfahre, dass es die Inquisition<br />

gewesen ist, die in Spanien<br />

die Hexenverfolgung been<strong>de</strong>t hat und<br />

die für die Rechtsgeschichte eine Be<strong>de</strong>utung<br />

hat, weil hier große Fortschritte<br />

im Prozessverfahren erreicht wor<strong>de</strong>n<br />

sind. Das hat mit Aufrechten nichts zu<br />

tun, aber es ernüchtert <strong>de</strong>n Blick.<br />

An<strong>de</strong>re Zeiten an<strong>de</strong>re Sitten?<br />

Man kann moralisch ein<strong>de</strong>utig sein<br />

und doch darauf verzichten, über die<br />

Vorfahren zu Gericht zu sitzen. Für uns<br />

Christen ist es gut zu wissen, wo die<br />

Straßengräben verlaufen, in die man in<br />

<strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r Kirche schon gefahren<br />

ist. Die Markierung dieser Fehler<br />

und Sün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Kirche sollte man auch<br />

von einem Schuldbekenntnis unterschei<strong>de</strong>n,<br />

wie wir es aus <strong>de</strong>m Bußsakrament<br />

kennen. Hier bin ich selbst ein<br />

Täter, <strong>de</strong>r umkehren will und auf die<br />

Gna<strong>de</strong> Gottes setzt. Ein Schuldbekenntnis,<br />

das ich für an<strong>de</strong>re ablege,<br />

kann eine raffinierte Form <strong>de</strong>r Anklage<br />

sein. Und immer gilt: Wir sitzen nicht<br />

auf <strong>de</strong>m Richterstuhl Gottes.<br />

Letzte Frage. Herr Bischof, wie geht es<br />

Ihnen?<br />

Mir geht es sehr gut. Ich kann wie<strong>de</strong>r<br />

besser schlafen als in <strong>de</strong>n letzten<br />

Jahren. Die Verabschiedung von meinem<br />

Amt, wie überhaupt <strong>de</strong>r Abschied<br />

von <strong>Limburg</strong>, hat mich nicht kalt gelassen.<br />

Aber ich freue mich auf meine<br />

neue Aufgabe in Aulhausen. Das ist<br />

nicht <strong>de</strong>r schlechteste Ort im <strong>Bistum</strong><br />

<strong>Limburg</strong>.<br />

Vielen Dank, Bischof Franz.<br />

Anzeige


Beate Denfeld ist neue Vorsitzen<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s Religionslehrerverban<strong>de</strong>s VKR-Hessen<br />

Auf <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>rversammlung <strong>de</strong>s<br />

Verban<strong>de</strong>s Katholischer Religionslehrer<br />

an Berufsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Schulen (VKR), Lan<strong>de</strong>sverband<br />

Hessen, wur<strong>de</strong> ein neuer Vorstand<br />

gewählt. Sieben Jahre stand Diakon<br />

Joachim Pauli an <strong>de</strong>r Spitze <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s,<br />

<strong>de</strong>r sich als Sprachrohr <strong>de</strong>r Religionslehrinnen<br />

und Religionslehrer an Beruflichen<br />

Schulen in Hessen versteht.<br />

Unter <strong>de</strong>r Regie von Pauli wur<strong>de</strong> in<br />

Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m Päd. Zentrum<br />

<strong>de</strong>r Bistümer in Wiesba<strong>de</strong>n-Naurod<br />

eine Vielzahl von akkreditierten<br />

Lehrerfortbildungen durchgeführt. Diese<br />

Fortbildungsveranstaltungen sind regelmäßig<br />

sehr gut besucht und zeigen,<br />

Der Frankfurter Kirchenführer auf<br />

CD-ROM lädt ein zu einer Ent<strong>de</strong>ckungsreise<br />

durch drei Kirchen Frankfurts:<br />

St. Katharinen, <strong>de</strong>n Frankfurter<br />

Dom und die alte Nikolaikirche, Orte<br />

Bezug:<br />

welchen Stellenwert sie in <strong>de</strong>n Beruflichen<br />

Schulen haben. So war auch die<br />

Mitglie<strong>de</strong>rversammlung in Wiesba<strong>de</strong>n-<br />

Naurod umrahmt von einer Wochenendfortbildung<br />

zu <strong>de</strong>n Themen „Selbstbil<strong>de</strong>r<br />

von Jugendlichen“ und „Internet“<br />

mit Referent Prof. Dr. Stefan Aufenanger,<br />

an <strong>de</strong>r über 40 Lehrerinnen<br />

und Lehrer aus ganz Hessen teilnahmen.<br />

Zugegen waren auch die Referenten<br />

<strong>de</strong>r bischöflichen Schul<strong>de</strong>zernate,<br />

um aktuelle Fragen zu beantworten.<br />

Auf <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>rversammlung<br />

wur<strong>de</strong> Beate Denfeld, Religionslehrerin<br />

an <strong>de</strong>r Hochtaunusschule in Oberursel,<br />

zur neuen Vorsitzen<strong>de</strong>n gewählt.<br />

Frankfurter Kirchenführer als CD-ROM<br />

Der Schatz vor <strong>de</strong>r Haustür – Eine Ent<strong>de</strong>ckungsreise<br />

Ton- und Bildstelle e.V.<br />

Rechneigrabstr. 10<br />

60311 Frankfurt am Main<br />

Fon: 069-29961100<br />

E-Mail: info@tonbild.<strong>de</strong><br />

Homepage: www.tonbild.<strong>de</strong><br />

25.00 EUR zzgl. Versandkosten<br />

lebendigen christlichen Glaubens, die<br />

Zeugnisse geistiger und gesellschaftlicher<br />

Tradition aus vielen Jahrhun<strong>de</strong>rten<br />

bewahren. Der ökumenische Kirchenführer<br />

bietet viele Informationen<br />

in Text und Bild, mit zahlreichen Anregungen<br />

und Extras. Er hilft dabei, so<br />

manches Kleinod zu ent<strong>de</strong>cken.<br />

In <strong>de</strong>n drei vorgestellten Kirchen<br />

dreht sich so gut wie alles um zentrale<br />

Fragen, die speziell in <strong>de</strong>r Sekundarstufe<br />

in <strong>de</strong>n Fächern Evangelische / Katholische<br />

Religion und Ethik zum<br />

Pflichtprogramm gehören, die aber<br />

auch in Gesellschaftslehre, Geschichte,<br />

Deutsch, Kunst und Musik eine wichtige<br />

Rolle spielen – i<strong>de</strong>al für alle, die im<br />

Bildungsbereich arbeiten.<br />

Sie rückt damit neu in <strong>de</strong>n Vorstand <strong>de</strong>s<br />

VKR-Hessen. Gleichzeitig wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

schei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Vorsitzen<strong>de</strong> Joachim Pauli<br />

für seine Verdienste geehrt. Wie<strong>de</strong>rgewählt<br />

wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Stellvertr. Vorsitzen<strong>de</strong><br />

Ulrich Kinz ebenso wie <strong>de</strong>r Schriftführer<br />

Wolfgang Hafemann und <strong>de</strong>r<br />

Kassenwart Horst Conze.<br />

Die Mitglie<strong>de</strong>rversammlung war<br />

sich darüber einig, dass <strong>de</strong>r VKR-Hessen<br />

die bewährten Veranstaltungen<br />

weiterführen wird und die Interessensvertretung<br />

für die hessischen Religionslehrerinnen<br />

und -lehrer, auch auf<br />

politischer Ebene, verstärken wird.<br />

Wolfgang Hafemann<br />

Die CD-ROM bietet darüber hinaus<br />

reichlich Material für einen Einsatz in <strong>de</strong>r<br />

kirchlichen Gemein<strong>de</strong>arbeit, in <strong>de</strong>r außerschulischen<br />

wie nichtkirchlichen Jugendarbeit<br />

und <strong>de</strong>r Erwachsenenbildung.<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />

79


I. Zielsetzung<br />

Die Stiftung DEY för<strong>de</strong>rt charakterlich<br />

geeignete Kin<strong>de</strong>r, Jugendliche,<br />

Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> und Stu<strong>de</strong>nten/-innen<br />

aus katholischen Familien, die eine hohe<br />

Begabung intellektueller o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rer<br />

Art besitzen, i<strong>de</strong>ell und materiell. Durch<br />

ihre För<strong>de</strong>rung will die Stiftung DEY zur<br />

Heranbildung qualifizierten katholischen<br />

Nachwuchses in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten<br />

Bereichen unserer Gesellschaft<br />

beitragen.<br />

II. För<strong>de</strong>rungskriterien<br />

Für eine Bewerbung müssen folgen<strong>de</strong><br />

Kriterien gleichzeitig erfüllt sein:<br />

• katholische Konfession<br />

• beson<strong>de</strong>re Begabung und fachliche<br />

Qualifikation<br />

• kirchliches Engagement<br />

• charakterliche Eignung<br />

III. För<strong>de</strong>rungsleistungen<br />

• Zuwendungen durch einmalige<br />

o<strong>de</strong>r periodische Geldleistungen<br />

• Unterstützung beim Ergreifen<br />

bestehen<strong>de</strong>r Bildungsmöglichkeiten<br />

und bei <strong>de</strong>r Erschließung neuer<br />

Bildungswege<br />

• Ermöglichung menschlicher Kontakte<br />

innerhalb <strong>de</strong>s geför<strong>de</strong>rten Kreises<br />

IV. För<strong>de</strong>rungsdauer<br />

Die För<strong>de</strong>rung wird zunächst für die<br />

Dauer eines Kalen<strong>de</strong>rjahres gewährt.<br />

Eine Verlängerung <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung kann<br />

vom Stipendiaten, von <strong>de</strong>r Stipendatin<br />

ggf. beantragt wer<strong>de</strong>n. Vor <strong>de</strong>r Entscheidung<br />

über eine weitere För<strong>de</strong>rung<br />

wird u.a. durch eine Leistungskontrolle<br />

(Arbeitsbericht) festgestellt, ob dies<br />

gerechtfertigt ist. Eine Verlängerung wird<br />

jeweils für <strong>de</strong>n Zeitraum eines weiteren<br />

Jahres gewährt.<br />

Anträge sind zu richten an:<br />

Bischöfliches Ordinariat<br />

Kuratorium <strong>de</strong>r Stiftung DEY<br />

z. Hd. Herrn Martin W. Ramb<br />

Roßmarkt 12<br />

65549 <strong>Limburg</strong>/Lahn<br />

V. Bewerbungs- und<br />

Auswahlverfahren<br />

Es gilt das Prinzip <strong>de</strong>r Selbstbewerbung.<br />

Der standardisierte Bewerbungsbogen<br />

kann mit einem formlosen Schreiben<br />

bei <strong>de</strong>r Stiftung angefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die vollständigen Bewerbungsunterlagen<br />

müssen bis spätestens 31.12. für das<br />

Folgejahr vorliegen.<br />

Die Bewerbung soll folgen<strong>de</strong> Unterlagen<br />

enthalten:<br />

• Bewerbungsbogen<br />

• ausführlicher Lebenslauf<br />

• Zusammenstellung <strong>de</strong>r bisherigen<br />

Ausbildungs- und Studienschwerpunkte<br />

• ggf. eine Darstellung <strong>de</strong>s<br />

Dissertationsvorhabens<br />

• Abschlusszeugnisse bzw. sonstige<br />

Qualifikationen und Nachweise<br />

• Referenz durch einen Priester<br />

und/o<strong>de</strong>r Pastorale Mitarbeiter/-in<br />

Bewerber/-innen, die in die engere<br />

Wahl einbezogen wer<strong>de</strong>n, bittet die<br />

Stiftung zu einem Gespräch.<br />

Die endgültige Entscheidung über einen<br />

För<strong>de</strong>rungsantrag trifft das Kuratorium.<br />

Das Bemühen um eine möglichst faire,<br />

umfassen<strong>de</strong> Beurteilung <strong>de</strong>r Persönlichkeit<br />

eines je<strong>de</strong>n Bewerbers, einer je<strong>de</strong>n<br />

Bewerberin kennzeichnet das Auswahlverfahren<br />

<strong>de</strong>r Stiftung; dazu gehört ein<br />

differenziertes Verständnis von Begabung.<br />

Auf generalisieren<strong>de</strong> Metho<strong>de</strong>n<br />

zu ihrer Bestimmung wird bewusst<br />

verzichtet. Im Vor<strong>de</strong>rgrund steht die<br />

individuelle Bewertung von Eignung,<br />

Leistungsfähigkeit und –bereitschaft mit<br />

Blick auf das jeweils angestrebte<br />

Bildungs- bzw. Ausbildungsziel.<br />

Das Kuratorium erwartet, dass <strong>de</strong>r/die<br />

Bewerber/-in darüber informiert, ob<br />

von einer an<strong>de</strong>ren Einrichtung eine<br />

För<strong>de</strong>rung beantragt wur<strong>de</strong> bzw.<br />

bereits geleistet wird.<br />

Grün<strong>de</strong> für die Aufnahme o<strong>de</strong>r die<br />

Ablehnung wer<strong>de</strong>n nicht mitgeteilt.<br />

Ein Rechtsanspruch auf Aufnahme in<br />

die För<strong>de</strong>rung besteht nicht.<br />

BISTUM LIMBURG<br />

Die unselbstständige<br />

Stiftung DEY mit <strong>de</strong>m Sitz<br />

in <strong>Limburg</strong> an <strong>de</strong>r Lahn<br />

geht zurück auf eine<br />

Schenkung <strong>de</strong>r<br />

Geschwister Dey aus <strong>de</strong>m<br />

Jahr 1987


Bestell-Liste<br />

Themen <strong>de</strong>r Hefte 1980 – 2006<br />

Die nachfolgen<strong>de</strong>n Hefte können, solange <strong>de</strong>r Vorrat reicht, nachbestellt wer<strong>de</strong>n:<br />

Jahrgang 1980<br />

Heft 1/2: *Audiovisuelle Medien<br />

Heft 3: * Die Bibel im Religionsunterricht<br />

Heft 4: Jesus Christus – Gott wird Mensch ❏<br />

Jahrgang 1981<br />

Heft 1/2: Beten in <strong>de</strong>r Schule ❏<br />

Heft 3: Im Dialog ❏<br />

Heft 4: Für euch und für alle ❏<br />

Jahrgang 1982<br />

Heft 1/2: Religiöse Erziehung in <strong>de</strong>r Eingangsstufe ❏<br />

Heft 3: Religionsunterricht in <strong>de</strong>r Primarstufe ❏<br />

Heft 4: * Religionsunterricht<br />

Jahrgang 1983<br />

Heft 1: * Katholische Soziallehre<br />

Heft 2/3:* Nehmet einan<strong>de</strong>r an ...<br />

Heft 4: * Das Reich Gottes ist nahe ... (Mk 1.15)<br />

Jahrgang 1984<br />

Heft 1/2:* Maria<br />

Heft 3: * Das Kirchenjahr<br />

Heft 4: * Lebenswege – Glaubenswege<br />

Jahrgang 1985<br />

Heft 1/2:* 750 Jahre <strong>Limburg</strong>er Dom<br />

Heft 3: * Theologie <strong>de</strong>r Befreiung<br />

Heft 4: Armuts-Bewegungen ❏<br />

Jahrgang 1986<br />

Heft 1/2: Kirche im Aufbruch ❏<br />

Heft 3: Christen und Ju<strong>de</strong>n ❏<br />

Heft 4: Mit Wi<strong>de</strong>rsprüchen leben ❏<br />

Jahrgang 1987<br />

Heft 1/2:* Christen und Muslime<br />

Heft 3: * Christen und New Age<br />

Heft 4: Christen und Schöpfung ❏<br />

Jahrgang 1988<br />

Heft 1: Afrika begegnen – MISEREOR ‘88 ❏<br />

Heft 2/3: Schule und Leben ❏<br />

Heft 4: * Mystik und Politik<br />

Jahrgang 1989<br />

Heft 1/2: Brennpunkt: Religionsunterricht ❏<br />

Heft 3: * Sakramente im Religionsunterricht<br />

Heft 4: * Der lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Mensch – Der lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Gott<br />

Jahrgang 1990<br />

Heft 1: * Paulus – Der Lehrer<br />

Heft 2/3:* Religion und Musik<br />

Heft 4: * Impulse für die Kirche<br />

Jahrgang 1991<br />

Heft 1/2: *Prophetinnen und Propheten im<br />

Religionsunterricht<br />

Heft 3: Mitwelt – Schöpfung ❏<br />

Heft 4: Neue Re<strong>de</strong> von Maria ❏<br />

Jahrgang 1992<br />

Heft 1/2:* Herausfor<strong>de</strong>rung Islam<br />

Heft 3: * Biotechnik und Ethik<br />

Jahrgang 1993<br />

Heft 1: Qumran Essener Jesus ❏<br />

Heft 2/3:* Sterben / Tod / Eschatologie<br />

Heft 4: Religionsunterricht und Literatur ❏<br />

Jahrgang 1994<br />

Heft 1: * Fundamentalismus in Gesellschaft<br />

und Kirche<br />

Heft 2: * Von Gott re<strong>de</strong>n im Religionsunterricht<br />

Heft 3: Kirchengeschichte im Religionsunterricht ❏<br />

Heft 4: Das Erste Tesament und die Christen ❏<br />

Jahrgang 1995<br />

Heft 1: „Wenn die Kirche zur Schule geht ...“ ❏<br />

Heft 2: „Ich wer<strong>de</strong> von meinem Geist ausgießen<br />

über alles Fleisch“ (Apg 2,17) ❏<br />

Heft 3: Gespeicherte Erinnerung –<br />

Das Museum als Lernort ❏<br />

Heft 4: „Ich war hungrig; und ihr ...“ (Mt 25,35; 42)<br />

Vom Umgang mit <strong>de</strong>r Armut ❏<br />

Anzahl Anzahl<br />

Jahrgang 1996<br />

Heft 1: „Ihr seid zur Freiheit berufen ...“ (Gal 5,13)<br />

Er-löst! ❏<br />

Heft 2: „Er stellte ein Kind in ihre Mitte ...“ (Mt 18,1) ❏<br />

Heft 3: „... und spielte vor ihm allezeit.“ (Spr. 8,30 b) ❏<br />

Heft 4: Konfessionalität <strong>de</strong>s Religionsunterrichts ❏<br />

Jahrgang 1997<br />

Heft 1: * „Und vergib uns unsere Schuld.“ (Mt 6,12)<br />

Heft 2: * Alternativ leben<br />

Heft 3: * Mit mehr Sinn(en) leben<br />

Heft 4: „Typisch Mädchen?“<br />

Mädchenerziehung in <strong>de</strong>r Schule ❏<br />

Jahrgang 1998<br />

Heft 1: „Kehrt um, damit ihr am Leben bleibt!“<br />

(Ez 18,32) ❏<br />

Heft 2: „Vergesst mir die Berufsschüler nicht“ ❏<br />

Heft 3: Gemeinschaft <strong>de</strong>r Heiligen. Große Gestalten <strong>de</strong>s<br />

<strong>Bistum</strong>s und ihre Wirkung in unserer Zeit ❏<br />

Heft 4: * Ju<strong>de</strong>n – Muslime – Christen.<br />

Die drei Kin<strong>de</strong>r in Abrahams Schoß<br />

Jahrgang 1999<br />

Heft 1: Gottes Er<strong>de</strong> – Zum Wohnen gemacht.<br />

Unsere Verantwortung für die Schöpfung ❏<br />

Heft 2: En<strong>de</strong>? Apokalyptische Visionen in<br />

Vergangenheit und Gegenwart ❏<br />

Heft 3: Begegnungen mit <strong>de</strong>m Buddhismus ❏<br />

Heft 4: Jugendliche I<strong>de</strong>ntität–Christlicher Glaube ❏<br />

Jahrgang 2000<br />

Heft 1: * Heiliges Jahr 2000<br />

Heft 2: * RU online. Neue Medien im Religionsunterricht<br />

Heft 3: Kirchenraum als Lernort ❏<br />

Heft 4: „Schwarz greift ein“. Vom kritischen Verhältnis<br />

kirchlicher Religiosität zur „civil religion“ ❏<br />

Jahrgang 2001<br />

Heft 1: * Erinnerung für die Zukunft.<br />

Kirchengeschichte im Religionsunterricht<br />

Heft 2: * Religionsunterricht – Da steckt Musik drin<br />

Heft 3: * Chancen sehen – Der Religionsunterricht <strong>de</strong>r<br />

Zukunft<br />

Heft 4: * Auf <strong>de</strong>r Suche nach einer lebendigen Mystik<br />

Jahrgang 2002<br />

Heft 1: * In <strong>de</strong>r Spur <strong>de</strong>s Auferstan<strong>de</strong>nen<br />

Heft 2: „Das wäre ja gelacht!“ Humor und<br />

Komik im Religionsunterricht ❏<br />

Heft 3: * Perspektivenwechsel – Behin<strong>de</strong>rung mit<br />

an<strong>de</strong>ren Augen sehen<br />

Heft 4: Was ist schief an PISA? ❏<br />

Jahrgang 2003<br />

Heft 1: * Der achte Schöpfungstag?<br />

Heft 2: * „Nimm und lies!“<br />

Heft 3: Zeit für die Zeit ❏<br />

Heft 4: Der Sinn für die Fülle ❏<br />

Jahrgang 2004<br />

Heft 1: Ars moriendi – Ars vivendi. ❏<br />

Heft 2: Philosophieren mit Kin<strong>de</strong>rn<br />

im Religionsunterricht. ❏<br />

Heft 3: Einfach fantastisch!<br />

Das Fantastische im Religionsunterricht. ❏<br />

Heft 4: Erstaunliche Nähe – bedrängen<strong>de</strong> Ferne<br />

Der Islam im Verhältnis zum Christentum. ❏<br />

Jahrgang 2005<br />

Heft 1: Bewegung Gottes – Wege <strong>de</strong>s Pilgerns ❏<br />

Heft 2: Freu<strong>de</strong> am Lernen ❏<br />

Heft 3: Sag an, wer ist doch diese ... ❏<br />

Heft 4: Arbeiten an ungeliebten Bibeltexten ❏<br />

Jahrgang 2006<br />

Heft 1: Faszination Vatikan ❏<br />

Heft 2: „Er hat Gott gelästert“ –<br />

Blasphemie und Sakralität ❏<br />

Heft 3: Alles reiner Zufall? – Streit um Gott als<br />

intelligenten Designer ❏<br />

Heft 4: Erfahrung – Werte – Religion ❏<br />

je Ausgabe € 2.00<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong><br />

Name<br />

Vorname<br />

Schule<br />

Straße<br />

PLZ/Ort<br />

Telefon<br />

Bitte ausfüllen, kopieren<br />

und faxen an:<br />

06431/295-237<br />

o<strong>de</strong>r per Post sen<strong>de</strong>n an:<br />

Dezernat<br />

Bildung und Kultur<br />

Bischöfliches Ordinariat<br />

<strong>Limburg</strong><br />

Dipl.-Theol. Martin W. Ramb<br />

Postfach 1355<br />

65533 <strong>Limburg</strong><br />

* Diese Ausgaben sind vergriffen.<br />

Alle Ausgaben ab Jahrgang 1985 sind als<br />

PDF-Dateien im Internet unter www.ifrr.<strong>de</strong><br />

erhältlich.


<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />

82<br />

Veranstaltungen<br />

PÄDAGOGISCHES<br />

<strong>de</strong>r Bistümer im Lan<strong>de</strong> Hessen<br />

Soweit nicht an<strong>de</strong>rs angegeben, fin<strong>de</strong>n alle<br />

Kurse im Wilhelm-Kempf-Haus, Wiesba<strong>de</strong>n-<br />

Naurod, statt.<br />

PZ 54/2007<br />

23.05.2007, 14.30 Uhr bis 25.05.2007, 13.00 Uhr<br />

Schulpastoral an meiner Schule ?!<br />

Stefan Herok, <strong>Limburg</strong>; Dr. Brigitte Lob, Mainz;<br />

Wolfgang Ritz, Fulda<br />

Schulseelsorger/-innen aller Schulformen und an <strong>de</strong>r<br />

Schulpastoral interessierte Religionslehrer/-innen<br />

Eigenkostenanteil: 80.00 €; Leistungspunkte: ??<br />

PZ 57/2007<br />

11.06.2007, 14.30 Uhr bis 13.06.2007, 13.00 Uhr<br />

Regions in Britain<br />

Geoff Sammon, Bonn; Dominik Eberhard, Bonn<br />

Englischlehrer/-innen Schwerpunkt Sek I<br />

Eigenkostenanteil: 80.00 €; Leistungspunkte: 25<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

PZ 58/2007<br />

13.06.2007, 14.30 Uhr bis 15.06.2007, 13.00 Uhr<br />

Mit Kopf, Herz und Hand<br />

Ein Seminar zum lebendigen und<br />

ganzheitlichen Lernen in <strong>de</strong>r Schule<br />

Astrid Reinhardt, Gießen; Kathleen Fritz, Frankfurt<br />

Lehrer/-innen aller Schularten (Teilnehmerzahl: 16)<br />

Eigenkostenanteil: 80.00 €; Leistungspunkte: 25<br />

PZ 59/2007<br />

15.06.2007, 14.30 Uhr bis 16.06.2007, 17.00 Uhr<br />

Wieviel Sinne hat <strong>de</strong>r Mensch ?<br />

Olef Keser-Wagner, Wiesba<strong>de</strong>n<br />

Lehrer/-innen <strong>de</strong>r Sekundarstufe I<br />

Eigenkostenanteil: 60.00 €; Leistungspunkte: 20<br />

PZ 60/2007<br />

22.06.2007, 14.30 Uhr bis 23.06.2007, 18.00 Uhr<br />

Zwischen Verantwortung, Habgier<br />

und Sozialneid<br />

Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r exemplarischen Arbeit zur<br />

Wirtschaftsethik<br />

Dr. Armin Schnei<strong>de</strong>r, Lohmar<br />

Lehrer/-innen <strong>de</strong>r Fächer Politik und Wirtschaft, Sozialkun<strong>de</strong>,<br />

Ethik und Religion in Abschlussklassen <strong>de</strong>r Sek I und Sek II und<br />

an Berufsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Schulen<br />

Eigenkostenanteil: 60.00 €; Leistungspunkte: 20<br />

Veranstaltungen <strong>de</strong>r Ferienaka<strong>de</strong>mie entnehmen Sie bitte <strong>de</strong>m Flyer aus <strong>de</strong>r Heftmitte.<br />

* Der Eigenkostenanteil bezieht sich auf anteilige Kosten: Kurs mit Übernachtung/Vollverpflegung. Alle weiteren anfallen<strong>de</strong>n<br />

Kosten wer<strong>de</strong>n vom Pädagogischen Zentrum übernommen und aus Kirchensteuermitteln finanziert.<br />

Weitere IInnffoorrmmaattiioonneenn zu <strong>de</strong>n KKuurrsseenn fin<strong>de</strong>n Sie auf <strong>de</strong>r Homepage <strong>de</strong>s Pädagogischen Zentrums: iinnffoo@@ppzz--hheesssseenn..d<strong>de</strong>e o<strong>de</strong>r wwwwww..ppzz-hheesssseenn..d<strong>de</strong>e<br />

ab ca. 2 Monate vor Kursbeginn.<br />

SScchhrriiffttlliicchhee AAnnmmeelldduunnggeenn wer<strong>de</strong>n umgehend erbeten, spätestens jedoch bis vviieerr Wochen vor Lehrgangsbeginn an: PPääddaaggooggiisscchheess ZZeenn-ttrruumm<br />

d<strong>de</strong>err BBiissttüümmeerr iimm LLaannd<strong>de</strong>e HHeesssseenn,, WWiillhheellmm--KKeemmppff--HHaauuss,, 6655220077 WWiieessbbaad<strong>de</strong>enn--NNaauurroodd.. Fon: 0 61 27 / 7 72 85; Fax: 0 61 27 / 7 72 46; E-Mail:<br />

anmeldung@pz-hessen.<strong>de</strong>. Anmeldung auch über die Homepage: www.pz-hessen.<strong>de</strong>, entsprechen<strong>de</strong>n Kurs anklicken, dann auf „Anmeldung<br />

zu diesem Kurs“.<br />

Alle Fortbildungs- und Qualifizierungsangebote sind beim Institut für Qualitätsentwicklung in Wiesba<strong>de</strong>n zur Akkreditierung beantragt<br />

und können im IQ-Veranstaltungskatalog unter www.iq.hessen.<strong>de</strong> aufgerufen wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Unterrichtsbefreiung für die Teilnahme an <strong>de</strong>n Lehrgängen erfolgt bei 1-3tägigen Veranstaltungen durch die Schulleitung, bei 4und<br />

mehrtägigen Veranstaltungen durch das Staatliche Schulamt (vgl. Erlass <strong>de</strong>s HKM v. 01.07.1997 – B V 3.1-960-500 –2000–) bzw. bei<br />

<strong>de</strong>n Katholischen Schulen in Freier Trägerschaft durch <strong>de</strong>n Schulträger.


Bibelschule Königstein<br />

Programm 2006<br />

Ursulinenkloster St. Angela, Gerichtstr. 19, 61462 Königstein<br />

Angebote zum Alten Testament<br />

AT 2: 19.05.2007, 9.00-17.30 Uhr<br />

Auszug aus Ägypten und<br />

Gesetzgebung am Sinai<br />

Prof. Dr. E. Gerstenberger, Gießen<br />

AT 3: 23.06.2007, 9.00-17.30 Uhr<br />

Die Bewältigung <strong>de</strong>r Exilserfahrung<br />

bei Deutero-Jesaia<br />

Dr. Gabriele Theuer, Frankfurt am Main<br />

Tagungskosten: 25.00 € je<strong>de</strong>r Samstag;<br />

Leistungspunkte für Lehrer/-innen: 10<br />

Angebote zum Neuen Testament<br />

Prof. Dr. Josef Hainz, Königstein<br />

NT 3: 12.05.2007, 9.00-17.30 Uhr<br />

„Selig seid ihr ...”.<br />

Zum Verständnis <strong>de</strong>r „Bergpredigt” Jesu<br />

NT 4: 02.06.2007, 9.00-17.30 Uhr<br />

Das heilsgeschichtliche Konzept<br />

<strong>de</strong>s Lukas in Evangelium und<br />

Apostelgeschichte<br />

Tagungskosten: 25.00 € je<strong>de</strong>r Samstag<br />

Leistungspunkte für Lehrer/-innen: 10<br />

Interpretation von Briefen im NT<br />

Prof. Dr. Josef Hainz, Königstein<br />

BR 3: 25./26.06.2007, jeweils 18.00-21.00 Uhr<br />

Jak, die „strohene Epistel” (so Luther)<br />

Tagungskosten Montage/Dienstage: jew. 5.00 €<br />

Die Wahrheit <strong>de</strong>r biblischen Symbole<br />

OStR´ Irmgard Hess, Wiesloch<br />

SY 3: 16.06.2007, 10.00-17.30 Uhr<br />

Das Vaterunser als<br />

ganzheitliches Heilungsgebet<br />

Tagungskosten: 25.00 € je<strong>de</strong>r Samstag;<br />

Leistungspunkte für Lehrer/-innen: 10<br />

Weitere Veranstaltung<br />

SO 4: 10.-18.07.2007<br />

Irland-Reise<br />

9 Tage; ca. 1.275.00 € pro Person im DZ<br />

AAuusskküünnffttee erteilt: Prof. Dr. Josef Hainz, BBiibbeellsscchhuullee KKöönniiggsstteeiinn ee..VV..,, UUrrssuulliinneennkklloosstteerr SStt.. AAnnggeellaa,, GGeerriicchhttssttrr.. 1199,, 6611446622 KKöönniiggsstteeiinn,,<br />

Fon: 06174/9381-0; Fax: 06174/9381-55; E-Mail: Bibelschule.Koenigstein@gmx.<strong>de</strong><br />

RHE<strong>IN</strong>LAND - PFALZ<br />

ILF<br />

M A I N Z<br />

Institut für Lehrerfort- und<br />

-weiterbildung (ILF),<br />

Mainz<br />

ÜÜbbeerrrreeggiioonnaallee<br />

VVeerraannssttaallttuunnggeenn<br />

ILF-Nr. 71/201101<br />

21.-22.05.2007<br />

Gästehaus <strong>de</strong>r Barmherzigen Brü<strong>de</strong>r, Trier<br />

Ein Kaiser fürs Museum?<br />

Konstantin <strong>de</strong>r Große im fächerübergreifen<strong>de</strong>n<br />

Unterricht<br />

StR Frank-Thomas Ott, Trier; Lothar Schwin<strong>de</strong>n, Trier<br />

Lehrer/-innen aller Schularten mit <strong>de</strong>n Fächern Geschichte, Deutsch,<br />

Latein, Griechisch, Religion, Sozialkun<strong>de</strong>, Kunst<br />

ILF-Nr. 71/200901<br />

13.-15.06.2007<br />

Kloster Jakobsberg, Ockenheim<br />

Das Brot, das wir teilen<br />

Mit Grundschülern das Thema Eucharistie<br />

erschließen<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />

83


<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />

84<br />

FL Norbert Wolf, Studienseminar GHS, Mainz<br />

Lehrer/-innen <strong>de</strong>r Grundschule<br />

ILF-Nr. 71/201001<br />

25.06.2007<br />

Herz-Jesu-Kloster, Neustadt<br />

AAnnmmeelldduunnggeenn erfolgen sscchhrriiffttlliicchh – d.h. bis spätestens 3 Wochen vor Kursbeginn – mit <strong>de</strong>r ggeellbbeenn AAnnmmeelld<strong>de</strong>ekkaarrttee (erhältlich beim<br />

Schulleiter o<strong>de</strong>r beim ILF Mainz) üübbeerr IIhhrree SScchhuulllleeiittuunngg an das ILF Mainz.<br />

AAnnsscchhrriifftt:: ILF Mainz, Postfach 24 50, 55014 Mainz; Kötherhofstr. 4, 55116 Mainz, Fon: 0 61 31 / 28 45 - 0; Fax: 0 61 31 / 28 45 25;<br />

Sie können die NNeewwsslleetttteerr <strong>de</strong>s ILF auf <strong>de</strong>r Internetseite http://www.ilf.bildung-rp.<strong>de</strong>/aktuell/in<strong>de</strong>x.html abonnieren.<br />

Anzeige<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

“... die Zeit zum Singen ist da”<br />

Auf Lie<strong>de</strong>r-Reise durch die Bibel<br />

Michael Gorius, Wiebelskirchen<br />

Lehrer/-innen <strong>de</strong>r Grundschule<br />

Tagungshäuser im <strong>Bistum</strong> <strong>Limburg</strong><br />

Familienferiendorf Hübingen<br />

Familienerholung und Familienbildung im Einklang von Natur, Körper, Seele und Geist.<br />

Der Ort für Familienkreisarbeit, Katechese, Religiöse Wochen, Familientreffen, auch für sportlich<br />

Aktive (Sportplatz, Tischtennishalle, Sauna)<br />

56412 Hübingen / Westerwald<br />

Fon 0 64 39 / 92 00 40; Fax 0 64 39 / 66 82; info @familienferiendorf-huebingen.<strong>de</strong><br />

Karlsheim Kirchähr<br />

Die Jugendbegegnungsstätte <strong>de</strong>s <strong>Bistum</strong>s <strong>Limburg</strong>.<br />

Die beson<strong>de</strong>re Atmosphäre <strong>de</strong>s historischen Pfarrhauses und <strong>de</strong>r alten Kirche im romantischen Gelbachtal.<br />

56412 Kirchähr, Post Gackenbach<br />

Fon 0 64 39 / 70 23; Fax 0 64 39 / 70 16; karlsheim@t-online.<strong>de</strong><br />

Hil<strong>de</strong>gardishof Wal<strong>de</strong>rnbach<br />

Das Haus für Kids<br />

I<strong>de</strong>al für Kin<strong>de</strong>r- und Jugendgruppen, Zeltlager, Freizeiten für Besinnungstage, Themenwochenen<strong>de</strong>n,<br />

Seminare und Tagungen.<br />

35794 Mengerskirchen-Wal<strong>de</strong>rnbach , Klosterstraße<br />

Fon 0 64 76 / 83 53; Fax 0 64 76 / 23 22; hil<strong>de</strong>gardis-hof@t-online.<strong>de</strong><br />

www.tagungshaeuser.org


Überregional interessieren<strong>de</strong><br />

Veranstaltungen <strong>de</strong>r Ämter für<br />

Katholische Religionspädagogik<br />

in <strong>de</strong>n Bezirken<br />

Frankfurt am Main<br />

24.05.2007, 15.00-17.30 Uhr<br />

Fachbereiche Katholische Theologie,<br />

Grüneburgplatz 1, Franfurt am Main<br />

Eingeloggt ins Kirchenjahr ?!?<br />

Eine Lernwerkstatt zu neuen Medien<br />

im Religionsunterricht<br />

Ilka Rupp, Universität Frankfurt am Main<br />

Anmeldung bis 18.05.2007, RPA Frankfurt<br />

Montabaur<br />

ILF-Nr. 71/610401<br />

16.05.2007<br />

Heime Scheuern, Nassau<br />

Es wird erzählt ...<br />

Ökumenischer Religionslehrertag<br />

Nico Terlin<strong>de</strong>n, Amsterdam (angefragt)<br />

Religionslehrer/-innen aus <strong>de</strong>m Rhein-Lahn und <strong>de</strong>m Westerwaldkreis<br />

ILF-Nr. 71/610401<br />

20.06.2007<br />

Priesterseminar, <strong>Limburg</strong><br />

Begegnungstagung für<br />

Fachkonferenzleiterinnen und -leiter<br />

Stefan Herok, Wiesba<strong>de</strong>n<br />

Fachkonferenzleiterinnen und -leiter im Rhein-Lahn- und Westerwaldkreis<br />

NNäähheerree AAuusskküünnffttee bei <strong>de</strong>n angegebenen ÄÄmmtteerrnn.. –<br />

AAnnsscchhrriifftteenn uunndd TTeelleeffoonnnnuummmmeerrnn ssiieehhee SSeeiittee 8877..<br />

Unsere Autorinnen und Autoren:<br />

Dr. Walter Fischedick, Kommissariat <strong>de</strong>r Kath. Bischöfe im<br />

Lan<strong>de</strong> Hessen, Viktoriastr. 19, 65189 Wiesba<strong>de</strong>n<br />

Dommuseumsdirektor Prof. Dr. August Heuser,<br />

Rauenthaler Weg 1, 60529 Frankfurt am Main<br />

Prof. Dr. Hans Mendl, Jägerwirth 19, 94081 Fürstenzell<br />

Studienleiter i. K. Bernhard Merten, (BM)<br />

Altheimstr. 18, 60431 Frankfurt am Main<br />

Dezernent Dr. Eckhard Nordhofen,<br />

Postfach 13 55, 65533 <strong>Limburg</strong><br />

Dipl.-Theol. Martin W. Ramb, (MR)<br />

Im Silbertal 15, 56203 Höhr-Grenzhausen<br />

Dr. Ulrich Riegel, Bayerische Julius-Maxilmilian-Universität,<br />

Institut für Praktische Theologie,<br />

Wittelsbacherplatz 1, 90740 Würzburg<br />

Prof. Dr. Thomas Ruster, Brüsseler Straße 26, 53332 Bornheim<br />

Dipl.-Theol. Katharina Sauer, Römerstr. 30, 56337 Ka<strong>de</strong>nbach<br />

Thomas Stillbauer, c/o Fischer Taschenbuch Verlag,<br />

Postfach 70 03 44, 60553 Frankfurt am Main<br />

Doris Walter-Guthell, Haus am Dom,<br />

Domplatz 3, 60311 Frankfurt am Main<br />

Matthias Werner, Am Zehnten Stein 24, 65549 <strong>Limburg</strong><br />

Unsere Rezensentinnen und Rezensenten:<br />

Dr. Thorsten Anger, Gutenbergstr. 91, 50823 Köln<br />

OStR. i. R. Helmut Bahr, Auf <strong>de</strong>r Au 22, 56132 Dausenau<br />

Dr. Michelle Becka,<br />

Bürgermeister-Beheim-Str. 36, 63165 Mühlheim<br />

Prof. Dr. Joachim Eckart, Rothkehlchenweg 23, 67346 Speyer<br />

OR Dr. Gotthard Fuchs, Rheingoldstr. 3, 65203 Wiesba<strong>de</strong>n<br />

Prof. Dr. Wolfgang Gantke,<br />

Julius-Leber-Str. 23, 53340 Meckenheim<br />

Prof. Dr. Peter Hofmann, In <strong>de</strong>r Weglänge 19, 56072 Koblenz<br />

Dipl.-Theol.; Dipl.-Religionspäd. Reiner Jungnitsch,<br />

Eichenweg 3, 64839 Münster<br />

Dr. Julia Knop, Rölsdorfstr. 23, 53225 Bonn<br />

Prof. Dr. Beate Kowalski, Trierer Str. 388, 56070 Koblenz<br />

Birgitta Lahner-Ahnert,<br />

Rhaban-Fröhlich-Str. 16, 60433 Frankfurt am Main<br />

Lehrer Markus C. Leitschuh, Blücherstr. 10, 34123 Kassel<br />

Dipl.-Theol. Lutz Lemhöfer,<br />

Domplatz 3, 60311 Frankfurt am Main<br />

StL i. K. Bernhard Merten,<br />

Altheimstr. 18, 60431 Frankfurt am Main<br />

Dr. Marie-Luise Reis, Am Eckwald 13, 56112 Lahnstein<br />

Prof. P. Dr. Joachim Schmiedl, Berg Sion 6, 56179 Vallendar<br />

Dr. Gabriele Theuer, Reichsburgstr. 8, 60489 Frankfurt am Main<br />

Lic. Theol. Ulrich Zalewski,<br />

Cuxhavener Str. 2, 65933 Frankfurt am Main<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 · 1-2/2007<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong>S & AKTUELLES<br />

85


SONSTIGES<br />

86<br />

Dezernat Bildung und Kultur<br />

im Bischöflichen Ordinariat <strong>Limburg</strong><br />

Abteilung Religionspädagogik (Stand: 01.05.2007)<br />

Roßmarkt 12 · 65549 <strong>Limburg</strong> · Postfach 13 55 · Fon: 06431/295-2 35 · Fax: 06431/295-237<br />

E-Mail: schule@<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong> · Internet: schule.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

Dezernatsleitung Dr. Eckhard Nordhofen (-234)<br />

Sekretariat Sabrina Gilles (-424), Jutta Stähler (-235)<br />

Abteilung Religionspädagogik<br />

Leitung Dipl.-Theol. Martin W. Ramb (-434)<br />

Referat I Dipl.-Theol. Martin W. Ramb (-434)<br />

Kommunikation / Hochschulen<br />

Referat II Thomas Menges (-430)<br />

Gymnasien / Gesamtschulen / Grundsatzfragen<br />

Referat III Dipl.-Theol. Katharina Sauer (-360)<br />

Grund-, Haupt-, Real- und För<strong>de</strong>rschulen / Missio canonica<br />

Referat IV Dipl.-Theol. Andreas von Erdmann (-431)<br />

Berufsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Schulen<br />

Referat V Franz-Günther Weyrich (-424)<br />

Religionspädagogische Ausbildung für hauptamtlich<br />

Pastorale Mitarbeiter/innen und Geistliche<br />

Referat VI<br />

Schulpastoral, Elternarbeit, Verbän<strong>de</strong> (DKV, KED) Dipl.-Theol. Stefan Herok (-430)<br />

Referat VII<br />

Statistik Rainer Ratmann (-386)<br />

Biblio- und Mediothek Rosemarie Hansel (-435)<br />

Öffnungszeiten:<br />

Montag bis Donnerstag 10.00-12.00 Uhr und 14.00-16.00 Uhr. Während <strong>de</strong>r Ferien nach Absprache.<br />

Fragen zu Missio canonica Marianne Roos (-460)<br />

Montag bis Donnerstag 13.30-15.30 Uhr<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 • 1-2/2007


Ämter für Katholische Religionspädagogik<br />

im <strong>Bistum</strong> <strong>Limburg</strong> (Stand: 01.05.2007)<br />

Frankfurt am Main<br />

Haus am Dom,<br />

Domplatz 3, 60311 Frankfurt am Main<br />

Fon: 069/8 00 87 18 - 3 00; Fax: 069/8 00 87 18 - 3 04<br />

E-Mail: relpaed-frankfurt@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />

Internet: relpaed-frankfurt.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

Mitarbeiter/-innen:<br />

Peter Eberhardt , Leiter (-301)<br />

Sabine Christe (-302)<br />

Ute Schüßler-Telschow (-305)<br />

Sekretariat: Rita Merkel (-303)<br />

Waltraud Schäfer (-300)<br />

Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />

Mo 16.00-18.00 Uhr, Di 12.30-16.30 Uhr,<br />

Mi 16.00-18.00 Uhr, Do 9.00-12.00 Uhr und<br />

12.30-16.30 Uhr, Fr 9.00-12.00 Uhr.<br />

Während <strong>de</strong>r Schulferien auf Anfrage.<br />

Taunus / Oberursel<br />

Herzbergstr. 34, 61440 Oberursel<br />

Fon: 06171/69 42 -20; Fax: 06171/69 42 -25<br />

E-Mail: realpaed-oberursel@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />

Internet: relpaed-oberursel.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

Mitarbeiter/-innen:<br />

Dipl.-Theol. Wolfgang Bentrup, Leiter (- 22)<br />

Dipl.-Theol. Juliane Schlaud-Wolf (-23)<br />

Sekretariat: Renate Fritz (-20)<br />

Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />

Mo - Do 11.00-16.00 Uhr.<br />

Während <strong>de</strong>r Schulferien nach Vereinbarung.<br />

<strong>Limburg</strong><br />

Franziskanerplatz 3, 65589 Hadamar<br />

Fon: 06433/88 1 - 45; Fax: 06433/88 1 - 46<br />

E-Mail: relpaed-limburg@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />

Internet: relpaed-hadamar.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

Mitarbeiter/-innen:<br />

Franz-Josef Arthen, Leiter (-44)<br />

Sekretariat: Heidi Egenolf (-45)<br />

Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />

Mo bis Do 13.30-16.30 Uhr.<br />

Während <strong>de</strong>r Schulferien nach Vereinbarung.<br />

Montabaur<br />

Auf <strong>de</strong>m Kalk 11, 56410 Montabaur<br />

Fon: 02602/6802-20; Fax: 02602/6802-25<br />

E-Mail: relpaed-montabaur@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />

Internet: relpaed-montabaur.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

Mitarbeiter/-innen:<br />

Josef Weingarten, Leiter ( - 23)<br />

Sekretariat: Gisela Roos ( - 22)<br />

Biblio- und Mediothek: Gisela Roos ( - 22)<br />

Rita Kurtenacker ( - 22)<br />

Öffnungszeiten:<br />

Mo - Fr 10.00-12.00 Uhr, Mo und Do 14.30-16.30 Uhr.<br />

Während <strong>de</strong>r Schulferien geschlossen.<br />

Wetzlar<br />

Kirchgasse 4, 35578 Wetzlar<br />

Fon: 06441/4 47 79 -18; Fax: 06441/4 47 79-50<br />

E-Mail: relpaed-wetzlar@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />

Internet: relpaed-wetzlar.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

Mitarbeiter/-innen:<br />

Franz-Günther Weyrich, Leiter (-20)<br />

Dipl.-Theol. Beate Mayerle-Jarmer (-19)<br />

Sekretariat: Elvira Heinrich, Anne Ruggia (- 18)<br />

Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />

Di, Mi und Do 13.00-16.00 Uhr<br />

und nach Vereinbarung.<br />

Wiesba<strong>de</strong>n<br />

Roncalli-Haus, Friedrichstr. 26-28, 65185 Wiesba<strong>de</strong>n<br />

Fon: 0611/174-0; Fax: 0611/174-122<br />

E-Mail: relpaed-wiesba<strong>de</strong>n@bistum-limburg.<strong>de</strong><br />

Internet: relpaed-wiesba<strong>de</strong>n.<strong>bistumlimburg</strong>.<strong>de</strong><br />

Mitarbeiter/-innen:<br />

Martin E. Musch-Himmerich, Leiter (-113)<br />

Elisabeth Kessels (-115)<br />

Sekretariat: Gisela Meffert (-112)<br />

Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Biblio- und Mediothek:<br />

Di - Fr 10.00-12.00 Uhr, Mo, Di, Do 13.00-17.00 Uhr.<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong> 36 • 1-2/2007<br />

SONSTIGES


„Trotz all <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

ISBN 978-3-921221-48-8<br />

ISSN 0937-8162<br />

Religionen,<br />

trotz <strong>de</strong>r mitunter<br />

brillianten Antithesen,<br />

ja sogar trotz einer<br />

gewissen neuen<br />

Gleichgültigkeit gegenüber<br />

<strong>de</strong>m Mann aus Nazareth,<br />

trotz all dieser<br />

Relativierungen<br />

ist die Welt,<br />

die vom Christentum<br />

berührt ist,<br />

um einiges größer als die,<br />

die von ihm frei ist.“<br />

Ulrich, Bernd: Die christliche Revolution in<br />

Die Zeit vom 08.02.2007<br />

<strong>IN</strong><strong>FO</strong>

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