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Sprachparcours

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Daniel Imstepf<br />

<strong>Sprachparcours</strong><br />

Übungsmaterial Deutsch<br />

Begleitband für Lehrpersonen<br />

Zur Differenzierung und Individualisierung in den Bereichen<br />

Textverständnis, Sprachbetrachtung (Grammatik) und Textschaffen<br />

• Sekundarschule / Niveau I (8./9. Schuljahr)<br />

• Erste Klassen in weiterführenden Schulen<br />

(Gymnasien, Berufsschulen)<br />

• Zur Begabtenförderung<br />

• Als Vorbereitung für Übertrittsprüfungen und<br />

Aufnahmeexamen


Lektorat: Heinrich M. Zweifel<br />

Satz/Layout: Marja-Leena Johansson<br />

Umschlag: Renata Brogioli<br />

Die Texte und Aufgaben von Teil 3 dieses Bandes sind in einem separaten Heft für Schülerinnen<br />

und Schüler im Scola Verlag erschienen:<br />

«<strong>Sprachparcours</strong>: Übungsmaterial Deutsch für Schülerinnen und Schüler»,<br />

ISBN 3-908256-20-8, Bestellnummer 5620<br />

Aus Gründen der Sprachästhetik und der Sprachökonomie wurde auf durchgehende Paarformulierungen<br />

verzichtet. Wo nur die männliche Form steht, ist immer auch die weibliche mitgemeint.<br />

2. Auflage 2003<br />

© Scola Verlag AG, Zürich 1999<br />

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Verbreitung, auch durch Film, Fernsehen, fotomechanische<br />

Wiedergabe, Bild- und Tonträger jeder Art, oder auszugsweiser Nachdruck, vorbehalten.<br />

ISBN 3-908256-21-6<br />

Bestellnummer 5621


Teil 1: Einführung 5<br />

Allgemeines 6<br />

Navigationssystem 10<br />

Beispiel «Werkstattunterricht» 11<br />

Übersichten 12<br />

Top zwölf: Laufpass durch die Sprachlandschaft 16<br />

Meisterdiplom für Sprachkünstler 17<br />

Teil 2: Kommunikative Auseinandersetzung mit eigenen Texten 19<br />

Allgemeines<br />

Modell 1:<br />

20<br />

Aus der Perspektive der Lesenden Gedanken zu Texten von Mitschülern formulieren<br />

Modell 2:<br />

21<br />

Im Team Stellung nehmen zu Texten von Mitschülern<br />

Modell 3:<br />

29<br />

Texte von Mitschülern mit Korrekturzeichen versehen und kommentieren 36<br />

Teil 3: Materialien: Lesetexte, Aufgaben und Lösungsvorschläge 45<br />

Hinweise für Lehrpersonen 46<br />

Allgemeines<br />

Lesetexte, Aufgaben und Lösungsvorschläge:<br />

47<br />

Kraftfutter für Sprachathleten: Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral 48<br />

Sprachbetrachtung bleifrei: Mechanischer Doppelgänger 57<br />

Meisterkurs für Spracharchitekten: Entlassung 66<br />

Nouvelle Cuisine – Sprache filetieren: Die sechs 74<br />

Trainingsplätze für Sprachmechaniker: Selbstoffenbarungsangst 80<br />

Last-Minute-Rundreise «Sprache», 1. Klasse: Wer heute fehlerfrei schreibt, ... 87<br />

Qualifikationsspiel für Sprachanalytiker: Tobias und die Lügner 93<br />

Bungyjumping für Sprachartisten: Unverhofftes Wiedersehen 101<br />

Surfen im Grammatiknetz: Wir sind ein Teil der Erde 110<br />

Intensivtraining Sprache: Es gibt nur eine Wahrheit 117<br />

Taxfree-Shop für Sprachreisende: Früh übt sich ... / Wer den Affen hat, darf reden 124<br />

Tiefseetauchen im «Mehr der Sprache»: Lieber Täterin als Opfer 131<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

3


ÜBERSICHT<br />

Allgemeines Seite 6<br />

Navigationssystem Seite 10<br />

Beispiel «Werkstattunterricht» Seite 11<br />

Übersichten Seite 12<br />

– Übersicht der Inhalte: Textverständnis, Sprachbetrachtung, Textschaffen 12<br />

– Übersicht Leistungsniveau: Sprachbetrachtung (Selbsteinschätzung) 13<br />

– Übersicht der Schreibanlässe 14<br />

Top zwölf: Laufpass durch die Sprachlandschaft Seite 16<br />

Meisterdiplom für Sprachkünstler Seite 17<br />

Einführung<br />

5


Einführung<br />

6<br />

ALLGEMEINES<br />

Zielgruppe<br />

Schwerpunkt: Schüler/innen der Oberstufe: (7.) 8./9. Schuljahr, Sekundar / Niveau I (mit Einschränkungen<br />

für 3. Real / Niveau II).<br />

Auch geeignet für Beginners in weiterführenden Schulen: Gymnasien, Berufsschulen (für Berufsgruppen,<br />

in denen sprachliche Kompetenzen gross geschrieben werden).<br />

Ein weiteres Einsatzgebiet: Begabtenförderung; für Schüler/innen also, die mit dem Durchschnittsangebot<br />

unterfordert sind.<br />

Zielsetzungen<br />

Grundsatz: Mit dem gleichen Ausgangsmaterial in drei verschiedenen Teildisziplinen des Deutsch<br />

unterrichts differenzierend/individualisierend arbeiten: Sprachbetrachtung (Grammatik),<br />

Textschaffen und Textverständnis.<br />

Ein Schlüsselbereich in diesem Angebot ist sicher derjenige der Sprachbetrachtung. Weil v.a. in<br />

diesem Bereich ein gewisser «Differenzierungsnotstand» herrscht, soll praktisch demonstriert<br />

werden, wie man dieses Problem angehen könnte. Die beiden anderen Teildisziplinen dienen der<br />

Erweiterung des Angebots. Dies bedeutet nun nicht – dies sei in aller Deutlichkeit vermerkt –,<br />

der grammatische Bereich sei höher einzuschätzen als andere Teildisziplinen. Ganz im Gegenteil:<br />

Schriftliche und mündliche Kommunikation sowie Lesen und Textverständnis sind im Deutschunterricht<br />

immer bedeutungsvoller. Die formalen Bereiche wie Grammatik und Rechtschreibung haben<br />

lediglich eine dienende Funktion.<br />

Sprachbetrachtung<br />

Auseinandersetzung mit den wichtigsten grammatischen Inhalten (vgl. «Übersicht der Inhalte:<br />

Textverständnis, Sprachbetrachtung, Texte schaffen», S. 12). Dabei sollen die einzelnen Phänomene<br />

nicht an kontextunabhängigen Sätzen erfahren werden. Ausgangspunkt sind immer<br />

Ganz texte.<br />

Es wird dabei nicht einseitig und konsequent nur die formale Ebene ausgeleuchtet, sondern auch<br />

immer die funktionale und inhaltliche, wo sich dies auf Grund grammatischer und inhaltlicher<br />

Überlegungen aufdrängt.<br />

Die meisten Inhalte sollten bis Ende der 2. Sekundar (8. Klasse) behandelt worden sein. Natürlich<br />

werden entsprechend den individuellen Sprachbiographien ganz unterschiedliche Kompetenzen<br />

vorhanden sein, denen durch ein differenziertes Angebot begegnet werden kann.<br />

Es ist nicht zu empfehlen, alle Einheiten en bloc (oder auch nur teilweise) und von allen Lernenden<br />

gleich breit und tief behandeln zu lassen. Wer das grammatische Einmaleins beherrscht,<br />

wird zweifelsohne im Vorteil sein, doch lässt sich mit grammatischem Grundwissen allein lange<br />

nicht alles beantworten. Viel mehr als isoliertes grammatisches Wissen sind Sprachgefühl und allgemeine<br />

Sprachkompetenz gefragt.<br />

Zu den grammatischen Begriffen: Wir orientieren uns an den Terminologien, wie sie in den<br />

«Schweizer Sprachbüchern» verwendet werden. Wer mit anderen Lehrmitteln arbeitet, muss gelegentlich<br />

kleine Anpassungen vornehmen.<br />

Zu den Lösungen: In der Regel werden Maximalantworten angeboten. Je nach Bedarf können<br />

Aufgaben/Lösungen problemlos reduziert werden (z.B. Satzglieder: Nur Satzgliedgrenze markieren<br />

und grammatischen Fall benennen, nicht aber die attributiven Teile).<br />

Textschaffen<br />

Zu den einzelnen Texten werden jeweils mindestens drei Schreibanlässe beschrieben, die der Erfahrungs-<br />

und Erlebniswelt der Zielgruppe entsprechen, also Betroffenheit auslösen und Identifikation<br />

ermöglichen.


ALLGEMEINES<br />

Es gilt auch hier der Grundsatz der Vernetzung: Keine isolierten, sondern in definierte Kommunikationssituationen<br />

eingebettete Schreibanlässe. Den Lernenden fällt es so bedeutend leichter,<br />

sich in das Problem hineinzudenken und sich damit schriftlich auseinander zu setzen. Wo immer<br />

möglich wurde darauf geachtet, unterschiedliche sprachliche Grundhaltungen (erzählen, informieren,<br />

argumentieren, appellieren) und Textsorten (Leserbrief, Tagebuch, Comic, Rede, Fabel,<br />

Prospekte, Zeitungsbericht etc.) ins Angebot aufzunehmen.<br />

In der Regel sollten Lernende frei entscheiden können, welchen Schreibanlass sie realisieren<br />

möchten.<br />

Damit Lernende sich auch selbstständig mit eigenen Texten auseinander setzen können, werden<br />

auf den Seiten 20 bis 44 drei Modelle präsentiert, die mögliche Wege aufzeigen, wie dieses Ziel<br />

zu erreichen ist.<br />

Textverständnis<br />

Zu jedem Ausgangstext findet sich als erstes eine unterschiedliche Anzahl von «Fragen und Aufgaben<br />

zum Text». Die kleineren Angebote übernehmen lediglich die Funktion des Einstiegs in die<br />

Auseinandersetzung mit dem Text; bei den grösseren Angeboten sollen Kompetenzen im Bereich<br />

des Textverstehens überprüft werden. Dabei geht es einerseits um Fragen, die im Kontext der Geschichte<br />

zu beantworten sind, andererseits auch um Transfer-Fragen, die nur im Kontext des Themas<br />

verstanden werden können.<br />

Auswahl der Grundlagentexte<br />

Möglichst breites Angebot an literarischen Texten und Sachtexten. Bei den literarischen überwiegen<br />

moderne Erzählungen unterschiedlicher Genres: Anekdote, Science Fiction, Märchen, Rede,<br />

Legende etc.; bei den Sachtexten bilden Zeitungsartikel die Grundlage (zu Themen, die allerdings<br />

nicht so schnell veralten).<br />

Schwierigkeitsgrad<br />

Ganz unterschiedliche «Topographie» im Schwierigkeitsgrad: von relativ einfachen bis zu anspruchsvollen<br />

Fragen. Unbedingt im Angebot differenzieren, wobei die Lernenden im Sinne einer<br />

noch zu bewältigenden kognitiven «Überforderung» motiviert und gefördert werden sollten. Je<br />

nach Zielsetzung und Schwierigkeitsgrad dürfen die Schülerinnen und Schüler Hilfsmittel wie beispielsweise<br />

Nachschlagewerke, Sprachbücher etc. zu Rate ziehen.<br />

Durchführung<br />

Je nach Zielsetzung ergeben sich unterschiedliche Kombinationsmöglichkeiten bezüglich folgender<br />

Parameter:<br />

Zielsetzung: Repetitorium und/oder Lernkontrolle; unter bestimmten Umständen sogar Einführung<br />

in die Thematik: vor allem für Lehrpersonen geeignet, die einen situationsorientierten<br />

Sprachunterricht schätzen.<br />

Sozialformen: Je nach Bedarf: allein, zu zweit, in der Kleingruppe oder im Plenum.<br />

Methodik/Didaktik: individuell und differenziert; mehr oder weniger Instruktions- bzw. Werkstattunterricht.<br />

Einführung<br />

7


Einführung<br />

8<br />

ALLGEMEINES<br />

Inhalte: einzelne oder mehrere Einheiten, Teile davon (z.B. Textverständnis oder Grammatische<br />

Zeiten ...) oder alles. Orientierungspunkt können neben den sprachdidaktischen Zielsetzungen<br />

auch thematische Überlegungen sein: Aus aktuellem Anlass will man sich mit einem bestimmten<br />

Text auseinander setzen.<br />

Zeitlicher Ablauf: übers Jahr verteilt, evtl. konzentriert auf mehrere Blöcke.<br />

Als Beispiel soll hier lediglich eine Variante vorgestellt werden, und zwar diejenige des selbstgesteuerten<br />

Werkstattunterrichts im Sinne eines Repetitoriums mit Lernkontrolle (vgl. S. 11)<br />

Lösungen<br />

Möglichkeit, die Kopien der Lösungen im Kommentar im Schulzimmer aufzulegen, damit Schülerinnen<br />

und Schüler im Sinne einer Selbstkontrolle ihre Arbeiten selber berichtigen können.<br />

Beurteilung<br />

Selbst- und/oder Fremdbeurteilung möglich. Unter Beurteilung sei hier allerdings nicht zwangsläufig<br />

Benotung gemeint. Eine Rückmeldung im Sinne einer Standortbestimmung (wie und durch<br />

wen auch immer) sollte allerdings immer erfolgen.<br />

Sprachbetrachtung: Vgl. Blatt «Übersicht Leistungsniveau. Bereich Sprachbetrachtung», S. 13.<br />

Textschaffen: Nicht jeder Text muss von der Lehrperson gelesen und korrigiert werden. Jeder<br />

Text muss aber einen Leser haben! (Warum sollten sonst Texte geschrieben werden?) Die Rolle des<br />

Lesers kann aber auch ein Schüler oder eine Schülerin übernehmen. Oder die Texte werden in der<br />

Kleingruppe vorgelesen. Im Anschluss: Gemeinsame Diskussion über die Qualität der Texte.<br />

Die auf den Seiten 20 bis 44 vorgestellten Modelle zeigen drei Möglichkeiten der kommunikativen<br />

Auseinandersetzung mit Texten. Dabei analysieren, kommentieren, beurteilen und korrigieren<br />

Lernende im Team ihre eigenen Texte.<br />

Textverständnis: Die Lösungen können selten ausschliesslich formuliert werden. Oft gibt es unterschiedliche<br />

richtige Lösungen, die im gemeinsamen Gespräch ausgehandelt werden müssen.<br />

Auch diese Aufgabe kann an die Gruppe delegiert werden.<br />

Navigationssystem (S. 10)<br />

Darstellung eines möglichen Ablaufs im Rahmen eines individualisierenden/differenzierenden<br />

Unterrichts.<br />

Beispiel «Werkstattunterricht» (S. 11)<br />

Hier wird aufgezeigt, wie eine Materialauswahl als Repetitorium im Werkstattunterricht eingesetzt<br />

werden kann.


Übersichten / Laufpass / Meisterdiplom<br />

ALLGEMEINES<br />

Übersicht der Inhalte: Textverständnis; Sprachbetrachtung; Textschaffen (S. 12)<br />

Die Lehrperson (und der/die Lernende) erhält hier eine Zusammenstellung aller in den Trainingsmaterialien<br />

angebotenen Inhalte, quasi ein detailliertes Inhaltsverzeichnis zu den einzelnen<br />

Teildiszip linen und Bereichen. (Leere Kästchen = keine Aufgaben bei dieser Einheit. Tipp: Kompetente<br />

Schüler einladen, dazu selber Fragen/Lösungen zusammenzustellen.)<br />

Funktion:<br />

– Überblick verschaffen, Orientierungshilfe<br />

– Verteilung der Aufgaben im Rahmen eines differenzierenden/individualisierenden Unterrichts:<br />

Die Lehrperson gibt an, welche Aufgaben der jeweilige Schüler lösen muss. Variante: Mit unterschiedlichen<br />

Farben Kernpropramm (alle bearbeiten diese Aufgaben) und Zusatzprogramm<br />

(individuelle Tiefe, je nach Sprachkompetenz) markieren.<br />

– Evtl. in den Kästchen die Sozialform definieren: EA = Einzelarbeit, PA = Partnerarbeit, GA =<br />

Gruppenarbeit, PA = Plenumsarbeit.<br />

Übersicht Leistungsniveau: Bereich Sprachbetrachtung (S. 13)<br />

Auf diesem Blatt können die Lernenden in Form einer Selbstbeurteilung festhalten, wie hoch ihre<br />

Kenntnisse im entsprechenden Bereich sind. In die Kästchen übertragen sie die Wertungen:<br />

(+1) = hohe Kenntnisse; (0) = durchschnittliche Kenntnisse; (-1) = minimale Kenntnisse. Mit dieser<br />

Wertung werden lediglich grobe Kategorien angeboten, selbstverständlich ist eine feinere Differenzierung<br />

jederzeit möglich (am besten mit den Schülern aushandeln). In der Spalte Bemerkungen/Massnahmen<br />

kann wie in einer Agenda zum Beispiel festgehalten werden:<br />

– Verweis auf Nachschlagewerke, Sprachbücher etc., die Informationen zum Thema liefern<br />

– Verweis auf Kommentierung einer Selbsteinschätzung (auf einem Zusatzblatt)<br />

– Verweis auf Fragen, die man stellen möchte<br />

– Bemerkungen zum Schwierigkeitsgrad; zu Problemen, die bei der Bearbeitung aufgetaucht sind.<br />

Übersicht über die Schreibanlässe (S. 14 und 15)<br />

Orientiert über die Kommunikationssituationen zu den einzelnen Einheiten.<br />

Wenn immer möglich sollten die Schüler frei wählen können, welchen Vorschlag sie bearbeiten<br />

möchten: je nach «Gusto» und Verfassung. Zu beachten: Die Vorschläge sind immer mit der Thematik<br />

des Quellentextes gekoppelt. Die Vorschläge können also erst nach der Lektüre des Ausgangstextes<br />

realisiert werden.<br />

Top-Zwölf: Laufpass durch die Sprachlandschaft (S. 16)<br />

Die Schüler halten hier fest, welche Teildisziplinen zu welchen Einheiten bearbeitet worden sind.<br />

Das Blatt wird also erst ausgefüllt, wenn die (individuell zugewiesenen) Aufgaben beendet sind.<br />

Es dient der eigenen Orientierung, ist aber auch Dokument für Lehrpersonen, die wissen möchten,<br />

welche Arbeiten der Schüler schon erledigt hat.<br />

Meisterdiplom für Sprachkünstler (S. 17)<br />

Zum Abschluss des «Kurses» könnte man den Lernenden ein Diplom ausstellen. Ob das in dieser<br />

nüchternen Form passieren muss, bleibe dahingestellt. Interessant wäre, wenn man festhielte:<br />

– Lernende (Selbstbeurteilung): • Woran habe ich in diesem «Kurs» gearbeitet?<br />

• Wie schätze ich meine Leistung, mein Arbeits- und Sozialverhalten<br />

ein?<br />

– Lehrperson (Fremdbeurteilung): • Wie beurteile ich die Leistung der Lernenden bezüglich kommunikativer<br />

Kompetenzen, Arbeits- und Sozialverhalten?<br />

Nach erfolgter Selbst- und Fremdbeurteilung könnten Lernende und Lehrperson zusammensitzen:<br />

Gibt es Differenzen? Übereinstimmungen? Warum? Evtl. miteinander das «Wie weiter?» besprechen.<br />

Einführung<br />

9


Einführung<br />

10<br />

NAVIGATIONSSYSTEM (UNTERRICHTSFORM: INDIVIDUALISIEREND/DIFFERENZIEREND)<br />

A Vorüberlegung (Lehrperson)<br />

Grundlage: Lehrplan Deutsch<br />

In welchen Teildisziplinen (Textverständnis [TV], Sprachbetrachtung [SB], Textschaffen<br />

[TS] hat Schüler/in «X» Defizite/Stärken, die behoben/gefördert werden sollen? *<br />

m<br />

B Zuteilung der Aufträge (Lehrperson)<br />

Grundlage: Kopie Übersicht der Inhalte, TV, SB, TS, S. 12<br />

Übersicht der Schreibanlässe, S. 14 und 15<br />

1. Studium: Angebote in den Übungsmaterialien<br />

2. Individuelle Zuteilung der Angebote: Mit Farbe(n) auf der «Übersicht der Inhalte: …»<br />

die entsprechenden Aufgaben markieren. (Evtl. definieren: Kernprogramm [obligatorisch]<br />

/ Zusatzprogramm [fakultativ] und Sozialform [Einzelarbeit, EA; Partnerarbeit,<br />

PA; Gruppenarbeit, GA; Plenumsarbeit, PA] *<br />

m<br />

C Bearbeitung der Aufträge (Schüler/in)<br />

Grundlage: Arbeitsblätter zur (zu den) Einheit(en) «X»<br />

Übersicht der Inhalte: TV, SB, TS, S. 12<br />

Kopie Top Zwölf: Laufpass durch die Sprachlandschaft, S. 16<br />

1. Aufgaben lösen<br />

2. Schüler/in hält fest, was bearbeitet worden ist auf «Top Zwölf: Laufpass …» (S. 16)<br />

m<br />

D Korrektur; Selbstbeurteilung TV, SB, TS (Schüler/in)<br />

Grundlage: Lösungsvorschläge (Teil 3, ab S. 50)<br />

Kopie: Übersicht Leistungsniveau: Bereich SB<br />

Kommunikative Auseinandersetzung mit eigenen Texten: Modell 1, 2 oder 3<br />

TV, SB: Mit Hilfe der Lösungen Aufgaben korrigieren<br />

SB: Schüler/in beurteilt sich selber auf «Übersicht Leistungsniveau: …» (S. 13)<br />

TS: Rückmeldungen Schüler/innen entsprechend Vorgaben in Modell 1, 2 oder 3<br />

m<br />

E Wie weiter? (Lehrperson, Schüler/in)<br />

Grundlage: Bearbeitete Einheit(en)<br />

Selbstbeurteilung TV, SB, TS<br />

Individuelle Besprechung mit dem Ziel, das weitere Vorgehen festzulegen<br />

* Evtl. gemeinsam mit Schülerin oder Schüler Auswahl vornehmen.


Ziel<br />

BEISPIEL FÜR BEARBEITUNGSMÖGLICHKEIT «WERKSTATTUNTERRICHT»<br />

Repetitorium und Lernkontrolle in den Bereichen Sprachbetrachtung, Textverständnis, Textschaffen.<br />

Auftrag<br />

Von den drei Einheiten, die als Repetitorium vorgesehen sind, werden gelöst:<br />

– Sprachbetrachtung (SB): Aufgaben gemäss Differenzierung (Kern- und Zusatzprogramm)<br />

– Textverständnis (TV): Aufgaben gemäss Differenzierung (Kern- und Zusatzprogramm)<br />

– Textschaffen (TS): Mindestens ein Vorschlag (durch Schüler/Schülerin frei wählbar)<br />

Vorgehen<br />

1. Die Lehrperson informiert die Klasse über Zielsetzung, Vorgehen, Zeitbudget, Hilfsmittel etc.<br />

und teilt das Kontrollblatt «Übersicht der Inhalte» (S. 12) aus. Darauf werden als Erstes die<br />

drei zu bearbeitenden Einheiten angekreuzt und anschliessend mit zwei verschiedenen Farben<br />

die Ziffern im Bereich «Sprachbetrachtung» markiert, welche:<br />

a) Kernprogramm sind (alle müssen diese Aufgaben lösen)<br />

b) Zusatzprogramm sind (individuell, differenzierend gemäss Kompetenzen)<br />

2. Die Schülerinnen und Schüler lösen die Aufgaben in einer ersten Phase möglichst selbstständig<br />

und überprüfen ihre Antworten mit Hilfe der Lösungsblätter.<br />

Selbstverständlich dürfen sie jederzeit ein «time-out» verlangen, um zusammen mit der Lehrperson<br />

oder in Gruppen gewisse Probleme zu besprechen.<br />

3. Nachdem alle die Kernprogramme der drei Einheiten bearbeitet haben (evtl. auch schon die<br />

Zusatzprogramme), werden drei «Seminarien» angeboten. Gruppenleiter/in ist ein guter Schü -<br />

ler/eine gute Schülerin, die «Spezialisten» für je eine Einheit sind. Die übrigen Lernenden<br />

durchwandern in zeitlich festzulegenden Abständen die «Seminarien» und diskutieren gemeinsam<br />

unterschiedliche Lösungen oder Problemfälle, die beim Lösen des Kernprogramms<br />

aufgetaucht sind.<br />

4. Die Gruppenleiter fungieren als Auskunftspersonen und protokollieren Schwierigkeiten für das<br />

Plenum. Natürlich sollte die Lehrperson jederzeit für Fragen zur Verfügung stehen, die von den<br />

Gruppenleitern nicht beantwortet werden können.<br />

5. Im Plenum werden zum Schluss die «Knacknüsse» des Kernprogramms besprochen (Erfah -<br />

rungs austausch, Verbesserungsvorschläge etc.).<br />

6. Ausweitung: Lernkontrolle mit Hilfe einer vierten Einheit.<br />

Beachte<br />

Wenn der Arbeitsaufwand zu gross wird und/oder Motivation, Niveau zu niedrig sind und/oder<br />

der Sprachbetrachtung ein geringeres Gewicht beigemessen wird, sollten unbedingt weniger Texte<br />

und Aufgaben angeboten werden. In jedem Fall aber empfiehlt es sich, dem Klassenniveau entsprechend<br />

ein Kernprogramm zu definieren und entsprechend den individuellen Fähigkeiten und<br />

Defiziten ein Zusatzprogramm festzulegen.<br />

Einführung<br />

11


12<br />

Name: Vorname:<br />

ÜBERSICHT<br />

Übersicht der Inhalte: Textverständnis, Sprachbetrachtung, Textschaffen<br />

Zur Festlegung von Kernprogramm und Zusatzprogramm<br />

(Ziffern in den Kästchen = Aufgabennummer)<br />

Textschaffen<br />

Textververständnis<br />

Sprachbetrachtung<br />

Titel Satzglieder; Grammat. / Kjv. I/II Pronomen Aktiv/Passiv Teilsätze, Rechtschr./<br />

Fälle Wirkl. Zeit (In)dir. Rede Satzz. Stil<br />

Verb<br />

19 1, 2, 3<br />

17,18 20, 21, 22, 23,<br />

24<br />

10, 11 12, 13, 14, 15,<br />

16<br />

1, 2, 3, 4, 5, 6, 7,<br />

8, 9<br />

Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral<br />

Kraftfutter für Sprachathleten<br />

27, 28, 29 19 16<br />

1, 2, 3<br />

30, 31, 32, 33 17, 18, 19, 20,<br />

21, 22, 23, 24,<br />

1, 2, 3, 4, 5, 6, 7,<br />

8, 9, 10, 11, 12,<br />

25, 26<br />

13, 14, 15<br />

Mechanischer Doppelgänger<br />

Sprachbetrachtung bleifrei<br />

1, 2, 3<br />

17, 19<br />

18, 27, 28, 29,<br />

30, 31<br />

20 21, 22, 23, 24,<br />

25, 26<br />

1, 2, 3, 4, 5, 6, 7,<br />

8, 9, 10, 11, 12,<br />

13, 14, 15, 16<br />

Entlassung<br />

Meisterkurs für Spracharchitekten<br />

1, 2, 3, 4, 5, 6 19 8, 9, 10, 11 12, 13, 14, 15 16, 17 18 7<br />

1, 2, 3<br />

Die sechs<br />

Nouvelle Cuisine: Sprache filetieren<br />

1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 8, 9 10, 11, 12, 13 14, 15, 16 17 18<br />

1, 2, 3<br />

Selbstoffenbarungsangst<br />

Trainingsplätze für Sprachmechaniker<br />

18, 19, 20 1, 2, 3, 4<br />

10, 11, 12, 13,<br />

14, 15, 16, 17<br />

1, 2, 3, 4, 5, 6, 7,<br />

8, 9<br />

Wer heute fehlerfrei schreibt, ...<br />

Last-Minute-Rundreise «Sprache», 1. Klasse<br />

16, 17, 18 19, 20, 21, 22 23, 24, 25 30, 31, 32, 33 26, 27, 28, 29 1, 2, 3<br />

1, 2, 3, 4, 5, 6, 7,<br />

8, 9, 10, 11, 12,<br />

13, 14, 15<br />

Tobias und die Lügner<br />

Qualifikationsspiel für Sprachanalytiker<br />

16, 17, 18, 19 12, 13 9, 10, 11 14, 15 1, 2, 3, 4<br />

1, 2, 3, 4 5, 6, 7, 8 20, 21, 22, 23,<br />

24<br />

Unverhofftes Wiedersehen<br />

Bungyjumping für Sprachartisten<br />

24, 25, 26 1, 2, 3<br />

13, 14, 15, 16 17, 18, 19, 20,<br />

21, 22, 23<br />

1, 2, 3, 4, 5, 6, 7,<br />

8, 9, 10, 11, 12<br />

Wir sind ein Teil der Erde<br />

Surfen im Grammatiknetz<br />

13. 14, 15 16, 17, 18 22, 23, 24 19, 20, 21 1, 2, 3<br />

1, 2, 3, 4, 5, 6, 7,<br />

8, 9, 10, 11, 12<br />

1, 2, 3<br />

17, 18, 19, 20,<br />

21, 22<br />

10, 11, 12, 13,<br />

14, 15, 16<br />

1, 2, 3, 4, 5, 6, 7,<br />

8, 9<br />

Es gibt nur eine Wahrheit<br />

Intensivtraining Sprache<br />

Früh übt sich … / Wer den Affen hat, darf reden<br />

Taxfree-Shop für Sprachreisende<br />

22, 23 1, 2, 3<br />

24, 25, 26, 27,<br />

28<br />

20, 21 12, 13, 14 15, 16, 17, 18,<br />

19<br />

1, 2, 3, 4, 5, 6, 7,<br />

8, 9, 10, 11<br />

Lieber Täterin als Opfer<br />

Tiefseetauchen im «Mehr der Sprache»


Lieber Täterin als Opfer<br />

Tiefseetauchen im «Mehr der Sprache»<br />

Früh übt sich … / Wer den Affen hat, darf reden<br />

Taxfree-Shop für Sprachreisende<br />

Es gibt nur eine Wahrheit<br />

Intensivtraining Sprache<br />

Wir sind ein Teil der Erde<br />

Surfen im Grammatiknetz<br />

Unverhofftes Wiedersehen<br />

Bungyjumping für Sprachartisten<br />

Tobias und die Lügner<br />

Qualifikationsspiel für Sprachanalytiker<br />

Wer heute fehlerfrei schreibt, ...<br />

Last-Minute-Rundreise «Sprache», 1. Klasse<br />

Selbstoffenbarungsangst<br />

Trainingsplätze für Sprachmechaniker<br />

Entlassung<br />

Meisterkurs für Spracharchitekten<br />

Die sechs<br />

Nouvelle Cuisine: Sprache filetieren<br />

Mechanischer Doppelgänger<br />

Sprachbetrachtung bleifrei<br />

Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral<br />

Kraftfutter für Sprachathleten<br />

Titel Satzglieder; Grammat. / Kjv. I/II Pronomen Aktiv/Passiv Teilsätze; RS / Bemerkungen /<br />

Fälle Wirkl. Zeit (In)dir. Rede Satzzeichen Stil Massnahmen<br />

(In den Feldern, die grau unterlegt sind, werden in den Materialien keine Aufgaben angeboten; also leer lassen)<br />

ÜBERSICHT<br />

In die einzelnen Spalten eintragen: (+1) = hohe Kenntnisse; (0) = durchschnittliche Kenntnisse; (-1) = minimale Kenntnisse<br />

Übersicht Leistungsniveau: Bereich Sprachbetrachtung (Selbsteinschätzung)<br />

Name: Vorname:<br />

13


Einführung<br />

14<br />

ÜBERSICHT<br />

Übersicht der Schreibanlässe<br />

Ausgangspunkt fürs Textschaffen sind immer die entsprechenden Grundlagentexte. Der Schreibanlass<br />

erfolgt also immer aus einem klar definierten kommunikativen Rahmen, den es bei der Umsetzung zu<br />

berücksichtigen gilt.<br />

Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral<br />

Vorschlag 1: Stellungnahme zu einer Redewendung<br />

Vorschlag 2: Verfassen eines Tagebuches aus zwei unterschiedlichen Perspektiven<br />

Vorschlag 3: Den Grundlagentext in eine moderne Fabel übersetzen<br />

Mechanischer Doppelgänger<br />

Vorschlag 1: Meinungsäusserung zu einer aktuellen wissenschaftlichen Grundsatzfrage<br />

Vorschlag 2: Gestaltung eines Prospektes, mit dem Ziel, Werbung für ein Produkt zu machen<br />

Vorschlag 3: Fortsetzung der Geschichte aus einer anderen Perspektive<br />

Entlassung<br />

Vorschlag 1: Und plötzlich sind die Rollen der Handlungsträger vertauscht<br />

Vorschlag 2: Vorschläge formulieren, wie ein gesellschaftspolitisches Problem in den Griff zu bekommen<br />

ist<br />

Vorschlag 3: Einen Privatbrief verfassen<br />

Die sechs<br />

Vorschlag 1: Zwei Zeitungsberichte schreiben; in Zeitungen, die ein unterschiedliches Publikum ansprechen<br />

Vorschlag 2: Eine Fortsetzung der Geschichte in der Variante «gut» oder «schlecht» schreiben<br />

Vorschlag 3: Stellungnahme zu einer Aussage<br />

«Selbstoffenbarungsangst» gepaart mit Konsumismus<br />

Vorschlag 1: Stellungnahme zum dargestellten Sachverhalt in Form eines Leserbriefes<br />

Vorschlag 2: Sich in die Lage der beiden «Parteien» versetzen und beschreiben, wie sie die Situation<br />

erleben<br />

Vorschlag 3: Ausgelassene Textstellen durch eigene Formulierungen ersetzen, dabei Stil und Struktur<br />

des Grundlagentextes kopieren<br />

Wer heute fehlerfrei schreibt, der ist von gestern<br />

Vorschlag 1: Stellungnahme in Form eines Leserbriefes, der verschickt und kommentiert wird<br />

Vorschlag 2: Werbeplakat gestalten mit definierter appellativer Botschaft<br />

Vorschlag 3: Text nach eigenen Rechtschreibregeln verfassen<br />

Vorschlag 4: Vorteile und Nachteile von Rechtschreibprogrammen


ÜBERSICHT<br />

Tobias und die Lügner<br />

Vorschlag 1: Den Originaltext in ein anderes Sprachregister übersetzen: Jugendsprache / Gassen -<br />

sprache<br />

Vorschlag 2: Den Originaltext in einer anderen Textsorte wiedergeben: Comic-Seite gestalten<br />

Vorschlag 3: Den Originaltext kürzen: Variante gross, mittel und klein; Empfänger/in muss den Text<br />

wieder aufblähen<br />

Unverhofftes Wiedersehen<br />

Vorschlag 1: Den Originaltext an irgendeiner Stelle auseinander schneiden und frei ergänzen<br />

Vorschlag 2: In der Gruppe gemeinsam einen fiktiven Text zum Thema schreiben<br />

Vorschlag 3: Einen Liebesbrief aus der Perspektive eines Handlungsträgers schreiben<br />

Vorschlag 4: Analog zum Originaltext wichtige Ereignisse der letzten 50 Jahre auflisten<br />

Wir sind ein Teil der Erde<br />

Vorschlag 1: Zu einer Rede eine fiktive Gegenrede aus der Perspektive des Adressaten schreiben<br />

Vorschlag 2: Aus der Sicht der beiden Handlungsträger in die jeweils andere Welt eintauchen und<br />

diese beschreiben<br />

Vorschlag 3: Erörterung zum Umgang der Mehrheiten mit Minderheiten<br />

Es gibt nur eine Wahrheit<br />

Vorschlag 1: Nach Jahren kehrt einer der Kontrahenten zurück und dann ...<br />

Vorschlag 2: Im gleichen Text drei Mal die Perspektive ändern; dabei vor allem auf Sinneswahrnehmungen<br />

eingehen<br />

Vorschlag 3: Eine Abschiedsrede auf Tonband sprechen<br />

Früh übt sich … / Wer den Affen hat, …<br />

Vorschlag 1: In einem Schreiben an den Regierungsrat Anliegen und Wünsche der Jugendlichen darlegen<br />

Vorschlag 2: Chancen und Grenzen von Jugendparlamenten. Den eigenen Standpunkt begründen<br />

Vorschlag 3: Leserbrief auf einen Bericht in der Tageszeitung schreiben<br />

Lieber Täterin als Opfer<br />

Vorschlag 1: Auseinandersetzung mit einer volkstümlichen Meinung (Vorurteil / Pauschalisierungen)<br />

Vorschlag 2: Eine Aussage aus dem Text kritisch hinterfragen und dazu persönlich Stellung nehmen<br />

Vorschlag 3: Persönliche Erfahrungen in «Extremsituationen» schriftlich aufarbeiten; Strategien der<br />

Konfliktbewältigung diskutieren<br />

Einführung<br />

15


16<br />

Name: Vorname:<br />

KOPIERVORLAGE<br />

Top zwölf: Laufpass durch die Sprachlandschaft<br />

Hier kannst du eintragen, welche Teildisziplinen (Textverständnis, Sprachbetrachtung, Textschaffen) zu welchen Einheiten du bearbeitet hast.<br />

(Evtl. Aufgabennummer im entsprechenden Bereichskästchen festhalten)<br />

Titel Bemerkungen TV SPR TS Erledigt Bestätigt<br />

Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral<br />

Kraftfutter für Sprachathleten<br />

Mechanischer Doppelgänger<br />

Sprachbetrachtung bleifrei<br />

Entlassung<br />

Meisterkurs für Spracharchitekten<br />

Die sechs<br />

Nouvelle Cuisine: Sprache filetieren<br />

Selbstoffenbarungsangst<br />

Trainingsplätze für Sprachmechaniker<br />

Wer heute fehlerfrei schreibt, ...<br />

Last-Minute-Rundreise «Sprache», 1. Klasse<br />

Tobias und die Lügner<br />

Qualifikationsspiel für Sprachanalytiker<br />

Unverhofftes Wiedersehen<br />

Bungyjumping für Sprachartisten<br />

Wir sind ein Teil der Erde<br />

Surfen im Grammatiknetz<br />

Es gibt nur eine Wahrheit<br />

Intensivtraining Sprache<br />

Früh übt sich … / Wer den Affen hat, darf reden<br />

Taxfree-Shop für Sprachreisende<br />

Lieber Täterin als Opfer<br />

Tiefseetauchen im «Mehr der Sprache»


Wir bestätigen, dass<br />

Vorname:<br />

Name:<br />

Meisterdiplom für Sprachkünstler<br />

den Meisterkurs für Sprachkünstler besucht und mit Erfolg bestanden hat.<br />

Dabei wurden folgende Einheiten bearbeitet:<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

4.<br />

5.<br />

6.<br />

7.<br />

Kommentierung der Leistung:<br />

Selbsteinschätzung: Schüler/in<br />

Fremdeinschätzung: Lehrer/in<br />

KURS: SPRACHPARCOURS<br />

Datum: Unterschrift Schüler/in Unterschrift Lehrer/in<br />

17


QUELLENANGABEN ÜBERSICHT<br />

Allgemeines Seite 20<br />

Modell 1:<br />

Aus der Perspektive der Lesenden Gedanken zu Texten Seite 21<br />

von Mitschülern formulieren<br />

– Kommentar 21<br />

– Arbeitsaufgabe 23<br />

– Protokoll: Gedanken zum Text 24<br />

– Text von Simon 1 (Beispiel) 25<br />

– Text von Simon 2 (Beispiel) 26<br />

– Protokoll zur Erläuterung der Leerstellen (Beispiel) 27<br />

Modell 2:<br />

Im Team Stellung nehmen zu Texten von Mitschülern Seite 29<br />

– Kommentar 29<br />

– Arbeitsaufgabe 31<br />

– Mögliche Beurteilungskriterien 32<br />

– Vorlage: Beurteilung 33<br />

– Text von Sabrina (Beispiel) 34<br />

– Beurteilung (Beispiel) 35<br />

Modell 3:<br />

Texte von Mitschülern mit Korrekturzeichen versehen<br />

und kommentieren Seite 36<br />

– Kommentar 36<br />

– Arbeitsaufgabe 38<br />

– Liste der Fehlerkategorien und Korrekturzeichen 39<br />

– Vorlage: Protokoll zur Erläuterung der Korrekturen 40<br />

– Text von Markus 1 (Beispiel) 41<br />

– Text von Markus 2 (Beispiel) 42<br />

– Protokoll zur Erläuterung der Korrekturen (Beispiel) 43<br />

Kommunikative Auseinandersetzung mit eigenen Texten<br />

19


Kommunikative Auseinandersetzung mit eigenen Texten<br />

20<br />

ALLGEMEINES<br />

Alle drei Modelle sind im Bereich des Textschaffens angesiedelt. In allen drei Modellen geht es<br />

darum, dass sich Schülerinnen und Schüler möglichst selbstständig und engagiert mit selber produzierten<br />

Texten auseinander setzen.<br />

Auch wenn Eigenaktivität oberste Maxime ist, muss die Lehrperson die Lernenden v.a. am Anfang<br />

stark begleiten, wenigstens so lange, bis sich Organisation und Ablauf der drei Modelle eingeschliffen<br />

haben. Dabei helfen die beigelegten Beispiele. Wir empfehlen, diese vorgängig mit den<br />

Lernenden durchzuarbeiten. Man wird auf diese Weise rasch feststellen, wo Probleme auftauchen<br />

könnten, und die in den Modellen verfolgten Intentionen lassen sich so anschaulich transportieren.<br />

In einer ersten Phase ist es angezeigt, sich an den Vorgaben des jeweiligen Modells zu orientieren.<br />

Mit der Zeit lassen sich Modifikationen vornehmen und die Modelle in unterschiedlichen Variationen<br />

ausbauen. Auch die Schülerinnen und Schüler werden dazu wertvolle Vorschläge unterbreiten.<br />

Natürlich wird nicht alles sofort funktionieren und man wird mit den Resultaten auch nicht immer<br />

zufrieden sein. Das sollte aber kein Grund sein aufzugeben.<br />

Auch schwächere Schülerinnen und Schüler sind in der Lage, diese Arbeit zu leisten. Man muss<br />

behutsam vorgehen, um sie am Anfang nicht durch zu hohe Erwartungen zu entmutigen.<br />

Bei Auseinandersetzungen mit Texten wird es in den wenigsten Fällen kongruente Interpretationen<br />

geben, da die Lesenden auf Grund ihrer ganz persönlichen Sprachbiographie urteilen. Das ist<br />

aber kein Nachteil – im Gegenteil: eine grosse Chance, wenn sich Lesende mit ganz unterschiedlichen<br />

Sprachkompetenzen mit ihren Texten auseinander setzen.<br />

Im besten Falle kann die Lehrperson auch eine gewisse Entlastung erfahren; Zeit freibekommen<br />

für andere wichtige Aufgaben: beispielsweise für die Einzelbetreuung von Schülerinnen und<br />

Schülern.


Begründung des Modells 1<br />

Wenn Schüler und Schülerinnen Texte schreiben, denken sie häufig nicht an die Lesenden.<br />

Sie sind zu stark mit der Schreiberperspektive beschäftigt, als dass sie sich wirklich mit ihrem<br />

Publikum auseinander setzen können: Was hat es für Bedürfnisse? Anliegen? Probleme? Sachkenntnisse?<br />

etc. Auch wenn dieser Rollentausch (Schreiber/Leser) während des Schreibaktes<br />

nicht einfach zu leis ten ist, sollte er berücksichtigt werden, will man überzeugende Texte produzieren.<br />

Ansonsten entstehen Kohärenzbrüche, die Lesende nur mit Mühe überwinden.<br />

Der hier vorgestellte Zugang zeigt einen Weg, die Leserperspektive in selber produzierten Texten<br />

besser zu berücksichtigen und ein Gespür zu entwickeln, wie viel «Leerstellen» ein Text überhaupt<br />

verträgt. Natürlich muss nicht jede Leerstelle in einem Text «gefüllt» sein. Gelegentlich<br />

wird bewusst Information verschwiegen, um Spannung zu erzeugen, oder gar ein Stilbruch konstruiert,<br />

um eine bestimmte Wirkung zu erzielen.<br />

Lernziele<br />

• Einen Text aus der Leserperspektive analysieren. Dabei zum Text fortlaufend Gedanken formulieren<br />

mit dem Ziel, inhaltliche «Schwachstellen» (gedankliche Stolpersteine, Leerstellen) zu<br />

finden.<br />

• Entdecken, dass Schreibende sich während des Schreibprozesses in die Situation der Lesenden<br />

versetzen müssen, wenn sie den Erwartungen letzterer entsprechen wollen.<br />

• Einsicht gewinnen, wie (in diesem Fall: erzählende) Texte gebaut sein müssen, damit man sie<br />

problemlos versteht.<br />

Vorgehen<br />

AUS DER PERSPEKTIVE DER LESENDEN GEDANKEN ZUM TEXT FORMULIEREN<br />

1. Beispiel bearbeiten<br />

Variante 1: Den Schülern lediglich eine Einführung ins Problem geben, um ihnen zu zeigen,<br />

was erwartet wird (Grundlage: Beispieltext mit den ersten 3–5 Ziffern und den entsprechenden<br />

Erläuterungen im Protokoll). Anschliessend selbstständig weiterarbeiten und Auswertung in<br />

der Gruppe oder im Plenum.<br />

Variante 2: Beispieltext mit allen Ziffern und allen Erläuterungen dazu zum Studium in der<br />

Gruppe abgeben.<br />

2. Gemäss Arbeitsauftrag an eigenen Texten arbeiten<br />

Variante 1: statt zu zweit werden die Texte in der Gruppe besprochen.<br />

Variante 2: Das Protokoll erfolgt nicht schriftlich, sondern mündlich: auf Tonbandkassette.<br />

Tipp: Beim Lesen den Folgetext mit einem Kärtchen abdecken, so dass nur die zu analysierende<br />

Textstelle sichtbar ist. Man kann sich so besser auf die Textstelle konzentrieren und die Lesererwartung<br />

authentischer beschreiben.<br />

Kommunikative Auseinandersetzung mit eigenen Texten: Modell 1<br />

21


Kommunikative Auseinandersetzung mit eigenen Texten: Modell 1<br />

22<br />

AUS DER PERSPEKTIVE DER LESENDEN GEDANKEN ZUM TEXT FORMULIEREN<br />

Erläuterungen zum Beispiel<br />

Beim vorliegenden Text handelt es sich um eine Schülerarbeit zum Thema «Märchen». Der Text<br />

ist original wiedergegeben, die Rechtschreibfehler wurden im Beispiel allerdings korrigiert, um<br />

den Fokus nicht allzu stark auf die formale Ebene zu lenken.<br />

Im Vordergrund steht die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Text. (Das heisst nun nicht, es<br />

könne nur an Schülerarbeiten ohne Rechtschreibfehler gearbeitet werden.)<br />

Es wurde absichtlich ein inhaltlich «schwacher» Text gewählt, weil sich daran recht anschaulich<br />

zeigen lässt, was ein Kohärenzbruch ist; die Lernenden werden recht schnell merken, welche Fehler<br />

dem Schreiber unterlaufen sind.<br />

Wichtig: Im Beispiel sind auf dem «Protokoll: Gedanken zum Text» alle Bemerkungen festgehalten<br />

worden, die eine ganze Klasse zusammengetragen hat. Dies ist bewusst geschehen, um den<br />

Lernenden auch eine gewisse Bandbreite an möglichen Rückmeldungen zu demonstrieren. Wenn<br />

Schülerinnen/Schüler zu zweit oder in Gruppen ihre Texte analysieren, werden die Bemerkungen<br />

natürlich nicht in dieser Dichte und diesem Umfang ausfallen.<br />

Und noch etwas: Die Bemerkungen sind natürlich nicht als «Lösungen» zu verstehen. Zu diesem<br />

Text liessen sich auch andere Gedanken zum Text festhalten.


Arbeitsaufgabe<br />

Vorbereiten<br />

KOPIERVORLAGE<br />

• 2er-Gruppen bilden<br />

• Texte, die von euch geschrieben wurden, mit Zeilenzähler versehen und jeweils einmal<br />

kopieren.<br />

• «Protokoll: Gedanken zum Text» (wird von der Lehrperson abgegeben)<br />

Lesen, Gedanken zum Text festhalten<br />

1. Setzt euch zu zweit zusammen. Jeder/jede bekommt eine Kopie des Textes seines Partners/<br />

seiner Partnerin.<br />

2. Lest den Text aufmerksam durch und haltet eure Gedanken zum Text fest. Dabei geht es vor<br />

allem darum, mögliche Schwachstellen zu entdecken, vgl. «Kopiervorlage Beispiel».<br />

Vorgehen: Ziffern (1–«x») über die entsprechende Textstelle setzen und diese auf dem Blatt<br />

«Protokoll: Gedanken zum Text» übertragen.<br />

Beispiele für «Schwachstellen» (hier allgemein formuliert):<br />

• Man weiss nicht, worauf der Schreibende sich bezieht. Wer oder was ist gemeint?<br />

• Der Schreibende sagt den Lesenden nicht alles, was sie wissen müssen.<br />

• Es fehlt der gedankliche Zusammenhang: Der Schreibende berichtet plötzlich von etwas anderem.<br />

• Der Übergang ist zu plötzlich: Es fehlt ein verbindender Gedanke.<br />

• Kombination von Beobachtungen und Gedanken, die nicht zusammenpassen.<br />

• Der Schreibende weckt falsche Erwartungen und führt die Lesenden in die Irre.<br />

• Der Schreibende meint wahrscheinlich etwas anderes, als er schreibt.<br />

Besprechen, überarbeiten<br />

3. Anschliessend werden die beiden Texte besprochen. Zuerst der eine, dann der andere Text.<br />

Grundlage: Protokoll. Das Protokoll wird dabei aktualisiert: ergänzen, streichen.<br />

4. Markiert auf dem Protokoll mit Farbe jene Hinweise, die man als Schreiber bei einer Überarbeitung<br />

des Textes unbedingt berücksichtigen muss, will man die Qualität des Textes verbessern.<br />

Text überarbeiten<br />

5. Text überarbeiten! Evtl. jemand anderem die 1. und die überarbeitete 2. Fassung zum Lesen<br />

geben. Wirkung? Meinung dazu?<br />

23


24<br />

KOPIERVORLAGE<br />

Protokoll: Gedanken zum Text<br />

Spalte 1: Zeilennummer der entsprechenden Textstelle<br />

Spalte 2: Ziffer der entsprechenden Leerstelle<br />

Spalte 3: Erläuterungen zur Leerstelle<br />

Titel des Textes:<br />

1 2 3


Text von Simon<br />

Schularbeit, Zeit 60 Minuten<br />

Die magere Kuh und der arme Bauer<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

15<br />

16<br />

17<br />

18<br />

19<br />

20<br />

21<br />

22<br />

23<br />

KOPIERVORLAGE<br />

Es war einmal ein armer Bauer, der hatte eine magere Kuh und eine Gans. Er führte ei-<br />

ne besondere Liebe mit der Frau. Beide hatten immer schon den Traum reich zu sein. Als<br />

Eduard, der Bauer, am Morgen in den Stall ging, um die Kühe zu füttern, lag Gold un-<br />

ter der Kuh.<br />

Sie traute seinen Augen nicht und rief die Frau in den Stall, um sich das anzuschauen.<br />

Die Bäuerin griff sich in die Haare und schrie: «Wir sind reich!» Nun lag jedes Mal am<br />

Morgen Gold unter der Kuh. Das Gold sah aus wie Kot, aber es war Gold. Er begann<br />

sich nun mehr Kühe zu kaufen. Sie wurden endlich reich. Das Wohltum begann zu stei-<br />

gen.<br />

Im Dorf war das neue Klatschfrauengeschwätz, die Herringer sind ja doch reich. Sie ha-<br />

ben das Geld bis jetzt versteckt. Der Bauer wollte mehr Kühe, die jeden Morgen Kot hin-<br />

terlassen. Und er liess die Kuh zu einem Stier und so begann der Reichtum der Bauern<br />

zu steigen. Nun wollten die Dorfbewohner wissen, wieso die Armen so reich werden.<br />

Die Kuhherde begann zu wachsen, weil er eine neue Farm bauen lassen musste. Die ihn<br />

ein Vermögen kostet, aber für ihn kein Problem war.<br />

Nach einem Jahr war der Bau beendet. Und er konnte vom kleinen Bauernhof in die<br />

grosse Farm ziehen. Inzwischen hatte er über 70 Kühe, 10 Kücken, zwei Schweine und<br />

zwei Arbeiter, die für ihn die Arbeit erledigen. Die Kleinbauernhöfe im Dorf verkauften<br />

ihre Kühe an den Bauern und kauften von dort an immer Milch, Butter, Käse, Fleisch und<br />

noch vieles andere bei ihm. Der Stall war so gross gebaut, dass die ganzen Maschinen,<br />

die er besass, im anderen Teil des Stalles parkieren konnte. Die Familie Herringer war<br />

noch nie so froh, wie sie es jetzt waren. Niemand weiss im Dorf, wie sie verarmt sind.<br />

Und wenn er nicht gestorben ist, so leben sie noch heute.<br />

25


26<br />

KOPIERVORLAGE: BEISPIEL<br />

Text von Simon<br />

Schularbeit, Zeit 60 Minuten<br />

Die magere Kuh und der arme Bauer<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

15<br />

16<br />

17<br />

18<br />

19<br />

20<br />

21<br />

22<br />

23<br />

Es war einmal ein armer Bauer, der hatte eine magere Kuh und eine Gans.(1) Er führte<br />

eine besondere Liebe mit der Frau.(2) Beide hatten immer schon den Traum reich zu<br />

sein.(3) Als Eduard, der Bauer, am Morgen in den Stall ging, um die Kühe zu füttern, lag<br />

Gold unter der Kuh.(4)<br />

Sie traute seinen Augen nicht und rief die Frau in den Stall, um sich das anzuschauen.(5)<br />

Die Bäuerin(6) griff sich in die Haare und schrie: «Wir sind reich!» Nun lag jedes Mal am<br />

Morgen Gold unter der Kuh.(7) Das Gold sah aus wie Kot, aber es war Gold.(8) Er be-<br />

gann sich nun mehr Kühe zu kaufen.(9) Sie wurden endlich reich.(10) Das Wohltum be-<br />

gann zu steigen.(11)<br />

Im Dorf war das neue Klatschfrauengeschwätz, die Herringer sind ja doch reich.(12) Sie<br />

haben das Geld bis jetzt versteckt.(13) Der Bauer wollte mehr Kühe, die jeden Morgen<br />

Kot hinterlassen.(14) Und er liess die Kuh zu einem Stier und so begann der Reichtum<br />

der Bauern zu steigen.(15) Nun wollten die Dorfbewohner wissen, wieso die Armen so<br />

reich werden.(16) Die Kuhherde begann zu wachsen,(17) weil er eine neue Farm bauen<br />

lassen musste.(18) Die ihn ein Vermögen kostet, aber für ihn kein Problem war. (19)<br />

Nach einem Jahr war der Bau beendet.(20) Und er konnte vom kleinen Bauernhof in die<br />

grosse Farm ziehen.(21) Inzwischen hatte er über 70 Kühe, 10 Kücken, zwei Schweine<br />

und zwei Arbeiter, die für ihn die Arbeit erledigen.(22) Die Kleinbauernhöfe im Dorf ver-<br />

kauften ihre Kühe an den Bauern und kauften von dort an immer Milch, Butter, Käse,<br />

Fleisch und noch vieles andere bei ihm.(23) Der Stall war so gross gebaut, dass die<br />

ganzen Maschinen, die er besass, im anderen Teil des Stalles parkieren konnte.(24) Die<br />

Familie Herringer war noch nie so froh, wie sie es jetzt waren. Niemand weiss im Dorf,<br />

wie sie verarmt sind.(25) Und wenn er nicht gestorben ist, so leben sie noch heute.(26)


KOPIERVORLAGE: BEISPIEL<br />

Protokoll zur Erläuterung der Leerstellen<br />

Spalte 1: Zeilennummer (Beginn der entsprechenden Textstelle)<br />

Spalte 2: Ziffer der entsprechenden Leerstelle<br />

Spalte 3: Erläuterungen zur Leerstelle<br />

Titel des Textes: Die magere Kuh und der arme Bauer<br />

1 2 3<br />

1 1<br />

2 2<br />

3 3<br />

4 4<br />

5 5<br />

6 6<br />

7 7<br />

7 8<br />

8 9<br />

8 10<br />

8 11<br />

10 12<br />

10 13<br />

11 14<br />

12 15<br />

Wie heisst der Bauer? Wo wohnt er? Wann spielt die Geschichte? Angaben zur Person? – Vielleicht<br />

ist das alles gar nicht wichtig. Einleitung wie bei einem Märchen. – Ist es eines?<br />

Warum schreibt der Schreiber nicht «seiner Frau»? Ist es womöglich gar nicht seine Frau? Wenn<br />

hier aber «der» steht, muss doch damit eine bestimmte Frau gemeint sein. Der Schreiber sollte sagen,<br />

wer das ist.<br />

Wahrscheinlich haben die beiden doch eine intime Beziehung (verheiratet, verlobt – oder gar eine<br />

verbotene Liebe?), sonst hätten sie kaum einen gemeinsamen Traum.<br />

Ich hab gemeint, er hätte nur eine Kuh. Plötzlich füttert er Kühe. Warum liegt Gold unter der<br />

Kuh? Hat es jemand dort versteckt, oder hat die Kuh Gold geschissen. Ich glaube, es ist doch ein<br />

Märchen; dafür spricht auch die Länge des Textes.<br />

Wer ist mit «Sie» gemeint: die Kuh? Das geht aber nicht auf. Wahrscheinlich «Er». Die Frau übernachtet<br />

also bei ihm, sonst wär sie kaum am Morgen anwesend. Also doch eine ernsthafte Beziehung.<br />

Warum sagt er uns nicht, dass es seine Ehefrau ist?<br />

Es ist also seine Frau! Schade, dass er diese Information so lange zurückgehalten hat. Er hätte<br />

doch oben nur «seiner» hinschreiben müssen.<br />

Wie kommt das Gold da hin? Die Geschichte geht fast gleich wie das Märchen vom goldenen Esel.<br />

Endlich weiss ich, dass die Kuh Gold scheisst. Aber wieso sieht das Gold wie Kot aus? Gleiche Farbe<br />

und Form wie der Kot? Wie hat der Bauer dann aber gemerkt, dass es Gold ist?<br />

Solche Goldkühe kann man also kaufen. Dann werden sich aber alle Bauern Goldkühe kaufen.<br />

Heisst das jetzt, die hinzugekauften Kühe hätten auch Gold geschissen und deshalb seien sie nun<br />

reich geworden oder weil sie reich waren, hätten sie sich noch mehr Kühe gekauft?<br />

Mit «Sie» sind die Bauersleute gemeint und nicht die Kühe!<br />

Das Wort «Wohltum» gibt’s doch nicht.<br />

Er will sagen, mit dem Reichtum sei der Wohlstand gewachsen.<br />

Nein so ein Satz, der ist ja völlig verkrüppelt. Da muss doch eine direkte Rede rein.<br />

Jetzt erst erfahren wir, wie die Bauersleute heissen: Herringer.<br />

Das Wort «doch» verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht. Bedeutet das, die Dorfbewohner<br />

hätten schon früher angenommen, die Herringers seien reich? Warum kommen sie aber zu dieser<br />

Einschätzung? Es sind doch, wie oben beschrieben, nur «arme Bauersleute». Oder haben sie bloss<br />

so getan, wie wenn sie arm wären? Das kann aber auch nicht stimmen. Oben teilt uns der Erzähler<br />

mit: «Sie wurden endlich reich.» Also sind sie früher nicht reich gewesen.<br />

Aus der Sicht der Dorfbewohner wäre das eine mögliche Erklärung. Aber – warum haben sich die<br />

Bauersleute dann so verhalten und warum ändern sie jetzt ihre Haltung?<br />

Als Leser fühle ich mich hier nicht ernst genommen. Er schreibt von den Bewohnern und jetzt<br />

springt er zum Bauern. Die beiden Gedanken sind inhaltlich nicht gut verknüpft.<br />

Dass Kühe «Kot» hinterlassen, ist doch klar. Mit Kot meint er hier Gold.<br />

Weiter oben hat der Bauer doch schon mehr Kühe gekauft. Warum wiederholt er sich hier?<br />

Das ist mir jetzt überhaupt nicht klar. Warum schreibt er «die Kuh»? Er hat doch mittlerweilen<br />

mehr Kühe gekauft, die offenbar Gold scheissen. Warum lässt er gerade die erste Kuh (die magere)<br />

zum Stier. Vielleicht, weil die hinzugekauften doch kein Gold scheissen. Das kann aber auch<br />

nicht stimmen, weil weiter oben steht: «Sie wurden endlich reich. Das Wohltum begann zu steigen».<br />

Wahrscheinlich hat der Schreiber vergessen, was er oben geschrieben hat, wenn er jetzt<br />

schreibt: «... und so begann der Reichtum ... zu steigen.»<br />

27


28<br />

KOPIERVORLAGE: BEISPIEL<br />

1 2 3<br />

13 16<br />

14 17<br />

14 18<br />

15 19<br />

16 20<br />

16 21<br />

17 22<br />

18 23<br />

20 24<br />

22 25<br />

23 26<br />

Geht es ganz allgemein um «Arme» oder sind hier nicht die «armen Bauern» gemeint?<br />

Was haben die Dorfbewohner also unternommen? Da bin ich gespannt.<br />

Schade! Keine Antwort dazu. Dafür wieder einen inhaltlichen Bruch – Wechsel zu den Kühen.<br />

Aber der Satz bringt hier nichts Neues. Das wissen wir doch schon.<br />

O.K., die Kuhherde wächst, also muss er eine Farm bauen. Eine Farm kann man aber nicht bauen,<br />

sie besteht ja nicht nur aus Gebäuden. Und zudem schreibt er «eine neue Farm». Dann muss er<br />

doch schon vorher eine Farm gehabt haben. Da war er aber nur ein armer Bauersmann und hatte<br />

lediglich eine magere Kuh. Das mit «neue» kann also so nicht stimmen. Und das mit dem «weil»<br />

kann doch auch nicht stimmen. Die Farm kann ja nicht der Grund für das Wachstum sein.<br />

Den Satz kann man so nicht beginnen – stilistisch unhaltbar. Und überhaupt – warum wechselt<br />

er die grammatische Zeit? Ein Präsens ergibt hier gar keinen Sinn.<br />

Und was ist in der Zwischenzeit passiert? Die Kuh (Kühe?) hat doch schon ein Riesenvermögen<br />

«produziert». Und der Bauer bleibt in seinem ärmlichen Haus?<br />

Wenn es tatsächlich eine Farm ist, dann muss er sich auch noch Land gekauft haben. Davon war<br />

bis jetzt allerdings nicht die Rede.<br />

Mir ist nicht klar, warum er jetzt Kücken und Schweine aufzählt. Für die Geschichte ist das doch<br />

unerheblich. In die Aufzählung von Tieren noch Arbeiter hineinzunehmen ist total daneben.<br />

Mit den grammatischen Zeiten hat er ein Durcheinander. «Erledigen» kann hier nicht im Präsens<br />

stehen.<br />

Warum gelingt den anderen Bauern der Gold-Trick nicht? Oben hat er geschrieben, er hätte sich<br />

noch mehr Kühe gekauft – und die haben doch auch Gold geschissen. Wenigstens zwischen den<br />

Zeilen muss man das so herauslesen. Hat er die Kühe irgendwie bearbeitet? Ein Geheimrezept?<br />

Nun, etwas muss er ja gemacht haben. Hier gibt er dem Leser jedoch keine befriedigende Anwort.<br />

Ich würde gerne wissen, was man sich unter «vieles andere» vorstellen muss. Hat der Bauer<br />

womöglich ein Geschäft aufgemacht?<br />

Gedankensprung: Der Erzähler ist jetzt beim Stall. Von welchem Stall ist hier aber die Rede? In<br />

welchem Teil hatte er die Maschinen vorher? Vorher hatte er aber keinen grossen Stall und wohl<br />

auch nicht so viele Maschinen.<br />

Da muss aber noch allerhand passiert sein. Plötzlich sind sie wieder arm. Warum? Das würde mich<br />

auch interessieren. Hier muss man den Lesenden unbedingt mehr Informationen anbieten. Dem<br />

Schreiber ist das vielleicht klar, uns Lesenden allerdings nicht.<br />

Mit «er» ist der Bauer gemeint, aber mit «sie» stimmt was nicht. Denkt er hier auch an seine Frau<br />

(und an seine Kühe)?<br />

Es sollte also doch ein Märchen werden; der Schlusssatz bestätigt die angenommene Richtung.


Begründung des Modells 2<br />

IM TEAM STELLUNG NEHMEN ZU TEXTEN VON MITSCHÜLERN<br />

Jeder Text sollte einen Leser haben. Wozu sonst sollten denn Texte produziert werden? (Nur ausnahmsweise<br />

schreibt man für sich selbst, z. B. Tagebücher.) In schulischen Situationen ist in ers<br />

ter Linie die Lehrperson Adressat dieser Texte. Und von ihr wird erwartet, dass sie auf die Texte<br />

angemessen reagiert, also Rückmeldungen gibt bezüglich Eindruck, Qualität etc. Die Lehrperson<br />

ist aber aus verschiedenen Gründen nicht immer in der Lage, auf alle Schülertexte ädequat<br />

zu reagieren.<br />

Warum nicht aus der Not eine Tugend machen und auch Schülerinnen und Schüler als Lesende<br />

und Beurteilende engagieren (mit dem Vorteil, dass nicht immer die Sprachbiographie der Lehrperson<br />

Grundlage der Beurteilung ist)? Auch wenn Lernende natürlich nicht über gleich hohe<br />

Sprachkompetenzen verfügen, sind sie doch in der Lage (gerade als Betroffene), auf Texte von<br />

Mitschülern zu reagieren: diese zu kommentieren, in Frage zu stellen, zu beurteilen ... Und – wer<br />

es schon ausprobiert hat, stellt fest, dass diese Art von Rückmeldung auch sehr wertvoll sein<br />

kann. Man beachte nur, mit wie viel Engagement in der hier angeregten Kommunikationssituation<br />

über die Texte diskutiert wird.<br />

Zu den Beurteilungskriterien (vgl. Kopiervorlage, S. 32):<br />

– Es handelt sich lediglich um eine Auflistung möglicher Beurteilungskriterien.<br />

– Die Schüler sollten sich bei der Auswahl auf ein bis zwei Kriterien konzentrieren, ansonsten<br />

verlieren sie den Überblick.<br />

– Möglicherweise möchten die Schüler Texte nach anderen Kriterien beurteilen. Diese können in<br />

die leeren Kästchen übertragen werden.<br />

– Eventuell müssten einige Kategorien zusätzlich erläutert und mit Beispielen veranschaulicht<br />

werden. Beispielsweise Kategorie 5 «Herstellungskriterien»: Je nachdem, ob wir es mit einem<br />

erzählenden, informierenden, argumentierenden oder appellativen Text zu tun haben, gelten<br />

unterschiedliche Kriterien. Informationen dazu finden die Lernenden in ihren Sprachbüchern.<br />

Beachte: Wie breit und tief und auch wie konsequent kriterienbezogen auch immer die Rückmeldung<br />

ausfällt – wichtig ist die persönliche, engagierte Auseinandersetzung mit dem Text.<br />

Dabei darf nicht nur Hochstehendes erwartet werden. Der Weg ist auch hier das Ziel.<br />

Lernziele<br />

– Einen Text von mehreren Schülern auf der Basis ausgewählter Kriterien unabhängig voneinander<br />

beurteilen lassen.<br />

– Beurteilungen in Form schriftlicher Rückmeldungen festhalten, mit dem Ziel, dem Autor Tipps<br />

zu geben, wie der Text zu optimieren wäre.<br />

– Als Autor zu den Rückmeldungen auf dem Beurteilungsblatt schriftlich Stellung nehmen.<br />

– In der «Lektorengruppe» die unterschiedlichen Ansichten und Eindrücke diskutieren – partnerschaftlich<br />

und kooperativ.<br />

– Evtl. Text unter Berücksichtigung des Diskussionsergebnisses durch den Autor überarbeiten lassen.<br />

Vorgehen<br />

1. Gemeinsame Besprechung des Beispiels. Grundlage: Text von Sabrina und entsprechendes Beurteilungsblatt.<br />

(Vgl. Kopiervorlagen, S. 34 und 35.)<br />

2. Gemäss Arbeitsauftrag eigene Texte auf gleiche Weise beurteilen lassen. Tipp: Beurteilungsblatt,<br />

S. 33, auf Format A3 vergrössern.<br />

Kommunikative Auseinandersetzung mit eigenen Texten: Modell 2<br />

29


Kommunikative Auseinandersetzung mit eigenen Texten: Modell 2<br />

30<br />

IM TEAM STELLUNG NEHMEN ZU TEXTEN VON MITSCHÜLERN<br />

Erläuterungen zum Beispiel<br />

Der Text wurde von einer Schülerin der 2. Sekundar verfasst. Es handelt sich um den Textschaffen-Vorschlag<br />

3 der Einheit «Die sechs» (im Materialband S. 26, im Kommentar S. 73).<br />

Bei der Beurteilung durch die Lektorengruppe wollte man sich v.a. auf die Kategorie 7 «Gesamt -<br />

eindruck» konzentrieren. Wenn man die Beurteilungen durchliest, stellt man aber fest, dass sich<br />

auch Aussagen zur Kategorie 2 «Kohärenz» und 5 «Herstellungskriterien» finden. Es kann also<br />

durchaus vorkommen, dass Schülerinnen und Schüler das anvisierte Kriterium nicht konsequent<br />

verfolgen. Problematisch ist das nicht, weil sich nicht alle Kriterien scharf gegeneinander abgrenzen.<br />

Die Kriterien sollen hier auch lediglich Orientierungshilfe sein.<br />

Was man in diesem Beispiel auch feststellt: Die Rückmeldungen laufen schon auf einem recht hohen<br />

Niveau und treffen im Kern auch das Hauptproblem des Textes. Offensichtlich konnte sich<br />

auch die Schreiberin damit einverstanden erklären. In ihrer Stellungnahme reduziert sie die Aussagen<br />

ihrer Mitschüler/innen auf das Wesentliche.<br />

(Ein Nachgedanke: Wie viel Aufwand müsste eine Lehrperson betreiben, um einer ganzen Klasse<br />

derart umfangreiche Rückmeldungen zu geben?)


Arbeitsaufgabe<br />

Vorbereiten<br />

KOPIERVORLAGE<br />

• Lehrperson teilt Beurteilungsblatt aus, Kopiervorlage S. 33 (evtl. auf Format A3 vergrössert),<br />

dazu Kriterienblatt (Kopiervorlage «Mögliche Beurteilungskriterien» S. 32)<br />

• Texte bereitstellen, die von euch geschrieben wurden<br />

• Vierergruppen bilden (Lektorengruppen)<br />

Lesen, beurteilen, kommentieren<br />

11. Nachdem ihr einen Text (Aufsatz) geschrieben habt, setzt ihr euch zu Vierergruppen (Lektorengruppen)<br />

zusammen. (Sitzordnung: Im Kreis um einen Tisch)<br />

12. Besprecht in der Gruppe, welche Kriterien bei der Durchsicht der Texte besonders berücksichtigt<br />

werden sollen, vgl. hierzu das Kriterienblatt. Tipp: Sich auf 1–2 Kriterien beschränken, ansonsten<br />

wird’s zu oberflächlich!<br />

13. Den eigenen Text zur Hand nehmen und ihn im Uhrzeigersinn der nächsten Person weitergeben.<br />

Anschliessend den soeben erhaltenen Text still für sich durchlesen. Dabei müsst ihr die von<br />

euch ausgewählten Kriterien besonders im Auge behalten. Ihr müsst also sehr aufmerksam und<br />

konzentriert lesen.<br />

14. Nach dem Lesen das Beurteilungsblatt zur Hand nehmen, den Titel des Textes und die Beurteilungskriterien<br />

notieren und im ersten Kasten («Schüler/in 1») einen kurzen Kommentar zum<br />

Text schreiben. Natürlich vor allem das abgemachte Kriterium berücksichtigen, aber: nicht nur<br />

Negatives schreiben, sondern auch darauf hinweisen, was besonders überzeugt hat. Wir wollen<br />

den Autor/die Autorin nicht entmutigen.<br />

15. Ist der Kommentar fertig, den Kasten 1 auf der Falzlinie nach hinten falten, so dass das Geschriebene<br />

verdeckt ist. Anschliessend das Beurteilungsblatt zusammen mit dem gelesenen Text<br />

im Uhrzeigersinn der nächsten Person weiterreichen. Tipp: Hier ist gute Koordination nötig! Mit<br />

Weiterreichen zuwarten, bis alle mit ihren Kommentaren fertig sind. Dann gibt jemand der<br />

Gruppe das Zeichen zum Weiterreichen.<br />

16. Den neuen Text lesen und Kommentar in Kasten 2 schreiben. Der Kommentar im Kasten 1<br />

bleibt umgefaltet und darf nicht gelesen werden. Auf der Falzlinie unter Kasten 2 nach hinten<br />

falten und weitergeben wie unter Punkt 5.<br />

17. Gleiches Vorgehen für den 3. Text. Insgesamt gibt es also 3 Rotationen – drei Texte lesen, drei<br />

Kommentare schreiben.<br />

Auswerten, besprechen<br />

18. Ein letztes Mal wird der Text um eine Station weitergereicht. Jeder Autor nimmt nun seinen Originaltext<br />

und das Beurteilungsblatt mit den schriftlichen Rückmeldungen. Er liest zunächst seinen<br />

eigenen Text, anschliessend wird das Beurteilungsblatt aufgeklappt und die drei Kommentare<br />

dazu werden gelesen. Überlegungen dazu: Bin ich mit den Kommentaren einverstanden?<br />

Wo gibt es Differenzen in der Fremd- und Selbsteinschätzung?<br />

19. In den letzten Kasten «Stellungnahme des Autors/der Autorin» hältst du schriftlich deine Meinung<br />

dazu fest.<br />

10. Am Schluss werden in Form einer Gruppendiskussion die einzelnen Beurteilungen (Text für<br />

Text) gemeinsam diskutiert.<br />

31


32<br />

KOPIERVORLAGE<br />

Mögliche Beurteilungskriterien<br />

1. Die Aufgabe / das Thema ist erfasst worden.<br />

2. Kohärenz des Textes (der «rote Faden») ist gewährleistet.<br />

3. Wichtige grammatische und orthografische Normen sind berücksichtigt.<br />

4. Darstellung entspricht den Erwartungen der Lesenden.<br />

5. Die Herstellungskriterien der entsprechenden Textsorte (erzählen, argumentieren,<br />

informieren oder appellieren) sind genügend berücksichtigt.<br />

6. Ausdruck / Stil entsprechen der Situation und dem Adressaten.<br />

7. Gesamteindruck des Textes auf mich.<br />

Zusätzliche Beurteilungskriterien:<br />

8.<br />

9.<br />

10.


Schüler/in 1; Vorname:<br />

Schüler/in 2; Vorname:<br />

Schüler/in 3; Vorname:<br />

Stellungnahme des Autors / der Autorin; Vorname:<br />

Titel des Textes:<br />

Beurteilungskriterien:<br />

KOPIERVORLAGE<br />

Blatt hier falten<br />

Blatt hier falten<br />

Blatt hier falten<br />

33


34<br />

KOPIERVORLAGE: BEISPIEL<br />

Text von Sabrina<br />

Vorschlag 3 zu «Die sechs», S. 26, Schularbeit, Zeit 90 Minuten<br />

Nimm Stellung zu folgender Aussage:<br />

«Jedes Land hat eine Armee – entweder die eigene oder eine fremde!»<br />

Armee – nur Schau oder doch zu etwas nütze? Ich bin der Meinung, die Armee dient<br />

nur irgendwelchen machtbesessenen, geldhungrigen Regierungsmitgliedern, die ausschliesslich<br />

in die eigene Tasche wirtschaften wollen.<br />

Wenn man das Ganze etwas näher betrachtet, erkennt man, dass es ein einziger Teufelskreis<br />

ist: Die Armee dient der Verteidigung des eigenen Landes, doch wenn niemand<br />

angreifen würde, bräuchte es auch keine Verteidigung. Viele Regierungen haben Angst,<br />

ein anderes Land könnte sie angreifen und unter fremde Herrschaft bringen, wenn sie<br />

die Armee auflösten. Und so wird, statt auf einen Weltfrieden hinzuarbeiten, fröhlich<br />

weitergerüstet. Jedes Land fürchtet sich davor, als gutes Beispiel voranzugehen. Aber<br />

wo führt denn das hin – ins Elend, ins Chaos?<br />

Früher musste man aus Hungersnot oder anderen Missständen zwangsläufig neue Länder<br />

erobern. Heutzutage würde es allerdings kaum einem vom Hunger gebeutelten<br />

Land etwas nützen, wenn es ein anderes eroberte. Durch den Krieg gäbe es nur noch<br />

mehr Hunger und weiss der Teufel was alles noch.<br />

Von der Armee hängen aber viele Arbeitsplätze ab. Was passiert dann mit diesen, wenn<br />

man Armeen auflöst? Ein starkes Argument der Befürworter. Aber ist es nicht vielmehr<br />

so, dass man gerade damit die Staatskasse sanieren könnte. Denn es wird zweifellos<br />

bedeutend mehr Geld in die Armee gesteckt, als von ihr herauskommt. Mit dem Ersparten<br />

könnte man neue Stellen schaffen, indem man beispielsweise Kleinunternehmer<br />

unterstützt. Und dann würde immer noch eine Menge Geld übrig bleiben, mit dem<br />

man schlauere Dinge machen könnte als Panzer, Kriegsflugzeuge oder Ähnliches zu<br />

kaufen.<br />

Ich für meinen Teil bin davon überzeugt, dass die Armeen überflüssig sind. Was habe<br />

ich gehört: Militäreinsätze, um der Not leidenden Bevölkerung zu helfen! Warum nicht,<br />

aber das können doch auch zivile Organisationen übernehmen.


KOPIERVORLAGE: BEISPIEL<br />

Titel des Textes: «Jedes Land braucht eine Armee – entweder die eigene oder eine fremde!»<br />

Beurteilungskriterium: Gesamteindruck auf mich als Leser/in<br />

Schüler/in 1; Vorname: Michael<br />

Dein Text, Sabrina, hat mich stark beeindruckt. Man spürt, dass du dich mit dem Thema auseinander<br />

gesetzt hast. Es berührt dich irgendwie. Deine tiefe Überzeugung hat auch mich anstecken<br />

können, auch wenn ich mit deiner Argumentation nicht ganz einverstanden bin. Vielleicht siehst<br />

du das Ganze doch ein bisschen zu einfach. So eindeutig wie du könnte ich mich nicht dagegen<br />

aussprechen. Vielleicht hättest du ein paar Argumente mehr schreiben müssen, um mich wirklich<br />

zu überzeugen.<br />

Schüler/in 2; Vorname: David<br />

Schüler/in 3; Vorname: Rahel<br />

Stellungnahme des Autors / der Autorin; Vorname: Sabrina<br />

Blatt hier falten<br />

Dass du dich so ins Zeug legen kannst. Hätte ich von dir gar nicht gedacht. Im Text sagst du<br />

ganz deutlich, was du meinst. Ich jedenfalls kann dich gut verstehen. Mit der Reihenfolge der<br />

Argumente habe ich Mühe. Ob das alles so stimmt, wie du sagst, bezweifle ich auch. Warum<br />

konnte man früher andere Länder erobern aus Hungersnot und litt darunter weniger, als wenn<br />

man heute ein Land erobern würde? Du müsstest auch versuchen, die einzelnen Punkte besser<br />

zu verbinden. Zuerst redest du vom Teufelskreis, dann von Hungersnot und dann von Arbeitsplätzen.<br />

Es ist einfach so wie nur aufgezählt.<br />

Blatt hier falten<br />

Am Anfang sagst du sofort deine Meinung. Ich finde das gut, dann weiss ich, woran ich bin mit<br />

dir. Dann hast du auch versucht, uns deine Meinung zu erklären, so dass wir nachkommen, was<br />

du meinst. Ich finde auch gut, dass du wie ein Gespräch führst mit dem Leser. Man hat dann<br />

das Gefühl mit dir zu reden. Du kannst deine Gedanken sehr gut erklären: flüssig geschrieben,<br />

gute Wörter und Erklärungen.<br />

Das Thema interessiert mich aber nicht besonders. Das hat aber nichts mit deiner Geschichte zu<br />

tun.<br />

Blatt hier falten<br />

Habe ich so viel Lob eigentlich verdient? Ihr habt Recht, das Thema beschäftigt mich und ich<br />

habe mir Mühe gegeben, das zu erklären. Mit euren Meinungen bin ich im Grossen und Ganzen<br />

einverstanden. Ihr wollt:<br />

• einige Argumente mehr<br />

• die Reihenfolge überdenken<br />

• die Argumente besser verbinden<br />

Für mich ist halt vieles klar gewesen, was ihr euch nicht so vorstellen könnt. Leider könnt ihr<br />

meine Gedanken nicht lesen. Vielleicht muss ich das auch schreiben.<br />

35


Kommunikative Auseinandersetzung mit eigenen Texten: Modell 3<br />

36<br />

TEXTE VON MITSCHÜLERN MIT KORREKTURZEICHEN VERSEHEN UND KOMMENTIEREN<br />

Begründung des Modells 3<br />

Warum sollten eigentlich immer nur Lehrpersonen Texte von Schülern korrigieren? Könnte man<br />

diese Aufgabe nicht auch gelegentlich an die Schüler delegieren? Dieser Rollentausch «zwingt»<br />

die Schüler, die Sache auch mal von der anderen Seite zu sehen. Dabei können Einsichten gewonnen<br />

werden, die für die eigene Textproduktion Gewinn bringend sind: sie vermitteln Freude<br />

an der Auseinandersetzung mit Sprache und stärken das Selbstvertrauen.<br />

Auch bei diesem Modell steht nicht die 100%ige «Lösung» im Vordergrund. Und es wäre auch<br />

falsch, die Leistung der Schüler nur am sichtbaren Resultat (Korrekturzeichen im Text, Erläuterungen<br />

auf dem Protokoll) zu messen. Möglicherweise lässt die Qualität und die Quantität der<br />

schriftlichen Rückmeldungen zu wünschen übrig. Können wir aber überhaupt messen, wie tief<br />

Schüler bei solchen Auseinandersetzungen in den Text eintauchen, wie viel Gedankenarbeit überhaupt<br />

geleistet wird: Probleme erfassen, prüfen, verwerfen ... Qualitäten, die Lernende in ihrer<br />

Sprachkompetenz zweifellos weiterbringen. Wenn diese persönliche Auseinandersetzung zusätzlich<br />

in einem Team vertieft wird, passieren auch bezüglich der mündlichen Kommunikation wertvolle<br />

Prozesse: zuhören, analysieren, argumentieren ... Das sichtbare Resultat ist vielfach eben<br />

nur der sichtbare Teil des Eisberges.<br />

Bei diesem Modell steht nicht die Beurteilung im Vordergrund (vgl. hierzu Modell 2), sondern die<br />

Aufsatzkorrektur mit dem Ansatz, dass Schülerinnen und Schüler Texte selbstständig korrigieren<br />

und nicht Lehrpersonen.<br />

Lernziele<br />

– Sich in der Korrektorengruppe über die Korrekturzeichen verständigen; den Korrekturcode festlegen.<br />

– Texte von Mitschülern lesen und mit Korrekturzeichen versehen. Die Korrekturzeichen wenn<br />

nötig auf dem «Protokoll zur Erläuterung der Korrekturen» (S. 40) kommentieren.<br />

– Text für Text gemeinsam auf der Grundlage der persönlichen Analyse besprechen, dabei die unterschiedlichen<br />

Meinungen bereinigen. Der Autor überträgt die Korrekturzeichen in seinen Originaltext<br />

und kommentiert stichwortartig auf seinem Protokoll.<br />

– Der Autor überarbeitet seinen Text.<br />

Vorgehen<br />

1. Beispiel «Markus» durcharbeiten. Dabei ergeben sich zwei Varianten.<br />

Variante 1: Den Text von «Markus» ohne Korrekturzeichen, vgl. S. 41, und ohne Protokollbeispiel<br />

als Vorübung durchspielen. «Resultate» gemeinsam besprechen.<br />

Variante 2: Den Text von «Markus» mit Korrekturzeichen, vgl. S. 42, und Protokollbeispiel,<br />

vgl. S. 43, abgeben und gemeinsam in der Klasse besprechen.<br />

2. Eigene Texte gemäss dem Arbeitsauftrag auf die gleiche Art und Weise bearbeiten.


TEXTE VON MITSCHÜLERN MIT KORREKTURZEICHEN VERSEHEN UND KOMMENTIEREN<br />

Erläuterungen zum Beispiel<br />

Mit dem Text von Markus kann anschaulich die Arbeit mit diesem Modell demonstriert werden;<br />

es passieren nämlich Verstösse in allen Fehlerkategorien.<br />

Wichtig: Was im korrigierten Beispieltext und dem kommentierten Protokoll steht, zeigt den<br />

Stand nach der gemeinsamen Besprechung. Aus Platzgründen wurden die Bearbeitungen und Protokolle<br />

der übrigen Gruppenmitglieder nicht beigelegt.<br />

Das Protokoll wird in der authentischen Situation unter Umständen viel verkürzter ausfallen, da<br />

häufig mit Abkürzungen und Stichworten gearbeitet wird, die nur für den Autor verständlich sind<br />

(was durchaus legitim ist). Auch bei Markus mussten im Protokoll leichte Retouchen vorgenommen<br />

werden. Fremde Leser hätten es sonst so nicht verstanden.<br />

Bei den Protokollen der übrigen Gruppenmitglieder zu Handen der Autoren sollte auf eine solch<br />

«verkürzte» Sprache verzichtet werden, wenn man will, dass diese Dokumente nach der Besprechung<br />

an den Autor gehen.<br />

Es hat sich auch gezeigt, dass in den Korrektorengruppen gelegentlich Diskussionen entstanden,<br />

ob ein Fehler beispielsweise mit «A» oder «I» markiert werden sollte. Das ist aber völlig unproblematisch.<br />

Wichtig ist, dass in der Kommentierung klar zum Ausdruck kommt, was falsch ist.<br />

Es kann durchaus vorkommen, dass Schülerinnen und Schüler gewisse Fehler überlesen, unter<br />

Umständen auch falsche Hinweise geben. Auch im Beispiel von Markus hätte man noch andere<br />

Korrekturen vornehmen können. Der Korrektorengruppe ist es aber zweifellos gelungen, auf wichtige<br />

Verstösse im Text hinzuweisen.<br />

Es bleibt immer noch die Möglichkeit, den überarbeiteten Text des Autors durch die Lehrperson<br />

zu korrigieren. Dies muss aber nicht zwingend so sein. Von Ausnahmen abgesehen gewinnen Texte<br />

auch dann an Qualität, wenn sie «nur» von der Korrektorengruppe besprochen werden.<br />

Kommunikative Auseinandersetzung mit eigenen Texten: Modell 3<br />

37


38<br />

KOPIERVORLAGE<br />

Arbeitsaufgabe<br />

Vorbereiten<br />

• Vierergruppen («Korrektorengruppen») bilden.<br />

• Lehrperson teilt das Blatt mit «Liste der Fehlerkategorien und Korrekturzeichen» aus )Kopiervorlage<br />

S. 39), dazu das Blatt mit «Protokoll zur Erläuterung der Korrekturen» (Kopiervorlage<br />

S. 40).<br />

• Texte, die von euch geschrieben wurden, mit Zeilenzähler versehen, und jeweils dreimal kopieren.<br />

• Rechtschreib-Duden (evtl. andere Nachschlagewerke) bereitlegen.<br />

Lesen, Korrekturzeichen setzen und diese (wenn nötig)<br />

kommentieren<br />

1. Setzt euch zur Korrektorengruppe zusammen und schaut euch zunächst das Blatt mit der «Lis -<br />

te zu den Fehlerkategorien und Korrekturzeichen» an. Verständigt euch über die einzelnen Begriffe.<br />

Evtl. möchtet ihr zusätzliche Fehlerkategorien ergänzen.<br />

2. Jeder bekommt jetzt je eine Kopie des Textes der übrigen Gruppenmitglieder, also insgesamt<br />

drei Kopien, den Originaltext behält jeder für sich.<br />

3. Anschliessend beginnt ihr mit der Korrektur der drei Texte. Dabei arbeitet jeder für sich allein.<br />

Beachte:<br />

Das Korrekturzeichen über die fehlerhafte Textstelle schreiben und diese darunter mit einer<br />

Wellenlinie markieren. Unter Umständen genügt es nicht, nur das Korrekturzeichen zu setzen.<br />

Der Autor des Textes hätte so zu wenig Informationen. Die Korrekturzeichen sind in diesem Fall<br />

mit einer Fussnote zu versehen und ins «Protokoll zur Erläuterung der Korrekturen» zu übertragen.<br />

Hier habt ihr Platz, den Fehler zu kommentieren, evtl. Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten.<br />

Vor allem bei den Kategorien «G», «I» und «A» braucht der Autor gelegentlich zusätzliche<br />

Erklärungen.<br />

Auswerten, besprechen<br />

4. Entscheidet euch in der Gruppe, in welcher Reihenfolge die Texte besprochen werden sollen.<br />

Danach wird über jeden Text gemeinsam diskutiert. Grundlage: Kopien mit Korrekturzeichen<br />

und Protokolle. Der Autor nimmt Stellung dazu, überträgt (falls einverstanden) die Korrekturzeichen<br />

in seinen Originaltext und kommentiert diese wenn nötig stichwortartig auf seinem<br />

Protokoll.<br />

Nach der Besprechung des jeweiligen Textes gehen alle Dokumente (Kopien und Protokolle) an<br />

den Autor.<br />

Text überarbeiten<br />

5. Der Autor überarbeitet seinen Text.


KOPIERVORLAGE<br />

Liste der Fehlerkategorien und Korrekturzeichen<br />

R = Rechtschreibfehler<br />

Fehler aus den Bereichen Laute und Buchstaben, Gross- und Kleinschreibung,<br />

Zusammen- und Getrenntschreibung, Trennung, Bindestrich<br />

S = Satzzeichenfehler<br />

Alle möglichen Satzzeichen im Satz und am Satzende, inkl. Anführungszeichen<br />

G = Grammatischer Fehler<br />

Beispiele: Fallfehler, Grammatische Zeiten, Konjunktiv I, Konjunktiv II, Personalformen,<br />

falsche Präpositionen usw.<br />

I = Mit dem Inhalt stimmt etwas nicht<br />

Beispiele: unnötige Wiederholungen, der «Bauplan» des Satzes ist durcheinander geraten,<br />

falsche Aussagen, Reihenfolge der Satzglieder prüfen, Satzglieder vergessen, ausführlicher<br />

schreiben, fehlender Zusammenhang usw.<br />

A = Ausdruck (Stil) überzeugt nicht<br />

Beispiele: falscher Ausdruck, Mundartausdruck, immer der gleiche Ausdruck, falsche Rede -<br />

wendung, immer gleicher Satzbauplan, zu viel in einen Satz verpackt usw.<br />

Zusätzliche Fehlerkategorien und Korrekturzeichen<br />

39


40<br />

KOPIERVORLAGE<br />

Protokoll zur Erläuterung der Korrekturen<br />

Spalte 1: Zeilennummer der entsprechenden Textstelle<br />

Spalte 2: Korrekturzeichen, z.B. G 1<br />

Spalte 3: Erläuterung zum Korrekturzeichen, z.B. Perfekt statt Präsens, um Vorzeitigkeit zu<br />

markieren<br />

Titel des Textes:<br />

1 2 3


Text von Markus<br />

Vorschlag 3 zu «Wir sind ein Teil der Erde», S. 52, Schularbeit, Zeit 90 Minuten<br />

KOPIERVORLAGE: BEISPIEL<br />

Aus den Geschichtsbüchern wissen wir: Der Grossteil der indianischen Gebiete<br />

wurde durch die Weissen besiedelt – die Indianer in Reservate zurückgedrängt.<br />

Ist ein solches Vorgehen gerechtfertigt?<br />

Es ist wahrscheinlich jedem bekannt, dass die Weissen Gebiete, wo die Ureinwohner Südamerikas,<br />

die Indianer lebten, besiedelt hatten. Sie haben sie verdrängt und ihnen genau vorgeschrieben in<br />

welchen Reservaten sie zu leben haben.<br />

Von meiner Meinung nach war es wirklich ungerecht wie die Weissen dazumal mit den Indianer<br />

umgegangen sind. Eigentlich hätten die Indianer mehr zu sagen gehabt als die eingewanderten<br />

Weissen. Die Indianer sind in diesem Gebiet aufgewachsen. Die Weissen jedoch entdeckten dieses<br />

ihnen noch völlig fremde Gebiet und meinten, es gehöre ihnen und könnten tun und machen was<br />

ihnen passe. Es wäre das Gleiche, wie wenn die Indianer, oder andere Völkerarten plötzlich in Eu-<br />

ropa eintreffen und meinen dieses Land gehöre jetzt ihnen, ohne auf die Menschen, die dort le-<br />

ben rücksicht zu nehmen.<br />

Deshalb ist ein solches Forgehen nicht gerecht. Wie soll man etwas besitzen können, dass allen<br />

zugleich gehört. Jedes Lebewesen hat genau viel Recht auf dieser Erde zu leben, wo es im gefällt.<br />

Man kann nicht einen Menschen von seiner Heimat trennen, dort wo er mit der Natur zusammen<br />

aufgewachsen ist, alles kennengelernt hat und sich der Umgebung und den Lebensgewohnheiten<br />

angepasst hat. Er würde sich in einem anderen völlig fremden Ort wahrscheinlich am Anfang nicht<br />

wohl fühlen in dieser Gegend und müsste aus sich einen ganz anderen Menschen machen.<br />

Ein Eisbär würde sich in Afrika auch nicht zurechtfinden, er würde nur schon die Temperaturver-<br />

änderung erst gar nicht ertragen. So würde sich ein Indianer in einer Grossstadt auch nicht zu-<br />

rechtfinden, weil er diese Gegend nicht kennt. Weil sie ihm völlig fremd ist.<br />

Aus diesen verschiedenen Gründen, finde ich es völlig unfair gegenüber den Indianer was die<br />

Weissen mit ihnen gemacht haben. Heutzutage würde man so was wahrscheinlich nicht mehr<br />

zulassen.<br />

41


42<br />

KOPIERVORLAGE: BEISPIEL<br />

Text von Markus<br />

Vorschlag 3 zu «Wir sind ein Teil der Erde», S. 52, Schularbeit, Zeit 90 Minuten<br />

Aus den Geschichtsbüchern wissen wir: Der Grossteil der indianischen Gebiete<br />

wurde durch die Weissen besiedelt – die Indianer in Reservate zurückgedrängt.<br />

Ist ein solches Vorgehen gerechtfertigt?<br />

Es ist wahrscheinlich jedem bekannt, dass die Weissen Gebiete, wo die Ureinwohner Südamerikas,<br />

die Indianer lebten, besiedelt hatten. Sie haben sie verdrängt und ihnen genau vorgeschrieben in<br />

welchen Reservaten sie zu leben haben.<br />

Von meiner Meinung nach war es wirklich ungerecht wie die Weissen dazumal mit den Indianer<br />

umgegangen sind. Eigentlich hätten die Indianer mehr zu sagen gehabt als die eingewanderten<br />

Weissen. Die Indianer sind in diesem Gebiet aufgewachsen. Die Weissen jedoch entdeckten dieses<br />

ihnen noch völlig fremde Gebiet und meinten, es gehöre ihnen und könnten tun und machen was<br />

ihnen passe. Es wäre das Gleiche, wie wenn die Indianer, oder andere Völkerarten plötzlich in Eu-<br />

ropa eintreffen und meinen dieses Land gehöre jetzt ihnen, ohne auf die Menschen, die dort le-<br />

ben rücksicht zu nehmen.<br />

Deshalb ist ein solches Forgehen nicht gerecht. Wie soll man etwas besitzen können, dass allen<br />

zugleich gehört. Jedes Lebewesen hat genau viel Recht auf dieser Erde zu leben, wo es im gefällt.<br />

Man kann nicht einen Menschen von seiner Heimat trennen, dort wo er mit der Natur zusammen<br />

aufgewachsen ist, alles kennengelernt hat und sich der Umgebung und den Lebensgewohnheiten<br />

angepasst hat. Er würde sich in einem anderen völlig fremden Ort wahrscheinlich am Anfang nicht<br />

wohl fühlen in dieser Gegend und müsste aus sich einen ganz anderen Menschen machen.<br />

Ein Eisbär würde sich in Afrika auch nicht zurechtfinden, er würde nur schon die Temperaturver-<br />

änderung erst gar nicht ertragen. So würde sich ein Indianer in einer Grossstadt auch nicht zu-<br />

rechtfinden, weil er diese Gegend nicht kennt. Weil sie ihm völlig fremd ist.<br />

Aus diesen verschiedenen Gründen, finde ich es völlig unfair gegenüber den Indianer was die<br />

Weissen mit ihnen gemacht haben. Heutzutage würde man so was wahrscheinlich nicht mehr<br />

zulassen.


KOPIERVORLAGE: BEISPIEL<br />

Protokoll zur Erläuterung der Korrekturen<br />

Spalte 1: Zeilennummer der entsprechenden Textstelle<br />

Spalte 2: Korrekturzeichen, z.B. G 1<br />

Spalte 3: Erläuterung zum Korrekturzeichen, z.B. Perfekt statt Präsens, um Vorzeitigkeit zu<br />

markieren<br />

Titel des Textes: Aus den Geschichtsbüchern wissen wir: Der Grossteil der indianischen Gebiete wurde durch<br />

die Weissen besiedelt – die Indianer in Reservate zurückgedrängt. Ist ein solches Vorgehen gerechtfertigt?<br />

1 2 3<br />

1,2 I/A 1 Der Satz ist nicht verständlich. Einfacher bauen oder umstellen. Problem «Weissen»: man denkt<br />

zuerst, es sei ein Adjektiv. Umstellungs-Vorschlag: … dass die Weissen Gebiete besiedelt haben,<br />

wo die Ureinwohner Südamerikas, die Indianer, lebten.<br />

4 A 2 Falscher Ausdruck: «Von» weglassen.<br />

4 G 1 Präsens: Ist noch immer so.<br />

4 A 3 Mundartausdruck! Besser: damals<br />

4 G 2 Fallfehler: «den Indianern»<br />

5 A 4 Falsche Redewendung oder nicht? Wir können uns nicht entscheiden.<br />

7 G 3 Subjekt «sie» fehlt.<br />

8 A 5 Wort kommt nicht an. Neues suchen!<br />

9 G 4 Konjunktiv schreiben? Lehrer fragen!<br />

8–10 A 6 Zu viel im gleichen Satz!<br />

12 I 2 Satz tönt komisch. Vorschlag: Alle Menschen haben gleich viel Recht sich niederzulassen, wo es<br />

ihnen gefällt. / Mit der Behauptung sind nicht alle einverstanden.<br />

13 S 1 Satzzeichen? Lehrer fragen!<br />

15 G 5 Falsche Präposition: an!<br />

16 I 3 «am Anfang» = falsch. Später fühlt er sich doch auch nicht wohl.<br />

16 I 4 Wiederholung bringt nichts, wird mit «fremden Ort» schon gesagt.<br />

17–19 I 5<br />

Vergleich gut, aber: Zusammenhang zwischen «Temperaturveränderung» und «Gegend nicht kennen»<br />

ist schlecht.<br />

19 I 6 Weglassen: ist so auch klar.<br />

20 G 6 Fallfehler: «den Indianern»<br />

21 I 7 Blosse Behauptung. Erklären, warum.<br />

43


ÜBERSICHT<br />

Hinweise für Lehrpersonen Seite 46<br />

Allgemeines Seite 47<br />

Lesetexte, Aufgaben und Lösungsvorschläge: Seite 48<br />

Kraftfutter für Sprachathleten:<br />

Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral 48<br />

Sprachbetrachtung bleifrei:<br />

Mechanischer Doppelgänger 57<br />

Meisterkurs für Spracharchitekten:<br />

Entlassung 66<br />

Nouvelle Cuisine – Sprache filetieren:<br />

Die sechs 74<br />

Trainingsplätze für Sprachmechaniker:<br />

Selbstoffenbarungsangst 80<br />

Last-Minute-Rundreise «Sprache», 1. Klasse:<br />

Wer heute fehlerfrei schreibt, ... 87<br />

Qualifikationsspiel für Sprachanalytiker:<br />

Tobias und die Lügner 93<br />

Bungyjumping für Sprachartisten:<br />

Unverhofftes Wiedersehen 101<br />

Surfen im Grammatiknetz:<br />

Wir sind ein Teil der Erde 110<br />

Intensivtraining Sprache:<br />

Es gibt nur eine Wahrheit 117<br />

Taxfree-Shop für Sprachreisende:<br />

Früh übt sich … / Wer den Affen hat, darf reden 124<br />

Tiefseetauchen im «Mehr der Sprache»:<br />

Lieber Täterin als Opfer 131<br />

Materialien<br />

45


Materialien<br />

46<br />

HINWEISE FÜR LEHRPERSONEN<br />

• «<strong>Sprachparcours</strong>» bietet Materialien, die für unterschiedliche Zwecke im<br />

Deutschunterricht eingesetzt werden können:<br />

– als Lernkontrolle/Repetitorium<br />

– zur Vertiefung bereits behandelter Themen<br />

– zur Individualisierung (Behebung von Schwächen/Förderung von Stärken)<br />

• «<strong>Sprachparcours</strong>» versteht sich weder als Lehrwerk noch als Kompendium<br />

und bietet auch keinen Grammatikteil mit Übersichten zur Formen- oder zur<br />

Satzlehre.<br />

• Die «Fragen und Aufgaben» zu jeder Einheit sind als «Überangebot» ausgelegt,<br />

aus dem es entsprechend den Möglichkeiten der Klasse eine sinnvolle<br />

Auswahl zu treffen gilt. Gewisse Aufgaben (besonders jene im Bereich<br />

«Sprachbetrachtung») lassen sich ohne weiteres vereinfachen, falls sie zu<br />

anspruchsvoll sind.<br />

• Auf Zeitvorgaben für die Beantwortung der Aufgaben bzw. für die Schreib -<br />

anlässe wurde bewusst verzichtet. Das Zeitbudget sollte von jeder Lehrperson<br />

je nach Klassenniveau und Vorgehensweise selbst festgelegt werden.<br />

• Der Kommentar zu diesen Materialien ist bewusst kurz gehalten; die verschiedenen<br />

Einsatzmöglichkeiten im Unterricht sind anhand von ausgewählten<br />

Beispielen aufgezeigt (vgl. S. 6–11). Dies erlaubt Lehrpersonen, die Sozialform<br />

sowie das methodisch-didaktische Vorgehen so festzulegen, wie sie es für<br />

ihren Unterricht angebracht finden.


ALLGEMEINES UND HINWEISE ZUM UMGANG MIT DEN MATERIALIEN<br />

In dieser Materialiensammlung findest du Trainingsangebote zu den Bereichen:<br />

• Textverständnis<br />

• Sprachbetrachtung (Grammatik)<br />

• Textschaffen<br />

Insgesamt werden 12 Materialien angeboten, die immer dem gleichen Aufbau folgen. Ausgangslage<br />

ist jeweils ein literarischer Text oder ein Sachtext, zu dem Fragen und Aufgaben formuliert<br />

sind. Bei der Textauswahl wurden unterschiedliche Textsorten und Inhalte berücksichtigt.<br />

Bei der Auswahl des Materials sind unterschiedliche Vorgehensweisen möglich, je nachdem wie<br />

der Unterricht gestaltet wird und je nachdem welche Zielsetzungen man verfolgt. Entscheidend ist<br />

aber immer, wie viel Verantwortung du bei der Auswahl des Materials, der Aufgaben und Fragen,<br />

übernehmen willst.<br />

Drei mögliche Vorgehensweisen (Variationen sind durchaus denkbar):<br />

• Zuerst besprichst du mit deiner Lehrperson, welches Material du in welchem Zeitraum bearbeiten<br />

möchtest. Anschliessend entscheidest du in eigener Regie (auf dem Hintergrund deiner Bedürfnisse<br />

und Defizite), welche Aufgaben und Fragen du lösen willst.<br />

• In Absprache mit deiner Lehrperson legst du fest, welches Material, aber auch welche Aufgaben<br />

und Fragen in welchem Zeitraum von dir bearbeitet werden.<br />

• Das Material wird im Klassenrhythmus bearbeitet: Alle arbeiten also gleichzeitig am gleichen<br />

Material, evtl. mit individueller Zuweisung der Aufgaben und Fragen.<br />

Welche Formen ihr auch immer wählt: Die Materialien, Aufgaben und Fragen dazu sollten auf der<br />

Grundlage deiner Fähigkeiten und Fertigkeiten ausgewählt werden. Es müssen sich daher nicht<br />

immer alle mit dem Gleichen auseinander setzen. Darum ist es für dich wie auch für deine Lehrperson<br />

wichtig zu wissen, wer gerade was bearbeitet oder schon bearbeitet hat. Deine Lehrperson<br />

verfügt zu diesem Zweck über eine Anzahl unterschiedlicher Übersichtsblätter, die von dir ausgefüllt<br />

und verwaltet werden müssen. Auf diesen Übersichten ist festgehalten, wie dein aktueller<br />

Lernstand aussieht und wo möglicherweise noch Lücken vorhanden sind. Es ist deshalb wichtig,<br />

dass du diese Buchhaltung sehr gewissenhaft führst, denn nur so ist eine sinnvolle Organisation<br />

und Koordination möglich.<br />

Die einzelnen Materialien bearbeitest du oder bearbeitet ihr (z.B. in Zweier-Gruppen) mehr oder<br />

weniger selbstständig. Natürlich darfst du im Normalfall Nachschlagewerke und Sprachbücher zu<br />

Rate ziehen. Deine Lehrperson verfügt auch über alle Lösungsblätter. Es liegt an euch, mit ihr auszuhandeln,<br />

wie diese Lösungen eingesetzt werden: u.U. sind sie frei zugänglich und jeder kontrolliert<br />

sich selbstständig.<br />

Alle Aufgaben und Fragen solltest du auf Ordnerblättern lösen und zusammen mit den Arbeitsblättern<br />

z.B. in einem Ordner oder Schnellhefter ablegen. Zu diesem Zweck werden die einzelnen<br />

Seiten aus diesem herausgetrennt.<br />

Materialien<br />

47


Materialien<br />

48<br />

KRAFTFUTTER FÜR SPRACHATHLETEN: LESETEXT<br />

Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral<br />

Heinrich Böll<br />

• Ab Zeile 62 fehlen die Satzzeichen. Du wirst sie in Aufgabe 19 setzen müssen!<br />

11<br />

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45<br />

In einem Hafen an einer westlichen Küste Europas liegt ein ärmlich gekleideter Mann in seinem Fischerboot<br />

und döst.<br />

Ein schick angezogener Tourist legt eben einen neuen Farbfilm in seinen Fotoapparat, um das idyl<br />

lische Bild zu fotografieren: blauer Himmel, grüne See mit friedlichen schneeweissen Wellenkämmen,<br />

schwarzes Boot, rote Fischermütze. Klick. Noch einmal: klick, und da aller guten Dinge drei<br />

sind und sicher sicher ist, ein drittes Mal: klick. Das spröde, fast feindselige Geräusch weckt den<br />

dösenden Fischer, der sich schläfrig aufrichtet, schläfrig nach seiner Zigarettenschachtel angelt,<br />

aber bevor er das Gesuchte gefunden, hat ihm der eifrige Tourist schon eine Schachtel vor die Nase<br />

gehalten, ihm die Zigarette nicht gerade in den Mund gesteckt, aber in die Hand gelegt, und ein<br />

viertes Klick, das des Feuerzeuges, schliesst die eilfertige Höflichkeit ab. Durch jenes kaum mess -<br />

bare, nie nachweisbare Zuviel an flinker Höflichkeit ist eine gereizte Verlegenheit entstanden, die<br />

der Tourist – der Landessprache mächtig – durch ein Gespräch zu überbrücken versucht.<br />

«Sie werden heute einen guten Fang machen.»<br />

Kopfschütteln des Fischers.<br />

«Aber man hat mir gesagt, dass das Wetter günstig ist.»<br />

Kopfnicken des Fischers.<br />

«Sie werden also nicht ausfahren?»<br />

Kopfschütteln des Fischers, steigende Nervosität des Touristen. Gewiss liegt ihm das Wohl des ärmlich<br />

gekleideten Menschen am Herzen, nagt an ihm die Trauer über die verpasste Gelegenheit.<br />

«Oh, Sie fühlen sich nicht wohl?»<br />

Endlich geht der Fischer von der Zeichensprache zum wahrhaft gesprochenen Wort über.<br />

«Ich fühle mich grossartig», sagt er. «Ich habe mich nie besser gefühlt.» Er steht auf, reckt sich,<br />

als wolle er demonstrieren, wie athletisch er gebaut ist. «Ich fühle mich phantastisch.»<br />

Der Gesichtsausdruck des Touristen wird immer unglücklicher, er kann die Frage nicht mehr unterdrücken,<br />

die ihm sozusagen das Herz zu sprengen droht: «Aber warum fahren Sie dann nicht aus?»<br />

Die Antwort kommt prompt und knapp. «Weil ich heute Morgen schon ausgefahren bin.»<br />

«War der Fang gut?»<br />

«Er war so gut, dass ich nicht noch einmal auszufahren brauche, ich habe vier Hummer in meinen<br />

Körben gehabt, fast zwei Dutzend Makrelen gefangen ...»<br />

Der Fischer, endlich erwacht, taut jetzt auf und klopft dem Touristen beruhigend auf die Schultern.<br />

Dessen besorgter Gesichtsausdruck erscheint ihm als ein Ausdruck zwar unangebrachter, doch<br />

rührender Kümmernis.<br />

«Ich habe sogar für morgen und übermorgen genug», sagt er, um des Fremden Seele zu erleichtern.<br />

«Rauchen Sie eine von meinen?»<br />

«Ja, danke.»<br />

Zigaretten werden in Münder gesteckt, ein fünftes Klick, der Fremde setzt sich kopfschüttelnd auf<br />

den Bootsrand, legt die Kamera aus der Hand, denn er braucht jetzt beide Hände, um seiner Rede<br />

Nachdruck zu verleihen.<br />

«Ich will mich ja nicht in Ihre persönlichen Angelegenheiten mischen», sagt er, «aber stellen Sie<br />

sich mal vor, Sie führen heute ein zweites, ein drittes, vielleicht sogar ein viertes Mal aus und Sie<br />

würden drei, vier, fünf, vielleicht gar zehn Dutzend Makrelen fangen ... stellen Sie sich das mal<br />

vor.»<br />

Der Fischer nickt.<br />

«Sie würden», fährt der Tourist fort, «nicht nur heute, sondern morgen, übermorgen, ja, an jedem<br />

güns tigen Tag zwei-, dreimal, vielleicht viermal ausfahren – wissen Sie, was geschehen würde?»


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KRAFTFUTTER FÜR SPRACHATHLETEN: LESETEXT<br />

Der Fischer schüttelt den Kopf.<br />

«Sie würden sich in spätestens einem Jahr einen Motor kaufen können, in zwei Jahren ein zweites<br />

Boot, in drei oder vier Jahren könnten Sie vielleicht einen kleinen Kutter haben, mit zwei Booten<br />

oder dem Kutter würden Sie natürlich viel mehr fangen – eines Tages würden Sie zwei Kutter haben,<br />

Sie würden ...», die Begeisterung verschlägt ihm für ein paar Augenblicke die Stimme. «Sie<br />

würden ein kleines Kühlhaus bauen, vielleicht eine Räucherei, später eine Marinadenfabrik, mit einem<br />

eigenen Hubschrauber rumfliegen, die Fischschwärme ausmachen und Ihren Kuttern per Funk<br />

Anweisung geben. Sie könnten die Lachsrechte erwerben, ein Fischrestaurant eröffnen, den Hummer<br />

ohne Zwischenhändler direkt nach Paris exportieren – und dann ...», wieder verschlägt die Begeisterung<br />

dem Fremden die Sprache. Kopfschüttelnd, im tiefsten Herzen betrübt, seiner Urlaubsfreude<br />

schon fast verlustig, blickt er auf die friedlich hereinrollende Flut, in der die ungefangenen<br />

Fische munter springen. «Und dann», sagt er, aber wieder verschlägt ihm die Erregung die Sprache.<br />

Der Fischer klopft ihm auf den Rücken, wie einem Kind, das sich verschluckt hat.<br />

«Was dann?», fragt er leise.<br />

«Dann», sagt der Fremde mit stiller Begeisterung, «dann könnten Sie beruhigt hier im Hafen sitzen,<br />

in der Sonne dösen – und auf das herrliche Meer blicken.»<br />

Aber das tu ich ja schon jetzt sagt der Fischer ich sitze beruhigt am Hafen und döse nur Ihr Klicken<br />

hat mich dabei gestört<br />

Tatsächlich zog der solcherlei belehrte Tourist nachdenklich von dannen denn früher hatte er auch<br />

einmal geglaubt er arbeite um eines Tages einmal nicht mehr arbeiten zu müssen und es blieb keine<br />

Spur von Mitleid mit dem ärmlich gekleideten Fischer in ihm zurück nur ein wenig Neid<br />

Materialien<br />

49


Materialien<br />

50<br />

KRAFTFUTTER FÜR SPRACHATHLETEN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Fragen und Aufgaben zum Text<br />

11. Versuche den Inhalt der Geschichte in ein paar wenigen Sätzen zusammenzufassen.<br />

1 L «In einem Hafen an einer westlichen Küste Europas» begegnen sich «ein ärmlich gekleideter Fischer»<br />

und «ein schick angezogener Tourist». Der Tourist erklärt dem friedlich dösenden Fischer, wie er seinen<br />

Wohlstand vergrössern könnte: Er solle unbedingt mehr arbeiten, dann könne er eines Tages das<br />

Leben geniessen. «Aber das tu ich ja jetzt schon», erwidert der Fischer. Der so «belehrte Tourist»<br />

zieht «nachdenklich von dannen.<br />

12. Welche Botschaft soll mit der Geschichte vermittelt werden?<br />

1 L Die Antwort könnte mit folgenden Fragen eingefangen werden:<br />

– Was braucht der Mensch, um glücklich zu sein?<br />

– Leben wir, um zu arbeiten, oder arbeiten wir, um zu leben?<br />

– Wie kann Lebensqualität gesteigert werden?<br />

– Frage nach dem Sinn des zwanghaften Strebens nach mehr Geld.<br />

–…<br />

13. H. Böll konstruiert in seiner Geschichte zwei gegensätzliche Welten. Charakterisiere sie. (Evtl.<br />

tabellarisch gegenüberstellen.)<br />

1 L Es werden zwei gegensätzliche Weltanschauungen einander gegenübergestellt:<br />

– Der Tourist: Geschäftsmann und Managertyp. Der Sinn des Lebens orientiert sich an: Profitdenken,<br />

anerkannte gesellschaftliche Position, Reichtum ... Arbeitet, um sich mehr leisten zu können. Ist<br />

nervös, gestresst, überfordert ...<br />

– Der Einheimische: Ist ein einfacher «Hand»-werker. Konkurrenzstreben und Profitdenken sind ihm<br />

fremd. Arbeitet so viel, als er zu seinem Glück braucht (im positiven Sinn zu verstehen: also nicht<br />

faul, nachlässig, schlampig). Wirkt ruhig, ausgeglichen und zufrieden ...<br />

14. Wer gewinnt die «Auseinandersetzung», und welche Haltung nimmt der Autor, H. Böll,<br />

ein?<br />

1 L – Der Fischer gewinnt die «Auseinandersetzung».<br />

– Böll bezieht eindeutig Position für das Weltbild des Fischers.<br />

15. Der Tourist ändert im Verlaufe der Geschichte seine Haltung. Zunächst bemitleidet er den<br />

Einheimischen, am Schluss beneidet er ihn. Warum?<br />

1 L Der Tourist sieht ein, dass das Weltbild des Fischers gar nicht so falsch ist. Man arbeitet ja, um zu leben<br />

und nicht umgekehrt.<br />

16. Wie hat der Titel auf dich gewirkt, vor dem genauen Lesen? Und wie beurteilst du den Titel<br />

jetzt, nach dem genauen Lesen? (Anekdote: kurze, oft witzige Geschichte)<br />

1 L Zur Erklärung des Titels allgemein: Im Titel verdichtet sich die eigentliche Aussage des Textes und versteckt<br />

sich ein nicht direkt ausgesprochener Appell: Verändert eure Einstellung zur Arbeit, schuftet<br />

euch nicht zu Tode – arbeitet weniger! (Auch hier im positiven Sinne zu verstehen, vgl. oben.)


KRAFTFUTTER FÜR SPRACHATHLETEN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

17. Erkläre folgende Ausdrücke und Wendungen aus dem Text:<br />

a) «... das idyllische Bild ...» (Z. 3f.)<br />

b) «... mit friedlichen schneeweissen Wellenkämmen, ...» (Z. 4f.)<br />

c) «... den dösenden Fischer, ...» (Z. 7)<br />

d) «..., taut jetzt auf ...» (Z. 30)<br />

1 L a) Ruhig, einfach, traumhaft schön<br />

b) Schaumkronen auf den Wellen<br />

c) Nicht wach sein, aber auch nicht fest schlafen; auch: in Gedanken versunken sein, wachend<br />

träumen<br />

d) Reagiert endlich auf die Vorschläge des Touristen<br />

18. Versuche folgende Sätze und Teilsätze mit eigenen Worten zu umschreiben, ohne dabei die<br />

Aussage zu verändern. (Zusätzliche Schwierigkeit: Deine Umschreibungen sollten sich in den<br />

Originaltext einfügen lassen. Achte also auch auf den Stil und die grammatische Struktur.)<br />

a) «Durch jenes kaum messbare, nie nachweisbare Zuviel an flinker Höflichkeit ist eine gereizte<br />

Verlegenheit entstanden, ...» (Z. 10f.)<br />

b) «..., nagt an ihm die Trauer über die verpasste Gelegenheit.» (Z. 19)<br />

c) «Dessen besorgter Gesichtsausdruck erscheint ihm als ein Ausdruck zwar unangebrachter,<br />

doch rührender Kümmernis.» (Z. 31f.)<br />

d) «..., seiner Urlaubsfreude schon fast verlustig, ...» (Z. 55f.)<br />

1 L a) Übertriebene Höflichkeit des Touristen, so dass es fast peinlich wird.<br />

b) Der Tourist bedauert, dass sich der Fischer diese Chancen entgehen lässt.<br />

c) Die Mimik des Touristen verrät echte Besorgnis, obwohl er dazu keinen Anlass hat.<br />

d) Der Fischer hat durch sein Verhalten das Urlaubsglück des Touristen getrübt.<br />

19. In den anführenden Teilsätzen wird immer wieder das gleiche Verb (sagen) gebraucht.<br />

Versuche «sagen» durch ein anderes treffendes Verb zu ersetzen. Bedingung: Deine Ersatzverben<br />

sollten sich problemlos in den Originaltext einfügen lassen und die Stimmung der<br />

«Rede» einfangen.<br />

a) «Ich fühle mich grossartig», sagt er. (Z. 22)<br />

b) «Ich habe sogar für morgen und übermorgen genug», sagt er, ... (Z. 33)<br />

c) «Ich will mich ja nicht in Ihre persönlichen Angelegenheiten mischen», sagt er, ... (Z. 39)<br />

d) «Und dann», sagt er, ... (Z. 57)<br />

e) «Dann», sagt der Fremde ... (Z. 60)<br />

f) Aber das tu ich ja schon jetzt sagt der Fischer ... (Z. 62)<br />

1 L Einige sinnverwandte Ausdrücke für «sagen» (im Einzelfall prüfen, inwieweit diese zum zitierten Teilsatz<br />

passen): sprechen, reden, das Stillschweigen brechen, erzählen, äussern, erklären, bemerken, bestätigen,<br />

betonen, erwidern, hinweisen, ...<br />

Fragen und Aufgaben zur Sprachbetrachtung<br />

Satzglieder / Fälle<br />

10. Markiere alle Satzglieder:<br />

«In einem Hafen an einer westlichen Küste Europas liegt ein ärmlich gekleideter Mann in seinem<br />

Fischerboot und döst.<br />

Ein schick angezogener Tourist legt eben einen neuen Farbfilm in seinen Fotoapparat, um das<br />

idyllische Bild zu fotografieren: ...» (Z. 1ff.)<br />

Materialien<br />

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Materialien<br />

52<br />

KRAFTFUTTER FÜR SPRACHATHLETEN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

1 L – « In einem Hafen an einer westlichen Küste Europas liegt ein ärmlich gekleideter Mann in seinem<br />

Fischerboot und döst.<br />

– Ein schick angezogener Tourist legt eben einen neuen Farbfilm in seinen Fotoapparat , um das<br />

idyllische Bild zu fotografieren: ...»<br />

11. Vergleiche die beiden folgenden Teilsätze:<br />

Variante 1: «..., um des Fremden Seele zu erleichtern.» (Z. 33)<br />

Variante 2: «..., um die Seele des Fremden zu erleichtern.»<br />

a) Worin unterscheiden sich die beiden Varianten von der grammatischen Form her?<br />

Erkläre.<br />

b) Unterscheiden sie sich inhaltlich?<br />

1 L a) Variante 1: vorangestellter attributiver Genitiv; Variante 2: nachgestellter attributiver Genitiv<br />

b) Nein<br />

Grammatische Zeit / Wirkliche Zeit<br />

12. Bestimme in den folgenden Teilsätzen die grammatischen Zeiten:<br />

a) «Durch jenes kaum messbare, nie nachweisbare Zuviel an flinker Höflichkeit ist eine gereizte<br />

Verlegenheit entstanden, ...» (Z. 10f.)<br />

b) «..., die der Tourist ... durch ein Gespräch zu überbrücken versucht.» (Z. 11f.)<br />

c) «Sie werden heute einen guten Fang machen.» (Z. 13)<br />

d) «Der Gesichtsausdruck des Touristen wird immer unglücklicher, ...» (Z. 24)<br />

e) «Ich habe sogar für morgen und übermorgen genug, ...» (Z. 33)<br />

f) «Zigaretten werden in die Münder gesteckt, ...» (Z. 36)<br />

1 L a) Perfekt<br />

b) Präsens<br />

c) Futur I<br />

d) Präsens<br />

e) Präsens<br />

f) Präsens (Passiv)<br />

13. «..., aber bevor er das Gesuchte gefunden, hat ihm der eifrige Tourist schon eine Schachtel<br />

vor die Nase gehalten, ihm die Zigarette nicht gerade in den Mund gesteckt, aber in die<br />

Hand gelegt, ...» (Z. 8f.)<br />

a) Warum ist es schwieriger, in den unterstrichenen Teilsätzen die grammatische Zeit zu<br />

bestimmen?<br />

b) Warum hat sich wohl der Autor entschieden, die unterstrichenen Teilsätze in dieser ungewöhnlichen<br />

Form zu schreiben?<br />

c) Findest du im Text einen Teilsatz, bei dem der Autor ähnlich vorgegangen ist?<br />

1 L a) Es fehlen verbale Teile der entsprechenden grammatischen Zeit, z.B. «... aber bevor er das Gesuchte<br />

gefunden» hat, «hat ...»<br />

b) Aus stilistischen Gründen<br />

c) Z.B. Zeile 30: «Der Fischer, endlich erwacht, ...»<br />

14. «Sie werden also nicht ausfahren?» (Z. 17)<br />

Wäre es möglich, diesen Satz auch im Präsens zu schreiben, ohne seine Aussage massgeblich<br />

zu verändern? Begründe.


KRAFTFUTTER FÜR SPRACHATHLETEN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

1 L Ja. Im Präsens kann auch eine zukünftige Handlung formuliert werden.<br />

15. «Der Fischer klopft ihm auf den Rücken, wie einem Kind, das sich verschluckt hat.»<br />

(Z. 58)<br />

Warum steht der unterstrichene Teilsatz im Perfekt und nicht im Präsens?<br />

1 L Die Handlung «sich verschlucken» ereignet sich vor der Handlung «ihm auf den Rücken klopfen».<br />

Also: Vorzeitigkeit. Der unterstrichene Teilsatz muss im Perfekt stehen.<br />

16. a) In welcher grammatischen Haupt-Erzählzeit ist der Text geschrieben?<br />

b) Warum hat sich der Autor für diese grammatische Zeitform entschieden?<br />

c) Spielt die Geschichte in der Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft? Begründe.<br />

1 L a) Präsens<br />

b) Als Erzählzeit stehen dem Autor eigentlich nur zwei Zeiten zur Verfügung: Präsens und Präteritum.<br />

Wird die Geschichte im Präsens wiedergegeben, hat der Leser das Gefühl, es passiere im<br />

Hier und Jetzt. Der Leser wird emotional stärker eingebunden. (Präteritum hingegen: vorbei, erledigt.)<br />

c) Weil der Autor sich fürs Präsens entscheidet, hat der hier vermittelte Inhalt eher allgemeingül -<br />

tigen, zeitlosen Charakter. Je nach Begründung sind aber auch alle wirklichen Zeiten (Vergangenheit,<br />

Gegenwart, Zukunft) denkbar.<br />

Konjunktiv I / Konjunktiv II / Indirekte Rede<br />

17. Setze folgende Sätze in die indirekte Rede. Beginne mit: Der Fischer/Tourist sagt, ...<br />

a) «Er war so gut, dass ich nicht noch einmal auszufahren brauche, ich habe vier Hummer<br />

in meinen Körben gehabt, ...» (Z. 28f.)<br />

b) «Ich will mich ja nicht in Ihre persönlichen Angelegenheiten mischen», sagt er, «aber<br />

stellen Sie sich mal vor, Sie führen heute ein zweites, ein drittes, vielleicht sogar ein<br />

viertes Mal aus ...» (Z. 39f.)<br />

1 L a) Er sei so gut gewesen (Präteritum –> Perfekt), dass er nicht noch einmal auszufahren brauche,<br />

er habe vier Hummer in seinen Körben gehabt (Perfekt –> Perfekt).<br />

b) Er wolle sich ja nicht in seine persönlichen Angelegenheiten mischen, aber er solle sich mal<br />

vorstellen, er führe heute ein zweites, ...<br />

18. a) Schreibe aus den Zeilen 41 bis 53 sechs Konjunktive heraus, die folgende Bedingungen<br />

erfüllen: Konjunktiv II zum Präsens, Zweiwortform. Übertrage sie in die unten stehende<br />

Tabelle und vervollständige diese.<br />

a)<br />

b)<br />

c)<br />

d)<br />

e)<br />

f)<br />

Konjunktiv II zum Präsens Konjunktiv II zum Präsens,<br />

Zweiwortform Einwortform<br />

Materialien<br />

53


Materialien<br />

54<br />

KRAFTFUTTER FÜR SPRACHATHLETEN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

b) Welche der oben angegebenen Zweiwortformen könnten aus grammatischen Überlegungen<br />

(nicht aus stilistischen) im Originaltext auch in der Einwortform stehen?<br />

Begründe.<br />

c) In Zeile 40 bis 54 äussert sich der Tourist fast ausschliesslich im Konjunktiv II. Was soll<br />

damit zum Ausdruck gebracht werden?<br />

1 L a) Konjunktiv II zum Präsens Konjunktiv II zum Präsens<br />

Zweiwortform Einwortform<br />

** Sie würden fangen (Z. 41) Sie fingen<br />

*** Sie würden ausfahren (Z. 44f.) Sie führen aus (1)<br />

*** (es) würde geschehen (Z. 45) (es) geschähe<br />

* Sie würden sich kaufen können (Z. 47) Sie könnten sich kaufen (1)<br />

** Sie würden fangen (Z. 49) Sie fingen<br />

* Sie würden haben (Z. 49f) Sie hätten<br />

* Sie würden bauen (Z. 51) Sie bauten<br />

*** (Sie würden) rumfliegen (Z. 52) (Sie) flögen rum<br />

** (Sie würden) ausmachen (Z. 52) (Sie) machten aus<br />

*** (Sie würden) geben (Z. 53) (Sie) gäben<br />

* Könnten in der Einwortform geschrieben werden.<br />

** Einwortform identisch mit dem Präteritum Indikativ –> also besser Zweiwortform.<br />

*** Einwortform veraltet –> je nach Stilebene Einwort- oder Zweiwortform.<br />

(1) An anderer Stelle werden diese Einwortformen im Text gebraucht.<br />

b) Wenn wir die stilistische Ebene nicht berücksichtigen, dann müssten aus grammatischen Überlegungen<br />

alle Konjunktivformen, die mit dem Präteritum Indikativ identisch sind, durch die<br />

Zweiwortform ersetzt werden. Vgl. Tabelle oben: Beispiele, die mit ** markiert sind.<br />

c) Etwas Vorgestelltes, Gedachtes<br />

Teilsätze / Satzzeichen<br />

19. Setze im folgenden letzten Textabschnitt alle fehlenden Satzzeichen ein.<br />

Aber das tu ich ja schon jetzt sagt der Fischer ich sitze beruhigt am Hafen und döse nur Ihr<br />

Klicken hat mich dabei gestört<br />

Tatsächlich zog der solcherlei belehrte Tourist nachdenklich von dannen denn früher hatte er<br />

auch einmal geglaubt er arbeite um eines Tages nicht mehr arbeiten zu müssen und es blieb<br />

keine Spur von Mitleid mit dem ärmlich gekleideten Fischer zurück nur ein wenig Neid<br />

(Z. 62ff.)<br />

1 L «Aber das tu ich ja schon jetzt(!)», sagt der Fischer, «ich sitze beruhigt am Hafen und döse, nur Ihr<br />

Klicken hat mich dabei gestört.»<br />

Tatsächlich zog der solcherlei belehrte Tourist nachdenklich von dannen, denn früher hatte er auch<br />

einmal geglaubt, er arbeite(,) um eines Tages nicht mehr arbeiten zu müssen, und es blieb keine Spur<br />

von Mitleid mit dem ärmlich gekleideten Fischer zurück, nur ein wenig Neid.


KRAFTFUTTER FÜR SPRACHATHLETEN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Pronomen<br />

20. Benenne in den folgenden Teilsätzen die unterstrichenen Pronomen:<br />

a) «... ein ärmlich gekleideter Mann in seinem Fischerboot ...» (Z. 1f.)<br />

b) «... und ein viertes Klick, das des Feuerzeuges, ...» (Z. 10)<br />

c) «Durch jenes kaum messbare, ...» (Z. 10f.)<br />

d) «Gewiss liegt ihm das Wohl ...» (Z. 18)<br />

e) «Oh, Sie fühlen sich nicht wohl?» (Z. 20)<br />

f) «Rauchen Sie eine von meinen?» (Z. 34)<br />

1 L a) Possessivpronomen<br />

b) Bestimmter Artikel<br />

c) Demonstrativpronomen<br />

d) Personalpronomen<br />

e) Reflexivpronomen<br />

f) Possessivpronomen<br />

21. Handelt es sich bei den unterstrichenen Wörtern um Pronomen? Begründe.<br />

a) «..., ein drittes Mal: klick.» (Z. 6)<br />

b) Drei Fischer waren bei Flut ausgelaufen.<br />

c) ... und drittens: Ich habe keine Lust!<br />

1 L a) Adjektiv: Ordnungszahlen sind Adjektive.<br />

b) Zahlpronomen: Zahlen von 1–999 999 sind bestimmte Zahlpronomen.<br />

c) Partikel: Lassen sich nicht verändern.<br />

22. Ist das unterstrichene Pronomen ein Zahlpronomen? Begründe.<br />

«Ein schick angezogener Tourist legt eben einen neuen Farbfilm in seinen Fotoapparat, ...»<br />

(Z. 3)<br />

1 L Nein, sondern unbestimmter Artikel. Ein Zahlpronomen würde anzeigen, dass er nur einen und nicht<br />

zwei oder drei Farbfilme eingelegt hat. Das ist hier natürlich nicht der Fall.<br />

23. «Sie werden also nicht ausfahren?» (Z. 17)<br />

Mit «Sie» ist doch der Einheimische gemeint. Warum steht die folgende Verb-Personalform<br />

dann nicht im Singular? Begründe.<br />

1 L In der Höflichkeitsform braucht man immer die Pluralform, auch wenn nur eine Person angesprochen<br />

wird.<br />

24. Wie würden die folgenden Teilsätze lauten, wenn sich die beiden Gesprächspartner «duzen»<br />

würden?<br />

«Ich will mich ja nicht in Ihre persönlichen Angelegenheiten mischen», sagt er, «aber stellen<br />

Sie sich mal vor, Sie führen heute ein zweites ... Mal aus ...» (Z. 39f.)<br />

1 L «Ich will mich ja nicht in deine persönlichen Angelegenheiten mischen», sagt er, «aber stell dir mal<br />

vor, du führest heute ein zweites ... Mal aus ...»<br />

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KRAFTFUTTER FÜR SPRACHATHLETEN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Vorschläge fürs Textschaffen<br />

Vorschlag 1:<br />

Nimm Stellung zu folgender Redewendung (berücksichtige dabei auch deine eigene Situation):<br />

• Wir leben, um zu arbeiten<br />

oder<br />

• Wir arbeiten, um zu leben<br />

Im Anschluss daran die Texte einander vorlesen. Unterschiedliche Meinungen?<br />

Vorschlag 2:<br />

Schreibe ein Tagebuch über eine Woche. Der Inhalt ist natürlich frei erfunden, orientiert sich aber<br />

an der vorliegenden Geschichte.<br />

• Verfasser des Tagebuchs 1: Der ärmlich gekleidete Fischer<br />

• Verfasser des Tagebuchs 2: Der schick angezogene Tourist<br />

Evtl. die Arbeit zu zweit lösen: Einer schreibt Tagebuch 1, der andere Tagebuch 2. Dabei miteinander<br />

das Datum des ersten Tagebucheintrages aushandeln. Nach getaner Arbeit: Texte nebeneinander<br />

legen und Parallellesen.<br />

Vorschlag 3:<br />

Fabeltext: «Übersetze» die vorliegende Geschichte in eine moderne Fabel. Natürlich sind die<br />

Handlungsträger dann nicht mehr Menschen, sondern Tiere mit den typischen Eigenschaften des<br />

Fischers und des Touristen.


Mechanischer Doppelgänger<br />

Hermann Kasack<br />

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SPRACHBETRACHTUNG BLEIFREI: LESETEXT<br />

«Ein Herr wünscht Sie zu sprechen», meldete die Sekretärin. Ich las auf der Besuchskarte: Tobias<br />

Hull, B.A. – Keine Vorstellung. Auf meinen fragenden Blick: «Ein Herr in den besten Jahren, elegant.»<br />

Anscheinend ein Ausländer. Immer diese Störungen. Irgendein Vertreter. Oder? Was weiss man.<br />

«Ich lasse bitten.»<br />

Herr Tobias Hull tritt mit vorsichtigen Schritten ein. Er setzt Fuss vor Fuss, als fürchte er, zu stark<br />

aufzutreten. Ob er leidend ist? Ich schätze sein Alter auf Mitte vierzig. Eine grosse Freundlichkeit<br />

strahlt aus seinem glattrasierten, nicht unsympathischen Gesicht. Sehr korrekt angezogen, beinahe<br />

zu exakt in seinen verbindlichen Bewegungen, scheint mir. Nun, man wird sehen. Mit der Hand<br />

zum Sessel weisend:<br />

«Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches?»<br />

«Oh! Ich wollte mich Ihnen nur vorstellen.»<br />

«Sehr angenehm», sage ich.<br />

«Oh! Sie verstehen!» Dieses mit einem leicht jaulenden Ton vorgebrachte «Oh!» ist unnachahmlich.<br />

Seine müde, etwas monotone Stimme hat einen kleinen fremden Akzent. Er sieht mich mit freundlicher<br />

Erwartung an. Über das Benehmen meines Besuches doch ein wenig erstaunt, wiederhole ich:<br />

«Sehr angenehm. Aber darf ich Sie fragen –»<br />

Da werde ich sogleich mit seinem «Oh!» unterbrochen: «Bitte fragen Sie mich nicht.» Und dann beginnt<br />

er, seine Geschichte zu erzählen, die er anscheinend schon hundertmal vorgebracht hat: «Ich<br />

bin nämlich ausgestopft!»<br />

«Aber – erlauben Sie mal!»<br />

Das eigentümliche Wesen, das mich überlegen fixiert, beachtet den Einwurf nicht, sondern fährt<br />

unbeirrt fort: «Erschrecken Sie nicht, weil ich eine Art Automat bin, eine Maschine in Menschenform,<br />

ein Ersatz sozusagen. Mr. Tobias Hull existiert wirklich. Der Chef einer grossen Fabrik zur Herstellung<br />

von mechanischen Doppelgängern. Ich bin, wie sagt man, seine Projektion, ja, Agent in<br />

Propaganda. Ich kann Ihnen natürlich meinen Mechanismus im einzelnen nicht erklären – Sie verstehen:<br />

Fabrikationsgeheimnis! Aber wenn Sie daran denken, dass die meisten Menschen heutzutage<br />

ganz schablonenmässig leben, handeln und denken, dann werden Sie sofort begreifen, worauf<br />

sich unsere Theorie gründet! Herz und Verstand werden bei uns ausgeschaltet. Sie sind es ja, die<br />

im Leben so oft die störenden Komplikationen hervorrufen. Bei uns ersetzt die Routine alles. Sehr<br />

einleuchtend, nicht wahr?»<br />

Ich nickte verstört.<br />

«Oh! Mein Inneres ist ein System elektrischer Ströme, automatischer Hebel, grossartig! Eine Antennenkonstruktion,<br />

die auf die feinsten Schwingungen reagiert. Sie lässt mich alle Funktionen eines<br />

menschlichen Wesens verrichten, ja, in gewisser Weise noch darüber hinaus. Sie sehen selbst,<br />

wie gut ich funktioniere.» Zweifelnd, misstrauisch betrachte ich das seltsame Geschöpf. «Unmöglich!»<br />

sage ich. «Ein Taschenspielertrick. Sehr apart. Indessen –»<br />

«Oh! Ich kann mich in sieben Sprachen verständigen. Wenn ich zum Beispiel den obersten Knopf<br />

meiner Weste drehe, so spreche ich fliessend englisch, und wenn ich den nächsten Knopf berühre,<br />

so spreche ich fliessend französisch, und wenn ich –»<br />

«Das ist wirklich erstaunlich!»<br />

«Oh! In gewisser Weise; vor allem aber angenehm. Wünschen Sie ein Gespräch über das Wetter, über<br />

Film, über Sport? Über Politik oder abstrakte Malerei? Fast alle Themen und Vokabeln des modernen<br />

Menschen sind in mir vorrätig. Auch eine Spule von Gemeinplätzen lässt sich abrollen. Alles<br />

sinnreich, komfortabel und praktisch. Wie angenehm wird es für Sie sein, wenn Sie sich erst einen<br />

halten – oder besser, wenn Sie gleich zwei Exemplare von sich zur Verfügung haben. Sie könnten<br />

gleichzeitig zwei verschiedene Dienstreisen unternehmen, an mehreren Tagungen teilnehmen, über<br />

all gesehen werden und selber obendrein ruhig zu Hause sitzen. Sie haben einen Stellvertreter Ih-<br />

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SPRACHBETRACHTUNG BLEIFREI: LESETEXT<br />

res Ich, der Ihre Geschäfte wahrscheinlich besser erledigt als Sie selbst. Sie werden das Doppelte<br />

verdienen und können Ihre eigene Person vor vielen Überflüssigkeiten des Lebens bewahren. Ihr<br />

Wesen ist vervielfältigt. Sie können sogar sterben, ohne dass die Welt etwas davon merkt. Denn wir<br />

Automaten beziehen unsere Existenz aus jeder Begegnung mit wirklichen Menschen.»<br />

«Aber dann werden ja die Menschen ganz überflüssig.»<br />

«Nein. Aus eben diesem Grunde nicht. Zwei Menschenautomaten können mit sich selber nur wenig<br />

anfangen. Haben Sie also einen Auftrag für mich?»<br />

Mit jähem Ruck sprang das Wesen auf und sauste im Zimmer hin und her.<br />

«Oh! Wir können auch die Geschwindigkeit regulieren. Berühmte Rennfahrer und Wettläufer halten<br />

sich schon Doppelgänger-Automaten, die ihre Rekorde ständig steigern.»<br />

«Phantastisch! Man weiss bald nicht mehr, ob man einen Menschen oder einen Automaten vor sich<br />

hat.»<br />

«Oh!» zischte es an mein Ohr, «das letzte Geheimnis der Natur werden wir nie ergründen. – Darf<br />

ich also ein Duplikat von Ihnen herstellen lassen? Sie sind nicht besonders kompliziert zusammengesetzt,<br />

das ist günstig. Das hineingesteckte Kapital wird sich bestimmt rentieren. Morgen wird<br />

ein Herr kommen und Mass nehmen.»<br />

«Die Probe ihrer Existenz war in der Tat verblüffend, jedoch –» Mir fehlten die Worte, und ich tat<br />

so, als ob ich überlegte.<br />

«Jedoch, sagen Sie nur noch: Der Herr, der morgen kommen soll, ist das nun ein Automat oder ein<br />

richtiger Mensch?»<br />

«Ich nehme an, noch ein richtiger Mensch. Aber es bliebe sich gleich. Guten Tag.»<br />

Mr. Tobias Hull war fort. Von Einbildung kann keine Rede sein, die Sekretärin ist meine Zeugin.<br />

Aber es muss diesem Gentlemangeschöpf unmittelbar nach seinem Besuch bei mir etwas zugestossen<br />

sein, denn weder am nächsten noch an einem späteren Tage kam jemand, um für meinen Doppelgänger<br />

Mass zu nehmen. Doch hoffe ich, wenigstens durch diese Zeilen die Aufmerksamkeit der<br />

Tobias-Hull-Gesellschaft wieder auf meine Person zu lenken.<br />

Denn eines weiss ich seit jener Unterhaltung gewiss: Ich bin inzwischen vielen Menschen begegnet,<br />

im Theater und im Kino, bei Versammlungen und auf Gesellschaften, im Klub und beim Stammtisch,<br />

die bestimmt nicht sie selber waren, sondern bereits ihre mechanischen Doppelgänger.


SPRACHBETRACHTUNG BLEIFREI: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Fragen und Aufgaben zum Text<br />

11. «Keine Vorstellung.» (Z. 2)<br />

Wie ist dieser Satz zu verstehen?<br />

1 L Auf der «Besuchskarte» (Visitenkarte) stehen keine weiteren Angaben wie z.B. Adresse, Beruf, Firmenbezeichnung<br />

etc.<br />

12. «Anscheinend ein Ausländer» (Z. 4)<br />

a) Wer könnte diese Feststellung gemacht haben?<br />

b) Warum kann man annehmen, es handle sich um einen Ausländer?<br />

1 L a) Gedanken des Vorgesetzten der Sekretärin. (Aus der Geschichte geht nicht hervor, welche Position<br />

er bekleidet. In den folgenden Lösungsvorschlägen wird er als «Geschäftsmann» bezeichnet.)<br />

b) Da der Geschäftsmann auf der «Besuchskarte» keine Hinweise erhält, muss er aufgrund des<br />

Namens «Hull» annehmen, es handle sich um einen Ausländer; vielleicht entspricht es den gesellschaftlichen<br />

Konventionen des Landes nicht, sich so anzumelden.<br />

13. Aus welcher Perspektive heraus wird die Geschichte erzählt? Belege deine Aussage mit einer<br />

entsprechenden Textstelle.<br />

1 L Aus der Sicht des Geschäftsmannes => Ich-Erzählung, z.B. «Ich las auf der Besuchskarte:» (Z. 1)<br />

14. Wie weit entspricht der Text der Wirklichkeit? Begründe.<br />

1 L Es handelt sich um eine fiktive Geschichte. Handlung ist auch faktisch nicht möglich, da es keine Robotermenschen<br />

gibt. (Menschen verhalten sich aber wie Roboter, d.h. «schablonenmässig».)<br />

15. Welche Absicht verfolgt der Autor mit dem Text (Botschaft des Textes)?<br />

1 L Gesellschaftskritik! Emotionsfreie, kalte, sterile Geschäftswelt – frei von «Herz und Verstand», um<br />

«störende Komplikationen» auszuschalten; viele Menschen verhalten sich nicht mehr wie sie selber,<br />

sondern wie «ihre mechanischen Doppelgänger».<br />

16. a) «..., meldete die Sekretärin. (...) Ich las auf der Besucherkarte: ...» (Z. 1)<br />

Dort wo die Klammer steht, haben wir eine Leerstelle im Text, d.h., es wird Handlung<br />

ausgelassen. Welche?<br />

b) «Indessen –» (Z. 37)<br />

Der Gedankenstrich ersetzt hier eine mögliche Überlegung des Geschäftsmannes.<br />

Welche?<br />

1 L a) Die Sekretärin übergibt die «Besuchskarte» ihrem Vorgesetzten.<br />

b) Hegt wahrscheinlich leise Zweifel an seiner Vermutung, es handle sich nur um einen Taschenspielertrick<br />

– schliesst die Möglichkeit des Unmöglichen nicht aus.<br />

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SPRACHBETRACHTUNG BLEIFREI: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

17. «..., beinahe zu exakt in seinen verbindlichen Bewegungen, ...» (Z. 8f.)<br />

Wie ist dieser Teilsatz zu verstehen, wenn man:<br />

a) nur bis Zeile 8 liest, die weitere Entwicklung der Geschichte nicht kennt?<br />

b) die Handlung der ganzen Geschichte berücksichtigt?<br />

1 L a) Dem Geschäftsmann fällt auf, dass Hulls Bewegungsablauf «auffällig» ist – zu genau, zu steif;<br />

er weiss aber die aussergewöhnliche Gestik (noch) nicht zu deuten.<br />

b) Nach der Erklärung «Hulls», er sei eine Maschine in Menschenform, ist die Wahrnehmung des<br />

Geschäftsmannes interpretierbar => Hull bewegt sich wie ein Roboter (= exakt, verbindlich).<br />

18. «Oh! Sie verstehen!» (Z. 14)<br />

Tobias Hull hat hier die Antwort seines Gesprächspartners («Sehr angenehm») falsch verstanden.<br />

Inwiefern?<br />

1 L Wahrscheinlich nimmt Hull an, seinem Gesprächspartner sei aufgefallen, dass er ein Roboter ist.<br />

19. «..., beachtet den Einwurf nicht, ... (Z. 22)<br />

a) Was ist hier mit «Einwurf» gemeint?<br />

b) Schreibe die Textstelle heraus, auf die sich «Einwurf» bezieht.<br />

1 L a) Mit «Einwurf» ist hier ein Einwand des Geschäftsmannes gemeint.<br />

b) «Aber – erlauben Sie mal!» (Z. 22)<br />

10. «..., seine Projektion, ja, Agent in Propaganda.» (Z. 25f.)<br />

Schreibe obigen Satz neu: dabei die unterstrichenen Fremdwörter ersetzen, ohne die Aussage<br />

zu verändern. (Im Zweifelsfall den Fremdwörterduden zu Hilfe nehmen.)<br />

1 L Ich bin das Ebenbild (Abbild, Kopie) des richtigen Herrn Hull. Ein Aussendienstmitarbeiter, der selber<br />

Produkt ist und dafür Werbung macht.<br />

11. « ..., dass die meisten Menschen heutzutage ganz schablonenmässig leben, handeln und<br />

denken, ...» (Z. 27f.)<br />

Was wird hier zwischen den Zeilen mitgeteilt?<br />

1 L Eigentlich gibt es ja gar keine Menschenautomaten – viele Menschen benehmen sich aber wie solche.<br />

12. «Herz und Verstand werden bei uns ausgeschaltet. Sie sind es ja, die im Leben so oft die<br />

störenden Komplikationen hervorrufen.» (Z. 29f.)<br />

Bist du mit dieser Schlussfolgerung einverstanden? Begründe.<br />

1 L Meinung, Standpunkt + entsprechende Begründung.


SPRACHBETRACHTUNG BLEIFREI: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

13. «Ich nickte verstört.» (Z. 32)<br />

Wenn man jemandem zunickt, zeigt man in der Regel, dass man einverstanden ist. Das «verstört»<br />

scheint dieses Einverständnis irgendwie aufzuheben. Ist der Geschäftsmann nun einverstanden<br />

oder nicht? Begründe.<br />

1 L Er ist natürlich nicht einverstanden; er hat Mühe, nachzuvollziehen, was ihm der Roboter offenbart.<br />

Sein Nicken ist eher eine rituelle Reaktion auf die Frage «nicht wahr?» – also kein überzeugtes Einverständnis.<br />

14. «Auch eine Spule von Gemeinplätzen lässt sich abrollen.» (Z. 44)<br />

Erkläre, wie dieser Satz zu verstehen ist.<br />

1 L Auch Gemeinplätze seien aus des Roboters «Gehirn» abrufbar. Gemeinplätze = allgemeine, nichts -<br />

sagende Redensarten.<br />

15. «Ich bin... vielen Menschen begegnet, ..., die bestimmt nicht sie selber waren, sondern bereits<br />

ihre mechanischen Doppelgänger.» (Z. 75ff.)<br />

In diesem letzten Satz verbirgt sich eine leise Kritik des Autors an unserer Gesellschaft.<br />

Welche?<br />

1 L Kritik an der emotionsfreien, kalten, sterilen Geschäftswelt – frei von «Herz und Verstand», um<br />

«störende Komplikationen» auszuschalten; viele Menschen sind nicht mehr sich selbst, sondern verhalten<br />

sich wie Menschenroboter, die bestimmten (fragwürdigen) Konventionen, Erwartungen, Normen<br />

etc. entsprechen müssen.<br />

Fragen und Aufgaben zur Sprachbetrachtung<br />

16. «Auf meinen fragenden Blick: ...» (Z. 2)<br />

«Anscheinend ein Ausländer.» (Z. 4)<br />

«Sehr korrekt angezogen, ... (Z. 8)<br />

a) Diese Teilsätze sind eigentlich grammatisch nicht vollständig. Was fehlt?<br />

b) Schreibe die Teilsätze ohne diese «Mängel» neu.<br />

c) Findest du weitere Teilsätze im Text, die der gleichen grammatischen Struktur entsprechen?<br />

d) Beurteile, ob die Originalvariante oder die korrigierte besser in den Text passt.<br />

1 L a) Es fehlen u.a. die verbalen Teile.<br />

b) Z.B. Auf meinen fragenden Blick meinte sie: / Anscheinend ist es ein Ausländer. / Er ist sehr<br />

korrekt angezogen.<br />

c) Z.B. «Keine Vorstellung.», (Z. 2); «Ein Herr in den besten Jahren, elegant.» (Z. 2f.)<br />

d) Die Originalvariante ist vorzuziehen. Sie entspricht besser der Kommunikationssituation<br />

(= Mündliches Sprachregister, Wiedergabe von Gedanken etc.).<br />

Materialien<br />

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SPRACHBETRACHTUNG BLEIFREI: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Grammatische Zeit / Wirkliche Zeit; Aktiv / Passiv<br />

17. «Ich las auf der Besuchskarte: ...» (Z. 1)<br />

«Herr Tobias Hull tritt mit vorsichtigen Schritten ein.» (Z. 6)<br />

Wie ist der Wechsel der grammatischen Zeit (Präteritum => Präsens) hier zu rechtfertigen?<br />

1 L Wahrscheinlich will der Autor hier mit dem Präsens die Begegnung mit Hull vergegenwärtigen, den<br />

eigentlichen Handlungskern hervorheben.<br />

18. Bestimme in den folgenden Teilsätzen die grammatischen Zeiten.<br />

a) «Aber darf ich Sie fragen –» (Z. 17)<br />

b) «..., dann werden Sie sofort begreifen, ...» (Z. 28)<br />

c) «Herz und Verstand werden bei uns ausgeschaltet.» (Z. 29)<br />

d) «Wie angenehm wird es für Sie sein, ...» (Z. 45)<br />

e) «Ihr Wesen ist vervielfältigt.» (Z. 50f.)<br />

f) «Aber dann werden ja die Menschen ganz überflüssig.» (Z. 53)<br />

g) «Sie sind nicht besonders kompliziert zusammengesetzt, ...» (Z. 62f.)<br />

h) «Die Probe Ihrer Existenz war in der Tat verblüffend, ...» (Z. 65)<br />

1 L a) Präsens<br />

b) Futur I<br />

c) Präsens, Vorgangspassiv (Werden-Passiv)<br />

d) Futur I<br />

e) Präsens, Zustandspassiv (Sein-Passiv)<br />

f) Präsens (überflüssig sein)<br />

g) Präsens, Zustandspassiv (Sein-Passiv)<br />

h) Präteritum<br />

19. Stehen die folgenden Teilsätze im Aktiv oder im Passiv? Begründe.<br />

«Da werde ich sogleich mit seinem ‹Oh!› unterbrochen: ...» (Z. 18)<br />

«Ich bin nämlich ausgestopft!» (Z. 19f.)<br />

1 L Beide Teilsätze stehen im Passiv, der erste im Vorgangs-, der zweite im Zustandspassiv. Begründung:<br />

werden bzw. sein + Partizip II; beide Sätze lassen sich ins Aktiv umformen.<br />

20. «..., die er anscheinend schon hundertmal hervorgebracht hat: ...» (Z. 19)<br />

Warum wechselt hier der Autor ins Perfekt?<br />

1 L Mit dem Perfekt wird hier Vorzeitigkeit markiert.<br />

21. «Erschrecken Sie nicht, ...» (Z. 23)<br />

Warum steht das Verb im Plural? Mit «Sie» sind doch nicht mehrere Personen gemeint?<br />

1 L Mit «Sie» ist natürlich nur eine Person gemeint. In der Höflichkeitsform «Sie» steht die Pluralform<br />

auch, wenn Einzelpersonen gemeint sind.


SPRACHBETRACHTUNG BLEIFREI: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

22. «Sie lässt mich alle Funktionen eines menschlichen Wesens verrichten, ...» (Z. 34f.)<br />

Wie würde der Teilsatz im Perfekt lauten?<br />

1 L Sie hat mich alle Funktionen eines menschlichen Wesens verrichten lassen.<br />

23. «... und können Ihre eigene Person vor vielen Überflüssigkeiten des Lebens bewahren.»<br />

(Z. 50) Setze diesen Satz ins Futur I.<br />

1 L ... und werden Ihre eigene Person vor vielen Überflüssigkeiten des Lebens bewahren können.<br />

24. «Der Herr, der morgen kommen soll, ...» (Z. 67)<br />

a) Grammatische Zeit?<br />

b) Wirkliche Zeit?<br />

1 L a) Präsens<br />

b) Zukünftige Handlung<br />

25. «..., als fürchte er, ...» (Z. 6)<br />

Müsste hier nicht stehen «fürchtet er»? Der vorhergehende Teilsatz steht doch auch im Präsens.<br />

Begründe.<br />

1 L Die Form «fürchte» ist hier umstritten. Eigentlich müsste nicht Konjunktiv I stehen, sondern Konjunktiv<br />

II [«als würde er fürchten», oder «als fürchtete er» (aber identisch mit Indikativ Präteritum)].<br />

Begründung: Konjunktiv II = Vorgestelltes, Gedachtes, Vermutetes.<br />

26. «Sie könnten gleichzeitig zwei verschiedene Dienstreisen unternehmen, an mehreren Tagungen<br />

teilnehmen, überall gesehen werden und selber obendrein ruhig zu Hause sitzen …»<br />

(Z. 46ff.)<br />

Schreibe alle Verbformen der einzelnen Teilsätze heraus und bestimme diese so genau wie<br />

möglich.<br />

1 L – Sie könnten ... unternehmen = Konjunktiv II, Präsens<br />

– ..., (sie könnten) ... teilnehmen = Konjunktiv II, Präsens<br />

– ..., (sie könnten) ... gesehen werden = Konjunktiv II, Präsens, Passiv<br />

– ..., (sie könnten) ... sitzen = Konjunktiv II, Präsens<br />

Konjunktiv I / Konjunktiv II; direkte / indirekte Rede<br />

27. «Sie haben einen Stellvertreter Ihres Ich, der Ihre Geschäfte wahrscheinlich besser erledigt als<br />

Sie selbst.» (Z. 48f.)<br />

a) Setze diesen Satz in den Konjunktiv II, Präsens.<br />

b) Dieser Satz könnte auch im Originaltext im Konjunktiv stehen, ohne dass sich die Originalaussage<br />

gross verändern würde. Auch die folgenden Sätze sind eigentlich konjunktivisch<br />

zu verstehen. Schreibe den Satz heraus, der dann wieder im Indikativ stehen<br />

müsste.<br />

1 L a) Sie hätten ..., der ... erledigen würde ... (erledigte = identisch mit Präteritum, Indikativ)<br />

b) «Denn wir Automaten beziehen unsere Existenz aus jeder Begegnung mit wirklichen Menschen.»<br />

(Z. 51f.)<br />

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SPRACHBETRACHTUNG BLEIFREI: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

28. «Aber es bliebe sich gleich.» (Z. 69)<br />

Wäre eine Umschreibung mit «würde bleiben» hier nicht angemessener? Begründe.<br />

1 L Die Einwort-Form des Konjunktivs II ist hier möglich, da sie sich vom Präteritum Indikativ unterscheidet.<br />

29. Im Text haben wir sehr viel direkte Rede. Würde der Text stilistisch besser oder schlechter,<br />

wenn man mehr indirekt wiedergegeben hätte? Begründe.<br />

1 L Der Text würde bestimmt «schlechter», wenn direkte Rede indirekt wiedergegeben würde. Begründung:<br />

Die Vergegenwärtigung kommt in der direkten Form besser zur Geltung (man kann sich besser<br />

hineindenken; es berührt emotional stärker), der Text wirkt dann auch authentischer (Identifizierung,<br />

persönliche Betroffenheit), ist weniger schwerfällig. In der indirekten Form: abstrakt, fremd, geküns -<br />

telt z.B. bei der Wiedergabe von Imperativen etc.<br />

Satzglieder / Fälle<br />

30. Markiere in den folgenden Teilsätzen die Satzglieder und benenne die grammatischen Fälle.<br />

a) «Eine grosse Freundlichkeit strahlt aus seinem glattrasierten, nicht unsympathischen<br />

Gesicht.» (Z. 7f.)<br />

b) «Der Chef einer grossen Fabrik zur Herstellung von mechanischen Doppelgängern.»<br />

(Z. 24f.)<br />

c) «Fast alle Themen und Vokabeln des modernen Menschen sind in mir vorrätig.» (Z. 43f.)<br />

d) «Sie werden das Doppelte verdienen und können Ihre eigene Person vor vielen Überflüssigkeiten<br />

des Lebens bewahren.» (Z. 49f.)<br />

1 L a) «Eine grosse Freundlichkeit strahlt aus seinem glattrasierten, nicht unsympathischen Gesicht. »<br />

®<br />

N Präpo-D<br />

(Z. 7f.)<br />

b) «Der Chef einer grossen Fabrik zur Herstellung von mechanischen Doppelgängern. » (Z. 24f.)<br />

N (Prädikativ) G Präpo-D Präpo-D<br />

c) «Fast alle Themen und Vokabeln des modernen Menschen sind in mir vorrätig. » (Z. 43f.)<br />

d) «Sie können das Doppelte verdienen und können Ihre eigene Person<br />

N AO AO<br />

vor vielen Überflüssigkeiten des Lebens bewahren.» (Z. 49f.)<br />

®<br />

®<br />

N G Präpo-D<br />

Präpo-D G<br />

31. «Auch eine Spule von Gemeinplätzen lässt sich abrollen.» (Z. 44)<br />

Handelt es sich bei «eine Spule von Gemeinplätzen» um ein Satzglied oder um zwei?<br />

Begründe.<br />

1 L Es handelt sich um ein Satzglied. Begründung: Bildet mit Spule einen Gesamtbegriff, lässt sich also<br />

nicht verschieben.<br />

®<br />

®


SPRACHBETRACHTUNG BLEIFREI: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

32. «Aber es muss diesem Gentlemangeschöpf nach seinem Besuch bei mir etwas zugestossen<br />

sein.» (Z. 71f.)<br />

Welche Verschiebungen sind nicht möglich? Begründe.<br />

a) Diesem Gentlemangeschöpf muss nach seinem Besuch bei mir etwas ...<br />

b) Bei mir muss diesem Gentlemangeschöpf nach seinem Besuch etwas ...<br />

c) Nach seinem Besuch muss diesem Gentlemangeschöpf bei mir etwas ...<br />

d) Etwas muss diesem Gentlemangeschöpf nach seinem Besuch bei mir ...<br />

1 L Die Verschiebungen b) und c) sind nicht möglich. «Seinem Besuch bei mir» bildet einen Gesamtbegriff,<br />

lässt sich nicht verschieben, ohne die Aussage zu verändern.<br />

33. «..., die ihre Rekorde ständig steigern.» (Z. 58)<br />

Wie lässt sich bei Teilsätzen, in denen das konjugierte Verb am Schluss steht, die Verschiebeprobe<br />

anwenden?<br />

1 L Das konjugierte Verb (hier: steigern) nach dem Subjekt (hier: die) setzen, also: die steigern ihre Rekorde<br />

ständig. Dann wie üblich die Verschiebeprobe anwenden.<br />

Vorschläge fürs Textschaffen<br />

Vorschlag 1:<br />

• Natürlich gibt es solche Roboter nicht (oder noch nicht?). Aber beängstigend ist es schon, eines<br />

Tages womöglich von Maschinen beherrscht zu werden. Wenn diese gar ausser Kontrolle gerieten<br />

und die Menschheit bedrohten?<br />

• Wo liegen deiner Meinung nach die Grenzen der Wissenschaft? Oder ist schlicht alles erlaubt,<br />

was machbar und denkbar ist?<br />

Vorschlag 2:<br />

Für Kreative: Entwirf einen Prospekt, in dem solche «mechanischen Doppelgänger» angepriesen<br />

werden. (Vielleicht sind es sogar Schüler-Roboter: Dann könntest du zu Hause bleiben, immer<br />

ausschlafen, faulenzen ...)<br />

Vorschlag 3:<br />

Schreibe eine Fortsetzung der Geschichte. Aus der Perspektive des Roboters, dem offensichtlich<br />

etwas zugestossen ist (Z. 71f.).<br />

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Entlassung<br />

Ruth Rehmann<br />

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MEISTERKURS FÜR SPRACHARCHITEKTEN: LESETEXT<br />

«Ich weiss nicht, was Sie sich da in den Kopf gesetzt haben, Frau Schramm», sagte er. «Ihre ‹Entlassung›,<br />

wenn Sie es so nennen wollen, ich würde es eher als eine Art verlängerten Erholungsurlaub<br />

zur Einleitung der verdienten Altersruhe bezeichnen, hat nicht das Geringste mit Ihren von<br />

uns allen anerkannten Leistungen zu tun. Schliesslich werden wir alle alt, der eine früher, der andere<br />

später, von einem Vertrauensentzug kann jedenfalls keine Rede sein, ausserdem weiss ich wirklich<br />

nicht, was Sie in Ihrer Stellung, die keinerlei Einblick in wesentliche Zusammenhänge der Firma<br />

erlaubt, hätten verraten können, wirklich ...» Er stockte, lächelte gewinnend und wechselte das<br />

Regis ter vom Speziellen ins Allgemeine: «Unsere Firma hat sich in den letzten Jahren über alle Erwartungen<br />

hinaus ausgedehnt und von Bereichen der Herstellung und des Absatzes Besitz ergriffen,<br />

an die gegen Ende des Krieges noch kein Mensch denken konnte. Die Anforderungen an die<br />

Arbeitskräfte haben sich verlagert. Man verlangt mehr, man verlangt anderes. Es ist rentabler, eine<br />

neue Garnitur heranzuziehen, als die alte umzustellen.» «Sehen Sie», sagte er herzlich, «wir haben<br />

Maschinen, die noch tadellos in Ordnung sind und doch ausrangiert werden müssen, um den neuesten<br />

Konstruktionen Platz zu machen: immer das Neueste, das Beste, das Schnellste, das Exaktes -<br />

te. Wie ich Sie kenne, Frau Schramm, fortschrittlich, unsentimental und immer auf das Wohl und<br />

Wachstum der Firma bedacht, müssten Sie als Erste dafür Verständnis haben. Ich weiss», wehrte er<br />

einen nicht erfolgten Einwurf ab, Menschen sind keine Maschinen, aber in einem Betrieb wie dem<br />

unseren müssen sie auf diese Weise, das heisst rationell, eingesetzt werden. Für die menschlichen<br />

Belange sorgt die Sozialabteilung, und Sie werden zugeben, dass diese in unserer Firma auf das Bes<br />

te funktioniert. Selbstverständlich vollzieht sich ein solcher Schritt nicht von heute auf morgen.<br />

Sie bleiben noch eine Zeitlang bei uns und arbeiten die neue Kraft ein, ich habe dafür Fräulein<br />

Viol vorgesehen, die Sie selbst empfohlen haben. Wenn Sie spezielle Wünsche oder Klagen vorzubringen<br />

haben ...» Frau Schramm schüttelte den Kopf, und der enge Schlauch des Zimmers, der verschwommene<br />

Fleck seines Gesichtes, schwankten mit, pendelten von links nach rechts, von rechts<br />

nach links. «Was soll ich denn tun?» murmelte sie, das galt nicht ihm, sie fragte sich selbst, wuss -<br />

te keine Antwort und tastete mit der Hand nach der Türklinke in ihrem Rücken. «Leben, Frau<br />

Schramm!», sagte er heiter, «endlich leben, Bücher lesen, Reisen machen, Geselligkeit pflegen, das<br />

private Reservat, das jeder Mensch hat, über den ganzen Tag ausdehnen und erfüllen. Haben Sie<br />

kein Hobby, keine Lieblingsbeschäftigung, die das Büro bisher in die Winkel des Feierabends und<br />

der Wochenenden verdrängt hat? Nun haben Sie Zeit! Ich beneide Sie, Frau Schramm, ganz ehrlich,<br />

ich wollte, ich wäre schon so weit.»<br />

Langsam kochte Zorn in ihr hoch, ausgelöst von dem «ich beneide Sie» oder von der endlich zu ihr<br />

durchgedrungenen Gewissheit, dass sie falsch gedacht und vergeblich geopfert hatte. Sie stiess sich<br />

an der Türklinke ab und ging Schritt für Schritt auf ihn zu, kniff die Augen zusammen, um den<br />

taumelnden Ballon seines Kopfes an einer Stelle festzuhalten. «Ich habe kein privates Reservat»,<br />

sagte sie leise, demütig, als wollte sie um Entschuldigung bitten, dass sie diese Pflicht versäumt<br />

habe, aber während sie weitersprach, hörte sie, wie ihre Stimme von einer fremden Gewalt ergriffen<br />

und fortgerissen wurde, immer lauter, immer schneller, wohin? dachte sie, wohin? wo soll das<br />

noch enden? «Ich habe auch keine Hobbys, Herr Direktor», sagte sie, «meine Lieblingsbeschäftigung<br />

ist die Firma, ich pflege keine Geselligkeit, lese nicht gern, Reisen bereiten mir Unbehagen.<br />

Kein Mensch hat in all den Arbeitsjahren von der Notwendigkeit eines privaten Reservats gesprochen,<br />

im Gegenteil ...», sie verfiel plötzlich in den Wortlaut der Jubiläumsrede und sah ihm an, dass<br />

auch er sich erinnerte: «... auf den Schultern der alten Getreuen ruht unsere Firma. Ihrer Zuverlässigkeit,<br />

ihrem Fleiss, ihrem selbstlosen Einsatz ist das Gedeihen des gewaltigen, in aller Welt bekannten<br />

Wellis-Konzerns anvertraut, und er wird es ihnen danken ...». Bei dem Wort «danken» kamen<br />

ihr plötzlich die Tränen. Alles, was sie noch sagen wollte, Bitterkeit, Zorn, gerechter Anspruch,<br />

zerfloss ihr unter den Händen, die verzweifelt die Handtasche nach einem Taschentuch durchwühlten.


MEISTERKURS FÜR SPRACHARCHITEKTEN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Fragen und Aufgaben zum Text<br />

11. «..., ich würde es eher als eine Art verlängerten Erholungsurlaub zur Einleitung der verdienten<br />

Altersruhe bezeichnen, ...» (Z. 2f.)<br />

Was wird hier zwischen den Zeilen mitgeteilt und was will Frau Schramms Gesprächspartner<br />

damit bezwecken?<br />

1 L Er will ihr die Entlassung «schmackhaft» machen, das Negative ins Positive verdrehen, um nicht von<br />

den Nachteilen sprechen zu müssen. Zweck: die Frau auf elegante Art und Weise loswerden.<br />

12. «..., ausserdem weiss ich wirklich nicht, was Sie in Ihrer Stellung, die keinerlei Einblick in wesentliche<br />

Zusammenhänge der Firma erlaubt, hätten verraten können, ...» (Z. 5ff.)<br />

Diese Textstelle nimmt Bezug auf eine Aussage Frau Schramms, die im Text nicht wiedergegeben<br />

wird. Was könnte Frau Schramm gesagt haben?<br />

1 L Sie habe immer loyal zur Firma gestanden, auch wenn delikate Geschäfte gedreht wurden, habe keine<br />

interne Informationen an Unbekannte weitergegeben etc.<br />

13. «... und wechselte das Register vom Speziellen ins Allgemeine ...» (Z. 7f.)<br />

Erkläre, was damit gemeint ist und belege es mit einem Beispiel.<br />

1 L Redet nicht mehr von konkreten Ereignissen, sondern von Gemeinplätzen.<br />

Das Spezielle: die Entlassung von Frau Schramm; das Allgemeine: die Entwicklung der Firma.<br />

14. «Es ist rentabler, eine neue Garnitur heranzuziehen, als die alte umzustellen.» (Z. 11f.)<br />

Was will Frau Schramms Gesprächspartner ihr damit erklären?<br />

1 L Es sei finanziell interessanter, eine junge Arbeitskraft anzulernen, als eine alte den Erfordernissen der<br />

aktuellen Arbeitswelt anzupassen.<br />

15. Nimm persönlich Stellung zu folgender Aussage (ähnliche Formulierung wie in den Zeilen<br />

17ff.):<br />

Menschen sind keine Maschinen, aber sie müssen wie diese rationell eingesetzt werden. Für<br />

die menschlichen Belange sorgt die Sozialabteilung, ...<br />

1 L Unterschiedliche Lösungen möglich. Diskutiert zu zweit.<br />

16. «..., das private Reservat, ..., über den ganzen Tag ausdehnen und erfüllen.» (Z. 27f.)<br />

Schreibe die vorgegebenen Teilsätze neu, ohne dabei das Wort «Reservat» zu brauchen.<br />

Wichtig: Inhaltlich muss das Gleiche ausgedrückt werden und deine Version sollte problemlos<br />

in den Originaltext eingefügt werden können.<br />

1 L Unterschiedliche Lösungen möglich. «Das private Reservat» = die traute Umgebung, das Privatleben,<br />

der persönliche Freiraum.<br />

17. «..., die das Büro bisher in die Winkel des Feierabends und der Wochenenden verdrängt<br />

hat?» (Z. 29f.)<br />

Was soll hier Frau Schramm schmackhaft gemacht werden?<br />

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MEISTERKURS FÜR SPRACHARCHITEKTEN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

1 L Ihr Abgang. Bis jetzt habe sie auf Freizeit verzichten und nur für die Firma schuften müssen. Eigentlich<br />

müsste sie doch froh sein, entlassen zu werden. Dann habe sie mehr Zeit für sich. Zeit, das nachzuholen,<br />

worauf sie all die Jahre habe verzichten müssen.<br />

18. a) Wie versucht der Direktor Frau Schramm von seinem Vorhaben zu überzeugen. Welche<br />

Strategie wendet er dabei an?<br />

b) Was meinst du persönlich dazu?<br />

1 L a) Er versucht, sie zu überreden, nicht zu überzeugen: das Positive überbewerten, das Negative<br />

verharmlosen oder verschweigen. Unfaire Argumentationsweise.<br />

b) Unterschiedliche Stellungnahmen möglich. Diskutiert zu zweit.<br />

19. «..., dass sie falsch gedacht und vergeblich geopfert hatte.» (Z. 33)<br />

Wie sind diese Teilsätze zu verstehen? Erkläre.<br />

1 L Es war falsch, ihre Kraft, ihr ganzes Leben in die Firma zu investieren. Niemand bedankt sich jetzt<br />

dafür. Im Gegenteil: Man entlässt sie vorzeitig.<br />

10. « ..., wie ihre Stimme von einer fremden Gewalt ergriffen und fortgerissen wurde, ...»<br />

(Z. 37f.)<br />

Was muss man sich unter dieser «fremden Gewalt» vorstellen?<br />

1 L Ihre Gefühle, ihre Verzweiflung, die Ausweglosigkeit der Situation überwältigen sie.<br />

11. Weshalb verfällt Frau Schramm plötzlich in den Wortlaut der Jubiläumsrede? (Z. 42ff.)<br />

1 L Sie will damit Argumente gegen ihre Entlassung heraufbeschwören: «... auf den Schultern der alten<br />

Getreuen ruht unsere Firma ...»<br />

12. «Bei dem Wort ‹danken› kamen ihr plötzlich die Tränen.» (Z. 45f.)<br />

Warum bewirkt gerade dieses Wort diese starke Gefühlsregung?<br />

1 L Sie begreift jetzt, wie zynisch das Wort «danken» zu verstehen ist.<br />

13. Diese Geschichte wurde vor über 40 Jahren geschrieben. Passt der Text noch in unsere Zeit?<br />

Begründe dein Ja oder Nein.<br />

1 L Unterschiedliche Lösungen möglich. Diskutiert.<br />

14. «Alles, was sie noch sagen wollte, Bitterkeit, Zorn, gerechter Anspruch, zerfloss ihr unter den<br />

Händen, ...» (Z. 46f.)<br />

Was hätte Frau Schramm ihrem Direktor gesagt, wenn es ihr nicht unter den Händen «zerflossen»<br />

wäre? Schreibe mindestens zwei Mitteilungen und versuche dich an den Stil des Textes<br />

zu halten.<br />

1 L Unterschiedliche Lösungen: Stil des Textes berücksichtigen. Inhaltlich: vgl. Hinweise im Zitat.


MEISTERKURS FÜR SPRACHARCHITEKTEN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

15. Aus welcher Perspektive heraus wird die Geschichte erzählt: Frau Schramm oder Direktor<br />

oder Erzähler? Begründe mit einer entsprechenden Textstelle.<br />

1 L Aus der Perspektive des Erzählers. Textstelle z.B. «Langsam kochte Zorn in ihr hoch, ...» (Zeile 32ff.)<br />

16. «..., kniff die Augen zusammen, um den taumelnden Ballon seines Kopfes an einer Stelle<br />

festzuhalten.» (Z. 34f.)<br />

Eine Schülerin meinte, sie habe Mühe, diese Textstelle zu verstehen. Sie begreife nicht, warum<br />

Frau Schramms Hände den Kopf des Direktors an einer Stelle festhalten. Wie würdest<br />

du’s der Schülerin erklären?<br />

1 L Die Textstelle ist nicht wörtlich zu verstehen. In ihrer Erregung beginnt Frau Schramm, die Kontrolle<br />

zu verlieren: In ihrer gestörten Wahrnehmung «sieht» sie nur noch den «taumelnden Ballon» seines<br />

Kopfes. Sie versucht zu korrigieren, sich zu beherrschen, sich wieder in den «Griff zu bekommen».<br />

Fragen und Aufgaben zur Sprachbetrachtung<br />

17. «Ihre ‹Entlassung›, wenn Sie es so nennen wollen, ich würde es eher als eine Art verlängerten<br />

Erholungsurlaub zur Einleitung der verdienten Altersruhe bezeichnen, hat nicht das Geringste<br />

mit Ihren von uns allen anerkannten Leistungen zu tun.» (Z. 1ff.)<br />

a) Gegen welche gängige grammatische Norm verstösst dieser Satz?<br />

b) Gegen welche Norm des «guten Stils» verstösst dieser Satz?<br />

c) Schreibe eine Version dieses Satzes, in dem diese «Fehler» nicht vorkommen.<br />

d) Schreibt die Autorin «schlecht» – oder hat sie bewusst diese Sprache gewählt? Begründe.<br />

1 L a) Ungewöhnliche Stellung von Satzgliedern; Übergänge von einem Teilsatz zum anderen stimmen<br />

nicht. Kurz: der Bauplan des Satzes stimmt nicht.<br />

b) Es handelt sich um Schachtelsätze; dazu Amtssprache: aufgeplustert, schwerfällig, z.B. Erholungsurlaub<br />

zur Einleitung der ...; mit Ihren von uns allen anerkannten Leistungen ...<br />

c) Möglichkeit: Ihre Entlassung hat nichts mit Ihren Leistungen zu tun. Sie wissen, dass alle diese<br />

anerkennen. Die Entlassung würde ich eher als eine Art verlängerten Erholungsurlaub und<br />

Übergang in den Ruhestand bezeichnen.<br />

d) Die Sprache ist bewusst gewählt: es handelt sich um mündlich Wiedergegebenes. In münd -<br />

lichen Äusserungen sind die Sätze oft weniger durchstrukturiert, es gibt Gedankensprünge,<br />

Abbrüche, Wiederaufnahmen etc. Es wäre in der hier dargestellten Kommunikationssituation<br />

geradezu falsch, «richtig» zu schreiben.<br />

18. «Ihre ‹Entlassung›, wenn Sie es so nennen wollen, ...» (Z. 1f.)<br />

Warum steht «Entlassung» zwischen (halben) Anführungszeichen? Will die Autorin damit etwas<br />

besonders markieren?<br />

1 L Ironische Hervorhebung, Schlüsselwort, etwas wird besonders markiert.<br />

19. Erkläre, warum die hervorgehobenen Wörter in den zitierten Beispielen gross oder klein geschrieben<br />

werden müssen.<br />

a) «... und wechselte das Register vom Speziellen ins Allgemeine: ...» (Z. 7f.)<br />

b) «Es ist rentabler, eine neue Garnitur heranzuziehen, als die alte umzustellen.» (Z. 11f.)<br />

c) «Sehen Sie», ..., «wir haben Maschinen, ... » (Z. 12f.)<br />

d) «..., aber in einem Betrieb wie dem unseren müssen sie auf diese Weise, ..., eingesetzt<br />

werden.» (Z. 17f.)<br />

Materialien<br />

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MEISTERKURS FÜR SPRACHARCHITEKTEN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

e) «Alles, was sie noch sagen wollte, ...» (Z. 46)<br />

f) «..., hat nicht das Geringste mit Ihren ... Leistungen zu tun.» (Z. 3f.)<br />

g) «... immer das Neueste, das Beste, das Schnellste, das Exakteste.» (Z. 14f.)<br />

h) «..., müssten Sie als Erste dafür Verständnis haben.» (Z. 16)<br />

i) «..., dass diese in unserer Firma auf das Beste funktioniert.» (Z. 19f.)<br />

1 L a) Nominalisierung von Adjektiven<br />

b) Kleinschreibung, obwohl nominalisiert; «die alte» bezieht sich auf das vorher genannte Nomen<br />

«die neue Garnitur».<br />

c) Höflichkeitsform<br />

d) «sie» = Menschen; hier Personalpronomen als Stellvertreter<br />

e) «sie» = Frau Schramm; hier Personalpronomen als Stellvertreter<br />

f) Nominalisierung von Adjektiven (nach alter Rechtschreibung klein)<br />

g) Nominalisierung von Adjektiven (nach alter Rechtschreibung klein)<br />

h) Nominalisierung von Adjektiven (nach alter Rechtschreibung klein)<br />

i) Nominalisierung von Adjektiven (nach alter Rechtschreibung klein)<br />

Satzglieder / Fälle<br />

20. Markiere im folgenden Textauszug alle Satzglieder und benenne die Präpo-Fälle (Präposition<br />

+ Fall).<br />

«Unsere Firma hat sich in den letzten Jahren über alle Erwartungen hinaus ausgedehnt und<br />

von Bereichen der Herstellung und des Absatzes Besitz ergriffen, an die gegen Ende des Krieges<br />

noch kein Mensch denken konnte. Die Anforderungen an die Arbeitskräfte haben sich<br />

verlagert. Man verlangt mehr, man verlangt anderes.» (Z. 8ff.)<br />

1 L «Unsere Firma hat sich in den letzten Jahren über alle Erwartungen hinaus ausgedehnt und<br />

®<br />

®<br />

Präpo-D Präpo-A<br />

von Bereichen der Herstellung und des Absatzes Besitz ergriffen, an die gegen Ende des Krieges<br />

® ® ®<br />

Präpo-D Präpo-A Präpo-A<br />

noch kein Mensch denken konnte. Die Anforderungen an die Arbeitskräfte haben sich verlagert.<br />

Man verlangt mehr , man verlangt anderes .» (Z. 8ff.)<br />

Präpo-A<br />

Grammatische Zeit / Wirkliche Zeit; Verb<br />

21. a) In welcher grammatischen Erzählzeit steht der Text?<br />

b) Wäre auch eine andere grammatische Erzählzeit denkbar? Begründe.<br />

1 L a) Präteritum<br />

b) Präsens: gilt auch als mögliche Erzählzeit in schriftlichen Texten. Würde bei Leserin/Leser den<br />

Eindruck der Unmittelbarkeit suggerieren. Präteritum: vorbei, nicht mehr zu beeinflussen, zu<br />

verändern.<br />

22. «Ich weiss nicht, was Sie sich da in den Kopf gesetzt haben, Frau Schramm», sagte er.<br />

(Z. 1)<br />

Warum wechselt die Autorin im zitierten Satz dreimal die grammatische Zeit? Begründe.<br />

1 L Erzählzeit ist das Präteritum, also: «sagte er.». In der direkten Rede: Präsens und Perfekt: mit dem<br />

Perfekt wird Vorzeitigkeit markiert.<br />

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MEISTERKURS FÜR SPRACHARCHITEKTEN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

23. Übertrage aus allen Teilsätzen der Zeilen 1 «Ihre ‹Entlassung› ...» bis 7 «... hätten verraten<br />

können, ...» jeweils das Subjekt und die dazugehörigen verbalen Teile auf eine Tabelle. (Z.B.<br />

für den Teilsatz «... und doch ausrangiert werden müssen, ...», Zeile 13, würde die Lösung<br />

lauten:)<br />

1 L<br />

Subjekt verbale(r) Teil(e)<br />

(die) ausrangiert werden müssen<br />

Subjekt verbale(r) Teil(e)<br />

Ihre Entlassung hat (zu) tun<br />

Sie nennen wollen<br />

ich würde bezeichnen<br />

wir werden<br />

der eine, der andere (werden)<br />

keine Rede kann sein<br />

ich weiss<br />

Sie hätten verraten können<br />

die erlaubt<br />

24. «..., wir haben Maschinen, die noch tadellos in Ordnung sind und doch ausrangiert werden<br />

müssen, ...» (Z. 12f.)<br />

Im letzten Teilsatz «fehlt» das Subjekt. Warum?<br />

1 L Das Subjekt «die» aus dem vorhergehenden Teilsatz wird aus stilistischen Gründen nicht wiederholt.<br />

25. Bestimme in den folgenden Teilsätzen die grammatischen Zeiten:<br />

a) «... müssen sie auf diese Weise, ..., eingesetzt werden.» (Z. 18)<br />

b) «... und Sie werden zugeben, ...» (Z. 19)<br />

c) «..., wie ihre Stimme von einer fremden Gewalt ergriffen und fortgerissen wurde, ...»<br />

(Z. 37f.)<br />

d) «..., und er wird es ihnen danken ...» (Z. 45)<br />

1 L a) Präsens (Passiv)<br />

b) Futur I<br />

c) Präteritum (Passiv)<br />

d) Futur I<br />

26. «..., dass sie falsch gedacht und vergeblich geopfert hatte.» (Z. 33)<br />

Warum setzt die Autorin in den beiden Teilsätzen das Plusquamperfekt?<br />

1 L Das Plusquamperfekt markiert Vorzeitigkeit: Die vergangenen Handlungen «falsch denken» und «vergeblich<br />

opfern» haben sich vor anderen vergangenen Handlungen, z.B. «kochte Zorn in ihr hoch», ereignet.<br />

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MEISTERKURS FÜR SPRACHARCHITEKTEN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Konjunktiv I / Konjunktiv II; direkte / indirekte Rede<br />

27. «... ausgelöst von dem ‹ich beneide Sie›» ... (Z. 32)<br />

Handelt es sich bei «ich beneide Sie» um eine direkte Rede? Begründe.<br />

1 L Eigentlich nicht direkte Rede, sondern ein Zitat aus der direkten Rede.<br />

28. Warum steht ein grosser Teil des Textes in der direkten Rede? Wäre es nicht besser gewesen,<br />

alles erzählend oder in indirekter Rede wiederzugeben?<br />

1 L Direkte Rede wirkt hier eindeutig besser: authentischer/echter, erzeugt Spannung, löst Betroffenheit<br />

aus, bietet Identifikationsmöglichkeiten.<br />

29. In den direkten Reden dominieren v.a. die Aussagen des Direktors. Warum?<br />

1 L Durchaus beabsichtigt: Hat etwas mit dem Machtgefälle zwischen dem Direktor und seiner Untergebenen<br />

zu tun. Will die Frau auch «niederreden», «überschnorren».<br />

30. «..., was Sie in Ihrer Stellung, die keinerlei Einblick in wesentliche Zusammenhänge erlaubt,<br />

hätten verraten können.» (Z. 6f.)<br />

a) Warum steht in der oben zitierten Textstelle einmal Indikativ, dann Konjunktiv?<br />

b) Bestimme die Konjunktivform so genau wie möglich.<br />

1 L a) Durch den Indikativ wird eine Tatsache dargestellt, durch den Konjunktiv etwas Vorgestelltes,<br />

Gedachtes.<br />

b) 3. Pers. Plural, Konjunktiv II zum Perfekt<br />

31. a) «..., ich wollte, ich wäre schon so weit.» (Z. 31)<br />

b) «..., als wollte sie um Entschuldigung bitten, ...» (Z. 36)<br />

Steht «wollte» in den beiden Zitaten im Indikativ oder Konjunktiv? Begründe.<br />

1 L a) «wollte» steht im Konjunktiv II. Einwortform; zu verstehen als «ich würde wollen». Die Einwortform<br />

wirkt stilistisch schlanker, daher besser, auch wenn sie identisch ist mit dem Indikativ<br />

Präteritum.<br />

b) «wollte» steht im Indikativ Präteritum => Erzählzeit.


MEISTERKURS FÜR SPRACHARCHITEKTEN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Vorschläge fürs Textschaffen<br />

Vorschlag 1:<br />

Stell dir vor: Mitten in der Auseinandersetzung zwischen der Sekretärin und ihrem Chef gibt es einen<br />

«Filmriss». Als der Film weitergeht, sitzt plötzlich Frau Schramm auf dem Chefsessel und der<br />

Chef sieht sich zum Sekretär degradiert.<br />

Wie wird die Geschichte weitergehen?<br />

Vorschlag 2:<br />

Immer wieder zu lesen und zu hören: Massenentlassungen!<br />

Sogar Firmen, denen es eigentlich gut geht, schicken ihre Arbeiterinnen und Arbeiter auf die<br />

Strasse – auch nur, um den Gewinn zu steigern.<br />

Wie ist es um eine Welt bestellt, deren oberstes Prinzip Macht und Gewinnmaximierung ist?<br />

Wie könnte man solche Probleme in den Griff bekommen?<br />

Vorschlag 3:<br />

Dein Freund (oder deine Freundin) aus dem benachbarten Kanton hat dir soeben geschrieben, er<br />

(sie) habe seine (ihre) Stelle verloren.<br />

«Um auf dem Markt konkurrenzfähig zu bleiben, sind einfach 85 Stellen wegrationalisiert worden,<br />

sozusagen von heute auf morgen». Natürlich gebe es einen Sozialplan, und eine Weiterbildung sei<br />

ihm (ihr) auch angeboten worden – trotzdem: Bitterkeit, Furcht, Zorn, Verzweiflung ... sprechen<br />

aus dem Brief.<br />

Du entschliesst dich, deinem Freund (deiner Freundin) sofort einen Brief zu schreiben: Worte des<br />

Trostes, der Ermutigung ...<br />

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NOUVELLE CUISINE – SPRACHE FILETIEREN: LESETEXT<br />

Die sechs<br />

David McKee<br />

• In den Zeilen 29 bis 34 fehlen die Satzzeichen. (Vgl. Aufgabe 18.)<br />

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Es waren einmal sechs Männer, die lange Zeit wanderten, auf der Suche nach einem Land, wo sie<br />

in Frieden leben und arbeiten könnten ...<br />

Endlich, nach langem Suchen, kamen sie in eine fruchtbare Gegend und liessen sich hier nieder. Sie<br />

arbeiteten hart; sie pflügten die Äcker, sie bauten Häuser und wurden allmählich reich.<br />

Und als sie immer reicher wurden, begannen sie sich zu sorgen. Sie fürchteten, es könnten Räuber<br />

kommen und ihnen den Besitz wegnehmen. So bauten sie einen hohen Wachtturm, um von dort<br />

nach Feinden Ausschau zu halten. Bei jedem verdächtigen Geräusch rannten sie zum Turm und kletterten<br />

hinauf. Als sie eines Tages davon genug hatten, kamen sie überein, lieber eine Wache aufzustellen,<br />

als ihren Besitz aufs Spiel zu setzen.<br />

So nahmen sie sechs starke Soldaten in ihren Dienst, die von nun an immer da waren, falls es<br />

Schwierigkeiten gab.<br />

Die Räuber kamen aber nicht, und die Soldaten lagen gelangweilt herum, weil sie nichts zu tun hatten.<br />

Die sechs Männer sorgten sich wieder. Sie fürchteten, die Soldaten könnten verlernen, wie man<br />

kämpft.<br />

Sie sorgten sich auch, weil sie die Soldaten für ihr Nichtstun bezahlen mussten, und sie suchten<br />

Mittel und Wege, ihre Sorgen loszuwerden.<br />

In der Nähe war eine andere Farm. Die sechs Männer warfen ein Auge darauf und schickten die<br />

sechs Soldaten aus, die Farm zu erobern. Das war leicht. Die friedlich lebenden Besitzer rannten<br />

einfach davon. Jetzt, nachdem sich die Soldaten im Kampf behauptet hatten und die sechs Männer<br />

noch mehr Land besassen, hörten sie auf, sich zu sorgen.<br />

Statt dessen überkam sie der Machthunger.<br />

Bald wurde den Soldaten befohlen, alle nahe gelegenen Farmen zu erobern; eine nach der anderen.<br />

Manche Bauern leisteten Widerstand und wurden getötet, manche ergaben sich und erklärten sich<br />

einverstanden, für die sechs Männer zu arbeiten.<br />

Je mehr Land die sechs eroberten und je reicher sie wurden, umso mehr Soldaten mussten sie anwerben.<br />

So hatten sie bald eine grosse Armee, und die ersten sechs Soldaten wurden deren Offiziere.<br />

Die Armee eroberte immer mehr Land, und eines Tages beherrschten die sechs Männer das<br />

Land bis zum Fluss hinunter.<br />

Einige Bauern die sich nicht ergeben wollten flüchteten über den Fluss dort auf der anderen Seite<br />

des Flusses arbeiteten sie fleissig und lebten glücklich ihre einzige Sorge war die Armee der sechs<br />

Männer könnte den Fluss überqueren um zur Verteidigung bereit zu sein beschlossen sie sich zu<br />

vereinigen sie bildeten Gruppen abwechselnd übte sich die eine Gruppe in der Kriegskunst während<br />

die andere der täglichen Arbeit nachging auf diese Weise war jedermann auf einen Angriff vorbereitet<br />

Die sechs Männer stellten am Flussufer eine Wache auf, und auf der anderen Seite des Flusses taten<br />

die anderen das gleiche.<br />

Eine Zeitlang blieb alles ruhig, und die Wachen hatten nichts zu tun.<br />

Eines Tages flog eine Wildente den Fluss hinunter. Beide Wachen sahen sie, beide Wachen schossen<br />

auf sie, und beide Wachen verfehlten sie. Die abgeschossenen Pfeile schwirrten quer über den Fluss,<br />

und da jede Wache dachte, sie sei beschossen worden, schlug sie Alarm.<br />

Beide Seiten rückten in voller Kampfrüstung aus, und die grosse Schlacht begann.<br />

Tagelang tobte die Schlacht auf dem Fluss und an seinen beiden Ufern, und als die Schlacht ein Ende<br />

fand, war niemand mehr am Leben.<br />

Niemand ausser sechs Männern auf jeder Seite, die in entgegengesetzter Richtung davongingen. Sie<br />

wanderten auf der Suche nach einem Land, wo sie in Frieden leben und arbeiten könnten ...


NOUVELLE CUISINE – SPRACHE FILETIEREN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Fragen und Aufgaben zum Text<br />

11. Schreibe eine Inhaltsangabe zum Text (max. 7 Sätze).<br />

1 L Unterschiedliche Lösungen.<br />

12. Welche Botschaft will uns der Autor mit dieser Geschichte mitteilen?<br />

1 L Unterschiedliche Lösungen.<br />

Mögliche Richtung: Konsequenzen grenzenlosen Machthungers / Widersinn menschlichen Handelns /<br />

«Logik» gewisser Sachzwänge etc.<br />

13. Der Text von McKee ist wie ein modernes Märchen gebaut.<br />

a) Nenne einige märchenhafte Elemente.<br />

b) Warum wählt McKee die Textsorte Märchen?<br />

c) Sind Kinder Adressaten dieses Textes? Begründe.<br />

1 L a) Unbestimmtheit von Raum und Zeitangaben, «Es war einmal ...» / Moralisierende Botschaft /<br />

Handlungsträger (Die sechs), Handlungsstruktur (Wiederholung etc.) entsprechen dem «Märchenrezept»<br />

etc.<br />

b) Das Märchen verpackt seine «Moral», seine Botschaft, in eine Geschichte. Es richtet keine<br />

«Vorwürfe» an die Leser- oder Zuhörerschaft und fordert sie nicht direkt auf, ihr Verhalten zu<br />

ändern. Dadurch wächst die Bereitschaft, sich mit dem Text und dessen Aussagen auseinander<br />

zu setzen und allenfalls für das eigene Verhalten die Konsequenzen zu ziehen.<br />

c) Möglicherweise auch Kinder, dann aber ältere. Hauptadressaten sind aber Erwachsene. Die<br />

Botschaft des Textes würde in dieser Form von Kindern wohl kaum verstanden: Veränderung<br />

sozialen Verhaltens etc., vgl. b). (Übrigens: Das Volksmärchen diente ursprünglich der Unterhaltung<br />

von Erwachsenen.)<br />

14. Die Geschichte endet: «Niemand ausser sechs Männern ...» (Z. 44)<br />

a) Warum lässt der Autor am Schluss wieder sechs Männer auftreten?<br />

b) Überleben am Schluss der Geschichte die gleichen sechs Männer wie am Anfang?<br />

Begründe.<br />

1 L a) Eigentlich endet die Geschichte so, wie sie angefangen hat: ein fataler Kreislauf. Evtl. versteckte<br />

Kritik: Die Geschichte lehrt, dass wir nichts aus ihr lernen. Auf der andern Seite ist jedes Ende<br />

eine Chance für einen Neubeginn – eine Chance, auf Grund gewonnener Einsichten bessere<br />

Lösungen zu finden.<br />

b) Wahrscheinlich nicht. Es wäre ja Zufall, wenn bei dieser kriegerischen Auseinandersetzung gerade<br />

«Die sechs» überlebt hätten. Das spielt in diesem Zusammenhang auch gar keine Rolle. Es<br />

«müssen» in der Konstruktion der Geschichte sechs überleben, damit die Geschichte neu starten<br />

kann, vgl. a).<br />

15. Beschreibe zwei mögliche Fortsetzungen der Geschichte (nur in Stichworten, keinen zusammenhängenden<br />

Text schreiben!):<br />

a) Variante «gut»<br />

b) Variante «schlecht»<br />

1 L Unterschiedliche Lösungen:<br />

Variante «gut»: Die Handlungsträger sind einsichtig und verändern ihr widersinniges Verhalten.<br />

Variante «schlecht»: Der gleiche Blödsinn wiederholt sich.<br />

Materialien<br />

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Materialien<br />

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NOUVELLE CUISINE – SPRACHE FILETIEREN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

16. Obwohl der Text einem Märchen entspricht, können durchaus Bezüge zum aktuellen Zeitgeschehen<br />

hergestellt werden. Inwiefern?<br />

1 L Die Märchenstruktur ist wie oben beschrieben tatsächlich nur eine «Maske». Es gibt aktuelle kriegerische<br />

Auseinandersetzungen, die sich an ähnlichen banalen Ereignissen entzündet haben wie im vorliegenden<br />

Märchen. Vgl. unterschiedliche Konfliktherde auf der Welt.<br />

Fragen und Aufgaben zur Sprachbetrachtung<br />

17. a) «..., auf der Suche nach einem Land, ...» (Z. 1)<br />

Welches Verb muss hier sinngemäss ergänzt werden?<br />

b) «..., wo sie in Frieden leben und arbeiten könnten ...» (Z. 1f.)<br />

Welches Verb muss man sich zu «leben» hinzudenken?<br />

c) Warum werden «Auslassungen» wie bei a) und b) vorgenommen?<br />

d) «Beide Wachen sahen sie, beide Wachen schossen auf sie, und beide Wachen verfehlten<br />

sie.» (Z. 38f.)<br />

Warum schreibt der Autor dreimal «beide Wachen»? Könnte man nicht wie oben bei a)<br />

und b) «Auslassungen» vornehmen?<br />

1 L a) ... Sie waren auf der Suche ...<br />

b) ... leben könnten und arbeiten könnten ...<br />

c) Aus stilistischen Überlegungen, wirkt sonst schwerfällig.<br />

d) Theoretisch möglich. Hier aber gewolltes Stilelement. Repetition wirkt als Verstärkung.<br />

Grammatische Zeit / Wirkliche Zeit; Verb<br />

18. a) Welches ist die grammatische (Haupterzähl)-Zeit des Textes?<br />

b) Hätte sich der Autor auch für eine andere entscheiden können? Begründe.<br />

1 L a) Präteritum<br />

b) Präsens; als Erzählzeit möglich. Allerdings wegen Anlehnung an die Textsorte «Märchen» weniger<br />

zu empfehlen.<br />

19. Bestimme die grammatischen Zeiten:<br />

a) «Und als sie immer reicher wurden, ...» (Z. 5)<br />

b) «Als sie eines Tages davon genug hatten, ...» (Z. 8)<br />

c) «... die sich nicht ergeben wollten ...» (Z. 29)<br />

d) «Die abgeschossenen Pfeile schwirrten quer über den Fluss ...» (Z. 39)<br />

1 L a) bis d) Präteritum<br />

10. «Sie fürchteten, die Soldaten könnten verlernen, wie man kämpft.» (Z. 13f.)<br />

Warum steht das Verb des 1. Teilsatzes nicht in der gleichen grammatischen Zeit wie dasjenige<br />

des 3. Teilsatzes?<br />

1 L Teilsatz 1 im Präteritum. Begründung: Grammatische (Erzähl)Zeit (wirkliche Zeit: Vergangenheit).<br />

Teilsatz 3 im Präsens. Begründung: Wirkliche Zeit: allgemeingültige Aussage.


NOUVELLE CUISINE – SPRACHE FILETIEREN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

11. «..., nachdem sich die Soldaten im Kampf behauptet hatten ...» (Z. 19)<br />

Was bringt man zum Ausdruck, wenn man diese grammatische Zeit setzt?<br />

1 L Plusquamperfekt: Vorzeitigkeit gegenüber einer Handlung im Präteritum.<br />

Konjunktiv I / Konjunktiv II<br />

12. «... und ihnen den Besitz wegnehmen.» (Z. 6)<br />

Steht der Teilsatz im Indikativ oder Konjunktiv? Begründe.<br />

1 L Im Konjunktiv II: (könnten) wegnehmen. Konjunktiv muss hier gedanklich wiederholt werden.<br />

13. «... und arbeiten könnten ...» (Z. 2)<br />

a) Bestimme die Konjunktivform so genau wie möglich.<br />

b) Was soll mit dem Konjunktiv ausgedrückt werden?<br />

1 L a) Konjunktiv II zum Präsens, Einwortform<br />

b) Etwas Vorgestelltes, Gedachtes<br />

14. «..., falls es Schwierigkeiten gab.» (Z. 10f.)<br />

Könnte das Verb «gab» auch durch «gäbe» ersetzt werden? Begründe.<br />

1 L Möglich, allerdings mit leichter Bedeutungsverschiebung: Die Wahrscheinlichkeit auftretender<br />

Schwierigkeiten wird etwas abgeschwächt.<br />

15. «... die Armee der sechs Männer könnte den Fluss überqueren» (Z. 31f.)<br />

Könnte dieser Teilsatz im Präteritum Indikativ stehen? Begründe.<br />

1 L Nein. Mit dem Konjunktiv II wird hier auf eine Möglichkeit hingewiesen. Keine Tatsache.<br />

Aktiv / Passiv<br />

16. «Bald wurde den Soldaten befohlen, ...» (Z. 22)<br />

a) Bestimme die Passivform so genau wie möglich.<br />

b) Setze den Satz ins Aktiv.<br />

1 L a) Werden-Passiv (Vorgangspassiv), Präteritum<br />

b) Bald befahl man den Soldaten ... (man = Die sechs); (oder: befahlen sie ...)<br />

17. «..., sie sei beschossen worden, ...» (Z. 40)<br />

Welche Aussage ist richtig? Der Satz steht im:<br />

a) Aktiv, Konjunktiv I zum Perfekt<br />

b) Werden-Passiv (Vorgangspassiv), Perfekt, Konjunktiv<br />

c) Sein-Passiv (Zustandspassiv), Präteritum<br />

1 L Aussage b)<br />

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NOUVELLE CUISINE – SPRACHE FILETIEREN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Teilsätze; Satzzeichen<br />

18. Setze die fehlenden Satzzeichen in den Text.<br />

Einige Bauern die sich nicht ergeben wollten flüchteten über den Fluss dort auf der anderen<br />

Seite des Flusses arbeiteten sie fleissig und lebten glücklich ihre einzige Sorge war die Armee<br />

der sechs Männer könnte den Fluss überqueren um zur Verteidigung bereit zu sein beschlossen<br />

sie sich zu vereinigen sie bildeten Gruppen abwechselnd übte sich die eine Gruppe in der<br />

Kriegskunst während die andere der täglichen Arbeit nachging auf diese Weise war jedermann<br />

auf einen Angriff vorbereitet<br />

1 L Einige Bauern, die sich nicht ergeben wollten, flüchteten über den Fluss. Dort(,) auf der anderen Seite<br />

des Flusses(,) arbeiteten sie fleissig und lebten glücklich. Ihre einzige Sorge war, die Armee der sechs<br />

Männer könnte den Fluss überqueren. Um zur Verteidigung bereit zu sein, beschlossen sie, sich zu<br />

vereinigen. Sie bildeten Gruppen. Abwechselnd übte sich die eine Gruppe in der Kriegskunst,<br />

während die andere der täglichen Arbeit nachging. Auf diese Weise war jedermann auf einen Angriff<br />

vorbereitet.<br />

Satzglieder / Fälle<br />

19. Markiere die Satzglieder und benenne die fallbestimmten.<br />

«So nahmen sie sechs starke Soldaten in ihren Dienst, die von nun an immer da waren, falls<br />

es Schwierigkeiten gab.» (Z. 10f.)<br />

«Beide Seiten rückten in voller Kampfausrüstung aus, und die grosse Schlacht begann. Tagelang<br />

tobte die Schlacht am Fluss und an seinen beiden Ufern, und als die Schlacht ein Ende<br />

fand, war niemand mehr am Leben.» (Z. 41ff.)<br />

1 L « So nahmen sie sechs starke Soldaten in ihren Dienst , die von nun an immer da waren, falls es<br />

Schwierigkeiten gab.» (Z. 10f.)<br />

AO<br />

« Beide Seiten rückten in voller Kampfausrüstung aus, und die grosse Schlacht begann.<br />

Tagelang tobte die Schlacht am Fluss und an seinen beiden Ufern , und als die Schlacht<br />

ein Ende fand, war niemand mehr am Leben .» (Z. 41ff.)<br />

▼<br />

N AO Präpo-A N N<br />

▼<br />

N Präpo-D N<br />

▼<br />

N Präpo-D N<br />

AO N Präpo-D<br />


NOUVELLE CUISINE – SPRACHE FILETIEREN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Vorschläge fürs Textschaffen<br />

Vorschlag 1:<br />

Schreibe in Form einer Zeitungsmeldung einen Bericht über die Ereignisse:<br />

• Tageszeitung 1: Erscheint im Land der «sechs Männer»<br />

• Tageszeitung 2: Erscheint im Land der «Bauern auf der anderen Seite des Flusses»<br />

Evtl. Aufgabe zu zweit lösen: Einer schreibt für die Tageszeitung 1, der andere für die Tageszeitung<br />

2.<br />

Vergleich und Diskussion: Inwiefern unterscheiden sich die beiden Berichte? Warum?<br />

Vorschlag 2:<br />

Ausweitung der Arbeitsaufgabe 5: Mit Hilfe der Stichwörter einen zusammenhängenden Text<br />

schreiben; entweder in der Variante «gut» oder «schlecht».<br />

Vorschlag 3:<br />

Nimm Stellung zu folgender Aussage:<br />

«Jedes Land hat eine Armee – entweder die eigene oder eine fremde!»<br />

Materialien<br />

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TRAININGSPLÄTZE FÜR SPRACHMECHANIKER: LESETEXT<br />

«Selbstoffenbarungsangst» gepaart mit Konsumismus<br />

Daniela Kuhn (gekürzt übernommen aus: Weltwoche, 3. Mai 1990, S. 85)<br />

• In den Zeilen 51 bis 59 fehlen die Satzzeichen. (Vgl. Aufgabe 17.)<br />

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Die einen schauen zum Fenster: draussen ein sonniger Frühlingstag, blauer Himmel. Die anderen<br />

kritzeln auf die Bank. Abwesendes Vor-sich-hin-Starren und unbeteiligtes Ausharren spiegelt sich<br />

in den Gesichtern. Nein, dies ist nicht die Stille in einer schweizerischen Bahnhofswartehalle, auch<br />

nicht die Atmosphäre in einem Zürcher Tram, sondern der alltägliche Alptraum unzähliger Mittelschüler<br />

und Lehrer.<br />

Gequält sitzen die Parteien (Lehrer und Schüler) einander gegenüber und harren der erlösenden<br />

Pausenglocke, die mit ihrem Schrillen die Stille durchbrechen möge.<br />

Verzweifelt versucht der Französischlehrer eine Spur von Interesse, einen Hauch von Begeisterung<br />

in die Klasse zu bringen, auf dass ein Fünkchen zünde – vergebens. Jeder Versuch einer Diskussion<br />

scheitert jämmerlich am passiven Widerstand, am Schweigen der Klasse. Die träge Masse lässt<br />

sich nicht aus der Reserve locken. (...)<br />

Sie mauscheln vor sich hin, das ist ihnen völlig egal<br />

Dieselben Schüler, die für eine Mathearbeit fünf Stunden lernen, inszenieren einen volksaufstand -<br />

ähnlichen Tumult, wenn sie etwa fünfzig Seiten lesen sollten. Die zeitgemässen Einwände lauten:<br />

«Wann sollte ich neben dem Schulstress auch noch Zeit zum Lesen haben?» Eine zwanzigjährige<br />

Studentin bekennt, in ihrer gesamten Mittelschulzeit vor der Matura einen einzigen Roman gelesen<br />

zu haben. (...)<br />

Im mündlichen Unterricht fallen diese «Schwarzleser» nicht auf. Sie sitzen ebenso stumm und<br />

schweigend da wie diejenigen, die ihre Pflichtlektüre hinter sich gebracht haben. (...)<br />

Längst schlagen sich die Schüler nicht mehr mit veralteten, trockenen Lehrmitteln herum. (...)<br />

Doch nichts scheint die Schüler – jedenfalls nicht in Regie des Lehrers – zu interessieren. Das neue<br />

Leiden der Lehrer scheint eine Jugend ohne Sprache zu sein. (...)<br />

Ein Deutschlehrer hatte ein besonderes Erlebnis mit einer «stummen Klasse». Nachdem die Klasse<br />

die «Odyssee» (= griechisches Heldengedicht!) gelesen hatte, sollten die Schüler eine kurze Notiz<br />

zu denjenigen fünf Punkten machen, die sie am meisten betroffen oder interessiert hatten. Das Resultat<br />

innerhalb der Klasse fiel ausserordentlich spannend und an originellen Gedanken reich aus.<br />

Die Schüler hatten die wesentlichen und wichtigsten Punkte der «Odyssee» überraschend gut verstanden<br />

und wiedergeben können. Der begeisterte Lehrer forderte die Schüler in der nächsten Stunde<br />

auf, ihre Gedanken auszutauschen und darüber in der Klasse zu diskutieren. Dieselben Schüler,<br />

welche zuvor zum Teil brillante schriftliche Notizen abgegeben hatten, sassen schweigend in ihren<br />

Bänken. Kaum brachte der Lehrer ein Wort aus seinen Schülern heraus. (...)<br />

Deutschstunde als willkommene Erholung vom Schulstress<br />

Besonders schwierig ist es für Mittelschüler, einen literarischen Text (abgesehen von dessen<br />

Schwierigkeit oder Leichtigkeit) zu interpretieren. Eine Schwellenangst, die mit dem möglichen<br />

Verfehlen der «richtigen» Antwort zusammenhängt, lähmt die Schüler. Ist diese Lähmung erst einmal<br />

fortgeschritten, nimmt sie erschreckende Ausmasse an. Auf die einfachste Frage, deren Antwort<br />

im Text stünde, bleiben die zwanzig jungen Leute wie stumme Fische sitzen. (...)<br />

Und freiwillig läuft im mündlichen Unterricht nichts. Die Schüler schwanken zwischen Über- und<br />

Unterforderung, da sich der Lehrer nur schwer ein Bild vom Niveau der Klasse machen kann. Freiwilligkeit<br />

heisst die jedem selbst überlassene Beteiligung am Unterricht. Diese Freiheit stellt im<br />

Schulsystem eine Seltenheit dar. Es kommt je länger, je mehr vor, dass ein Schüler mit dieser Freiheit<br />

nicht umgehen kann. Nur mehr mit Druck lässt sich Beteiligung erzeugen. Ohne Zwang kein<br />

Echo: welch trauriges Fazit der Leistungsgesellschaft!


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TRAININGSPLÄTZE FÜR SPRACHMECHANIKER: LESETEXT<br />

Manche Schüler empfinden in der mündlichen Verweigerung ein Gefühl der Souveränität. Rundheraus<br />

erklärt ein Gymnasiast: «Der muss nicht meinen, ich strecke etwa auf (für den).» Die Sprachlosigkeit<br />

wird als Auflehnung, als Rebellion eingesetzt. Rebellion, aber gegen wen? Der Lehrer – oft<br />

kann dieser fachlich und pädagogisch gut sein –, er wird offenbar als Gegner aufgefasst. Führen<br />

stumme Schüler gar einen Machtkampf (...)<br />

BESONDERS DAS MIT DEM MYTHOS DER MUTTERSPRACHE BEHAFTETE HAUPTFACH DEUTSCH SCHEINT<br />

IMMER MEHR IN RICHTUNG RELIGIONSUNTERRICHT ABZURUTSCHEN IMMER MEHR EINEN FAKULTA-<br />

TIVCHARAKTER ANZUNEHMEN DIE DEUTSCHSTUNDEN ALS WILLKOMMENE ERHOLUNG VOM SCHUL-<br />

STRESS DIE IN DER UMGANGSSPRACHE GELÄUFIGE FRAGE WAS BRINGT’S IST ZUR OBERSTEN LEIT-<br />

FRAGE AVANCIERT DIE SPRACHE DAS MÜNDLICHE ENGAGEMENT BRINGT EBEN NICHT GENUG IM<br />

KLARTEXT KEINE BESSEREN NOTEN DIE MÜNDLICHNOTE DIENT HÖCHSTENS ZUM AUF- ODER ABRUN-<br />

DEN DER SCHRIFTLICHEN ARBEITEN EIN NOTENMÄSSIG GUTER SCHÜLER KANN IM MÜNDLICHEN UN-<br />

TERRICHT SOZUSAGEN NICHT VORHANDEN SEIN WÄHREND SICH UMGEKEHRT EIN NOTENMÄSSIG<br />

SCHLECHTER SCHÜLER AM UNTERRICHT AKTIV UND BEREICHERND BETEILIGEN KANN.<br />

In den anderen Fächern, vor allem den Naturwissenschaften, sind die Anforderungen ganz klar gestellt.<br />

Wer sich dabei nicht genügend vorbereitet, muss mit ungenügenden Noten rechnen. Im krassesten<br />

Unterschied dazu steht der Deutschunterricht. Die Note Vier (genügend) wird – ausser in extremen<br />

Fällen – von vornherein garantiert. (...)<br />

Wer ist denn nun dieser Sprachlose? Natürlich sind die persönlichen Hintergründe, das soziale Umfeld<br />

von Bedeutung. Ein Jugendlicher, der am Esstisch zu Hause keine Sprachkultur erfährt, an dem<br />

keiner – oder nur einer – spricht, hat keine Möglichkeit, sprechen zu lernen. Wen erstaunt es, dass<br />

der spätere Schüler ausfällt, wenn das Kind bereits die massgebliche Form von Kontakt am Bildschirm<br />

erlebt hat? Anders ist es, wenn das Kind in einem geistig anregenden Milieu aufwächst, wo<br />

neben dem Koch- und dem Telefonbuch noch andere Bücher vorhanden sind.<br />

Für den Lehrer, den die psychologischen Motive zwar betreffen mögen, der aber schliesslich seine<br />

Stunde geben muss, ist es in den bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen des Sprachunterrichts, in<br />

welchem mit den Waffen der Verweigerung und Ablehnung gekämpft wird, alles andere als leicht.<br />

Welches sind die möglichen Lösungen gegen die Sprachlosigkeit? Die schon seit langem von allen<br />

Seiten geforderten kleinen Klassen? Mehr Gewicht auf die Benotung im mündlichen Unterricht?<br />

Oder gar ein neues Betrachten des Schulsystems – womöglich der Schülerpsyche?<br />

Materialien<br />

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TRAININGSPLÄTZE FÜR SPRACHMECHANIKER: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Fragen und Aufgaben zum Text<br />

11. An wen ist der Zeitungsartikel gerichtet (Adressat)?<br />

1 L An alle direkt oder indirekt Betroffenen (Eltern, Lehrkräfte, Politiker/innen, Studenten/Studentinnen<br />

etc.)<br />

Begründung: Es sind die Leute/Institutionen, welche das Malaise betrifft und die sich überlegen müssen,<br />

wie das Phänomen der «stummen Klassen» zu bewältigen wäre.<br />

12. Worum geht es in diesem Text ganz allgemein? Fasse das Kernproblem in ein paar wenigen<br />

Sätzen zusammen.<br />

1 L Die Autorin beschäftigt sich mit dem Problem der Verweigerung des mündlichen Sprachunterrichts an<br />

den Mittelschulen.<br />

13. Nenne vier Gründe aus dem Text, warum sich die Schüler am mündlichen Sprachunterricht<br />

schlecht beteiligen.<br />

1 L Mögliche Gründe: Erholung vom Schulstress / Selbstoffenbarungsangst / Konsumismus / Schwellenangst<br />

/ Über-, Unterforderung / «Gefühl der Souveränität» / Machtkampf gegen Lehrperson (Auflehnung,<br />

Rebellion) / Keine besseren Noten für mündliche Mitarbeit<br />

14. Wie ist der Titel des Textes zu verstehen?<br />

1 L Selbstoffenbarungsangst: Angst, sich vor Publikum zu äussern und damit etwas von seiner Persönlichkeit<br />

(seinem Ich) preiszugeben. Konsumismus: vgl. konsumieren; hier im Sinne von «schmarotzen»,<br />

profitieren, ohne selber etwas beizusteuern. Beide (Geistes)Haltungen (oft miteinander verbunden)<br />

kristallisieren sich in der mündlichen Sprachverweigerung.<br />

15. Im Originaltext findest du immer wieder Auslassungszeichen (...).<br />

a) Wo liesse sich der folgende Text sinnvoll einfügen. Nur Zeile angeben.<br />

«Das hat verschiedene Gründe: Das ‹wahr oder falsch› kann man in Aufsätzen, also<br />

persönlichen Gedanken und Äusserungen, nicht anwenden. Dazu kommt, dass im Falle<br />

eines Rekurses ein Aufsatz möglicherweise als zu schlecht benotet eingestuft wird. Der<br />

ungenügende Aufsatz macht also mehr Mühe als die Vorstellung, dass etwa eine<br />

falsche Gleichung plötzlich stimmen könnte ...»<br />

b) «... aus der Reserve locken.» (...) (Z. 11)<br />

Schreibe an Stelle der Auslassungszeichen zwei Sätze, die zum Textzusammenhang passen<br />

würden.<br />

1 L a) Z. 63 «– von vornherein garantiert.» (...)<br />

b) Verschiedene Lösungsmöglichkeiten<br />

16. Erkläre folgende Sätze mit eigenen Worten:<br />

a) «Nein, dies ist nicht die Stille in einer schweizerischen Bahnhofswartehalle, auch nicht<br />

die Atmosphäre in einem Zürcher Tram, sondern der alltägliche Alptraum unzähliger<br />

Mittelschüler und Lehrer.» (Z. 3ff.)<br />

b) «Ohne Zwang kein Echo: welch trauriges Fazit der Leistungsgesellschaft!»<br />

(Z. 44f.)


TRAININGSPLÄTZE FÜR SPRACHMECHANIKER: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

c) «Manche Schüler empfinden in der mündlichen Verweigerung ein Gefühl der Souveränität.»<br />

(Z. 46)<br />

d) «Für den Lehrer, ..., ist es in den bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen des Sprachunterrichts,<br />

in welchem mit den Waffen der Verweigerung und Ablehnung gekämpft wird,<br />

alles andere als leicht.» (Z. 70ff.)<br />

1 L a) Die Autorin vergleicht das Verhalten der Schüler in den Mittelschulen mit dem Kommunikationsverhalten<br />

in anderen Situationen: z.B. Bahnhofshalle / Zürcher Tram (abwesendes Vor-sichhin-Starren,<br />

unbeteiligtes Verhalten). Die (Mittel)Schule ist aber ein Ort, wo Kommunikation<br />

stattfinden muss. Da dies nicht der Fall ist, wird die (Deutsch)Stunde zur Qual für Lehrpersonen<br />

und Schüler.<br />

b) Ohne Zwang zur mündlichen Mitarbeit läuft überhaupt nichts. Schlussfolgerung der Autorin:<br />

In einer Gesellschaft, die sich nur an Leistung als höchstem Prinzip orientiert, bleibt offenbar<br />

die Kommunikation auf der Strecke. Dies ist traurig, denn die Fähigkeit sich mitzuteilen ist<br />

ebenso wichtig wie das Leistungsprinzip.<br />

c) Manche Schüler empfinden ein Gefühl der Überlegenheit, wenn sie sich nicht mündlich äussern.<br />

d) Die Lehrpersonen haben es ausserordentlich schwer, ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Begründung:<br />

Die beiden Parteien (Lehrende/Lernende), welche eigentlich am gleichen Strick ziehen<br />

sollten, «bekämpfen» sich.<br />

17. Erkläre die unterstrichenen Wörter und Wendungen:<br />

a) «..., einen Hauch von Begeisterung ...» (Z. 8)<br />

b) «Im mündlichen Unterricht fallen diese ‹Schwarzleser› nicht auf.» (Z. 19)<br />

c) «... – jedenfalls nicht in Regie des Lehrers – ...» (Z. 22)<br />

d) «... immer mehr einen Fakultativcharakter anzunehmen ...» (Z. 52f.)<br />

1 L a) Metapher: Hauch bedeutet: «sanft», «sichtbar», «spürbar» => wenigstens ein bisschen Begeis -<br />

terung<br />

b) «Leser/innen», die eigentlich gar nicht lesen, aber so tun, als hätten sie gelesen.<br />

c) Unter der (An)Leitung der Lehrperson.<br />

d) Es ist der freien Wahl der Schüler/innen überlassen, sich im (mündlichen) Deutschunterricht zu<br />

engagieren oder nicht.<br />

Fragen zur Sprachbetrachtung<br />

Satzglieder<br />

18. Markiere alle Satzglieder und benenne die grammatischen Fälle.<br />

«Verzweifelt versucht der Französischlehrer eine Spur von Interesse, einen Hauch von Begeis -<br />

terung in die Klasse zu bringen, auf dass ein Fünkchen zünde – vergebens. Jeder Versuch einer<br />

Diskussion scheitert jämmerlich am passiven Widerstand, am Schweigen der Klasse.»<br />

(Z. 8ff.)<br />

L Verzweifelt versucht der Französischlehrer eine Spur von Interesse, einen Hauch<br />

von Begeisterung in die Klasse zu bringen, auf dass ein Fünkchen zünde – vergebens .<br />

▼<br />

– N<br />

AO Präpo-D AO<br />

Präpo-D Präpo-A N –<br />

Jeder Versuch einer Diskussion scheitert jämmerlich am passiven Widerstand, am Schweigen<br />

N G Präpo-D Präpo-D<br />

der Klasse .» (Z. 8ff.)<br />

G<br />

▼<br />

▼<br />

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TRAININGSPLÄTZE FÜR SPRACHMECHANIKER: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

9. «..., die sie am meisten betroffen oder interessiert hatten.» (Z. 26)<br />

Im ersten Teilsatz fehlt eigentlich das «hatten», im zweiten das Subjekt «sie».<br />

Warum?<br />

1 L Aus stilistischen und sprachökonomischen Gründen. Der Satz wirkt ohne diese Repetition schlanker,<br />

leichter und eleganter.<br />

Grammatische Zeit / Wirkliche Zeit<br />

10. Grammatische Erzählzeit:<br />

a) Welche grammatische (Haupt)-Erzählzeit braucht die Autorin?<br />

b) Warum wählt sie gerade diese grammatische Zeit?<br />

c) Wäre auch eine andere grammatische Zeit möglich? Begründe.<br />

1 L a) Präsens<br />

b) Beschreibung einer aktuellen Situation.<br />

c) Nein. Das Präteritum bietet sich für diese Textsorte und Situation nicht an, weil man damit<br />

Vergangenheit signalisieren würde.<br />

11. Bestimme die grammatische Zeit folgender Textstellen:<br />

a) «Die träge Masse lässt sich nicht aus der Reserve locken.» (Z. 10f.)<br />

b) «Doch nichts scheint die Schüler ... zu interessieren.» (Z. 22)<br />

1 L a) Präsens<br />

b) Präsens<br />

12. Bestimme die grammatischen Zeiten und begründe den Zeitenwechsel in folgenden Sätzen:<br />

a) «Sie sitzen ebenso stumm und schweigend da wie diejenigen, die ihre Pflichtlektüre<br />

hinter sich gebracht haben.» (Z. 19f.)<br />

b) «Nachdem die Klasse die ‹Odyssee› gelesen hatte, sollten die Schüler eine kurze Notiz<br />

zu denjenigen fünf Punkten machen, die sie am meisten betroffen oder interessiert hatten.»<br />

(Z. 24ff.)<br />

1 L a) Präsens / Perfekt: Mit dem Perfekt wird Vorzeitigkeit markiert.<br />

b) Plusquamperfekt / Präteritum / Plusquamperfekt: Mit dem Plusquamperfekt wird Vorzeitigkeit<br />

(im Zeitraum der Vergangenheit) markiert.<br />

13. Warum steht der Abschnitt in Zeile 24 («Ein Deutschlehrer ...») bis Zeile 32 («... aus seinen<br />

Schülern heraus») in einer anderen grammatischen Zeit als die vorausgehenden und folgenden<br />

Abschnitte?<br />

1 L Der Abschnitt steht im Präteritum (Plusquamperfekt: Vorzeitigkeit), weil hier von einem vergangenen<br />

«Erlebnis» berichtet wird.<br />

Konjunktiv I / Konjunktiv II<br />

14. «Auf die einfachste Frage, deren Antwort im Text stünde, bleiben die zwanzig Leute wie<br />

stumme Fische sitzen.» (Z. 38f.)<br />

a) Bestimme die Verbformen.<br />

b) Könnte man anstatt «stünde» auch «steht» schreiben? Begründe.


TRAININGSPLÄTZE FÜR SPRACHMECHANIKER: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

1 L a) Konjunktiv II zum Präsens, Einwort-Form / Präsens<br />

b) Der Indikativ ist möglich, da die Antwort auch tatsächlich im Text zu finden ist.<br />

15. «..., einen Hauch von Begeisterung in die Klasse zu bringen, auf dass ein Fünkchen zünde –<br />

vergebens.» (Z. 8f.)<br />

Eine Schülerin meint, «zünde» sei falsch. Hier müsste «zündete» stehen. Nimm Stellung dazu.<br />

1 L Hier kann man geteilter Meinung sein:<br />

Möglichkeit 1 (wie im Text): Konjunktiv I, im Sinne einer formelhaften Wendung, wie z.B.: Es werde<br />

Licht.<br />

Möglichkeit 2: Konjunktiv II, im Sinne von etwas Vorgestelltem; dann allerdings besser in der Zwei -<br />

wort form: «zünden würde», denn «zündete» ist identisch mit Präteritum.<br />

16. «Wann sollte ich neben dem Schulstress auch noch Zeit zum Lesen haben?» (Z. 16)<br />

Der obige Satz steht in direkter Rede. Hätte die Autorin diesen im vorliegenden Textzusammenhang<br />

auch indirekt wiedergeben können? Begründe.<br />

1 L Eine indirekte Wiedergabe wäre hier möglich. Die Variante in direkter Form ist hier allerdings besser.<br />

Indirekte Rede wäre hier schwerfällig; direkte Rede wirkt leichter und authentischer.<br />

Satzzeichen<br />

17. In den Zeilen 51 bis 59 wurde alles in Grossbuchstaben geschrieben und es fehlen die Satzzeichen.<br />

Ergänze im Originaltext die fehlenden Satzzeichen.<br />

1 L Besonders das mit dem Mythos der Muttersprache behaftete Hauptfach Deutsch scheint immer mehr<br />

in Richtung Religionsunterricht abzurutschen, immer mehr einen Fakultativcharakter anzunehmen: die<br />

Deutschstunden als willkommene Erholung vom Schulstress. Die in der Umgangssprache geläufige<br />

Frage «Was bringt’s?» ist zur obersten Leitfrage avanciert. Die Sprache, das mündliche Engagement,<br />

bringt eben nicht genug, im Klartext: keine besseren Noten. Die Mündlichnote dient höchstens zum<br />

Auf- oder Abrunden der schriftlichen Arbeiten. Ein notenmässig guter Schüler kann im mündlichen<br />

Unterricht sozusagen nicht vorhanden sein, während sich umgekehrt ein notenmässig schlechter<br />

Schüler am Unterricht aktiv und bereichernd beteiligen kann.<br />

Rechtschreibung<br />

18. a) Erkläre, warum die unterstrichenen Wörter gross- oder kleingeschrieben werden und<br />

b) schreibe jeweils einen Satz, in dem das fett geschriebene Wort kleingeschrieben wird.<br />

1. «Die anderen kritzeln auf die Bank.» (Z. 1f.)<br />

2. «Abwesendes Vor-sich-hin-Starren und unbeteiligtes Ausharren spiegelt ...»<br />

(Z. 2)<br />

3. «..., die mit ihrem Schrillen die Stille durchbrechen möge.» (Z. 7)<br />

4. «..., am Schweigen der Klasse.» (Z. 10)<br />

5. «..., wenn sie etwa fünfzig Seiten lesen sollten.» (Z. 15)<br />

1 L 1. anderen: Die Pronomen «viel, ein, ander und wenig» (und alle ihre Flexionsformen) werden<br />

immer klein geschrieben, auch wenn sie nominalisiert (als Nomen gebraucht) sind.<br />

2: Vor-sich-hin-Starren: Gesamtausdruck nominalisiert, durch die Aneinanderreihung wird angezeigt,<br />

dass es als ein Wort (Nomen) zu verstehen ist. Schriebe man es zusammen, wäre es jedoch<br />

schwer lesbar. Beispiel: Er starrt vor sich hin.<br />

Ausharren: nominalisiert. Beispiel: Er wollte ausharren bis zum bitteren Ende.<br />

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TRAININGSPLÄTZE FÜR SPRACHMECHANIKER: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

3: Schrillen: nominalisiert; mit dem Schrillen. Beispiel: Die Glocke wird in 10 Minuten schrillen.<br />

Stille: normales Nomen.<br />

4: Schweigen: Infinitiv als Nomen gebraucht; an dem Schweigen. Beispiel: Sie brachten es fertig<br />

zu schweigen.<br />

5: sie: Personalpronomen (nicht Höflichkeitsform)<br />

Vorschläge fürs Textschaffen<br />

Vorschlag 1:<br />

Nimm in einem Leserbrief persönlich Stellung zu dem im Text dargestellten Sachverhalt. Dabei<br />

kannst du Aussagen des Textes in Frage stellen oder verstärken; dich für die Position der Schüler<br />

und/oder Lehrer einsetzen.<br />

Vorschlag 2:<br />

Verfasse zwei Texte:<br />

Text 1: Versetze dich in die Lage eines Schülers oder einer Schülerin: Wie erleben sie einen solchen<br />

Deutschunterricht?<br />

Text 2: Versetze dich in die Lage eines Deutschlehrers/einer Deutschlehrerin: Wie erleben diese einen<br />

solchen Unterricht?<br />

Vorschlag 3:<br />

(Ausweitung der Frage 5 – vgl. «Fragen zum Text».)<br />

Im Text findest du mehrere Auslassungen (herausgeschnittene Textstellen = (...). Schneide den<br />

Text an diesen Stellen auseinander.<br />

Ergänze die Auslassungen durch eigene «Fortsetzungen», aber aufgepasst: diese sollten in den<br />

Textzusammenhang passen (Probe: Jemandem den Gesamttext vorlesen. Merkt er, wo dein Text<br />

beginnt/aufhört?).<br />

Klebe die originalen Textstellen und deine Fortsetzungen auf ein Ordnerblatt.


LAST-MINUTE-RUNDREISE «SPRACHE», 1. KLASSE: LESETEXT<br />

Wer heute fehlerfrei schreibt, der ist von gestern<br />

Verlieren wir unsere Schriftkultur? Ein oft beklagtes Malaise erfordert eine differenzierte Betrachtung<br />

Andreas Heller, Weltwoche Nr. 42, 15. Oktober 1987 (gekürzt)<br />

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Der Phantasie waren wieder einmal keine Grenzen gesetzt. Statt Hemd schrieb der Primarschüler<br />

«hämppt» und brachte es somit fertig, in einem Wort mit vier Buchstaben etliche Fehler unterzubringen.<br />

Anstelle von ängstlich schrieb er «ängstlig», derweil seine Kameraden sich für die Schreibweisen<br />

«engstlich» oder «änstlich» entschieden. Und statt abends hiess es in den Diktaten «arbends»,<br />

«abens» oder «abents».<br />

In einem Maturaaufsatz aus diesem Jahr ist zu lesen: «Der Mensch wird überschätz, wenn es<br />

heisst er kann sich immer überwinden und wenn man ihn, kann er es nicht deswegen verspottet.<br />

Aber noch zu erwähnen gilt es die Menschen, die kritisieren um nicht selbst handeln zu müssen.»<br />

Nach über 12 Jahren Unterricht ist dieser Schüler nicht in der Lage, mit Orthographie, Komma- und<br />

Grammatikregeln einigermassen umzugehen (...)<br />

Doch der Maturand soll nicht verspottet werden. Der nachlässige Umgang mit der Muttersprache ist<br />

längst nicht mehr nur ein kurioser Einzelfall, sondern ein weit verbreitetes Übel, das bei Pädagogen<br />

zunehmend Besorgnis erregt (...) Und diese Feststellung gilt nicht nur für Schüler; vielmehr<br />

auch für Studenten, Lehrer und Journalisten. Der Zürcher Pädagoge und Sprachexperte Jürg Häusermann<br />

meint: «Es ist erschreckend, wie wenig Gewicht auf eine korrekte Sprache gelegt wird. In<br />

jeder Tagesschau des Fernsehens DRS zum Beispiel unterläuft mindestens ein platter Grammatik -<br />

fehler.» Das Übel seien freilich jedoch nicht unbedingt mangelnde Kenntnisse, sondern der weit verbreitete<br />

saloppe, oft auch rücksichtslose Umgang mit dem sprachlichen Regelwerk. Die gleiche Beobachtung<br />

machen Professoren bei den Seminararbeiten der Studenten. Da kommt es vor, dass im<br />

selben Text dasselbe Wort dreimal richtig geschrieben ist und zweimal falsch; korrekt geschriebenen<br />

Termini mit komplizierter Fremdwortschreibung können falsch geschriebene Wörter ohne besondere<br />

Fussangeln gegenüberstehen. Oder dann werden Kommas in verschachtelten Sätzen zwar<br />

richtig gesetzt, fehlen dafür in sehr einfachen Satzgefügen. «Den Studenten fehlt es an der sprachlichen<br />

Disziplin und Präzision», sagt ein Hochschullehrer.<br />

Also ist die Schriftkultur unweigerlich dem Untergang geweiht? Ob das Malaise immer bestanden<br />

hat oder ob es sich um einen Trend der neueren Zeit handelt, ist unter den Sprachwissenschaftlern<br />

umstritten (...) Und so kommt es, dass der Essener Literaturprofessor Horst Albert Glaser berichtet,<br />

«die sprachliche Ausdrucksfähigkeit» sei «auf ein bislang unbekanntes Minimum zusammengeschnurrt»,<br />

während der Zürcher Ordinarius für deutsche Sprache, Professor Horst Sitta, derartige<br />

Klagen als zu pauschal empfindet: «Die Ursachen solcher Kassandrarufe sind eher ein diffuses Unbehagen,<br />

weniger ein wissenschaftliches Urteil», schwächt er ab (...) Dass ein Wandel stattfindet,<br />

ist denn auch für einen nüchternen Beobachter wie Horst Sitta unbestritten: «In neuerer Zeit gibt<br />

es die deutliche Tendenz zur Einebnung der Differenzen zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit.»<br />

So habe eine Untersuchung gezeigt, dass in der geschriebenen deutschen Gegenwartssprache<br />

zunehmend Merkmale der gesprochenen Sprache festzustellen seien. Heute besteht die Neigung zu<br />

relativ kurzen Sätzen, die Tendenz zum Verzicht auf Satzgefüge, der Gebrauch von einfachen<br />

Hauptsätzen nimmt stark zu, und gegen die Verwendung von Äusserungen, die nicht die Form von<br />

korrekten, vollständigen Sätzen haben, gibt es keinen starken Widerstand mehr ...<br />

Für ihn ist unbestritten, dass es «bestimmte Einbrüche» gibt; doch weist er darauf hin, dass neu -<br />

ere Arbeiten auch positive Ergebnisse zu Tage gefördert haben. So hat in der Bundesrepublik eine<br />

vergleichende Untersuchung der Rechtschreibleistung der Schüler des 3./4. Schuljahres in den Jahren<br />

1972–74 und 1982–84 gezeigt, dass die heutigen Schüler, bezogen auf die Menge der in den<br />

Aufsätzen verwendeten Wörter, etwas weniger Fehler begehen als vor zehn Jahren, auch wenn die<br />

absolute Fehlerzahl zugenommen hat. Im Klartext: Die Schüler der 80er-Jahre produzierten zwar<br />

20 Prozent mehr Einzelfehler, verwendeten andererseits jedoch 12 Prozent mehr verschiedene Worte.<br />

Bezogen auf die gebrauchten Vokabeln, lag die Fehlerquote somit leicht tiefer (23,08 Prozent<br />

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LAST-MINUTE-RUNDREISE «SPRACHE», 1. KLASSE: LESETEXT<br />

gegenüber 23,58 Prozent). Daraus wäre zu schliessen, dass heute mehr Fehler in der Rechtschreibung<br />

unterlaufen; dafür ist der Wortschatz der Schüler reicher (...)<br />

Nun muss man allerdings nicht gleich den Mahnfinger erheben und eine Rückkehr zum geisttötenden<br />

Pauken von Regeln und Ausnahmen fordern. Zunächst gilt es festzuhalten, dass die Jugendlichen<br />

wohl über einen ganz passablen Wortschatz verfügen, doch es hapert bei der logischen Verknüpfung<br />

der Satzteile, der Orthographie sowie beim Gebrauch des Modus. Das ist ein bedenklicher<br />

Verlust, geht dies doch eindeutig auf die Kosten der Formulierung, des sprachlichen Ausdrucks, der<br />

Nuancen. Und die Gründe dafür sind wohl kaum in jenem Autoritätsverlust zu suchen, den einige<br />

Lehrer beklagen. Vielmehr schlägt in diesem Phänomen ein viel fundamentalerer gesellschaftlicher<br />

Wandel durch. Es ist die Abkehr der Industriegesellschaften von der Schriftkultur: War es früher die<br />

schriftlich formulierte Depesche, die als Brief einen entfernten Bekannten oder Verwandten zu erreichen<br />

hatte, erfüllt heute ein Anruf per Telefon den Dienst. Oder es ist die Textverarbeitung, welche<br />

einem die Mühsal des schriftlichen Ausdrucks erleichtert: Auch ein Chef in Kaderposition<br />

schreibt keinen Brief mehr selbst – Unterschrift genügt. Waren es früher vor allem Bücher, zweifellos<br />

auch nicht immer von höchstem literarischem Niveau, welche in den freien Stunden für Unterhaltung<br />

oder gar Bildung sorgten, erfüllt die Glotze diesen Zweck viel bequemer. Jedenfalls haben<br />

Publizistikwissenschaftler ermittelt, dass die Hälfte der Zürcher Jugendlichen kaum mehr über<br />

eine stabile Beziehung zum Buch verfügt. Lediglich ein Viertel der befragten 15-jährigen Schüler<br />

konnte als intensive Leser bezeichnet werden; aber 40 von 100 nutzen das Fernsehen oft oder gar<br />

sehr oft.<br />

Dass (...) Verschiebungen in der Nutzung der einzelnen Medien auch qualitative Veränderungen<br />

nach sich ziehen, ist offensichtlich. Wer wenig liest, liest und schreibt meistens auch anders als ein<br />

Büchernarr (...) Wenn der Nutzen der Schriftkultur abnimmt, verschwindet auch das Interesse an<br />

ihrer Pflege, im schlechtesten Fall führt dies zu einer völligen Unbeholfenheit im schriftlichen Ausdruck<br />

– oder auch zu eklatanten Leseschwächen, wie sie in der Schweiz ebenfalls weit verbreitet<br />

sind (...)


LAST-MINUTE-RUNDREISE «SPRACHE», 1. KLASSE: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Fragen und Aufgaben zum Text<br />

11. Erkläre folgende Ausdrücke:<br />

a) «Doch der Maturand soll nicht verspottet werden.» (Z. 11)<br />

b) «..., das bei Pädagogen zunehmend Besorgnis erregt ...» (Z. 12f.)<br />

c) «... mindestens ein platter Grammatikfehler.» (Z. 16f.)<br />

d) «..., derartige Klagen als zu pauschal empfindet: ... (Z. 29f.)<br />

e) «..., dass es ‹bestimmte Einbrüche› gibt; ...» (Z. 39)<br />

f) «... kaum mehr über eine stabile Beziehung zum Buch verfügt.» (Z. 63f.)<br />

1 L a) Nicht lächerlich gemacht werden<br />

b) Beängstigt, bekümmert Lehrpersonen<br />

c) Offensichtlicher, auffälliger Fehler<br />

d) Zu verallgemeinernd, nichts sagend<br />

e) Der schriftliche Ausdruck wird vom mündlichen stark beeinflusst<br />

f) Sie lesen nicht gern<br />

12. Erkläre folgende Aussagen:<br />

a) «...; korrekt geschriebenen Termini mit komplizierter Fremdwortschreibung können<br />

falsch geschriebene Wörter ohne besondere Fussangeln gegenüberstehen.» (Z. 20ff.)<br />

b) «‹Den Studenten fehlt es an der sprachlichen Disziplin und Präzision.›» (Z. 23f.)<br />

c) «‹In neuerer Zeit gibt es die deutliche Tendenz zur Einebnung der Differenzen zwischen<br />

Mündlichkeit und Schriftlichkeit.›» (Z. 32ff.)<br />

d) «Es ist die Abkehr der Industriegesellschaften von der Schriftkultur: ...» (Z. 56)<br />

1 L a) Schwierige Fremdwörter werden richtig geschrieben, Wörter ohne besondere Rechtschreibschwierigkeiten<br />

hingegen falsch.<br />

b) Gewisse Gleichgültigkeit, Nachlässigkeit gegenüber Sprachnormen.<br />

c) Keine grösseren Unterschiede zwischen mündlichem und schriftlichem Ausdruck.<br />

d) In der heutigen Gesellschaft ist das Schreibenkönnen nicht mehr so bedeutungsvoll.<br />

(Es gibt andere, bequemere Möglichkeiten, sich mitzuteilen.)<br />

13. Was ist unter dem Titel des Textes «Wer heute fehlerfrei schreibt, der ist von gestern» zu verstehen?<br />

1 L Das korrekte Schreiben hat nicht mehr den gleichen Stellenwert wie früher. Wer fehlerfrei schreibt,<br />

gehört zur «alten Schule».<br />

14. Verbessere den zitierten Satz. Beachte dabei: Wörter dürfen verändert, hinzugefügt und Satzglieder<br />

vertauscht werden. Die vom Autor beabsichtigte Aussage darf hingegen nicht verändert<br />

werden.<br />

«Der Mensch wird überschätz, wenn es heisst er kann sich immer überwinden und wenn<br />

man ihn, kann er es nicht deswegen verspottet.» (Z. 6f.)<br />

1 L Verschiedene Lösungen. Auch der inhaltlich falsche Wenn-Anschluss ( ... und wenn man ihn ...) sollte<br />

korrigiert werden.<br />

15. Machen die Schüler nun «heute» (1987!) weniger oder mehr Rechtschreibfehler in ihren Aufsätzen?<br />

Begründe dein Urteil möglichst anschaulich. (Keine Textstellen abschreiben, sondern<br />

in eigenen Worten erklären.)<br />

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LAST-MINUTE-RUNDREISE «SPRACHE», 1. KLASSE: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

1 L Die Schüler/innen machen heute mehr Rechtschreibfehler als früher. Berücksichtigt man aber bei der<br />

Beurteilung auch den Umfang des Wortschatzes, werden etwas weniger Fehler gemacht.<br />

16. Wie viele Prozent der befragten 15-jährigen Schüler lesen und wie viele sehen regelmässig<br />

fern? Was könnte man daraus schliessen?<br />

1 L 25% sind intensive Leser; 40% sehen regelmässig fern. Das Fernsehen ersetzt zunehmend das Buch<br />

als Vermittler von Unterhaltung und Bildung.<br />

17. Bist du mit der folgenden Aussage einverstanden? Begründe.<br />

«Wer wenig liest, liest und schreibt auch anders als ein Büchernarr ...» (Z. 68f.)<br />

1 L Verschiedene Begründungsmöglichkeiten. (Je mehr man liest, desto besser wird man sich schriftlich<br />

ausdrücken können.)<br />

18. Nenne zwei im Text genannte Gründe, warum die Schriftkultur an Bedeutung verliert.<br />

1 L Das Schreiben hat nicht mehr die gleiche Bedeutung wie früher. Das Buch verliert an Stellenwert; andere<br />

Medien (z.B. Fernsehen) werden häufiger genutzt.<br />

19. Welche Bedeutung hat für dich persönlich das Schreiben? Erkläre.<br />

1 L Verschiedene Lösungsmöglichkeiten.<br />

Fragen und Aufgaben zur Sprachbetrachtung<br />

Grammatische Zeit / Wirkliche Zeit; Verb<br />

10. Stimmt in den beiden folgenden Zitaten die Form des konjugierten Verbs? Müsste bei a) das<br />

Verb nicht im Singular und bei b) das Verb im Plural stehen? Begründe.<br />

a) «Das Übel seien freilich jedoch nicht unbedingt mangelnde Kenntnisse, ...» (Z. 17)<br />

b) «..., dass die Hälfte der Zürcher Jugendlichen kaum mehr über eine stabile Beziehung<br />

zum Buch verfügt.» (Z. 63f.)<br />

1 L a) Verb-Form ist korrekt. Subjekt = mangelnde Kenntnisse.<br />

b) Verb-From ist korrekt: Subjekt = die Hälfte (der Zürcher Jugendlichen = attributiver Teil)<br />

11. Ein Schüler behauptet, der erste Satz stehe im Plusquamperfekt, der zweite im Präteritum.<br />

Hat er recht?<br />

«Der Phantasie waren wieder einmal keine Grenzen gesetzt. Statt Hemd schrieb der Primarschüler<br />

‹hämppt› ...» (Z. 1f.)<br />

1 L Nein. Beide Sätze stehen im Präteritum.<br />

12. Wird in den folgenden Teilsätzen die gleiche grammatische Zeit gebraucht oder nicht?<br />

Erkläre.<br />

«‹Es ist erschreckend, wie wenig Gewicht auf eine korrekte Sprache gelegt wird.›» (Z. 15)


LAST-MINUTE-RUNDREISE «SPRACHE», 1. KLASSE: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

L In beiden Teilsätzen ist das Präsens gebraucht: «... ist erschreckend» (= Präsens, Aktiv); «... gelegt<br />

wird» (= Präsens, Passiv).<br />

13. Worin unterscheiden sich die beiden Sätze grammatisch? (Grammatische Zeit, Aktiv / Passiv?)<br />

Originalsatz: «Doch der Maturand soll nicht verspottet werden.» (Z. 11)<br />

Variante: «Der Autor wird den Maturanden nicht verspotten.»<br />

1 L Originalsatz: Präsens, Passiv; Variante: Futur, Aktiv<br />

14. Schreibe die Teilsätze ab und markiere alle Partizipien mit einer Wellenlinie, alle Verb-Personalformen<br />

mit einer durchgezogenen Linie und alle Infinitive mit einer gepunkteten Linie.<br />

a) «..., das bei Pädagogen zunehmend Besorgnis erregt ...» (Z. 12f.)<br />

b) «... korrekt geschriebenen Termini mit komplizierter Fremdwortschreibung können<br />

falsch geschriebene Wörter ohne besondere Fussangeln gegenüberstehen.» (Z. 20ff.)<br />

1 L Partizipien: zunehmend, geschriebenen, geschriebene; Verb-Personalformen: erregt, können; Infinitive:<br />

gegenüberstehen.<br />

15. Wie ist in den beiden folgenden Teilsätzen der Wechsel der grammatischen Zeit zu erklären?<br />

«...; doch weist er darauf hin, dass neuere Arbeiten auch positive Ergebnisse zu Tage gefördert<br />

haben.» (Z. 39f.)<br />

1 L Perfekt im 2. Teilsatz = Vorzeitigkeit<br />

16. Prüfe: Müsste der unterstrichene Teilsatz nicht auch im Perfekt stehen, so wie der folgende?<br />

«..., etwas weniger Fehler begehen als vor zehn Jahren, auch wenn die absolute Fehlerzahl<br />

zugenommen hat.» (Z. 43f.)<br />

1 L Nein – der Teilsatz bezeichnet etwas Gegenwärtiges. Präsens ist korrekt<br />

17. Bestimme in den folgenden Teilsätzen die grammatischen Zeiten:<br />

a) «..., die als Brief einen entfernten Bekannten (...) zu erreichen hatte, ...» (Z. 57f.)<br />

b) «Also ist die Schriftkultur unweigerlich dem Untergang geweiht?» (Z. 25)<br />

c) «Nun muss man allerdings nicht gleich den Mahnfinger erheben ...» (Z. 49)<br />

d) «Lediglich ein Viertel der befragten 15-jährigen Schüler konnte als intensive Leser bezeichnet<br />

werden; ...» (Z. 64f.)<br />

1 L a) Präteritum<br />

b) Präsens, Passiv (Zustandspassiv)<br />

c) Präsens<br />

d) Präteritum, Passiv (Vorgangspassiv)<br />

Konjunktiv I / Konjunktiv II; direkte / indirekte Rede<br />

18. Was will man in der Regel signalisieren, wenn man Teilsätze in den Konjunktiv I setzt?<br />

Erkläre und gib ein Beispiel aus dem Text.<br />

1 L Konjunktiv I = Signal für indirekte Rede. Verschiedene Beispiele möglich.<br />

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LAST-MINUTE-RUNDREISE «SPRACHE», 1. KLASSE: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

19. Ist der folgende Teilsatz als Konjunktiv II zu verstehen? Begründe.<br />

«Die Schüler der 80er-Jahre produzierten zwar 20 Prozent mehr Einzelfehler, ...» (Z. 44f.)<br />

1 L Nein. Indikativ Präteritum: eine vergangene Handlung wird beschrieben.<br />

20. Warum setzt der Autor den folgenden Teilsatz in den Konjunktiv II?<br />

«Daraus wäre zu schliessen, ...» (Z. 47)<br />

1 L Etwas Vorgestelltes, Gedachtes.<br />

Vorschläge fürs Textschaffen<br />

Vorschlag 1:<br />

«Das ‹tintenklecksende Säkulum› ist vorüber, ein bildschirmbegaffendes zieht herauf», schrieb<br />

1985 Albrecht Schöne, Präsident der Internationalen Vereinigung für Germanische Sprach- und<br />

Literaturwissenschaft. «Die Lesekraft schwindet, das Schreibvermögen geht zurück, die Redefähigkeit<br />

verkümmert ... Wie weit sind wir noch davon entfernt, dass eine neue Schriftgelehrtenkaste<br />

sich abgrenzt von einem neuen Analphabetismus auf hoher Zivilisationsstufe?»<br />

(Aus: Deutsch für Kenner, Wolf Schneider, Stern Bücher, 1988, S. 11.)<br />

Nimm in einem Leserbrief dazu Stellung.<br />

«Verschicke» diesen Brief an einen Mitschüler, der sich ebenfalls mit dem Thema beschäftigt hat.<br />

Von ihm erhältst du seinen Leserbrief: Die Briefe lesen und darauf mit einem kurzen schriftlichen<br />

Kommentar reagieren.<br />

Vorschlag 2:<br />

Versuche dich als Werber:<br />

Gestalte ein Werbeplakat. Ziel: Mehr Leute zum Schreiben bringen.<br />

Überlege: Mit welchen Slogans, Bildern etc. kannst du diese Botschaft «rüberbringen»?<br />

Vorschlag 3:<br />

Seit August 1998 sind die Regeln der neuen Rechtschreibung in Kraft. Für viele war diese Reform<br />

völlig überflüssig – für andere wiederum ging sie viel zu wenig weit.<br />

Schreibe einen Text, gleich welcher Textsorte, zu irgendeinem Thema, das dich gerade beschäftigt.<br />

Beachte: Du darfst deinen Text nach deinen eigenen Rechtschreibregeln gestalten, aber: deine Regeln<br />

müssen konsequent umgesetzt sein.<br />

In der Gruppe werden die Texte ausgetauscht. Frage:<br />

1. Nach welchen (persönlichen) Regeln sind die Texte geschrieben?<br />

2. Wie lesefreundlich sind sie?<br />

Vorschlag 4:<br />

Der Verfasser dieses Artikels konnte 1987 den Siegeszug des PC in unserer Gesellschaft natürlich<br />

nicht voraussehen. Heute (1999) schreiben sehr viele Leute auf dem PC und benutzen dabei auch<br />

Rechtschreibprogramme. Stelle die Vorteile und Nachteile des Einsatzes von Rechtschreibprogrammen<br />

einander gegenüber.


Tobias und die Lügner<br />

Thaddäus Troll<br />

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QUALIFIKATIONSSPIEL FÜR SPRACHANALYTIKER: LESETEXT<br />

Tobias ging im Walde so für sich hin, als ihn plötzlich ein klägliches Winseln aus seinen Betrachtungen<br />

riss. Er lief den Tönen nach und entdeckte einen braunen Airedale-Terrier, der sich in einer<br />

Schlinge verfangen hatte, wie sie Wilderer auszulegen pflegen. Tobias befreite das Tier und war<br />

nicht wenig erstaunt, als es vor ihm sitzen blieb, das Maul öffnete und sagte: «Ich danke Ihnen<br />

mein Herr. Sie sehen in mir nicht etwa einen x-beliebigen Hund, sondern den staatlich geprüften<br />

Oberzauberer Abuhel, den es gelüstete, in der Gestalt eines Hundes zu lustwandeln. Leider war mir<br />

die Zauberformel für Schlingenlösen nicht mehr gegenwärtig. Ich wäre eines elenden Todes gestorben,<br />

wenn Sie, verehrter Herr, mich nicht befreit hätten. Als Dank sei Ihnen ein Wunsch gewährt,<br />

der sich erfüllen wird.» Tobias, kein Materialist, besann sich nicht lange und sagte: «Ich möchte,<br />

dass morgen für alle Menschen, die in meiner Stadt wohnen und die eine Lüge sagen oder schreiben,<br />

die Schwerkraft aufgehoben ist.»<br />

«Es sei», sprach Abuhel und war vom Waldboden verschlungen.<br />

Am andern Tag ereigneten sich in der Stadt merkwürdige Dinge. Es begann damit, dass Tobias’ Wirtin<br />

ihm den Morgentrunk ins Zimmer brachte und sagte: «Heute habe ich ein paar Bohnen mehr in<br />

den Kaffee getan.» Da flog sie wie ein Luftballon gegen die Decke, wo sie schweben blieb, bis es<br />

nachts zwölf schlug. Der dickbäuchige Herr Knotzke, der Tobias 20 Mark schuldete und ihm auf der<br />

Strasse begegnete, beide Hände schüttelte und sagte: «Wie freue ich mich, Sie wieder einmal zu sehen»,<br />

freute sich nicht lange, denn kaum hatte er den Satz ausgesprochen, so flog er in die Luft,<br />

und der Wind trug ihn von dannen. Es ging in der Stadt turbulent zu. Bei den Zeitungen löste sich<br />

ein Maschinensetzer nach dem andern von seinem Arbeitsplatz und flog davon, den in aller Frühe<br />

verschwundenen Redakteuren nach. Um die Mittagszeit stand fast niemand mehr auf dem Boden<br />

der Tatsachen. Im Parlament flog ein Redner nach dem anderen gegen die Kuppel, in der die Abgeordneten<br />

in dicken Trauben hingen. Und als ein nationaler Parteiführer seine Ansprache mit den<br />

Worten «Meine Partei bekennt sich unumwunden zur echten Demokratie» begann und ihm seine<br />

Genossen den befohlenen einstimmigen Beifall zollten, durchbrach die Fraktion geschlossen das<br />

Glasdach des Sitzungssaales und wurde vom Westwind in den Osten abgetrieben.<br />

Die Menschen entschwebten wie Vogelschwärme, oder sie hingen, wenn sie das Glück hatten, sich<br />

in geschlossenen Räumen zu befinden, an deren oberen Grenzflächen.<br />

Einzig die Nonnen, uralte Beamte und zwei alte Unternehmer waren noch der Schwerkraft unterworfen,<br />

wäre der eine davon nicht so unvorsichtig gewesen, an diesem Tag seine Steuererklärung<br />

abzugeben. Schon kurz nach Sonnenaufgang waren alle Parteifunktionäre in höheren Regionen,<br />

ganz zu schweigen von denen, die an diesem Tag eidesstattliche Erklärungen abgaben.<br />

Am Abend war die Stadt wie ausgestorben. Der Tag hatte selbst in die Reihen der Geistlichkeit<br />

schwere Lücken gerissen. Nur ein paar Kinder, die noch nicht sprechen konnten, alle Tiere, drei<br />

Strassenmädchen, fast alle Dichter, die Insassen des Irrenhauses ausser dem Pflegepersonal, einige<br />

Schauspieler und die Betrunkenen blieben der Schwerkraft unterworfen, die letzteren teilweise sogar<br />

recht heftig.<br />

Tobias hielt sich recht und schlecht bis kurz vor Mitternacht, als er zu sich selbst sagte, er hätte<br />

diesen Wunsch nicht geäussert, um seine Mitmenschen zu bestrafen, sondern um sie zu bessern.<br />

Da flog er sanft gegen den leise klirrenden Kronleuchter.<br />

Schlag zwölf Uhr kamen sie dann alle wieder herunter. Wer aber glaubt, dass seither in der Stadt<br />

weniger gelogen wird, der irrt sich.<br />

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QUALIFIKATIONSSPIEL FÜR SPRACHANALYTIKER: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Fragen zum Text<br />

11. Erstelle eine Disposition (eine Art «Bauplan», «Inhaltsverzeichnis») des Textes «Tobias und die<br />

Lügner».<br />

1 L Bauplan:<br />

1. Tobias’ Spaziergang<br />

2. Begegnung mit dem Oberzauberer<br />

3. Befreiung des Oberzauberers und Belohnung<br />

4. Formulierung des Wunsches<br />

5. Alltags-Beispiele für Lügner und Nicht-Lügner<br />

6. Tobias’ Verhalten<br />

7. Ende des Zaubers<br />

12. Warum hat sich der Autor gerade für diese Textsorte (modernes Märchen) entschieden? Er<br />

hätte ja die Aussage des Textes auch ganz «real» verpacken können.<br />

1 L Wahrscheinlich hat der Autor auf diese Weise bei den Lesern mehr «Erfolg», als wenn er sie direkt<br />

anklagen würde. Die Leser sind so eher bereit, sich mit der Botschaft des Textes auseinander zu setzen.<br />

Im besten Fall führen gewisse Einsichten dann zu einer Veränderung des Verhaltens.<br />

Obwohl der Text in seiner Konstruktion völlig fiktiv ist, enthält er doch viele Wahrheiten.<br />

13. Redewendungen<br />

Erkläre folgende Redewendungen mit eigenen Worten.<br />

Schreibe einen Satz, indem du die entsprechende Redewendung verwendest.<br />

a) (jemanden) «aus seinen Betrachtungen» reissen ... (Z. 1f.)<br />

b) (etwas) «nicht mehr gegenwärtig» sein ... (Z. 7)<br />

c) (jemandem etwas) «gewähren» ... (Z. 9)<br />

d) «auf dem Boden der Tatsachen» stehen ... (Z. 21f.)<br />

e) «sich unumwunden» zu etwas bekennen ... (Z. 24)<br />

f) (jemandem) «Beifall zollen» ... (Z. 25)<br />

1 L a) Überlegungen; in Gedanken versunken sein<br />

b) Etwas nicht mehr wissen<br />

c) Jemandem einen Wunsch erfüllen<br />

d) Die Wahrheit sagen oder schreiben<br />

e) Direkt; offen; unverhohlen<br />

f) Applaudieren; Begeisterung zeigen<br />

14. «Tobias, kein Materialist, besann sich nicht lange ...» (Z. 9)<br />

Was hätte sich Tobias gewünscht, wenn er ein Materialist gewesen wäre?<br />

1 L Z.B. viel Geld, ein Schloss, Ländereien etc.<br />

15. «Es sei», ... (Z. 12)<br />

Was meint der Oberzauberer Abuhel damit?<br />

1 L Der Wunsch soll sich erfüllen.


QUALIFIKATIONSSPIEL FÜR SPRACHANALYTIKER: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

16. «... und war vom Waldboden verschlungen.» (Z. 12)<br />

Ist diese Aussage wörtlich zu verstehen? Erkläre.<br />

1 L Möglich, weil es ein Zauberer ist. Aber wohl eher so, dass er plötzlich aus Tobias’ Augen verschwunden<br />

ist (hat sich blitzschnell entfernt).<br />

17. «..., den in aller Frühe verschwundenen Redakteuren nach.» (Z. 20f.)<br />

Warum «fliegen» die Redakteure vor den Maschinensetzern davon?<br />

1 L Weil die Redakteure vor den Maschinensetzern gelogen haben. Bevor Texte gesetzt werden, müssen<br />

sie von den Redakteuren geschrieben werden.<br />

18. Sprachbild (Metapher) und Vergleich<br />

Sprachbild: «..., in der die Abgeordneten in dicken Trauben hingen.» (Z. 22f.)<br />

Vergleich: «Die Menschen entschwebten wie Vogelschwärme, ...» (Z. 27)<br />

a) Schreibe aus deiner Phantasie eine weitere Metapher und einen Vergleich, der zu dieser<br />

Geschichte passen könnte.<br />

b) Was für eine Funktion übernehmen Sprachbilder und Vergleiche?<br />

1 L a) Unterschiedliche Lösungen.<br />

b) Um das Gleiche auszudrücken (beim Leser die gleiche Vorstellung zu erzeugen), müsste man<br />

stark umschreiben. Insofern sind Metaphern und Vergleiche viel «schlanker»; zum andern gewinnt<br />

der Ausdruck des Textes.<br />

19. «... und wurde vom Westwind in den Osten abgetrieben.» (Z. 26)<br />

Will der Autor etwas Bestimmtes zum Ausdruck bringen, wenn er die Fraktion (Parlamenta -<br />

rier der gleichen Partei) in den Osten abtreiben lässt? Oder ist es völlig gleichgültig, in welche<br />

Himmelsrichtung sie davonfliegen? Erkläre.<br />

1 L Dass die Fraktion gegen Osten abgetrieben wird, ist natürlich nicht zufällig. Mit dem Wort «Genosse»<br />

zeigt der Autor an, dass es sich um eine linksgerichtete Partei handelt. Mit «Osten» ist in erster Linie<br />

die Sowjetunion gemeint, deren Parteiführer gerne das Wort «Demokratie» in den Mund nahmen,<br />

sich aber undemokratisch verhielten. (Das Bild entstammt der Zeit des Kalten Krieges.)<br />

10. «Einzig die Nonnen, uralte Beamte und zwei alte Unternehmer ...» (Z. 29)<br />

Was will hier der Autor zwischen den Zeilen mitteilen, wenn er «uralte», «alte» schreibt?<br />

1 L Möglicherweise will er damit (pointiert?) andeuten, dass die ältere Generation noch zur Ehrlichkeit<br />

erzogen wurde. «Heutige» Beamte und Unternehmer würden es da mit der Wahrheit nicht so genau<br />

nehmen. (Zwischen den Zeilen könnte man auch herauslesen, dass Steuerhinterziehung keine eigentliche<br />

Lüge ist, eher «ein Kavaliersdelikt».)<br />

11. «..., die letzteren teilweise sogar recht heftig.» (Z. 36f.)<br />

Worauf bezieht sich dieser Teilsatz und wie ist er zu verstehen?<br />

1 L Damit sind die Betrunkenen gemeint, die wohl nicht mehr alle aufrecht gehen können. Da Äusserungen<br />

von Betrunkenen sowieso nicht ernst zu nehmen sind, kann man sie auch nicht der Lüge bezichtigen.<br />

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QUALIFIKATIONSSPIEL FÜR SPRACHANALYTIKER: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

12. Von den «Nicht-Lügnern» und «Lügnern»<br />

a) Welche Menschen(gruppen) gehören zu den «Nicht-Lügnern»? Zähle auf.<br />

b) Was will uns der Autor bezüglich der «besseren Kreise der Gesellschaft mitteilen?<br />

1 L a) Nonnen, Beamte, (Unternehmer), Kinder, Strassenmädchen, Dichter, Irre, Schauspieler und Betrunkene.<br />

b) Gerade die «besseren Kreise der Gesellschaft» will der Autor aufs Korn nehmen. Leider ist es<br />

eben so, dass gerade diese, die nach aussen hin Ehrlichkeit repräsentiert, keineswegs besser ist<br />

als andere Schichten der Gesellschaft.<br />

13. Warum hat Tobias diesen Wunsch geäussert?<br />

1 L Natürlich um seine Mitmenschen zu bestrafen. Konsequenz: Er hat auch gelogen und fliegt «gegen<br />

den leise klirrenden Kronleuchter».<br />

14. Am Schluss entlarvt der Autor den Helden der Geschichte, Tobias (also den «guten Menschen»),<br />

auch als Lügner. Hat er das bewusst gemacht oder ist dies «zufällig» geschehen?<br />

Erkläre.<br />

1 L Wahrscheinlich bewusst. Tobias als «Vertreter» der «guten» Menschen ist auch ein Lügner.<br />

Auch ein «guter Mensch» ist letztlich nur ein Mensch – mit all seinen Stärken, aber auch mit seinen<br />

Schwächen.<br />

15. Ist das Gesellschaftsbild, welches hier der Autor zeichnet, nicht eher ein trauriges? Im Grunde<br />

genommen sind (von wenigen Ausnahmen abgesehen) ja alle Menschen (potentielle) Lügner.<br />

Wem kann man dann noch trauen? Deine Meinung dazu!<br />

1 L Unterschiedliche Antworten.<br />

Fragen und Aufgaben zur Sprachbetrachtung<br />

Satzglieder / Fälle<br />

16. Markiere alle Satzglieder und benenne die fallbestimmten:<br />

a) «Ich danke Ihnen, mein Herr. Sie sehen in mir nicht etwa einen x-beliebigen Hund,<br />

sondern den staatlich geprüften Oberzauberer Abuhel, den es gelüstete, in der Gestalt<br />

eines Hundes zu lustwandeln.» (Z. 4ff.)<br />

b) «Um die Mittagszeit stand fast niemand mehr auf dem Boden der Tatsachen. Im Parlament<br />

flog ein Redner nach dem anderen gegen die Kuppel, in der die Abgeordneten in<br />

dicken Trauben hingen.» (Z. 21ff.)<br />

1 L a) Ich danke Ihnen , mein Herr . Sie sehen in mir nicht etwa einen x-beliebigen Hund , sondern<br />

N DO (Anrede)-N N Präpo-D AO<br />

den staatlich geprüften Oberzauberer Abuhel , den es gelüstete, in der Gestalt eines Hundes<br />

zu lustwandeln. (Z. 4ff.)<br />

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AO AO N Präpo-D<br />

▼<br />

GT attr. Genitiv


QUALIFIKATIONSSPIEL FÜR SPRACHANALYTIKER: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

b) Um die Mittagszeit stand fast niemand mehr auf dem Boden der Tatsachen .<br />

▼<br />

GT attr. Genitiv<br />

Im Parlament flog ein Redner nach dem anderen gegen die Kuppel , in der die Abgeordneten<br />

▼<br />

GT attr. Präpo-D<br />

in dicken Trauben hingen. (Z. 21ff.)<br />

Präpo-D<br />

▼<br />

Präpo-A N Präpo-D<br />

Präpo-D N Präpo-A Präpo-D N<br />

17. Markiere im folgenden Satz nur die Subjekte:<br />

«Nur ein paar Kinder, die noch nicht sprechen konnten, alle Tiere, drei Strassenmädchen, fast<br />

alle Dichter, die Insassen des Irrenhauses ausser dem Pflegepersonal, einige Schauspieler und<br />

die Betrunkenen blieben der Schwerkraft unterworfen, die letzteren teilweise sogar recht heftig.»<br />

(Z. 34ff.)<br />

1 L Subjekte: Nur ein paar Kinder // die // alle Tiere, drei Strassenmädchen, fast alle Dichter, die Insassen<br />

des Irrenhauses ausser dem Pflegepersonal, einige Schauspieler und die Betrunkenen // die letzteren<br />

18. «Tobias selbst hielt sich recht und schlecht bis kurz vor Mitternacht, als er zu sich selbst sag te,<br />

...» (Z. 38)<br />

In den zwei Teilsätzen finden sich zwei Reflexivpronomen. Wie kann der Fall dieser Pronomen<br />

bestimmt werden?<br />

1 L Sich halten // zu sich sagen.<br />

1. Ersatzprobe: 3. Pers. Sg. ersetzen durch 1. Pers. Sg. => Ich halte mich // Ich sage zu mir.<br />

2. Ersatzprobe: Pronomen «mich» und «mir» ersetzen durch ein männliches Nomen im Sg. => Ich<br />

halte den Vater // Ich sage zu dem Vater.<br />

3. Fall bestimmen: Tobias selbst hielt sich (AO) recht ... // , als er zu sich (DO) sagte, ...<br />

Grammatische Zeit / Wirkliche Zeit<br />

19. In welcher grammatischen (Haupterzähl)-Zeit ist der Text geschrieben? Warum?<br />

1 L Präteritum (Längeres zusammenhängendes Erzählen von vergangenem Geschehen wird meistens im<br />

Präteritum wiedergegeben. Wirkt leichter und eleganter als das Perfekt.)<br />

20. «Er lief den Tönen nach und entdeckte einen braunen Airedale-Terrier, der sich in einer<br />

Schlinge verfangen hatte, wie sie Wilderer auszulegen pflegen.» (Z. 2f.)<br />

Würde die Bedeutung des Satzes ändern, wenn der unterstrichene Teilsatz auch im Präteritum<br />

stünde? Erkläre.<br />

1 L Ja. Tobias würde dann gerade sehen, wie sich der Hund in der Schlinge verfängt. Plusquamperfekt<br />

markiert hier Vorzeitigkeit.<br />

21. «Am Abend war die Stadt wie ausgestorben.» (Z. 33)<br />

a) Bestimme die grammatische Zeit.<br />

b) Setze den Satz ins Futur II.<br />

c) Wie wird man den Satz im Futur II verstehen müssen?<br />

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QUALIFIKATIONSSPIEL FÜR SPRACHANALYTIKER: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

1 L a) Präteritum<br />

b) Am Abend wird die Stadt wie ausgestorben gewesen sein.<br />

c) Vermutung in der Vergangenheit<br />

22. «Wer aber glaubt, dass seither in der Stadt weniger gelogen wird, der irrt sich.» (Z. 41f.)<br />

Warum steht der Satz im Präsens?<br />

1 L Allgemeingültige (zeitlose) Aussage<br />

Konjunktiv I / Konjunktiv II; direkte / indirekte Rede<br />

23. Benenne die Konjunktive in den folgenden Sätzen so genau wie möglich:<br />

a) «Ich wäre eines elenden Todes gestorben, wenn Sie, verehrter Herr, mich nicht befreit<br />

hätten.» (Z. 7f.)<br />

b) «Als Dank sei Ihnen ein Wunsch gewährt, ...» (Z. 8)<br />

1 L a) Konjunktiv II zum Perfekt<br />

b) Konjunktiv I zum Präsens, Passiv<br />

24. «..., als er zu sich selbst sagte, er hätte diesen Wunsch nicht geäussert, um ...» (Z. 38f.)<br />

Warum steht im zweiten Teilsatz «er hätte» statt «er habe»?<br />

1 L Mögliche Begründung (nur vorgestellt, gedacht), die dann nicht zutrifft. Wenn «habe» stünde (Konjunktiv<br />

I = indirekte Rede), dann hätte er die Menschen wirklich nicht bestrafen wollen.<br />

25. a) Setze den folgenden Satz in die indirekte Rede: (Konjunktiv I)<br />

«... es ... sagte: ‹Ich danke Ihnen, ... Sie sehen in mir nicht etwa einen x-beliebigen<br />

Hund, sondern den staatlich geprüften Oberzauberer Abuhel, den es gelüstete, in der<br />

Gestalt eines Hundes zu lustwandeln. Leider war mir die Zauberformel für Schlingenlösen<br />

nicht mehr gegenwärtig. Ich wäre eines elenden Todes gestorben, wenn Sie, ...<br />

mich nicht befreit hätten. Als Dank sei Ihnen ein Wunsch gewährt, der sich erfüllen<br />

wird.›» (Z. 4ff.)<br />

b) Welche Variante ist stilistisch besser? Direkte Rede oder indirekte? Begründe.<br />

1 L a) ... es ...sagte, es danke ihm, ... er sehe in ihm nicht etwa einen x-beliebigen Hund, sondern ...,<br />

den es gelüstet habe, ... Leider sei ihm die Zauberformel ... Es wäre eines elenden Todes<br />

gestorben, wenn er, ... es nicht befreit hätte. Als Dank sei ihm ein Wunsch gewährt, der sich<br />

erfüllen werde.<br />

b) Direkte Rede => Authentischer, dynamischer, ansprechender.<br />

Aktiv / Passiv<br />

26. «Als Dank sei Ihnen ein Wunsch gewährt.» (Z. 8)<br />

Bestimme die grammatische Zeit.<br />

1 L Konjunktiv, Präsens, Passiv.<br />

27. «Ich möchte, dass morgen für alle Menschen, ..., die Schwerkraft aufgehoben ist.»<br />

(Z. 9ff.)


QUALIFIKATIONSSPIEL FÜR SPRACHANALYTIKER: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Würde die Bedeutung des Satzes ändern, wenn das «ist» am Schluss des Satzes ersetzt würde<br />

durch ein «wird»? Begründe.<br />

1 L Ja. Aus dem «Zustand», der nur «morgen» (d.h. für einen Tag) gilt, wird ein Vorgang, der vielleicht<br />

länger als einen Tag dauert.<br />

28. «‹Es sei›, sprach Abuhel und war vom Waldboden verschlungen.» (Z. 12)<br />

Setze den dritten Teilsatz ins Aktiv. Beachte dabei die grammatische Zeit.<br />

1 L «Es sei», sprach Abuhel, und der Waldboden verschlang ihn.<br />

29. «Wer aber glaubt, dass seither in der Stadt weniger gelogen wird, der irrt sich.» (Z. 41f.)<br />

Im Passivsatz wird vielfach das Subjekt des Aktivsatzes verschwiegen. Als Leser muss ich mir<br />

das Subjekt (den «Täter») gedanklich erschliessen. Ergänze den obigen Satz mit dem Subjekt<br />

des Aktivsatzes.<br />

1 L Bürger, Menschen.<br />

Pronomen<br />

30. «Er lief den Tönen nach und entdeckte einen braunen Airedale-Terrier, der sich in einer<br />

Schlinge verfangen hatte, ...» (Z. 2f.)<br />

«einen» / «einer» – Handelt es sich in diesem Textzusammenhang um Zahlpronomen<br />

oder/und unbestimmte Artikel? Begründe.<br />

1 L Unbestimmte Artikel (unbetont). Nicht einer/eine von mehreren.<br />

31. Benenne in den folgenden drei Sätzen (31a–c) das Pronomen «die».<br />

a) «Nur ein paar Kinder, die noch nicht sprechen konnten, ...» (Z. 34)<br />

b) Nur ein paar Kinder, die konnten noch nicht sprechen, ...<br />

c) Nur die noch nicht sprechenden Kinder, ...<br />

d) Könnte der Satzanfang «b» im Text «Tobias und die Lügner» stehen, ohne dass sich<br />

der Sinn der Aussage verändern würde?<br />

1 L a) Relativpronomen<br />

b) Demonstrativpronomen<br />

c) Bestimmter Artikel<br />

d) Ja<br />

32. «Einzig ein paar Nonnen, uralte Beamte und zwei alte Unternehmer waren noch der Schwerkraft<br />

unterworfen, wäre der eine davon nicht so unvorsichtig gewesen, ...» (Z. 29f.)<br />

Bezieht sich «eine» auf «Nonnen», auf «Beamte» oder auf «Unternehmer»? Begründe.<br />

1 L Auf Unternehmer.<br />

33. a) «Ich danke Ihnen, mein Herr. Sie sehen in mir ...» (Z. 4f.)<br />

b) «Wie freue ich mich, Sie wieder einmal zu sehen», ... (Z. 17f.)<br />

Nehmen wir an, die Leute würden sich duzen. Wie müssten die obigen Sätze / Teilsätze<br />

lauten?<br />

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QUALIFIKATIONSSPIEL FÜR SPRACHANALYTIKER: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

1 L a) «Ich danke dir, mein Freund. Du siehst in mir ...»<br />

b) «Wie freue ich mich, dich wieder einmal zu sehen, ...»<br />

Vorschläge fürs Textschaffen<br />

Vorschlag 1:<br />

Schreibe den Text in einer anderen «Sprache» – nämlich so, wie Jugendliche heute auf der Strasse<br />

miteinander reden, also: Jugendsprache, Gassensprache.<br />

Natürlich muss nicht jedes Wort übersetzt werden. In grossen Zügen sollte sich der Text allerdings<br />

am Original orientieren.<br />

Vorschlag 2:<br />

Stelle die Geschichte als Comic-Seite dar: mit Sprechblasen und «Knall» und «Bumm» und allem<br />

Drum und Dran.<br />

Vorschlag 3:<br />

Kürze den Text! Dabei drei Varianten verfassen:<br />

• Variante gross: den Text auf die Hälfte der Originalvariante reduzieren<br />

• Variante mittel: den Text auf einen Viertel reduzieren<br />

• Variante klein: den Text auf einen Achtel reduzieren<br />

Vergleiche deine Kurzfassung mit jenen deiner Mitschülerinnen und Mitschüler: Wie haben sie Informationen<br />

komprimiert?<br />

Weiterführung: Text in der Variante klein oder mittel an Schüler/innen weiterreichen, die den Originaltext<br />

nicht kennen. Auftrag: Eure «Kürzer-Texte» zur vollen Grösse aufblähen.<br />

Vergleich mit dem Originaltext: Deckungen? Unterschiede?


Unverhofftes Wiedersehen<br />

Johann Peter Hebel<br />

• In den Zeilen 32 bis 36 fehlen die Satzzeichen. (Vgl. Aufgabe 14.)<br />

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BUNGYJUMPING FÜR SPRACHARTISTEN: LESETEXT<br />

In Falun in Schweden küsste vor guten fünfzig Jahren und mehr ein junger Bergmann seine junge<br />

hübsche Braut und sagte zur ihr: «Auf Sankt Luciä wird unsere Liebe von des Priesters Hand gesegnet.<br />

Dann sind wir Mann und Weib und bauen uns ein eigenes Nestlein.»<br />

«Und Friede und Liebe soll darin wohnen», sagte die schöne Braut mit holdem Lächeln, «denn du<br />

bist mein Einziges und Alles, und ohne dich möchte ich lieber im Grab sein als an einem anderen<br />

Ort.» Als sie aber vor St. Luciä der Pfarrer zum zweiten Mal in der Kirche ausgerufen hatte: «So nun<br />

jemand Hindernisse wüsste anzuzeigen, warum diese Personen nicht möchten ehelich zusammenkommen»,<br />

da meldete sich der Tod. Denn als der Jüngling den anderen Morgen in seiner schwar zen<br />

Bergmannsbekleidung an ihrem Haus vorbeiging – der Bergmann hat sein Totenkleid immer an –,<br />

da klopfte er zwar noch einmal an ihrem Fenster und sagte ihr guten Morgen, aber keinen guten<br />

Abend mehr. Er kam nimmer aus dem Bergwerk zurück, und sie saumte vergeblich selbigen Morgen<br />

ein schwarzes Halstuch mit rotem Rand für ihn zum Hochzeitstag, sondern als er nimmer kam, legte<br />

sie es weg und weinte um ihn und vergass ihn nie. Unterdessen wurde die Stadt Lissabon in Portugal<br />

durch ein Erdbeben zerstört und der Siebenjährige Krieg ging vorüber und Kaiser Franz der<br />

Erste starb und der Jesuitenorden wurde aufgehoben und Polen geteilt und die Kaiserin Maria Theresia<br />

starb und der Struensee wurde hingerichtet und Amerika wurde frei und die vereinigte französische<br />

und spanische Macht konnte Gibraltar nicht erobern. Die Türken schlossen den General<br />

Stein in der Veteraner Höhle in Ungarn ein und der Kaiser Joseph starb auch. Der König Gustav von<br />

Schweden eroberte russisch Finnland und die Französische Revolution und der lange Krieg fing an<br />

und der Kaiser Leopold der Zweite ging auch ins Grab. Napoleon eroberte Preussen und die Engländer<br />

bombardierten Kopenhagen und die Ackerleute säeten und schnitten. Der Müller mahlte und<br />

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BUNGYJUMPING FÜR SPRACHARTISTEN: LESETEXT<br />

die Schmiede hämmerten und die Bergleute gruben nach den Metalladern in ihrer unterirdischen<br />

Werkstatt. Als aber die Bergleute in Falun im Jahre 1809 etwas vor oder nach Johannis zwischen<br />

zwei Schachten eine Öffnung durchgraben wollten, gute dreihundert Ellen tief unter dem Boden,<br />

gruben sie aus dem Schutt und Vitriolwasser den Leichnam eines Jünglings heraus, der ganz mit<br />

Eisenvitriol durchdrungen, sonst aber unverwest und unverändert war, also dass man seine Gesichtszüge<br />

und sein Alter noch völlig erkennen konnte, als wenn er erst vor einer Stunde gestorben<br />

oder ein wenig eingeschlafen wäre an der Arbeit. Als man ihn aber zu Tag ausgefördert hatte,<br />

Vater und Mutter, Gefreundte und Bekannte waren schon lange tot, kein Mensch wollte den schlafenden<br />

Jüngling kennen oder etwas von seinem Unglück wissen, bis die ehemalige Verlobte des<br />

Bergmannes kam, der eines Tages auf die Schicht gegangen war und nimmer zurückkehrte. Grau<br />

und zusammengeschrumpft kam sie an einer Krücke an den Platz und erkannte ihren Bräutigam<br />

und mehr mit freudigem Entzücken als mit Schmerz sank sie auf die geliebte Leiche nieder und erst<br />

als sie sich von einer langen heftigen Bewegung des Gemüts erholt hatte es ist mein Verlobter sagte<br />

sie endlich um den ich fünfzig Jahre lang getrauert hatte und den mich Gott noch einmal sehen<br />

lässt vor meinem Ende. Acht Tage vor der Hochzeit ist er auf die Grube gegangen und nimmer<br />

gekommen.» Da wurden die Gemüter aller Umstehenden von Wehmut und Tränen ergriffen, als sie<br />

sahen die ehemalige Braut jetzt in der Gestalt des hingewelkten kraftlosen Alters und den Bräutigam<br />

noch in seiner jugendlichen Schöne, und wie in ihrer Brust nach fünfzig Jahren die Flamme<br />

der jugendlichen Liebe noch einmal erwachte; aber er öffnete den Mund nimmer zum Lächeln oder<br />

die Augen zum Wiedererkennen; und wie sie ihn endlich von den Bergleuten in ihr Stübchen tragen<br />

liess, als die Einzige, die ihm angehöre und ein Recht an ihn habe, bis sein Grab gerüstet sei<br />

auf dem Kirchhof. Den andern Tag, als das Grab gerüstet war auf dem Kirchhof und ihn die Bergleute<br />

holten, schloss sie ein Kästlein auf, legte ihm das schwarzseidene Halstuch mit roten Streifen<br />

um und begleitete ihn in ihrem Sonntagsgewand, als wenn es ihr Hochzeitstag und nicht der<br />

Tag seiner Beerdigung wäre. Denn als man ihn auf dem Friedhof ins Grab legte, sagte sie: «Schlafe<br />

nun wohl, noch einen Tag oder zehn im kühlen Hochzeitsbett, und lass dir die Zeit nicht lang werden.<br />

Ich habe nur noch wenig zu tun und komme bald und bald wird’s wieder Tag. Was die Erde einmal<br />

wiedergegeben hat, wird sie zum zweiten Mal auch nicht behalten», sagte sie, als sie fortging<br />

und noch einmal umschaute.


BUNGYJUMPING FÜR SPRACHARTISTEN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Fragen und Aufgaben zum Text<br />

11. «Unterdessen wurde die Stadt Lissabon ...» (Z. 13) bis «..., und die Engländer bombardierten<br />

Kopenhagen, ...» (Z. 20f.)<br />

Kannst du mit Hilfe der Informationen im Text ungefähr mit Jahreszahlen angeben, von wann<br />

bis wann diese Ereignisse stattgefunden haben?<br />

1 L 1809 wird die Leiche gefunden. Zeile 1: «... küsste vor guten fünfzig Jahren und mehr ...» => also:<br />

Von ungefähr 1759–1809. (Erdbeben in Lissabon 1755)<br />

12. «So nun jemand Hindernisse wüsste anzuzeigen, warum diese Personen nicht möchten ehelich<br />

zusammenkommen, ...» (Z. 6f.)<br />

a) Wie würde der Satz in deiner Sprache lauten? Achte darauf, dass der Sinn der Aussage<br />

nicht verändert wird.<br />

b) An wen richtet der Priester diese Aufforderung und welche unerwartete «Antwort» erhält<br />

er?<br />

1 L a) Wenn jemand Gründe kenne, warum dieses Paar nicht heiraten dürfe, solle er sie angeben.<br />

b) Die Aufforderung geht an die Gottesdienstbesucher und – es meldet sich der Tod. (Der Bräutigam<br />

stirbt am anderen Tag.)<br />

13. Erkläre folgende Wendungen aus dem Text.<br />

a) «..., kein Mensch wollte den schlafenden Jüngling kennen ...» (Z. 29f.)<br />

b) «..., noch einen Tag oder zehn im kühlen Hochzeitsbett, ...» (Z. 47)<br />

c) «..., und bald wird’s wieder Tag.» (Z. 48)<br />

1 L a) ..., den toten Jüngling (sieht aus, wie wenn er schlafen würde – Eisenvitriol hat die Leiche konserviert;<br />

sie ist unverwest und unverändert).<br />

b) Gemeint ist das Grab. Seine Geliebte wird auch bald sterben und dann neben ihm beigesetzt<br />

werden.<br />

c) Auferstehung der Toten; Weiterleben nach dem Tode.<br />

14. a) «..., und Kaiser Franz der Erste starb, ...» (Z. 14f.)<br />

b) «..., und die Kaiserin Maria Theresia starb, ...» (Z. 15f.)<br />

c) «..., und der Kaiser Joseph starb auch.» (Z. 18f.)<br />

Ein Schüler meinte, es sei stilistisch besser, nicht immer wieder das gleiche Verb (sterben) zu<br />

brauchen und ersetzte es durch andere.<br />

a) ..., und Kaiser Franz der Erste segnete das Zeitliche, ...<br />

b) ..., und die Kaiserin Maria Theresia wurde dahingerafft, ...<br />

c) ..., und der Kaiser Joseph musste auch abkratzen.<br />

Wie beurteilst du die Vorschläge des Schülers? Begründe dein Urteil.<br />

1 L a) Möglich, weil es der Sprache des Textes entspricht.<br />

b)+c) Entsprechen nicht dem Sprachregister des Textes. b) Dieser Ausdruck wird für einen schnellen<br />

Tod durch Krankheit verwendet. c) ist salopp und unangemessen.<br />

Der Autor hat wahrscheinlich bewusst immer das gleiche Verb (sterben) benutzt. Über die Begründung<br />

lässt sich spekulieren.<br />

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BUNGYJUMPING FÜR SPRACHARTISTEN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Fragen und Aufgaben zur Sprachbetrachtung<br />

Satzglieder / Fälle<br />

15. Schreibe aus dem Text zwei Sätze heraus und bestimme die grammatischen Fälle.<br />

1 L Unterschiedliche Lösungen.<br />

16. «..., und erst als sie sich von einer langen heftigen Bewegung des Gemüts erholt hatte, ...»<br />

(Z. 33f.)<br />

Erkläre, wie in Teilsätzen mit Verb-Personalform-Endstellung (vgl. Beispielsatz) die Verschiebeprobe<br />

anzuwenden ist?<br />

1 L Das konjugierte Verb zunächst an die 2. Stelle setzen (also nicht in Verb-Endstellung) und dann die<br />

Verschiebeprobe anwenden. Die Konjunktionen (und, als) weglassen, also: «… sie hatte sich von …»<br />

17. Unterscheiden sich die beiden folgenden Teilsätze inhaltlich? Begründe.<br />

Variante 1: «... sie saumte vergeblich selbigen Morgen ein schwarzes Halstuch mit rotem<br />

Rand für ihn ...» (Z. 11f.)<br />

Variante 2: Mit rotem Rand saumte sie vergeblich selbigen Morgen ein schwarzes Halstuch<br />

für ihn ...<br />

1 L Ja. Variante 1: Das Halstuch ist schwarz und hat einen roten Rand. Sie bringt einen Saum an. /<br />

Variante 2: Das Halstuch ist schwarz. Sie bringt einen roten Rand an.<br />

18. Vergleiche die beiden folgenden Teilsätze:<br />

Variante 1: «..., gruben sie aus dem Schutt und Vitriolwasser den Leichnam eines Jünglings<br />

heraus, ...» (Z. 25)<br />

Variante 2: ..., gruben sie aus dem Schutt und Vitriolwasser eines Jünglings Leichnam heraus,<br />

...<br />

a) Worin unterscheiden sie sich von der Form her?<br />

b) Unterscheiden sie sich inhaltlich? Begründe.<br />

c) Passt Variante 2 stilistisch zum Originaltext? Begründe.<br />

1 L a) In Variante 2 ist der Genitiv «eines Jünglings» nachgestellt, in Variante 1 vorangestellt.<br />

b) Die Stellung des Genitivs hat keinen Einfluss auf den Inhalt des Satzes, wohl aber auf den Stil<br />

und die Wahl des Sprachregisters.<br />

c) Möglich: entspricht der «alten» Sprache des Textes. Vgl. auch Zeile 2 «... von des Priesters<br />

Hand ...»<br />

Aktiv / Passiv<br />

19. «Auf Sankt Luciä wird unsere Liebe von des Priesters Hand gesegnet.» (Z. 2f.)<br />

a) Bestimme die Passiv-Form so genau wie möglich.<br />

b) Welche andere grammatische Zeit (im Passiv) wäre in diesem Textzusammenhang auch<br />

noch möglich? Schreibe den Satz in der entsprechenden grammatischen Zeit.<br />

c) Setze den Originalsatz oben ins Aktiv.<br />

1 L a) Vorgangspassiv, Präsens<br />

b) Futur I – wird ... gesegnet werden<br />

c) Die Hand des Priesters (des Priesters Hand) segnet auf St. Luciä unsere Liebe.


BUNGYJUMPING FÜR SPRACHARTISTEN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

10. Stehen die unterstrichenen Teilsätze in den folgenden Beispielen im Aktiv oder Passiv?<br />

Beispiel 1: «..., und der Jesuitenorden wurde aufgehoben und Polen geteilt, ...» (Z. 15)<br />

Beispiel 2: «..., und der Struensee wurde hingerichtet und Amerika wurde frei, ...» (Z. 16)<br />

Beispiel 3: «..., sonst aber unverwest und unverändert war, ...» (Z. 26)<br />

1 L Beispiel 1: Vorgangspassiv (Werden-Passiv), Präteritum (und Polen wurde geteilt, ...)<br />

Beispiel 2: Aktiv, Präteritum (frei werden)<br />

Beispiel 3: Aktiv, Präteritum (unverwest sein)<br />

11. «Da wurden die Gemüter aller Umstehenden von Wehmut und Tränen ergriffen, ...»<br />

(Z. 37)<br />

a) Setze den Teilsatz ins Zustandspassiv, ohne dabei die grammatische Zeit zu verändern.<br />

b) Ergibt sich eine Bedeutungsverschiebung, wenn der Originalsatz im Zustandspassiv<br />

steht? Erkläre.<br />

1 L a) Da waren die Gemüter aller Umstehenden von Wehmut und Tränen ergriffen, ...<br />

b) Ja. Es würde ein Zustand beschrieben und kein Vorgang mehr.<br />

Pronomen<br />

12. Benenne die unterstrichenen Pronomen in den folgenden Teilsätzen:<br />

a) «... und sagte zu ihr: ...» (Z. 2)<br />

b) «..., da klopfte er zwar noch einmal an ihrem Fenster und sagte ihr guten Morgen, ...»<br />

(Z. 10)<br />

c) «Dann sind wir Mann und Weib und bauen uns ein eigenes Nestlein.» (Z. 3)<br />

d) «..., und der Jesuitenorden wurde aufgehoben ...» (Z. 15)<br />

e) «..., der eines Tages auf die Schicht gegangen war ...» (Z. 31)<br />

1 L a) Personalpronomen<br />

b) Possessivpronomen, Personalpronomen<br />

c) Reflexivpronomen<br />

d) Bestimmter Artikel<br />

e) Relativpronomen<br />

13. Ändert sich durch die veränderte Verbstellung in dem unterstrichenen Teilsatz auch die Art<br />

des Pronomens, möglicherweise sogar die Bedeutung des Teilsatzes? Begründe.<br />

Variante 1: «..., gruben sie aus dem Schutt und Vitriolwasser den Leichnam eines Jünglings<br />

heraus, der ganz mit Eisenvitriol durchdrungen, ... war, ...» (Z. 25f.)<br />

Variante 2: ..., gruben sie aus dem Schutt und Vitriolwasser den Leichnam eines Jünglings<br />

heraus, der war ganz mit Eisenvitriol durchdrungen, ...<br />

1 L Ja. Das Relativpronomen in Variante 1 wird zu einem Demonstrativpronomen in Variante 2. Das Demonstrativpronomen<br />

hat einen hinweisenden Charakter.<br />

Teilsätze; Satzzeichen<br />

14. Markiere im folgenden Textabschnitt die Teilsätze und setze alle fehlenden Satzzeichen:<br />

«Grau und zusammengeschrumpft kam sie an einer Krücke an den Platz und erkannte ihren<br />

Bräutigam und mehr mit freudigem Entzücken als mit Schmerz sank sie auf die geliebte Leiche<br />

nieder und erst als sie sich von einer langen heftigen Bewegung des Gemüts erholt hatte<br />

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BUNGYJUMPING FÜR SPRACHARTISTEN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

es ist mein Verlobter sagte sie endlich um den ich fünfzig Jahre lang getrauert hatte und den<br />

mich Gott noch einmal sehen lässt vor meinem Ende.» (Z. 31ff.)<br />

1 L Grau und zusammengeschrumpft kam sie an einer Krücke an den Platz und erkannte ihren Bräuti-<br />

gam(,) und mehr mit freudigem Entzücken als mit Schmerz sank sie auf die geliebte Leiche nieder(,)<br />

und erst als sie sich von einer langen heftigen Bewegung des Gemüts erholt hatte:<br />

«Es ist mein Verlobter», sagte sie endlich, «um den ich fünfzig Jahre lang getrauert hatte<br />

und den mich Gott noch einmal sehen lässt vor meinem Ende.» (Z. 31ff.)<br />

15. a) Durch bestimmte Partikeln lassen sich Teilsätze miteinander verbinden. Wenn diese Partikeln<br />

durch andere ersetzt werden, wird dadurch meistens auch der Sinn des Satzes<br />

verändert. Erkläre, wie sich in Variante 1–3 die Aussage im Vergleich zum Originalsatz<br />

verändert.<br />

Originalsatz: «Da wurden die Gemüter aller Umstehenden von Wehmut und Tränen ergriffen,<br />

als sie die ehemalige Braut [sahen].» (Z. 37f.)<br />

Variante 1: Da wurden die Gemüter aller Umstehenden von Wehmut und Tränen ergriffen,<br />

weil sie die ehemalige Braut sahen.<br />

Variante 2: Da wurden die Gemüter aller Umstehenden von Wehmut und Tränen ergriffen,<br />

obwohl sie die ehemalige Braut sahen.<br />

Variante 3: Da wurden die Gemüter aller Umstehenden von Wehmut und Tränen ergriffen,<br />

anstatt dass sie die ehemalige Braut sahen.<br />

b) Durch welche Partikel könnte die im Originalsatz verwendete am besten ersetzt werden?<br />

Unterstreiche die entsprechende Partikel:<br />

während / solange / sofern / sobald / falls<br />

1 L a) Variante 1: Im 2. Teilsatz wird mit «weil» die Begründung, Ursache angeführt, warum die Anwesenden<br />

traurig sind.<br />

Variante 2: Im 2. Teilsatz wird mit «obwohl» ein Gegengrund angeführt. Sie sehen die Braut<br />

(hätten also keinen Grund traurig zu sein) und trotzdem sind sie’s.<br />

Variante 3: Im 2. Teilsatz wird mit «anstatt dass» ein Gegensatz angeführt. Sie hätten die Braut<br />

sehen sollen, sehen sie aber nicht, weil sie so traurig und ergriffen sind.<br />

b) Durch: «sobald». Mit «sobald» wird auch der Zeitpunkt definiert, wann die Anwesenden traurig<br />

geworden sind. Auch die Konjunktion «während» ist möglich, hat aber den grösseren Bedeutungsunterschied<br />

als «sobald».<br />

Konjunktiv I / Konjunktiv II; direkte / indirekte Rede<br />

16. Bestimme in den folgenden Teilsätzen die Konjunktive so genau wie möglich:<br />

a) «So nun jemand Hindernisse wüsste anzuzeigen, warum diese Personen nicht möchten<br />

ehelich zusammenkommen.» (Z. 6f.)<br />

b) «..., als wenn es ihr Hochzeitstag und nicht der Tag seiner Beerdigung wäre.» (Z. 45f.)


BUNGYJUMPING FÜR SPRACHARTISTEN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

1 L a) Konjunktiv II, Präsens / Konjunktiv II, Präsens<br />

b) Konjunktiv II, Präsens<br />

17. Setze folgende Sätze in die indirekte Rede:<br />

a) «... und sagte zu ihr: ‹Auf Sankt Luciä wird unsere Liebe von des Priesters Hand gesegnet.<br />

Dann sind wir Mann und Weib und bauen uns ein eigenes Nestlein.›» (Z. 2f.)<br />

b) Was wirkt im Textzusammenhang inhaltlich/stilistisch besser: die direkte oder die indirekte<br />

Rede? Deine Meinung!<br />

1 L a) Auf Sankt Luciä werde ihre Liebe von des Priesters Hand gesegnet. Dann seien sie Mann und<br />

Weib und (bauten) würden sich ein eigenes Nestlein bauen.<br />

b) Direkte Rede ist angemessener. Wirkt authentischer, unverfälscht.<br />

18. Wie viele Konjunktive findest du im folgenden Beispiel? Bestimme.<br />

«..., als wenn er erst vor einer Stunde gestorben oder ein wenig eingeschlafen wäre an der<br />

Arbeit.» (Z. 27f.)<br />

1 L Zwei: «gestorben (wäre)» und «eingeschlafen wäre»; beide Male Konjunktiv II zum Perfekt.<br />

19. Warum steht der eine Teilsatz im Indikativ und der andere im Konjunktiv?<br />

«..., bis sein Grab gerüstet sei auf dem Kirchhof.» (Z. 42f.)<br />

«..., als das Grab gerüstet war auf dem Kirchhof ...» (Z. 43)<br />

1 L «gerüstet sei»: Konjunktiv => Aussage der Geliebten, indirekt wiedergegeben<br />

«gerüstet war»: Indikativ => Bericht des Erzählers<br />

Grammatische Zeit / Wirkliche Zeit<br />

20. Als grammatische Haupterzählzeit wählt Hebel das Präteritum. Wäre es nicht besser gewesen,<br />

die Erzählung im Perfekt wiederzugeben? Begründe.<br />

1 L Nein. Um Vergangenes darzustellen, wählt man beim schriftlichen Erzählen meistens das Präteritum.<br />

Wirkt leichter und eleganter.<br />

21. Der unterstrichene Teilsatz steht in einer anderen grammatischen Zeit als die übrigen.<br />

Warum?<br />

«Denn als der Jüngling den anderen Morgen in seiner schwarzen Bergmannskleidung an<br />

ihrem Haus vorbeiging – der Bergmann hat sein Totenkleid immer an –, da klopfte er ...»<br />

(Z. 8ff.)<br />

1 L Allgemeingültige Aussage im Präsens.<br />

22. Ein Schüler behauptet: «Eigentlich müsste der zweite Teilsatz und nicht der erste im Plusquamperfekt<br />

stehen. Begründung: Die Handlung im zweiten Teilsatz ereignet sich vor derjenigen<br />

im ersten Teilsatz.»<br />

Kannst du der Aussage des Schülers zustimmen? Begründe dein Urteil.<br />

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BUNGYJUMPING FÜR SPRACHARTISTEN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

«Als man ihn aber zu Tag ausgefördert hatte, Vater und Mutter, Gefreundte und Bekannte<br />

waren schon lange tot, kein Mensch wollte den schlafenden Jüngling kennen oder etwas von<br />

seinem Unglück wissen, ...» (Z. 28ff.)<br />

1 L Nein. Die Vorzeigtigkeit (Plusquamperfekt) im 1. Teilsatz bezieht sich nicht auf den 2. Teilsatz, sondern<br />

auf «wollte niemand den schlafenden Jüngling kennen».<br />

23. Könnte der folgende Teilsatz auch im Perfekt stehen, ohne dass sich die Aussage des Satzes<br />

im Textzusammenhang stark verändern würde?<br />

«... um den ich fünfzig Jahre lang getrauert hatte ...» (Z. 35)<br />

1 L Ja. Der Teilsatz steht in Beziehung zu «es ist mein Verlobter». Mit dem Perfekt wird hier Vorzeitigkeit<br />

markiert. (Plusquamperfekt ist hier eigentlich nicht korrekt.)<br />

24. Bestimme die grammatische Zeit in den folgenden Teilsätzen:<br />

a) «Und Friede und Liebe soll darin wohnen, ...» (Z. 4)<br />

b) «Als aber die Bergleute ... eine Öffnung durchgraben wollten, ...» (Z. 23f.)<br />

c) «..., der ganz mit Eisenvitriol durchdrungen, ... war, ...» (Z. 25f.)<br />

d) «..., wird sie zum zweiten Mal auch nicht behalten, ...» (Z. 49)<br />

1 L a) Präsens<br />

b) Präteritum<br />

c) Präteritum (durchdrungen sein)<br />

d) Futur I<br />

Vorschläge fürs Textschaffen<br />

Vorschlag 1:<br />

Nimm den Originaltext, schneide ihn an irgendeiner Stelle (auch mitten im Satz möglich) auseinander<br />

und schreibe eine Fortsetzung. Dabei kannst du frei wählen: den ersten Teil ergänzen oder<br />

den zweiten.<br />

Vorschlag 2:<br />

Setze dich mit einer Gruppe von 4–5 Schülerinnen/Schülern zusammen. Voraussetzung: Alle haben<br />

den Text «Unverhofftes Wiedersehen» gelesen.<br />

Jeder/jede schreibt nun auf ein Ordnerblatt den Anfang einer Geschichte mit dem Titel «Unverhofftes<br />

Wiedersehen».<br />

Beachte: Man kann sich am Originaltext orientieren, man kann aber auch völlig frei erfinden.<br />

Nachdem der erste Textteil geschrieben ist (ca. 3–4 Sätze), wird das Blatt mit der Textstelle umgefaltet<br />

und im Uhrzeigersinn weitergereicht. Der/die Nächste muss nun eine Fortsetzung finden,<br />

dann wieder umfalten und weiterreichen.<br />

Bedingung: Es darf immer nur die zuletzt geschriebene Textstelle gelesen werden. Erst am Schluss<br />

den ganzen Text aufklappen und sich die gemeinsam geschriebenen Texte vorlesen.<br />

Tipp: Das Weiterreichen der Textstellen muss koordiniert werden; es muss nämlich gleichzeitig<br />

passieren. Also: jemanden bestimmen, der den Takt angibt.


Vorschlag 3:<br />

BUNGYJUMPING FÜR SPRACHARTISTEN: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Die alte Frau geht zurück nach Hause. Zielbewusst steuert sie auf eine alte Kommode im Schlafzimmer.<br />

Ja, dort müssen sie sein. Ganz zuhinterst findet sie sie, versorgt in einer purpurenen Samtschachtel.<br />

Mit zitternden Händen öffnet sie den Deckel und entnimmt einen Briefumschlag: den<br />

letzten Liebesbrief ihres Verlobten, geschrieben ein paar Tage vor ihrer geplanten Vermählung.<br />

Was hat der Geliebte geschrieben?<br />

Vorschlag 4:<br />

Zwischen Zeilen 13 und 21 nennt der Autor wichtige Ereignisse, die einen Zeitraum von rund 50<br />

Jahren umspannen. Schreibe einen Text ähnlicher Länge mit Ereignissen der letzten fünfzig Jahre,<br />

die für dich wichtig sind. Vergleiche deinen Text mit jenen deiner Mitschülerinnen und Mitschü -<br />

lern, die die gleiche Aufgabe gewählt haben. (Du darfst Hilfsmittel, z.B. eine Zeittafel, benutzen.)<br />

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SURFEN IM GRAMMATIKNETZ: LESETEXT<br />

Wir sind ein Teil der Erde<br />

Auszug aus einer Rede des Häuptling Seattle<br />

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Der grosse Häuptling in Washington sendet uns Nachricht, dass er unser Land zu kaufen wünscht.<br />

Wir werden sein Angebot bedenken, denn wir wissen – wenn wir nicht verkaufen – kommt vielleicht<br />

der weisse Mann mit Gewehren und nimmt sich unser Land. Wie kann man den Himmel kaufen<br />

oder verkaufen – oder die Wärme der Erde? Diese Vorstellung ist uns fremd.<br />

Wenn wir die Frische der Luft und das Glitzern des Wassers nicht besitzen – wie könnt ihr sie von<br />

uns kaufen?<br />

Meine Worte sind wie die Sterne, sie gehen nicht unter. Jeder Teil dieser Erde ist meinem Volk heilig,<br />

jede glitzernde Tannennadel, jeder sandige Strand, jeder Nebel in den dunkeln Wäldern, jede<br />

Lichtung, jedes summende Insekt ist heilig, in den Gedanken und Erfahrungen meines Volkes. Der<br />

Saft, der in den Bäumen steigt, trägt die Erinnerung des roten Mannes.<br />

Wir sind ein Teil der Erde, und sie ist ein Teil von uns. Die duftenden Blumen sind unsere Schwes -<br />

tern, die Rehe, das Pferd, der grosse Adler – sind unsere Brüder. Die felsigen Höhen, die saftigen<br />

Wiesen, die Körperwärme des Ponys – und des Menschen – sie alle gehören zur gleichen Familie.<br />

Wir erfreuen uns an diesen Wäldern. Ich weiss nicht – unsere Art ist anders als die eure.<br />

Wir wissen, dass der weisse Mann unsere Art nicht versteht. Ein Teil des Landes ist ihm gleich jedem<br />

anderen, denn er ist ein Fremder, der kommt in der Nacht und nimmt von der Erde, was immer<br />

er braucht. Die Erde ist sein Bruder nicht, sondern Feind, und wenn er sie erobert hat, schreitet<br />

er weiter. Er stiehlt die Erde von seinen Kindern – und kümmert sich nicht. Er behandelt seine<br />

Mutter, die Erde, und seinen Bruder, den Himmel, wie Dinge zum Kaufen und Plündern, zum Verkaufen<br />

wie Schafe oder Perlen.<br />

Der Anblick eurer Städte schmerzt die Augen des roten Mannes. Es gibt keine Stille in den Städten<br />

der Weissen. Keinen Ort, um das Entfalten der Blätter im Frühling zu hören oder das Summen der<br />

Insekten. Der Indianer mag das sanfte Geräusch des Windes, der über eine Teichfläche streicht.<br />

Die Luft ist kostbar für den roten Mann – denn alle Dinge teilen denselben Atem – das Tier, der<br />

Baum, der Mensch. Der weisse Mann scheint die Luft, die er atmet, nicht zu bemerken; wie ein<br />

Mensch, der seit vielen Tagen stirbt, ist er abgestumpft gegen den Gestank.<br />

Ich habe tausend verrottende Büffel gesehen, vom weissen Mann zurückgelassen – erschossen aus<br />

einem vorüberfahrenden Zug. Ich kann nicht verstehen, wie das qualmende Eisenpferd wichtiger<br />

sein soll als der Büffel, den wir nur töten, um am Leben zu bleiben.<br />

Was ist der Mensch ohne Tiere? Wären alle Tiere fort, so stürbe der Mensch an grosser Einsamkeit<br />

des Geistes. Was immer den Tieren geschieht, geschieht bald auch den Menschen. Alle Dinge sind<br />

miteinander verbunden.<br />

Der Mensch schuf nicht das Gewebe des Lebens, er ist darin nur eine Faser. Was immer ihr dem Gewebe<br />

antut, das tut ihr euch selber an. Der weisse Mann, vorübergehend im Besitz der Macht,<br />

glaubt, er sei schon Gott, dem die Erde gehört. Wie kann ein Mensch seine Mutter besitzen?<br />

Die Erde verletzen heisst ihren Schöpfer verachten. Selbst der weisse Mann kann der gemeinsamen<br />

Bestimmung nicht entgehen. Vielleicht sind wir doch – Brüder. Wir werden sehen.


SURFEN IM GRAMMATIKNETZ: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Fragen und Aufgaben zum Text<br />

11. Beurteile folgende Aussagen. Welche ist falsch?<br />

a) Häuptling Seattle erklärt dem Häuptling in Washington, warum die Indianer ihr Land<br />

den Weissen am liebsten nicht «abtreten» möchten. Die Weissen hätten eine andere<br />

Art mit der Natur und den Dingen des Lebens umzugehen als die Indianer. Die Erde sei<br />

der Bruder des Weissen nicht.<br />

b) Wenn die Weissen ihre Art zu leben nicht änderten und die Mutter Erde weiterhin derart<br />

schlecht behandelten, würden die Indianer den Weissen den Krieg erklären.<br />

c) Der Häuptling der Indianer wirft den Weissen vor, sie hätten vergessen, dass auch sie<br />

nur ein Teil der Natur seien. Diese gelte es zu achten. Wer sich an der Natur vergreife,<br />

der «versündige» sich auch gegen den Schöpfer dieser Natur.<br />

1 L Aussage b) ist falsch.<br />

12. «..., unsere Art ist anders als die eure.» (Z. 14)<br />

a) Beschreibe die beiden gegensätzlichen Welten: Indianer / Weisse.<br />

b) Welche Art ist dir sympathischer? Begründe.<br />

1 L a) Indianer: Ist im Einklang mit der Natur; die Erde ist «sein Bruder».<br />

Weisser: Hat keinen Bezug mehr zur Natur: beutet sie aus; die Erde ist «sein Feind».<br />

b) Unterschiedliche Antworten.<br />

13. Welche Person bezeichnet Seattle als «den grossen Häuptling in Washington»?<br />

1 L Den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Er bezeichnet ihn als Häuptling, weil diese Bezeichnung<br />

seinem Vokabular entspricht.<br />

14. Erkläre folgende Sätze mit eigenen Worten:<br />

a) «Wie kann man den Himmel kaufen oder verkaufen – oder die Wärme der Erde?»<br />

(Z. 3f.)<br />

b) «Jeder Teil dieser Erde ist meinem Volk heilig, ...» (Z. 7f)<br />

c) «Ein Teil des Landes ist ihm gleich jedem anderen, denn er ist ein Fremder, der kommt<br />

in der Nacht und nimmt von der Erde, was immer er braucht.» (Z. 15ff.)<br />

d) «Alle Dinge sind miteinander verbunden.» (Z. 31f.)<br />

e) «Der Mensch schuf nicht das Gewebe des Lebens, er ist darin nur eine Faser.» (Z. 33)<br />

f) «Wie kann ein Mensch seine Mutter besitzen?» (Z. 35)<br />

1 L a) Die Amerikaner wollen die Indianer «zwingen», ihnen das Land zu verkaufen. In der Vorstellung<br />

der Indianer kann man Himmel und Erde aber nicht besitzen – also auch nicht käuflich erwerben.<br />

b) Die Natur respektieren, Ehrfurcht haben vor der Natur, Natur/Umwelt nicht mutwillig zerstören.<br />

c) Der Weisse hat keinen Blick mehr für die Schönheiten der Natur. Die Natur ist für ihn nur noch<br />

im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Überlegungen interessant. Ohne Rücksicht auf die Natur<br />

nimmt er, was Profit bringt. In der Nacht = wenn man ihn nicht erwartet, d.h. wie ein Dieb.<br />

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SURFEN IM GRAMMATIKNETZ: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

d) Die Menschen leben nicht alleine auf der Erde, sondern in einer Gemeinschaft mit allen anderen<br />

Lebewesen und der Natur. Dabei stehen alle miteinander in Beziehung, sind abhängig voneinander<br />

– im ökologischen Gleichgewicht.<br />

e) «Der Mensch ist nur ein Teil der Schöpfung (und sicher nicht einmal der wichtigs te). Die Weissen,<br />

«vorübergehend im Besitz der Macht», glauben aber, sie seien «schon Gott» und die Erde<br />

gehöre ihnen. (Z. 34f.)<br />

f) Mit Mutter ist hier die Erde gemeint (vgl. Z. 21). So wie man seine leibliche Mutter nicht besitzen<br />

kann, kann man auch die Mutter Erde nicht besitzen.<br />

Der Mensch ist von der Erde abhängig. Zuerst wurde die Erde erschaffen – erst viel später kam<br />

der Mensch. Die Verhältnisse auf der Erde «ermöglichten» erst den Menschen.<br />

15. Schreibe aus dem Text die Textstellen heraus, für die folgende Aussage steht:<br />

Häuptling Seattle: «Was ich euch mitteile, wird niemals an Bedeutung verlieren. Es ist immer<br />

so gewesen und wird immer so sein.»<br />

1 L «Meine Worte sind wie die Sterne, sie gehen nicht unter.» (Z. 8)<br />

16. «Er stiehlt die Erde von seinen Kindern – und kümmert sich nicht.» (Z. 18)<br />

Eine Schülerin meinte, das könne nicht stimmen, es gebe doch keine Erde, die den Kindern<br />

gehöre.<br />

Hat die Schülerin den zitierten Satz richtig verstanden? Erkläre.<br />

1 L Es geht hier um etwas anderes: Weil die (weissen) Erwachsenen die Natur derart ausbeuten und zerstören,<br />

hinterlassen sie ihren Nachkommen ein trauriges Erbe: eine «belastete» Erde. Die Erde ist aber<br />

die Grundlage und Zukunft der neuen Generation. Ohne sie ist eine Weiterexistenz nicht mehr möglich.<br />

17. «Die Erde ist sein Bruder nicht, ...» (Z. 17)<br />

«Er behandelt seine Mutter, die Erde, und seinen Bruder, den Himmel, ...» (Z. 18f.)<br />

Vergleiche die beiden Zitate. Irgendetwas stimmt hier nicht. Erkläre.<br />

1 L Tatsächlich ergibt sich hier eine Unstimmigkeit: Einerseits vergleicht der Häuptling die Erde als «seinen<br />

Bruder», andererseits aber als «seine Mutter».<br />

18. «... das qualmende Eisenpferd ...» (Z. 28)<br />

a) Was ist mit diesem Ausdruck gemeint?<br />

b) Wie kommt Seattle auf diese Umschreibung?<br />

1 L a) Dampflokomotive<br />

b) Da es in der Sprache der Indianer das Wort «Lokomotive» nicht gibt, versucht Seattle es mit<br />

Hilfe seines Wortschatzes zu umschreiben. Ein für ihn bekanntes Fortbewegungsmittel, das die<br />

Funktion einer «Zugmaschine» übernimmt, ist das «Pferd». («Eisen» und «Qualm» werden<br />

wahrscheinlich in seiner Sprache auch bekannt gewesen sein.)<br />

19. a) Wenn die Indianer doch wissen, wie schlecht die Weissen mit der Erde umgehen, warum<br />

überlegen sie sich dann überhaupt, ihr Land an die Weissen zu verkaufen?<br />

b) Warum wollen die Weissen das Land der Indianer «kaufen»?


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1 L a) Sie befürchten, die Weissen werden ihnen ihr Land mit Waffengewalt nehmen, wenn sie es ihnen<br />

nicht verkaufen. (Vgl. Z. 3 und 4)<br />

b) Aus rein wirtschaftlichen Interessen.<br />

10. «Selbst der weisse Mann kann der gemeinsamen Bestimmung nicht entgehen.» (Z. 36f.)<br />

Wie sieht denn unsere gemeinsame Bestimmung aus?<br />

1 L «Bestimmung» = Aufgabe, die der Schöpfer für die Menschheit vorgesehen hat. «Gemeinsam», weil<br />

der Schöpfer nicht zwischen roten und weissen Menschen unterscheidet. Alle sind gleichberechtigte<br />

Geschöpfe und damit «Brüder» (und Schwestern).<br />

11. a) Wenn wir die Sprache des Häuptlings Seattle mit unserer Sprache vergleichen, ergeben<br />

sich Unterschiede. Inwiefern?<br />

b) Wovon ist Seattles Sprache stark geprägt? (Und warum?)<br />

1 L a) Ihre Sprache ist viel stärker von Bildern und feinen Wahrnehmungen geprägt. Wir hingegen<br />

drücken uns viel sachlicher und nüchterner aus.<br />

b) Von seiner Art zu leben, von seinem Lebensraum, der Natur. Die Sprache der Indianer ist eine<br />

«naturnahe» Sprache. Unser Vokabular hingegen ist geprägt von einer Welt, die Ideale wie<br />

Reichtum, Profit, Leistung ... hoch hält. Das jeweilige Weltbild schlägt sich auch in der Sprache<br />

nieder.<br />

12. Gibt es für dich in Seattles Text noch Fragen, die oben nicht gestellt wurden, und deren Antworten<br />

dich interessieren?<br />

Formuliere sie und besprich sie mit einem Mitschüler/einer Mitschülerin.<br />

1 L Unterschiedliche Fragen.<br />

Fragen und Aufgaben zur Sprachbetrachtung<br />

Satzglieder / Fälle<br />

13. Markiere alle Satzglieder (Subjekte doppelt unterstreichen):<br />

«Wie kann man den Himmel kaufen oder verkaufen – oder die Wärme der Erde? Diese Vorstellung<br />

ist uns fremd.<br />

Wenn wir die Frische der Luft und das Glitzern des Wassers nicht besitzen – wie könnt ihr sie<br />

von uns kaufen?<br />

Meine Worte sind wie die Sterne, sie gehen nicht unter. Jeder Teil dieser Erde ist meinem Volk<br />

heilig, jede glitzernde Tannennadel, jeder sandige Strand, jeder Nebel in den dunkeln Wäldern,<br />

jede Lichtung, jedes summende Insekt ist heilig, in den Gedanken und Erfahrungen<br />

meines Volkes.» (Z. 3ff.)<br />

1 L « Wie kann man den Himmel kaufen oder verkaufen – oder die Wärme der Erde ? Diese Vorstellung<br />

ist uns fremd .<br />

Wenn wir die Frische der Luft und das Glitzern des Wassers nicht besitzen – wie könnt ihr sie<br />

von uns kaufen?<br />

Materialien<br />

113


Materialien<br />

114<br />

SURFEN IM GRAMMATIKNETZ: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Meine Worte sind wie die Sterne , sie gehen nicht unter. Jeder Teil dieser Erde ist meinem Volk<br />

heilig , jede glitzernde Tannennadel, jeder sandige Strand, jeder Nebel in den dunkeln Wäldern, jede<br />

Lichtung, jedes summende Insekt ist heilig , in den Gedanken und Erfahrungen meines Volkes .»<br />

14. Schreibe zwei Sätze, die zum Thema des Textes passen und folgendem Muster entsprechen<br />

( = Verb-Personalform):<br />

a) Satz 1: , , .<br />

N N Präpo-A AO<br />

attr. G<br />

b) Satz 2: .<br />

DO<br />

1 L a) (Beispiel) Der Saft, der in den Bäumen steigt, trägt die Erinnerung des roten Mannes.<br />

b) (Beispiel) Diese Vorstellung ist uns fremd.<br />

15. «Der grosse Häuptling in Washington sendet uns Nachricht, ...» (Z. 1)<br />

Verschiebeprobe:<br />

Variante 1: In Washington sendet uns der grosse Häuptling Nachricht<br />

Variante 2: Uns sendet der grosse Häuptling in Washington Nachricht<br />

Variante 3: Nachricht sendet uns der grosse Häuptling in Washington<br />

Variante 4: Der grosse Häuptling sendet uns in Washington Nachricht<br />

a) Sind alle Varianten zulässig? Begründe.<br />

b) Markiere im Originalsatz die Satzglieder.<br />

▼<br />

1 L a) Die Verschiebungen in Variante 1 und 4 sind nicht zulässig. Begründung: Gegenüber dem<br />

Originalsatz hat sich die Information verändert. Aus dem «Häuptling in Washington» ist ein<br />

Häupt ling aus irgendeiner Stadt geworden, der aus Washington eine Nachricht sendet.<br />

b) Der grosse Häuptling in Washington sendet uns Nachricht .<br />

16. «Die duftenden Blumen sind unsere Schwestern, ...» (Z. 11f.)<br />

Wie kannst du das Satzglied «unsere Schwestern» vollständig bestimmen? Schreibe auf, wie<br />

du schrittweise vorgehen kannst.<br />

1 L Ersatzprobe: z.B. Der duftende Blumenstrauss ist der Bruder => beide Satzglieder stehen im Nominativ.<br />

Verbale Wortkette: unsere Schwestern sein // Die duftenden Blumen. Die duftenden Blumen =<br />

Subjekt; unsere Schwestern = Prädikativ.<br />

Grammatische Zeit / Wirkliche Zeit; Konjunktiv<br />

17. Die meisten Sätze im Text «Wir sind ein Teil der Erde» stehen im Präsens. Mögliche Gründe<br />

dafür?<br />

1 L Das Präsens drückt aus, dass etwas gerade jetzt besteht oder geschieht; wird auch gebraucht um Allgemeingültiges,<br />

Zeitloses zu markieren. Hat natürlich auch mit der Kommunikationssituation «Rede»<br />

zu tun; Präteritum wäre hier nicht angebracht.


SURFEN IM GRAMMATIKNETZ: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

18. «Der grosse Häuptling in Washington sendet uns Nachricht, ...» (Z. 1)<br />

Wäre in diesem Teilsatz auch eine andere grammatische Zeitform möglich? Schreibe den Teilsatz<br />

neu und begründe.<br />

1 L Möglich: Der grosse Häuptling in Washington hat uns Nachricht gesendet. Vergangenes kann (v.a. in<br />

mündlicher Kommunikation) auch im Perfekt dargestellt werden.<br />

19. «Wir werden sein Angebot bedenken, ...» (Z. 2)<br />

Erkläre, warum in diesem Teilsatz eine andere grammatische Zeit gebraucht wird als im ersten<br />

Satz?<br />

1 L Futur markiert Zukünftiges: Das Angebot wird noch geprüft werden.<br />

20. «... wenn er sie erobert hat, ...» (Z. 17)<br />

Wie lautet die grammatische Zeit, was ist die wirkliche Zeit?<br />

1 L Grammatische Zeit: Perfekt; wirkliche Zeit: Zukunft.<br />

21. «Ich habe tausend verrottende Büffel gesehen, vom weissen Mann zurückgelassen – erschossen<br />

aus einem vorüberfahrenden Zug.» (Z. 27f.)<br />

Schreibe die beiden markierten Teilsätze als selbstständige Sätze und bestimme deren grammatische<br />

Zeiten.<br />

Beachte: Im ersten Satz musst du folgende Wörter in genau dieser Reihenfolge einflechten:<br />

... vom weissen Mann zurückgelassen ...,<br />

im zweiten Satz:<br />

... aus einem vorüberfahrenden Zug erschossen ...<br />

1 L Sie sind vom weissen Mann zurückgelassen worden: Perfekt, Passiv (auch Präteritum möglich).<br />

Sie sind aus einem vorüberfahrenden Zug erschossen worden: Perfekt, Passiv (auch Präteritum möglich).<br />

22. «Alle Dinge sind miteinander verbunden.» (Z. 31f.)<br />

a) Bestimme die grammatische Zeit.<br />

b) Steht der Satz im Aktiv oder im Passiv?<br />

c) Setze den Satz ins Futur.<br />

1 L a) Präsens<br />

b) Passiv (Zustandspassiv)<br />

c) Alle Dinge werden miteinander verbunden sein.<br />

23. Bestimme die Konjunktive so genau wie möglich:<br />

a) «Wären alle Tiere fort, so stürbe der Mensch ...» (Z. 30)<br />

b) «... glaubt, er sei schon Gott, ...» (Z. 35)<br />

c) Muss Satz a) im Konjunktiv stehen? Begründe.<br />

1 L a) Konjunktiv II zum Präsens<br />

b) Konjunktiv I zum Präsens<br />

c) Ja. Man stellt sich vor, wie es sein könnte, in vollem Wissen, dass es (noch) nicht so ist und<br />

vielleicht nie so kommen wird.<br />

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116<br />

SURFEN IM GRAMMATIKNETZ: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Pronomen<br />

24. Schreibe aus dem Text je einen Satz oder Teilsatz mit einem:<br />

a) Indefinitpronomen<br />

b) Demonstrativpronomen<br />

1 L a) (Beispiele) «Jeder Teil dieser Erde...» oder «... sie alle gehören zur gleichen Familie ...»<br />

b) (Beispiele) «Diese Vorstellung ist uns fremd ...» oder «Wie erfreuen uns an diesen Wäldern ...»<br />

25. Schreibe selber je einen Satz, in dem du das Pronomen «was» brauchst, als:<br />

a) Relativpronomen<br />

b) Interrogativpronomen<br />

1 L a) (Beispiel) «Was immer den Tieren geschieht, ...»<br />

b) (Beispiel) «Was ist der Mensch ohne Tiere?»<br />

26. Bestimme die unterstrichenen Pronomen in den folgenden Sätzen:<br />

a) «Wir erfreuen uns an diesen Wäldern.» (Z. 14)<br />

b) «Diese Vorstellung ist uns fremd.» (Z. 4)<br />

1 L a) Reflexivpronomen<br />

b) Personalpronomen<br />

Vorschläge fürs Textschaffen<br />

Vorschlag 1:<br />

Schreibe eine fiktive Gegenrede des «Häuptlings in Washington» (Präsident der Vereinigten Staaten)<br />

an die Indianer (als Antwort auf Seattles Rede).<br />

Vorschlag 2:<br />

Ein Weisser verbringt einen Tag im Zeltlager bei den Indianern oder ein Indianer verbringt einen<br />

Tag in einer Grossstadt bei den Weissen. Erzähle.<br />

Vorschlag 3:<br />

Aus den Geschichtsbüchern wissen wir: Der Grossteil der indianischen Gebiete wurde durch die<br />

Weissen besiedelt – die Indianer in Reservate zurückgedrängt. Ist ein solches Vorgehen gerechtfertigt?<br />

(Möglichkeit der Verallgemeinerung: Vom Umgang der Mehrheiten mit Minderheiten)<br />

Schreibe einen argumentativen Text.


Es gibt nur eine Wahrheit<br />

(nach Willi Fehse)<br />

• In den Zeilen 26 bis 30 fehlen die Satzzeichen. (Vgl. Aufgabe 19.)<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

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17<br />

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35<br />

36<br />

INTENSIVTRAINING SPRACHE: LESETEXT<br />

Der Häuptling eines afrikanischen Hirtenvolkes fühlte, dass sein Ende sich nahte. Er liess sich von<br />

seinen Söhnen Aki und Oki unter den Palaverbaum am Ausgang des Krals geleiten. «Ihr seid mir<br />

gleich lieb», sprach er zu den beiden im Angesicht des Volkes. Die Männer hatten sich versammelt,<br />

um auf ihre Speere und Antilopenschilde gestützt seinen Worten zu lauschen. «Ich sorge mich um<br />

euch, Aki und Oki. Ich habe mir Gedanken um meine Nachfolge gemacht. Nur der Gewandteste und<br />

Schlaueste von euch kann sich als mein Nachfolger bewähren. Dieser Einsicht wollen wir uns beugen.»<br />

Der Häuptling richtete sich in die Höhe und wies in die Steppe hinaus. Inmitten der Kameldornsträucher<br />

erhob sich eine riesige Schirmakazie. «Dahin, meine Söhne», so fuhr er fort, «sollt ihr<br />

jetzt vor allem Volk um die Wette reiten. Ihr beide besitzt die besten Zebus des Stammes. Wessen<br />

Ochse nun die Akazie zuletzt erreicht und zuletzt in unsere Mitte zurückkehrt, soll die Herrschaft<br />

erben. – Es gibt nur eine Wahrheit, aber viele Wege, die zum Ziele führen ... Überlegt euch das wohl,<br />

und rüstet euch nun zum Wettkampf!» – Damit winkte er einigen Kriegern, die beiden Ochsen herbeizuholen.<br />

Akis Miene nahm einen grüblerischen Ausdruck an. Sie erhellte sich dann jedoch unversehens.<br />

Oki aber murrte nur über den Spruch des Vaters und ärgerte sich. «Wessen Zebu zuletzt<br />

bei der Akazie anlangt und zuletzt zurückkehrt?», fragte er verdrossen. «Wo ergibt sich da ein<br />

Sinn? Wenn jeder von uns sein Reittier zügelt und niemand dadurch von der Stelle kommt, wie lange<br />

soll sich dann der Kampf hinziehen?»<br />

Er murrte noch, als man die beiden Buckelochsen brachte und das Zeichen zum Beginn des Wettkampfes<br />

gegeben wurde. Ja, als sich Aki blitzschnell auf eines der Tiere schwang und es mit Geschrei<br />

und Rutenstreichen zur Eile antrieb, verhielt er sogar noch den Schritt und freute sich hämisch.<br />

Als er jedoch den anderen Ochsen näher betrachtete, stutzte er.<br />

«Aki hat sich mein Zebu genommen», schrie er auf. Aber der Häuptling erwiderte ihm darauf nur:<br />

«So wird dein Zebu zuerst die Akazie erreichen.»<br />

Da begriff Oki plötzlich, wie schlau sich der Bruder verhalten hatte. Was nützte es, dass er sich<br />

jetzt auf den Rücken von Akis Ochsen warf und dem Bruder fauchend nachjagte? Aki hatte sich<br />

längst seinen Vorsprung gesichert und als der säumige Murrkopf auch endlich die Schirmakazie umritten<br />

hatte und erschöpft zu dem Palaverbaum zurückkehrte hob sein Vater der Häuptling gerade<br />

Akis Rechte im Angesicht der versammelten Krieger empor dass die Messingringe an seinem Arm<br />

sich klirrend bewegten.<br />

«Seht», rief der Häuptling dabei dem Volke zu, «seht hier meinen Nachfolger. Ich versprach euch<br />

den Gewandtesten und Schlauesten von meinen Söhnen. Das ist Aki, ihr habt euch selbst überzeugt.<br />

So achtet ihn denn fortan an meiner Statt ...»<br />

Und während er sich dann unter dem Beifallsjubel und Waffengerassel des Volkes müde auf seinen<br />

Sitz fallen liess, murmelte er leise vor sich hin: «Es gibt nur eine Wahrheit, aber viele Wege, die<br />

zum Sieg führen ...»<br />

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118<br />

INTENSIVTRAINING SPRACHE: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Fragen und Aufgaben zum Text<br />

11. Formuliere das «Wettkampfreglement» mit eigenen Worten.<br />

1 L 1) Die beiden Häuptlingssöhne müssen mit zwei Buckelochsen um die Wette reiten.<br />

2) Start und Ziel: Beim Palaverbaum am Ausgang des Krals; Wendepunkt: Schirmakazie.<br />

3) Sieger (und damit Nachfolger): Derjenige, dessen Ochse das Ziel als Letzter erreicht.<br />

12. Was ist an diesem Wettkampf so aussergewöhnlich?<br />

1 L Es gewinnt nicht derjenige, der als Erster das Ziel erreicht. Es gewinnt der Besitzer des Tieres, welches<br />

als Letztes das Ziel erreicht.<br />

13. Warum entscheidet sich der Häuptling für diese Art des Wettkampfes? Er hätte doch auch einen<br />

seiner Söhne zum Nachfolger bestimmen können.<br />

1 L Wäre auch möglich gewesen. Aber auf die von ihm gewählte Weise kann er seinem Volk anschaulich<br />

«beweisen», wer der geeignetere Nachfolger ist. Er legt den Wettkampf bewusst so an, dass nicht nur<br />

Stärke und Gewandtheit (körperliche Fähigkeiten), sondern auch Intelligenz und Schlauheit (geistige<br />

Fähigkeiten) berücksichtigt werden.<br />

14. «Wo ergibt sich da ein Sinn?» (Z. 16f.)<br />

Warum sieht Oki darin keinen Sinn?<br />

1 L Er begreift nicht, wie man diesen Wettkampf durchführen kann, wenn derjenige Sieger ist, dessen<br />

Ochse als Letzter das Ziel erreicht.<br />

15. «Sie erhellte sich dann jedoch unversehens.» (Z. 14f.)<br />

Wie ist das zu verstehen?<br />

1 L Akis Gesichtsausdruck verrät, dass er die Lösung des Problems gefunden hat.<br />

16. «... und dem Bruder fauchend nachjagte.» (Z. 26)<br />

Warum beeilt sich Oki plötzlich, seinen Bruder Aki einzuholen? Es gewinnt doch derjenige,<br />

dessen Ochse zuletzt zurückkehrt.<br />

1 L Weil Oki nun auch begriffen hat, wie man das Rennen gewinnen kann. Da Aki auf seinem Ochsen<br />

reitet, hat Oki nur eine Chance das Rennen für sich zu entscheiden: Er muss Aki überholen und als<br />

Ers ter im Ziel sein. Dann wäre sein Ochse als Letzter im Ziel und er der Sieger (vgl. Wettkampfreglement).<br />

17. Wann begreift Oki, wie schlau sich sein Bruder Aki verhalten hat?<br />

1 L Als er den zurückgebliebenen Ochsen näher betrachtet, stellt er fest, dass es Akis Ochse ist (vgl. Z. 22<br />

und 23).


INTENSIVTRAINING SPRACHE: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

18. «Wessen Ochse ...» (Z. 10f.)<br />

Wen oder was muss man sich hier unter «wessen» vorstellen?<br />

1 L Der Ochse des Aki oder des Oki.<br />

19. «So achtet ihn denn fortan an meiner Statt ...» (Z. 33)<br />

Was teilt der Häuptling damit seinem Volke mit?<br />

1 L In Zukunft sollen die Angehörigen des Stammes Aki als ihren Häuptling akzeptieren.<br />

10. a) Erkläre den Titel der Geschichte.<br />

b) Erfinde zwei weitere Titel, die zum Text passen.<br />

1 L a) Allgemein: «Eine Wahrheit» könnte übersetzt werden mit «ein Gesetz», «ein Glaube» o.Ä. An<br />

diesen übergeordneten Prinzipien haben wir uns zu orientieren. Welche Wege wir aber wählen,<br />

ist uns freigestellt. Konkret auf die Wettkampfsituation bezogen: Wessen Ochse das Ziel als<br />

Letzter erreicht, ist Sieger und damit Nachfolger. Den Weg zu diesem Ziel muss der Reiter selber<br />

wählen.<br />

b) Unterschiedliche Lösungen.<br />

11. Hast du sofort gemerkt, wie das Rennen eigentlich laufen soll?<br />

a) Welche Textstellen haben dich dabei verwirrt?<br />

b) Welche haben dich auf die richtige Lösung gebracht?<br />

1 L a) Persönliche Beurteilung.<br />

b) Persönliche Beurteilung.<br />

12. a) Hat der Häuptling bei der Festlegung des Wettkampfreglementes auch an die von Aki<br />

gewählte Lösung gedacht? Begründe.<br />

b) Welcher andere Lösungsweg wäre unter diesen Bedingungen auch noch möglich gewesen?<br />

c) Haben dich die Wettkampfbedingungen des Häuptlings überzeugt – oder gäbe es andere,<br />

bessere Möglichkeiten, seinen Nachfolger zu bestimmen? Deine Meinung?<br />

d) Vergleiche die Ergebnisse zu 12 a) – c) in der Gruppe: Gibt es unterschiedliche Lösungen?<br />

Ansichten?<br />

1 L a) Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Einerseits hat man Mühe sich vorzustellen, dass<br />

ein Vater, dem seine beiden Söhne «gleich lieb» sind, eine solch «unfaire» Lösung mitbedacht<br />

hat. Andererseits kann man dagegenhalten, in einer solchen Geschichte verfüge der Häuptling<br />

über die «absolute» Intelligenz. Zudem: Der Vater und das Volk sind ja mit dem Ausgang des<br />

Rennens völlig zufrieden, vgl. Z. 31–36.<br />

b) Unterschiedliche Lösungen.<br />

c) Natürlich gäbe es auch andere, weniger problematische Wahlverfahren: beispielsweise eine demokratische<br />

Wahl durch die Stammesangehörigen oder (wie in einigen Kulturen heute noch<br />

üblich) Nachfolge durch den ältesten Sohn. Auch dieses Recht ist nicht unumstritten, denn es<br />

berücksichtigt nur das Kriterium Erstgeburt und keine echten menschlichen Qualitäten.<br />

Im vorliegenden Fall hat Aki sehr schnell und listig reagiert, hat aber im Grunde seinen Bruder<br />

«betrogen». Ob der Betrogene, vor seinem Volke auch noch als der weniger Schlaue (Intelligente?)<br />

blossgestellt, das so einfach hinnehmen kann, ist höchst fraglich.<br />

d) Diskussion in der Gruppe (evtl. im Plenum).<br />

Materialien<br />

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INTENSIVTRAINING SPRACHE: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Fragen und Aufgaben zur Sprachbetrachtung<br />

Satzglieder / Fälle<br />

13. Markiere alle Satzglieder und benenne die fallbestimmten!<br />

«Der Häuptling eines afrikanischen Hirtenvolkes fühlte, dass sein Ende sich nahte. Er liess sich<br />

von seinen Söhnen Aki und Oki unter den Palaverbaum am Ausgang des Krals geleiten.»<br />

(Z. 1f.)<br />

«‹Ihr seid mir gleich lieb›, sprach er zu den beiden im Angesicht des Volkes.» (Z. 2f.)<br />

1 L « Der Häuptling eines afrikanischen Hirtenvolkes fühlte, dass sein Ende sich nahte. Er liess sich<br />

von seinen Söhnen Aki und Oki unter den Palaverbaum am Ausgang des Krals geleiten.»<br />

▼<br />

(Z. 1f.)<br />

«‹ Ihr seid mir gleich lieb ›, sprach er zu den beiden im Angesicht des Volkes .» (Z. 2f.)<br />

14. « Wessen Ochse ...» (Z. 10f.)<br />

«... auf eines der Tiere ...» (Z. 20)<br />

«... auf den Rücken von Akis Ochsen ...» (Z. 26)<br />

«... an meiner Statt ...» (Z. 33)<br />

Ein grammatischer Fall ist allen Satzgliedern gemeinsam:<br />

Um welchen Fall handelt es sich?<br />

1 L Genitiv<br />

N G<br />

Präpo-D<br />

15. «... das Zeichen zum Beginn des Wettkampfes ...» (Z. 19f.)<br />

Handelt es sich um ein Satzglied oder um mehrere? Begründe.<br />

1 L Ein Satzglied. Es handelt sich um ein ganz bestimmtes Zeichen => Startzeichen<br />

Grammatische Zeit / Wirkliche Zeit<br />

16. In welcher grammatischen Haupterzählzeit ist der Text geschrieben?<br />

▼<br />

▼<br />

N DO – – Präpo-D<br />

1 L Präteritum: Für längeres, zusammenhängendes Erzählen braucht man normalerweise das Präteritum.<br />

▼<br />

▼<br />

Präpo-D Präpo-D<br />

Präpo-D G<br />

N AO N AO


INTENSIVTRAINING SPRACHE: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

17. Warum steht Teilsatz a) nicht im Präteritum, Satz b) nicht im Präsens?<br />

a) «... als der säumige Murrkopf auch endlich die Schirmakazie umritten hatte, ...»<br />

(Z. 27f.)<br />

b) «Ich habe mir Gedanken um meine Nachfolge gemacht.» (Z. 5)<br />

1 L a) Vorzeitigkeit: Die Handlung ereignet sich vor einer anderen im Präteritum.<br />

b) Vorzeitigkeit: Die Handlung ereignet sich vor einer anderen im Präsens.<br />

18. Was wird in den unten stehenden Teilsätzen durch das Präsens ausgedrückt? Den entsprechenden<br />

Buchstaben herausschreiben.<br />

– eine allgemeingültige Aussage (A); – eine gegenwärtige Handlung (G)<br />

– eine vergangene Handlung (V); – eine zukünftige Handlung (Z)<br />

a) «... seht hier meinen Nachfolger.» (Z. 31)<br />

b) «Wessen Ochse nun die Akazie zuletzt erreicht ...» (Z. 10f.)<br />

c) «Es gibt nur eine Wahrheit, ...» (Z. 12)<br />

1 L a) G<br />

b) Z<br />

c) A<br />

Teilsätze / Satzzeichen; direkte / indirekte Rede<br />

19. Markiere die Teilsätze und setze die fehlenden Satzzeichen:<br />

«Aki hatte sich längst seinen Vorsprung gesichert und als der säumige Murrkopf auch endlich<br />

die Schirmakazie umritten hatte und erschöpft zu dem Palaverbaum zurückkehrte hob sein<br />

Vater der Häuptling gerade Akis Rechte im Angesicht der versammelten Krieger empor dass<br />

die Messingringe an seinem Arm sich klirrend bewegten.» (Z. 26ff.)<br />

1 L « Aki hatte sich längst seinen Vorsprung gesichert (,) und als der säumige Murrkopf auch endlich die<br />

Schirmakazie umritten hatte und erschöpft zu dem Palaverbaum zurückkehrte , hob sein Vater, der<br />

Häuptling, gerade Akis Rechte im Angesicht der versammelten Krieger empor , dass die Messingringe<br />

an seinem Arm sich klirrend bewegten . (Z. 25ff.)<br />

20. Verschiedene Möglichkeiten, die indirekte Rede wiederzugeben:<br />

a) Der Häuptling sagte, es gibt nur eine Wahrheit.<br />

b) Der Häuptling sagte, es gebe nur eine Wahrheit.<br />

c) Der Häuptling sagte, dass es nur eine Wahrheit gegeben habe.<br />

d) Der Häuptling sagte, dass es nur eine Wahrheit gibt.<br />

e) Der Häuptling sagte, dass es nur eine Wahrheit gebe.<br />

Welche Variante (a–e) ist die schlechteste? Begründe.<br />

Welche Variante (a–e) ist die üblichste?<br />

1 L Variante c, weil diese falsch ist. (Präsens wird in der indirekten Rede mit Konjunktiv I zum Präsens<br />

wiedergegeben.) Variante b oder e ist die üblichste.<br />

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INTENSIVTRAINING SPRACHE: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

21. «Ich versprach euch den Gewandtesten und Schlauesten von meinen Söhnen. Das ist Aki, ihr<br />

habt euch selbst überzeugt.» (Z. 31ff.)<br />

a) Setze obige Sätze in die indirekte Rede (Konjunktiv I).<br />

b) Wo deckt sich der Konjunktiv I mit dem Indikativ Präsens?<br />

1 L a) Er habe ihnen ... versprochen<br />

Das sei Aki, sie haben (hätten) sich selbst davon überzeugt.<br />

b) In der Form «sie haben».<br />

Aktiv / Passiv<br />

22. Handelt es sich im folgenden Satz von der Form her um einen Aktiv- oder einen Passiv-Satz?<br />

Begründe.<br />

«Er liess sich von seinen Söhnen Aki und Oki unter den Palaverbaum am Ausgang des Krals<br />

geleiten.» (Zeile 1f.)<br />

1 L Es handelt sich um einen Aktiv-Satz. (Der Satz hat aber auch einen «passivischen» Unterton: Der<br />

Häuptling wird vermutlich von Aki und Oki gestützt.)<br />

23. «... als man die beiden Buckelochsen brachte und das Zeichen zum Beginn des Wettkampfes<br />

gegeben wurde.» (Z. 19f.)<br />

a) Bestimme die grammatische Zeit des Passiv-Teilsatzes.<br />

b) Setze den Aktiv-Teilsatz ins Passiv, den Passiv-Teilsatz ins Aktiv.<br />

1 L a) Präteritum<br />

b) ... als die beiden Buckelochsen gebracht wurden und man das Zeichen zum Wettkampf gab.<br />

24. Konstruiere zwei Passiv-Sätze deiner Wahl, die zum Textzusammenhang passen und folgende<br />

Bedingungen erfüllen:<br />

Satz a): Werden-Passiv, Futur I<br />

Satz b): Sein-Passiv, Präteritum<br />

1 L Satz a): z.B.: Aki wird von seinem Bruder beschimpft werden.<br />

Satz b): z.B.: Akis Kampf war im Voraus gewonnen.


Vorschläge fürs Textschaffen<br />

Vorschlag 1:<br />

INTENSIVTRAINING SPRACHE: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Mit der Niederlage konnte sich Oki nicht abfinden. Erzürnt verliess er mit seinen Freunden das<br />

Dorf: «Heute gehe ich – als Verlierer, aber eines Tages werde ich zurückkehren und dann ...»<br />

Viele Jahre vergingen. Den Wettkampf und Oki hatte das Volk längst vergessen – verbannt in den<br />

hintersten Winkel der Erinnerungen. Nur hin und wieder finden solche Ereignisse ihren Weg<br />

zurück in die Welt des Alltags. Und eines Tages waren sie wieder da – auferstanden wie aus dem<br />

Nichts: Oki mit seinem Gefolge ...<br />

Erzähle, was sich dann ereignet hat.<br />

Vorschlag 2:<br />

Berichte über den Wettkampf zwischen Aki und Oki. Beachte dabei Folgendes: In deinem Text<br />

musst du drei Mal die Perspektive wechseln:<br />

– Beschreibe einen Teil aus der Sicht von Aki,<br />

– einen anderen aus der Sicht des Häuptlings,<br />

– einen dritten aus der Sicht eines einfachen Stammesangehörigen.<br />

Versuche die drei Perspektiven möglichst nahtlos in deinen Text einzubauen und v.a. Sinneswahrnehmungen<br />

zu beschreiben: was sehen, hören, fühlen, riechen etc. diese Menschen?<br />

Vorschlag 3:<br />

Auf dem Dorfplatz hat der alte Häuptling sein Volk versammelt. Bevor er die Insignien (Zeichen)<br />

der Macht an seinen Nachfolger, Aki, übergibt, wendet er sich in einer Abschiedsrede zum letzten<br />

Mal an sein Volk: «Es gibt nur eine Wahrheit, aber viele Wege, die dorthin führen ...»<br />

Versetze dich in die Lage des Häuptlings und verfasse eine kurze Rede. Anschliessend diese auf<br />

Tonband sprechen. Die Kassetten mit einem Mitschüler oder einer Mitschülerin tauschen, der/die<br />

die gleiche Aufgabe gelöst hat.<br />

Materialien<br />

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TAXFREE-SHOP FÜR SPRACHREISENDE: LESETEXT<br />

Die folgenden zwei Texte sind in der Coopzeitung Nr. 46 vom 12. November 1997 erschienen.<br />

Thema: Politik – Kinder machen mit<br />

Autor: Martin Lehmann<br />

Text 1: Früh übt sich …<br />

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Wer will, dass sich Jugendliche engagieren, muss sie frühzeitig in die Politik einbinden.<br />

Jugendparlamente bieten diese Möglichkeit.<br />

Mit 16 Jahren könnten sie in eine Jugendpartei eintreten, mit 18 an der Urne mitreden und für<br />

den Gemeinderat kandidieren.<br />

Sie könnten, aber sie tun’s nicht: Die Stimmbeteiligung der 18- bis 29-Jährigen liegt deutlich unter<br />

dem Durchschnitt. 60 Prozent der Jugendlichen geben an, kein Interesse an politischen Belangen<br />

zu haben, und die Mehrheit der übrigen 40 Prozent beteiligt sich trotzdem nicht.<br />

Die Gründe für die jugendliche Zurückhaltung gegenüber der etablierten Politik sind vielschichtig,<br />

das ergab eine Studie im Rahmen des Wettbewerbs Schweizer Jugend forscht: Der Polit-Betrieb ist<br />

den Jungen zu langsam, die Strukturen zu starr, Resultate kaum fassbar, die Themen zu komplex<br />

und unübersichtlich. Ausserdem haben viele Junge den Eindruck, doch nichts verändern zu können.<br />

Trotzdem ist den jungen Leuten nicht egal, was um sie herum passiert. Für zeitlich begrenzte, thematisch<br />

klar umrissene Projekte setzen sich Jugendliche nach wie vor ein: Sie engagieren sich an<br />

ihrem Wohnort für ein Jugendzentrum, sie unterschreiben eine Initiative für den Beitritt der<br />

Schweiz zur EU, sie spenden Geld für «Greenpeace».<br />

Wie könnte also diese erwiesenermassen aufmerksame Jugend vermehrt für die Teilnahme am politischen<br />

Leben gewonnen werden? Leo Brücker-Morok, Präsident der Eidgenössischen Kommission<br />

für Jugendfragen, sagt’s so: «Wer will, dass Jugendliche am politischen Leben partizipieren, muss<br />

bereits den Kindern ermöglichen, aktiv mitzuentscheiden!»<br />

Wer in den ersten 18 Jahren seines Lebens nie hat mitreden können, wird nicht von einem Tag auf<br />

den anderen seine demokratischen Rechte wahrnehmen. Langfristig könnten Jugendparlamente<br />

dieses Vakuum füllen.<br />

Seit Anfang der neunziger Jahre schiessen sie in den Gemeinden und Kantonen aus dem Boden.<br />

Landesweit gibt es heute 40 Jugendparlamente, 15 weitere sind geplant, insgesamt 1500 Jugendliche<br />

machen mit. In allen Jugendparlamenten wird projektbezogen gearbeitet, in den meisten verfügen<br />

die Jungen über eine Finanzkompetenz und in einzelnen ausserdem über ein Motionsrecht.<br />

«Derzeit ist eine unglaubliche Dynamik und Aufbruchstimmung spürbar», freut sich Martina<br />

Ludescher, Co-Präsidentin des 1995 gegründeten Dachverbandes Schweizer Jugendparlamente, der<br />

die verschiedenen Parlamente koordiniert.<br />

Ein politisches Bewusstsein schaffen<br />

Auf eidgenössischer Ebene finden seit 1991 Jugendsessionen statt: Jugendliche zwischen 14 und<br />

21 Jahren debattieren über aktuelle politische Themen, verabschieden Petitionen, geniessen ein<br />

ansehnliches Medienecho. Trotzdem lösen sie nur wenig Konkretes aus.<br />

Die Stärken der Jugendsessionen liegen denn auch weniger in der unmittelbaren Wirkung auf die<br />

hohe Politik als vielmehr darin, bei jungen Leuten ein politisches Bewusstsein zu schaffen.


Text 2: Wer den Affen hat, darf reden<br />

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TAXFREE-SHOP FÜR SPRACHREISENDE: LESETEXT<br />

«Wir haben uns sehr bemüht, die Pausenplätze attraktiver zu gestalten. Aber auch als Stadtpräsident<br />

kann man nicht zaubern», referiert Stadtpräsident Urs Studer. Dabei drückt er den zottigen<br />

Plüschtier-Affen mit der linken Hand an sich. Denn nur wer den Affen hat, darf reden. Der Stadtpräsident,<br />

der nicht zaubern kann, steht im Säli eines Luzerner Restaurants. Vor sich ein Glas Coci,<br />

eine Handvoll Chips, den Notizblock und eine aufmerksame, etwa 50-köpfige Kinderschar.<br />

Urs Studer legt vor dem Luzerner Kinderparlament Rechenschaft über sein erstes Amtsjahr ab: Er<br />

rühmt die kindergerechte Sanierung von Schulanlagen, verweist auf die Planung neuer Spielflächen<br />

und spricht von den Schwierigkeiten bei der Realisation von Radstreifen. Seinen Tätigkeitsbericht<br />

schliesst er mit dem Versprechen, sich auch in Zukunft für die Anliegen der Kinder einzusetzen.<br />

Die jungen Parlamentarierinnen und Parlamentarier nehmen die Ausführungen wohlwollend zur<br />

Kenntnis. «Er tut etwas, der Herr Studer!» Lucia jedenfalls findet, der «Stapi» nehme die Kinder<br />

ernst – besonders auch, weil er sich Zeit nimmt, die Sorgen und Wünsche der Buben und Mädchen<br />

anzuhören.<br />

Basil, der den Plüschaffen als Erster an sich reisst, bedauert, dass der holprige Asphaltbelag beim<br />

Felsberg-Schulhaus das Inline-Skaten verunmögliche. Tiziana beklagt sich über die viel zu kurze<br />

Grünphase beim Fussgängerstreifen im Quartier, und ihr Ratskollege will wissen, weshalb die Tempo-30-Zone<br />

exakt vor dem Moosmatt-Schulhaus ende.<br />

Urs Studer schreibt alles auf, fragt nach, verspricht, der Sache nachzugehen: «Ich schicke den<br />

Mann, der für die Signalisation zuständig ist, vorbei.» Oder: «Ich werde mich erkundigen, welche<br />

Überlegung hinter dem Entscheid stand.» Die Kinder wissen, dass das keine leeren Worte sind:<br />

Tatsächlich ist in der Ära Studer Spielraum entstanden, wurde ein Innenhof begrünt, ging eine monatelang<br />

gesperrte Wiese wieder auf.<br />

Das Luzerner Kinderparlament besteht seit 1993 und ist nach wie vor das einzige in der Schweiz.<br />

Die Kinder verfügen jährlich über 10 000 Franken, und in der revidierten Gemeindeordnung ist sogar<br />

ein Motionsrecht vorgesehen.<br />

Spätestens seit die Leuchtenstadt letztes Jahr den mit 20 000 Franken dotierten «Pestalozzi-Preis<br />

für kindergerechte Lebensräume» erhielt, werde das Kinderparlament ernst genommen, ist Walter<br />

Mathis überzeugt. Auch «Walty» ist eine einzigartige Institution: Er amtiert als Kinderbeauftragter<br />

der Stadt, initiierte das Buben- und Mädchenparlament und ist einer der Kämpfer für mehr Partizipation<br />

von Kindern: «Es geht nicht an, dass jener Teil der Bevölkerung, der von den Entscheiden<br />

am nachhaltigsten betroffen ist, nicht zu Wort kommt.» Dass Kinder jene Belange, die sie unmittelbar<br />

betreffen – Wohnumgebung, Verkehr, Spielplätze – kompetent beurteilen können, steht für<br />

ihn ausser Frage: «Kindern fällt vieles auf, was Erwachsene nicht sehen; sie wissen, was sie wollen.»<br />

(...)<br />

Materialien<br />

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TAXFREE-SHOP FÜR SPRACHREISENDE: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Fragen und Aufgaben zum Text<br />

11. Der Titel von Text 1 endet mit drei Auslassungspunkten. Schreibe eine sinnvolle Ergänzung.<br />

1 L Entsprechende Ergänzung; z.B. … wer es in der Politik zu etwas bringen will.<br />

12. Im Duden finden wir unter dem Stichwort «Urne» folgende Erklärung:<br />

«Behälter für Stimm- und Wahlzettel oder (Aschen)gefäss».<br />

Wie ist aber die Redewendung «... an der Urne mitreden» zu verstehen? (Z. 3)<br />

1 L Anlässlich einer Abstimmung seine Meinung kundtun; seine Stimme abgeben.<br />

13. Wie sind die folgenden Wörter/Teilsätze/Sätze zu verstehen?<br />

a) «Die Gründe für die jugendliche Zurückhaltung gegenüber der etablierten Politik sind<br />

vielschichtig, ...» (Z. 8)<br />

b) «Langfristig könnten Jugendparlamente dieses Vakuum füllen.» (Z. 22f.)<br />

c) «‹Derzeit ist eine unglaubliche Dynamik und Aufbruchstimmung spürbar, ...›» (Z. 28)<br />

d) «... geniessen ein ansehnliches Medienecho.» (Z. 34f.)<br />

e) «Die Stärken der Jugendsessionen liegen denn auch weniger in der unmittelbaren Wirkung<br />

auf die hohe Politik als vielmehr darin, bei jungen Leuten ein politisches Bewusstsein<br />

zu schaffen.» (Z. 36f.)<br />

1 L a) Etabliert = Fest verankert, seit langem so, anerkannt, schwer veränderbar, ...<br />

b Vakuum = Leere, unausgefüllter Raum. Hier: aktive Teilnahme am demokratischen Entscheidungsprozess<br />

(z.B. durch Jugendparlamente), bevor man 18 ist und das Recht hat, an die Urne<br />

zu gehen.<br />

c) In diesem Bereich ist vieles in Bewegung; es tut sich was. (Überall) macht man sich Gedanken<br />

und startet Projekte. Jugendparlamente (...) «schiessen (...) aus dem Boden».<br />

d) Medien: Radio, Fernsehen, Zeitung etc. Es wird in den Medien viel über die politischen Aktivitäten<br />

Jugendlicher berichtet.<br />

e) Was im Jugendparlament (hier konkret: Jugendsession im Bundeshaus) diskutiert und beschlossen<br />

wird, «löst nur wenig Konkretes» aus bei den «richtigen» Politikern. Wichtiger aber ist,<br />

dass Jugendliche sich mit politischen Inhalten auseinander setzen und ein Gespür für Politik<br />

bekommen.<br />

14. Nenne mindestens drei Gründe aus dem Text, warum sich Jugendliche für Politik nicht interessieren.<br />

1 L Gründe:<br />

– Der Polit-Betrieb ist den Jungen zu langsam.<br />

– Die Struktur ist zu starr.<br />

– Resultate sind kaum fassbar.<br />

– Die Themen sind zu komplex und unübersichtlich.<br />

– Eindruck, doch nichts verändern zu können.<br />

– Ungenügende Vorbereitung: Viele Kinder dürfen im Elternhaus nicht mitentscheiden.<br />

15. Wie ist im folgenden Teilsatz das «trotzdem» zu verstehen?<br />

«... und die Mehrheit der übrigen 40 Prozent beteiligt sich trotzdem nicht.» (Z. 7)<br />

1 L 60% der Jugendlichen interessieren sich nicht für Politik. Obwohl die restlichen 40% Interesse an politischen<br />

Inhalten hätte, engagiert sich davon nur eine Minderheit. (Gründe dafür: vgl. Aufgabe 4.)


TAXFREE-SHOP FÜR SPRACHREISENDE: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

16. Welche Bedingungen müssten gemäss dem Text erfüllt sein, damit sich Jugendliche engagieren<br />

würden?<br />

1 L Begründungen:<br />

– Zeitlich begrenzte Projekte<br />

– Thematisch klar umrissene Projekte<br />

– Anliegen der Kinder ernst nehmen<br />

– Vorbereitung auf die Demokratie schon zu Hause<br />

17. Macht der Text eine Aussage, inwieweit die Erziehung der Eltern einen Einfluss hat auf das<br />

politische Engagement Jugendlicher?<br />

1 L Ja. Vgl. Z. 19f: «Wer will, dass Jugendliche am politischen Leben partizipieren, muss bereits den Kindern<br />

ermöglichen, aktiv mitzuentscheiden.»<br />

18. Die Aussage (Z. 26f.): «In allen Jugendparlamenten wird projektbezogen gearbeitet, in den<br />

meisten verfügen die Jungen über eine Finanzkompetenz ...» hat in einer Schulklasse heftige<br />

Reaktionen ausgelöst, z.B. «Typisch, wenn’s ums Geld geht, dürfen nur die Jungs mitreden.»<br />

Ist diese Reaktion gerechtfertigt?<br />

1 L Missverständnis! Mit Jungen sind hier nicht «Jungs» (Knaben) gemeint, sondern Jugendliche.<br />

19. «‹Ich schicke den Mann, der für die Signalisation zuständig ist, vorbei.›» (Z. 55f.)<br />

Auf welche Aussage im Text nimmt hier Urs Studer Bezug?<br />

1 L Vgl. Z. 52f.: «Tiziana beklagt sich über die viel zu kurze Grünphase ...»<br />

Fragen und Aufgaben zur Sprachbetrachtung<br />

Grammatische Zeit / Wirkliche Zeit; Verb<br />

10. Bestimme in den folgenden Teilsätzen die grammatischen Zeiten.<br />

«Wer will, dass sich Jugendliche engagieren, muss sie frühzeitig in die Politik einbinden.<br />

(Z. 1)<br />

1 L 1. Präsens<br />

2. Präsens<br />

3. Präsens<br />

11. «..., mit 18 an der Urne mitreden und für den Gemeinderat kandidieren.» (Z. 3f.)<br />

Ein Schüler behauptet, es handle sich hier um Infinitiv-Teilsätze. Eine Schülerin hält entgegen,<br />

die Infinitive gehörten zum konjugierten Verb. Wer hat recht?<br />

1 L Die Schülerin: Die Infinitive gehören zum konjugierten Verb «sie könnten (...)». Aus stilistischen<br />

Gründen wird das konjugierte Verb hier nicht wiederholt.<br />

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TAXFREE-SHOP FÜR SPRACHREISENDE: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

12. «Die Gründe für die jugendliche Zurückhaltung (...) sind vielschichtig, das ergab eine Studie<br />

im Rahmen des Wettbewerbs Schweizer Jugend forscht: ...» (Z. 8f.)<br />

a) Warum wählt der Autor für den 1. Teilsatz das Präsens, für den 2. hingegen das Prä -<br />

teritum?<br />

b) Besteht der oben zitierte Satz aus zwei oder drei Teilsätzen? Eine Schülerin meinte:<br />

«Das ist doch klar: natürlich aus drei, der Satz hat ja drei konjugierte Verben.»<br />

Deine Meinung?<br />

1 L a) Teilsatz 1: Präsens = allgemeingültige Aussage; Teilsatz 2: Präteritum = vergangene Handlung<br />

b) Zwei Teilsätze: «forscht» ist hier nicht Teil eines eigenständigen Teilsatzes, sondern Teil des zitierten<br />

Titels «Schweizer Jugend forscht». Der Titel gehört zum Teilsatz mit «ergab».<br />

13. «Wer in den ersten 18 Jahren seines Lebens nie hat mitreden können, wird nicht von einem<br />

Tag auf den anderen seine demokratischen Rechte wahrnehmen.» (Z. 21f.)<br />

a) Bestimme die grammatischen Zeiten.<br />

b) Bestimme die wirklichen Zeiten.<br />

1 L a) Teilsatz 1: Perfekt; Teilsatz 2: Futur I<br />

b) Teilsatz 1: Vergangenheit; Teilsatz 2: Zukunft<br />

14. «‹Wir haben uns bemüht, die Pausenplätze attraktiver zu gestalten. Aber auch als Stadtpräsident<br />

kann man nicht zaubern›», ... (Z. 38f.)<br />

Würde der Sinn der Aussage ändern, wenn der 1. Satz (wie der 2.) auch im Präsens stünde?<br />

Erkläre.<br />

1 L Ja. Dann würde man mit den Bemühungen erst jetzt einsetzen.<br />

15. «‹Ich werde mich erkundigen, welche Überlegung hinter dem Entscheid stand.›» (Z. 56f.)<br />

Begründe: Welche andere grammatische Zeit könnte im 1. Teilsatz stehen? Bedingung: Die<br />

Aussage des Satzes darf nicht total verändert werden.<br />

1 L Präsens: würde hier auch als zukünftige Handlung verstanden.<br />

16. «Tatsächlich ist in der Ära Studer Spielraum entstanden, wurde ein Innenhof begrünt, ging<br />

eine monatelang gesperrte Wiese wieder auf.» (Z. 58f.)<br />

Ist die Auswahl der grammatischen Zeiten hier korrekt? Begründe.<br />

1 L Ja. Das Zeitengefüge ist bezüglich der gewünschten Aussage korrekt (vergangene Handlungen):<br />

1.1: Perfekt (möglich wäre auch ein Präteritum); 1.2: Präteritum (Vorgangspassiv); 1.3: Präteritum.<br />

Direkte / Indirekte Rede; Konjunktiv I / Konjunktiv II<br />

17. «Der Politbetrieb ist den Jungen zu langsam, die Strukturen zu starr, (...). Ausserdem haben<br />

viele Junge den Eindruck, doch nichts verändern zu können.» (Z. 9ff.)<br />

Handelt es sich hier um direkte Rede oder nicht? Und müssten dann die Sätze im Originaltext<br />

nicht mit Anführungs- und Schlusszeichen markiert werden oder der Text in der indirekten<br />

Rede stehen? Erkläre.


TAXFREE-SHOP FÜR SPRACHREISENDE: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

1 L Nicht direkte Rede, sondern Zitat aus einer Studie. Allerdings zusammenfassend wiedergegeben (nicht<br />

wörtliche Übernahme), also keine Redezeichen.<br />

18. «Lucia jedenfalls findet, der ‹Stapi› nehme die Kinder ernst – besonders auch, weil er sich Zeit<br />

nimmt, die Sorgen und Wünsche der Buben und Mädchen anzuhören.» (Z. 48ff.)<br />

Müsste das zweite unterstrichene Verb nicht «nehme» heissen. Begründe.<br />

1 L «Nehme»: Durch die indirekte Wiedergabe signalisiert der Autor: Lucia hat die Aussage so gemacht.<br />

«Nimmt» müsste auch im Konjunktiv I stehen, wenn die Begründung «– besonders auch ...» ebenfalls<br />

von Lucia stammt (was hier anzunehmen ist).<br />

19. «Basil, der den Plüschaffen als Erster an sich reisst, bedauert, dass der holprige Asphaltbelag<br />

beim Felsberg-Schulhaus das Inline-Skaten verunmögliche. Tiziana beklagt sich über die viel<br />

zu kurze Grünphase beim Fussgängerstreifen im Quartier, und ihr Ratskollege will wissen,<br />

weshalb die Tempo-30-Zone exakt vor dem Moosmatt-Schulhaus ende.»<br />

(Z. 51ff.)<br />

Verändere die Sätze so, dass sie in direkter Rede stehen. Beachte: Die Satzstruktur darf dabei<br />

verändert werden. Die Aussage der Originalsätze dagegen nicht.<br />

1 L Übersetzungen in die direkte Rede:<br />

Basil bedauert: «Der holprige Asphaltbelag (...) verunmöglicht (...)»<br />

Tiziana beklagt sich: «Die Grünphase (...) ist viel zu kurz.»<br />

Ihr Ratskollege will wissen: «Weshalb endet (...)»<br />

20. «Ich werde mich erkundigen, welche Überlegung hinter dem Entscheid stand.» (Z. 56f.)<br />

Setze den Satz in die indirekte Rede.<br />

1 L Er werde sich erkundigen, welche Überlegungen hinter dem Entscheid gestanden haben (hätten).<br />

21. Was bewirke ich bei den Lesenden, wenn ich Aussagen in direkter Rede wiedergebe?<br />

1 L Die Aussagen wirken authentischer, unmittelbarer. (Allerdings müssen beim Entscheid «direkt/indirekt»<br />

immer auch stilistische Überlegungen berücksichtigt werden.)<br />

22. «Wie könnte also diese erwiesenermassen aufmerksame Jugend vermehrt für die Teilnahme<br />

am politischen Leben gewonnen werden?» (Z. 17f.)<br />

Was verändert sich inhaltlich, wenn ich «könnte» durch «kann» ersetze?<br />

1 L «Könnte»: etwas Vorgestelltes, Gedachtes; «kann»: wirklich, verbindlicher.<br />

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TAXFREE-SHOP FÜR SPRACHREISENDE: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Vorschläge fürs Textschaffen<br />

Vorschlag 1:<br />

Stell dir vor, du wirkst in einem Jugendparlament deiner Region mit und hast die Aufgabe, im Namen<br />

dieses Parlamentes dem Regierungsrat deines Kantons die Anliegen und Wünsche der Jugendlichen<br />

in einem Schreiben darzulegen.<br />

Vorschlag 2:<br />

Über Chancen und Grenzen solcher Jugendparlamente.<br />

Gefragt ist dein Standpunkt! Aber nicht nur Behauptungen und Meinungen aufstellen. Zu einem<br />

guten Argument gehören immer auch anschauliche Begründungen und Erläuterungen.<br />

Vorschlag 3:<br />

Besorge dir eine aktuelle Tageszeitung. Entscheide dich für einen Bericht aus dem politischen Geschehen<br />

– einer, der dich betroffen macht: erfreut, verärgert etc. Schneide ihn heraus und schreibe<br />

in Form eines Leserbriefes eine Reaktion auf diesen Bericht.<br />

Den Original-Zeitungsbericht und deinen Leserbrief an einen interessierten Schüler /eine interessierte<br />

Schülerin weiterreichen. Gemeinsame kurze Diskussion zum Thema.


TIEFSEETAUCHEN IM «MEHR DER SPRACHE»: LESETEXT<br />

Lieber Täterin als Opfer<br />

Neunzig Prozent aller jugendlichen Gewalttäter sind männlich. Doch auch unter Mädchen<br />

kommen brutale Schlägereien, Nötigungen und Erpressung vor.<br />

Udo Theiss (aus: «Brückenbauer» 35, 27. August 1997)<br />

• In den Zeilen 58 bis 63 fehlen die Satzzeichen. (Vgl. Aufgabe 22.)<br />

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Im letzten Jahr brach für die Mutter der 15-jährigen Sabrina K. eine Welt zusammen. Im Januar<br />

wurde gegen ihre Tochter Strafklage eingereicht, weil Sabrina gemeinsam mit drei Kolleginnen eine<br />

Mitschülerin auf brutale Art zusammengeschlagen hatte. Als die allein erziehende Mutter den<br />

ersten Schock überwunden hatte, kam ihr eine weitere Hiobsbotschaft zu Ohren: ihre Tochter sei<br />

wiederholt beim Ladendiebstahl ertappt worden. Sabrina wurde angedroht, sie müsse die Schule<br />

verlassen und werde in ein Heim gesteckt. Ihre Mutter war völlig verzweifelt.<br />

Sabrina ist erschrocken über die Konsequenzen ihres Treibens, doch die Aufregung versteht sie<br />

nicht ganz. Schlägereien, bei denen Blut fliesst, findet sie auch unter Mädchen «völlig normal».<br />

Dass es so weit kam, kann Sabrina nicht recht nachvollziehen.<br />

«Angefangen hat es, als ich in eine neue Schule eintrat. Ich hatte das Gefühl, von vornherein klar<br />

durchgeben zu müssen, dass man sich mit mir besser nicht anlegt», erklärt sie. «Als mich dann eine<br />

Mitschülerin ‹blöde Kuh› nannte, haute ich ihr eine runter. Seitdem verhalten sich alle sehr res<br />

pektvoll mir gegenüber.»<br />

Mit der Zeit habe sie gemerkt, dass man mit Schlägen wirklich etwas erreiche. «Das ist bei den<br />

Jungs auch so. Wenn die anderen Angst vor dir haben, sind sie nett zu dir, auch wenn du sonst<br />

nichts zu bieten hast», begründet Sabrina. Gewalt gehört für sie zum Alltag. Wer nicht Opfer sein<br />

will, glaubt sie, muss eben Täterin sein.<br />

Gemäss Polizeistatistik sind nur zehn Prozent aller jugendlichen Gewalttätigen weiblich. Obwohl zu<br />

Beginn des Sommers Meldungen durch die Presse geisterten, Mädchengangs hätten in Zürich bandenmässig<br />

Einbrüche begangen und eine ältere Frau zusammengeschlagen, kann von einer mengenmässigen<br />

Zunahme der Mädchengewalt nicht die Rede sein. Laut Barbara Schellenberg, zuständige<br />

Jugendanwältin im Bezirk Dietikon, ist der Zürcher Jugendanwaltschaft lediglich eine einzige<br />

Mädchenbande bekannt. Der Anteil der verurteilten Mädchen in Zürich sei zwar in den letzten Jahren<br />

um zwei auf 15 Prozent gestiegen. 1985 lag dieser Anteil aber mit 17 Prozent höher.<br />

Mädchen werden brutaler<br />

Auch Mathias Gysel, Projektleiter im «Phoenix», einer sozialpädagogischen Wohngruppe für Drogen<br />

konsumierende Kinder und Jugendliche, bezweifelt, dass solche Delikte quantitativ zunehmen. «Ich<br />

habe das Gefühl, dass man einfach mehr darüber hört.» Aber er beobachtet bei seiner Arbeit, dass<br />

auch bei Mädchen die Brutalität zunimmt.<br />

Die Motive sind absolut identisch mit denen, die gewalttätige Jungen im Allgemeinen angeben: Sie<br />

versuchen mit dem Mittel der Gewalt Respekt oder einen gewissen sozialen Status zu erwerben und<br />

Aufmerksamkeit zu erregen – allerdings gehen Mädchen laut Gysel dabei längst nicht so weit wie<br />

Jungs.<br />

«Gewalttätige Jungs sehen sehr oft einfach keine Grenze, schlagen noch zu, wenn der Gegner bereits<br />

am Boden liegt. Mir scheint, dass die Mädchen auch in Extremsituationen die Folgen ihrer<br />

Handlungen nie ganz aus den Augen verlieren und sich generell besser in die Opfer einfühlen können.»<br />

Hinter Gewalttätigkeit, so Gysel, steckt oft sehr grosse Angst. «Durch den Leistungsdruck in der<br />

Schule, den ungeheuren Zwang, schon als Kind mit teuren Kleidern einen sozialen Status zur Schau<br />

stellen zu müssen, und den Dauerstress, völlig unrealistischen Schönheitsidealen zu entsprechen,<br />

haben die Mädchen unheimliche Angst, nichts zu können und nichts zu sein. Die meisten Mädchen<br />

werden angesichts des Drucks depressiv oder nehmen Drogen. Aber manche richten ihren Zerstö -<br />

rungstrieb wie die Jungen nach aussen.»<br />

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TIEFSEETAUCHEN IM «MEHR DER SPRACHE»: LESETEXT<br />

Claudia und Gianna, beide 14-jährig, hatten zusammen mit anderen Mädchen regelmässig von Mitschülerinnen<br />

Geld erpresst, Ladendiebstähle und Sachbeschädigungen begangen. Die Polizei beschlagnahmte<br />

bei den Mädchen ein Schmetterlingsmesser, verschiedene Schlagwaffen und eine Tränengaspistole.<br />

Nach aussen hin gaben sich die beiden Mädchen wie abgebrühte Gangsterbräute. Bei<br />

Gesprächen mit einer Kinderpsychologin stellte sich heraus, dass sie in Wahrheit zutiefst verunsichert<br />

und ängstlich waren.<br />

Angst, nichts wert zu sein<br />

Claudia ist ein Scheidungskind, Giannas Vater Alkoholiker. Beide Mädchen stammen aus eher ärmlichen<br />

Verhältnissen. Auf legalem Weg war es für sie unmöglich, teure Kleider und Statussymbole<br />

zu beschaffen, ohne die man auf Schweizer Schulhöfen offenbar zu Aussenseitern wird. Ursache für<br />

die meisten Delikte der beiden war die Angst, nicht dazuzugehören, nichts wert und nicht beliebt<br />

zu sein.<br />

Katrin Kleiner Leiterin der Stiftung Hirslanden einer sozialpädagogischen Einrichtung für Mädchen<br />

und junge Frauen in Zürich sieht nicht ein warum die ständig wachsende Gewaltbereitschaft in unserer<br />

Gesellschaft spurlos an den Mädchen vorbeigehen sollte dennoch seien Mädchen die Aggressionen<br />

nach aussen richten eine verschwindende Minderheit in aller Regel finden wir Mädchen in<br />

der Opferrolle im Gegensatz zu Jungen neigen Mädchen die selbst Opfer von Gewalttaten wurden<br />

meistens nicht zu Gewalttätigkeit sondern reagieren eher depressiv.<br />

Komplexe Hierarchien<br />

Körperliche Stärke sei bei Mädchen normalerweise kein Statussymbol. Während in der Hierarchie<br />

unter Jungen der entscheidende Faktor ist, ob man sich durchsetzen kann oder nicht, sind<br />

Mädchenhierarchien weit komplexer. Da spielt Schönheit eine Rolle, da können Erfahrungen oder<br />

auch Hilfsbereitschaft wichtig sein. «Ausserdem ist bei Gewalttätigkeit unter Mädchen fast immer<br />

konkrete Streiterei die Ursache. Dass grundlos jemand zusammengeschlagen wird, wie es bei Jungen<br />

der Fall ist, kommt bei Mädchen kaum vor.»<br />

Die Erklärungen für das unterschiedliche Verhalten von Mädchen und Jungen sind vage. Gewalttätigkeit<br />

bei Jungen wird mit dem immer härteren sozialen Klima, dem Leistungsdruck, den Angstund<br />

Ohnmachtsgefühlen angesichts der verbreiteten Weltuntergangsstimmung erklärt.<br />

Aber auch Identitätsprobleme, die Anonymität der Städte und problematische Familienverhältnisse<br />

sowie der Einfluss der Medien spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Doch auch Mädchen sind<br />

all diesen Faktoren ausgesetzt. Probleme wie Lehrstellenmangel oder Gewalt in der Familie treffen<br />

Mädchen nach übereinstimmender Meinung von Experten weit häufiger als Jungen.<br />

So gesehen ist es weniger verwunderlich, dass auch unter Mädchen Gewaltakte vorkommen. Wir<br />

können vielmehr von Glück reden, dass bei uns nicht mehr passiert. In den USA sind schwer bewaffnete,<br />

kriminelle Mädchengangs schon lange keine Seltenheit mehr.


TIEFSEETAUCHEN IM «MEHR DER SPRACHE»: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Fragen und Aufgaben zum Text<br />

11. Welche Absicht verfolgt der Autor mit diesem Text?<br />

1 L Sachinformation: Unter jugendlichen Gewalttätern gibt es auch Mädchen (Aussagen werden durch<br />

Fallbeispiele belegt); Aufklärung (Analyse): Welches sind die Gründe/Motive, warum Mädchen (und<br />

Knaben) gewalttätig werden; Appell an Lesende (wenigstens implizit): sich Massnahmen überlegen,<br />

Gewalt einzudämmen.<br />

12. Wer könnte der Adressat dieses Textes sein?<br />

1 L Der Autor hat diesen Artikel für den «Brückenbauer» der Migros geschrieben. (Der «Brückenbauer»<br />

ist eine Gratiszeitung mit relativ hohem Verbreitungsgrad. Er informiert die Kundschaft über aktuelle<br />

Angebote. Dazwischen eingebettet sind Themen aus Gesellschaft, Politik etc.) Der Artikel richtet sich<br />

also an Erwachsene («Durchschnittsbürger»).<br />

13. Erkläre den Titel der Geschichte.<br />

1 L Der Titel nimmt Bezug auf eine Aussage im Text, Zeile 17f. «Wer nicht Opfer sein will, glaubt sie (Sabrina),<br />

muss eben Täterin sein.»<br />

Sabrina meint damit, entweder gehöre man zur Gruppe der Opfer oder zu derjenigen der Täter. Wenn<br />

man die Wahl hat, dann lieber Täterin als Opfer.<br />

Es handelt sich hier natürlich um eine ganz persönliche Ansicht Sabrinas.<br />

14. Erkläre folgende Textstellen:<br />

a) «..., kam ihr eine weitere Hiobsbotschaft zu Ohren: ...» (Z. 4)<br />

b) «... über die Konsequenzen ihres Treibens, ...» (Z. 7)<br />

c) «..., kann Sabrina nicht recht nachvollziehen.» (Z. 9)<br />

d) «Körperliche Stärke sei bei Mädchen normalerweise kein Statussymbol.» (Z. 66)<br />

1 L a) Schlechte Nachricht<br />

b) Folgen ihres Treibens<br />

c) ... kann Sabrina nicht verstehen, begreifen<br />

d) Physisch kräftig sein ist unter Mädchen keine besondere Qualität; gesellschaftlich gesehen für<br />

Mädchen nicht bedeutungsvoll.<br />

15. Im Untertitel hält der Autor fest: «Neunzig Prozent aller jugendlichen Gewalttäter sind männlich.»<br />

Findet sich im Text eine Stelle, die Leserinnen und Leser aufklärt, woher der Autor diese<br />

Information hat? Wenn ja: schreibe sie heraus.<br />

1 L «Gemäss Polizeistatistik sind nur zehn Prozent aller jugendlichen Gewalttätigen weiblich.» (Z. 19)<br />

16. Beispiel Zürich: Ist der Anteil gewalttätiger Mädchen im Vergleich zu früher (= vor 1997!) gestiegen?<br />

1 L Eigentlich nicht; im Gegenteil: 1995 = 13%; 1997 = 15%; aber 1985 = 17%. Vgl. Zeile 23f.<br />

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TIEFSEETAUCHEN IM «MEHR DER SPRACHE»: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

17. Verwirrende Aussagen?<br />

a) «... bezweifelt, dass solche Delikte quantitativ zunehmen.» (Z. 28)<br />

«Aber er beobachtet bei seiner Arbeit, dass auch bei Mädchen die Brutalität zunimmt.»<br />

(Z. 29f.)<br />

Schliessen sich diese beiden Aussagen nicht aus? Erkläre.<br />

b) «Gemäss Polizeistatistik sind nur zehn Prozent aller jugendlichen Gewalttätigen weiblich.»<br />

(Z. 18)<br />

«Der Anteil der verurteilten Mädchen in Zürich sei zwar in den letzten Jahren ... auf 15<br />

Prozent gestiegen.» (Z. 23f.)<br />

Wie sind die beiden Aussagen zu verstehen? Einerseits spricht man von 10, dann aber<br />

von 15 Prozent.<br />

c) «Die Motive sind absolut identisch mit denen, die gewalttätige Jungen im Allgemeinen<br />

angeben: ...» (Z. 31)<br />

«Die Erklärungen für das unterschiedliche Verhalten von Mädchen und Jungen sind vage.»<br />

(Z. 72)<br />

Stehen diesen beiden Aussagen nicht im Widerspruch zueinander: «identisch» / «unterschiedlich»?<br />

Wie verstehst du das?<br />

1 L a) Gewalttaten, verübt durch Mädchen, nehmen nicht zu – die Brutalität hingegen nimmt zu. Dies<br />

muss nicht unbedingt ein Widerspruch sein, wenn man meint: die Intensität der Brutalität, also<br />

brutalere Gewalttaten.<br />

b) Die beiden Aussagen vertragen sich so wirklich schlecht. Mögliche Erklärung: Die 10% beziehen<br />

sich auf eine (gesamtschweizerische?) Polizeistatistik; die 15% hingegen beziehen sich auf<br />

verurteilte Mädchen in Zürich. Es ist durchaus vorstellbar, dass in den grösseren Städten die<br />

Kriminalitätsrate höher ist als im schweizerischen Durchschnitt.<br />

c) Zitat 1: Motive = Gründe, warum Jungs Gewalttaten ausüben; identisch = Jungen und<br />

Mädchen haben die gleichen Gründe. (Vgl. auch Z. 72–78.)<br />

Zitat 2: Mädchen und Jungen haben zwar die gleichen Motive für Gewalttätigkeit (sie wollen<br />

sich Respekt verschaffen, Aufmerksamkeit erregen – vgl. Z. 31ff.). Sie verhalten sich aber in<br />

Konfliktsituationen unterschiedlich: Mädchen «gehen nicht so weit wie Jungen» (Z. 33f.). Sie<br />

schlagen andere nicht grundlos zusammen (Z. 70f.).<br />

Insofern besteht zwischen Zitat 1 und Zitat 2 kein offener Widerspruch. Trotzdem gibt der Autor<br />

in den Zeilen 72–81 keine Erklärungen über das «unterschiedliche Verhalten» ab, sondern<br />

wiederholt, weshalb Jungen zu Gewalttätigkeiten neigen. (Aber für Mädchen gilt ja das Gleiche,<br />

weshalb auch unter Mädchen Gewaltakte vorkommen.)<br />

Hier ist der Autor nicht präzise (vielleicht weil er die Erklärung gar nicht kennt), deshalb schleichen<br />

sich in dieser Passage auch leicht Missverständnisse ein.<br />

18. Nenne aus dem Text einige Gründe, warum Mädchen gewalttätig werden?<br />

1 L Respekt, sozialer Status, Aufmerksamkeit erregen (Z. 32f.); Leistungsdruck in der Schule, teure Kleider<br />

tragen müssen, Schönheitsidealen entsprechen (Z. 39ff.); konkrete Streiterei (Z. 71ff.); Identitätsprobleme,<br />

Anonymität der Städte, problematische Familienverhältnisse, Einfluss der Medien, Lehrstellenmangel,<br />

Gewalt in der Familie (Z. 79ff.)<br />

19. Eine Schülerin äusserte sich bei der Diskussion über Gewalt in der Schule: «Wenn Jungs rot<br />

sehen, dann drehen sie oft total durch; Mädchen rasten auch aus, haben sich aber in dieser<br />

Situation noch irgendwie im Griff.»<br />

Findest du im Text eine Stelle, die diese Äusserung belegt? Wenn ja: zitiere.<br />

1 L Die Aussage der Schülerin kann durch folgende Textstelle belegt werden: «Gewalttätige Jungs sehen<br />

sehr oft einfach keine Grenze, schlagen noch zu, wenn der Gegner bereits am Boden liegt. Mir


TIEFSEETAUCHEN IM «MEHR DER SPRACHE»: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

scheint, dass die Mädchen auch in Extremsituationen die Folgen ihrer Handlungen nie ganz aus den<br />

Augen verlieren und sich generell besser in die Opfer einfühlen können.» (Z. 35ff.)<br />

10. Erstelle eine Disposition des Textes, also eine Art «Inhaltsverzeichnis». Wie ist der Text gebaut:<br />

stichwortartig darstellen.<br />

1 L Mögliche Disposition:<br />

– Einführung: Beispiel 1 «Sabrina»<br />

– Von der speziellen Situation (Sabrina) zur allgemeinen Lage (CH/ZH)<br />

– Einschätzung 1: Stellungnahme eines Spezialisten (M. Gysel)<br />

– Beispiel 2 «Claudia und Gianna»<br />

– Einschätzung 2: Stellungnahme einer Spezialistin (K. Leitner)<br />

– Erklärungen für unterschiedliche Verhaltensweisen<br />

– Situation im Ausland<br />

11. Wie schätzst du die Gewaltbereitschaft in deiner Klasse ein? Evtl. mit konkreten Beispielen<br />

dokumentieren.<br />

1 L Unterschiedliche Antworten<br />

Fragen und Aufgaben zur Sprachbetrachtung<br />

Grammatische Zeit / Wirkliche Zeit<br />

12. Bestimme in den Zeilen 1 «Im letzten Jahr brach ...» bis 4 «... zu Ohren» und Zeilen 8<br />

«Schlägereien, ...» bis 13 «... mir gegenüber» die grammatische Zeit und begründe, warum<br />

der Autor diese Zeit gewählt hat. Tabellarisch wie folgt darstellen:<br />

1 L<br />

Vollständige Verbform Grammatische Zeit Begründung<br />

brach ... zusammen Präteritum Vergangenheit<br />

Vollständige Verbform Grammatische Zeit Begründung<br />

brach ... zusammen Präteritum Vergangenheit<br />

wurde … eingereicht Präteritum; Passiv Vergangenheit<br />

zusammengeschlagen hatte Plusquamperfekt Vergangenheit (Vorzeitigkeit)<br />

überwunden hatte Plusquamperfekt Vergangenheit (Vorzeitigkeit)<br />

kam Präteritum Vergangenheit<br />

fliesst Präsens Gegenwart<br />

findet Präsens Gegenwart<br />

kam Präteritum Vergangenheit<br />

kann … nachvollziehen Präsens Gegenwart<br />

Angefangen … hat Perfekt Vergangenheit<br />

hatte Präteritum Vergangenheit<br />

anlegt Präsens Gegenwart<br />

erklärt Präsens Gegenwart<br />

nannte Präteritum Vergangenheit<br />

haute Präteritum Vergangenheit<br />

verhalten Präsens Gegenwart<br />

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TIEFSEETAUCHEN IM «MEHR DER SPRACHE»: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

13. «..., dass auch bei Mädchen die Brutalität zunimmt.» (Z. 29f.)<br />

Wäre es möglich, hier ein Perfekt zu setzen, ohne die Aussage zu verändern? Begründe.<br />

1 L Nein. Die Aussage würde dann verändert: Perfekt = Vergangenheit, also «etwas ist bereits geschehen».<br />

Im Original aber wird Gegenwärtiges, sogar Zukünftiges ausgedrückt.<br />

14. Wann setzt man in der Regel ein Plusquamperfekt? Erkläre und belege mit einem Zitat aus<br />

dem Text.<br />

1 L Mit dem Plusquamperfekt markiert man Vorzeitigkeit: Handlungen, die sich vor anderen Handlungen<br />

in der Vergangenheit ereignet haben.<br />

Beispiel Zeile 45ff.: «Claudia und Gianna (...) hatten (...) erpresst, (hatten) Ladendiebstähle und Sachbeschädigungen<br />

begangen (Plusquamperfekt). Die Polizei beschlagnahmte bei den Mädchen (Präteritum)<br />

...<br />

Direkte / Indirekte Rede; Konjunktiv I / Konjunktiv II<br />

15. Bestimme die Konjunktivformen so genau wie möglich:<br />

a) «Mit der Zeit habe sie gemerkt, dass man mit Schlägen wirklich etwas erreiche.»<br />

(Z. 14)<br />

b) «..., Mädchengangs hätten in Zürich bandenmässig Einbrüche begangen ...»<br />

(Z. 19f.)<br />

c) «Der Anteil der verurteilten Mädchen in Zürich sei ... gestiegen.» (Z. 23f.)<br />

1 L a) ... habe ... gemerkt = Konjunktiv I zum Perfekt<br />

... erreiche = Konjunktiv I zum Präsens<br />

b) ... hätten ... begangen = Konjunktiv II zum Perfekt<br />

(Eigentlich müsste es heissen «haben ... begangen». Weil aber der Indikativ gleich lautet wie<br />

der Konjunktiv I, wechselt man zum Konjunktiv II.)<br />

c) ... sei ... gestiegen = Konjunktiv I zum Perfekt<br />

16. a) Was drücke ich aus, wenn ich eine Aussage im Konjunktiv I (also indirekt) wieder gebe?<br />

b) Schreibe zwei Teilsätze aus dem Text, die im Konjunktiv I stehen, und übersetze diese in<br />

die direkte Rede.<br />

1 L a) Es handelt sich nicht um persönliche Aussagen des Schreibers. Man deklariert damit: Das haben<br />

andere gesagt. (Im Gegensatz zur direkten Rede kann man in der indirekten Rede eine Aussage<br />

auch zusammenfassend wiedergeben.)<br />

b) Unterschiedliche Antworten<br />

17. Im Indikativ stehen mir drei Vergangenheitszeitformen zur Verfügung: Präteritum, Plusquamperfekt<br />

und Perfekt; im Konjunktiv I lediglich eine Form: Konjunktiv I zum Perfekt. Wie schaffe<br />

ich da die «Übersetzung» von der direkten zur indirekten Rede?<br />

Wähle einen Beispielsatz in direkter Rede (der zum Thema passt). Setze ihn in die drei Vergangenheitszeitformen<br />

des Indikativs und übersetze anschliessend in indirekte Rede.<br />

1 L Sämtliche Vergangenheitszeitformen des Indikativs (Präteritum, Perfekt, Plusquamperfekt) werden in<br />

der indirekten Rede im Konjunktiv I zum Perfekt wiedergegeben.<br />

Beispiel:<br />

Er berichtet: «Das Mädchen schlug mich!»


TIEFSEETAUCHEN IM «MEHR DER SPRACHE»: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Er berichtet: «Das Mädchen hat mich zusammengeschlagen!»<br />

Er berichtet: «Das Mädchen hatte mich zusammengeschlagen!<br />

Alle drei Sätze werden indirekt wie folgt wiedergegeben:<br />

Er berichtet, das Mädchen habe ihn zusammengeschlagen.<br />

18. «Körperliche Stärke sei bei Mädchen normalerweise kein Statussymbol. Während in der Hie -<br />

rarchie unter Jungen der entscheidende Faktor ist, ob man sich durchsetzen kann oder nicht,<br />

sind Mädchenhierarchien weit komplexer.» (Z. 66ff.)<br />

Der erste Satz steht im Konjunktiv I, also in indirekter Rede. Wäre es falsch, den folgenden<br />

Satz auch in den Konjunktiv zu setzen? Begründe.<br />

1 L Der folgende Satz kann auch im Konjunktiv I stehen, da hier die Aussage eines anderen wiedergegeben<br />

wird. Eigentlich wäre es sogar korrekter, Konjunktiv I zu setzen. Wahrscheinlich hat sich der Autor<br />

aus stilistischen Gründen für Indikativ entschieden.<br />

19. «‹Gewalttätige Jungs sehen sehr oft einfach keine Grenze, schlagen noch zu, wenn der Gegner<br />

bereits am Boden liegt. Mir scheint, dass die Mädchen auch in Extremsituationen die Folgen<br />

ihrer Handlungen nie ganz aus den Augen verlieren und sich generell besser in die Opfer<br />

einfühlen können.›» (Z. 35ff.)<br />

a) Gib den Satz in indirekter Rede wieder.<br />

b) Wäre es auch möglich, im Originaltext den Satz indirekt wiederzugeben? Begründe.<br />

1 L a) Gewalttätige Jungs sähen (sehen) sehr oft keine Grenzen, schlügen (schlagen) noch zu, wenn<br />

der Gegner bereits am Boden liege. Ihm scheine, dass Mädchen auch in Extremsituationen die<br />

Folgen ihrer Handlungen nie ganz aus den Augen verlieren würden (verlören / verlieren) und<br />

sich generell besser in die Opfer einfühlen könnten (können).<br />

(Bemerkung: Immer dort, wo die Konjunktiv I-Form identisch ist mit dem Indikativ, sollte man<br />

in den Konjunktiv II wechseln; veraltete Formen durch die Zweiwort-Form ersetzen.)<br />

b) Möglich! Stilistisch aber weit schwerfälliger, v.a. mit Konjunktiv II-Formen, und in der indirekten<br />

Version inhaltlich weniger verbindlich und authentisch als in der direkten.<br />

Satzglieder<br />

20. Um die grammatischen Fälle von Satzgliedern zu bestimmen, arbeitet man im Zweifelsfalle<br />

mit der Ersatzprobe. Kannst du erklären, warum man dabei das zu bestimmende Wort (Satzglied)<br />

durch ein männliches Nomen im Singular ersetzt?<br />

Tipp: Nimm je ein männliches, weibliches und ein sächliches Nomen und fülle unten stehende<br />

Tabelle aus. Was fällt auf?<br />

Singular männlich weiblich sächlich<br />

Nominativ der … … … … …<br />

Genitiv … … der … … …<br />

Dativ … … … … dem…<br />

Akkusativ … … … … … …<br />

Plural männlich weiblich sächlich<br />

Nominativ die … … … … …<br />

Genitiv … … der … … …<br />

Dativ … … … … den …<br />

Akkusativ … … … … … …<br />

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TIEFSEETAUCHEN IM «MEHR DER SPRACHE»: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

1 L<br />

Singular männlich weiblich sächlich<br />

Nominativ der Mann die Frau das Mädchen<br />

Genitiv des Mannes der Frau des Mädchens<br />

Dativ dem Mann der Frau dem Mädchen<br />

Akkusativ den Mann die Frau das Mädchen<br />

Plural männlich weiblich sächlich<br />

Nominativ die Männer die Frauen die Mädchen<br />

Genitiv der Männer der Frauen der Mädchen<br />

Dativ den Männern der Frauen den Mädchen<br />

Akkusativ die Männer die Frauen die Mädchen<br />

Bei den männlichen Nomen im Singular lässt sich an den unterschiedlichen Artikeln (der, des, dem,<br />

den) der grammatische Fall am einfachsten bestimmen.<br />

21. Schreibe aus dem Text zwei Sätze und benenne die grammatischen Fälle.<br />

1 L Unterschiedliche Lösungen.<br />

Satzzeichen<br />

22. Schreibe den Text Zeile 58 bis 63 ab und setze alle fehlenden Satzzeichen.<br />

1 L Katrin Kleiner, Leiterin der Stiftung Hirslanden, einer sozialpädagogischen Einrichtung für Mädchen<br />

und junge Frauen in Zürich, sieht nicht ein, warum die ständig wachsende Gewaltbereitschaft in unserer<br />

Gesellschaft spurlos an den Mädchen vorbeigehen sollte. Dennoch seien Mädchen, die Aggressionen<br />

nach aussen richten, eine verschwindende Minderheit. In aller Regel finden wir Mädchen in<br />

der Opferrolle. Im Gegensatz zu Jungen neigen Mädchen, die selbst Opfer von Gewalttaten wurden,<br />

meistens nicht zu Gewalttätigkeit, sondern reagieren eher depressiv.<br />

(Bemerkung: An Stelle der Punkte könnten auch andere Satzzeichen stehen.)<br />

23. Haben wir in den folgenden Beispielen Nachträge oder eingeschobene Teilsätze?<br />

a) «Auch Mathias Gysel, Projektleiter im ‹Phoenix›, einer sozialpädagogischen Wohngruppe<br />

für Drogen konsumierende Kinder und Jugendliche, bezweifelt, ...» (Z. 27f.)<br />

b) «Claudia und Gianna, beide 14-jährig, hatten zusammen mit anderen Mädchen regelmässig<br />

von Mitschülerinnen Geld erpresst, ...» (Z. 45f.)<br />

1 L a) Zwei Nachträge: «Projektleiter im ‹Phoenix›» ist Nachtrag zu «Mathias Gysel»;<br />

«einer sozialpädagogischen Wohngruppe für Drogen konsumierende Kinder und Jugendliche»<br />

ist Nachtrag zu «Phoenix».<br />

b) Nachtrag: «beide 14-jährig» ist Nachtrag zu «Claudia und Gianna».


TIEFSEETAUCHEN IM «MEHR DER SPRACHE»: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Aktiv / Passiv<br />

24. «... ihre Tochter sei wiederholt beim Ladendiebstahl ertappt worden.» (Z. 4f.)<br />

Welche der folgenden Beschreibungen gibt die grammatische Struktur am genauesten wieder?<br />

– (Indikativ) Perfekt, Passiv<br />

– Konjunktiv I zum Perfekt, Aktiv<br />

– (Indikativ) Perfekt, Aktiv<br />

– Konjunktiv I, Perfekt, Passiv<br />

1 L Konjunktiv I, Perfekt, Passiv<br />

25. Gib an, welche der folgenden Teilsätze im Passiv stehen:<br />

– «Auf legalem Weg war es für sie unmöglich, teure Kleider und Statussymbole zu beschaffen,<br />

ohne die man auf Schweizer Schulhöfen offenbar zu Aussenseitern wird.» (Z. 54f.)<br />

– «Dass grundlos jemand zusammengeschlagen wird, wie es bei Jungen der Fall ist, kommt<br />

bei Mädchen kaum vor.» (Z. 70f.)<br />

– «Gewalttätigkeit bei Jungen wird mit dem immer härteren sozialen Klima, (...) erklärt.»<br />

(Z. 72f.)<br />

1 L «Dass grundlos jemand zusammengeschlagen wird, …» und «Gewalttätigkeit bei Jungen wird mit<br />

dem immer härteren sozialen Klima, (...) erklärt.»<br />

(Bemerkung: Das erste Beispiel ist ein Aktiv-Satz. Verwirren könnte das Verb werden, «man … wird.»<br />

Hier handelt es sich jedoch nicht um eine Passiv-Form, weil ein Partizip II fehlt.)<br />

26. «Doch auch Mädchen sind all diesen Faktoren ausgesetzt.» (Z. 76f.)<br />

a) Setze diesen Satz ins Werden-Passiv.<br />

b) Ergibt sich im Vergleich zum Originalsatz ein Bedeutungsunterschied?<br />

1 L a) Doch auch Mädchen werden all diesen Faktoren ausgesetzt.<br />

b) Im Originalsatz wird ein Zustand beschrieben, im Werden-Passiv hingegen ein Vorgang.<br />

27. «Sabrina wurde angedroht, sie müsse die Schule verlassen und werde in ein Heim gesteckt.»<br />

(Z. 5f.)<br />

Setze den ganzen Satz ins Aktiv.<br />

1 L Man drohte Sabrina, sie müsse die Schule verlassen und (man) werde sie in ein Heim stecken.<br />

(Bemerkung: Statt des Subjekts «man» kann man auch ein anderes sinnvolles setzen. Teilsatz 1 und 2<br />

stehen nach wie vor im Konjunktiv I.)<br />

28. Welches Satzglied des Aktivsatzes wird im Passivsatz meistens nicht genannt? Erkläre anhand<br />

einer Stelle aus dem Text oder eines eigenen Beispiels.<br />

1 L Das Subjekt des Aktivsatzes wird in der Passivformulierung häufig nicht genannt.<br />

Beispiel: Aktiv: Der Richter bestrafte die Mädchen mit ...<br />

Passiv: Die Mädchen wurden (vom Richter) mit ... bestraft.<br />

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TIEFSEETAUCHEN IM «MEHR DER SPRACHE»: AUFGABEN UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE<br />

Vorschläge fürs Textschaffen<br />

Vorschlag 1:<br />

Übermässiger Fernseh- und Videokonsum macht Kinder kriminell.<br />

Nimm dazu Stellung.<br />

Vorschlag 2:<br />

«Durch den Leistungsdruck in der Schule, den ungeheuren Zwang, schon als Kind mit teuren Kleidern<br />

einen sozialen Status zur Schau stellen zu müssen, und den Dauerstress, völlig unrealistischen<br />

Schönheitsidealen zu entsprechen, haben die Mädchen unheimliche Angst, nichts zu können und<br />

nichts zu sein. Die meisten Mädchen werden angesichts des Drucks depressiv oder nehmen Drogen.<br />

Aber manche richten ihren Zerstörungstrieb wie die Jungen nach aussen.» (Z. 39ff.)<br />

Bist du mit diesen Aussagen einverstanden? Begründe.<br />

Vorschlag 3:<br />

Opfer oder Täter?<br />

Bist du auch schon in gewalttätige Situationen verwickelt gewesen: als Täter oder als Opfer?<br />

Berichte darüber und mache in deinem Text einen Vorschlag, wie man diesen Konflikt hätte vermeiden<br />

können.<br />

Anschliessend Text austauschen – mit einer dir vertrauten Person (die auch diesen Vorschlag bearbeitet<br />

hat).<br />

Gemeinsame Diskussion über:<br />

• beschriebene «Extremsituation» und<br />

• Strategien der Konfliktbewältigung


Texte<br />

QUELLENANGABEN<br />

Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral Heinrich Böll, Erzählungen 1950–1970<br />

Kraftfutter für Sprachathleten Kiepenheuer und Witsch, Köln 1982<br />

Mechanischer Doppelgänger Hermann Kasack, in: Deutsche Erzähler<br />

Sprachbetrachtung bleifrei der Gegenwart, hrsg. v. Willi Fehse<br />

Reclam Verlag, Stuttgart 1970<br />

Entlassung Ruth Rehmann, Illusionen<br />

Meisterkurs für Spracharchitekten Verlag Suhrkamp, Frankfurt 1959<br />

Die sechs David Mc Kee, Die sechs<br />

Nouvelle Cuisine – Sprache filetieren Nord-Süd Verlag, Mönchaltdorf 1972<br />

Selbstoffenbarungsangst Daniela Kuhn,<br />

Trainingsplätze für Sprachmechaniker Weltwoche, 3. Mai 1990, S. 85<br />

Wer heute fehlerfrei schreibt, ... Andreas Heller,<br />

Last-Minute-Rundreise «Sprache», 1. Klasse Weltwoche, 15. Oktober 1987, S. 41<br />

Tobias und die Lügner Troll Thaddäus, Der himmlische Computer und<br />

Qualifikationsspiel für Sprachanalytiker andere Geschichten<br />

Hoffmann und Campe, Hamburg 1982<br />

Unverhofftes Wiedersehen Johann Peter Hebel, Schatzkästlein des<br />

Bungyjumping für Sprachartisten rheinischen Hausfreundes<br />

Reclam Verlag, Stuttgart 1981<br />

Wir sind ein Teil der Erde Chief Seattle, Wir sind ein Teil der Erde<br />

Surfen im Grammatiknetz Walter Verlag, Düsseldorf 1992<br />

Es gibt nur eine Wahrheit Nach Willi Fehse, in:<br />

Intensivtraining Sprache Das grosse Buch der Anekdote<br />

Bechtle-Verlag, München 1966<br />

Wer den Affen hat, darf reden Martin Lehmann,<br />

Taxfree-Shop für Sprachreisende Coopzeitung, 12. November 1997, aus:<br />

«Politik – Kinder machen mit», S. 7ff.<br />

Lieber Täterin als Opfer Udo Theiss,<br />

Tiefseetauchen im «Mehr der Sprache» Brückenbauer 35, 27. August 1997<br />

141


142<br />

QUELLENANGABEN<br />

Bilder und Fotos<br />

Seite 7 Keystone, Zürich<br />

Seite 13 mediacolor’s, Zürich<br />

Seite 18 mediacolor’s, Zürich<br />

Seite 23 mediacolor’s, Zürich<br />

Seite 28 Patrick Lüthy, Olten<br />

Seite 33 links unten:<br />

Albert Anker, Schreibender Knabe<br />

Privatbesitz<br />

rechts unten:<br />

mediacolor’s, Zürich<br />

Seite 37 mediacolor’s, Zürich<br />

Seite 42 mediacolor’s, Zürich<br />

Seite 43 mediacolor’s, Zürich<br />

Seite 48 mediacolor’s, Zürich<br />

Seite 53 Kopf links:<br />

Freimarkenserie für Madagaskar 1930/44<br />

Seite 59 Martin Heimann<br />

Kopf rechts:<br />

Freimarkenserie für Gabon, 1910/22<br />

Seite 64 Gabriela Masciadri, Gachnang<br />

Umschlag vorn, 1. Bild von oben Keystone, Zürich<br />

alle übrigen mediacolor’s<br />

Umschlag hinten, 3. Bild von oben Patrick Lüthy, Olten<br />

alle übrigen mediacolor’s


NOTIZEN<br />

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