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Materialien 86 TRAININGSPLÄTZE FÜR SPRACHMECHANIKER: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE 3: Schrillen: nominalisiert; mit dem Schrillen. Beispiel: Die Glocke wird in 10 Minuten schrillen. Stille: normales Nomen. 4: Schweigen: Infinitiv als Nomen gebraucht; an dem Schweigen. Beispiel: Sie brachten es fertig zu schweigen. 5: sie: Personalpronomen (nicht Höflichkeitsform) Vorschläge fürs Textschaffen Vorschlag 1: Nimm in einem Leserbrief persönlich Stellung zu dem im Text dargestellten Sachverhalt. Dabei kannst du Aussagen des Textes in Frage stellen oder verstärken; dich für die Position der Schüler und/oder Lehrer einsetzen. Vorschlag 2: Verfasse zwei Texte: Text 1: Versetze dich in die Lage eines Schülers oder einer Schülerin: Wie erleben sie einen solchen Deutschunterricht? Text 2: Versetze dich in die Lage eines Deutschlehrers/einer Deutschlehrerin: Wie erleben diese einen solchen Unterricht? Vorschlag 3: (Ausweitung der Frage 5 – vgl. «Fragen zum Text».) Im Text findest du mehrere Auslassungen (herausgeschnittene Textstellen = (...). Schneide den Text an diesen Stellen auseinander. Ergänze die Auslassungen durch eigene «Fortsetzungen», aber aufgepasst: diese sollten in den Textzusammenhang passen (Probe: Jemandem den Gesamttext vorlesen. Merkt er, wo dein Text beginnt/aufhört?). Klebe die originalen Textstellen und deine Fortsetzungen auf ein Ordnerblatt.
LAST-MINUTE-RUNDREISE «SPRACHE», 1. KLASSE: LESETEXT Wer heute fehlerfrei schreibt, der ist von gestern Verlieren wir unsere Schriftkultur? Ein oft beklagtes Malaise erfordert eine differenzierte Betrachtung Andreas Heller, Weltwoche Nr. 42, 15. Oktober 1987 (gekürzt) 11 12 13 14 15 16 17 18 19 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 Der Phantasie waren wieder einmal keine Grenzen gesetzt. Statt Hemd schrieb der Primarschüler «hämppt» und brachte es somit fertig, in einem Wort mit vier Buchstaben etliche Fehler unterzubringen. Anstelle von ängstlich schrieb er «ängstlig», derweil seine Kameraden sich für die Schreibweisen «engstlich» oder «änstlich» entschieden. Und statt abends hiess es in den Diktaten «arbends», «abens» oder «abents». In einem Maturaaufsatz aus diesem Jahr ist zu lesen: «Der Mensch wird überschätz, wenn es heisst er kann sich immer überwinden und wenn man ihn, kann er es nicht deswegen verspottet. Aber noch zu erwähnen gilt es die Menschen, die kritisieren um nicht selbst handeln zu müssen.» Nach über 12 Jahren Unterricht ist dieser Schüler nicht in der Lage, mit Orthographie, Komma- und Grammatikregeln einigermassen umzugehen (...) Doch der Maturand soll nicht verspottet werden. Der nachlässige Umgang mit der Muttersprache ist längst nicht mehr nur ein kurioser Einzelfall, sondern ein weit verbreitetes Übel, das bei Pädagogen zunehmend Besorgnis erregt (...) Und diese Feststellung gilt nicht nur für Schüler; vielmehr auch für Studenten, Lehrer und Journalisten. Der Zürcher Pädagoge und Sprachexperte Jürg Häusermann meint: «Es ist erschreckend, wie wenig Gewicht auf eine korrekte Sprache gelegt wird. In jeder Tagesschau des Fernsehens DRS zum Beispiel unterläuft mindestens ein platter Grammatik - fehler.» Das Übel seien freilich jedoch nicht unbedingt mangelnde Kenntnisse, sondern der weit verbreitete saloppe, oft auch rücksichtslose Umgang mit dem sprachlichen Regelwerk. Die gleiche Beobachtung machen Professoren bei den Seminararbeiten der Studenten. Da kommt es vor, dass im selben Text dasselbe Wort dreimal richtig geschrieben ist und zweimal falsch; korrekt geschriebenen Termini mit komplizierter Fremdwortschreibung können falsch geschriebene Wörter ohne besondere Fussangeln gegenüberstehen. Oder dann werden Kommas in verschachtelten Sätzen zwar richtig gesetzt, fehlen dafür in sehr einfachen Satzgefügen. «Den Studenten fehlt es an der sprachlichen Disziplin und Präzision», sagt ein Hochschullehrer. Also ist die Schriftkultur unweigerlich dem Untergang geweiht? Ob das Malaise immer bestanden hat oder ob es sich um einen Trend der neueren Zeit handelt, ist unter den Sprachwissenschaftlern umstritten (...) Und so kommt es, dass der Essener Literaturprofessor Horst Albert Glaser berichtet, «die sprachliche Ausdrucksfähigkeit» sei «auf ein bislang unbekanntes Minimum zusammengeschnurrt», während der Zürcher Ordinarius für deutsche Sprache, Professor Horst Sitta, derartige Klagen als zu pauschal empfindet: «Die Ursachen solcher Kassandrarufe sind eher ein diffuses Unbehagen, weniger ein wissenschaftliches Urteil», schwächt er ab (...) Dass ein Wandel stattfindet, ist denn auch für einen nüchternen Beobachter wie Horst Sitta unbestritten: «In neuerer Zeit gibt es die deutliche Tendenz zur Einebnung der Differenzen zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit.» So habe eine Untersuchung gezeigt, dass in der geschriebenen deutschen Gegenwartssprache zunehmend Merkmale der gesprochenen Sprache festzustellen seien. Heute besteht die Neigung zu relativ kurzen Sätzen, die Tendenz zum Verzicht auf Satzgefüge, der Gebrauch von einfachen Hauptsätzen nimmt stark zu, und gegen die Verwendung von Äusserungen, die nicht die Form von korrekten, vollständigen Sätzen haben, gibt es keinen starken Widerstand mehr ... Für ihn ist unbestritten, dass es «bestimmte Einbrüche» gibt; doch weist er darauf hin, dass neu - ere Arbeiten auch positive Ergebnisse zu Tage gefördert haben. So hat in der Bundesrepublik eine vergleichende Untersuchung der Rechtschreibleistung der Schüler des 3./4. Schuljahres in den Jahren 1972–74 und 1982–84 gezeigt, dass die heutigen Schüler, bezogen auf die Menge der in den Aufsätzen verwendeten Wörter, etwas weniger Fehler begehen als vor zehn Jahren, auch wenn die absolute Fehlerzahl zugenommen hat. Im Klartext: Die Schüler der 80er-Jahre produzierten zwar 20 Prozent mehr Einzelfehler, verwendeten andererseits jedoch 12 Prozent mehr verschiedene Worte. Bezogen auf die gebrauchten Vokabeln, lag die Fehlerquote somit leicht tiefer (23,08 Prozent Materialien 87
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