Sprachparcours
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TRAININGSPLÄTZE FÜR SPRACHMECHANIKER: LESETEXT<br />
Manche Schüler empfinden in der mündlichen Verweigerung ein Gefühl der Souveränität. Rundheraus<br />
erklärt ein Gymnasiast: «Der muss nicht meinen, ich strecke etwa auf (für den).» Die Sprachlosigkeit<br />
wird als Auflehnung, als Rebellion eingesetzt. Rebellion, aber gegen wen? Der Lehrer – oft<br />
kann dieser fachlich und pädagogisch gut sein –, er wird offenbar als Gegner aufgefasst. Führen<br />
stumme Schüler gar einen Machtkampf (...)<br />
BESONDERS DAS MIT DEM MYTHOS DER MUTTERSPRACHE BEHAFTETE HAUPTFACH DEUTSCH SCHEINT<br />
IMMER MEHR IN RICHTUNG RELIGIONSUNTERRICHT ABZURUTSCHEN IMMER MEHR EINEN FAKULTA-<br />
TIVCHARAKTER ANZUNEHMEN DIE DEUTSCHSTUNDEN ALS WILLKOMMENE ERHOLUNG VOM SCHUL-<br />
STRESS DIE IN DER UMGANGSSPRACHE GELÄUFIGE FRAGE WAS BRINGT’S IST ZUR OBERSTEN LEIT-<br />
FRAGE AVANCIERT DIE SPRACHE DAS MÜNDLICHE ENGAGEMENT BRINGT EBEN NICHT GENUG IM<br />
KLARTEXT KEINE BESSEREN NOTEN DIE MÜNDLICHNOTE DIENT HÖCHSTENS ZUM AUF- ODER ABRUN-<br />
DEN DER SCHRIFTLICHEN ARBEITEN EIN NOTENMÄSSIG GUTER SCHÜLER KANN IM MÜNDLICHEN UN-<br />
TERRICHT SOZUSAGEN NICHT VORHANDEN SEIN WÄHREND SICH UMGEKEHRT EIN NOTENMÄSSIG<br />
SCHLECHTER SCHÜLER AM UNTERRICHT AKTIV UND BEREICHERND BETEILIGEN KANN.<br />
In den anderen Fächern, vor allem den Naturwissenschaften, sind die Anforderungen ganz klar gestellt.<br />
Wer sich dabei nicht genügend vorbereitet, muss mit ungenügenden Noten rechnen. Im krassesten<br />
Unterschied dazu steht der Deutschunterricht. Die Note Vier (genügend) wird – ausser in extremen<br />
Fällen – von vornherein garantiert. (...)<br />
Wer ist denn nun dieser Sprachlose? Natürlich sind die persönlichen Hintergründe, das soziale Umfeld<br />
von Bedeutung. Ein Jugendlicher, der am Esstisch zu Hause keine Sprachkultur erfährt, an dem<br />
keiner – oder nur einer – spricht, hat keine Möglichkeit, sprechen zu lernen. Wen erstaunt es, dass<br />
der spätere Schüler ausfällt, wenn das Kind bereits die massgebliche Form von Kontakt am Bildschirm<br />
erlebt hat? Anders ist es, wenn das Kind in einem geistig anregenden Milieu aufwächst, wo<br />
neben dem Koch- und dem Telefonbuch noch andere Bücher vorhanden sind.<br />
Für den Lehrer, den die psychologischen Motive zwar betreffen mögen, der aber schliesslich seine<br />
Stunde geben muss, ist es in den bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen des Sprachunterrichts, in<br />
welchem mit den Waffen der Verweigerung und Ablehnung gekämpft wird, alles andere als leicht.<br />
Welches sind die möglichen Lösungen gegen die Sprachlosigkeit? Die schon seit langem von allen<br />
Seiten geforderten kleinen Klassen? Mehr Gewicht auf die Benotung im mündlichen Unterricht?<br />
Oder gar ein neues Betrachten des Schulsystems – womöglich der Schülerpsyche?<br />
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