Sprachparcours
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TIEFSEETAUCHEN IM «MEHR DER SPRACHE»: LESETEXT<br />
Claudia und Gianna, beide 14-jährig, hatten zusammen mit anderen Mädchen regelmässig von Mitschülerinnen<br />
Geld erpresst, Ladendiebstähle und Sachbeschädigungen begangen. Die Polizei beschlagnahmte<br />
bei den Mädchen ein Schmetterlingsmesser, verschiedene Schlagwaffen und eine Tränengaspistole.<br />
Nach aussen hin gaben sich die beiden Mädchen wie abgebrühte Gangsterbräute. Bei<br />
Gesprächen mit einer Kinderpsychologin stellte sich heraus, dass sie in Wahrheit zutiefst verunsichert<br />
und ängstlich waren.<br />
Angst, nichts wert zu sein<br />
Claudia ist ein Scheidungskind, Giannas Vater Alkoholiker. Beide Mädchen stammen aus eher ärmlichen<br />
Verhältnissen. Auf legalem Weg war es für sie unmöglich, teure Kleider und Statussymbole<br />
zu beschaffen, ohne die man auf Schweizer Schulhöfen offenbar zu Aussenseitern wird. Ursache für<br />
die meisten Delikte der beiden war die Angst, nicht dazuzugehören, nichts wert und nicht beliebt<br />
zu sein.<br />
Katrin Kleiner Leiterin der Stiftung Hirslanden einer sozialpädagogischen Einrichtung für Mädchen<br />
und junge Frauen in Zürich sieht nicht ein warum die ständig wachsende Gewaltbereitschaft in unserer<br />
Gesellschaft spurlos an den Mädchen vorbeigehen sollte dennoch seien Mädchen die Aggressionen<br />
nach aussen richten eine verschwindende Minderheit in aller Regel finden wir Mädchen in<br />
der Opferrolle im Gegensatz zu Jungen neigen Mädchen die selbst Opfer von Gewalttaten wurden<br />
meistens nicht zu Gewalttätigkeit sondern reagieren eher depressiv.<br />
Komplexe Hierarchien<br />
Körperliche Stärke sei bei Mädchen normalerweise kein Statussymbol. Während in der Hierarchie<br />
unter Jungen der entscheidende Faktor ist, ob man sich durchsetzen kann oder nicht, sind<br />
Mädchenhierarchien weit komplexer. Da spielt Schönheit eine Rolle, da können Erfahrungen oder<br />
auch Hilfsbereitschaft wichtig sein. «Ausserdem ist bei Gewalttätigkeit unter Mädchen fast immer<br />
konkrete Streiterei die Ursache. Dass grundlos jemand zusammengeschlagen wird, wie es bei Jungen<br />
der Fall ist, kommt bei Mädchen kaum vor.»<br />
Die Erklärungen für das unterschiedliche Verhalten von Mädchen und Jungen sind vage. Gewalttätigkeit<br />
bei Jungen wird mit dem immer härteren sozialen Klima, dem Leistungsdruck, den Angstund<br />
Ohnmachtsgefühlen angesichts der verbreiteten Weltuntergangsstimmung erklärt.<br />
Aber auch Identitätsprobleme, die Anonymität der Städte und problematische Familienverhältnisse<br />
sowie der Einfluss der Medien spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Doch auch Mädchen sind<br />
all diesen Faktoren ausgesetzt. Probleme wie Lehrstellenmangel oder Gewalt in der Familie treffen<br />
Mädchen nach übereinstimmender Meinung von Experten weit häufiger als Jungen.<br />
So gesehen ist es weniger verwunderlich, dass auch unter Mädchen Gewaltakte vorkommen. Wir<br />
können vielmehr von Glück reden, dass bei uns nicht mehr passiert. In den USA sind schwer bewaffnete,<br />
kriminelle Mädchengangs schon lange keine Seltenheit mehr.